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Basel und der Tod Auszug

Edition BwieBasel ‹Basel und der Tod›

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EDITION 02<br />

<strong>Basel</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>Tod</strong>


Bestattungsrituale<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02 5


BESTATTUNGSRITUALE<br />

dem von weitem sichtbaren Grabmal ihre Bedeutung zu demonstrieren.<br />

Die um das Mittelgrab herumliegenden Gräber<br />

gehörten vermutlich wichtigen Personen aus dem Kreis <strong>der</strong><br />

Familie o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gefolgschaft.<br />

Gegen Ende <strong>der</strong> Bronzezeit kommen mehr <strong>und</strong> mehr Kremationen<br />

vor, auch wenn die Erdbestattung in unserer Region<br />

vorherrschend blieb. In den Gebieten mit Kremation<br />

wurden die Toten in Urnen o<strong>der</strong> Gruben beigesetzt. Häufig<br />

deponierte man ganze Geschirrsätze, Speisebeigaben <strong>und</strong><br />

die verbrannte Leiche mit Kleidungsbestandteilen in einem<br />

grösseren Gefäss <strong>und</strong> verschloss es mit einer Schale als<br />

Deckel. Hingegen finden sich aus dieser Zeit praktisch keine<br />

Waffen mehr in den Gräbern.<br />

Merkwürdigerweise sind aus <strong>der</strong> ganzen Schweiz nur sehr<br />

wenige Gräber aus <strong>der</strong> Spätbronzezeit bekannt, was im<br />

Kontrast zu den bekannten Siedlungsplätzen mit vielen Bewohnern<br />

steht. Neusten Forschungen zufolge wurden<br />

während dieser Zeit möglicherweise auch Flussbestattungen<br />

durchgeführt. Nach <strong>der</strong> Kremation wurden Asche <strong>und</strong><br />

Ausstattung <strong>der</strong> Toten teilweise den Flüssen übergeben; beson<strong>der</strong>s<br />

die sozial hoch gestellten Schwertträger sollen auf<br />

diese Weise bestattet worden sein.<br />

Während des 9./8. Jahrh<strong>und</strong>erts v. Chr. – in <strong>der</strong> Übergangszeit<br />

von <strong>der</strong> Bronze- zur Eisenzeit – gibt es wie<strong>der</strong> mehr<br />

Grabhügel, <strong>und</strong> während <strong>der</strong> späten Eisenzeit werden den<br />

Männern grosse Eisenschwerter <strong>und</strong> den Frauen reicher<br />

Schmuck aus Bronze ins Grab mitgegeben.<br />

Geschenke für die Götter?<br />

1858 wurden beim Abtragen <strong>der</strong> ehemaligen Elisabe -<br />

then schanze ein<strong>und</strong>zwanzig, teilweise zerstückelte Bronzeobjekte<br />

zusammen mit zwei Keramikgefässen gef<strong>und</strong>en.<br />

Es handelte sich um Teile von Sicheln, Beilen, Armbän<strong>der</strong>n,<br />

von einem verzierten Fussring <strong>und</strong> einer Lanzentülle.<br />

Der jüngste F<strong>und</strong> stammte aus dem 9. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

v. Chr. <strong>und</strong> könnte somit von Bewohnern <strong>der</strong> Siedlung<br />

auf dem Münsterhügel o<strong>der</strong> <strong>der</strong>jenigen im Kleinbasel<br />

vergraben worden sein. Es sieht so aus, dass die vermutlich<br />

noch intakten Objekte zerstückelt <strong>und</strong> als so genannter<br />

Bronzebruch vergraben worden waren. Das Deponieren<br />

von Gebrauchsobjekten war während <strong>der</strong> Bronzezeit<br />

in Europa weit verbreitet; sie wurden wahrscheinlich<br />

als Zahlungsmittel für an<strong>der</strong>e Waren eingesetzt. Früher<br />

dachte man, diese Bronzehorte seien Verstecke von<br />

Händlern o<strong>der</strong> von bedrohten Siedlungen gewesen, doch<br />

die heutige Forschung sieht darin eher Opfergaben an<br />

Götter. Die F<strong>und</strong>orte dieser Horte befinden sich häufig<br />

bei auffälligen Geländeformationen <strong>und</strong> sollten wohl die<br />

Götter gnädig stimmen o<strong>der</strong> ihnen danken. Auch Depots<br />

in Flüssen gehören sicher in den Bereich von Kulthandlungen.<br />

In <strong>Basel</strong> fand man ein Beil aus <strong>der</strong> Mittelbronzezeit<br />

beim St. Alban-Rheinweg <strong>und</strong> einen Dolch beim Münster.<br />

Aus <strong>der</strong> Spätbronzezeit stammen ein Messer aus dem<br />

Kleinhüninger Hafen <strong>und</strong> ein Schwert aus dem Rhein.<br />

Die Eisenzeit <strong>und</strong> ihre Grabhügel<br />

Die spätbronzezeitlichen Siedlungen auf dem Münsterhügel<br />

<strong>und</strong> im Kleinbasel wurden um 800 v. Chr., zu Beginn<br />

<strong>der</strong> Eisenzeit, verlassen. Vielleicht führte die markante Klimaverschlechterung<br />

zu einer Abnahme <strong>der</strong> Bevölkerung.<br />

Somit blieb <strong>Basel</strong> die nächsten Jahrh<strong>und</strong>erte unbewohnt,<br />

einzig in Gebieten <strong>der</strong> Landschaft gab es Siedlungen wie<br />

beispielsweise den Adlerberg bei Pratteln <strong>und</strong> den Wartenberg<br />

bei Muttenz, beide in beherrschen<strong>der</strong> Lage am Rand<br />

des Rheintals.<br />

Auch im Hardwald bei Muttenz <strong>und</strong> Pratteln gab es offenbar<br />

reiche <strong>und</strong> mächtige Leute: man fand fünf Grabhügel;<br />

<strong>der</strong> heute noch beim Waldhaus sichtbare ‹Tumulus Hardhäuslischlag›<br />

hatte einen Durchmesser von 20 Metern.<br />

Hier fand man 11 Körpergräber. Im Hügel von Pratteln-<br />

Neueinschlag lagen mindestens 23 Tote.<br />

In den Jahren um 450 v. Chr. kam es in den keltischen Gesellschaften<br />

zu Umwälzungen, <strong>der</strong>en Hintergründe man<br />

heute noch nicht kennt. Bestimmte Zentren verloren an Bedeutung,<br />

<strong>und</strong> die Menschen wohnten nun in Einzelhöfen,<br />

Weilern <strong>und</strong> kleinen Dörfern. Es gab nicht mehr so prunkvolle<br />

Gräber wie zuvor; die Sitte, für wichtige Leute imposante<br />

Grabhügel zu errichten, wurde aufgegeben. Dafür<br />

wurden die Menschen nun meist unverbrannt in gestreckter<br />

Rückenlage auf kleineren Flachgräberfel<strong>der</strong>n bestattet. Sie<br />

waren in ihre Tracht gekleidet <strong>und</strong> trugen oft Schmuck; in<br />

gewissen Gräbern fand man weitere Beigaben wie Speisen<br />

o<strong>der</strong> Getränke. Objekte, die vermutlich aus solchen Gräbern<br />

stammen, fand man im St. Albantal, im Bäumlihofgebiet,<br />

bei <strong>der</strong> Bergalingerstrasse <strong>und</strong> an <strong>der</strong> Grenzacherstrasse.<br />

An einigen dieser Orte wurden auch mehrere Skelette gef<strong>und</strong>en.<br />

4<br />

10 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02


BESTATTUNGSRITUALE<br />

5<br />

Die keltische Siedlung Gasfabrik<br />

Ab etwa 150 v. Chr. än<strong>der</strong>te sich das Verhalten <strong>der</strong> Kelten<br />

wie<strong>der</strong>; es entstanden Grosssiedlungen, die deutliche Spuren<br />

im Boden hinterliessen. Auch in <strong>Basel</strong> lässt sich eine grosse<br />

keltische Siedlung mit stadtähnlichem Charakter nachweisen,<br />

die bis ca. 80 v. Chr. bewohnt war, <strong>und</strong> am Nordrand<br />

<strong>Basel</strong>s lag. Sie wurde um 1860 entdeckt, als man mit dem<br />

Bau eines ersten grossen Kessels für die neue Gasfabrikanlage<br />

begann, weshalb man sie ‹<strong>Basel</strong>-Gasfabrik› nannte.<br />

In den letzten Jahrzehnten hat man viele Gegenstände aus<br />

dieser Siedlung gef<strong>und</strong>en, sodass man sich ein relativ genaues<br />

Bild vom Leben <strong>und</strong> Arbeiten <strong>der</strong> Kelten an diesem<br />

Ort machen kann. Auch Gräber wurden entdeckt, die jedoch<br />

noch einige Fragen offen lassen.<br />

Die beiden gef<strong>und</strong>enen Grabgruben sind überwiegend in<br />

Richtung Nord-Süd ausgerichtet; <strong>der</strong> Kopf <strong>der</strong> Toten liegt<br />

meist im Süden, sodass <strong>der</strong> Blick nach Norden gerichtet<br />

ist. Den Toten wurden normalerweise nur sehr wenige ausgewählte<br />

Objekte ins Grab gelegt, die vermutlich gezielt<br />

wegen ihrer Bedeutung ausgesucht wurden. Dabei handelt<br />

es sich um Gewandverschlüsse, Anhänger o<strong>der</strong> Armschmuck<br />

wie auch Ess- <strong>und</strong> Trinkgeschirr, welches für den<br />

weiteren Weg <strong>der</strong> Toten bestimmt gewesen sein dürfte.<br />

Manche Tote wurden auch in Gruben innerhalb <strong>der</strong> Siedlung<br />

bestattet. Im Gegensatz zu früher weiss man heute,<br />

dass es sich bei diesen Toten keinesfalls um Personen von<br />

niedrigem Rang, um Fremde o<strong>der</strong> gar um Opfer von Verbrechen<br />

handelte. Im Gegenteil; bei diesen Toten fand man<br />

manchmal überhaus wertvolle Objekte, die auf sozial<br />

hochstehende Personen weisen. Es sind kaum gewaltsame<br />

<strong>Tod</strong>esumstände zu belegen, hingegen sind in einigen Fällen<br />

Manipulationen am Leichnam festzustellen, die deut-<br />

04: Reste eines Grabhügels auf <strong>der</strong> Chrischona.<br />

05: Die von Lebenden <strong>und</strong> Toten getragenen Radanhänger<br />

aus Eisen waren Amulette von grosser Symbolkraft. Sie<br />

stammen aus dem ersten Jahrh<strong>und</strong>ert vor Christus.<br />

06: Diese Perlen wurden aus farbigem Glas hergestellt <strong>und</strong><br />

weisen oft gelbe o<strong>der</strong> weisse Verzierungen auf. Es wurden<br />

immer mehrere Perlen – auf einem Band o<strong>der</strong> einer Kette<br />

aufgereiht – um den Hals getragen.<br />

Sowohl die Radanhänger wie die Perlen wurden bei <strong>der</strong><br />

Keltensiedlung Gasfabrik gef<strong>und</strong>en.<br />

6<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02 11


BESTATTUNGSRITUALE<br />

Hoch- <strong>und</strong> Spätmittelalter:<br />

Gräber in Kirchen <strong>und</strong> Friedhöfen<br />

Es ist wahrscheinlich, dass sich die erste Basler Kirche an<br />

<strong>der</strong> Stelle <strong>der</strong> heutigen Martinskirche befand. Sicher ist,<br />

dass Bischof Haito um 800 das erste Basler Münster erbauen<br />

liess. Mit dem Bau <strong>der</strong> Kirchen setzte sich <strong>der</strong> Brauch<br />

durch, die Kirchengrün<strong>der</strong> (<strong>und</strong> manchmal auch <strong>der</strong>en Angehörige)<br />

im Inneren <strong>der</strong> Kirche beizusetzen <strong>und</strong> ihnen<br />

kostbare Gaben ins Grab zu legen. Allmählich entstanden<br />

zudem um die Kirchen herum Friedhöfe, welche die alten<br />

Gräberfel<strong>der</strong> ausserhalb <strong>der</strong> Siedlungen ablösten. Im späten<br />

Mittelalter, also vom 13. bis 15. Jahrh<strong>und</strong>ert, standen<br />

in <strong>Basel</strong> zwischen 35 <strong>und</strong> 40 Kirchen, Klöster <strong>und</strong> Kapellen,<br />

die praktisch alle einen Friedhof aufwiesen. Gewisse<br />

Klöster hatten sogar zwei Friedhöfe, einen für die Mönche<br />

o<strong>der</strong> Nonnen <strong>und</strong> einen für die ‹gewöhnlichen› Leute, den<br />

Laienfriedhof (siehe auch Kapitel ‹Frühere Begräbnisstätten›).<br />

Kaum eines <strong>der</strong> damals r<strong>und</strong> zweitausend Basler<br />

Häuser war mehr als 200 Meter vom nächsten Got teshaus<br />

entfernt. Zwar waren die Kirchen für alle zugänglich, doch<br />

nur die so genannte ‹Leutkirche›, <strong>der</strong> vor dem Chor gelegene<br />

Raum stand wirklich allen offen. Der eigentliche<br />

Chor war den Klerikern vorbehalten; im Münster dem Bischof<br />

<strong>und</strong> dem Domkapitel, in den Klosterkirchen den<br />

Nonnen <strong>und</strong> Mönchen. Die Frömmigkeit des Volkes zeigte<br />

sich deshalb eher in den kleineren Kirchen <strong>und</strong> Kapellen<br />

als im Münster.<br />

Die Andreaskapelle beispielsweise, die auf dem heutigen<br />

Andreasplatz stand, war dem Heiligen Andreas geweiht,<br />

<strong>der</strong> ein einfacher Fischer gewesen sein soll. Ihn rief man<br />

an, wenn man unter dem Schweinerotlauf litt, einer gefährlichen<br />

Milzbrandkrankheit, die vor allem Menschen befiel,<br />

die mit Fischen, Häuten <strong>und</strong> Fellen zu tun hatten. Sowohl<br />

<strong>der</strong> Fischmarkt als auch das Schlachthaus waren ganz in<br />

<strong>der</strong> Nähe, <strong>und</strong> auch die Arbeitsstätten <strong>der</strong> Gerber waren<br />

nicht weit weg. Obwohl die Andreaskapelle keine Kirche<br />

war <strong>und</strong> somit auch kein Begräbnisrecht besass, fanden<br />

sich dort trotzdem viele Körpergräber.<br />

Die politischen Verän<strong>der</strong>ungen führten dazu, dass sich die<br />

Bischöfe nach <strong>und</strong> nach aus <strong>Basel</strong> zurückzogen; vom 14.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert an hielten sie in St-Ursanne, Delémont o<strong>der</strong><br />

