Frankfurt in Takt Frankfurt in Takt - HfMDK Frankfurt
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<strong>Frankfurt</strong> <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong><br />
<strong>Takt</strong><br />
Magaz<strong>in</strong> der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />
Schwerpunktthema<br />
EXZELLENZ und ELITE<br />
10. Jahrgang, Nr. 1 Sommersemester 2010<br />
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<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Inhalt<br />
Schwerpunktthema<br />
EXZELLENZ und ELITE<br />
2 Editorial<br />
Exzellenz und Elite – mehr Fragen als Antworten<br />
4 Gedanken zu Exzellenz und Elite<br />
Von Mart<strong>in</strong> Lücker<br />
7 Welt ohne Musik: undenkbar!<br />
Über die Initiative Musikalische Bildung<br />
8 Persönliches Reifen auf ganzer L<strong>in</strong>ie<br />
Interview mit Stephen Potts<br />
12 „Elite gehört <strong>in</strong> den Dienst der Gesellschaft<br />
– alles andere ist Dünkel“<br />
Der Studiengang „Internationale Ensemble Modern Akademie“<br />
16 „Elite auf den F<strong>in</strong>gersatz zu begrenzen, ist zu wenig“<br />
Interview mit Lothar Zagrosek<br />
20 „Mut zum Querdenken und riskanten Erproben“<br />
Interview mit Prof. Dr. Hans-Thies Lehmann<br />
26 „Die geistige Reife muss mitwachsen“<br />
Interview mit Karl Rarichs<br />
29 Musikalische Selbste<strong>in</strong>schätzung erwünscht<br />
31 „Mit Mittelmäßigkeit kommt die Kunst nicht weiter“<br />
Interview mit Werner Wölbern<br />
Statements zu<br />
EXZELLENZ und ELITE<br />
10 Peijun Xu<br />
15 Susanne Blumenthal<br />
17 Luise Rummel<br />
19 Vladimir Babeshko<br />
19 Jacob Bussmann<br />
20 Laura L<strong>in</strong>nenbaum<br />
23 Krist<strong>in</strong> Wömmel<br />
24 Annika Gerhards<br />
27 Elena Graf<br />
28 Hanna Eimermacher<br />
35 Lisa Weidenmüller<br />
41 Bianca Hellberg<br />
42 Christopher Park<br />
Freunde und Förderer<br />
36 Unterstützung der Förderer erleichtert und bereichert Studium<br />
Von Friedmar Deller<br />
40 „Bitte laden Sie die <strong>Frankfurt</strong>er häufiger e<strong>in</strong>“<br />
Opernproduktion „R<strong>in</strong>aldo“<br />
41 2. Runde für Ma<strong>in</strong>Campus-Stipendien<br />
Persönliches<br />
45 Pendeln zwischen Wurzel und Weite<br />
Hans-Ulrich Becker im Portrait<br />
46 Den Hirnmuskel aktivieren<br />
Andrea Tallis im Portrait<br />
47 Unterrichten ist e<strong>in</strong> Privileg<br />
Krist<strong>in</strong> von der Goltz im Portrait<br />
48 Ausgesuchte Erfolge unserer Studierenden<br />
48 Impressum
Editorial<br />
Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE<br />
Exzellenz und Elite: mehr Fragen als Antworten<br />
Wenn <strong>in</strong> Deutschland <strong>in</strong> den letzten Jahren öffentlich über Hoch-<br />
schulen diskutiert wurde, dann g<strong>in</strong>g es sehr oft um „Exzellenz“.<br />
Vor allem die milliardenschwere „Exzellenz-Initiative“ der Bundes-<br />
regierung rückte das Thema <strong>in</strong> den Mittelpunkt der Debatte, und<br />
die exzellentesten Hochschulen gelten seitdem als „Elite-Hoch-<br />
schulen“. Anlass genug für uns, „Exzellenz“ und „Elite“ e<strong>in</strong>mal<br />
<strong>in</strong> den Mittelpunkt e<strong>in</strong>er Ausgabe der „<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong>“ zu rücken<br />
und zu fragen: S<strong>in</strong>d auch wir e<strong>in</strong>e „Elite-Hochschule“, gehören<br />
unsere Studierenden e<strong>in</strong>er zukünftigen „Elite“ an und welche Rolle<br />
spielt „Exzellenz“ <strong>in</strong> unseremHaus?<br />
Die meisten Hochschulen nehmen für sich <strong>in</strong> Anspruch, exzellent<br />
zu se<strong>in</strong>. Auch ich argumentiere auf dieser Ebene, wenn ich für<br />
unsere Hochschule werbe – erfüllen wir doch wesentliche Kriterien,<br />
die e<strong>in</strong>e „Elite-Hochschule“ ausmachen:<br />
• Unsere Studierenden s<strong>in</strong>d ausgesucht – zehn Bewerber kommen<br />
im Schnitt auf e<strong>in</strong>en Studienplatz.<br />
• Unsere Studierenden haben sich viele Jahre auf das Studium<br />
vorbereitet und s<strong>in</strong>d deshalb hoch motiviert.<br />
• Unsere Abbrecherquoten s<strong>in</strong>d mit Abstand die niedrigsten im<br />
gesamten hessischen Hochschulbereich; 90 Prozent der Studieren-<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
den, die bei uns e<strong>in</strong>e Ausbildung beg<strong>in</strong>nen, beenden diese auch.<br />
• Unsere künstlerische Ausbildung ist <strong>in</strong>ternational gefragt:<br />
Während Universitäten darum kämpfen, den <strong>in</strong>ternationalen Anteil<br />
ihrer Studierenden auf 15 Prozent zu erhöhen, liegt unser Auslän-<br />
deranteil bei 34 Prozent. Lediglich unsere F<strong>in</strong>anzierung entspricht<br />
nicht dem Standard e<strong>in</strong>er „Elite-Hochschule“, da gehören wir<br />
eher zu den Kellerk<strong>in</strong>dern mit e<strong>in</strong>er mageren Personalausstattung<br />
<strong>in</strong> Lehre und Verwaltung sowie ohne Mittelbau.<br />
Für diese Ausgabe von „<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong>“ haben wir der Hochschu-<br />
le nahe stehende Persönlichkeiten und unsere Lehrenden und<br />
Studierenden zu Wort kommen lassen. Bei den Studierenden haben<br />
wir vor allem die nach ihrer Haltung zu „Exzellenz“ und „Elite“<br />
befragt, die auf Grund besonderer Erfolge und Leistungen von<br />
außen sicherlich als „exzellente Elite-Studierende“ bezeichnet<br />
würden. Ihre Stellungnahmen s<strong>in</strong>d nachdenklich und differenziert:<br />
Durchgängig werden mehr Fragen aufgeworfen als Antworten<br />
gegeben, herrscht eher Selbstbefragung statt Selbstgewissheit, ist<br />
stetes Bemühen um Weiterentwicklung angesagt statt stolzen<br />
Elitebewusstse<strong>in</strong>s.
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Dabei werden „Exzellenz“ und „Elite“ kritisch gesehen. „Exzellenz“<br />
wird zwar als Messlatte, nach der man strebt, akzeptiert. Niemand<br />
bezeichnet sich jedoch selbst als exzellent. Es herrscht weitgehen-<br />
der Konsens darüber: Wer sich als Künstler zurücklehnt und<br />
von sich sagt, er sei jetzt „exzellent“, der hat aufgehört, Künstler<br />
zu se<strong>in</strong>, weil er sich selber nicht mehr h<strong>in</strong>terfragt. Auch den Begriff<br />
„Elite“ will niemand auf sich selber beziehen. Wozu auch? Alles,<br />
was mit Elite assoziiert wird – E<strong>in</strong>fluss, Macht, gesellschaftliche<br />
Führungsposition, Exklusivität – hat mit dem Selbstverständnis<br />
unserer Hochschulangehörigen wenig zu tun. Künstlerisch tätige<br />
Menschen s<strong>in</strong>d Individualisten, die sich nicht vere<strong>in</strong>nahmen lassen<br />
wollen, auch nicht – schon gar nicht – als „Elite“. Trotzdem s<strong>in</strong>d<br />
beide Begriffe für uns von großer Bedeutung. Das Streben nach<br />
Exzellenz steht im Mittelpunkt unserer Ausbildung, und natürlich ist<br />
unsere Ausbildung „elitär“ – im positiven S<strong>in</strong>ne.<br />
Alle Hochschulangehörigen verb<strong>in</strong>det das Bestreben, besser zu<br />
werden, sich zu vervollkommnen beziehungsweise die Studierenden<br />
dazu anzuhalten. Die harten Diskussionen mit den Lehrenden<br />
führen wir im Präsidium nicht über mehr Gehalt, Reisekostenzu-<br />
schüsse oder Deputatsreduzierungen. Wir setzen uns über bessere<br />
Ausbildungsbed<strong>in</strong>gungen ause<strong>in</strong>ander, über weitere Arbeitsräume<br />
oder zusätzliche Stellen für die Lehre. Und die Studierenden<br />
beklagen sich nicht darüber, dass die Anforderungen zu hoch seien,<br />
im Gegenteil: Sie fordern mehr Überäume und längere Öffnungs-<br />
zeiten. Die Qualität unserer Ausbildung und ihre Verbesserung, das<br />
s<strong>in</strong>d Kernthemen unserer Institution – und was ist das anderes als<br />
das stete Bemühen um mehr Exzellenz? Warum bewerben<br />
sich jährlich fast 1000 junge Menschen aus dem Ausland um e<strong>in</strong>en<br />
der 150 Studienplätze an unserer Hochschule? Weil es weltweit<br />
bekannt ist, dass die künstlerische Ausbildung <strong>in</strong> Deutschland<br />
„exzellent“ ist und weil viele unserer Lehrenden e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>ternationa-<br />
len Ruf genießen. Und wenn die Studierenden den Begriff „Exzel-<br />
lenz“ ablehnen, dann tun sie das aus e<strong>in</strong>er Haltung heraus, die hoch<br />
zu achten ist: Dah<strong>in</strong>ter stehen das Bemühen um Wahrhaftigkeit,<br />
das Wissen um den schweren Weg des Künstlers und darum, dass<br />
jener mit Sicherheit nicht weiterkommt, der sich auf se<strong>in</strong>en<br />
Leistungen ausruht.<br />
Unsere Ausbildung ist „elitär“, weil sie konsequent den E<strong>in</strong>zelnen <strong>in</strong><br />
den Mittelpunkt stellt. Unsere Studierenden werden fast aus-<br />
schließlich im E<strong>in</strong>zelunterricht oder <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Gruppen ausgebildet.<br />
Sie stehen als Individuen im Zentrum der Ausbildung. Wenn man<br />
das mit der Situation an den Universitäten und Fachhochschulen<br />
vergleicht: Welch e<strong>in</strong> Privileg, so studieren zu können! Dafür wird<br />
aber auch viel verlangt. Nicht nur der Beruf des Künstlers, auch die<br />
Ausbildung ist schon von großer Konkurrenz geprägt, und die<br />
hohen Anforderungen führen viele unserer Studierenden im Laufe<br />
ihres Studiums an ihre eigenen Grenzen. Trotzdem schließen bei<br />
uns fast 90 Prozent der Studierenden ihr Studium erfolgreich<br />
ab, denn alle verb<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e große Leidenschaft für die Kunst. Es<br />
gibt an unserer Hochschule e<strong>in</strong>en Konsens darüber, dass man sich<br />
– wie Mart<strong>in</strong> Lücker später schreibt – <strong>in</strong> „Demut“ etwas Größerem<br />
wie der Kunst unterordnen muss. Es gibt die Bereitschaft, dafür<br />
auch das Äußerste von sich zu fordern. E<strong>in</strong>e stets fragende<br />
Grundhaltung (vor allem auch sich selbst gegenüber) ist die<br />
Voraussetzung für e<strong>in</strong> erfolgreiches Studium. Und natürlich muss<br />
jeder lernen, Verantwortung für sich selber zu übernehmen – im<br />
Vorspiel, beim Vorsprechen oder Vortanzen kann sich niemand<br />
h<strong>in</strong>ter anderen verstecken. Ob nun deshalb jeder unserer Absol-<br />
venten zu e<strong>in</strong>er Elite gehört, das will ich nicht behaupten. Aber auf<br />
jeden Fall vermitteln wir als Hochschule Haltungen, die man sich<br />
von den Eliten unseres Landes nur wünschen mag.<br />
Thomas Rietschel<br />
3
Gedanken zu<br />
„Exzellenz“ und „Elite“<br />
Von Mart<strong>in</strong> Lücker<br />
Das Redaktionsteam hat mich gebeten, Gedanken zu „Exzellenz und<br />
Elite“ zu äußern. Ich möchte mich zu diesen beiden Begriffen nicht<br />
unter allgeme<strong>in</strong>en Aspekten äußern, sondern e<strong>in</strong>fach darstellen,<br />
wo diese beiden Begriffe mich <strong>in</strong> der Wirklichkeit me<strong>in</strong>es Lebens<br />
als Künstler und Pädagoge betreffen.<br />
Zum Begriff „Exzellenz“<br />
Dem Begriff „Exzellenz“ b<strong>in</strong> ich hier am Hause bisher nur dreimal<br />
begegnet: Vor e<strong>in</strong>igen Jahren – ich glaube, es war noch zu Zeiten<br />
des Geschäftsführenden Präsidenten Klaus Neuvians – sollten<br />
die Bereiche Alte Musik und Neue Musik zu „Exzellenzbereichen“<br />
der Hochschule erklärt werden. Des weiteren er<strong>in</strong>nere ich mich<br />
an e<strong>in</strong>e Sitzung im M<strong>in</strong>isterium – damals war ich e<strong>in</strong>er der Vize-<br />
präsidenten –, <strong>in</strong> welcher Vertreter der Präsidien Hessischer Hoch-<br />
schulen ihre Gedanken zu e<strong>in</strong>em Wettbewerb „Exzellenz <strong>in</strong><br />
der Lehre“ äußern sollten, den das M<strong>in</strong>isterium plante. Vor kurzem<br />
fand ich im Werbeprospekt der Abteilung Kirchenmusik<br />
e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>eren deutschen Musikhochschule als Motto die Trias<br />
„Tradition – Erneuerung – Exzellenz“.<br />
Die freie Onl<strong>in</strong>e-Enzyklopädie Wikipedia schreibt zu „Exzellenz“:<br />
„Exzellenz ist e<strong>in</strong> Ausdruck für überragende Qualität; das zugehörige<br />
Eigenschaftswort ist „exzellent“. Lange Zeit nur als subjektives<br />
Werturteil benutzt, wird Exzellenz heute zunehmend auch als<br />
objektives Güteprädikat verwandt, das mit bestimmten überprüfbaren<br />
Qualitätskriterien versehen ist.<br />
Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
In der Hochschul- und Wissenschaftspolitik ist Exzellenz zu e<strong>in</strong>em<br />
Fachausdruck geworden. Ausgehend von den englischen Begriffen<br />
„network of excellence“ oder „center of excellence“ kommt ihm<br />
heute e<strong>in</strong>e besondere Bedeutung bei der öffentlichen Forschungsfi-<br />
nanzierung zu, was 2006 <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> der deutschen Exzellenz<strong>in</strong>i-<br />
tiative des Bundes und der Länder zum Ausdruck kam. E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deu-<br />
tige Def<strong>in</strong>ition dieses Begriffes wird dabei jedoch vermieden.“<br />
E<strong>in</strong> Wissenschaftler hat vermutlich e<strong>in</strong> Problem, wenn e<strong>in</strong> Begriff<br />
(wie <strong>in</strong> diesem Fall „Exzellenz“) nicht e<strong>in</strong>deutig def<strong>in</strong>iert wird. E<strong>in</strong><br />
Musiker wird e<strong>in</strong> größeres Herz haben, weil das, was er täglich<br />
ausübt, nämlich „Musik“, sich ke<strong>in</strong>esfalls explizit und e<strong>in</strong>deutig<br />
def<strong>in</strong>ieren lässt, so wenig wie „Kunst“, „Liebe“ und „Elektrizität“.<br />
Als schwierig empf<strong>in</strong>de ich es, wenn „Exzellenz“ offenbar zu e<strong>in</strong>em<br />
objektiven Güteprädikat werden soll, dessen e<strong>in</strong>deutige Def<strong>in</strong>ition<br />
aber nicht vorliegt (Parallele aus der Alltagswelt: Der Begriff „Bio“<br />
gibt trotz Bemühens von vielen Seiten immer noch ke<strong>in</strong>e Auskunft<br />
über verb<strong>in</strong>dliche Eigenschaften e<strong>in</strong>es Produktes.).<br />
Ich versuche den Begriff „Exzellenz“ zu verknüpfen mit der Frage<br />
nach der Qualität me<strong>in</strong>es Unterrichtes. Ist me<strong>in</strong> Unterricht von<br />
hoher Qualität, weil ich<br />
a) me<strong>in</strong>en Student<strong>in</strong>nen und Studenten <strong>in</strong> der Zeit ihrer Ausbildung<br />
umfassend als Berater und Förderer zur Verfügung stehe;<br />
b) künstlerische Maßstäbe, die ich im Unterricht e<strong>in</strong>fordere,<br />
<strong>in</strong> me<strong>in</strong>em eigenen Tun bewahrheite und dadurch Vorbild b<strong>in</strong>;<br />
c) für jeden immer wieder nach adäquaten methodischen<br />
Ansätzen suche;<br />
d) zum selbständigen Tun ausbilde, <strong>in</strong>dem ich mich als Lehrer<br />
schrittweise immer unwichtiger mache;<br />
e) die Bewährung <strong>in</strong> professionellen Situationen (Podium,<br />
Vorstellung) e<strong>in</strong>übe?<br />
Die Liste dieser Fragen wird nie vollständig se<strong>in</strong> können, weil<br />
das beständige R<strong>in</strong>gen um die Qualität des eigenen Tuns für mich<br />
untrennbar mit me<strong>in</strong>er Existenz als Lehrer, Künstler und nicht<br />
zuletzt als Mensch verbunden ist.
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Oben: Für Pädagogen richtet sich die Exzellenz-Frage auch nach der Qualität<br />
ihres Unterrichtes aus. Motivationsfähigkeit – im Bild Prof. Vladislav Brunner<br />
– ist sicher e<strong>in</strong> Kriterium.<br />
Mitte: Meisterkurse und offene Workshops öffnen den <strong>Frankfurt</strong>er Hochschülern<br />
immer wieder den Horizont ihres <strong>in</strong>dividuellen Wachsens als Künstler.<br />
Im Bild der geme<strong>in</strong>same Unterricht der Klar<strong>in</strong>ettisten mit Laura Ruiz Ferreres.<br />
Sie hat den Ruf als <strong>HfMDK</strong>-Professor<strong>in</strong> zum kommenden W<strong>in</strong>tersemester<br />
angenommen.<br />
Unten: Für Orgelprofessor Mart<strong>in</strong> Lücker – hier im Bild bei e<strong>in</strong>er pädagogischen<br />
Begegnung mit K<strong>in</strong>dern – ist klar: Exzellenz ist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em künstlerischen<br />
Tun sicher ke<strong>in</strong>e objektiv messbare Größe. Foto: Katr<strong>in</strong> Schander<br />
Ich ändere die Blickrichtung: Woran ermessen e<strong>in</strong>e Student<strong>in</strong><br />
oder e<strong>in</strong> Student die Qualität me<strong>in</strong>es Unterrichtes:<br />
a) an der Empathie bei der geme<strong>in</strong>samen Arbeit;<br />
b) am Gefühl des Fortschrittes;<br />
c) an der wachsenden Wahrnehmung ihrer oder se<strong>in</strong>er selbst als<br />
<strong>in</strong>tegrale Persönlichkeit;<br />
c) am erfolgreichen E<strong>in</strong>stieg und Bewährung im erstrebten<br />
Musikerberuf?<br />
Je länger ich darüber nachs<strong>in</strong>ne, umso unmöglicher ersche<strong>in</strong>t es<br />
mir, „Exzellenz“ als objektiv messbare Größe im Rahmen e<strong>in</strong>er<br />
künstlerischen Ausbildung zu fassen. Insofern ist dieser Begriff für<br />
me<strong>in</strong>e Lebenswirklichkeit als Orgellehrer und Künstler ohne<br />
Bedeutung.<br />
Und nun zum Begriff „Elite“<br />
Wiederum Wikipedia: „E<strong>in</strong>e Elite (urspr. vom late<strong>in</strong>ischen electus,<br />
„ausgelesen“) ist soziologisch genommen e<strong>in</strong>e Gruppierung überdurchschnittlich<br />
qualifizierter Personen (Funktionseliten, Leistungseliten)<br />
oder die herrschenden bzw. e<strong>in</strong>flussreichen Kreise (Machteliten)<br />
e<strong>in</strong>er Gesellschaft.“<br />
Im Werdegang als Musiker unterzieht man sich immer wieder<br />
Verfahren, bei denen man se<strong>in</strong>e überdurchschnittliche Qualifikation<br />
unter Beweis stellen muss, nämlich <strong>in</strong> Aufnahmeprüfungen, bei<br />
Wettbewerben, schließlich bei Bewerbungsverfahren. E<strong>in</strong>fach<br />
gesagt: Man muss besser und „besonderer“ se<strong>in</strong> als „die anderen“.<br />
Solch e<strong>in</strong> lebenslanges Gemessen- und Beurteilt-Werden betrifft<br />
vermutlich e<strong>in</strong>en Großteil von Menschen, <strong>in</strong>sbesondere jene, die im<br />
Berufsleben stehen. Das kann man beklagen, muss es aber wohl als<br />
Schicksal annehmen. Im künstlerischen Bereich nun gründen sich<br />
Qualifikationen zu e<strong>in</strong>em erheblichen Anteil auf <strong>in</strong>dividuelle<br />
Begabungen: e<strong>in</strong>e schöne Stimme, e<strong>in</strong> schöner Ton, e<strong>in</strong>e tiefe und<br />
reiche Künstlerpersönlichkeit, e<strong>in</strong>e rasche Auffassungsgabe. Auch<br />
dies kann man beklagen, muss aber lernen zu akzeptieren, dass der<br />
liebe Gott h<strong>in</strong>sichtlich der Verteilung von Begabungen sich nicht<br />
unbed<strong>in</strong>gt vom Grundsatz der Gleichheit und der Gerechtigkeit<br />
leiten lässt.<br />
Gehört also „überdurchschnittliche Qualifikation“ als Merkmal e<strong>in</strong>er<br />
Elite zum Musikertum, so vermute ich andererseits, dass dem<br />
Musiker e<strong>in</strong> weiteres wichtiges Merkmal e<strong>in</strong>er Elite fehlt, nämlichdas<br />
Gruppenbewusstse<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Elite. Von mir selbst muss ich sagen,
dass ich mich auf dem Podium oder im Unterricht nicht auf das<br />
Gefühl der Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>er Gruppe gleich Qualifizierter<br />
stützen kann. Ich vermute, dass selbst Angehörige von Spitzenen-<br />
sembles sich nicht anders fühlen. Eliten gew<strong>in</strong>nen durch ihr<br />
Gruppenbewusstse<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e große Stabilität, die e<strong>in</strong>em darstellenden<br />
Künstler nicht ohne weiteres <strong>in</strong> gleichem Maße zu Gebote stehen:<br />
Bei jedem Auftritt muss er se<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigartigen Rang dem Publikum<br />
und sich selbst aufs Neue bewahrheiten. Und Sterne am Künstler-<br />
himmel können rasch aufgehen, aber auch rasch wieder verblassen.<br />
Und zuletzt: Angehörige e<strong>in</strong>er Elite heben sich aus der Masse e<strong>in</strong>er<br />
Gesellschaft auch durch höheren E<strong>in</strong>fluss und höhere Bezahlung<br />
hervor. Das wird auf klassische Musiker nur <strong>in</strong> seltensten Fällen<br />
zutreffen.<br />
B<strong>in</strong> ich also Mitglied e<strong>in</strong>er Elite?<br />
Von zentraler Bedeutung für me<strong>in</strong> Selbstgefühl und me<strong>in</strong> Selbst-<br />
wertgefühl als Künstler und Lehrer gehört, dass ich me<strong>in</strong>e, etwas zu<br />
können und an mir zu haben, was mich von anderen Menschen<br />
absetzt und was mich <strong>in</strong> den Stand setzt, Kunst für sie auszuüben<br />
oder sie <strong>in</strong> der Kunst zu unterweisen. Dieses Selbstgefühl muss ich<br />
immer wieder kritisch reflektieren unter den Aspekten Demut und<br />
Verantwortung: Demut, weil me<strong>in</strong>e Begabung und ebenso alle<br />
hilfreichen Umstände von Herkunft, Ausbildung und Förderung mir<br />
geschenkt wurden „ohn’ all me<strong>in</strong> Verdienst und Würdigkeit“;<br />
Verantwortung, weil als Darstellender Künstler ich nicht mich selbst<br />
darzustellen habe, sondern musikalische Kunstwerke. Somit<br />
erwachsen auch die Kriterien me<strong>in</strong>es Tuns aus den Kriterien, welche<br />
die musikalischen Kunstwerke setzen, die ich so gut als möglich<br />
darstellen und vermitteln möchte.<br />
Me<strong>in</strong> Selbstbild ist also eher von e<strong>in</strong>er ausgeprägten Wahrnehmung<br />
me<strong>in</strong>er selbst als Individuum geprägt und lässt sich mit dem auf<br />
e<strong>in</strong>e Gruppe bezogenen Begriff der Elite kaum beschreiben.<br />
Insofern spielt dieser Begriff für mich ke<strong>in</strong>e Rolle.<br />
Am Rande: Ich fühle mich nicht als Mitglied e<strong>in</strong>er Elite, wohl aber<br />
als hochgradig privilegiert, denn ich darf Musiker se<strong>in</strong> und damit<br />
e<strong>in</strong>e Existenz führen, <strong>in</strong> der ich Körper, Geist und Seele immer<br />
wieder als E<strong>in</strong>heit erleben darf, Menschen Freude bereite, Anerken-<br />
nung und Ansehen gew<strong>in</strong>ne und e<strong>in</strong> gutes f<strong>in</strong>anzielles Auskommen<br />
habe.<br />
Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE<br />
Was resultiert daraus für me<strong>in</strong> Lehren? Bilde ich e<strong>in</strong>e künftige<br />
Elite aus?<br />
Jede Student<strong>in</strong>, jeder Student muss von sich das Bewusstse<strong>in</strong> des<br />
Besonderen, des E<strong>in</strong>zigartigen haben oder gew<strong>in</strong>nen. Als Lehrer<br />
muss ich sie oder ihn unterstützen, zum Besonderen der eigenen<br />
Klavierprofessor<br />
Eike Wernhard im<br />
Schnupperunterricht<br />
im Rahmen e<strong>in</strong>es<br />
Informationstages für<br />
Schulmusiker.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Persönlichkeit vorzudr<strong>in</strong>gen und dieses Besondere <strong>in</strong> den Dienst<br />
des Darstellens und Vermittelns von Kunst zu br<strong>in</strong>gen. Angesichts<br />
des hohen Grades von Individuation, welches Zentrum musikalischer<br />
Ausbildung ist, ist für mich der Begriff „Elite“ <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er<br />
Lebenswirklichkeit als Pädagoge ohne Belang.<br />
Zum Schluss<br />
E<strong>in</strong>e Suche auf der Homepage der <strong>HfMDK</strong> ergibt bei „Exzellenz“<br />
ke<strong>in</strong>en Treffer, bei „Elite“ den folgenden:<br />
„Wir sehen unseren Bildungsauftrag gleichermaßen <strong>in</strong> der Breitenwie<br />
<strong>in</strong> der Spitzenförderung. Deshalb hat die Ausbildung von<br />
Pädagogen bei uns den gleichen Stellenwert wie die Ausbildung<br />
von Künstlern. Erst aus der Breite wächst die Elite, und nur wer<br />
K<strong>in</strong>der für Kunst begeistert, sichert dieser die Zukunft.“<br />
Ich bemerke, dass <strong>in</strong> diesem kurzen Absatz aus den Leitl<strong>in</strong>ien der<br />
<strong>HfMDK</strong> sich drei Begriffspaare f<strong>in</strong>den, welche sich als Gegensätze<br />
darstellen:<br />
Breitenförderung – Spitzenförderung;<br />
Pädagogen – Künstler;<br />
Breite – Elite.<br />
Ich halte den zitierten Absatz für verzichtbar, denn unter dem<br />
Blickw<strong>in</strong>kel der Individuation lösen sich die dargestellten Gegensätze<br />
auf. Schließlich besteht die „Breite“ ebenso wie die „Elite“ aus<br />
Individuen, die <strong>in</strong>dividuell gefördert werden sollen. Und Pädagogik<br />
und Künstlertum s<strong>in</strong>d letzlich zwei Seiten e<strong>in</strong>er Medaille: des<br />
Humanums <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en besten Möglichkeiten.<br />
Der Autor Mart<strong>in</strong> Lücker ist an der <strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />
Professor für künstlerisches Orgelspiel und historische Interpretationspraxis.<br />
Er ist zugleich Organist an der evangelischen <strong>Frankfurt</strong>er<br />
Hauptkirche St. Kathar<strong>in</strong>en und <strong>in</strong>ternational als Konzertorganist<br />
gefragt.
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Welt ohne Musik: undenkbar!<br />
24 deutsche Musikhochschulen setzen sich mit e<strong>in</strong>em Aktionsjahr für die Bedeutsamkeit der Musik e<strong>in</strong><br />
„Können Sie sich e<strong>in</strong>e Welt ohne Musik vorstellen? Wir nicht. Die deutschen Musikhochschulen.“ Unter diesem Motto haben sich alle<br />
24 selbstständigen staatlichen Musikhochschulen <strong>in</strong> Deutschland zusammengeschlossen. Geme<strong>in</strong>sam wollen sie der Gefahr der mu-<br />
sischen Verarmung unseres Landes entgegenwirken. Sie übernehmen Verantwortung als e<strong>in</strong>e Interessenvertretung für Musik und setzen<br />
sich mit Nachdruck e<strong>in</strong> für e<strong>in</strong>e Gesellschaft, die die Bedeutung von Musik erkennt, nutzt und fördert. Mit e<strong>in</strong>em Aktionsjahr zur<br />
musikalischen Bildung und Ausbildung will die Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen, die 2010 ihr 60-jähriges Bestehen<br />
feiert, e<strong>in</strong> Zeichen setzen. Der 19. November 2009 bildete dazu den Auftakt: Alle 24 Musikhochschulen öffneten an diesem Tag ihre<br />
Türen und veranstalteten e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen „Aktionstag musikalische Bildung“. Die <strong>HfMDK</strong> engagiert sich bereits seit Jahren konsequent<br />
und nachhaltig mit langfristig angelegten Projekten wie PRIMACANTA und Response für die kulturelle Bildung. Weitere Infos zur Initiative<br />
„Musikalische Bildung“ der 24 deutschen Musikhochschulen f<strong>in</strong>den Sie onl<strong>in</strong>e unter www.die-deutschen-musikhochschulen.de.<br />
Die Förderung musikalischer Bildung<br />
ist ohneh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Grundpfeiler im<br />
Selbstverständnis der <strong>Frankfurt</strong>er<br />
Hochschule. Im Bild der Musikpäda-<br />
goge Felix Koch mit K<strong>in</strong>dern bei der<br />
Eröffnungsveranstaltung zur Aktion<br />
Musikalische Bildung im Kle<strong>in</strong>en Saal<br />
der <strong>HfMDK</strong>.<br />
Anzeigenkampagne der<br />
Initiative Musikalische Bildung.
Andreas Brantelid im<br />
Unterricht mit se<strong>in</strong>em<br />
Celloprofessor Frans<br />
Helmerson<br />
Persönliches Reifen auf ganzer L<strong>in</strong>ie<br />
Stephen Potts, Direktor des „Kronberg Academy Master“, im Interview über den Elite-Studiengang für<br />
angehende Streichersolisten<br />
Stephen Potts, Direktor des<br />
Kronberg Academy Master,<br />
versteht sich zugleich als Mentor<br />
se<strong>in</strong>er Studierenden.<br />
Im H<strong>in</strong>tergrund die KAM-<br />
Student<strong>in</strong> Marie-Elisabeth Hecker<br />
Fotos: Andreas Malkmus<br />
Mit dem „Kronberg Academy Master“ hat vor drei Jahren <strong>in</strong> Ko-<br />
operation mit der Kronberg Academy und der Hochschule für Musik<br />
und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Elite-Studium für<br />
angehende Streichersolisten begonnen. Dessen Studierende stehen<br />
am Anfang e<strong>in</strong>er vielversprechenden <strong>in</strong>ternationalen Karriere als<br />
Solisten. Während sie <strong>in</strong> der konzentrierten Ruhe der Kronberg<br />
Academy von weitgereisten Solisten und Professoren wie Christian<br />
Tetzlaff (Viol<strong>in</strong>e), Nobuko Imai (Bratsche), Gary Hoffman und Frans<br />
Helmerson (beide Violoncello) unterrichtet werden, studieren sie an<br />
der <strong>HfMDK</strong> Fächer wie Tonsatz, Gehörbildung und Komposition und<br />
nehmen an Projekten der Hochschule teil (Kammermusik etc.).<br />
Meisterkurse mit Persönlichkeiten wie Gidon Kremer ergänzen<br />
die Ausbildung. Stephen Potts ist Direktor des „Kronberg Academy<br />
Master“. Er ist zugleich Mentor für die jungen Musiker, denen er<br />
e<strong>in</strong>erseits die bestmögliche fachliche Ausbildung angedeihen lassen<br />
möchte, andererseits aber auch e<strong>in</strong>e natürliche und <strong>in</strong>dividuelle<br />
Persönlichkeitsentwicklung. Wie beides konfliktfrei <strong>in</strong>e<strong>in</strong>andergreift,<br />
erklärt Stephen Potts im nachfolgenden Interview.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Herr Potts, der Kronberg Academy Master versteht<br />
sich ausdrücklich als Elite-Studiengang. In welchem S<strong>in</strong>ne wollen<br />
Sie diesen Begriff verstanden wissen?<br />
Stephen Potts Der Begriff Elite umschreibt für mich <strong>in</strong> diesem<br />
Zusammenhang die wundervollen Qualitäten von Musikern mit<br />
außergewöhnlicher Begabung und die Notwendigkeit, ihnen<br />
besondere Rahmenbed<strong>in</strong>gungen zu ermöglichen, damit sie ihre<br />
Fähigkeiten voll entfalten können. Nur <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne ist die<br />
Ausbildung elitär. Die jungen Künstler, die bei uns studieren, s<strong>in</strong>d<br />
<strong>in</strong> unserem Selbstverständnis jenseits ihrer Musik Menschen<br />
wie jeder andere auch. Wor<strong>in</strong> sich unsere Studierenden jedoch<br />
allesamt gleichen, ist ihre tiefe Liebe zur Musik.<br />
FiT Wie sieht im Alltag des Kronberg Academy Master diese<br />
Balance zwischen exzellenter Förderung und möglichst viel lebens-<br />
naher Normalität aus?<br />
<strong>HfMDK</strong>-Dozent Valent<strong>in</strong><br />
Keogh beim Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
<strong>in</strong> Alexandertechnik mit<br />
dem Cellisten<br />
Benedict Kloeckner.
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Stephen Potts Wir versuchen hier <strong>in</strong> der Academy, den Studierenden<br />
e<strong>in</strong>e Art Familie zu se<strong>in</strong>. Sie sollen Kronberg als e<strong>in</strong>en ihnen ver-<br />
trauten Rückzugsort nutzen können, <strong>in</strong>nerhalb dessen sie behandelt<br />
werden wie ganz normale junge Menschen. Zum e<strong>in</strong>en können<br />
sie sich hier künstlerisch vorbereiten und ausprobieren, <strong>in</strong>dem sie<br />
mit den besten Professoren und Musikern ihres Faches arbeiten<br />
können, mit ihnen <strong>in</strong>s Gespräch kommen und <strong>in</strong> sowohl musika-<br />
lischen als auch menschlichen Dialog treten. Kronberg ist für<br />
sie aber auch der Ort, an dem sie wichtige „life skills“ erlernen und<br />
dar<strong>in</strong> wachsen. Für uns geht es darum, dass ihre Persönlichkeit<br />
auf ganzer L<strong>in</strong>ie reifen kann.<br />
FiT Was tut der Kronberg Academy Master dafür?<br />
Stephen Potts Zum e<strong>in</strong>en kann er helfen, den Künstlern die beste<br />
körperliche und geistige Gesundheit angedeihen zu lassen. Das<br />
fängt bei Fragen der gesunden Ernährung an und reicht bis<br />
zur mentalen Vorbereitung auf e<strong>in</strong> Leben als Solist, der Abend für<br />
Abend im Hotel aus dem Koffer lebt. Nur wenn man physisch <strong>in</strong><br />
guter Verfassung ist, kann man es mental auch se<strong>in</strong>. Zu unserer<br />
Überzeugung gehört aber auch, dass unsere Studierenden<br />
außer-halb ihrer Musik reichlich Erfahrung sammeln, also ebenso<br />
e<strong>in</strong> Museum zu besuchen wie e<strong>in</strong> Fußballspiel im Stadion.<br />
FiT Warum s<strong>in</strong>d Sie an umfassender Lebenserfahrung Ihrer<br />
Studierenden <strong>in</strong>teressiert?<br />
Stephen Potts Wenn Musiker e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teressante Persönlichkeit s<strong>in</strong>d,<br />
können sie auch <strong>in</strong>teressante Musiker se<strong>in</strong>. Und Persönlichkeit<br />
erwächst aus Lebenserfahrung auch <strong>in</strong> den „normalen“ Bereichen<br />
des Alltags. Für Künstler sollte gelten: Es reicht nicht, sich vorzu-<br />
stellen, wie Leben se<strong>in</strong> könnte, sondern ich muss selbst erfahren,<br />
wie es ist.<br />
FiT Was verlangt der Kronberg Academy Master künstlerisch von<br />
se<strong>in</strong>en Studierenden und was will er ihnen geben?<br />
Stephen Potts Zunächst verlangen wir von unseren Musikern viel<br />
Ehrgeiz und Geduld. Ansonsten lautet das Credo unserer <strong>in</strong>halt-<br />
lichen Arbeit, den Studierenden auf künstlerischer Ebene e<strong>in</strong><br />
möglichst objektives Gegenüber zu se<strong>in</strong>, um ihnen zu zeigen, wo<br />
sie stehen, und ihnen die Vision aufzuzeigen, wo sie h<strong>in</strong>wollen. Dies<br />
soll helfen, den auf die Künstler e<strong>in</strong>wirkenden Erwartungsdruck<br />
Dritter, zum Beispiel der Eltern, der Agenten oder des Publikums,<br />
durch e<strong>in</strong>e möglichst objektive E<strong>in</strong>schätzung auf fachlicher Ebene<br />
zu relativieren. Anders formuliert: Wir begegnen ihnen nicht mit<br />
Vorurteilen über deren künstlerische Zukunft, sondern wollen ihnen<br />
helfen, ihren eigenen Weg zu f<strong>in</strong>den.<br />
FiT Greifen Sie denn e<strong>in</strong>, wenn Sie glauben, dass der e<strong>in</strong>geschla-<br />
gene Weg e<strong>in</strong>es Ihrer Studierenden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e falsche Richtung driftet?<br />
Stephen Potts Als deren Mentor versuche ich, Kraft me<strong>in</strong>er Erfah-<br />
rung und E<strong>in</strong>schätzung, zwar ohne Vorurteile zu agieren, aber<br />
vorausschauend zu se<strong>in</strong>. Es gibt e<strong>in</strong>ige Gefahren für junge Solisten,<br />
Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE<br />
wichtige Schritte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er für sie nicht förderlichen Reihenfolge,<br />
Priorität oder Ausprägung zu unternehmen.<br />
FiT Was me<strong>in</strong>en Sie damit?<br />
Stephen Potts Die Frage, für welchen Künstler wann der nächste<br />
Schritt der richtige ist, ist e<strong>in</strong>e höchst <strong>in</strong>dividuelle. Beispielsweise<br />
kann e<strong>in</strong> bestimmtes Repertoire zum aktuellen Zeitpunkt unter<br />
Umständen nicht das optimale Weiterkommen garantieren. Sehr<br />
früh – vielleicht zu früh – an großen Wettbewerben teilzunehmen,<br />
ist ebenso verführerisch wie das Angebot für e<strong>in</strong>e CD-Aufnahme.<br />
Man darf nicht vergessen: E<strong>in</strong>e gepresste CD offenbart e<strong>in</strong>en<br />
musikalischen Entwicklungsstand geradezu wie <strong>in</strong> Ste<strong>in</strong> gemeißelt.<br />
Kurzum: Wir wollen helfen, dass unsere Künstler e<strong>in</strong>e ihrer<br />
Individualität entsprechende Balance f<strong>in</strong>den zwischen den ihnen<br />
sich bietenden Gelegenheiten und Chancen e<strong>in</strong>erseits und ihrer<br />
musikalischen Entwicklung andererseits.<br />
FiT Welche Rolle spielt die <strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> als Koopera-<br />
tionspartner der Kronberg Academy <strong>in</strong>nerhalb des Kronberg<br />
Academy Master-Studiums?<br />
Stephen Potts Uns ist wichtig klarzustellen: Bei unserem Studium<br />
handelt es sich um den Kronberg Academy Master der Hochschule<br />
für Musik und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong>! Somit<br />
verstehen wir uns als Teil der Hochschule, deren Lehrangebote für<br />
unsere Studierenden von unverzichtbarem Wert s<strong>in</strong>d.<br />
FiT Welche Angebote s<strong>in</strong>d dies?<br />
Stephen Potts Die KAM-Studierenden erhalten durch die Lehrenden<br />
der Hochschule Unterricht <strong>in</strong> Hörschulung, Theorie und Kompositi-<br />
on. Auch Musikercoach<strong>in</strong>g und Selbstmanagement sowie Alexan-<br />
dertechnik s<strong>in</strong>d Angebote der Hochschule, die unsere Studierenden<br />
wahrnehmen. Diese Fächer betrachten wir nicht als Anhängsel des<br />
KAM, sondern als deren <strong>in</strong>tegrierter Bestandteil. Abgesehen vom<br />
„Pflichtprogramm“ steht es unseren Studierenden frei, darüber<br />
h<strong>in</strong>aus an weiteren Sem<strong>in</strong>ar-, Workshop- und Projektangeboten der<br />
Hochschule teilzunehmen.<br />
FiT Stichwort Freundschaft und Kooperation: Wie ist es an der<br />
Kronberg Academy um das Konkurrenzdenken unter den Studieren-<br />
den bestellt?<br />
Stephen Potts Auch wenn es schwer fällt, es zu glauben: Kon-<br />
kurrenz spielt <strong>in</strong>nerhalb unseres KAM ke<strong>in</strong>e Rolle. Wenn es hier<br />
etwas gibt, dann ist es ehrliche Bewunderung für die eigenen<br />
Musikerkollegen.<br />
FiT Gibt es e<strong>in</strong>en musikalischen Austausch zwischen den<br />
KAM-Kandidaten und den anderen Studierenden der <strong>HfMDK</strong>?<br />
Stephen Potts Der f<strong>in</strong>det vor allem <strong>in</strong> kammermusikalischen<br />
Begegnungen statt. Und die Erfahrung hat gezeigt, dass beide<br />
Seiten reichhaltig davon profitieren. bjh
10 Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Interesse ist der beste Lehrer<br />
Die Bratscher<strong>in</strong> Peijun Xu studiert den Kronberg Academy Master – jüngst erhielt sie<br />
den ersten Preis beim Internationalen Yuri Bashmet Viola Wettbewerb<br />
Peijun Xu ist Bratschist<strong>in</strong> und Student<strong>in</strong> des Kronberg Academy<br />