Porrentruy Hof. Nach <strong>der</strong> Reformation 1528/29 verlegte <strong>der</strong><br />

Bischof seinen Sitz endgültig nach Porrentruy; das Domkapitel<br />

ging zuerst nach Freiburg im Breisgau, schliesslich<br />

nach Arlesheim. Doch die kirchlichen Strukturen blieben erhalten,<br />

<strong>und</strong> noch immer wurden Menschen in den Kirchen<br />

<strong>und</strong> in den Kreuzgängen bestattet. Sogar <strong>der</strong> berühmte Humanist<br />

Erasmus von Rotterdam wurde am 12. Juli 1536 in<br />

einer feierlichen Zeremonie im Münster beigesetzt, das Grab<br />

mit einer Steinplatte verschlossen <strong>und</strong> zu Ehren des Toten<br />

eine Gedenktafel errichtet. Viele Epitaphien zeugen noch<br />

heute von den in den Kirchen Bestatteten (siehe Kapitel 6).<br />

01: Die knapp zwei Zentimeter grosse Scheibenfibel mit<br />

dem stark stilisierten Porträt <strong>der</strong> Jungfrau Maria stammt<br />

aus einem Grab des späteren 9. o<strong>der</strong> früheren 10. Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Das ist bisher <strong>der</strong> älteste Hinweis auf einen Sakralbau<br />

im Bereich <strong>der</strong> heutigen Martinskirche.<br />

Der Basler Bischof Haito<br />

Nach dem Zusammenbruch <strong>der</strong> römischen Zentralverwaltung<br />

verkörperte <strong>der</strong> Bischof nicht nur die Kirche als Priester,<br />

Lehrer <strong>und</strong> Hirte <strong>der</strong> Gemeinde; kraft seiner Auto -<br />

rität <strong>und</strong> Bildung schlichtete er weltliche Rechtshändel<br />

<strong>und</strong> wurde zum Ratgeber.<br />

Die Basler Bischöfe dieser Epoche stammten aus dem<br />

Mönchtum <strong>und</strong> standen den karolingischen Herrschern<br />

nahe. Einige wie Waldo <strong>und</strong> Haito waren Äbte des Klosters<br />

Reichenau, das sich auf <strong>der</strong> gleichnamigen Insel im Bodensee<br />

befand, <strong>und</strong> zu den bedeutendsten Klöstern <strong>der</strong><br />

karolingischen Zeit zählte. Der von Karl dem Grossen eingesetzte<br />

Haito, Basler Bischof von 805–823, war eine herausragende<br />

Persönlichkeit. Er betätigte sich als Diplomat<br />

für Karl den Grossen, reiste als Gesandter nach Konstantinopel<br />

<strong>und</strong> baute in <strong>Basel</strong> auf dem Münsterhügel die erste<br />

grosse Bischofskirche.<br />

1<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02 19


BESTATTUNGSRITUALE<br />

2 3<br />

Die Grabbeigaben <strong>der</strong> Basler Bischöfe<br />

Im Basler Münster wurden im 19. <strong>und</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>ert aufgr<strong>und</strong> von verschiedenen<br />

Grabf<strong>und</strong>en über 400 Bestattungen aus <strong>der</strong> Zeit zwischen dem 9. <strong>und</strong><br />

dem 19. Jahrh<strong>und</strong>ert nachgewiesen; für die Zeit vor <strong>der</strong> Reformation sind<br />

über 260 Bestattete namentlich bekannt. Mindestens die Hälfte gehörte dem<br />

geistlichen Stand an.<br />

Bis in die Zeit um 1200 war das Münster ausschliess lich Bischöfen als Bestattungsplatz<br />

vorbehalten. Die Gräber finden sich in <strong>der</strong> Nähe des Chors, in <strong>der</strong><br />

Krypta, aber auch im Mittelschiff <strong>und</strong> in den Kapellen. <strong>Basel</strong> scheint damals<br />

in <strong>der</strong> deutschsprachigen Schweiz bekannt für die Praxis <strong>der</strong> Mumifizierung<br />

gewesen zu sein; bei manchen Skeletten wurden offenbar die Eingeweide<br />

entnommen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Körper mit stark duftenden Kräutern gefüllt, von denen<br />

einige bei <strong>der</strong> Offenlegung <strong>der</strong> Gräber gef<strong>und</strong>en wurden.<br />

Bei einigen Gräbern wurden Fresken, Grabplatten o<strong>der</strong> Tafeln angebracht. So<br />

findet man beispielsweise in <strong>der</strong> Krypta die Wandmalereien mit Bischof Lütold<br />

von Aarburg (Bild 2) <strong>und</strong> Adalbergos II. (Bild 3); beide Fresken sind wohl 1202<br />

entstanden.<br />

Die Kirche schrieb vor, dass Bischöfe in ihrem Habit, also in ihrer priesterlichen<br />

Kleidung, bestattet werden <strong>und</strong> ihre Insignien wie Ring, Stab o<strong>der</strong> Ähnliches<br />

in den Sarg gelegt werden sollten. Die bei Ausgrabungen gef<strong>und</strong>enen<br />

Grabbeigaben <strong>und</strong> Textilien bestätigen, dass diese Vorschriften mehrheitlich<br />

eingehalten wurden. So fanden sich in vielen Bischofsgräbern Ringe; bis Ende<br />

des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts waren diese aus Gold <strong>und</strong> scheinen die echten Pontifikalringe<br />

zu sein; später wurde billigeres Material wie Kupfer, Silber <strong>und</strong> Glas<br />

als Ersatz verwendet.<br />

Ebenfalls den Gräbern beigelegt wurden die Bischofsstäbe. So fand man im<br />

Grab von Bischof Lütold von Aarburg (in <strong>der</strong> Krypta) einen ursprünglich farbig<br />

gefassten Stab mit glatter, schneckenhausförmiger Krümme (<strong>der</strong> obere<br />

Teil des Stabs). Der Tote hielt den schräg auf dem Körper liegenden Stab in<br />

<strong>der</strong> linken Hand (Bild 4).<br />

Einen kostbareren Stab fand man im Grab des Bischofs Johann von Venningen,<br />

<strong>der</strong> um 1230 bestattet wurde: eine so genannte Limoger Krümme mit<br />

einem Medaillon von Christus als Weltenrichter (Bild 5) <strong>und</strong> – auf <strong>der</strong> Rückseite<br />

– von <strong>der</strong> thronenden Maria mit dem Kind.<br />

Ferner fand man in den Bischofsgräbern auch zahlreiche Bekleidungsstücke,<br />

von einigen haben sich erstaunlich grosse Teile erhalten. Aus dem Grab von<br />

Bischof Johann II. von Venningen blieben Stoff-Fragmente erhalten, auf denen<br />

– ursprünglich mehrfarbige – Motive zu erkennen sind wie Tiere <strong>und</strong> vegetabile<br />

Muster. Beim Material handelt es sich um Seide; es wurde ein Band<br />

von 247 cm Länge <strong>und</strong> 4,5 cm Breite gef<strong>und</strong>en.<br />

4<br />

20 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02


BESTATTUNGSRITUALE<br />

5<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02 21


Richter <strong>und</strong> Henker<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02 25


RICHTER UND HENKER<br />

Die Basler Richter –<br />

von den Anfängen bis 1798<br />

Im Mittelalter gehörte das Recht, <strong>Tod</strong>esstrafen auszusprechen<br />

<strong>und</strong> zu vollziehen, dem König, beziehungsweise dem<br />

Kaiser. Dieser delegierte das ‹Blutgericht› an Vögte o<strong>der</strong><br />

lokale Landesherren. Für <strong>Basel</strong> war von 1275 König Rudolf<br />

von Habsburg zuständig; 1386 ging das Recht, Gericht<br />

zu halten, an den Basler Rat. Dieser ernannte von da<br />

an den Vogt, dem <strong>der</strong> Rat <strong>und</strong> später ein Urteilergremium<br />

aus Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Stadtgerichte beistand.<br />

Die Untersuchung eines Falls wurde im Namen <strong>und</strong> im<br />

Auftrag des Rats durch die ‹Siebnerherren› durchgeführt.<br />

Diese berichteten dem Rat, <strong>der</strong> das weitere Vorgehen beschloss<br />

<strong>und</strong> entschied, ob gefoltert werden sollte. Es war<br />

immer <strong>der</strong> Rat, <strong>der</strong> ein <strong>Tod</strong>esurteil fällte. Lag ein solches<br />

<strong>Tod</strong>esurteil vor, wurde es vom Hofgericht unter dem Vorsitz<br />

des Vogtes im Rathaushof verlesen <strong>und</strong> sofort vollzogen.<br />

Nach <strong>und</strong> nach verlor <strong>der</strong> Vogt seine Bedeutung, weil<br />

<strong>der</strong> Rat an seine Stelle trat; 1672 löste <strong>der</strong> Rat das Vogtamt<br />

auf. Somit war <strong>der</strong> Rat Exekutive, Legislative <strong>und</strong> Judikative<br />

in einem (die Gewaltentrennung, wie wir sie heute<br />

kennen, wurde erst im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert eingeführt). Das<br />

Vorgehen beim Fällen eines <strong>Tod</strong>esurteils wurde bis ins 18.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert beibehalten.<br />

Die Richter präsentierten sich mit dem Stab o<strong>der</strong> – beim<br />

Blutgericht – mit dem Richtschwert. Dieses war allerdings<br />

nicht das Hinrichtungsschwert, son<strong>der</strong>n diente als Symbol.<br />

Die Gerichtsstäbe waren meist längliche, sich nach oben<br />

verjüngende Holzstecken, die oft als Bekrönung eine Kugel<br />

trugen, die mit einer Figur besetzt war.<br />

01: Basler Blutgerichtsstab aus Ebenholz mit Totenkopf aus<br />

Elfenbein, 125 cm lang. Dieser Stab wird bereits in einem<br />

Inventar von 1763 aufgeführt. Es heisst dort, <strong>der</strong> Oberstknecht<br />

hätte sich dieses Stabes «beim Leben Absprechen»,<br />

also bei <strong>der</strong> Verkündigung des <strong>Tod</strong>esurteils, bedient.<br />

Strenge aber gerechte Richter<br />

Der italienische Humanist Enea Silvio Piccolomini, <strong>der</strong> 1432<br />

an das Konzil von <strong>Basel</strong> kam (<strong>und</strong> später Papst wurde),<br />

schrieb viele Texte über die Stadt, in <strong>der</strong> er viele Jahre verbrachte.<br />

So auch über den Basler Strafvollzug zu jener Zeit:<br />

«Doch sind sie [die Basler] unerbittlich <strong>und</strong> streng. Fanatiker<br />

<strong>der</strong> Gerechtigkeit: wenn es ans Strafen geht, nützt<br />

dem Übeltäter kein Geld, kein Flehen, kein Aufmarsch von<br />

Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Verwandten; je<strong>der</strong> hat seine Schuld zu büssen.<br />

Wer aus <strong>der</strong> Stadt verwiesen wurde, kann jede Hoffnung<br />

auf Rückkehr begraben, ausser wenn ihn vielleicht<br />

ein Kardinal beim Eintritt in die Stadt mitnimmt; dann begnadigt<br />

man ihn, wenn er sich nicht schwer verfehlt hat.<br />

Entsetzlich gehen sie mit den Verurteilten um. Die einen<br />

enden mit zerschlagenen Knochen auf dem Rad, an<strong>der</strong>e<br />

werden im Rhein ertränkt, an<strong>der</strong>e verbrennen sie, an<strong>der</strong>n<br />

hacken sie die Gliedmassen vom lebendigen Leib, manchen<br />

sperren sie hinter dicke Mauern <strong>und</strong> lassen ihm<br />

nichts ausser einen Happen Brot <strong>und</strong> ein paar Tropfen<br />

Wasser reichen, bis er verhungert o<strong>der</strong> verdurstet. Beim<br />

Verhör verwenden sie ebenfalls die grausamsten Arten<br />

von Foltern, so dass man lieber gleich tot ist als <strong>der</strong>lei erduldet.»<br />

Piccolomini bew<strong>und</strong>erte jedoch auch die Gleichheit<br />

aller vor dem Gesetz als festen Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> Basler.<br />

1<br />

26 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02


RICHTER UND HENKER<br />

Im Mittelalter gab es in <strong>Basel</strong> kein geschriebenes Gesetz, in<br />

dem Verbrechen <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Bestrafung festgehalten war.<br />

Die Urteile wurde ‹nach bestem Wissen <strong>und</strong> Gewissen› <strong>und</strong><br />

nach Gewohnheitsrecht gefällt; dabei hatten die Richter einen<br />

grossen Ermessensspielraum. Erst von 1719 an gab es<br />

eine gedruckte Gerichtsordnung für das Zivilgericht, die in<br />

Buchform von je<strong>der</strong>mann gelesen werden konnte.<br />

Neben den Vogt- <strong>und</strong> den Schultheissen-Gerichten gab es<br />

in <strong>Basel</strong> Gerichte für beson<strong>der</strong>e Angelegenheiten wie<br />

Baustreitigkeiten, Ehestreit, Flurgerichte für Streitigkeiten<br />

ausserhalb <strong>der</strong> Stadmauern, etc. Ein ganz beson<strong>der</strong>es Gericht<br />

war das Kohlenberggericht, das für ‹das fahrende, unehrliche<br />

Volk› zuständig war. Es behandelte die Streitigkeiten<br />

<strong>der</strong> Totengräber, Gauner, Zuhälter, Bettler, Spielleute<br />

<strong>und</strong> Henker <strong>und</strong> bestand aus sieben selbst erwählten, so ge -<br />

nannten Freiheitsknaben.<br />

Das Kleinbasler Schultheissengericht tagte im Richthaus<br />

am Kleinbasler Brückenkopf, dem heutigen Café Spitz.<br />

Das Grossbasler Schultheissengericht tagte in <strong>der</strong> Gerichtsstube<br />

des Rathauses. Das im Innenhof des Rathauses<br />

noch heute sichtbare Bild des Jüngsten Gerichts mahnte<br />

die Rats- <strong>und</strong> Gerichtsherren, gerechte Richter zu sein.<br />

Es gab auch die Möglichkeit, sich einer Verhaftung zu entziehen,<br />

indem man sich an eine Freistätte begab. Als Frei-<br />

stätten galten vorwiegend Kirchen <strong>und</strong> Klöster, die sich<br />

weigerten, Verbrecher herauszugeben. Beson<strong>der</strong>s die Johanniter<br />

schützten die Delinquenten <strong>und</strong> gaben ihnen die<br />

Möglichkeit, im Kloster zu bleiben. Das Asylrecht <strong>der</strong> Kirche<br />

stand im Wi<strong>der</strong>spruch zur For<strong>der</strong>ung nach gleichem<br />