Master. Davor machte Sie ihren Hochschulabschluss an der<br />
<strong>HfMDK</strong> nach e<strong>in</strong>em Studium <strong>in</strong> der Klasse von Prof. Roland Glassl.<br />
Sie gewann im Januar dieses Jahres den ersten Preis beim<br />
6. Internationalen Yuri Bashmet Viola Wettbewerb <strong>in</strong> Moskau.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus erhielt sie dort Sonderpreise für die beste Inter-<br />
pretation des Schnittke-Violakonzerts und für die beste Aufführung<br />
e<strong>in</strong>es Werkes aus dem 20. Jahrhundert.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Unsere herzliche Gratulation zu diesem grandiosen<br />
Erfolg. E<strong>in</strong>en derart wichtigen Wettbewerb zu gew<strong>in</strong>nen, dürfen Sie<br />
sicher als Meilenste<strong>in</strong> für Ihre Karriere verbuchen.<br />
Peijun Xu Sicher freue ich mich sehr über diesen Erfolg. Aber für<br />
mich gibt es ke<strong>in</strong>en sportlichen Ehrgeiz, alle anderen Teilnehmer<br />
e<strong>in</strong>es Wettbewerbs h<strong>in</strong>ter mir zu lassen. Wichtig an e<strong>in</strong>em solchen<br />
Ereignis ist für mich die Möglichkeit, mich weiterzuentwickeln<br />
– und das hätte ich auch getan, wenn ich ke<strong>in</strong>en Preis erzielt hätte.<br />
Arroganz ist sowieso ganz fehl am Platz. Vielmehr habe ich Spaß<br />
und Freude dabei. Ich liebe das Musizieren; ich möchte e<strong>in</strong>fach<br />
spielen.<br />
FiT Was hat aus Ihrer Sicht Ihren Wettbewerbserfolg begünstigt?<br />
Peijun Xu Ich habe als Solist<strong>in</strong> versucht, mit dem mich begleitenden<br />
Orchester kammermusikalisch zu kommunizieren. Das war für mich<br />
e<strong>in</strong> großes Erlebnis. Wenn man als Solist mit Orchester spielt, ist<br />
es genau so wichtig oder sogar noch wichtiger als bei der Kammer-<br />
musik, das Geben und Nehmen im Zusammenspiel zu verstehen.<br />
Man spürt dann, ob dem Orchester der Solist gefällt oder ob es den<br />
Peijun Xu hat im letzten Jahr<br />
ihr Viola-Diplom an der<br />
<strong>HfMDK</strong> abgeschlossen und<br />
ist nun Studierende des<br />
Kronberg Academy Master.<br />
Foto: Andreas Malkmus<br />
Musikern Spaß macht. Selbst bei e<strong>in</strong>em Solowerk gibt es immer<br />
viele Stimmen, man ist beim Musizieren eigentlich nie alle<strong>in</strong>.<br />
FiT Sie haben im vergangenen Sommer Ihr Diplom an der <strong>HfMDK</strong><br />
absolviert und s<strong>in</strong>d nun Student<strong>in</strong> des Kronberg Academy Master.<br />
Wie f<strong>in</strong>den Sie das Studieren <strong>in</strong> diesem besonderen Rahmen im<br />
Unterschied zum vorangegangenen KA-Studium an der Hochschule?<br />
Peijun Xu Man braucht zu e<strong>in</strong>er bestimmten Zeit e<strong>in</strong>e bestimmte<br />
Schule und e<strong>in</strong>en bestimmten Lehrer; ohne die <strong>Frankfurt</strong>er<br />
Hochschule wäre ich jetzt nicht <strong>in</strong> Kronberg. Ich b<strong>in</strong> mir sicher:<br />
Wenn ich von me<strong>in</strong>er Heimat Ch<strong>in</strong>a direkt nach Kronberg gegangen<br />
wäre, hätte das für mich nicht gepasst. Ich habe das sogenannte
„normale“ Studium und „normale“ Leben <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong> gebraucht.<br />
In der Kronberg Academy ist der Kreis enger. Ich habe nun e<strong>in</strong><br />
wenig das Gefühl, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er großen Familie zu se<strong>in</strong>. Auch neben den<br />
musikalischen Belangen hilft mir das Team <strong>in</strong> Kronberg <strong>in</strong> vielen<br />
Angelegenheiten des Alltags. Fachlich gesehen ist es für mich<br />
gerade auch sehr gut, dort zu se<strong>in</strong>. Alle Studenten dort s<strong>in</strong>d<br />
fantastische Musiker; wenn man erlebt, wie sie spielen, lernt man<br />
schon direkt davon.<br />
FiT Was war an der <strong>Frankfurt</strong>er Hochschulzeit so wichtig und wie<br />
hat sie Sie geprägt?<br />
Peijun Xu Nachdem ich <strong>in</strong> Shanghai sechs Jahre Instrumentalunter-<br />
richt an e<strong>in</strong>er Musikschule gehabt hatte, die dem bekannten<br />
Shanghai Musik-Konservatorium angeschlossen war, studierte ich<br />
e<strong>in</strong> Semester regulär und kam dann zum weiteren Studium nach<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> die Klasse von Roland Glassl. Dies war für me<strong>in</strong>e<br />
musikalische Ausbildung e<strong>in</strong> ganz entscheidender Schritt. Ich hatte<br />
mir schon immer gedacht: Um die klassische Musik des Abend-<br />
landes wirklich zu verstehen und zu <strong>in</strong>terpretieren, muss man selbst<br />
die Kultur und Sprache vor Ort erlebt haben. Hier habe ich viel<br />
besser verstanden, was me<strong>in</strong>e ch<strong>in</strong>esische Lehrer<strong>in</strong> mir vermitteln<br />
wollte. In me<strong>in</strong>er Heimat hatte ich die Musik versucht, vom Kopf<br />
her zu verstehen, aber noch nicht ganz im Herzen gespürt. Das ist<br />
nun anders.<br />
FiT In der Fremde so erfolgreich zu studieren, setzt doch voraus,<br />
e<strong>in</strong>en Lehrer gefunden zu haben, der Ihnen das geben konnte,<br />
was Sie als asiatische Künstler<strong>in</strong> <strong>in</strong> Deutschland lernen wollten.<br />
Peijun Xu In der Tat. Roland Glassl war der absolut richtige Lehrer<br />
für mich, sowohl musikalisch als auch menschlich. Ich f<strong>in</strong>de es<br />
immer sehr wichtig, dass man als Musiker nicht nur lernt, wie<br />
man mit dem Instrument gut umgeht, sondern auch, wie man als<br />
Mensch se<strong>in</strong> soll. Schließlich drücken wir selbst uns durch das<br />
Instrument und die Musik aus. Man spielt eben, wie man ist. Roland<br />
hat mich immer wieder <strong>in</strong> diesem Wissen erzogen und bee<strong>in</strong>flusst.<br />
Er ermunterte mich auch, me<strong>in</strong>e Augen für alles offen zu halten:<br />
Unter anderem fördern kammermusikalische Begegnungen den<br />
Austausch zwischen Studierenden der <strong>HfMDK</strong> und des Kronberg<br />
Academy Master. Im Bild e<strong>in</strong> Dozentenkonzert mit Lehrenden<br />
und Studierenden im Großen Saal der Hochschule, unter ihnen<br />
auch Peijun Xu.<br />
also nicht den ganzen Tag <strong>in</strong> der Übezelle zu verbr<strong>in</strong>gen, sondern<br />
auch Erfahrungen anderer Art zu sammeln, sei es durch Reisen,<br />
Lesen oder anderes. Von der dabei wachsenden Reife profitiert<br />
auch das eigene Musizieren. Außerdem empfahl mir Roland Glassl<br />
stets, viele Festivals und Meisterkurse zu besuchen. In dem knapp<br />
fünfjährigen Studium bei ihm habe ich immer offen mit ihm über<br />
alles geredet und nichts vor ihm versteckt. Er hat mich immer <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e gute Richtung geführt und gute Tipps gegeben, wie ich mich<br />
auf me<strong>in</strong>em musikalischen Weg noch besser entwickeln kann. Mich<br />
<strong>in</strong>teressieren mittlerweile viele D<strong>in</strong>ge, und ich b<strong>in</strong> offen, weiter zu<br />
lernen. Dies hat dazu geführt, dass ich neben der Solistenausbil-<br />
dung im Kronberg Academy Master an der Hochschule außerdem<br />
noch als Nebenfächer Barockviola und Gesang studiere.<br />
FiT Was sehen Sie als die wichtigste Voraussetzung dafür, dass Sie<br />
heute dort stehen, wo Sie s<strong>in</strong>d?<br />
Peijun Xu Ich antworte mit e<strong>in</strong>em ch<strong>in</strong>esischen Spruch: „Interesse<br />
ist der beste Lehrer.“ Als kle<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>d hatte ich schon Freude am<br />
Geigespiel – am Spielen, nicht am Üben, wohlgemerkt. Später habe<br />
ich übrigens gemerkt, dass die Bratsche besser zu mir und me<strong>in</strong>er<br />
Persönlichkeit passt – ihr Klang ist wärmer als der der Geige. Davon<br />
abgesehen, müssen Lust und Liebe der Hauptantrieb se<strong>in</strong>. Ich<br />
b<strong>in</strong> jetzt süchtig nach der Bratsche und der Musik. Und ich glaube,<br />
dass diese Sucht aus dem Herzen kommt. bjh<br />
exzellent?<br />
Elitär und<br />
11<br />
Serie „Inwiefern s<strong>in</strong>d Exzellenz und Elite für Sie Leitbegriffe<br />
<strong>in</strong> Ihrer künstlerischen Ausbildung?“ Ausgewählten Studie-<br />
renden aus allen drei Fachbereichen der Hochschule haben wir<br />
diese Frage gestellt. Deren Antworten bilden e<strong>in</strong>e Serie von<br />
Statements, die im Heft verteilt zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d. Die Antworten<br />
zeigen: Für den e<strong>in</strong>en ist der Elite-Begriff eher e<strong>in</strong>e gesell-<br />
schaftskritische Provokation als e<strong>in</strong> neutrales Qualitätsmerk-<br />
mal, für den anderen e<strong>in</strong> Ausdruck von Dankbarkeit dafür, mit<br />
dem Studium an e<strong>in</strong>er Kunsthochschule e<strong>in</strong>e so <strong>in</strong>dividuelle<br />
Ausbildung durchlaufen zu dürfen. Die e<strong>in</strong>en empf<strong>in</strong>den<br />
Exzellenz als e<strong>in</strong>e schiere Selbstverständlichkeit auf dem Weg<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en künstlerischen Beruf, andere def<strong>in</strong>ieren sie eher als<br />
subjektives Erfolgserleben nach gelungenen Proben und Auf-<br />
tritten. Die Serie beg<strong>in</strong>nt mit e<strong>in</strong>em ausführlichen Interview<br />
mit der Bratschist<strong>in</strong> Peijun Xu. Die meisten weiteren Antworten<br />
s<strong>in</strong>d knappe Kommentare, die streiflichtartig zeigen: Die<br />
Begriffe Exzellenz und Elite polarisieren und laden e<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er<br />
ausgiebigen Diskussion.<br />
Vom schmalen Grat zwischen<br />
Anspruch und Ausgrenzung
1 Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
„Elite gehört <strong>in</strong> den Dienst der Gesellschaft<br />
– alles andere ist Dünkel“<br />
Die Internationale Ensemble Modern Akademie (IEMA) bietet Studierenden e<strong>in</strong> Jahr lang e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Ause<strong>in</strong>ander-<br />
setzung mit der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts – 150 Kandidaten bewerben sich jährlich um 14 Studienplätze<br />
Von Michael M. Kasper<br />
Als ich gebeten wurde, über den Studiengang der Internationalen<br />
Ensemble Modern Akademie <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit den Begriffen „Elite“<br />
und „Exzellenz“ zu berichten, habe ich mir mit der Zusage e<strong>in</strong>ige<br />
schlaflose Stunden e<strong>in</strong>gehandelt. Beide Begriffe schmecken nämlich<br />
gleichermaßen nach Anspruch und Arroganz. Hier und wir: Arte<br />
– dort die anderen: Hartz IV-Fernsehen aus Marzahn. Dazu noch: das<br />
Ensemble Modern und die zeitgenössische Musik im Korsett von<br />
Lehrplan, „Exzellenzclustern“ und Creditpo<strong>in</strong>ts. Neue Musik als<br />
Exzellenzausbildung mit dem klangvollen Abschluss „MasterMus“?<br />
Kommt hier zusammen, was zusammengehört? Wer sucht die<br />
Etiketten und klebt sie mit welcher Berechtigung worauf? Erst im<br />
Bewusstse<strong>in</strong>, ke<strong>in</strong>e zufriedenstellende Antwort auf diese Fragen zu<br />
f<strong>in</strong>den, konnte ich den Artikel schreiben. Der Studiengang „Interna-<br />
tionale Ensemble Modern Akademie – Masterstudiengang an der<br />
<strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong>“ – wurde im Jahr 2005 von der <strong>HfMDK</strong> und dem<br />
Ensemble Modern aus der Taufe gehoben; er „passt“ <strong>in</strong> die Erfor-<br />
dernisse e<strong>in</strong>es Masterstudienganges, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er <strong>in</strong>neren Struktur ist<br />
er jedoch nicht „fertig“ und wird es hoffentlich nie se<strong>in</strong>.<br />
Inhalt und Form<br />
Im Mittelpunkt des e<strong>in</strong>jährigen Studiums steht die Musik des<br />
20. und 21. Jahrhunderts. Genauer noch: Komposition und Inter-<br />
pretation als Ergebnis e<strong>in</strong>er fruchtbaren Spannung zwischen<br />
Komponisten und Musikern. Von Anfang an stellte sich die Frage<br />
nach e<strong>in</strong>er geeigneten Form der Vermittlung. Ist es möglich,<br />
während e<strong>in</strong>es Studienjahres e<strong>in</strong>en repräsentativen Überblick über<br />
alle Strömungen, wichtige Impulsgeber (oder Außenseiter) zu<br />
erhalten, neue Spieltechniken und neues Denken im Umgang mit<br />
dem Material zu entwickeln? Was ist zu tun, um Interpreten und<br />
Komponisten zu e<strong>in</strong>em tieferen Verständnis füre<strong>in</strong>ander zu führen?<br />
Wie und wie oft bekomme ich 14 Stipendiaten aus aller Welt <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>en Probenraum? Welche Form der Arbeitsweise, welcher Lehr-<br />
plan ist erforderlich, braucht es gar e<strong>in</strong>en neuen Typ Musiker?<br />
Lösungen für e<strong>in</strong>ige dieser Fragen ergaben sich im Laufe der ersten<br />
Jahre seit Bestehen des Studienganges, andere werden noch<br />
entwickelt.<br />
Die Aufnahmeprüfung<br />
Die Zulassung zum Studiengang bedeutet e<strong>in</strong>e Auswahl von<br />
14 Musikern aus ungefähr 150 meist schon exam<strong>in</strong>ierten Bewer-<br />
bern. In e<strong>in</strong>em dreistufigen Verfahren werden im Schnitt zehn<br />
Instrumentalisten, e<strong>in</strong> Dirigent, e<strong>in</strong> Klangregisseur und zwei<br />
Komponisten zum Masterstudiengang zugelassen. Die Ausgewähl-<br />
ten (Elite, lat electus ausgewählt) bestreiten dann <strong>in</strong> unterschied-<br />
lichen Besetzungen das Programm e<strong>in</strong>es Studienjahres. Mit dem<br />
Studienplatz ist e<strong>in</strong> Stipendium von monatlich 800 Euro verbunden.<br />
Arbeitsphasen nahe am Vorbild<br />
Die Stipendiaten treffen sich <strong>in</strong> jedem Monat zu zehntägigen<br />
Arbeitsphasen. Diese gewährleisten e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>e Kont<strong>in</strong>uität im<br />
Lern- und Schaffensprozess; andererseits lassen sie den Teilneh-<br />
mern Spielraum zur Pflege ihrer Netzwerke <strong>in</strong> ihren Herkunftsorten.<br />
Insgesamt ergibt sich e<strong>in</strong> Zeitraum von 150 Tagen mit bis zu drei<br />
Proben täglich mit E<strong>in</strong>zelunterricht, Kammermusik, dirigierten<br />
Ensemblewerken, mit <strong>in</strong>ternen Werkstattkonzerten und rund<br />
20 öffentlichen Konzerten. Dah<strong>in</strong>ter steht der Gedanke, die Vielfalt<br />
des Komponierten nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch,<br />
150 Musiker bewerben sich jährlich<br />
auf 14 Studienplätze der Internationale<br />
Ensemble Modern Akademie.
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 0 / 13<br />
spielend und <strong>in</strong>terpretierend, zu erfahren. Die zunächst vorherr-<br />
schende Skepsis vor dem unbekannten Material, vor dem „Unspiel-<br />
baren“, die zu Beg<strong>in</strong>n häufige Frage „Was soll das?“ weicht all-<br />
mählich e<strong>in</strong>er Spiel- und Entdeckerfreude. Die Arbeitsphasen der<br />
Stipendiaten f<strong>in</strong>den zum größten Teil während der Projektphasen<br />
des Ensemble Modern statt. Dies bietet <strong>in</strong> probenfreien Stunden<br />
den Vorteil der Teilnahme am musikalischen Leben des jeweils<br />
anderen. Recht bald ergibt sich für die Stipendiaten die Erkenntnis,<br />
dass die Probleme im Umgang mit dem Material und die des<br />
täglichen Musizierens <strong>in</strong> beiden Gruppen ähnlich s<strong>in</strong>d. Die Suche<br />
nach Lösungen, aber auch das nicht Lösbare, werden zum geme<strong>in</strong>-<br />
sam Erlebten.<br />
Die Programme<br />
Die Programme folgen mehreren Strängen: Musikgeschichtliche<br />
Benchmarks – wichtigen „Schulen“ oder Individuen folgend<br />
– vermitteln das Verständnis e<strong>in</strong>er zwangsläufigen Verb<strong>in</strong>dung<br />
zwischen historisch-soziologischem Umfeld und kompositorischer<br />
Entwicklung. E<strong>in</strong>er solchen Kenntnis folgt das Wissen um e<strong>in</strong>e<br />
differenzierte Interpretation. Technik wird nicht als eigenständiger<br />
Wert <strong>in</strong>nerhalb der Neuen Musik vermittelt, sondern als Träger<br />
e<strong>in</strong>er adäquaten Darstellung von Inhalten. Neben der Abbildung des<br />
musikalischen „Hauptstroms“ folgt die Programmierung dem<br />
Grundsatz des Ensemble Modern: ke<strong>in</strong>e ästhetischen E<strong>in</strong>schrän-<br />
kungen! Dem Unbekannten, dem Unbequemen und Neuen Raum<br />
geben!<br />
Instrumentalisten, Dirigenten, Komponisten<br />
und Klangregisseure<br />
Mit dem Studium der Kompositionen verbunden ist e<strong>in</strong>e Beschäfti-<br />
gung mit den Komponisten dieser Werke. Zu den Stipendiaten<br />
e<strong>in</strong>es Jahrganges gehören deshalb bis zu zwei Komponisten. Die<br />
Instrumentalisten erarbeiten mit den Komponisten deren neue<br />
Werke, lernen ungewohnte ästhetische Ansätze zu begreifen und<br />
setzen sich mit den Unbequemlichkeiten des neuen Materials<br />
ause<strong>in</strong>ander. Die Position des Dirigenten hat ebenfalls e<strong>in</strong> Stipendi-<br />
at <strong>in</strong>ne. Der Dirigent e<strong>in</strong>es Ensembles für zeitgenössische Musik hat<br />
nichts mehr mit den Pultchoreographen des klassischen Orchesters<br />
geme<strong>in</strong>. Profunde Schlagtechnik und Kenntnis der Partitur voraus-<br />
gesetzt, s<strong>in</strong>d das Wissen um <strong>in</strong>strumentale Charakteristiken und<br />
Grenzbereiche sowie psychologisches F<strong>in</strong>gerspitzengefühl unab-<br />
d<strong>in</strong>gbar, um zusammen mit dem fragilen Kollektiv e<strong>in</strong>es Solistenen-<br />
sembles herausragende Ergebnisse zu erreichen. Dass schließlich<br />
der Mann (oder die Frau) h<strong>in</strong>ter den Reglern e<strong>in</strong>es Mischpultes<br />
nicht nur für feedbackfreie Beschallung e<strong>in</strong>es Konzertes verantwort-<br />
lich ist, sondern auch als gleichberechtigter Partner, Musiker<br />
und Mitspieler das musikalische Gesamtkonzept mitverantwortet,<br />
teilt sich den Stipendiaten durch die Erarbeitung von Werken mit
1<br />
Klangregie oder Elektronik mit. Unterschiedliche Anforderungen<br />
und Bedürfnisse während des E<strong>in</strong>studierens, Kommunikations-<br />
probleme oder Missverständnisse, schließlich das Erkennen des<br />
gegenseitigen Bed<strong>in</strong>gens und der Abhängigkeit, schaffen e<strong>in</strong><br />
Bewusstse<strong>in</strong> für die nur geme<strong>in</strong>sam zu lösenden musikalischen<br />
Probleme. Der Klangregisseur des Ensemble Modern trägt geme<strong>in</strong>-<br />
sam mit dessen Musikern die musikalische und pädagogische<br />
Verantwortung.<br />
Tutoren, Dozenten und Unterricht<br />
Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE<br />
Jede programmatische Idee ist nur so gut wie ihre Vermittlung.<br />
In den Mitgliedern des Ensemble Modern als Dozenten f<strong>in</strong>det die<br />
ästhetische Vielfalt der jüngsten Musikgeschichte ihre kongruente<br />
Ausprägung. Seit 30 Jahren arbeiten die Musiker des EM eng<br />
mit den bedeutendsten Komponisten unserer Zeit zusammen. Es<br />
entstand durch Gespräche, Proben und Konzerte e<strong>in</strong> unschätzbares<br />
„musikalisches Gedächtnis“, das weit über das fehlerfreie Abspie-<br />
len e<strong>in</strong>es komplexen Notentextes h<strong>in</strong>ausweist. Gerade das „Unno-<br />
tierbare“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Notentext f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> der Erfahrung e<strong>in</strong>es<br />
jeden Musikers. Die Teilhabe daran ist das eigentliche Privileg der<br />
Stipendiaten des Studienganges. Dass diesem Wissen neben se<strong>in</strong>er<br />
Vielfalt durch die Darstellung durch 18 Ensemblemusiker auch<br />
manches Widersprüchliche <strong>in</strong>newohnt, mag nur auf den ersten<br />
Blick verwirren. Letztlich ermöglicht es die Ausbildung eigener Vor-<br />
stellungen, die sich <strong>in</strong> der geme<strong>in</strong>samen Arbeit und <strong>in</strong> den<br />
Konzerten zu bewähren haben. Jedem Stipendiaten ist e<strong>in</strong> Tutor zur<br />
Seite gestellt, der den Stipendiaten <strong>in</strong> allen Bereichen der Ausbil-<br />
dung begleitet. E<strong>in</strong> weiterer wichtiger Aspekt ist der fachübergrei-<br />
fende E<strong>in</strong>zelunterricht: Er ermöglicht z.B. e<strong>in</strong>er Cellostipendiat<strong>in</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong>10/1<br />
– über die Vorgartenperspektive e<strong>in</strong>es Unterrichts beim Cellisten<br />
des Ensemble Modern h<strong>in</strong>aus – die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit neuen,<br />
ungewohnten oder vielleicht störenden Ansichten etwa e<strong>in</strong>es<br />
Klavier- oder Schlagzeugdozenten. Die Frage: Wo stehe ich, was<br />
ist richtig oder wichtig für mich, ist hierbei zentraler Aspekt e<strong>in</strong>er<br />
Pädagogik, die bewusst die Antwort offen lässt.<br />
Durchlässigkeit für äußere E<strong>in</strong>flüsse<br />
Das Ensemble Modern ist durch eigene Anstrengung, aber auch<br />
durch äußere E<strong>in</strong>flüsse zu dem geworden, was es heute ist: e<strong>in</strong><br />
Maßstab für die Wiedergabe und Interpretation der Musik der<br />
Jetztzeit. Dieser Status quo ist nur möglich, weil e<strong>in</strong>e Durchlässig-<br />
keit für äußere E<strong>in</strong>flusse stets gewünscht wurde. Komponisten,<br />
Dirigenten und Redakteure waren ständige Begleiter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Prozess, der zwar die eigenen Fähigkeiten kennt und ihre Grenzen<br />
immer wieder auslotet, der die Notwendigkeit der Horizonterweite-<br />
rung für künstlerisches Schaffen aber für unerlässlich hält. In<br />
diesem S<strong>in</strong>ne s<strong>in</strong>d sowohl <strong>in</strong>ternational hochgeschätzte Dirigenten<br />
und Klangregisseure, renommierte wie auch junge Komponisten<br />
gern gesehene Gäste; der Lehrplan geht auf die Wünsche der<br />
Gäste e<strong>in</strong>.<br />
Theoriesem<strong>in</strong>are<br />
„Grau ist alle Theorie“ war früher – „man spielt nur, was man weiß“<br />
ist heute. Die Themen der Theoriesem<strong>in</strong>are spiegeln die aktuelle<br />
ästhetische Diskussion und s<strong>in</strong>d unverzichtbarer Bestandteil der<br />
künstlerischen Ausbildung. War <strong>in</strong> früherer Zeit die Kunst eher<br />
Ausdruck des „Wahren, Schönen, Guten“, so verstört sie heute oft<br />
durch ihre Konzepte und die Auflösung geme<strong>in</strong>gültiger Werte.<br />
Mit 14 Studierenden<br />
pro Jahr bleibt die<br />
Internationale Ensemble<br />
Modern Akademie<br />
auch für Studierende<br />
überschaubar: Ihr<br />
musikalisches Mite<strong>in</strong>an-<br />
der ist im Laufe dieses<br />
Studienjahres selbst-<br />
verständlich<br />
und unabd<strong>in</strong>gbar.