Recht auf dem gesamten Territorium, weshalb es am Ende<br />

des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts abgeschafft wurde.<br />

Das Grossbasler Stadtgericht (Bild 02)<br />

Diese kolorierte Radierung von Reinhard Keller entstand<br />

um 1785, will aber den Zustand von 1593 wie<strong>der</strong>geben.<br />

Wahrscheinlich benutzte <strong>der</strong> Künstler eine heute nicht<br />

mehr bekannte Vorlage. Der <strong>Basel</strong>stab über dem Saaleingang<br />

<strong>und</strong> die Beischrift weisen die Versammlung als<br />

Grossbasler Gerichtssitzung aus.<br />

Der Vogt <strong>und</strong> <strong>der</strong> Schultheiss – erkennbar an den Gerichtsstäben<br />

– sitzen zwischen den beiden Fenstern. Neben<br />

ihnen <strong>und</strong> auf <strong>der</strong> Sitzbank rechts haben zwölf Urteilssprecher<br />

Platz genommen (sechs Kleinräte <strong>und</strong> sechs<br />

aus <strong>der</strong> Gemeinde). Auf einer Tafel an <strong>der</strong> Wand sind die<br />

Personen namentlich aufgeführt. Im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

links stehen viele Zuschauer; sie werden von Schranken<br />

zurückgehalten <strong>und</strong> zusätzlich von Gerichtsdienern bewacht,<br />

die alle einen Stab in <strong>der</strong> Hand halten. In <strong>der</strong> Fensternische<br />

<strong>und</strong> in <strong>der</strong> linken Hälfte des Saals sieht man<br />

zwei Schreiber, die Protokoll führen. Das Grossbasler<br />

Stadtgericht tagte während Jahrh<strong>und</strong>erten im Rathaus.<br />

Quelle: Historisches Museum <strong>Basel</strong><br />

2<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02 27


RICHTER UND HENKER<br />

Peter Mengis:<br />

<strong>der</strong> letzte Basler Scharfrichter<br />

1374 wird in <strong>Basel</strong> <strong>der</strong> erste Henker erwähnt, ‹Nachrichter›<br />

genannt. Die Henker durchliefen eine strenge Ausbildung<br />

<strong>und</strong> mussten ein Meisterstück ablegen, das meistens in einer<br />

erfolgreichen Enthauptung bestand. Da <strong>der</strong> Nachwuchs oft<br />

aus <strong>der</strong> eigenen Familie stammte, bildeten sich ganze Hen -<br />

ker dynastien. Der Henker war auch Wasenmeister, das heisst,<br />

er entsorgte Tierkadaver. In <strong>Basel</strong> war er zudem <strong>der</strong> ‹H<strong>und</strong>eschlager›;<br />

er fing herrenlose H<strong>und</strong>e ein <strong>und</strong> tötete sie.<br />

Während Jahrh<strong>und</strong>erten wohnten die Basler Henker am<br />

Kohlenberg, denn sie galten als Person ohne Ehre. Mit dem<br />

Henker wollte man nichts zu tun haben <strong>und</strong> mied ihn, ebenso<br />

wie seine Familie. Eine Henkerstochter wollte – ausser<br />

einem fremden Scharfrichter – niemand zur Frau.<br />

1819 erfolgte in <strong>Basel</strong> die letzte Hinrichtung; obwohl die<br />

<strong>Tod</strong>esstrafe noch bis 1872 beibehalten wurde. 1838 bat deshalb<br />

<strong>der</strong> Henker Peter Menigs um Entlassung aus dem Dienst.<br />

<strong>Basel</strong> schloss zwar noch einen Vertrag mit Henker Jakob<br />

Mengis in Frick, <strong>der</strong> jedoch keine Hinrichtung mehr vollzog.<br />

Der letzte Henker <strong>der</strong> Schweiz war Theodor Mengis. Er<br />

wohnte in Rheinfelden <strong>und</strong> vollstreckte von 1879–1918 alle<br />

in <strong>der</strong> Schweiz von zivilen Gerichten gefällten <strong>Tod</strong>esurteile.<br />

08: Das Basler Henkershaus an <strong>der</strong> Kohlenberggasse 2,<br />

vom Steinenbachgässlein aus gesehen; die Treppe wurde<br />

‹Henkersstiege› genannt.<br />

09: Der Scharfrichter Theodor Mengis (1839–1918) von<br />

Emil Beurmann, 1903. Er zeigt die Insignien seines Berufs,<br />

Scharfrichtermantel <strong>und</strong> Richtschwert. Allerdings vollzog er<br />

die Hinrichtungen mit <strong>der</strong> Guillotine, nicht mit dem Schwert.<br />

10: Das Henkershaus von <strong>der</strong> Kohlenberggasse aus, Aquarell<br />

von Johann Jakob Schnei<strong>der</strong>, vor 1857.<br />

9<br />

8<br />

10<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02 31


Krankheiten <strong>und</strong> Seuchen<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.01 35


KRANKHEITEN UND SEUCHEN<br />

Vom Steinzeitbandwurm über<br />

die Pest bis zur Cholera<br />

In <strong>der</strong> Steinzeit betrug die mittlere Lebenserwartung nur 20<br />

bis 25 Jahre; auch die Kin<strong>der</strong>sterblichkeit war sehr hoch. Die<br />

Menschen litten an Arthrose, was ihre Beweglichkeit bei <strong>der</strong><br />

Jagd <strong>und</strong> beim Sammeln von Früchten <strong>und</strong> Beeren stark einschränkte,<br />

sie litten unter Atemwegserkrankungen durch die<br />

ständige Rauchbelastung <strong>der</strong> offenen Herdfeuer <strong>und</strong> an Sinusitis.<br />

Viele hatten schlecht verheilte Knochenbrüche, Karies<br />

<strong>und</strong> abgeschliffene Zähne, weil das Mehl mit Gesteinsstaub<br />

<strong>der</strong> Handmühlen vermischt war. In Siedlungen, die sich<br />

auf feuchtem Boden befanden, haben sich auch mensch liche<br />

Fäkalien erhalten. In ihnen fand man Eier von zahlreichen<br />

Parasiten wie Band- <strong>und</strong> Peitschenwürmer. Zwar kannten<br />

bereits die Steinzeitmenschen Heilkräuter, doch konnten sie<br />

damit schwere Krankheiten nicht heilen.<br />

Auch in den darauf folgenden Epochen kannte man den Zusammenhang<br />

zwischen Ansteckung <strong>und</strong> Ausbruch einer<br />

Krankheit nicht, man vermutete schlechte Luft o<strong>der</strong> verdorbene<br />

Nahrung als Ursache. Das einfache Volk ging meistens<br />

von einer Gottesstrafe o<strong>der</strong> von Hexerei <strong>und</strong> Dämonen<br />

aus, wenn jemand krank wurde. Fortschritte wurden allerdings<br />

bei <strong>der</strong> allgemeinen W<strong>und</strong>heilung gemacht, bei<br />

Knochenbrüchen, Stich- o<strong>der</strong> Schnittw<strong>und</strong>en. So fand man<br />

beispielsweise in ehemaligen römischen Siedlungen zahlreiche<br />

medizinische Geräte wie Skalpelle, Sonden, Spatel,<br />

Pinzetten o<strong>der</strong> W<strong>und</strong>haken.<br />

1<br />

Epidemien im Verlauf <strong>der</strong> Jahrh<strong>und</strong>erte<br />

Schon 430 v. Chr. wurde von einer Seuche in Athen berichtet,<br />

von <strong>der</strong> man bis heute nicht herausfinden konnte,<br />

worum es sich dabei handelte, obwohl die Symptome von<br />

damaligen Geschichtsschreibern sehr genau aufgelistet<br />

wurden. Unterdessen haben Wissenschaftler 29 verschiedene<br />

Krankheiten aufgelistet, die damals ausgebrochen<br />

sein könnten. Vielleicht handelte es sich aber einfach um<br />

einen Erreger, <strong>der</strong> heute nicht mehr o<strong>der</strong> in verän<strong>der</strong>ter<br />

Form vorkommt.<br />

Wie die nachstehende Auswahl von Epidemien zeigt, gab<br />

es oft enorm viele Tote; manchmal auch in sehr begrenzten<br />

Gebieten:<br />

Zeitraum Krankheit Gebiet Anzahl Betroffene Beschreibung<br />

165–180 Pocken (?) Römisches Reich 7 bis 10 Mio. Tote sog. Antoninische Pest<br />

541–770 Pest (?) Europa/Vor<strong>der</strong>asien unbekannt sog. Justinianische Pest<br />

1347–1353 Pest Alte Welt ca. 25 Mio. Tote 1<br />

/3 <strong>der</strong> europäischen Bevölkerung starb<br />

1519–1520 Pocken Mexiko 5 bis 8 Mio. Tote neu in Amerika; viele Indianer starben<br />

1813 Fleckfieber Mainz ca. 30 000 Tote von Napoleons Armee aus Russland eingeschleppt<br />

1862 Pocken Pazifikküste USA über 14 000 Tote die Hälfte <strong>der</strong> indianischen Bevölkerung starb<br />

1918–1920 Virusgrippe weltweit bis zu 50 Mio. Tote wurde ‹Spanische Grippe› genannt<br />

1957–1958 Virusgrippe weltweit 1 Mio. Tote wurde ‹Asiatische Grippe› genannt<br />

1968–1970 Virusgrippe weltweit 1 Mio. Tote ‹Hongkong-Grippe›; Angaben über Tote diffus<br />

seit 1980 HIV weltweit 36 Mio. Tote geschätzt, gewisse Län<strong>der</strong> geben keine Angaben<br />

2009–2010 Virusgrippe weltweit 20 000 Tote ‹Schweinegrippe›<br />

seit Feb. 2014 Ebola-Fieber Afrika ca. 12 000 Tote bricht immer wie<strong>der</strong> aus<br />

seit 2015 Zika-Virus Südamerika/Karibik unbekannt schwere Schädigungen des Fötus<br />

Quellen: WHO/Spiegel online/Wikipedia<br />

36 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02


KRANKHEITEN UND SEUCHEN<br />

Ba<strong>der</strong> <strong>und</strong> Scherer<br />

Im Mittelalter waren es vor allem die Ba<strong>der</strong> <strong>und</strong> Scherer,<br />

die sich um die Ges<strong>und</strong>heit des einfachen Volkes kümmerten;<br />

sie liessen die Patienten zur A<strong>der</strong>, schröpften sie, zogen<br />

Zähne, verabreichten Klistiere <strong>und</strong> behandelten W<strong>und</strong>en.<br />

Den häufig theologisch vorgebildeten Ärzten war seit<br />

dem Konzil von Tours (1163) die Berührung von Blut untersagt.<br />

Die Ba<strong>der</strong> waren es auch, welche die schmerzhaften<br />

Pestbeulen aufschneiden <strong>und</strong> ausbrennen mussten. In<br />

<strong>Basel</strong> waren übrigens die Ba<strong>der</strong>, Scherer, W<strong>und</strong>ärzte – <strong>und</strong><br />

später die Chirurgen – Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Halbzunft zum Goldenen<br />

Stern (die Maler, Glaser, Sattler <strong>und</strong> Sporer bildeten<br />

die an<strong>der</strong>e Halbzunft; 1876 wurden sie zur unabhängigen<br />

Zunft zum Himmel).<br />

Da man zu <strong>der</strong> Zeit davon ausging, dass Krankheiten generell<br />

durch ein Ungleichgewicht <strong>der</strong> Körpersäfte entstünden,<br />

waren Ba<strong>der</strong> <strong>und</strong> Scherer beim Ausbruch <strong>der</strong> Pest wie auch<br />

bei an<strong>der</strong>en Infektionskrankheiten wie Cholera, Fleckfieber,<br />

Tuberkulose, Pocken o<strong>der</strong> Milzbrand völlig hilflos.<br />

01: Aus einem <strong>der</strong> Kellerschächte in <strong>der</strong> römischen Basler<br />

Siedlung stammt <strong>der</strong> fein gearbeitete W<strong>und</strong>haken mit einem<br />

fein profilierten Griff <strong>und</strong> einem achtkantigen Schaft.<br />

02: Pestarzt mit Wachsmantel, Handschuhen, einer Gesichtsmaske<br />

(im ‹Schnabel› befanden sich Heilkräuter); die<br />

Augen hinter Kristallen geschützt. Nach einem römischen<br />

Kupferstich von Paul Fürst, 1656.<br />

2<br />

Die Pest – <strong>der</strong> Schwarze <strong>Tod</strong><br />

Es war die grösste Katastrophe des Mittelalters; eine Pandemie,<br />

wie es sie in Europa nie zuvor gegeben hatte: die<br />

Pest. Sie raffte zwischen 20 <strong>und</strong> 25 Millionen Menschen<br />

dahin, je<strong>der</strong> Dritte erlag <strong>der</strong> Seuche, tausende von Dörfern<br />

verschwanden von <strong>der</strong> Landkarte.<br />

Im Spätmittelalter war die Welt so stark vernetzt wie nie<br />

zuvor. Getrieben von <strong>der</strong> Gier nach exotischen Waren wie<br />

Pfeffer o<strong>der</strong> Seide, knüpften europäische Kaufleute Kontakte<br />

in immer ferneren Regionen. Schliesslich kam <strong>der</strong><br />

Schwarze <strong>Tod</strong> vom Osten her über die Seidenstrasse ins<br />

Abendland. 1347 legte im sizilianischen Messina zum ersten<br />

Mal ein Schiff an, das die Pest an Bord hatte. Weitere<br />

Schiffe brachten die Erreger nach Venedig, Marseille <strong>und</strong><br />

zu an<strong>der</strong>en Hafenstädten.<br />

Die (Beulen-)Pest beginnt mit Glie<strong>der</strong>schmerzen, Frösteln<br />

<strong>und</strong> Fieber, dann schwellen die Lymphknoten an, füllen<br />

sich mit Blut <strong>und</strong> Eiter. Schwärende Beulen enstehen,<br />

bald darauf vernebeln Halluzinationen <strong>und</strong> Schwindel<br />

den Verstand. Nach wenigen Tagen kollabiert <strong>der</strong> geschwächte<br />

Körper, <strong>und</strong> die Organe versagen.<br />

Die Christen des Abendlandes sahen in <strong>der</strong> Katastrophe<br />

ein Zeichen von Gottes Zorn – die verdiente Strafe für ihre<br />

vermeintlichen Sünden. Viele gaben auch den Juden die<br />

Schuld <strong>und</strong> ermordeten sie. Die Ärzte <strong>und</strong> Priester kannten<br />

kein Heilmittel gegen die Pest; man wusste nicht, woher<br />

die Krankheit kam. Einige gaben den feuchtwarmen<br />

Winden die Schuld, an<strong>der</strong>e sprachen von speziellen Planeten-Konstellationen.<br />