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Ohne das Wissen um die Entwicklung der Zusammenhänge zwi-<br />
schen Bef<strong>in</strong>dlichkeit, Denken und Ausdruck ist e<strong>in</strong>e verantwortliche<br />
Interpretation der Musik unserer Zeit nicht möglich. Für diesen<br />
Ausbildungsbereich ist die <strong>HfMDK</strong> verantwortlich, die durch eigene<br />
und Gastdozenten der Komplexität des Sujets Rechnung trägt.<br />
Demokratie und Kunst<br />
Wenn etwas grundsätzlich nicht zusammengeht, dann diese zwei<br />
Begriffe Demokratie und Kunst. Dennoch bezeichnet sich das<br />
Ensemble Modern als e<strong>in</strong> demokratisches. Der Weg zu geme<strong>in</strong>sam<br />
Verantwortetem ist e<strong>in</strong> mühsamer: Nur durch e<strong>in</strong>e ständige Suche<br />
nach der geeigneten Verb<strong>in</strong>dung von künstlerischer Mitbestimmung<br />
und künstlerischem Ausdruck ist gewährleistet, dass das Podium<br />
während des Konzertes „brennt“ und sich jeder Musiker zu e<strong>in</strong>-<br />
hundert Prozent mit dem Konzertereignis identifiziert. Das Ensemb-<br />
le Modern arbeitet seit 30 Jahren daran. Die Mitbestimmung der<br />
Stipendiaten an ihrem eigenen Studienprogramm gibt Platz für<br />
diese Erfahrung.<br />
Für Schönbergs Kammers<strong>in</strong>fonie, dem musikalischen Ursprung der<br />
Formation „Solistenensemble“ und übrigens Programmpunkt des<br />
ersten Ensemble Modern-Konzertes, ist e<strong>in</strong> neuer Musikertypus<br />
erforderlich: Er vere<strong>in</strong>t neben solistischem Durchsetzungsvermögen<br />
auch kammermusikalische Sensibilität, gleichermaßen orchestralen<br />
Klangs<strong>in</strong>n und die Fähigkeit zur Unterordnung; außerdem besitzt er<br />
Kenntnis über die jüngsten musikgeschichtlichen und gesellschaft-<br />
lichen Zusammenhänge und ist sich se<strong>in</strong>er <strong>in</strong> die Zukunft wei-<br />
senden künstlerischen und sozialen Verantwortung bewusst.Durch<br />
entsprechende Programmierung, die gelebte Vorbildfunktion<br />
aller Musiker des Ensemble Modern und durch die geme<strong>in</strong>same<br />
Arbeit der Stipendiaten mit dem EM kann dieser neue Musikertyp<br />
entstehen.<br />
Unterstützung und Zusammenarbeit<br />
E<strong>in</strong>e solche Aufgabe ist nicht von e<strong>in</strong>er Institution alle<strong>in</strong> zu lösen.<br />
Die <strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> und das Ensemble Modern sehen<br />
sich geme<strong>in</strong>sam der Idee verpflichtet, sowohl der zeitgenössischen<br />
Musik als auch dem der Interpretation sich stellenden Musiker<br />
e<strong>in</strong>en angemessenen Raum zur Entwicklung zu geben. Die Kultur-<br />
stiftung des Bundes und die Kunststiftung NRW stellen über das<br />
Ensemble Modern die Stipendien zur Verfügung. Die <strong>HfMDK</strong> trägt<br />
ebenfalls e<strong>in</strong>en f<strong>in</strong>anziellen und organisatorischen Anteil, stellt<br />
ihre Räumlichkeiten für Projekte und Konzerte zur Verfügung und<br />
zeichnet für die Theorie verantwortlich. Das Zentrum für Kunst und<br />
Medientechnologie (ZKM) <strong>in</strong> Karlsruhe stellt Konzert- und Theater-<br />
räume sowie elektronische Studios zur Verfügung. E<strong>in</strong>ige größere<br />
Projekte s<strong>in</strong>d bewusst auf die Teilnahme von anderen Studierenden<br />
der <strong>HfMDK</strong> abgestimmt. So kann z. B. Helmut Lachenmanns<br />
2 Gefühle oder Wolfgang Rihms Chiffre-Zyklus nur mit Hilfe von<br />
weiteren Spielern aus den Klassen der <strong>HfMDK</strong> realisiert werden.<br />
Projekte dieser Art verh<strong>in</strong>dern – auch <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eren Besetzungen<br />
– die Ghettobildung e<strong>in</strong>er Elite- oder Exzellenzausbildung (der größ-<br />
te Teil der Probenarbeit während e<strong>in</strong>es Jahres f<strong>in</strong>det im Hause des<br />
Ensemble Modern im <strong>Frankfurt</strong>er Ostend statt).<br />
exzellent?<br />
Elitär und<br />
Wer mag, kann den Studiengang „IEMA“ mit dem Etikett „Exzel-<br />
lenzausbildung“ versehen. Jede Ausbildung, <strong>in</strong> deren Mittelpunkt<br />
der e<strong>in</strong>zelne Musiker im Verhältnis zu se<strong>in</strong>er Geschichte und se<strong>in</strong>em<br />
sozialen Umfeld gestellt wird, ist exzellent. Jede Ausbildung,<br />
die sich h<strong>in</strong>terfragt, sich öffnet und fähig ist zu Veränderungen <strong>in</strong><br />
Form und Inhalt, ist exzellent. Die Elite schließlich ist diejenige, die<br />
ihre spezifischen, hervorgehobenen Fähigkeiten dem gesellschaft-<br />
lichen Kontext zur Verfügung stellt – alles andere ist Dünkel.<br />
Der IEMA-Studiengang arbeitet mit se<strong>in</strong>en Partnern an der Aufgabe,<br />
den Anforderungen e<strong>in</strong>es solchen Ausbildungsganges gerecht zu<br />
werden.<br />
Michael M. Kasper ist Cellist des Ensemble Modern und Mitbegründer<br />
sowie Leiter des <strong>HfMDK</strong>-Masterstudiengangs Internationale<br />
Ensemble Modern Akademie (IEMA). Bis 1997 war er Cellist im<br />
Kölner Rundfunk-S<strong>in</strong>fonieorchester, außerdem zehn Jahre lang an<br />
der Aachener Musikhochschule Dozent für Violoncello und Zeitgenös-<br />
sische Kammer- und Ensemblemusik.<br />
1<br />
Vom schmalen Grat zwischen<br />
Anspruch und Ausgrenzung<br />
Susanne Blumenthal ist Dirigent<strong>in</strong> bei der Internationale<br />
Ensemble Modern Akademie (IEMA) und Stipendiat<strong>in</strong> der<br />
Kunststiftung NRW: „Von dem Moment an, <strong>in</strong> dem ich mich<br />
selbst zur Elite zähle und me<strong>in</strong> künstlerisches Schaffen mit dem<br />
Begriff der Exzellenz assoziiere, laufe ich Gefahr, mich auf dem<br />
Status quo auszuruhen und me<strong>in</strong> Streben nach ständiger<br />
Weiterentwicklung preiszugeben. Der Begriff der Elite hat <strong>in</strong><br />
me<strong>in</strong>em R<strong>in</strong>gen um künstlerische Qualität und <strong>in</strong>dividuellen<br />
Ausdruck tatsächlich nie e<strong>in</strong>e Rolle gespielt und wird es auch <strong>in</strong><br />
Zukunft nicht – andernfalls g<strong>in</strong>ge es nicht länger um Musik,<br />
sondern um eitle Selbst<strong>in</strong>szenierung. Exzellenz h<strong>in</strong>gegen könnte<br />
zum<strong>in</strong>dest als Leitmotiv funktionieren, ist für mich aber<br />
dennoch mit der Gefahr des schieren Selbstzwecks behaftet.“
1 Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
„Elite auf den F<strong>in</strong>gersatz zu begrenzen, ist zu wenig“<br />
Lothar Zagrosek begeisterte Spieler und Publikum bei se<strong>in</strong>em ersten Gastdirigat vor dem <strong>Frankfurt</strong>er Hochschulorchester<br />
– e<strong>in</strong> Interview mit dem Mitglied des <strong>HfMDK</strong>-Hochschulrates<br />
E<strong>in</strong>e Woche lang erarbeitete Lothar Zagrosek mit dem <strong>HfMDK</strong>-Hochschulorchester e<strong>in</strong> s<strong>in</strong>fonisches Programm mit e<strong>in</strong>em abschließenden<br />
Konzert im Großen Saal der Hochschule. Zwischendurch schilderte der derzeitige Chefdirigent des Konzerthausorchesters Berl<strong>in</strong> se<strong>in</strong>e<br />
E<strong>in</strong>drücke von der Zusammenarbeit mit den <strong>Frankfurt</strong>er Studierenden und erläuterte se<strong>in</strong>e Überzeugungen über e<strong>in</strong>e exzellente Orches-<br />
terausbildung. Außerdem hat Lothar Zagrosek e<strong>in</strong>e ganz persönliche Sicht auf die Entwicklung der <strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong>: Er ist<br />
nämlich zugleich Mitglied des <strong>HfMDK</strong>-Hochschulrates.
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Herr Zagrosek, als erster Gastdirigent der Jungen<br />
Deutschen Philharmonie pflegen Sie regelmäßige Begegnungen mit<br />
jungen Musikern. Wie haben Sie nun die Zusammenarbeit mit dem<br />
<strong>HfMDK</strong>-Hochschulorchester erlebt?<br />
Lothar Zagrosek Ich war sehr positiv überrascht über die Ernsthaftig-<br />
keit und die konzentrierte Zusammenarbeit <strong>in</strong> den Proben. Angetan<br />
war ich von der guten organisatorischen Vorarbeit, und Prof. Rajski<br />
hat das Orchester <strong>in</strong> den Proben vorab glänzend vorbereitet. Vom Geist<br />
der Arbeit mit der Jungen Deutschen Philharmonie, die ich immer<br />
wieder dirigieren darf, ist <strong>in</strong> der Arbeitsphase mit dem Hochschulor-<br />
chester viel spürbar gewesen.<br />
FiT Mit ihm haben Sie unter anderem Beethovens 8. S<strong>in</strong>fonie e<strong>in</strong>-<br />
studiert – genau jene, die das Konzerthausorchester Berl<strong>in</strong> unter Ihrer<br />
Leitung als Live-Mitschnitt im Jahr 2008 als CD herausgebracht hat.<br />
Zufall oder Absicht?<br />
Lothar Zagrosek Beethoven-S<strong>in</strong>fonien s<strong>in</strong>d immer noch e<strong>in</strong>e der<br />
größten Herausforderungen für e<strong>in</strong>en Musiker. Wichtig ist mir, dass<br />
wir Beethoven als Komponist und Künstler der Aufklärung verstehen,<br />
der sich mit wachem Auge dem politischen Geist se<strong>in</strong>er Zeit gestellt<br />
hat. Alle Äußerungen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>fonien s<strong>in</strong>d wahre Reden an die<br />
Menschheit. Um e<strong>in</strong>en entsprechend schnörkellosen und rhetorisch<br />
fe<strong>in</strong> differenzierten Ausdruck habe ich mich <strong>in</strong> der CD-Aufnahme<br />
bemüht und auch dem Hochschulorchester nahe zu br<strong>in</strong>gen versucht.<br />
FiT Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit mit e<strong>in</strong>er durchweg jungen<br />
Orchesterbesetzung von e<strong>in</strong>er solchen mit e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>gespielten<br />
Profiorchester?<br />
Lothar Zagrosek Die jungen Musiker s<strong>in</strong>d noch deutlicher auf dem<br />
Weg, ihre Orientierung nach allen Seiten im Orchester zu f<strong>in</strong>den – zu<br />
lernen, auf welche Stimme sie bei e<strong>in</strong>em Harmoniewechsel besonders<br />
achten müssen, mit wem sie atmen und wie <strong>in</strong> der Partitur gerade<br />
die musikalischen Hierarchien verteilt s<strong>in</strong>d. Diese Parameter haben<br />
Musiker e<strong>in</strong>es Berufsorchesters bereits auf e<strong>in</strong>e andere Weise<br />
erfahren. Wichtig war mir <strong>in</strong> der Arbeitsphase mit dem Hochschulor-<br />
chester, jeweils an dem <strong>in</strong> der vorhergegangenen Probe Erreichten<br />
anknüpfen zu können.<br />
Lothar Zagrosek gelang vor dem Hochschulorchester die<br />
Balance zwischen künstlerischem Ehrgeiz und pädagogischem<br />
F<strong>in</strong>gerspitzengefühl. Die Hochschule <strong>in</strong>itiiert weitere Gastdiri-<br />
gate für die kommenden Semester.<br />
FiT Wie sollte sich die Arbeit e<strong>in</strong>es Hochschulorchesters optimalerweise<br />
gestalten?<br />
Lothar Zagrosek Auf zwei Ebenen: Zum e<strong>in</strong>en sollten Orchesterprojekte<br />
<strong>in</strong> der Ausbildung das notwendige Rüstzeug handwerklicher und<br />
<strong>in</strong>tellektueller Art vermitteln. Darüber h<strong>in</strong>aus geht es um die Musizier-<br />
erfahrung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em großen Orchester mit all ihren sozialen Komponen-<br />
ten. Musiker sollen hier lernen, sich auf das Ensemblespiel wirklich<br />
e<strong>in</strong>zulassen. Professionell ist der Orchestermusiker, der sich – auch<br />
bei Ausgefallenem abseits des „ma<strong>in</strong>stream“ – nicht verweigert,<br />
Ungewöhnliches für sich selbst vielleicht zwar <strong>in</strong>nerlich ablehnt, aber<br />
trotzdem mit professionellem E<strong>in</strong>satz aufführt. Dies gilt vor allem für<br />
Neue Musik und die dort geforderten ästhetischen und spieltechnischen<br />
Voraussetzungen. E<strong>in</strong>e Hochschule sollte diese <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Studium<br />
vermitteln.<br />
exzellent?<br />
Elitär und<br />
Luise Rummel studiert Orchestermusik mit Hauptfach<br />
Oboe. Sie ist Stipendiat<strong>in</strong> der Studienstiftung des<br />
Deutschen Volkes und der Stiftung „Villa Musica“: „Die<br />
Rufe nach „Exzellenz“ oder „Elite“ setzen e<strong>in</strong>en schon e<strong>in</strong><br />
wenig unter Druck, denn wahrsche<strong>in</strong>lich möchte jeder, der hier<br />
studiert, se<strong>in</strong>e Sache gut machen, <strong>in</strong> etwas der Beste se<strong>in</strong>.<br />
Doch die Maßstäbe, an denen man sich misst, sollte man sich<br />
selbst auferlegen. Ob uns dann jemand zur „Elite“ ernennt<br />
oder nicht, das ändert schließlich nichts an unserer künstleri-<br />
schen Persönlichkeit, an e<strong>in</strong>er musikalischen Aussage oder<br />
an e<strong>in</strong>em bewegenden Moment.“<br />
1<br />
Vom schmalen Grat zwischen<br />
Anspruch und Ausgrenzung
1 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
FiT An der <strong>HfMDK</strong> probt und konzertiert das Hochschulorchester<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Saal, der für Orchesterarbeit <strong>in</strong> Ihren Augen sicher nicht<br />
optimal ist.<br />
Lothar Zagrosek Sicher nicht, ich habe es ja nun selbst erlebt. Der<br />
Große Saal der Hochschule hat zwar se<strong>in</strong>en Reiz, ist aber als Konzert-<br />
saal für e<strong>in</strong> großes Orchester völlig ungeeignet. Schon alle<strong>in</strong> er ist<br />
e<strong>in</strong> wichtiger Grund dafür, dass die <strong>HfMDK</strong> e<strong>in</strong> neues Hochschulge-<br />
bäude braucht.<br />
FiT Setzen Sie sich dafür als Mitglied des Hochschulrates e<strong>in</strong>?<br />
Lothar Zagrosek In der Tat: In der jüngsten Sitzung des Hochschul-<br />
rates haben wir sehr <strong>in</strong>tensiv darüber diskutiert und viele gute Gründe<br />
dafür gefunden, warum wir e<strong>in</strong>e neue Hochschule brauchen.<br />
FiT Wie verstehen Sie Ihre Aufgabe als Mitglied des Hochschulrates?<br />
Lothar Zagrosek Als Hochschulrat br<strong>in</strong>ge ich die Lebenswirklichkeit<br />
als Spiegelung aus dem täglichen Betrieb <strong>in</strong> die Überlegungen und<br />
Diskussionen um die Weiterentwicklung der Hochschule e<strong>in</strong>. Ich<br />
verfolge deren Aktivitäten und gebe dazu Anmerkungen als gleichsam<br />
Außenstehender, der aber selbst <strong>in</strong> der musikalischen Welt se<strong>in</strong>e<br />
tägliche Arbeit macht und auch den Mut hat, manchmal Kritisches<br />
anzumerken.<br />
FiT Wie nehmen Sie die <strong>HfMDK</strong> aus dieser Position wahr?<br />
Lothar Zagrosek Ich nehme die <strong>HfMDK</strong> als sehr lebendig und nach-<br />
denklich gegenüber den zukünftigen Prozessen des Musikbetriebes<br />
wahr. Und Hochschulpräsident Thomas Rietschel sieht sehr genau die<br />
lauernden Gefahren, die e<strong>in</strong>e falsche Orientierung zur Folge haben<br />
könnten, und er steuert deutlich dagegen.<br />
FiT Welche Gefahren me<strong>in</strong>en Sie?<br />
Lothar Zagrosek Die, sich fälschlicherweise an e<strong>in</strong>em oberflächlichen<br />
Zeitgeist zu orientieren, also e<strong>in</strong>e Ausbildung zu betreiben, die re<strong>in</strong>e<br />
Eventkultur bedient. Die Hochschule sollte vor allem ihre Studierenden<br />
dafür qualifizieren, was wir Hochkultur nennen. Die <strong>Frankfurt</strong>er Hoch-<br />
schule tut dies bereits, <strong>in</strong>dem sie sich Evaluierungen und der öffent-<br />
lichen Diskussion stellt und Qualifizierungsmaßnahmen vornimmt.<br />
FiT Also sollte e<strong>in</strong>e Hochschule stets e<strong>in</strong>e Eliteausbildung anstre-<br />
ben?<br />
Lothar Zagrosek Elite ist <strong>in</strong> unserer Branche vollkommen unverzicht-<br />
bar. Nehmen wir den Orchesterbereich: Das Niveau der großen<br />
Orchester ist so hoch, dass deren e<strong>in</strong>zelne Spieler absolute Elite<br />
se<strong>in</strong> müssen. Für mich heißt Elite aber auch, dass jemand se<strong>in</strong>e<br />
sozialen Verpflichtungen kennt und danach handelt und kont<strong>in</strong>uier-<br />
lich e<strong>in</strong>e sehr hohe Leistung erbr<strong>in</strong>gt. Die Elite nur auf den F<strong>in</strong>ger-<br />
satz zu begrenzen, ist viel zu wenig. Das sollte e<strong>in</strong>er Hochschule<br />
wichtig se<strong>in</strong>: zu vermitteln, dass es darum geht, mehr zu werden<br />
als e<strong>in</strong> „Fachidiot“.<br />
FiT Kulturelle Bildung und musikalische Nachwuchsförderung ist<br />
Ihnen bekanntermaßen e<strong>in</strong> wichtiges Anliegen. Die <strong>HfMDK</strong> hat<br />
kulturelle Bildung ebenfalls als e<strong>in</strong> wichtiges Ziel ihrer Arbeit<br />
erklärt. Was motiviert Sie persönlich für derartiges Engagement?<br />
Lothar Zagrosek Es ist e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong> bekannte Weisheit, dass das<br />
Musizieren <strong>in</strong> frühen Lebensjahren neurologische Prozesse im Hirn<br />
beschleunigt, die <strong>in</strong>tellektuell und sozial förderlich s<strong>in</strong>d. S<strong>in</strong>gen ist
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
für mich e<strong>in</strong> natürliches und organisches H<strong>in</strong>e<strong>in</strong>wachsen <strong>in</strong> die<br />
Musik – das kann ich als ehemaliger Regensburger Domspatz per-<br />
sönlich bestätigen. Als Teil der Gesellschaft haben Musiker wie auch<br />
Hochschulen e<strong>in</strong>e soziale Verpflichtung, <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne tätig zu<br />
werden. Das von der <strong>HfMDK</strong> <strong>in</strong>itiierte Projekt „Primacanta – Jedem<br />
K<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e Stimme“ ist e<strong>in</strong> hervorragendes Beispiel dafür.<br />
FiT Stichwort K<strong>in</strong>dheit: Stimmt es, dass Sie mit <strong>Frankfurt</strong> frühe<br />
musikalische Er<strong>in</strong>nerungen verb<strong>in</strong>den?<br />
Lothar Zagrosek Das ist richtig. Me<strong>in</strong> Vater Hans war <strong>in</strong> den 30er<br />
Jahren erster Geiger im Orchester des damaligen „Reichssender<br />
<strong>Frankfurt</strong>“, das übrigens im heutigen Großen Saal der Hochschule<br />
geprobt und aufgenommen hat. Als kle<strong>in</strong>er Junge habe ich im<br />
Jahr 1954 an der <strong>Frankfurt</strong>er Oper und dann für e<strong>in</strong>e Aufnahme<br />
<strong>in</strong> genau diesem Saal musiziert. Georg Solti war der Dirigent – und<br />
ich der erste Knabe <strong>in</strong> Mozarts Zauberflöte. bjh<br />
Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE<br />
exzellent?<br />
Elitär und<br />
Vladimir Babeshko studiert <strong>in</strong> der Künstlerischen Aus-<br />
bildung Bratsche bei Prof. Jörg Heyer. Als erster Bratscher<br />
überhaupt ist er Stipendiat des Freundeskreises<br />
Anne-Sophie Mutter-Stiftung e. V. Dadurch erhält er neben<br />
f<strong>in</strong>anzieller Unterstützung Unterricht bei der Geiger<strong>in</strong><br />
Anne-Sophie Mutter, Hilfestellung bei der Vermittlung<br />
von Konzerten, Vorspielen und Kontakten zu großen<br />
Solisten und deren Meisterkursen: „Wenn man auf den<br />
Markt kommen will, ist Exzellenz unabd<strong>in</strong>gbar, h<strong>in</strong>zukommt<br />
aber e<strong>in</strong>e ganze Portion Glück. Ob ich als Solist zur Elite<br />
gehöre oder nicht, entscheidet das Publikum, <strong>in</strong>dem es zeigt,<br />
ob es bereit ist, für me<strong>in</strong>e Musik Geld auszugeben. Selbst<br />
große Künstler fragen sich nicht, ob sie zur Elite gehören,<br />
sondern ob sie ihren eigenen Ansprüchen genügen. Wenn<br />
ich auf der Bühne stehe, alles klappt und ich selbst danach<br />
glücklich b<strong>in</strong>, war es für mich e<strong>in</strong>e exzellente Aufführung.<br />
Was ich als Musiker versuche, ist, me<strong>in</strong>e Ideen mit dem<br />
Publikum zu teilen. Wenn die Zuhörer dabei so still s<strong>in</strong>d, dass<br />
sie dir wirklich zuhören, folgen und vertrauen und dabei<br />
ihre Probleme vergessen, war dies für mich e<strong>in</strong> exzellentes<br />
Konzert.“<br />
Jacob Bussmann ist Absolvent des Schulmusikstudiums<br />
für das Künstlerische Lehramt an Gymnasien, studiert<br />
nun Instrumentalpädagogik für Klavier und entwickelt Per-<br />
formances an der Grenze zwischen Konzert und Theater.<br />
Seit 2008 ist er Stipendiat der Stiftung Polytechnische<br />
Gesellschaft: „Exzellenz und Elite spielen für me<strong>in</strong> Selbstver-<br />
ständnis ke<strong>in</strong>e besondere Rolle. Diese Begriffe dienen dazu,<br />
bestimmte Leistungen <strong>in</strong>nerhalb bestimmter Rahmen anzuer-<br />
kennen. Sie s<strong>in</strong>d etwas Vorgeschobenes, nicht die Sache<br />
selbst. Für mich ist Qualität e<strong>in</strong> aussagekräftigeres Prädikat.<br />
Ich versuche, me<strong>in</strong>en eigenen Ansprüchen zu genügen, die<br />
sich zum Beispiel von der Musik selbst oder vom Willen, e<strong>in</strong>e<br />
gute Aufführung zu machen, ableiten.“<br />
1<br />
Vom schmalen Grat zwischen<br />
Anspruch und Ausgrenzung
0 Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
„Mut zum Querdenken<br />
und riskanten Erproben“<br />
Warum Hans-Thies Lehmann, Professor für Theater-<br />
wissenschaft, die Elite-Diskussion für problematisch<br />
hält und wie gut sich die Hessische Theaterakademie<br />
als Kooperationsmodell bewährt hat<br />
Innerhalb der Hessischen Theaterakademie (HTA) ist die Hochschu-<br />
le für Musik und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
gut funktionierendes Netzwerk von Universitäten, Hochschulen,<br />
Theatern und Ensembles der Region e<strong>in</strong>gebunden. Dazu zählt auch<br />
die Professur für Theaterwissenschaft am Institut für Theater-, Film-<br />
und Medienwissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität<br />
<strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong>. Professor Hans-Thies Lehmann ist zugleich<br />
Mitbegründer und Leiter des Aufbaustudiengangs Dramaturgie und<br />
schätzt das <strong>in</strong>stitutionsübergreifende Mite<strong>in</strong>ander unter dem Dach<br />
der HTA. Sie ermöglicht unter anderem geme<strong>in</strong>same Lehrveranstal-<br />
tungen und szenische Projekte, bei denen die angehenden Drama-<br />
turgen der Universität mit Studierenden der Regie, des Schauspiels<br />
und der Bühnengestaltung zusammenwirken. Hans-Thies Lehmann<br />
beantwortet im nachfolgenden Interview Fragen nach Exzellenz und<br />
Elite aus dem Blickw<strong>in</strong>kel e<strong>in</strong>es Theaterwissenschaftlers, der die<br />
HTA als gut funktionierendes Kooperationsmodell erlebt und per se<br />
als kreativer Sucher nach neuen Ausdrucksformen bekannt ist.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Herr Lehmann, was verb<strong>in</strong>det Sie als Professor für<br />
Theaterwissenschaft an der Johann Wolfgang Goethe-Universität<br />
mit der <strong>HfMDK</strong>?<br />
Hans-Thies Lehmann Der Dramaturgiestudiengang an der Goethe-<br />
Universität ist enger Kooperationspartner der Hochschule unter<br />
dem geme<strong>in</strong>samen Dach der HTA, also der Hessischen Theateraka-<br />
demie. Er wäre ohne die HTA vermutlich gar nicht existent. Die<br />
Dramaturgiestudierenden besuchen zum Teil die gleichen Lehrver-<br />
anstaltungen wie die Regiestudierenden der <strong>HfMDK</strong>; sie erarbeiten<br />
geme<strong>in</strong>sam künstlerische Konzepte, können bei Regisseuren lernen,<br />
die geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>geladen werden, und pflegen die Zusammenar-<br />
beit mit den Bühnenbildnern der Hochschule für Gestaltung Offen-<br />
bach am Ma<strong>in</strong>.<br />
FiT Die HTA ist also e<strong>in</strong> Netzwerk, das vieles möglich macht, weil<br />
man vorbehaltlos zusammenarbeitet?<br />
Hans-Thies Lehmann Aus me<strong>in</strong>er sicht ist die HTA e<strong>in</strong>e wirkliche<br />
Erfolgsgeschichte, von der alle Studiengänge profitieren, die an ihr<br />
beteiligt s<strong>in</strong>d. Das, was etwa die Studierenden der Dramaturgie <strong>in</strong><br />
theoretischen Sem<strong>in</strong>aren lernen, bleibt ke<strong>in</strong>e abgehobene Theorie,<br />
sie bilden sich geme<strong>in</strong>sam mit den Studierenden der anderen<br />
Studiengänge. Die Dramaturgiestudierenden haben als wesent-<br />
lichen Teil der Prüfung zum Abschluss ihres Studiums e<strong>in</strong>e eigene,<br />
exzellent?<br />
Elitär und<br />
Vom schmalen Grat zwischen<br />
Anspruch und Ausgrenzung<br />
Laura L<strong>in</strong>nenbaum ist Studierende des Studiengangs<br />
Regie: „Auswahlkriterium: e<strong>in</strong>e ‚dem Studiengang entspre-<br />
chende Begabung‘ – weder heraus- noch hervorragend,<br />
zum<strong>in</strong>dest aber begabt oder dafür befunden. Über die<br />
Messbarkeit solcher Qualitätsbefunde lässt sich vermutlich<br />
streiten. Da helfen auch die, noch immer ideologieverdäch-<br />
tigen, ‚E‘s wenig. Ob nun die anstehende E<strong>in</strong>führung der<br />
Credit-Po<strong>in</strong>ts e<strong>in</strong>e gedachte Antwort auf die Frage se<strong>in</strong> kann,<br />
wer eigentlich def<strong>in</strong>iert, ob man oben, vorne oder an der<br />
Seite mit läuft? Oder führt die Punkte-Sammelleidenschaft<br />
nicht noch weiter weg von dem, worum es eigentlich gehen<br />
sollte, nämlich die Suche nach Eigen-Art? Denn eigentlich<br />
steckt im Titel der Exzellenz doch auch e<strong>in</strong> schöner Gedanke:<br />
sich diplomatisch zu künstlerischen Interessenvertretern<br />
dieses Landes ausbilden zu lassen.“<br />
Prof. Hans-Thies Lehmann:<br />
„Das öffentliche Gerede<br />
von Exzellenz und Elite hat<br />
auch etwas zutiefst<br />
Unfe<strong>in</strong>es.“
<strong>Frankfurt</strong> Performance <strong>in</strong> der<strong>Takt</strong> Abteilung 10/1 1<br />
Zeitgenössischer und<br />
Klassischer Tanz beim<br />
HTA-Präsentationstag <strong>in</strong> der<br />
Hochschule.
wenn auch von erfahrenen Dramaturgen an den Theatern ange-<br />
leitete, praktische Dramaturgiearbeit an e<strong>in</strong>em der professionellen<br />
Theater zu machen.<br />
FiT Die HTA ist also als e<strong>in</strong>e rundum exzellente E<strong>in</strong>richtung zu<br />
bezeichnen?<br />
Hans-Thies Lehmann Ja. Wobei klar ist: Die Erfolgsgaranten e<strong>in</strong>es<br />
solchen Zusammenschlusses s<strong>in</strong>d nur <strong>in</strong> zweiter L<strong>in</strong>ie die adm<strong>in</strong>is-<br />
trativen und sogar f<strong>in</strong>anziellen Bed<strong>in</strong>gungen, sondern vor allem die<br />
Bereitschaft, der Wille und das Interesse der Beteiligten zur<br />
Zusammenarbeit. Die <strong>in</strong> der HTA zusammengeschlossenen Insti-<br />
tutionen haben mittlerweile e<strong>in</strong> viel größeres geme<strong>in</strong>sames<br />
Verantwortungsgefühl für die Theaterszene der Region, auch für<br />
die Nachwuchsförderung entwickelt und tauschen sich e<strong>in</strong>fach<br />
viel <strong>in</strong>tensiver aus, als dies vor der Gründung der HTA der Fall war.<br />
FiT Die „<strong>in</strong>neren“ Voraussetzungen stimmen offenbar; wie steht es<br />
um die äußeren Rahmenbed<strong>in</strong>gungen?<br />
Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE<br />
Hans-Thies Lehmann Das muss man freilich zu me<strong>in</strong>er Bemerkung<br />
von eben nachtragen: In e<strong>in</strong>igen Studiengängen, die unter dem<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Dach der HTA arbeiten, wird wirklich unter Bed<strong>in</strong>gungen gearbeitet,<br />
die durchaus am unteren Rand dessen, was f<strong>in</strong>anziell noch<br />
vertretbar ist, liegen. Ich denke da zum Beispiel an den eklatanten<br />
Raummangel und die Mittelknappheit <strong>in</strong> der Schauspielabteilung<br />
der <strong>HfMDK</strong>. In Fragen der Ausstattung gibt es sicherlich<br />
e<strong>in</strong>en großen Nachholbedarf, wenn die Studiengänge der HTA im<br />
Vergleich mit anderen Regionen nicht abfallen sollen.<br />
FiT Ist denn mit wenig Geld e<strong>in</strong>e exzellente bzw. elitäre Ausbildung<br />
überhaupt möglich?<br />
Hans-Thies Lehmann Ohne Frage: Geldmangel zeitigt qualitative<br />
E<strong>in</strong>schränkungen des Möglichen. Aber me<strong>in</strong>es Erachtens wird mit<br />
den Begriffen Exzellenz und Elite <strong>in</strong> der gegenwärtigen Diskussion<br />
viel Sch<strong>in</strong>dluder getrieben.<br />
FiT Was me<strong>in</strong>en Sie damit?<br />
Hans-Thies Lehmann Der mit der Exzellenz- und Elitediskussion <strong>in</strong><br />
Verb<strong>in</strong>dung stehende Schub an Wettbewerb und Konkurrenz der<br />
Hochschulen und Universitäten hat etwas Zwanghaftes. Manchmal<br />
sollen, glaube ich, diese Schlagwörter rhetorisch darüber h<strong>in</strong>weg-
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
täuschen, was Öffentlichkeit und Politik nicht wirklich zugeben<br />
wollen: dass nämlich e<strong>in</strong> <strong>in</strong>sgesamt viel größeres gesellschaftliches<br />
Opfer, e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzielles Opfer <strong>in</strong> Form von viel höheren Ansätzen bei<br />
den Steuermitteln für Bildung, also Zukunft, absolut notwendig<br />
ist – dass aber offenbar die Gesellschaft <strong>in</strong>sgesamt gar nicht bereit<br />
ist, dieses Opfer zu br<strong>in</strong>gen: e<strong>in</strong>e notwendige massive Steigerung<br />
der Bildungsausgaben. Billiger s<strong>in</strong>d wohlkl<strong>in</strong>gende Sonntagsreden.<br />
Ich <strong>in</strong>terpretiere darum die gegenwärtige Entwicklung im Grunde<br />
als e<strong>in</strong> mehr oder m<strong>in</strong>der unehrliches, notdürftig getarntes<br />
Sparprogramm und als Versuch, die Studierendenzahlen zu reduzie-<br />
ren, ohne dass jemand dafür die Verantwortung tragen muss.<br />
Übrigens hat, f<strong>in</strong>de ich, das öffentliche Gerede von Exzellenz und<br />
Elite auch etwas zutiefst Unfe<strong>in</strong>es. Tut man das? Den eigenen<br />
Bereich, die eigene Arbeit als „Elite“ zu deklarieren? Das ist doch<br />
schon <strong>in</strong> puncto Benimm und Stil eigentlich ganz unmöglich.<br />
Ich möchte aber auch <strong>in</strong>sistieren, dass man über all den jetzt be-<br />
triebenen Formalisierungen, Bürokratisierungen, „effektiven“<br />
Strukturierungen der Lehre und Ausbildung nicht vergessen sollte,<br />
dass sich Exzellenz wesentlich <strong>in</strong> der Begabung, im Engagement,<br />
<strong>in</strong> der geistigen Anspannung sowohl der Lehrenden als auch<br />
der Lernenden manifestiert. Die Politik muss gerade Künstlern,<br />
ähnlich aber auch <strong>in</strong> den sogenannten Geisteswissenschaften, viel<br />
mehr Spiel- und Zeiträume lassen.<br />
FiT Das kl<strong>in</strong>gt nach manifester Opposition gegen die E<strong>in</strong>führung<br />
von Bachelor- und Masterstudiengängen im künstlerischen Bereich.<br />
Hans-Thies Lehmann Es tut mir leid, aber Ausbildung zu künstleri-<br />
schen Berufen <strong>in</strong> die Form e<strong>in</strong>es Bachelor und Master zu zwängen,<br />
f<strong>in</strong>de ich irgendwie lächerlich – Bachelor-Regisseur?<br />
FiT Empf<strong>in</strong>den Sie denn Exzellenz und Elite als Leitbilder des<br />
künstlerischen Handelns?<br />
Hans-Thies Lehmann Ne<strong>in</strong>, jedenfalls nicht vordergründig, denn oft<br />
wird ja die Exzellenz e<strong>in</strong>fach am sogenannten „Erfolg“ gemessen.<br />
E<strong>in</strong> wirklich exzellenter Regisseur mag aber heute als Versager oder<br />
als „unverdaulicher“ Künstler gelten und wird vielleicht erst morgen<br />
angemessen erkannt und gewürdigt. Umgekehrt kann es se<strong>in</strong>, dass<br />
der als exzellent geltende Künstler heute se<strong>in</strong>e Reputation e<strong>in</strong>em<br />
eigentlich recht oberflächlichen Erfolg verdankt. Es gibt e<strong>in</strong>en<br />
Unterschied zwischen Erfolg und Wirkung, pflegte He<strong>in</strong>er Müller zu<br />
Seite 22: Szene aus „Der<br />
kle<strong>in</strong>e Lord“ beim HTA-Tag<br />
<strong>in</strong> der Hochschule.<br />
L<strong>in</strong>ks: Ani Sargysan und<br />
Björn Bürger <strong>in</strong> „Madame<br />
Butterfly“.<br />
Rechts: Begabungsbündel<br />
Operngesang: Gesangs-<br />
studierende Sören Richter<br />
und Mar<strong>in</strong>a Unruh mit<br />
e<strong>in</strong>em tänzerischen<br />
Szenenschluss bei e<strong>in</strong>em<br />
szenischen Abend im<br />
Gallus Theater.<br />
exzellent?<br />
Elitär und<br />
Krist<strong>in</strong> Wömmel, Absolvent<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es Schulmusik-Studiums<br />
mit Hauptfach Gesang, studiert nun Theater- und Orches-<br />
termanagement und beg<strong>in</strong>nt ihre Promotion im Fach<br />
Musikpädagogik. Sie ist Ma<strong>in</strong>Campus doctus-Stipendiat<strong>in</strong><br />
des Ma<strong>in</strong>Campus-Stipendiatenwerks der Stiftung Polytech-<br />
nische Gesellschaft <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong>: „Was bedeutet<br />
schon Elite? Ich lehne es total ab, den Begriff so zu benutzen,<br />
wie er (besonders von den Medien <strong>in</strong> Diskussionen um<br />
die Eliteuniversitäten <strong>in</strong> Deutschland) e<strong>in</strong>gesetzt wird. Bei der<br />
Förderung von Exzellenz und Elite handelt sich um e<strong>in</strong>e<br />
spezielle Art der Förderung, derer es genauso wie anderer<br />
Förderungsarten bedarf, da alle Menschen laut Gesetz der<br />
Natur unterschiedlich begabt s<strong>in</strong>d. Besonders schlimm f<strong>in</strong>de<br />
ich es, wenn aus dem Ganzen auch noch als Produkt e<strong>in</strong><br />
Menschentyp entsteht, der sich ‚elitär‘ fühlt. Jeder Studierende<br />
ist froh, wenn er se<strong>in</strong> passendes Puzzleteil <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er För-<br />
derung f<strong>in</strong>det, die se<strong>in</strong>en Fähigkeiten sowie se<strong>in</strong>em persön-<br />
lichen Verständnis von Kunst entspricht, das ihn zu e<strong>in</strong>em<br />
Ganzen entstehen lässt. So, wie es bei mir <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Schul-<br />
musikstudium der Fall war und mich sehr glücklich machte.<br />
Im jetzigen Masterstudiengang zählen noch viel mehr<br />
die Arbeit <strong>in</strong> der Gruppe und die exzellente Unterstützung der<br />
Künstler auf der Bühne. In der späteren Arbeit gilt für mich<br />
ausnahmslos: E<strong>in</strong>e für alle, alle für die Kunst! Was bedeutet<br />
da schon Elite?!“<br />
3<br />
Vom schmalen Grat zwischen<br />
Anspruch und Ausgrenzung
Schwerpunktthema Berufswege<br />
sagen. Exzellenz ist, adm<strong>in</strong>istrativ verwaltet, jedenfalls im Bereich<br />
des Geistigen und Künstlerischen – und vielleicht überall – e<strong>in</strong><br />
hochproblematisches Kriterium. Ähnliches gilt für den Begriff der<br />
Elite. Es mag schon möglich se<strong>in</strong>, im nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> festzustellen, dass<br />
dieser oder jener zur Elite gehört hat. Aber wer <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Zeit<br />
wahrhaft zur Elite gehört, wird es, wie gesagt, tunlichst vermeiden,<br />
sich selbst als Elite zu bezeichnen. Heutzutage ist es besonders<br />
schwer, <strong>in</strong> der Gesellschaft wirkliche Elite von denen zu unterschei-<br />
den, die nur mit Geld und Macht E<strong>in</strong>fluss nehmen. Bei Künstlern<br />
verb<strong>in</strong>de ich mit Begriffen wie Exzellenz und Elite vor allem den Mut<br />
zum Querdenken, das riskante Erproben. Für e<strong>in</strong>en exzellenten<br />
Künstler sollte das Credo gelten, sich couragiert querzustellen – mit<br />
größtmöglichem Engagement und Ehrlichkeit gegenüber sich selbst<br />
<strong>in</strong> dem Bestreben, die Welt künstlerisch zu formulieren. Das sollten<br />
wir den jungen Leuten zu vermitteln versuchen. Im Falle des<br />
Theaters bedeutet es, an viele Menschen die E<strong>in</strong>ladung auszuspre-<br />
chen, e<strong>in</strong>e Weltformulierung im Theater mit ihm zu teilen. He<strong>in</strong>er<br />
Müller hat e<strong>in</strong>mal formuliert: „Es ist die Aufgabe der Kunst, die<br />
Wirklichkeit unmöglich zu machen.“ Kunst soll auch Widerstand<br />
gegen die Wirklichkeit se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e kritische Distanz zu unserer Art zu<br />
leben herstellen. Das bedeutet eben, dass man gerade nicht Elite im<br />
S<strong>in</strong>ne rascher gesellschaftlicher Anerkennung anstreben soll. Von<br />
Richard Schechner kommt mir se<strong>in</strong> Wahlspruch für Studierende <strong>in</strong><br />
den S<strong>in</strong>n: „If you want to be famous, don`t try.“ Jeder Versuch,<br />
Erfolg und Ruhm vordergründig nachzujagen, im Exzellent-Werden<br />
und Elite-Werden, schmälert die eigene Arbeit und Entwicklung.<br />
FiT Was bedeutet diese E<strong>in</strong>schätzung für die künstlerische Ausbil-<br />
dung?<br />
Hans-Thies Lehmann In der Ausbildung müssen die Ermutigung und<br />
der Impuls Vorrang haben, <strong>in</strong> sich selbst nachsuchen zu lernen, was<br />
dort vorgeht und was man als künstlerische Individualität allenfalls<br />
auszudrücken und zu sagen hat. Dies wird nicht durch schema-<br />
tische Ausbildungsraster begünstigt, sondern durch Raum, Zeit-<br />
raum für Prozesse der Selbstf<strong>in</strong>dung –, und die ist e<strong>in</strong> Prozess, der<br />
nicht auf Vollkommenheit und Perfektion zielt.<br />
FiT Wie können diese Anforderungen praktisch aussehen?<br />
exzellent?<br />
Elitär und<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Annika Gerhards studiert an der <strong>HfMDK</strong> Operngesang<br />
und ist Stipendiat<strong>in</strong> der Freunde und Förderer der<br />
<strong>HfMDK</strong>: „Exzellenz und Elite – Schlagworte, die e<strong>in</strong>em auf<br />
dem nicht gerade unterbesetzten Musikmarkt ziemlich<br />
häufig begegnen. Vermutlich gibt es kaum andere Studien-<br />