Man versuchte, die Räume mit Wachol<strong>der</strong>,<br />

Weihrauch <strong>und</strong> dem Harz des Mastixbaums auszuräuchern<br />

<strong>und</strong> trug ‹Bisamäpfel› als Schmuck um den<br />

Hals, kleine durchbrochene Kugeln mit Körnern des Bisameibisch.<br />

Auch Nasensäcke, mit Essig getränkt <strong>und</strong> mit<br />

Gewürznelken, Zimt, Kampfer <strong>und</strong> Safran gefüllt, sollten<br />

vor Ansteckung schützen. O<strong>der</strong> man griff zum ‹Pestwasser›,<br />

das ein<strong>und</strong>zwanzig Pflanzen enthielt (unser heutiges<br />

‹Kölnischwasser› ist übrigens <strong>der</strong> Nachfolger dieses Wassers).<br />

Nach r<strong>und</strong> sechs Jahren verschwand <strong>der</strong> Schwarze<br />

<strong>Tod</strong> ebenso plötzlich aus Europa, wie er gekommen war.<br />

R<strong>und</strong> 400 Jahre lang sollte die Pest immer wie<strong>der</strong> die<br />

Menschen in Europa heimsuchen; jedoch nie mehr den<br />

ganzen Kontinent gleichzeitig.<br />

Ihren Ursprung hat die Pest in einem Darmbazillus wil<strong>der</strong><br />

Nagetiere, daraus entwickelte sich das Pestbakterium. Auf<br />

den Menschen übertragen wird es durch die Flöhe von<br />

mehreren h<strong>und</strong>ert Nagetierarten, die das Bakterium in<br />

sich tragen können. Vor allem <strong>der</strong> Rattenfloh ‹Xenopsylla<br />

cheopis› überträgt die vorher aufgenommenen Bakterien<br />

<strong>der</strong> Beulenpest bei jedem Stich auf seinen Wirt, die Ratte.<br />

Stirbt diese, sucht sich <strong>der</strong> Floh einen neuen Versorger. Ein<br />

Ausbruch <strong>der</strong> Beulenpest droht daher immer dann, wenn<br />

Menschen in die Nähe von infizierten Nagern o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en<br />

Parasiten gelangen. Ein Floh kann zudem gut einen Monat<br />

lang ohne Nahrung auskommen <strong>und</strong> so weite Distanzen<br />

zurücklegen, beispielsweise in einem Getreidesack<br />

o<strong>der</strong> in Stoffballen. Aktuell kommt <strong>der</strong> Erreger in weiten<br />

Teilen Asiens, Afrikas <strong>und</strong> Amerikas noch vor; 2015 haben<br />

sich Menschen im Yosemite-Nationalpark in Kalifornien<br />

infiziert. Rechtzeitig erkannt, ist die Pest heute durch<br />

Antibiotika heilbar; den genauen Übertragungsweg des<br />

Pesterregers entdeckten Forscher erst 1914!<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02 37


KRANKHEITEN UND SEUCHEN<br />

Die Pest kommt nach <strong>Basel</strong><br />

Um 1348 vernahm man in <strong>Basel</strong> die ersten Berichte über<br />

die schwere Krankheit, die – vom Süden her kommend –<br />

Leid <strong>und</strong> <strong>Tod</strong> brachte. Noch bevor die Seuche überhaupt in<br />

<strong>der</strong> Stadt war, machte ein Gerücht die R<strong>und</strong>e: Juden würden<br />

mit Giftsäckchen aus Übersee in <strong>der</strong> Stadt herumgehen<br />

<strong>und</strong> Brunnen vergiften, um die Christen auszulöschen. Am<br />

lautesten dürften diejenigen gerufen haben, die bei den jüdischen<br />

Kreditgebern hohe Schulden hatten. Schliesslich<br />

setzten sie sich beim Basler Rat durch; in Übereinstimmung<br />

mit an<strong>der</strong>en Städten beschloss man, die Juden zu<br />

vernichten. Auf einer Insel im Rhein wurde ein Holzhaus<br />

gebaut; die Juden, die bis dann die Stadt nicht verlassen<br />

hatten, wurden am 16. Januar 1349 zusammengetrieben, in<br />

das Holzhaus gepfercht <strong>und</strong> dort bei lebendigem Leib verbrannt.<br />

Bereits um Weihnachten 1348 war <strong>der</strong> Friedhof <strong>der</strong><br />

jüdischen Gemeinde (beim heutigen Kollegiengebäude <strong>der</strong><br />

Universität gelegen) völlig verwüstet worden. Nach dem<br />

Mord an den Juden wurde <strong>der</strong> Friedhof dem Erdboden<br />

gleich gemacht. Die Grabsteine wurden fortgeschleppt <strong>und</strong><br />

als Baumaterial wie<strong>der</strong>verwendet.<br />

Doch nichts konnte die Seuche aufhalten; im Mai 1349<br />

kam die Pest nach <strong>Basel</strong> <strong>und</strong> for<strong>der</strong>te viele Tote. Angeblich<br />

seien 14000 Menschen gestorben, doch diese Zahl ist unwahrscheinlich,<br />

denn das wären mehr als die damalige<br />

Einwohnerzahl <strong>der</strong> Stadt. Möglicherweise flohen auch viele<br />

Bürger aufs Land, was zu einer grossen Leere in <strong>der</strong><br />

Stadt führte. Aus dieser Zeit sind in <strong>Basel</strong> keine Massengräber<br />

bekannt, <strong>und</strong> es ist auch kein plötzliches Aussterben<br />

vieler Namen zu erkennen. Man geht heute davon aus, dass<br />

r<strong>und</strong> zehn Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung aufgr<strong>und</strong> dieser ersten<br />

Seuche starben.<br />

Doch wie in ganz Europa, so trat auch in <strong>Basel</strong> die Pest<br />

immer wie<strong>der</strong> auf. Die nächste Welle kam an Ostern 1439,<br />

in einer Zeit, in <strong>der</strong> es den Baslern sehr schlecht ging:<br />

Nachdem das in <strong>der</strong> Stadt tagende Konzil aufgr<strong>und</strong> eines<br />

Streits mit Papst Eugen IV. von diesem aufgehoben wurde,<br />

verliessen die Konzilteilnehmer <strong>Basel</strong>, was sich sehr negativ<br />

auf die Wirtschaft auswirkte. Dazu kam es 1437/1438<br />

aufgr<strong>und</strong> des schlechten Wetters zu Missernten, die Hunger<br />

<strong>und</strong> stark erhöhte Brotpreise zur Folge hatten. Zudem<br />

war im Februar 1439 ein Armagnakenheer ins Elsass eingefallen;<br />

es drohte Krieg. Enea Silvio Piccolomini, <strong>der</strong><br />

spätere Papst Pius II. <strong>und</strong> einer <strong>der</strong> Teilnehmer des Konzils,<br />

überlebte die Pest nur knapp. Er schil<strong>der</strong>te, wie die in<br />

<strong>Basel</strong> verbliebenen Konzilteilnehmer in ständiger <strong>Tod</strong>esgefahr<br />

schwebten, <strong>und</strong> einige durch die Pest starben. Die<br />

grosse Hitze <strong>und</strong> darauffolgende Dürre im Sommer 1439<br />

verschlimmerten die Situation noch mehr. Man sprach von<br />

r<strong>und</strong> h<strong>und</strong>ert Toten pro Tag; es mussten Massengräber ausgehoben<br />

werden, um sie überhaupt bestatten zu können.<br />

In Italien <strong>und</strong> Südfrankreich hatte man unterdessen begonnen,<br />

Einreisende vorübergehend zu isolieren <strong>und</strong> Kranke in<br />

speziellen Spitälern zu pflegen. Doch in <strong>Basel</strong> ergriff man<br />

keine <strong>der</strong>artigen Massnahmen; man bevorzugte es, mit<br />

Wallfahrten nach <strong>Tod</strong>tmoos im Schwarzwald <strong>und</strong> nach<br />

Einsiedeln Gottes Schutz zu erbitten. Dies führte zu einer<br />

weiteren Verbreitung <strong>der</strong> Pest. Als die Seuche im November<br />

1439 abklang, sprach man von fünf- bis achttausend<br />

Toten. Das Totentanzgemälde an <strong>der</strong> Friedhofsmauer <strong>der</strong><br />

Predigerkirche entstand in diesen Jahren unter dem Eindruck<br />

<strong>der</strong> Pest (siehe nachfolgendes Kapitel).<br />

Ein sachk<strong>und</strong>iger Beobachter<br />

1563/64 folgte wie<strong>der</strong> eine sehr schwere Pestepidemie. Es<br />

war die erste, die <strong>der</strong> Basler Mediziner <strong>und</strong> Stadtarzt Felix<br />

Platter miterlebte <strong>und</strong> detailliert beschrieb. Seinen Erkenntnissen<br />

zufolge hatte die Pest im Winter 1563 ihren<br />

Anfang genommen, war «den Rhein hinauf gekommen»<br />

<strong>und</strong> wütete bis Ende 1564 in <strong>Basel</strong>. Laut Platter war es beson<strong>der</strong>s<br />

schlimm am Nachmittag zwischen zwei <strong>und</strong> vier<br />

Uhr, wenn man die Verstorbenen zu Grabe trug. Aus allen<br />

Gassen seien Leichen zu den Kirchhöfen getragen <strong>und</strong> in<br />

Felix Platter <strong>der</strong> Jüngere (1536–1614) mit exotischen Pflanzen<br />

<strong>und</strong> antiken Ruinen. Platter war europaweit bekannt<br />

als Sammler von Antiquitäten <strong>und</strong> weiterer wissenschaftlich<br />

wertvoller Objekte.<br />

Gemälde von Hans Bock d.Ä., um 1600.<br />

38 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02


Tanz mit dem <strong>Tod</strong>


TANZ MIT DEM TOD<br />

Die Entstehung des Totentanzes<br />

Die Entwicklungsgeschichte des um 1400 entstandenen<br />

Totentanz-Motivs (‹La Danse Macabre›) ist bis heute nicht<br />

ganz geklärt.<br />

Man geht davon aus, dass die erste Art von ‹Totentanz› im<br />

Gedicht ‹Les Vers de la mort› von Hélinand de Froidmont<br />

(um 1160–1230) auftaucht. Der aus einer adligen Familie<br />

stammende Hélinand war zuerst als Minnesänger unterwegs<br />

<strong>und</strong> trat auch am Königshof auf. Obwohl er viel Erfolg hatte,<br />

beschloss er eines Tages, Mönch zu werden <strong>und</strong> trat ins<br />

Zisterzienserkloster von Froidmont ein. Von 1194 bis 1197<br />

verfasste er seine bekannten ‹Verse über den <strong>Tod</strong>›. Für die<br />

damalige Zeit aussergewöhnlich war, dass er seine Verse<br />

nicht auf latein, son<strong>der</strong>n auf französisch verfasste <strong>und</strong> dabei<br />

Wörter <strong>und</strong> Redewendungen aus <strong>der</strong> Picardie verwendete.<br />

In fünfzig Strophen bittet Hélinand den <strong>Tod</strong>, er möge seine<br />

Fre<strong>und</strong>e besuchen <strong>und</strong> sie ermahnen, die Welt zu verlassen,<br />

um ins Kloster einzutreten. Er macht aus dem <strong>Tod</strong> eine aktive<br />

Figur, die in alle Belange des weltlichen <strong>und</strong> geistlichen<br />

Lebens eingeb<strong>und</strong>en ist.<br />

In <strong>der</strong> ersten Hälfte des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts tauchen die so genannten<br />

‹Vado Mori Gedichte› auf. In diesen Zweizeilern<br />

sprechen Vertreter <strong>der</strong> verschiedenen Stände, Berufe <strong>und</strong><br />

Alter über den <strong>Tod</strong>. Sie beginnen <strong>und</strong> schliessen jeweils mit<br />

‹vado mori› (ich gehe sterben), zum Beispiel:<br />

«Vado Mori. Der <strong>Tod</strong> ist sicher, nichts ist sicherer als jener;<br />

die St<strong>und</strong>e ist ungewiss <strong>und</strong>, wie lange es noch dauert. Vado<br />

Mori»<br />

«Vado Mori. An<strong>der</strong>en folgend <strong>und</strong> nach mir die nächsten,<br />

ich werde we<strong>der</strong> <strong>der</strong> erste noch <strong>der</strong> letzte sein. Vado Mori.»<br />

«Vado Mori. Ich bin <strong>der</strong> Papst, dem <strong>der</strong> <strong>Tod</strong> nicht länger<br />

gestattet, Papst zu sein, son<strong>der</strong>n auffor<strong>der</strong>t, sein Leben zu<br />

beenden. Vado Mori.»<br />

«Vado Mori. Ich bin <strong>der</strong> Ritter. Ich hab im Kampf <strong>und</strong> Wettstreit<br />

gesiegt, den <strong>Tod</strong> kann ich nicht bezwingen. Vado Mori.»<br />

Es sind hier allerdings die Lebenden, die sprechen, nicht<br />

<strong>der</strong> <strong>Tod</strong>. Dass die Toten sprechen, kommt erstmals in <strong>der</strong><br />

Legende ‹Von den drei Lebenden <strong>und</strong> den drei Toten›<br />

vor. Dabei handelt es sich um eine Geschichte, die seit dem<br />

11. Jahrh<strong>und</strong>ert in vielen europäischen Län<strong>der</strong>n in ver -<br />

schiedenen Varianten anzutreffen ist. Ursprünglich stammt<br />

die Legende wohl aus dem Orient <strong>und</strong> erzählt dort von drei<br />

reitenden Königinnen, die im Wald auf drei Särge mit halb<br />

verwesten Leichen stossen. Diese geben sich als ihre Väter<br />

zu erkennen <strong>und</strong> mahnen die Lebenden mit den Worten<br />

«quod sumus, vos eritis. Quod fuimus, vos estis» – «Was<br />

wir (jetzt) sind, werdet ihr sein. Was wir waren, seid ihr<br />

jetzt». Die Gestalten <strong>und</strong> <strong>der</strong> Spruch aus dieser Legende<br />

finden sich in vielen späteren Totentänzen wie<strong>der</strong>.<br />

Die Weltchronik von Hartmann Schedel<br />

In <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 15. Jahrh<strong>und</strong>erts sammelte <strong>der</strong><br />

Nürnberger Arzt <strong>und</strong> Historiker Hartmann Schedel (1440–<br />

1514) verschiedene Texte, ordnete sie <strong>und</strong> stellte sie zu<br />

seiner umfangreichen Chronik zusammen, welche die gesamte<br />

Weltgeschichte von <strong>der</strong> Erschaffung <strong>der</strong> Welt bis<br />

zur Drucklegung des Buchs im Jahr 1493 darstellen sollte.<br />

Berühmt ist Schedels ‹Weltchronik› vor allem wegen ihrer<br />

ungewöhnlich reichen künstlerischen Ausstattung geworden,<br />

insbeson<strong>der</strong>e wegen <strong>der</strong> vielen Städtebil<strong>der</strong>, die als<br />

älteste authentische Ansichten gelten. Die Holzschnitte<br />

<strong>der</strong> Abbildungen stammen von Wilhelm Pleydenwurff<br />

<strong>und</strong> Michael Wohlgemut, von denen die Abbildung ‹Tanz<br />

<strong>der</strong> Skelette› stammt. In <strong>der</strong> ursprünglichen, lateinischen<br />

Ausgabe <strong>der</strong> Weltchronik befand sich unterhalb <strong>der</strong> Abbildung<br />

ein Gedicht von Francesco Petrarca, dem bekannten<br />

Dichter <strong>und</strong> Geschichtsschreiber. Darin kommt zum<br />

Ausdruck, dass <strong>der</strong> <strong>Tod</strong> etwas Positives ist: «Nichts ist besser<br />

als <strong>der</strong> <strong>Tod</strong>, <strong>und</strong> nichts ist schlimmer als das von Unrecht<br />

erfüllte Leben». Somit wird klar, dass es sich beim<br />

‹Tanz <strong>der</strong> Skelette›, einer Abbildung, die in <strong>der</strong> Totentanz-<br />

Geschichte von grosser Bedeutung ist, um eine heitere<br />

Szene handelt. Auf einem Friedhof führen bereits Verstorbene<br />

einen Reigentanz auf, begleitet von einem Flötenspieler.<br />

Es handelt sich streng genommen nicht um einen<br />

Totentanz, den dieser bezeichnet eine Abbildung,<br />

auf welcher <strong>der</strong> <strong>Tod</strong> mit einem Menschen tanzt.<br />

In <strong>der</strong> Legende werden die Lebenden von den Toten nur<br />

ermahnt, am Ende des 14. Jahrh<strong>und</strong>erts taucht aber <strong>der</strong> <strong>Tod</strong><br />

als schreckenerregende, feindliche Gestalt auf, <strong>der</strong> die Lebenden<br />

abholt. Er wird – beispielsweise auf einer Tarotkarte<br />

von 1392 – als Schnitter mit Sense abgebildet, als Jäger<br />

mit Pfeil <strong>und</strong> Bogen o<strong>der</strong> als Spielmann, <strong>der</strong> die Menschen<br />

herbeilockt. Die Menschen sind sich nun bewusst, dass <strong>der</strong><br />

<strong>Tod</strong> eine absolute Macht hat: Je<strong>der</strong> muss sterben.<br />

42 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02


TANZ MIT DEM TOD<br />

Der Basler Totentanz<br />

Der älteste bekannte Totentanz ist <strong>der</strong>jenige des ‹Ancien Cimetière<br />

des Innocents› in Paris von 1424/25. Er bestand aus<br />

insgesamt dreissig Paaren in Lebensgrösse, bestehend aus je<br />

einer mumien- o<strong>der</strong> skelettartigen <strong>Tod</strong>esfigur <strong>und</strong> einem Men -<br />

schen. Dem Pariser Fresko folgen zwischen 1425 <strong>und</strong> 1525<br />

weitere Totentanz-Gemälde auf zahlreichen Friedhofs- <strong>und</strong><br />

Kirchenmauern im römisch-katholischen Westeuropa wie bei -<br />

spielsweise 1430 in London, um 1440 in <strong>Basel</strong> <strong>und</strong> Ulm,<br />

1483 in Berlin, 1513 in Bern <strong>und</strong> viele an<strong>der</strong>e. Der Basler<br />

Totentanz wurde auf die Kirchhofmauer des 1233 gegründeten<br />

Dominikaner-Klosters, des so genannten Predigerklosters,<br />

gemalt. Diese lange gerade Mauer schloss den Laienfriedhof<br />

des Klosters gegen die St. Johann-Vorstadt ab; <strong>der</strong> Totentanz<br />

befand sich an <strong>der</strong> Innenseite <strong>der</strong> Mauer. Die Darstellung<br />

bildete einen einzigen fortlaufenden Streifen mit lebensgrossen<br />

Figuren. Den Beginn machte <strong>der</strong> Prediger auf <strong>der</strong> Kanzel,<br />

neben ihm stand das Beinhaus, aus dem zwei pfeifende<br />

<strong>und</strong> trommelnde <strong>Tod</strong>e herauskamen. Dann folgten – in <strong>der</strong><br />

Reihenfolge des damaligen Standes – die Paare <strong>Tod</strong>/Mensch.<br />

Den Gruppen waren zwei Strophen in jeweils vier gereimten<br />

Versen beigegeben: die Anrede des <strong>Tod</strong>es <strong>und</strong> die Klage des<br />

Menschen. Lei<strong>der</strong> wurde die Totentanz-Mauer 1805 nie<strong>der</strong>gerissen<br />

<strong>und</strong> das Bild zerstört. Zum Glück konnten 19 Bild<strong>und</strong><br />

3 Textfragmente gerettet werden.<br />

Fragment ‹Die Herzogin› des Basler Totentanzes.<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02 43


TANZ MIT DEM TOD<br />

Ludwig Bechsteins literarischer Totentanz<br />

Ludwig Bechstein (1801–1860) ist vor allem für seine<br />

Märchensammlungen bekannt. Kaum einer weiss, dass<br />

<strong>der</strong> Dichter, <strong>der</strong> sich zeitlebens für das Sammeln von geschichtsträchtigen<br />

Objekten <strong>und</strong> Texten interessierte,<br />

ein begeisterter Totentanz-Liebhaber war. Er soll zu seiner<br />

Zeit die grösste grafische Sammlung zum Motiv Totentanz<br />

besessen haben <strong>und</strong> schrieb im ‹Deutschen Kunst -<br />

blatt› zu diesem Thema.<br />

Im Jahr 1831 entstand sein eigenes schriftstellerisches<br />

Werk ‹Der <strong>Tod</strong>tentanz. Ein Gedicht.› In seinem Buch publizierte<br />

er 48 Radierungen nach Hans Holbeins Bil<strong>der</strong>n; jede<br />

Darstellung diente als Ausgangspunkt für ein Gedicht.<br />

Dabei liess er den <strong>Tod</strong> als Pilger umherwan<strong>der</strong>n <strong>und</strong> sich<br />

sein Opfer suchen. Beim Bild des Arztes heisst es beispielsweise:<br />

(...) In seiner stillen Zelle sass<br />

Der Doktor Pankraz Hippokras,<br />

Ein hagrer Mann mit weisen Mienen,<br />

Die stets nur zu verkünden schienen.<br />

Vom Tag viel nur ein matter Schein<br />

Durch r<strong>und</strong>e Scheiben ins Kämmerlein,<br />

Ein treuer H<strong>und</strong> bewahrte das Haus,<br />

Ging Hippokras zu den K<strong>und</strong>en aus.<br />

Der Wandrer [<strong>Tod</strong>] kam, sprach: «Gott zum Gruss!»<br />

Gern nahm ihn <strong>der</strong> Arzt zum Famulus [Assistenten],<br />

Und freute schon sich aufs Skelett,<br />

Wenn <strong>der</strong> bleiche Diener sterben thät’.<br />

Fortan nun führte jener in Ruh<br />

Dem Hippokras die K<strong>und</strong>en zu;<br />

Bald Kind, bald Greis, bald Weib, bald Mann,<br />

Jüngling <strong>und</strong> Jungfrau, keins entrann.<br />

Der <strong>Tod</strong>tengräber rührte sich wacker,<br />

Er kam fast nicht vom Gottesacker;<br />

Der Doktor schafft’ ihm viel Genuss,<br />

Und treulich half ihm sein Famulus,<br />

Bis einst die Beiden sich entzweit,<br />

Und miteinan<strong>der</strong> kamen in Streit.<br />

(...) Der Doktor: «Schweig’ Er, armer Tropf!<br />

Hat Skrupel wol, aber kein Hirn im Kopf!»<br />

Der Famulus sprach: «Fahr’ wohl, Hippokras!»<br />

Und warf ihm vom Tisch das St<strong>und</strong>englas.<br />

Die Scherben klirrten, <strong>der</strong> Sand verrann,<br />

Der Doktor – war ein todter Mann.<br />

Am Ende seiner Publikation lässt Bechstein den <strong>Tod</strong> sozu -<br />

sagen ‹verschwinden›. Zur Abbildung ‹Das Gericht› schreibt<br />

er ganz zum Schluss:<br />

Vater <strong>und</strong> Sohn <strong>und</strong> Geist vereinigt<br />

Oeffnen <strong>der</strong> Seligkeit goldnes Thor,<br />

Heben die sündige Menschheit gereinigt<br />

In die Gefilde des Lichts empor.<br />

(...) Lasst uns – noch drückt uns des Staubes Hülle,<br />

Gläubig dem Tag entgegensehn,<br />

Wo wir in seliger Lichtes Fülle<br />

Vor dem barmherzigen Richter stehn!<br />

O dann heben auch wir die Hände,<br />

Und er schliesst uns die Pforten nicht zu.<br />

Leben! Leben herrscht dann ohn’ Ende!<br />

Und <strong>der</strong> Pilger? – <strong>der</strong> ging zur Ruh’. –<br />

Der Zizenhausener Totentanz<br />

Es war vermutlich die Idee des geschäftstüchtigen, 1815<br />

bis 1834 tätigen Basler Verlegers Johann Rudolph Brenner<br />

(‹Bildlibrenner›), den Tonplastiker Anton Sohn in Zizenhau -<br />

sen (bei Konstanz) mit <strong>der</strong> Anfertigung von kleinformatigen<br />

Gruppen nach dem gemalten Basler Totentanz zu beauftragen.<br />

Vorbild für diese 1822/23 geschaffenen Plastiken,<br />

resp. <strong>der</strong> Negativformen, waren die 1621 publizierten<br />

Stiche des Totentanzes von Matthäus Merian d.Ä. Für die<br />

damalige Zeit gelang es dem Tonplastiker erstaunlich gut,<br />

die Illustrationen umzusetzen. Das Hinzufügen von Gräsern<br />

<strong>und</strong> die etwas engere Verschränkung <strong>der</strong> Figuren war <strong>der</strong><br />

besseren Stabilität <strong>der</strong> Terrakotten geschuldet.<br />

Ab 1835 übernahm <strong>der</strong> Brenner-Nachfolger J.C. Schabelitz<br />

aus <strong>Basel</strong> den Vertrieb <strong>der</strong> Figuren <strong>und</strong> gab im gleichen<br />

Jahr einen ‹Figuren-Catalog› heraus, in dem die 42 Totentanz-Gruppen<br />

für 16 Franken mit wahlweise deutschen,<br />

französischen o<strong>der</strong> englischen Erklärungszetteln angeboten<br />

wurden. 1837 kaufte Theodor, <strong>der</strong> Sohn von Anton Sohn,<br />

den gesamten Bestand an Gipsmodellen zurück. Damit<br />

konn ten er <strong>und</strong> seine Nachkommen die Figuren bis ins frühe<br />

20. Jahrh<strong>und</strong>ert produzieren. In einer Notiz von 1905 ist<br />

festgehalten, dass für die Abformung <strong>und</strong> das Bemalen <strong>der</strong><br />

Totentanz-Folge 154 Arbeitsst<strong>und</strong>en erfor<strong>der</strong>lich waren.<br />

Bei den Zizenhausener Figurengruppen handelt es sich<br />

um die einzigen dreidimensionalen Umsetzungen des<br />

Totentanzes. Die hier abgebildeten Figuren ‹<strong>Tod</strong> <strong>und</strong><br />

Wucherer› <strong>und</strong> ‹<strong>Tod</strong> <strong>und</strong> Jüngling› stammen aus dem Historischen<br />

Museum <strong>Basel</strong>.<br />

54 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02


Frühere Begräbnisstätten


FRÜHERE BEGRÄBNISSTÄTTEN<br />

Die Bestattung in den Klöstern<br />

Ausser vom Augustiner-Kloster sind von den meisten Basler<br />

Klöstern noch Teile erhalten geblieben. Die Kirche des Klosters<br />

St. Alban geht mindestens auf das 9. Jahrh<strong>und</strong>ert zurück; das<br />

Kloster wurde 1083 vom Basler Bischof Burkard von Fenis<br />

gegründet. Da er aus dem Burg<strong>und</strong> stammte, schloss er das<br />

Kloster <strong>der</strong> Gemeinschaft <strong>der</strong> Cluniazenser an, <strong>der</strong>en Hauptsitz<br />

im burg<strong>und</strong>ischen Cluny lag. Die Abtei von Cluny war<br />

eines <strong>der</strong> einfluss reichsten religiösen Zentren des Mittelalters.<br />

Das Kloster St. Alban besass – nach dem Bischof <strong>und</strong> dem<br />

Domkapitel – den meisten Gr<strong>und</strong>besitz. Die Mönche konzentrierten<br />

sich auf die Liturgie, die Verwaltung ihrer Besitztümer<br />

sowie auf die Kranken- <strong>und</strong> Armenpflege. Sie waren<br />

es auch, die um die Mitte des 12. Jahrh<strong>und</strong>erts den Kanal<br />

von <strong>der</strong> Birs zum Rhein anlegten (‹Dalbedyych›), <strong>der</strong> den<br />