gänge, <strong>in</strong> denen diese zwei Leitbegriffe so viel über den<br />
späteren beruflichen Werdegang und Erfolg e<strong>in</strong>es Men-<br />
schen aussagen können, wie <strong>in</strong> der Musik. Komischerweise<br />
hat das Wort Elite für mich häufig e<strong>in</strong>en negativen Beige-<br />
schmack: Ich denke dabei eher an Ellenbogengesellschaft<br />
und skrupelloses Erfolgsdenken, vielleicht gerade deswe-<br />
gen, weil Eliten sich gerne von oftmals nur verme<strong>in</strong>tlich<br />
weniger Privilegierten absetzen wollen. Exzellenz und das<br />
Streben danach ist für mich nicht nur im musikalischen<br />
Umfeld tendenziell positiv besetzt, eben weniger verknüpft<br />
mit e<strong>in</strong>em krankhaften Drang zur Selbstverwirklichung<br />
als mit ehrlichem und hartem Arbeiten an sich selbst, das<br />
nicht auf Kosten anderer geschieht.“<br />
L<strong>in</strong>ks: Opernszene aus „Der kle<strong>in</strong>e<br />
Lord“ zwischen Publikum und<br />
Kuchentheke bei e<strong>in</strong>em Präsentati-<br />
onstag der Hessischen Theateraka-<br />
demie <strong>in</strong> der <strong>HfMDK</strong>.<br />
Rechts: Die szenische Arbeit der<br />
Opernabteilung – im Bild e<strong>in</strong>e<br />
Szene mit Anne-Kathr<strong>in</strong> Frank und<br />
Annika Gerhards – erfährt durch die<br />
Kooperation <strong>in</strong> der Hessischen<br />
Theaterakademie immer wieder<br />
wichtige Impulse.<br />
Vom schmalen Grat zwischen<br />
Anspruch und Ausgrenzung
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Hans-Thies Lehmann Es kennen alle Institutionen diesen Kampf um<br />
Zeit. Der Fetisch der Effizienz bedarf der Kritik. Systematik der<br />
künstlerischen Ausbildung darf nicht deren oberstes Kriterium se<strong>in</strong>.<br />
Dagegen erachte ich die persönliche Beziehung zwischen Leh-<br />
renden und Studierenden als wesentlich. Es müssen im Studium<br />
Freiräume des sche<strong>in</strong>baren Abirrens erhalten bleiben, Gelegen-<br />
heiten zum Scheitern.<br />
FiT Was raten Sie also Studierenden?<br />
Hans-Thies Lehmann Ich rate ihnen vor allem, nicht auf die Ratschlä-<br />
ge von uns Älteren zu warten. Vielmehr müssen sie unter den<br />
Bed<strong>in</strong>gungen von heute versuchen, sich als künstlerische Persön-<br />
lichkeit zu entwickeln und zu behaupten. Wie das geschieht,<br />
ist hochgradig persönlichkeitsabhängig. Das beste System der<br />
Ausbildung ist dasjenige, welches am wenigsten vorschreibt,<br />
festlegt und stattdessen die größten Spielräume für Abweichung<br />
und Variation lässt. Ich glaube auch an die Möglichkeit. Zugestan-<br />
den, das Künstlerse<strong>in</strong> war schon immer schwer und wird es weiter<br />
bleiben. Aber ich möchte daran er<strong>in</strong>nern, dass trotz aller Schwierig-<br />
keiten das deutsche Theatersystem e<strong>in</strong> reiches und reichhaltiges das Kriterium der Exzellenz selbst zu überprüfen. bjh<br />
RZ_100121_Anz ist. Deutschland Ffm <strong>in</strong> gibt <strong>Takt</strong>&VK_210x142 im Vergleich zu anderen 25.01.2010 Ländern e<strong>in</strong> 11:50 Viel- Uhr Seite 1<br />
BEWERBUNG<br />
BIS<br />
31. MAI 2010<br />
für junge Bühnenbildner,<br />
Dirigenten, Dramaturgen,<br />
Komponisten, Kulturmanager<br />
und Regisseure<br />
www.musiktheater-heute.org<br />
Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE<br />
faches an Subventionen für se<strong>in</strong>e Theater aus. Diesem könnte man<br />
bedeutend mehr an Risiko zumuten, als man ihm abverlangt.<br />
FiT Sie s<strong>in</strong>d bekannt dafür, stets auf der kreativen Suche nach<br />
neuen Formen des Theaters zu se<strong>in</strong>. Wer exzellent ist, bleibt auf der<br />
Suche?<br />
Hans-Thies Lehmann Kunst ist sicherlich nicht dadurch def<strong>in</strong>iert,<br />
dass sie um jeden Preis das Neue will. Aber es gehört zur künstleri-<br />
schen Grunderfahrung, dass Formeln, Modelle und Darstellungs-<br />
weisen, die gestern noch richtig waren, heute schon nicht mehr<br />
adäquat ersche<strong>in</strong>en können, weil sie abgenutzt s<strong>in</strong>d und nur noch<br />
wie Zitate wirken. Suche nach Neuem ist <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne nicht<br />
Innovationssucht. Die ganze Gesellschaft bef<strong>in</strong>det sich gegenwärtig<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Phase, <strong>in</strong> der alles auf dem Prüfstand steht und <strong>in</strong> der auch<br />
der Kunstbegriff nicht mehr das ist, was er e<strong>in</strong>mal war. Die gesell-<br />
schaftliche Vielschichtigkeit fordert sogar, die Suche nach neuen<br />
Formen mutig fortzusetzen und den Bereich dessen, was als<br />
Gegenstand von „Ästhetik“ galt, immer wieder neu zu vermessen,<br />
ihn anders und weiter zu verstehen. Und das bedeutet eben auch,<br />
Akademie Musiktheater<br />
heute<br />
Stipendium 2010 – 2012
Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> <strong>Takt</strong>10/1 10/1<br />
„Die geistige Reife muss mitwachsen“<br />
E<strong>in</strong> Interview mit Hochschulratsmitglied Karl Rarichs über wachsende Anforderungen an Musiker, die hohe<br />
Verantwortung der Pädagogen und die erfreuliche Öffnung der Hochschule <strong>in</strong> die Gesellschaft<br />
Foto: Fotostudio Aml<strong>in</strong>g<br />
Der Dirigent, Pianist, Musikmanager und Verleger Karl Rarichs ist<br />
unter anderem Künstlerischer Leiter der Weilburger Schlosskon-<br />
zerte, stellvertretender Vorsitzender der <strong>Frankfurt</strong>er Museums-<br />
Gesellschaft, Gründer und Leiter des Internationalen Dirigenten-<br />
wettbewerbs Sir Georg Solti, war Leiter der <strong>Frankfurt</strong>er S<strong>in</strong>gakade-<br />
mie und viele Jahre Geschäftsführer des Musikverlages C. F. Peters.<br />
Als Mitglied des Hochschulrates der <strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />
fördert er Kontakte und Kooperationen der <strong>HfMDK</strong> mit anderen<br />
Kultur<strong>in</strong>stitutionen und br<strong>in</strong>gt se<strong>in</strong>e jahrzehntelange Erfahrung auf<br />
dem Musikmarkt beratend <strong>in</strong> die hochschulpolitische Arbeit e<strong>in</strong>.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Herr Rarichs, die Begriffe Exzellenz und Elite s<strong>in</strong>d<br />
Ihnen aus ihrem täglichen Engagement auf kultureller Ebene sehr<br />
vertraut. Haben sich die Maßstäbe für diese Begriffe im Laufe von<br />
Jahrzehnten verändert?<br />
Karl Rarichs In jedem Fall. Vieles läuft <strong>in</strong> der Musikbranche – und<br />
nicht nur da – heute komplett anders als noch zwei Generationen<br />
zuvor. Die Anforderungen an die heutigen Künstler s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> jeder<br />
H<strong>in</strong>sicht immens, und das umfassend – nicht zuletzt auch durch die<br />
globale Vernetzung bed<strong>in</strong>gt.<br />
FiT Wor<strong>in</strong> drückt sich dies aus?<br />
Karl Rarichs Vergleichen Sie e<strong>in</strong>mal die Solisten der 30er Jahre des<br />
vergangenen Jahrhunderts mit den heutigen Künstlern – was ja<br />
dank vorhandener Tonaufzeichnungen möglich ist –, so wird Ihnen<br />
sofort der Unterschied auffallen: Die technische Perfektion von<br />
Pianisten wie beispielsweise Lang Lang, Jean-Yves Thibaudet oder<br />
Bernd Glemser hat es <strong>in</strong> dieser Form zur damaligen Zeit noch nicht<br />
gegeben. Das hat sicher auch mit der technischen Entwicklung auf<br />
allen Ebenen zu tun und nicht damit, dass die Musiker von damals<br />
schlechtere Künstler gewesen wären.<br />
FiT Hier kl<strong>in</strong>gt der sportliche Ehrgeiz „höher, schneller, weiter“<br />
durch.
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Karl Rarichs Sie haben Recht. Hier ist durchaus e<strong>in</strong> Vergleich mit<br />
Höchstleistungen im Sport gegeben, wobei wir wissen müssen,<br />
dass sowohl im künstlerischen als auch im sportlichen Bereich die<br />
technische Entwicklung im S<strong>in</strong>ne noch höherer Virtuosität irgendwo<br />
e<strong>in</strong>mal ausgereizt ist und leicht zu Überforderung führt. Schon<br />
heute gibt es viele Sportler, die deshalb <strong>in</strong> späteren Jahren mit<br />
großen gesundheitlichen Schäden zu kämpfen haben. Im künstleri-<br />
schen Bereich zeigt sich die Überforderung durch den heutigen<br />
Stress und die oft gewaltige nervliche Belastung. E<strong>in</strong>e weitere<br />
Gefahr besteht dar<strong>in</strong>, dass die Technik zum Schwerpunkt der<br />
künstlerischen Arbeit wird und die geistige Entwicklung dem nicht<br />
folgen kann. Von den heutigen Künstlern verlangt man aber, dass<br />
sie neben der technischen Weiterentwicklung auch über e<strong>in</strong>e<br />
umfassende Allgeme<strong>in</strong>bildung verfügen.<br />
FiT Ist Reife nicht vor allem e<strong>in</strong>e Frage des Alters?<br />
Karl Rarichs Nicht nur. Zwar hat beispielsweise Verdi e<strong>in</strong>e se<strong>in</strong>er<br />
hervorragendsten Opern, den Falstaff, erst mit 79 Jahren geschrie-<br />
ben; gleichwohl gibt es aber heute <strong>in</strong> allen – so auch <strong>in</strong> den<br />
künstlerischen Bereichen – Beispiele von Frühreife, die oft erstaun-<br />
lich s<strong>in</strong>d. Denken sie nur an unsere junge <strong>HfMDK</strong>-Professor<strong>in</strong> Julia<br />
Fischer, die trotz ihrer Jugend nicht nur e<strong>in</strong>e außergewöhnliche<br />
Pädagog<strong>in</strong> ist, sondern bereits im Alter von 16 Jahren bei den<br />
Weilburger Schlosskonzerten das Viol<strong>in</strong>konzert von Beethoven<br />
Ganz L<strong>in</strong>ks: Karl Rarichs steht der Hochschulleitung als Mitglied des Hochschul-<br />
rates mit jahrzehntelanger Erfahrung im Musikgeschäft beratend zur Seite.<br />
Drittes Bild von L<strong>in</strong>ks: Probespieltra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs, hier mit Trompetern im Großen Saal<br />
der Hochschule, helfen den Studierenden, sich auf den „Ernstfall“ vorzubereiten.<br />
Das Feedback der kompetenten Jury ist allerd<strong>in</strong>gs jetzt schon „echt“.<br />
exzellent?<br />
Elitär und<br />
Elena Graf studiert Viol<strong>in</strong>e bei Prof. Julia Fischer, ist be-<br />
reits mit mehreren Orchestern als Solist<strong>in</strong> aufgetreten und<br />
betreibt <strong>in</strong>tensiv Kammermusik. Derzeit fungiert sie als<br />
Konzertmeister<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Jungen Deutschen Philharmonie<br />
und ist Aushilfe bei den Berl<strong>in</strong>er Philharmonikern: „Für<br />
mich ist der Begriff Elite negativ geprägt. Zur Elite gehört nur<br />
e<strong>in</strong> sehr kle<strong>in</strong>er Teil der Menschheit und ist meist durch Hilfe<br />
anderer dazu gekommen. Meistens haben nur die Besten<br />
und Jüngsten etc. die Möglichkeiten, gut gefördert zu werden.<br />
Aber man sollte vielmehr die Allgeme<strong>in</strong>heit fördern als ledig-<br />
lich die Elite... Das sollte sich ändern!“<br />
Vom schmalen Grat zwischen<br />
Anspruch und Ausgrenzung
neben aller technischen Perfektion mit e<strong>in</strong>er enormen Vollendung<br />
und Reife gespielt hat. Für alle, die das miterlebt haben, wird dies<br />
e<strong>in</strong> unvergessliches Erlebnis bleiben.<br />
FiT Welchen Anspruch leiten Sie daraus für e<strong>in</strong>e Hochschule ab, die<br />
ihre Absolventen auf ihren Beruf vorzubereiten hat?<br />
Karl Rarichs Dies ist nicht mit e<strong>in</strong>em Satz zu beantworten. Me<strong>in</strong>es<br />
Erachtens ist die Zeit des Studiums die wichtigste und prägendste<br />
Phase im Leben e<strong>in</strong>es jungen Künstlers auf dem Weg <strong>in</strong> se<strong>in</strong><br />
Berufsleben. Daraus ergibt sich, dass unseren Pädagogen an der<br />
Hochschule e<strong>in</strong>e große Verantwortung auferlegt ist. Nicht zuletzt<br />
durch ihre Arbeit, ihr pädagogisches Geschick, ihr E<strong>in</strong>fühlungsver-<br />
mögen und ihre Menschenführung entscheidet sich, wie der<br />
jeweilige Künstler sich entwickelt und ob er die zukünftigen Be-<br />
lastungen künstlerisch, aber auch menschlich bewältigt. Dazu<br />
gehört eben auch, dass die Hochschule e<strong>in</strong> Klima schafft, das den<br />
Studierenden e<strong>in</strong>e Ausbildung auf breiter Basis ermöglicht.<br />
Die vielen <strong>in</strong>ternationalen großen Künstler, die ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Leben<br />
kennenlernen durfte – mit vielen hat sich e<strong>in</strong>e enge Freundschaft<br />
entwickelt –, haben mir immer wieder bestätigt, dass auch e<strong>in</strong>e<br />
umfassende Bildung und Ausbildung unverzichtbare Vorausset-<br />
zungen für e<strong>in</strong>e große Karriere s<strong>in</strong>d. Ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger unter ihnen war<br />
und ist – salopp gesagt – e<strong>in</strong> „Fachidiot“.<br />
Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE<br />
E<strong>in</strong> weiterer Punkt ist, und da stehe ich mit me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nicht<br />
alle<strong>in</strong>, dass an jeder Musikhochschule – vor allem, wenn es sich um<br />
Auszubildende <strong>in</strong> Orchesterdirigieren, Chorleitung und Schulmusik<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
handelt – zur Vorbereitung auf ihren zukünftigen Beruf – zum<strong>in</strong>dest<br />
als Nebenfach – auch e<strong>in</strong>e psychologische Unterweisung gehört.<br />
Hier tut sich für me<strong>in</strong>e Begriffe e<strong>in</strong>e Lücke auf, die unbed<strong>in</strong>gt<br />
geschlossen werden muss. Ich habe oft erlebt, dass durchaus hoch-<br />
begabte, junge Dirigenten durch falsche Behandlung der ihnen<br />
anvertrauten Musiker deren Karriere frühzeitig zerstört haben. In<br />
jedem Orchester sitzen vielfach hochsensible und hervorragende<br />
Musiker mit e<strong>in</strong>er umfassenden Allgeme<strong>in</strong>bildung. Vor allem der<br />
junge Dirigent sollte se<strong>in</strong>e eigene Funktion als „Primus <strong>in</strong>ter pares“<br />
verstehen und nicht als Diktator, dem sich das ganze Orchester<br />
unterzuordnen hat. Das künstlerische Ergebnis bei solcher Arbeits-<br />
e<strong>in</strong>stellung wird niemals optimal se<strong>in</strong>. Hier im Studium frühzeitig<br />
psychologische Hilfe zu geben, ist me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach dr<strong>in</strong>gend<br />
geboten. Sicher gäbe es noch, um Ihre Frage erschöpfend zu<br />
beantworten, viele weitere Punkte; die würden aber den Rahmen<br />
dieses Interviews sprengen.<br />
FiT Wie sollen Orchestermusiker auf ihren Beruf vorbereitet<br />
werden?<br />
Karl Rarichs Hier kommt e<strong>in</strong>e große Verantwortung auf die jewei-<br />
ligen Pädagogen zu. Es beg<strong>in</strong>nt schon damit, dass Instrumentalis-<br />
ten, die nicht die Voraussetzung erfüllen, um <strong>in</strong>ternational große<br />
Solisten zu werden, von Anfang an darauf e<strong>in</strong>gestellt werden<br />
müssen, dass ihre Zukunft höchstwahrsche<strong>in</strong>lich im Orchesterbe-<br />
reich liegt, obwohl auch da der Schüler wissen muss – bed<strong>in</strong>gt<br />
durch das hohe Niveau unserer heutigen Orchester –, dass nur die<br />
allerbesten Studierenden die Voraussetzung erfüllen, um <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
guten Orchester unterzukommen.<br />
FiT Dementsprechend wichtig sollte aus Ihrer Überzeugung wohl<br />
auch die Arbeit des Hochschulorchesters se<strong>in</strong>?<br />
exzellent?<br />
Elitär und<br />
Hanna Eimermacher hat an der <strong>HfMDK</strong> Komposition<br />
studiert und ist Stipendiat<strong>in</strong> der Sommerakademie<br />
Schloss Solitude: „Der Begriff Elite hat den Beigeschmack<br />
e<strong>in</strong>es geschlossenen Zirkels, bei dem schnell die Qualität<br />
oder Besonderheit übersehen wird, die sich außerhalb<br />
dieses Radius` abspielt. Alles, was fixiert und abgegrenzt<br />
ist, wird schnell unflexibel und steht somit dem Beweg-<br />
lichen der Kunst diametral gegenüber.“<br />
Vom schmalen Grat zwischen<br />
Anspruch und Ausgrenzung
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Karl Rarichs Hier stimme ich Ihnen zu. In der Praxis heißt das, dass<br />
auch das Viol<strong>in</strong>konzert und die Viol<strong>in</strong>sonate zwar ihre Berechtigung<br />
im Studium haben, gleichzeitig aber auch die Voraussetzungen für<br />
die künstlerische Arbeit als Orchestermusiker durch möglichst<br />
<strong>in</strong>tensive Mitarbeit im Hochschulorchester geschaffen werden. Hier<br />
kann man immer wieder erleben, dass das Spiel im Hochschulor-<br />
chester von e<strong>in</strong>zelnen Studierenden als lästige Pflicht betrachtet<br />
wird, was dann meist zu Problemen bei späteren Probespielen führt.<br />
FiT Wie hat sich unsere Hochschule aus Ihrer Sicht <strong>in</strong> den letzten<br />
Jahren ihren pädagogischen, künstlerischen und gesellschaftspoli-<br />
tischen Aufgaben gestellt?<br />
Karl Rarichs Hier kann ich e<strong>in</strong>e erfreuliche Entwicklung feststellen.<br />
Die Hochschule hat früher e<strong>in</strong>e lange Zeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Art Dornröschen-<br />
schlaf gelebt, von dem ke<strong>in</strong>e Impulse nach außen g<strong>in</strong>gen. Die<br />
Hochschule wirkte fast wie e<strong>in</strong>e geschlossene Gesellschaft. Heute<br />
dagegen ist sie <strong>in</strong> allen Bereichen präsent, so beispielsweise bei<br />
den Weilburger Schlosskonzerten, beim Barockfest <strong>in</strong> Weilburg, bei<br />
den Familienkonzerten der Museums-Gesellschaft, beim Rhe<strong>in</strong>gau-<br />
Musikfestival, bei den Bad Hersfelder Festspielen sowie beim<br />
Sir Georg Solti Dirigentenwettbewerb, für den junge Solisten der<br />
Hochschule für Konzertbegleitungen der Dirigierkandidaten zur<br />
Verfügung stehen.<br />
Aber auch <strong>in</strong> vielen anderen Bereichen zeigt die Hochschule e<strong>in</strong>e<br />
Präsenz, die es vorher so nicht gab: nämlich <strong>in</strong> der Zusammen-<br />
arbeit mit unseren allgeme<strong>in</strong>bildenden Schulen bei der Förderung,<br />
K<strong>in</strong>der zum S<strong>in</strong>gen zu animieren, und vielem anderen mehr. Hier<br />
kommt dem Präsidenten der Hochschule, Thomas Rietschel, e<strong>in</strong><br />
besonderes Verdienst zu, denn viele Anregungen für diese und<br />
weitere Gebiete gehen auf se<strong>in</strong>e Initiative zurück. Damit nimmt die<br />
<strong>Frankfurt</strong>er Musikhochschule ihren kulturpolitischen Auftrag sehr<br />
ernst, die Leute zum Musizieren zu br<strong>in</strong>gen und Begeisterung<br />
dafür <strong>in</strong> breiten Kreisen der Bevölkerung zu wecken. Bei diesen<br />
ganzen Projekten kann die Hochschule darauf bauen, dass ihre<br />
jungen Künstler e<strong>in</strong>en Enthusiasmus <strong>in</strong> sich tragen, der Begeiste-<br />
rung weckt, die wie e<strong>in</strong> Funke auf das Publikum überspr<strong>in</strong>gt.<br />