Betrieb von Mühlen, Stampfen <strong>und</strong> Sägereien ermöglichte.<br />

Die ganze Klosteranlage wurde mehrmals umgebaut; sie<br />

hatte unter dem Erdbeben von 1356 <strong>und</strong> dem grossen Stadtbrand<br />

von 1417 stark gelitten. Grabungen von 1936 auf <strong>der</strong><br />

Nordseite <strong>der</strong> Kirche weisen darauf hin, dass sich dort ziem -<br />

lich sicher schon ein Friedhof befand, bevor das Kloster gebaut<br />

wurde. Damit wäre er <strong>der</strong> älteste christliche Friedhof<br />

von <strong>Basel</strong>.<br />

Das St. Alban-Kloster hatte zum Basler Adel o<strong>der</strong> Bürgertum<br />

nur sehr wenige Kontakte. Angehörige von vornehmen<br />

Familien liessen sich nicht in St. Alban begraben;<br />

auch finden sich nur sehr wenige Stiftungen. Das bedeutet,<br />

dass <strong>der</strong> Friedhof wohl hauptsächlich von den Mönchen<br />

genutzt wurde.<br />

Oben: noch heute existieren<strong>der</strong> Grabstein auf dem Friedhof<br />

Unten: die St. Albankirche mit Kirchhof auf einem Aquarell<br />

von Peter Toussaint, um 1860.<br />

Rechte Seite oben: <strong>der</strong> noch erhaltene Flügel des Kreuzgangs<br />

mit einer Säulenreihe aus <strong>der</strong> Zeit um 1100.<br />

Es handelt sich um die älteste erhaltene Kreuzgangarchitektur<br />

<strong>der</strong> Schweiz.<br />

unten: die St. Albankirche heute; <strong>der</strong> Friedhof ist <strong>der</strong><br />

einzige, <strong>der</strong> von den ehemaligen Kirchhöfen noch relativ<br />

intakt geblieben ist.<br />

72 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02


FRÜHERE BEGRÄBNISSTÄTTEN<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02 73


FRÜHERE BEGRÄBNISSTÄTTEN<br />

Basler Friedhöfe – rege genutzt<br />

Die Gottesäcker unterstanden zwar <strong>der</strong> kirchlich-religiösen<br />

Immunität, wurden aber dennoch rege genutzt. Sie<br />

waren auch Markt, Versammlungsplatz, Gerichtsstätte,<br />

Spielplatz, Viehweide, Werkhof, Lagerplatz. 1729 beklagte<br />

sich <strong>der</strong> Pfarrherr <strong>der</strong> Leonhardskirche, Johann Rudolf<br />

Wett stein: «Es wird schwerlich ein Kirchhof in einer christlichen<br />

Stadt zu finden sein, welche so vieler <strong>und</strong> großer<br />

Profanation exponiert <strong>und</strong> unterworfen, wie solches fast<br />

täglich wahrzunehmen; sowohl an <strong>der</strong> ausgelassenen<br />

sich allda öfters versammelnden Jugend, Herumlaufen,<br />

Geschrei, Steinwerfen in die Kirchenfenster <strong>und</strong> auf die<br />

Dächer <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Tiefe liegenden Häuser <strong>und</strong> an<strong>der</strong>er<br />

schandlicher Ungebühr, als auch an Menge <strong>der</strong> Wagen,<br />

Fürsorgung <strong>der</strong> Pferden <strong>und</strong> alles an<strong>der</strong>n Viehs, so darauf<br />

zu weiden o<strong>der</strong> sonst darüber geführet werden. Dahero<br />

es dann geschieht, dass immer so viel ohnbedeckte<br />

o<strong>der</strong> hervorgescharrte <strong>Tod</strong>tengebein <strong>und</strong> Schädel offensichtlich<br />

gesehen <strong>und</strong> mit Füßen herumgestoßen werden,<br />

zu grosser Aerger nuß aller Vorbeigehenden, son<strong>der</strong>lich<br />

<strong>der</strong> Fremden (...). Auch sind des Nachts Leute beobachtet<br />

worden, welche bei o<strong>der</strong> in den Gräbern gegraben ohne<br />

daß wir sagen könnten, was sie dabei gesucht o<strong>der</strong> darein<br />

gelegt o<strong>der</strong> daraus genommem haben...»<br />

Der Sigrist von St. Peter benutzte 1769 den Kin<strong>der</strong>friedhof<br />

als Gemüsegarten, <strong>und</strong> 1850 hatte <strong>der</strong> Sigrist im alten<br />

Elisabethenkirchhof einen «Kraut- <strong>und</strong> Rebgarten angelegt,<br />

wobei es anlässlich <strong>der</strong> Weinlese oft laut zuging».<br />

Wie beim Kloster St. Alban bestand auch beim Kloster St.<br />

Leonhard bereits eine Kirche, als 1135 das Kloster gegründet<br />

wurde. Bereits 1230 erhielten die dort ansässigen Augustiner-Mönche<br />

vom Bischof das Recht, eine eigene Kirchgemeinde<br />

zu betreuen; die Leonhardpfarrei umfasste den Bezirk<br />

zwischen Spalenberg, Hutgasse, Birsig, Barfüsserplatz<br />

<strong>und</strong> Steinengraben. Die meisten Mönche stammten aus mittleren<br />

bis unteren Bevölkerungsschichten. Um 1300 war das<br />

Kloster sehr erfolgreich; es war das geistliche <strong>und</strong> wirtschafliche<br />

Zentrum eines intensiv wachsenden Stadtteils mit<br />

Handwerkern <strong>und</strong> Textilhändlern. 1464 kam es zum Konflikt<br />

zwischen dem Kloster <strong>und</strong> <strong>der</strong> Pfarrgemeinde, die freien<br />

Zugang zum Kreuzgang verlangte, um die dortigen Gräber<br />

aufsuchen zu können. Daraufhin wurde die noch heute<br />

existierende Begräbnishalle gebaut, die den Kreuzgang als<br />

Bestattungsort ablöste. Nach <strong>der</strong> Reformation war das Kloster<br />

zuerst Sitz des städtischen Bauverantwortlichen, des<br />

‹Lohnherrn›; von 1852–1995 diente es als (Untersuchungs)-<br />

Gefängnis. Heute befinden sich darin nebst Wohnungen ein<br />

Hotel-Restaurant, das Musikmuseum, die ‹<strong>Basel</strong>dytschi Bihni›<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Jazzclub ‹Birds Eye›.<br />

Oben: <strong>der</strong> ehemalige Kirchhof von St. Leonhard <strong>und</strong> die<br />

heute noch bestehende Abdankungshalle.<br />

74 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02


FRÜHERE BEGRÄBNISSTÄTTEN<br />

‹Die Säerin›, Skulptur im Mohrhalden-Park Riehen<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02 83


FRÜHERE BEGRÄBNISSTÄTTEN<br />

Der Horburg-Gottesacker:<br />

das erste Krematorium in <strong>Basel</strong><br />

Im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert herrschte im Kleinbasel grosser Platzmangel<br />

an Begräbnisstätten; <strong>der</strong> Gottesacker Rosental konnte<br />

trotz des mehrmaligen Ausbaus <strong>und</strong> <strong>der</strong> Verkürzung <strong>der</strong><br />

Ruhezeit für die Toten nicht mehr genutzt werden. Als 1874<br />

das Bestattungswesen an das neu entstandene Sanitätsdepartement<br />

überging, schlug dessen Vorsteher Carl Sarasin vor,<br />

die Kleinbasler sollten doch ihre Toten auf den Grossbasler<br />

Gottesäckern Kannenfeld o<strong>der</strong> Wolf bestatten lassen. Dieser<br />

Vorschlag stiess bei den «ohnehin etwas empfindlicheren<br />

Bewohnern <strong>der</strong> Klein-Stadt» auf <strong>der</strong>art viel Empörung, dass<br />

man sich beeilte, eine an<strong>der</strong>e Lösung zu finden. Als mögliche<br />

Standorte wurden mehrere Gebiete geprüft: Das den<br />

Drei Ehrengesellschaften gehörende ‹Galgenfeld› an <strong>der</strong><br />

Riehenstrasse ausserhalb Hirzbrunnen, die Ziegeläcker an<br />

<strong>der</strong> äusseren Grenzacherstrasse, die Wiesenebene beim Erlenwald<br />

(Lange Erlen), das Gelände zwischen dem Rhein<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> unteren Klybeckstrasse, die Matten zwischen Klybeck-<br />

<strong>und</strong> Hammerstrasse beim Matthäuskirchplatz <strong>und</strong> die<br />

Dreirosenfel<strong>der</strong> zwischen <strong>der</strong> Klybeckstrasse <strong>und</strong> dem im<br />

Entstehen begriffenen Wiesenschanzquartier. Die Regierung<br />

hatte sich bereits für das ‹Galgenfeld› entschlossen, als die<br />

Professoren Rütimeyer <strong>und</strong> Albert Müller ein Gutachten einreichten,<br />

das schwere Bedenken gegen die Benützung dieses<br />

Gebiets erhob, da es genau dort liege, von wo das Gr<strong>und</strong>wasser<br />

in die bewohnten Stadtteile <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Sodbrunnen<br />

fliesse. Zudem sei für später geplant, dort das Wasser für die<br />

ganze Stadt zu schöpfen. So entschied man sich nach langem<br />

Hin <strong>und</strong> Her für das Dreirosenfeld, auf welchem<br />

1889/90 <strong>der</strong> r<strong>und</strong> 517 Hektar grosse Horburg-Gottesacker<br />

erstellt wurde.<br />

Erst zu diesem Zeitpunkt erlaubte <strong>der</strong> Grosse Rat die Planung<br />

eines Krematoriums <strong>und</strong> die fakultative Feuerbestattung.<br />

Die erste Kremation des verstorbenen Insassen <strong>der</strong> Strafanstalt<br />

ging gründlich schief. Der Heizer bediente die Anlage<br />

94 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02


Zum Gedenken


ZUM GEDENKEN<br />

Bischof Arnold von Rotberg<br />

Arnold von Rotberg wurde um 1394 geboren; er stammte<br />

aus dem begüterten Adelsgeschlecht <strong>der</strong> von Rotberg. Arnold<br />

war <strong>der</strong> Sohn des Basler Bürgermeisters Hans Ludemann<br />

von Rotberg. Seine Mutter war Ursula von Andlau;<br />

sie stammte aus einem elsässischen Adelsgeschlecht. Arnolds<br />

Bru<strong>der</strong> war von 1449 bis 1453 Bürgermeister von <strong>Basel</strong>.<br />

Zur Herrschaft gehörten die Burg Rotberg bei Metzerlen-Mariastein<br />

<strong>und</strong> die Burg Fürstenstein bei Ettingen, das<br />

Dorf Ro<strong>der</strong>sdorf sowie die sieben reichsfreien Dörfer am<br />

Blauen: Metzerlen, Hofstetten, Witterswil, Blauen, Dittingen,<br />

Nenzlingen <strong>und</strong> Brislach. Arnold von Rotberg studierte in<br />

Heidelberg <strong>und</strong> an <strong>der</strong> Universität Bologna, wo er 1440 zum<br />

Doctor decretum (Doktor des Kirchenrechts) promovierte.<br />

110 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02


ZUM GEDENKEN<br />

Von 1439 an war Arnold Domherr in <strong>Basel</strong>, ab 1447 Domkustos<br />

(Aufseher) <strong>und</strong> wurde 1450 Domdekan. Nach dem<br />

<strong>Tod</strong> Friedrichs zu Rhein wurde er am 29. Januar 1451 zum<br />

Bischof von <strong>Basel</strong> gewählt. Aufgr<strong>und</strong> Arnolds familiärer Be -<br />

ziehungen zum Basler Adel kam es während seiner Amtszeit<br />

zu keinen grösseren Auseinan<strong>der</strong>setzungen mit <strong>der</strong><br />

nach Unabhängigkeit strebenden Stadt <strong>Basel</strong>. Er kümmerte<br />

sich auch um religiöse Belange <strong>und</strong> reformierte das Chorherrenstift<br />

St. Leonhard.<br />

Nach seinem <strong>Tod</strong> am 7. Mai 1456 wurde er im Münster beigesetzt.<br />

Auf seinem Grabmal ist auch sein H<strong>und</strong> zu sehen,<br />

<strong>der</strong> zu seinen Füssen liegt (<strong>und</strong> eine abgewetzte Nase hat,<br />

weil offenbar viele Besucher ihn streicheln).<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02 111


ZUM GEDENKEN<br />

Auch Pferde wurden verewigt:<br />

hier an <strong>der</strong> Barfüsserkirche (man beachte,<br />

dass das untere Pferd im Pass -<br />

gang geht...).<br />

Arnold Böcklin: Selbstporträt mit<br />

fiedelndem <strong>Tod</strong>, 1872.<br />

Das Selbstporträt entstand<br />

während Böcklins Zeit in München.<br />

Der Maler lauscht <strong>der</strong> Violine,<br />

die nur eine G-Saite hat,<br />

die Saite mit dem tiefsten Ton.<br />

112 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02


Der <strong>Tod</strong> in <strong>der</strong> Kunst


DER TOD IN DER KUNST<br />

Urs Graf (um 1485 bis 1528/29)<br />

Der in Solothurn geborene, begnadete Illustrator begab sich nach seiner Goldschmied-Lehre<br />

bei seinem Vater auf Wan<strong>der</strong>schaft <strong>und</strong> kam schliess lich nach <strong>Basel</strong>,<br />

woher seine Mutter stammte. Hier arbeitete er für die Verleger Petri, Froben<br />

<strong>und</strong> Amerbach. Graf zog mehrmals als Reisläufer (Söldner) in den Krieg: 1510<br />

nach Italien, 1513 nach Dijon, 1515 kämpfte er bei Marignano <strong>und</strong> 1521 bei<br />

Mailand. Urs Graf war berüchtigt für seinen ausschweifenden Lebenswandel<br />

<strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Gewalttä tig keiten; er sass mehrere Gefängnisstrafen ab.<br />

Graf thematisierte mit viel Spott <strong>und</strong> Ironie seine eigene Welt; die Söldner, die<br />

Kriege, die Dirnen. Daneben zeichnete er auch religiöse Motive.<br />

Seiten 118/119:<br />

Schlachtfeld von Urs Graf, 1521,<br />

Fe<strong>der</strong> in Schwarz, 21,1 x 31,7 cm.<br />

Links:<br />

Ein Landsknecht, ein Reisläufer <strong>und</strong><br />

eine Prostituierte mit dem lauernden<br />

<strong>Tod</strong> im Baum von Urs Graf, 1524,<br />

Holzschnitt, 20,3 x 11,8 cm.<br />

Rechts:<br />

Der Kampf gegen den <strong>Tod</strong> von<br />

Joost Cornelisz Droochsloot, 1625,<br />

Öl auf Leinwand, 69 x 102 cm.<br />

120 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02


DER TOD IN DER KUNST<br />

Joost Cornelisz Droochsloot/Droogsloot (1586–1666)<br />

Der in Utrecht geborene Droochsloot war ein Maler des so<br />

genannten ‹Goldenen Zeitalters›. Damit bezeichnet man eine<br />

in <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande r<strong>und</strong> einh<strong>und</strong>ert Jahre<br />

dauernde wirtschaftliche <strong>und</strong> kulturelle Blütezeit während<br />

des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts. Auf dem Höhepunkt dieses Zeit alters<br />

um 1650 arbeiteten in den Nie<strong>der</strong>landen r<strong>und</strong> 700 Maler,<br />

die jährlich etwa 70000 Gemälde fertigten; einen solchen<br />

Ausstoss gab es sonst nie; we<strong>der</strong> in <strong>der</strong> italienischen Renaissance<br />

noch in Frankreich zur Zeit des Impressionismus.<br />

Droochsloot war eigentlich auf Dorflandschaften spezialisiert<br />

<strong>und</strong> zu seiner Zeit äusserst populär. 1623 wurde er Mitglied,<br />

später Vorgesetzter <strong>der</strong> Lukasgilde, einer seit dem 15. Jh.<br />

am Nie <strong>der</strong>rhein <strong>und</strong> in den Nie<strong>der</strong>landen bestehenden,<br />

zunft ar tigen Bru<strong>der</strong>schaft von Malern, Bildhauern <strong>und</strong><br />