FiT Herr Rarichs, Sie s<strong>in</strong>d am 5. Dezember letzten Jahres 80 Jahre<br />
alt geworden, dazu nachträglich unsere herzliche Gratulation.<br />
Was fällt Ihnen als Erstes e<strong>in</strong>, wenn Sie auf Ihr musikalisches Leben<br />
zurückblicken?<br />
Karl Rarichs Zurückblickend erfüllen mich sehr große Gefühle der<br />
Dankbarkeit und Demut dafür, dass es mir vergönnt war, me<strong>in</strong><br />
ganzes Leben im Dienste der Musik zu verbr<strong>in</strong>gen – und dass mir<br />
Gott die Möglichkeit, Diszipl<strong>in</strong> und Kraft gegeben hat, um me<strong>in</strong>e<br />
vielen Ideen und Pläne zu verwirklichen. bjh<br />
Musikalische<br />
Selbste<strong>in</strong>schätzung<br />
erwünscht<br />
Musikpädagogen suchen Teilnehmer für e<strong>in</strong>e Onl<strong>in</strong>e-Befragung<br />
Die Studie zur Entwicklung e<strong>in</strong>es Mess<strong>in</strong>struments des musi-<br />
kalischen Selbstkonzeptes von Prof. Dr. Maria Spychiger und<br />
ihrem Forschungsteam geht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e neue Runde. In dieser<br />
Studie geht es um die Selbste<strong>in</strong>schätzung im musikalischen<br />
Bereich. Dabei werden Fragen nach den musikalischen<br />
Fähigkeiten, dem emotionalen Erleben von Musik, der sozialen<br />
Bedeutung und den Ausdrucksformen gestellt.<br />
E<strong>in</strong>e erste, bereits stattgefundene Befragung hat das Team<br />
empirisch ausgewertet. Daraus hat es e<strong>in</strong>en neuen Fragebo-<br />
gen ausgearbeitet, der nun onl<strong>in</strong>e <strong>in</strong> 15 M<strong>in</strong>uten beantwortbar<br />
ist. Für e<strong>in</strong>e Teilnahme an dieser Befragung suchen die<br />
Forscher nun Personen ab 30 Jahren und besonders ab<br />
66 Jahren, die e<strong>in</strong>en re<strong>in</strong> hörenden Zugang zur Musik haben,<br />
selbst Musik ausüben oder auch e<strong>in</strong>en Beruf im Bezug<br />
auf Musik ausüb(t)en, wie zum Beispiel Instrumentenbau oder<br />
Tontechnik. Das Forschungsteam freut sich über jede<br />
Meldung. Wenn Sie bereit s<strong>in</strong>d zur Teilnahme, schicken Sie<br />
bitte e<strong>in</strong>e Mail an die wissenschaftliche Mitarbeiter<strong>in</strong> Lucia<br />
Gruber (Lucia.Gruber@hfmdk-frankfurt.de), Sie erhalten<br />
dann e<strong>in</strong>e E-Mail mit den Zugangsadaten zur – anonymen! –<br />
Onl<strong>in</strong>e-Befragung.<br />
Worum es bei dem Forschungsprojekt geht, ist detailliert<br />
zu erfahren unter<br />
http://www.hfmdk-frankfurt.<strong>in</strong>fo/studium/forschung-projekte/<br />
musikal-selbstkonzept.html
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Seit zwei Jahren ist Werner Wölbern <strong>in</strong> der <strong>HfMDK</strong>-Schauspiel-<br />
abteilung Professor für Rollenspiel und szenischen Unterricht.<br />
Im nachfolgenden Interview gibt er se<strong>in</strong>e Überzeugungen preis,<br />
wie Schauspieler sich exzellent auf ihre Rollen auf der Bühne<br />
vorbereiten können und was e<strong>in</strong>e Schauspielausbildung leisten<br />
muss, um die Künstler dazu zu befähigen. Jahrzehntelanges eigen-<br />
es Schauspiel auf großen Bühnen wie am Burgtheater Wien und<br />
am Thalia-Theater Hamburg prägt se<strong>in</strong>en Erfahrungshorizont.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Herr Wölbern, welchen Wert haben die Begriffe<br />
„Exzellenz“ und „Elite“ für Sie als Schauspieler und Lehrender?<br />
Werner Wölbern Wenn man weiß, worauf man <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Arbeit h<strong>in</strong>aus<br />
will, erfüllen sich beide Kriterien notwendigerweise von selbst. Die<br />
Arbeit muss genau, <strong>in</strong>tensiv und fundiert se<strong>in</strong>. Grundsätzlich<br />
glaube ich, dass Kunst Elite braucht, weil wir mit Mittelmäßigkeit<br />
<strong>in</strong> diesem Bereich nicht weiterkommen. Andererseits habe ich dann<br />
Probleme mit dem Begriff Elite, wenn er e<strong>in</strong>e Form von Ausgren-<br />
zung me<strong>in</strong>t, die hochnäsig und abgehoben ist. Mit dem Begriff Ex-<br />
zellenz kann ich aber gut umgehen.<br />
FiT Welchen Anspruch, exzellent zu werden, hatten und haben Sie<br />
an sich selbst?<br />
Werner Wölbern Exzellenz <strong>in</strong> der Schauspielerei setzt voraus, dass<br />
ich von der Lust beseelt b<strong>in</strong>, Figuren zum Leben zu erwecken, sie zu<br />
präsentieren und mich der Kritik darüber zu stellen. Es sollte auch<br />
Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE<br />
„Mit Mittelmäßigkeit kommt die Kunst nicht weiter“<br />
Werner Wölbern, <strong>HfMDK</strong>-Professor für Rollenspiel und szenischen Unterricht, über Angst und Glück auf der Bühne und<br />
den Ehrgeiz, mit Studierenden im Arbeitsprozess durch Türen zu gehen, die ihnen bislang verschlossen waren<br />
die Lust se<strong>in</strong>, sich mit Text und Sprache <strong>in</strong>tensiv zu befassen, sich<br />
als Künstler immer mehr zu vervollkommnen. Das impliziert für<br />
mich auch, sich gezielt eigenen Ängsten zu stellen und das Risiko,<br />
an e<strong>in</strong>er Rolle zu scheitern, <strong>in</strong> Kauf zu nehmen.<br />
FiT Was heißt das für Sie als Professor für Schauspiel?<br />
Werner Wölbern Wenn von 400 Aspiranten, die e<strong>in</strong>en Studienplatz<br />
im Schauspiel anstreben, acht am Ende e<strong>in</strong>en Platz bekommen,<br />
bedeutet dies für mich, dass ich mit denen nicht etwa vier Jahre<br />
lang das mache, was sie ohneh<strong>in</strong> schon können. Vielmehr liegt<br />
für mich e<strong>in</strong>e wesentliche Notwendigkeit dar<strong>in</strong>, mit ihnen geme<strong>in</strong>-<br />
sam durch Türen zu gehen, die ihnen bislang noch verschlossen<br />
waren. Ich selbst habe als Schauspieler lange gebraucht, das zu<br />
verstehen und <strong>in</strong> Anspruch zu nehmen. In der Ausbildung können<br />
wir da frühzeitig animieren und Lunten legen.<br />
FiT Welche Türen mussten Sie für sich selbst öffnen, um gut spielen<br />
zu können?<br />
Schauspielprofessor Werner Wölbern:<br />
„Möchte mit Studierenden durch<br />
Türen gehen, die ihnen bislang noch<br />
verschlossen waren.“<br />
Werner Wölbern Beispielsweise die Angst, sich vor 1.000 Leuten<br />
h<strong>in</strong>zustellen und sich zu präsentieren. Es ist eigentlich schrecklich,<br />
jeden Abend auf der Bühne zu stehen – zugleich ist es auch<br />
re<strong>in</strong>es Glück. Ich b<strong>in</strong> selbstkritisch genug und spüre genau, wenn<br />
ich mit e<strong>in</strong>er Rolle nicht dah<strong>in</strong> komme, wo ich h<strong>in</strong> wollte. Auch<br />
möglicherweise für etwas gelobt zu werden, was man selbst nur<br />
mittelmäßig f<strong>in</strong>det, ist schrecklich.<br />
31
3 Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
FiT Welche Grenzerfahrung haben Sie beim Spielen e<strong>in</strong>er Rolle<br />
gemacht?<br />
Werner Wölbern E<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>dermörder zu spielen, war sicherlich die<br />
bislang größte Grenzerfahrung für mich. Die Rolle verfolgte mich<br />
sehr, Schweißausbrüche, Albträume. Nach 48 Vorstellungen habe<br />
ich die Rolle abgelegt. Überleben kann man als Schauspieler nur<br />
dann, wenn man, nachdem man die Fremdfiguren gelebt hat, sie<br />
wieder wegstellt, duscht und sagt: Ich habe auch e<strong>in</strong> Privatleben.<br />
FiT Welche Art von Zufriedenheit ziehen Sie aus Ihrer Arbeit?<br />
Werner Wölbern Als junger Schauspieler habe ich auf der Bühne<br />
gestanden, um Erfolg zu haben. Mittlerweile ist für mich die<br />
Probenzeit wichtiger, <strong>in</strong> der sich Spannungen, Energien und Kon-<br />
flikte im zwischenmenschlichen Bereich entwickeln und ent-<br />
laden. Es macht e<strong>in</strong>fach Spaß, mit fremden Leuten fokussiert eng<br />
zusammenzuarbeiten. Das ist Lebenszeit und etwas Wunder-<br />
bares. Außerdem: Wo sonst als im Theater hat man die Lizenz,<br />
sich so anzubrüllen und zugleich zu umarmen? Die Figur gibt uns<br />
Schauspielern e<strong>in</strong>en Schutz vor Übergriffigkeit. All dies zu erleben,<br />
ist mir wichtig. Sich von äußerem Erfolg abhängig zu machen,<br />
ist ke<strong>in</strong> guter Beweggrund, Schauspieler zu se<strong>in</strong>.<br />
FiT Welche Ausbildungsgrundsätze ergeben sich daraus für die<br />
Schauspielausbildung?<br />
Werner Wölbern Notwendige Voraussetzung ist natürlich das<br />
Hand-werk wie e<strong>in</strong>e physiologische Basis für die Stimme und e<strong>in</strong>e<br />
gute Körperarbeit. Davon ausgehend, b<strong>in</strong> ich der Me<strong>in</strong>ung, dass<br />
man spätestens im zweiten Ausbildungsjahr anfangen muss, an der<br />
darstellerischen Persönlichkeit zu arbeiten. Studierende müssen<br />
sich dann mit der Frage ause<strong>in</strong>andersetzen, warum es ihr eigenes<br />
unbed<strong>in</strong>gtes Anliegen ist, e<strong>in</strong>e Rolle spielen zu wollen. Diese<br />
Ause<strong>in</strong>andersetzung ist elementar, sonst rezitiert man nur Text.<br />
Dieser Ehrgeiz erfordert e<strong>in</strong>e starke Bereitschaft, sich selbst zu<br />
fragen, was man überhaupt will. Ausbildungsleiter können bei<br />
der Beantwortung zwar Hilfestellung geben, doch der Impuls muss<br />
von den Studierenden ausgehen.<br />
FiT Wie nähert sich Ihrer Überzeugung nach e<strong>in</strong> exzellenter<br />
Schauspieler se<strong>in</strong>er Rolle an?<br />
Werner Wölbern Ich habe anfangs gedacht, dass man nur das spielen<br />
kann, was man selbst erlebt hat; bis heute hat sich diese Sichtwei-<br />
se sehr verschoben. Am Anfang steht für mich das Denken und<br />
Reflektieren, daraus kann e<strong>in</strong>e Emotion erwachsen. Entscheidend<br />
ist, sich am Anfang e<strong>in</strong>es jeden Rollenstudiums die Zeit zu nehmen<br />
zu begreifen, wie e<strong>in</strong>e Figur <strong>in</strong>nerhalb des Stücks von A nach B<br />
kommt. Das setzt viel Arbeit am Tisch zu Hause voraus. Wenn das<br />
Licht auf der Bühne angeht, muss man diese theoretische Vorarbeit<br />
vergessen und loslassen. Loslassen heißt hier nichts anderes, als<br />
darauf zu vertrauen, dass das, was ich zu Hause vorbereitet habe,<br />
schlichtweg da ist. Dann beg<strong>in</strong>nt der Prozess, als Figur Fehler zu<br />
machen, vorwärts zu gehen, möglicherweise „zu viel“ zu machen,<br />
auch: Widersprüche zu dulden. Man muss mit Figuren immer an<br />
Grenzen gehen. Es ist me<strong>in</strong>e Aufgabe, e<strong>in</strong> weißes Blatt Papier<br />
komplett mit Farbe zu füllen. Und wenn es komplett voll ist, habe<br />
ich e<strong>in</strong>en – hoffentlich – guten Regisseur, der das sortiert, der was<br />
weg nimmt, verstärkt, <strong>in</strong> Frage stellt ... Das ist Theaterarbeit.
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1 Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE<br />
33
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE<br />
3<br />
FiT Sie schildern Prozesse, die Zeit brauchen und sich – vor allen<br />
D<strong>in</strong>gen während des Studiums – nur schwer <strong>in</strong> Zeitraster pressen<br />
lassen.<br />
Werner Wölbern Wir Schauspieler brauchen Zeit zum Arbeiten und<br />
zum Atmen. Das zwanghafte E<strong>in</strong>passen <strong>in</strong> äußere Zeitraster ist<br />
<strong>in</strong> gewisser Weise der Tod unserer Arbeit. Gerade <strong>in</strong> unserem vier-<br />
jährigen Schauspielstudium an der <strong>HfMDK</strong> beobachte ich sehr<br />
<strong>in</strong>dividuelle Entwicklungsschübe. Es gibt Studierende, die erst im<br />
dritten Jahr aufblühen und dann ihre größte und beste Entwicklung<br />
durchmachen. Das aufgepfropfte Credit-System rund um Bachelor<br />
und Master ist für den Schauspielbereich geradezu aberwitzig.<br />
Andererseits ermöglicht es natürlich den kompatiblen Austausch<br />
mit anderen Hochschulen. Aber da ist noch viel Handlungsbedarf.<br />
FiT Die <strong>HfMDK</strong> hat deutschlandweit den kle<strong>in</strong>sten Ausbildungsbe-<br />
reich Schauspiel überhaupt. E<strong>in</strong> Vor- oder Nachteil?<br />
Werner Wölbern Das ist erstmal e<strong>in</strong> großer Vorteil und im besten<br />
S<strong>in</strong>ne die Chance auf e<strong>in</strong>e wirklich elitäre Ausbildung. Die <strong>in</strong>dividu-<br />
elle Betreuung, die bei uns dadurch sehr ausgeprägt ist, ist e<strong>in</strong><br />
entscheidendes Kriterium für e<strong>in</strong>e exzellente Ausbildung.<br />
FiT Größere Abteilungen haben vermutlich aber auch e<strong>in</strong> größeres<br />
Raumangebot?<br />
Werner Wölbern: In der Tat haben wir e<strong>in</strong> massives Raumproblem.<br />
Bei uns haben 32 Schauspielstudierende im Pr<strong>in</strong>zip nur e<strong>in</strong>en<br />
wirklich großen Raum zum Arbeiten, und der ist konsequenterweise<br />
von Montag bis Sonntag (!) rund um die Uhr belegt. Das heißt:<br />
Die Schauspielstudenten arbeiten permanent außer-stundenplanmäßig.<br />
Um gut und fokussiert – und excellent! – arbeiten zu<br />
können, bräuchten wir m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong> weiteres Studio. Abgesehen<br />
vom re<strong>in</strong>en Platzangebot ist aber <strong>in</strong> den letzten beiden Jahren<br />
hier viel Erfreuliches passiert, die Hochschul-Leitung ist da sehr<br />
offen und gesprächsbereit – ich hoffe, dass sich das fortsetzt.<br />
FiT Haben Sie sich e<strong>in</strong> ehrgeiziges Ziel als Professor der <strong>HfMDK</strong><br />
gesetzt?<br />
Werner Wölbern Die Vermittlungsquote unserer Studierenden ist ja<br />
jetzt schon sehr gut und mutmachend. Me<strong>in</strong> Ziel und Anspruch<br />
ist es, dass e<strong>in</strong> Schauspiel-Aspirant unbed<strong>in</strong>gt nach <strong>Frankfurt</strong> an<br />
die <strong>HfMDK</strong> will und dass unsere Absolventen mit Stolz sagen:<br />
Ich war <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong>! Dafür kämpfe ich mit me<strong>in</strong>er Person – und ich<br />
hoffe unbed<strong>in</strong>gt auf jede mögliche Unterstützung. bjh<br />
exzellent?<br />
Elitär und<br />
Seiten 30, 32–34:<br />
E<strong>in</strong>drücke aus e<strong>in</strong>em<br />
szenischen Abend der<br />
Schauspielklasse im Kle<strong>in</strong>en<br />
Saal der Hochschule.<br />
Rechts: Werner Wölbern<br />
auf der Bühne <strong>in</strong><br />
„Der Weibsteufel“ am Burg-<br />
theater Wien.<br />
Lisa Weidenmüller studiert Schauspiel an der <strong>HfMDK</strong>:<br />
„Exzellenz und Elite s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> unserem Ausbildungsbereich<br />
eigentlich ke<strong>in</strong>e Leitbegriffe. Es geht eher darum, die eigenen<br />
Darstellungsmöglichkeiten so weit wie möglich zu erweitern,<br />
um vielleicht e<strong>in</strong>e exzellente Darstellung e<strong>in</strong>er Figur zu<br />
erreichen. Nur was heißt das wieder? Exzellente Darstellung<br />
im S<strong>in</strong>ne von authentisch, glaubwürdig? Oder doch lieber<br />
abstrakt, entfremdet oder emotional und berührend? Bei der<br />
Vielzahl von Spielstilen und -formen suchen wir eher nach<br />
Wegen, wandelbar zu se<strong>in</strong> und dabei e<strong>in</strong>e gewisse Eigenheit<br />
oder Spezialität zu bewahren, um sich dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Spiel-<br />
ensemble <strong>in</strong> den Dienst der Sache zu stellen. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
genießen wir e<strong>in</strong>e ziemlich elitäre Ausbildung, da wir nur acht<br />
oder neun Studenten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Jahrgang s<strong>in</strong>d und sehr<br />
<strong>in</strong>dividuell betreut und unterrichtet werden. Wir s<strong>in</strong>d quasi<br />
e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Elite, die von der Gesellschaft f<strong>in</strong>anziert wird, um<br />
dann über ebendiese zu reflektieren.“<br />
Vom schmalen Grat zwischen<br />
Anspruch und Ausgrenzung
3 Freunde und Förderer<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Unterstützung der<br />
Förderer erleichtert und<br />
bereichert Studium<br />
Friedmar Deller, Studierender für KA Kontrabass, ist<br />
Starter-Stipendiat der Gesellschaft der Freunde und<br />
Fördererder <strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />
Die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Hochschule für Musik<br />
und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> e.V., kurz GFF – jeder<br />
kennt sie, doch wissen die wenigsten Details über ihre Unterstüt-<br />
zungarbeit. Und diese ist tatsächlich beachtlich: In den beiden<br />
vergangenen Jahren stellte die 2007 gegründete GFF schon fast<br />
300.000 Euro für verschiedenste Projekte zur Verfügung.<br />
Und so ist es schon erstaunlich, dass man meist nur durch die<br />
hochschuleigenen Presseorgane FiT und O-Töne etwas von ihnen<br />
mitbekommt (abgesehen natürlich von den delikaten Buffets<br />
nach GFF-Veranstaltungen, bei denen Spätgebliebene e<strong>in</strong> unver-<br />
hofftes Abendessen bekommen). Ich selber habe schon oft von<br />
der großen Spendenbereitschaft profitiert: von e<strong>in</strong>em über vier<br />
Semester gehenden Starterstipendium über Projekte wie die<br />
Händeloper „R<strong>in</strong>aldo“ bis zur Anschaffung e<strong>in</strong>es neuen fünfsaiti-<br />
gen Kontrabasses. Diese wichtigen Unterstützungen haben me<strong>in</strong><br />
Studium erleichtert und bereichert.<br />
Elite muss durchlässig se<strong>in</strong><br />
Trotz dieser außergewöhnlichen Förderung sehe ich mich ungern<br />
als Teil e<strong>in</strong>er Elite an. Sicher – wir s<strong>in</strong>d hier an e<strong>in</strong>er Hochschule mit<br />
vergleichsweise hohen Anforderungen bei der Aufnahmeprüfung<br />
und alle<strong>in</strong> schon durch die Exklusivität unserer Ausbildung elitär.<br />
Aber <strong>in</strong> dem Begriff „Elite“ schw<strong>in</strong>gt für mich immer auch e<strong>in</strong>e<br />
Abgrenzung zu bildungsferneren Schichten mit. Elite, ob wirtschaft-<br />
liche, politische oder künstlerische, hat für mich aber immer nur<br />
dann e<strong>in</strong>e Dase<strong>in</strong>sberechtigung, wenn sie durchlässig ist und nicht<br />
um ihrer Selbst willen agiert. Und genau darum sollte es <strong>in</strong> unserer<br />
Ausbildung gehen: um Offenheit gegenüber anderen Kreisen und<br />
Kulturen sowie, allgeme<strong>in</strong>er gesprochen, um Schulung e<strong>in</strong>es<br />
sensiblen Bewusstse<strong>in</strong>s für gesellschaftliche und auch politische<br />
Veränderungen und wie man künstlerisch und als Mensch damit<br />
umgeht. Wie auch sonst will man sich künstlerisch ausdrücken und<br />
artikulieren? Denn es reicht eben nicht, alle<strong>in</strong> technisch e<strong>in</strong> Stück<br />
zu meistern. Und me<strong>in</strong>er Ansicht nach merkt man auch sehr<br />
schnell, ob sich jemand ernsthaft und mit Freude dem Kunstwerk<br />
widmet und kritisch h<strong>in</strong>terfragt oder nicht.