Buchdruckern. Die hier gezeigte allegorische Darstellung<br />

des Kampfes gegen den <strong>Tod</strong>, bei dem verschiedene Stände<br />

bewaffnet gegen das über <strong>der</strong> Menge triumphierende Skelett<br />

anstürmen, ist einzigartig unter Droochsloots Werken.<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02 121


DER TOD IN DER KUNST<br />

Alberto Giacometti (1901–1966)<br />

Der in Borgonovo (Bergell) geborene Alberto Giacometti<br />

besuchte die Schulen in Stampa <strong>und</strong> Schiers; 1919–1920<br />

studierte er an Kunstschulen in Genf. Nach einer Reise<br />

durch Italien liess er sich 1922–1927 beim Bildhauer Antoine<br />

Bourdelle in Paris weiterbilden, wo er dann blieb. Er<br />

widmete sich <strong>der</strong> Malerei <strong>und</strong> <strong>der</strong> Plastik <strong>und</strong> entwarf<br />

gleichzeitig Einrichtungsobjekte <strong>und</strong> Schmuck. 1930 stellte<br />

er mit Hans Arp <strong>und</strong> Joan Miró in Paris aus <strong>und</strong> schloss<br />

sich den Surrealisten an; in dieser Zeit entstand die Plastik<br />

‹Femme égorgée›. 1934 brach Giacometti mit dem Surrealismus<br />

<strong>und</strong> arbeitete wie<strong>der</strong> nach <strong>der</strong> Natur; Modell war<br />

sein Bru<strong>der</strong> Diego, mit dem er von 1942–45 in Genf lebte.<br />

1950 konnte er in <strong>der</strong> Galerie Pierre Matisse in New York<br />

ausstellen, schloss einen Vertrag mit <strong>der</strong> Galerie Maeght<br />

in Paris <strong>und</strong> erhielt Aufträge für Bronzeskulpturen. In <strong>der</strong><br />

1964 eröffneten Fondation Maeght in Saint-Paul-de-Vence<br />

erhielt er einen zentralen Platz für sein Werk.<br />

Links:<br />

Die Toteninsel (erste Fassung) von Arnold Böcklin, 1880,<br />

Öl auf Leinwand, 110,9 x 156,4 cm.<br />

Oben:<br />

Femme égorgée von Alberto Giacometti, 1932,<br />

Bronze, in einem Goldton patiniert, 20,3 x 77,5 x 54,6 cm.<br />

Seite 112:<br />

Der <strong>Tod</strong> pfeift Piccolo von Max Kämpf, 1965,<br />

Bleistift auf Papier, 21 x 29,7 cm.<br />

Max Kämpf (1912–1982)<br />

1980 beschrieb Max Kämpf sich selbst wie folgt: «Geboren<br />

am 15. Mai 1912 in <strong>Basel</strong>. Acht Jahre Schule haben<br />

wenig gebracht, ich träumte. Drei Lehrjahre als Flachmaler<br />

<strong>und</strong> sieben Jahre Malergeselle. 1938-1939 Kunstklassen<br />

<strong>der</strong> Gewerbeschule bei A. Mayer <strong>und</strong> A. Fiechter. Seit<br />

1939 selbständig. Erste Ausstellung 1934 in einem leerstehenden<br />

Ladenlokal <strong>und</strong> Weihnachtsausstellung Kunsthalle.<br />

Seither unzählige Ausstellungen meist erfolglos, Künstlers<br />

Erdenwallen. Teilnahme an verschiedenen Wettbewerben<br />

des Staatlichen Kunstkredites mit wechselndem Erfolg,<br />

siehe oben. Bin halt kein Chamäleon. Um den endlosen<br />

Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, verzichte ich seit<br />

r<strong>und</strong> 25 Jahren darauf, an den öffentlichen Wettbewerben<br />

teilzunehmen, was meinem seelischen Wohlbefinden<br />

ausserordentlich zuträglich zu sein scheint. Ich ertrage offensichtlich<br />

keinen Zwang, ich tue, wenn ich darf, alles,<br />

wenn ich muss, nichts, ich bin blockiert. Kommt das Müssen<br />

aus mir heraus, dann bin ich sogar froh <strong>und</strong> gehe mit<br />

dem ganzen Elan an die Aufgabe. Dies ist so ungefähr<br />

das, was ich über mich zu sagen habe. Ich bin ein typischer<br />

Dürfer <strong>und</strong> ein miserabler Müsser.»<br />

Im Frühjahr 2019 soll <strong>der</strong> Max Kämpf-Platz fertig gestellt<br />

sein. Es handelt sich um einen r<strong>und</strong> 7000 Quadratmeter<br />

grossen Platz im neuen Erlenmattquartier, <strong>der</strong> mit Bäumen<br />

<strong>und</strong> einem Wasserspiel den Bewohnerinnen <strong>und</strong> Bewohnern<br />

<strong>der</strong> umliegenden Häuser als Ort <strong>der</strong> Begegnung<br />

<strong>und</strong> Erholung dienen soll.<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02 125


Wiehlmys 2017<br />

Der <strong>Tod</strong> an <strong>der</strong> Fasnacht


DER TOD AN DER FASNACHT<br />

Der <strong>Tod</strong> – ein oft vorkommendes Sujet<br />

An <strong>der</strong> Fasnacht kommen verschiedenste Darstellungen<br />

des <strong>Tod</strong>es vor, wie die nachfolgenden Bil<strong>der</strong> zeigen.<br />

2017 ging es beispielsweise um die desolate Situation <strong>der</strong><br />

Altersvorsorge. Die Wiehlmys hatten das Sujet ‹SchAffe –<br />

ZaHle – Verrege›; bei <strong>der</strong> G<strong>und</strong>eli-Clique hiess es ‹Alli<br />

Hoffnig Verloore›:<br />

Als Dootegräber dien mer glaage<br />

<strong>und</strong> unsre Sarg uffs Hörnli draage,<br />

denn alli Hoffnig liggt in Schäärbe:<br />

schaffe mien mer bis mer stäärbe!<br />

Dr letscht Loon git s im Lyychewaage<br />

kurz bevor mer aadie saage<br />

<strong>und</strong> d Schuld, die drait am Supergau<br />

s Finanzloch vo dr AHV!<br />

Die vielen Kriegsschauplätze führten ebenfalls zu <strong>Tod</strong>es-<br />

Darstellungen. So fragte 2017 <strong>der</strong> Stamm <strong>der</strong> Lälli: ‹Mensch,<br />

was machsch? Muesch z eerscht s Entsetze kenneleere, zem<br />

Friide kenne schetze z leere? – Une guerre mondiale, das<br />

wär fatal!›. Die Basler Bebbi waren an dieser Fasnacht auf<br />

dem ‹High way to Hell›. In ihrem Zeedel erklärten sie:<br />

Dr Arnold Böcklin hett mit ‹die Pest›<br />

e Bildnis vom Grauen erschaffe,<br />

unser hittig Graue sinn Krieg, Flucht<br />

<strong>und</strong> Massevernichtigswaffe.<br />

Dr Böcklin losst dr Sänsemaa uff em Drache<br />

dur d’Stadt lo wan<strong>der</strong>e,<br />

hit rollen aifach Panzerkolonne vo ainere Stadt zer an<strong>der</strong>e.<br />

Mir froogen is worum so vyyl Eländ numme kha passiere,<br />

will am Änd vom Daag immer ebber drvoo kha profitiere.<br />

2016 plädierte <strong>der</strong> Stamm <strong>der</strong> BMG für einen schönen<br />

(frühen) <strong>Tod</strong>: ‹Morta Bella›:<br />

Stärbe isch dr letschti Schrey; schnäll, diskret <strong>und</strong> sorgefrey<br />

jedi <strong>Tod</strong>esart kasch wähle; losch di dur dr Putin quäle<br />

wottsch Curare, Zyankali; enthaupted wärde dur dr Ali<br />

e Salve vom Pretorius; vom Tell e z diefe Epfelschuss (...)<br />

alles isch organisiert, dass bim <strong>Tod</strong> dir nyt bassiert.<br />

Der Stamm <strong>der</strong> Barbara zeigte 2017 ‹dr europäisch Dootedanz<br />

– Dr Schuss isch duss; dr Brit macht Schluss›.<br />

Die BMG waren 2016 aufgr<strong>und</strong> des Ladensterbens in <strong>der</strong><br />

Innenstadt als Totengräber unterwegs: ‹Aadie <strong>Basel</strong>›. Das<br />

gleiche Sujet zeigte die Guggenmusik Pumperniggel, sie<br />

klagte: ‹Der <strong>Tod</strong> isch zrugg›.<br />

Auch bei den Schitzelbänggen kommen Verse mit Bezug<br />

auf <strong>Tod</strong> <strong>und</strong> Sterben vor. 2016 meinten die Dootebainli:<br />

Wottsch näbe Sharm El Sheik, Paris <strong>und</strong> Stambul bsueche,<br />

hesch vor de Feerie Schiss, de wurdsch die letscht Rais bueche<br />

Es isch nit guet fir s Gschäft, wenn s jeede so verstoot,<br />

As bi ‹Last Minute› aim denn s letschte Stindli schloot.<br />

BMG 2016 ‹Morta Bella›<br />

128 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02


DER TOD AN DER FASNACHT<br />

Lälli 2017<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02 129


DER TOD IM MUSEUM<br />

Die Sammlung am Hörnli<br />

Eigentlich begann alles mit einigen Urnen, die <strong>der</strong> damalige<br />

Friedhofsgärtner, Peter Galler, im Winter 1961/62 in den<br />

Kellern <strong>der</strong> zentralen Friedhofsanlage am Hörnli entsorgen<br />

sollte. Die Urnen stammten vom ehemaligen Gottesacker<br />

Kannenfeld <strong>und</strong> vom Horburg-Friedhof, <strong>und</strong> nahmen viel<br />

Platz weg. Peter Galler fing damit an, die Urnen mit einem<br />

Hammer zu zerschlagen <strong>und</strong> die Scherben in einen kleinen<br />

Wagen zu laden, damit sie wegtransportiert werden konnten.<br />

Doch immer wie<strong>der</strong> tauchten Urnen auf, die er originell,<br />

schön o<strong>der</strong> speziell fand, <strong>und</strong> es tat ihm weh, diese zu zerstören.<br />

So legte er diejenigen, die er nicht kaputtschlagen<br />

mochte, zur Seite. Darunter befanden sich glasierte <strong>und</strong> unglasierte<br />

Exemplare aus Ton, aus geriebenem Kupfer-, Zink<strong>und</strong><br />

Messingblech, Henkelpokale, solche aus Granit o<strong>der</strong><br />

aus Holz, bemalte Urnen <strong>und</strong> viele mehr.<br />

Als <strong>der</strong> damalige Friedhofsverwalter Hermann Oppliger in<br />

den Keller kam, rügte er seinen Gärtner <strong>und</strong> fragte, warum<br />

es denn jetzt schon wie<strong>der</strong> einen kleinen Stapel Urnen habe.<br />

Peter Galler erklärte ihm, dass er es schade fände, diese<br />

schönen Urnen zu zerstören <strong>und</strong> schlug vor, man könnte<br />

doch irgendwo ein Brett an die Wand montieren, <strong>und</strong> diese<br />

speziellen Urnen darauf stellen. Der damals 21jährige Peter<br />

Galler hatte keine Vorstellung vom Begriff ‹Kulturgut›,<br />

denn zu <strong>der</strong> Zeit interessierte er sich mehr für Fussball <strong>und</strong><br />

Fasnacht, doch instinktiv wollte er die kostbaren Objekte<br />

nicht einfach zerstören. Der Verwalter meinte, das sei<br />

durchaus eine Möglichkeit; ein Wandregal für die Urnen.<br />

Aber wenn er schon etwas Richtiges machen wolle, dann<br />

müsse er ein Museum schaffen. Wie er das anstellen solle,<br />

wisse er nicht, doch Peter Galler sei schliesslich ein junger<br />

Mann <strong>und</strong> könne so etwas aufbauen. Er müsse nur an sich<br />

<strong>und</strong> die Idee glauben. Nach einer kurzen Bedenkzeit meinte<br />

Galler zu sei nem Chef: «Ja, das mache ich. Ich starte eine<br />

Sammlung.»<br />

Damals konnte Peter Galler noch nicht ahnen, wieviel Arbeit<br />

<strong>und</strong> Aufwand auf ihn zukommen würde. Und dass man<br />

seine Idee nicht überall mit Begeisterung aufnehmen, son<strong>der</strong>n<br />

ihm mit Neid <strong>und</strong> bürokratischen Hin<strong>der</strong>nissen begegnen,<br />

ja ihn sogar lächerlich machen würde, damit rechnete<br />

er nicht. Und dennoch hat <strong>der</strong> ‹Sammlungs-Spinner› durchgehalten.<br />

Die ‹Sammlung Friedhof Hörnli› ist heute das einzige<br />

Schweizer Museum für Bestattungskultur.<br />

134 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02


DER TOD IM MUSEUM<br />

‹Nomen est omen›? Geschichte<br />

<strong>der</strong> Pharmazie am Totengässlein<br />

Schon im 13. Jahrh<strong>und</strong>ert nannte man den steilen Weg vom<br />

Marktplatz hinauf zum Friedhof <strong>der</strong> Peterskirche das Totengässlein.<br />

Aus <strong>der</strong> gleichen Zeit stammt auch die erste Erwähnung<br />

<strong>der</strong> Liegenschaft; das hintere von zwei Häusern<br />

wurde 1296 von <strong>der</strong> reichen Baslerin Agnes zer Sunnen an<br />

einen ‹Badstuber› <strong>und</strong> dessen Frau übergeben. Von da an<br />

war das Gebäude am Totengässlein 3 bekannt als ‹Badstube<br />

unter Krämern›, denn im Quartier r<strong>und</strong> um den Andreasplatz<br />

waren die Gewürzkrämer ansässig (daher die heutigen Namen<br />

Imber- (Ingwer) <strong>und</strong> Pfeffergässlein). Im Badhaus traf<br />

man sich nicht nur, um sich zu waschen; dort wurden auch<br />

Krankheiten <strong>und</strong> W<strong>und</strong>en behandelt, <strong>der</strong> ‹Zahnbrecher› zog<br />

Zähne, <strong>der</strong> ‹Starstecher› kümmerte sich um die Augen.<br />

Das Haus ‹Zum Sessel›<br />

1316 wird die Liegenschaft erstmals als Haus ‹Zum Sessel›<br />

erwähnt; um 1500 wird sie von Johann Amerbach gekauft,<br />

<strong>der</strong> dort eine Druckerei einrichtet. Bereits sieben Jahre später<br />

übernimmt ein an<strong>der</strong>er bekannter Basler Drucker, Johannes<br />

Froben, die Amerbachsche Druckerei <strong>und</strong> produziert<br />

dort unter an<strong>der</strong>em 1516 das von Erasmus auf griechisch<br />

übersetzte Neue Testament. 1675 kauft <strong>der</strong> Seidenfabrikant<br />

Hans Lux Iselin den ‹Sessel› <strong>und</strong> baut ihn nach seinen Bedürfnissen<br />

um. Nun folgt eine wechselvolle Geschichte; die<br />

Liegenschaft wird für verschiedenste Zwecke benützt: 1800<br />

wird eine Bierbrauerei eingerichtet; 1819 kommt die ‹Obrigkeitliche<br />

Töchterschule› in das Hauptgebäude; 1855 baut<br />

Amadeus Merian einen Anbau mit Turnhalle <strong>und</strong> 1890 beziehen<br />

das ‹Städtische Arbeitsnachweisgebäude› <strong>und</strong> das<br />

‹Dienstbotenheim› die Gebäude ‹Zum Sessel›.<br />

Einzug des Pharmazeutischen Instituts<br />

1916/17 zieht das Pharmazeutische Institut in den Merian-<br />

Bau <strong>und</strong> belegt ab 1924 auch das Wohnhaus. Bereits ein<br />

Jahr später wird die ‹Sammlung für das historische Apothekenwesen›<br />

eröffnet; dabei handelt es sich um die ursprünglich<br />

private Sammlung von Prof. Dr. J.A. Häfliger, <strong>der</strong> diese<br />

<strong>der</strong> Universität schenkte. Nachdem 1999 das Pharmazeutische<br />

Institut auszieht, können die Gebäude teilweise für die<br />

Sammlung genutzt werden; unter an<strong>der</strong>em wird die alte Barfüsserapotheke<br />

als historische Basler Apotheke vollständig<br />

ins Erdgeschoss integriert <strong>und</strong> dient dem Museum heute als<br />

Empfang <strong>und</strong> als Museumsladen ‹Herbarium›. Die Anlage<br />

des Museums als Kabinett stammt noch aus <strong>der</strong> Zeit, als es<br />

vornehmlich für wissenschaftliche Zwecke als Schau- <strong>und</strong><br />

Belegsammlung <strong>der</strong> Universität diente. Heute existieren<br />

kaum mehr Schausammlungen wie diese im Pharmazie-Historischen<br />

Museum; damit ist das Museum selbst zu einem<br />

musealen Objekt geworden.<br />

Im Pharmazie-Historischen Museum werden Arzneistoffe<br />

<strong>und</strong> Heilmittel gezeigt, die einen Überblick über die Wandlungen<br />

– <strong>und</strong> Irrungen – <strong>der</strong> Medizin früherer Zeiten geben.<br />

Darunter gibt es Präparate mineralischer, pflanzlicher, tierischer<br />

<strong>und</strong> sogar menschlicher Herkunft sowie eine Sammlung<br />

von Umhängemedikamenten <strong>und</strong> Amuletten. Im Rahmen<br />

dieser Edition beschränken wir uns auf die Substanzen,<br />

die eine tödliche Wirkung hatten.<br />

Pharmazie-Historisches Museum <strong>Basel</strong><br />

Öffnungszeiten:<br />

Di–Fr 10.00–18.00 Uhr; Sa 10.00–17.00 Uhr<br />

So, Mo <strong>und</strong> an Feiertagen geschlossen<br />

Das Eintrittsbillet gilt auch für das Anatomische Museum<br />

(gültig bis <strong>und</strong> mit dem folgenden Öffnungstag)<br />

Telefon 061 207 48 11 – www.pharmaziemuseum.ch<br />

Pharmazie-Historisches Museum <strong>Basel</strong><br />

Totengässlein 3, 4051 <strong>Basel</strong><br />

Ca. 100 m zu Fuss vom Marktplatz her<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02 141


DER TOD IM MUSEUM<br />

Giftringe <strong>und</strong> -behälter sowie ein Schutzlöffel<br />

Schmuckringe sind seit über 21 000 Jahren bekannt, <strong>und</strong><br />

dienten verschiedenen Zwecken (zum Beispiel als Zeichen<br />

eines Berufsstandes). Giftringe verfügten über einen<br />

kleinen Behälter, den man öffnen konnte, oft getarnt<br />

durch einen aufgesetzten Stein. Im verborgenen Hohlraum<br />

war genug Platz für eine kleine Dosis Gift. Die Ringe<br />

wurden benutzt, um die tödliche Substanz je<strong>der</strong>zeit<br />

<strong>und</strong> unbemerkt bei sich zu tragen. Das Gift konnte so<br />

unauffällig in ein Getränk o<strong>der</strong> eine Speise gegeben werden.<br />

Deshalb war <strong>und</strong> ist es bis heute üblich, dass Kellner<br />

beim Einschenken eines Getränks eine Hand hinter ihren<br />

Rücken halten <strong>und</strong> so demonstrieren, dass sie keine (giftigen)<br />

Substanzen in das Glas des Gastes geben.<br />

Im Museum findet sich unter an<strong>der</strong>em auch <strong>der</strong> rechts<br />

abgebildete Skorpionlöffel. Man glaubte, wenn man eine<br />

giftige Speise mit diesem Löffel schöpfte, würde <strong>der</strong><br />

Skorpion als Gegengift wirken. Aufgr<strong>und</strong> seines Gifts<br />

spielt <strong>der</strong> Skorpion bei vielen Völkern eine grosse Rolle.<br />

Gegen sein Gift konnte Skorpion-Asche, mit Wein getrunken,<br />

helfen o<strong>der</strong> Skorpionöl, mit dem man die Stichstellen<br />

einreiben musste. Das so geannten ‹Skorpenöl› wurde<br />

gewonnen, indem man lebende Skorpione in Olivenöl<br />

tauchte <strong>und</strong> dieses dann erhitzte. Mit diesem W<strong>und</strong>ermittel<br />

konn te man auch an<strong>der</strong>e Beschwerden heilen, darunter<br />

W<strong>und</strong>en, Koliken, Gicht <strong>und</strong> Ohrenschmerzen.<br />

Im Tirol wurde das Skorpionöl sogar gegen die Pest eingesetzt.<br />

142 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02


Heutige Ruhestätten


156 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02<br />

HEUTIGE RUHESTÄTTEN


HEUTIGE RUHESTÄTTEN<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02 157


HEUTIGE RUHESTÄTTEN<br />

Das bedeutendste Grabmonument<br />

Auf <strong>der</strong> westlichen, ansteigenden Wiese steht das künstlerisch<br />

<strong>und</strong> historisch bedeutendste Grabmonument des<br />

gesamten Friedhofs. Der bekannte Schweizer Bildhauer<br />

Richard Kissling (1848–1919) schuf es 1889 für den Basler<br />

Rechtsgelehrten <strong>und</strong> Altertumsforscher Johann Jakob Bach -<br />

ofen. Auf einem hohen Postament aus rotem Granit mit<br />

eingelassener Schrifttafel thront eine in schwere Gewän<strong>der</strong><br />

gehüllte, überlebensgrosse Frauengestalt aus weis sem<br />

Marmor. Die Figur wird flankiert von einem bronzenen<br />

Kandelaber mit Feuerschale. Diese Frauengestalt darf als<br />

Allegorie des antik-christlichen Gedankenguts <strong>und</strong> als<br />

bildliche Darstellung <strong>der</strong> ‹Urmutter› verstanden werden.<br />

Sie weist somit auf die Weltanschauung des Verstorbenen<br />

<strong>und</strong> dessen Hauptwerk, ‹Das Mutterrecht› hin.<br />

Basler Persönlichkeiten auf dem Wolf-Gottesacker<br />

Otto Abt 1903–1982, Kunstmaler; Emil Beurmann 1862–<br />

1951, Maler/Schriftsteller; Carl Buckhardt 1878–1923, Maler/Bildhauer;<br />

Wilhelm Martin Leberecht DeWette 1780–<br />

1849, Theologe; Traugott Geering 1859–1932, National -<br />

ökonom; Eduard Hagenbach 1833–1910, Physiker/Mathematiker;<br />

Andreas Heusler 1834–1921, Rechtsgelehrter; Carl<br />

Gustav Jung 1794–1864, Mediziner; Wilhelm Klein 1825–<br />

1887, Politiker; Burkhard Mangold 1873–1950, Kunstmaler;<br />

Peter Merian 1795–1883, Physiker/Staatsmann; Karl<br />

Sarasin 1815–1886, Bandfabrikant/Staatsmann; Christian<br />

Friedrich Schönbein 1799–1868, Chemiker; August Socin<br />

1837–1899, Chirurg; Ernst Stückelberg 1831–1903, Kunstmaler;<br />

Rudolf Wackernagel 1855–1925, Historiker; Heinrich<br />

Wölfflin 1864–1945, Kunsthistoriker.<br />

158 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02


HEUTIGE RUHESTÄTTEN<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02 161


HEUTIGE RUHESTÄTTEN<br />

Beispielhafte Grabmäler auf dem Hörnli<br />

Seit 1996 werden jedes Jahr auf dem Hörnli handwerklich<br />

<strong>und</strong> künstlerisch beispielhafte Grabmäler ausgezeichnet,<br />

wie beispielsweise die Stele aus Granit mit dem Vogel aus<br />

Dolomit-Marmor von Christopher Gut, die aus grauem<br />

Kalkstein gefertigte Stele mit <strong>der</strong> kugeligen Vertiefung<br />

von Philippe Baur, die aus Liesberger Kalkstein geschaffene<br />

Muschel auf dem muslimischen Grabfeld von René<br />

Schöchlin o<strong>der</strong> das einzigartige Grabmal mit den feinen<br />

elastischen Stahlstäben, die sich leicht im Wind bewegen,<br />

von Jean-Marc Gaillard.<br />

162 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02


Das neue Krematorium<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.01 175


DAS NEUE KREMATORIUM<br />

Wie läuft eine Kremation ab?<br />

Das neue Krematorium besteht aus drei Stockwerken <strong>und</strong><br />

einem Dachgeschoss. Da das Gebäude in den Hang gebaut<br />

wurde, sind die beiden oberen Geschosse jeweils ebenerdig<br />

erreichbar. Die Särge werden durch die Bestattungsunternehmer<br />

im unteren Geschoss angeliefert <strong>und</strong> in Kühlräumen<br />

gelagert (Bild oben).<br />

In <strong>der</strong> so genannten Sarglogistik wird je<strong>der</strong> Eingang erfasst,<br />

<strong>der</strong> Sarg mit einem Papierformular beschriftet <strong>und</strong> numeriert.<br />

Diese Nummer wird auch von Hand auf den Sarg geschrieben.<br />

Zusätzlich wird jedem Sarg die ‹Tonmarke› (ein<br />

Tontäfelchen) mitgegeben, auf <strong>der</strong> die gleiche Nummer steht<br />

(Bild ganz rechts). Diese Tonmarke wird mitkremiert, <strong>und</strong><br />

da die Hitze dem Ton nichts ausmacht, bleibt das Täfelchen<br />

intakt <strong>und</strong> ist auch nach <strong>der</strong> Verbrennung lesbar. Es kommt<br />

dann in die Asche, später in die Urne. So wird sicher gestellt,<br />

dass alle Überreste immer eindeutig zu identifizieren sind.<br />

Dieses System wurde übrigens schon im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert angewendet;<br />

noch heute kann man damit die Asche Verstorbener<br />

von den Urnen aus ehemaligen Friedhöfen zuordnen.<br />

Die Särge, die am gleichen Tag eingeäschert werden sollen,<br />

werden mit dem Lift nach oben zur Ofeneinfahrt gebracht,<br />

wo sie in einem weiteren Kühlraum zwischengelagert<br />

werden. Das Krematorium verfügt auch über ein Lager<br />

an Holz-, Ton- <strong>und</strong> Kunststoffurnen (Bild rechts).<br />

178 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02


DAS NEUE KREMATORIUM<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02 181


188 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02<br />

DAS NEUE KREMATORIUM


DAS NEUE KREMATORIUM<br />

Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02 189


DAS NEUE KREMATORIUM<br />

Kunst am Bau des Krematoriums<br />

Im Patio, dem offenen Innenhof im Empfangsbereich des<br />

Krematoriums, <strong>der</strong> zum Ofenraum führt, befindet sich die<br />

Installation ‹Vier Himmelsrichtungen <strong>und</strong> <strong>der</strong> goldene Horizont›<br />

von Monika Dillier. Die 1947 geborene Künstlerin<br />

lebt <strong>und</strong> arbeitet in <strong>Basel</strong> <strong>und</strong> Griechenland. Sie studierte<br />

an <strong>der</strong> Schule für Gestaltung Luzern <strong>und</strong> an <strong>der</strong> Hochschule<br />

für Bildende Künste Berlin. Dillier wählte den Boden<br />

<strong>und</strong> die Klinkermauer <strong>der</strong> Westwand des Patios für ihren<br />

zweiteiligen Eingriff: Während die Ostwand durch Perforationen<br />

Aussenbezüge schafft, scheint Dilliers Band aus<br />

goldenen Glasbausteinen, das auf Augenhöhe ins gegenüberliegende<br />

Mauerwerk eingebettet wurde, aus <strong>der</strong> Tiefe<br />

zu schimmern. Hinter das Glas gelegte Spiegelschichten<br />

reflektieren das einfallende Sonnenlicht. Assoziiert man<br />

damit eine Horizontlinie, so verbinden sich darin Sonnenauf-<br />

<strong>und</strong> -untergang. Auf dem hellen Kalksteinboden fügen<br />

sich elf unterschiedlich farbige Glasstreifen in die geometrische<br />

Ordnung aus Steinplatten <strong>und</strong> bilden einen Kontrast<br />

zum leichten, sandigen Charakter des Muschelkalks. Mit<br />

ihren Reflektionen wirken sie wie Streckenmarkierungen<br />

auf dem dramatischen Weg des Abschieds.<br />

190 Bwie<strong>Basel</strong> EDITION.02

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