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Förderer: Ehrliches Interesse und Offenheit<br />
Die Bed<strong>in</strong>gungen, sich auf e<strong>in</strong>e solche Weise künstlerisch zu bilden,<br />
werden von der GFF nicht nur durch die oben genannten Förder-<br />
maßnahmen nachhaltig verbessert, sondern auch durch viele<br />
Projektförderungen übers Jahr unterstützt. Wer e<strong>in</strong>mal wie ich<br />
die Menschen, die h<strong>in</strong>ter diesem f<strong>in</strong>anziellen Engagement stehen,<br />
erlebt hat, weiß um das ehrliche Interesse und um die Offenheit<br />
gegenüber den Studierenden. Neben solchen e<strong>in</strong>fach „nur“ kulturell<br />
Interessierten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der GFF auch manche <strong>in</strong> der Szene wichtige<br />
und entscheidende Persönlichkeiten vertreten: He<strong>in</strong>er Goebbels,<br />
Andreas Mölich-Zebhauser, Gerd Albrecht und Bernd Loebe.<br />
Dadurch, dass der Präsident sowie der Vizepräsident der Hochschu-<br />
le mit diesen den Beratenden Ausschuss bilden, ist e<strong>in</strong>e hohe<br />
Verzahnung der GFF mit der Hochschule sowie mit anderen, für die<br />
Hochschule wichtigen Institutionen und Menschen gewährleistet.<br />
Man sieht also: Die GFF tut e<strong>in</strong>iges, um ihrem eigenen Anspruch<br />
gerecht zu werden. Denn Exzellenz und die Entwicklung talentierter<br />
Studierender zu <strong>in</strong>ternational gefragten Künstlern (und Künstler<strong>in</strong>-<br />
nen) erfordern Studienbed<strong>in</strong>gungen, die weit über das herkömm-<br />
liche Curriculum h<strong>in</strong>ausweisen. So auch Projekte, bei denen<br />
Student<strong>in</strong>nen und Studenten (hier schreibe ich als angehender<br />
Orchestermusiker) ihren Horizont jenseits von Orchesterstellen und<br />
Probespielstellen erweitern können – um der Gefahr e<strong>in</strong>er sich<br />
selbst reproduzierenden künstlerischen Elite vorzubeugen.<br />
Vielfältige Förderung<br />
Studierende der <strong>HfMDK</strong> profiteren mit etwas Glück gleich mehr-<br />
fach von der Gesellschaft der Freunde und Förderer der<br />
Hochschule. So erhalten jedes Jahr fünf Studienanfänger aller<br />
Fachbereiche e<strong>in</strong> Starterstipendium des Fördervere<strong>in</strong>s. Das<br />
Stipendium soll den Studienstart <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong>, e<strong>in</strong>er Stadt mit<br />
hohen Lebenshaltungskosten, erleichtern. Darüber h<strong>in</strong>aus<br />
ermöglichen es die Freunde und Förderer den besten Instumen-<br />
talisten, ihr Abschlusskonzert im „Konzertexamen“ mit e<strong>in</strong>em<br />
eigens hierfür zusammengestellten Orchester zu spielen. Seit<br />
2009 f<strong>in</strong>anzieren die Förderer außerdem e<strong>in</strong>en Gastdirigenten:<br />
Nach Lothar Zagrosek arbeiten Krzysztof Penderecki (Mai 2010)<br />
und Sebastian Weigle (2011) mit dem Hochschulorchester.<br />
Weiterh<strong>in</strong> trugen die Freunde und Förderer mit dem Kauf be-<br />
sonderer Instrumente – e<strong>in</strong>es fünfsaitigen Kontrabasses, e<strong>in</strong>er<br />
Bassposaune, e<strong>in</strong>es Fagotts und e<strong>in</strong>es Kontrafagotts – zur<br />
hervorragenden Ausstattung der Hochschule und Konkurrenz-<br />
fähigkeit ihrer Studierenden bei. Denn Insturmentalisten,<br />
die auch e<strong>in</strong> seltener gespieltes Instrument beherrschen, haben<br />
bessere Chancen im Wettbewerb.<br />
3
Auf Wiedersehen im Netz<br />
nmz Onl<strong>in</strong>e<br />
Berichte, Rezensionen<br />
und Kommentare,<br />
exklusiv im Netz<br />
nmz KIZ<br />
Aktuelle Meldungen<br />
aus dem Musik-<br />
und Kulturleben<br />
nmz Media<br />
Filmberichte und<br />
Dokumentationen<br />
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Die gedruckten Ausgaben mit<br />
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…natürlich auch wenn es „Prestissimo“ se<strong>in</strong> soll<br />
Hier spielt die Musik!<br />
In unmittelbarer Nähe der<br />
Hochschule für Musik<br />
und Darstellende Kunst<br />
<strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />
Digitaldruck <strong>in</strong> Farbe & S/W<br />
B<strong>in</strong>dungen aller Art<br />
Broschüren- und Flyerdruck
Foto: Kronberg Academy, Andreas Malkmus<br />
GFF<br />
Gesellschaft der Freunde<br />
und Förderer der<br />
Hochschule für Musik<br />
und Darstellende Kunst<br />
<strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />
Seit 2007 gibt es die Gesellschaft der Freunde und Förderer der<br />
Hochschule für Musik und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am<br />
Ma<strong>in</strong> e.V. Die Freunde und Förderer engagieren sich für optimale<br />
Studienbed<strong>in</strong>gungen und mehr Spielraum für junge begabte<br />
und leidenschaftliche Künstler<strong>in</strong>nen und Künstler.<br />
Sie fördern große Opernproduktionen, Stipendien für talentierte<br />
Studienanfänger oder für ausländische Studierende, hochklassige<br />
Abschlusskonzerte, Gastprofessuren, Arbeitsphasen mit renommierten<br />
Dirigenten, Mentaltra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs, Instrumental-, Tanz- und<br />
Gesangsworkshops, den Kauf besonderer Instrumente und mehr.<br />
Als Mitglied im Fördervere<strong>in</strong> genießen Sie viele exklusive Angebote.<br />
Vor allem aber haben Sie teil an der Entwicklung der Hochschule<br />
für Musik und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er<br />
der besten Hochschulen für Musik, Theater und Tanz im nationalen<br />
und <strong>in</strong>ternationalen Vergleich. Werden auch Sie Freund und<br />
Förderer – wir freuen uns auf Sie!<br />
Kontakt<br />
Beate Eichenberg<br />
Telefon 069 154 007 137<br />
<strong>in</strong>fo@hfmdk-freunde.de<br />
www.hfmdk-freunde.de<br />
Spendenkonto Nr. 80 65 070<br />
bei der Deutschen Bank <strong>Frankfurt</strong>,<br />
Bankleitzahl 500 700 24<br />
3
0 Freunde und Förderer<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
„Bitte laden Sie die<br />
<strong>Frankfurt</strong>er häufiger e<strong>in</strong>“<br />
Hochschule bee<strong>in</strong>druckte mit „R<strong>in</strong>aldo“-Inszenierung bei<br />
Karlsruher Händel-Festspielen<br />
E<strong>in</strong> großer Erfolg war die R<strong>in</strong>aldo-Aufführung der <strong>HfMDK</strong> am<br />
24. Februar 2010 bei den Händel-Festspielen Karlsruhe. Zuvor<br />
wurde die von den Freunden und Förderern der Hochschule<br />
unterstützte Opernproduktion <strong>in</strong>sgesamt fünfmal <strong>in</strong> Rüsselsheim,<br />
<strong>Frankfurt</strong> und Bensheim gezeigt.<br />
Nach der Karlsruher Abschlussaufführung erreichte die Händelge-<br />
sellschaft der Brief e<strong>in</strong>er begeisterten Zuschauer<strong>in</strong>. Die Karlsruher<strong>in</strong><br />
schrieb: „Ich danke den Initiatoren dafür, dass diese die <strong>Frankfurt</strong>er<br />
mit dem R<strong>in</strong>aldo e<strong>in</strong>geladen haben… Die Form <strong>in</strong> R<strong>in</strong>aldo, fast<br />
Formparodie (siehe Kleidung „halb und halb“ und Bühnenausstat-<br />
tung „krass, schön, romantisch (rosalie)“) hat mich außerge-<br />
wöhnlich bee<strong>in</strong>druckt … E<strong>in</strong>fach toll und orig<strong>in</strong>ell dargestellt und<br />
dem Publikum rübergebracht. Bitte, laden Sie die <strong>Frankfurt</strong>er<br />
häufiger e<strong>in</strong>.“<br />
Fotos: Thomas Jürgens
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
. Runde für<br />
Ma<strong>in</strong>Campus-Stipendien<br />
Das Ma<strong>in</strong>Campus-Stipendiatenwerk der Stiftung Polytechnische<br />
Gesellschaft <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> fördert zum zweiten Mal Studieren-<br />
de der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am<br />
Ma<strong>in</strong>. Mit ihren Ma<strong>in</strong>Campus academicus-Stipendien unterstützt<br />
die Stiftung junge Menschen mit herausragender wissenschaft-<br />
licher und künstlerischer Begabung sowie großem Persönlich-<br />
keitspotenzial. E<strong>in</strong> solches Stipendium erhalten Bianca Helberg<br />
(Lehramt an Gymnasien/Musik) und Luise Audersch (Schauspiel).<br />
Ma<strong>in</strong>Campus doctus-Stipendiaten verfolgen bereits e<strong>in</strong>e wissen-<br />
schaftliche Laufbahn <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong> oder schlagen sie gerade e<strong>in</strong>.<br />
Hier hat sich die Absolvent<strong>in</strong> für das Lehramtsstudium an<br />
Gymnasien Krist<strong>in</strong> Wömmel, die bei Prof. Dr. Maria Spychiger<br />
promoviert, erfolgreich beworben.<br />
Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE<br />
Die drei Bewerber<strong>in</strong>nen haben e<strong>in</strong>e unabhängige Auswahl-<br />
Kommission fachlich und künstlerisch überzeugt und wiesen dazu<br />
soziales Engagement, die Bereitschaft zu <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärem<br />
Austausch sowie künstlerischen und kulturellen Weitblick auf.<br />
Neben der f<strong>in</strong>anziellen Förderung erwartet die Stipendiaten e<strong>in</strong><br />
anspruchsvolles Betreuungs- und Qualifizierungsprogramm der<br />
Ma<strong>in</strong>Campus Akademie. Das Programm fördert besonders den<br />
<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Austausch, stärkt die <strong>in</strong>dividuelle Handlungskom-<br />
petenz und br<strong>in</strong>gt die Stipendiaten mit spannenden Persönlich-<br />
keiten aus allen Gesellschaftsbereichen zusammen.<br />
exzellent?<br />
Elitär und<br />
Bianca Hellberg studiert Schulmusik im und IGP Viol<strong>in</strong>e im<br />
Aufbaustudium. Sie ist gerade zur Ma<strong>in</strong>Campus academi-<br />
cus-Stipendiat<strong>in</strong> des Ma<strong>in</strong>Campus-Stipendiatenwerks der<br />
Stiftung Polytechnische Gesellschaft <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />
ernannt worden: „Für mich s<strong>in</strong>d diese Begriffe alles andere<br />
als Leitbegriffe. Zum e<strong>in</strong>en sche<strong>in</strong>t mir besonders der Begriff<br />
Elite <strong>in</strong> der künstlerischen Ausbildung ebenso wenig def<strong>in</strong>iert,<br />
wie er es <strong>in</strong> der gesellschaftlichen Diskussion ist. Was ist<br />
Elite? Wer ist Elite? Wer def<strong>in</strong>iert das? Eigentlich sollte es <strong>in</strong><br />
der Ausbildung vor allem um Chancen gehen, um Entwick-<br />
lung, um Potenziale und deren Förderung, damit auch um<br />
Leistung. Aber nicht um die Abgrenzung e<strong>in</strong>er Elite gegenüber<br />
der großen Masse aufgrund fadensche<strong>in</strong>iger Kriterien. Zum<br />
anderen frage ich mich, ob Elite als Leitbegriff <strong>in</strong> der künstleri-<br />
schen Ausbildung nicht eher schadet, als dass er nützt. E<strong>in</strong>e<br />
künstlerische Ausbildung ist me<strong>in</strong>er Ansicht nach geprägt von<br />
Vielfalt, von Unterschiedlichkeit, auch von verschiedenen<br />
Lebenswegen. Wir haben e<strong>in</strong>e beachtliche Vielfalt an Hoch-<br />
schulen und an künstlerischen Ausbildungsgängen an jeder<br />
e<strong>in</strong>zelnen dieser Hochschulen. Soll das zugunsten e<strong>in</strong>er<br />
Elitenbildung reduziert werden? E<strong>in</strong>er Elite <strong>in</strong> welchem Fach?<br />
Und wessen Elite ist das dann? Für wen macht diese Elite<br />
Kunst? Und erreicht e<strong>in</strong>e solche Elite ihr Publikum noch?“<br />
1<br />
Vom schmalen Grat zwischen<br />
Anspruch und Ausgrenzung
„Man kann nicht<br />
mehr machen, als se<strong>in</strong><br />
Bestes zu geben“<br />
Christopher Park, e<strong>in</strong>st Jungstudent und jetzt ange-<br />
hender Konzertpianist, ist Studierender <strong>in</strong> der Klavier-<br />
klasse von Prof. Lev Natochenny<br />
Christopher Park kam als 16-jähriger Jungstudent zu Lev Natochenny.<br />
Heute, als 22-jähriger ordentlicher Student an der <strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
am Ma<strong>in</strong>, ist er immer noch Schüler des Klavierprofessors<br />
Lev Natochenny, dessen Klasse erfolgreiche Pianisten wie Mart<strong>in</strong><br />
Stadtfeld, Eugenia Rub<strong>in</strong>ova, Nami Ejiri und Dirk Mommertz hervor-<br />
gebracht hat. Auch Christopher Park hat e<strong>in</strong>en vielversprechenden<br />
Weg angetreten: Aktuell stellt er auf e<strong>in</strong>er Korea-Tournee se<strong>in</strong>e<br />
Duo-CD „Nore“ mit Richard O` Neill und se<strong>in</strong> Debut-Album „Russian<br />
Transcription“ vor. Im folgenden Interview spricht Christopher Park<br />
über se<strong>in</strong>e Überzeugungen auf dem Weg, e<strong>in</strong> exzellenter Musiker zu<br />
werden, schildert e<strong>in</strong>e außergewöhnliche Lehrer-Schüler-Beziehung<br />
und verrät, warum er Wettbewerbe nicht mag.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Herr Park, wer als Jungstudent antritt, hat als K<strong>in</strong>d<br />
vermutlich den größten Teil se<strong>in</strong>er Freizeit am Klavier verbracht.<br />
Standen Sie früh unter Erfolgsdruck?<br />
Christopher Park Ich habe erst mit sieben Jahren angefangen, Klavier<br />
zu spielen. Und mir ist es von Anfang an sehr leicht gefallen, ich<br />
habe es nie als anstrengendes „Üben“ aufgefasst; me<strong>in</strong>e Eltern<br />
jedenfalls brauchten ke<strong>in</strong>en Druck auf mich auszuüben. Musikalisch<br />
entscheidend waren für mich als K<strong>in</strong>d die wegweisenden Begeg-<br />
nungen mit e<strong>in</strong>em älteren Herrn, der im gleichen Ort wohnte wie<br />
ich: Friedrich Pohlner, e<strong>in</strong>st auch Dozent an der <strong>Frankfurt</strong>er Hoch-<br />
schule, war wie e<strong>in</strong> Vater zu mir und hat mir gezeigt, dass Musik<br />
e<strong>in</strong>e Sprache ist, und man mit ihr zu den Leuten sprechen kann.<br />
Für mich bis heute die wichtigste Erkenntnis, die sich immer weiter<br />
entdecken und ausweiten lässt. Und immer fasz<strong>in</strong>ierender wird!<br />
Seitdem war mir klar, dass ich genau dies beruflich machen wollte.<br />
Auch me<strong>in</strong> damaliger Nachbar, der Komponist Richard Rudolf Kle<strong>in</strong>,<br />
hat mich stark für das Musizieren motiviert. Ich war halt zufälliger-<br />
weise von tollen Leuten umgeben. Und den Zufall oder eher das<br />
Glück muss man <strong>in</strong> dem Musikgeschäft auf se<strong>in</strong>er Seite haben!<br />
Christopher Park und<br />
se<strong>in</strong> Professor Lev<br />
Natochenny bei der<br />
Arbeit: „Me<strong>in</strong> Lehrer<br />
sieht se<strong>in</strong>e Schüler eher<br />
als Kollegen an.“<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
FiT Wie hat sich Ihre Freude an der „Sprache Musik“ weiter-<br />
entwickelt?<br />
Christopher Park Ich habe zur Musik heute noch genau den gleichen<br />
Zugang wie damals, nur verb<strong>in</strong>de ich mit ihr mittlerweile mehr<br />
Verantwortung, sowohl für mich als auch für das Publikum.<br />
Sicherlich aber ist es heute e<strong>in</strong>e hoffentlich gesunde Mischung aus<br />
Motivation und durchaus vorhandenem Leistungsdruck. Sprachlich<br />
gesehen, habe ich immer mehr musikalische „Dialekte“ kennenge-<br />
lernt und werde wahrsche<strong>in</strong>lich me<strong>in</strong> ganzes Leben noch damit<br />
verbr<strong>in</strong>gen, auch me<strong>in</strong>en Dialekt zu entwickeln. Aber es darf nur e<strong>in</strong><br />
Dialekt bleiben, der unaufdr<strong>in</strong>glich im H<strong>in</strong>tergrund und automatisch<br />
auftritt und niemals die Sprache des Komponisten verändert.<br />
Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE<br />
FiT Was macht für Sie Musik als Sprache so wesentlich?<br />
Christopher Park: Sie enthält für mich viel mehr Fe<strong>in</strong>heiten und<br />
Facetten als die gesprochene Sprache. Davon habe ich mich schon<br />
früh überzeugt, wenn ich mir beispielsweise e<strong>in</strong> Stück von Chop<strong>in</strong><br />
von zehn verschiedenen Interpreten angehört habe. Musik ist<br />
e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>e Sprache, die die Menschen direkter anspricht. Für mich<br />
auf e<strong>in</strong>e sehr ehrliche Art und Weise.<br />
FiT Diese Überzeugung teilen Sie mit Ihrem Klavierprofessor<br />
Lev Natochenny?<br />
Christopher Park Ja, er unterstützt mich <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht sehr, mich<br />
selbst auch weiterzuentwickeln! Unser Lehrer-Schüler-Verhältnis ist<br />
etwas ganz Besonderes, es hat durchaus etwas von e<strong>in</strong>er „Heirat“,<br />
wie er damals bei unserem ersten Treffen lustig formulierte. Lev<br />
Natochenny sieht se<strong>in</strong>e Schüler eher als Kollegen an – wenn man<br />
denn etwas zu sagen hat. Er sagt immer, der Unterschied zwischen<br />
uns und ihm sei se<strong>in</strong> enormer Erfahrungsvorsprung. Zwischen uns<br />
f<strong>in</strong>det also e<strong>in</strong> ständiger Ideenaustausch statt, was heißt, dass der<br />
Lehrer auch offen ist für die Ideen se<strong>in</strong>er Schüler.<br />
FiT Als Pianist haben Sie sich auf dem Musikmarkt e<strong>in</strong>er großen<br />
Konkurrenz zu stellen. Da passiert sicher viel über Wettbewerbe.<br />
Christopher Park Von Wettbewerben halte ich wenig. Das Problem<br />
ist heute, dass es derer mittlerweile wahns<strong>in</strong>nig viele gibt, wodurch<br />
es wiederum e<strong>in</strong>en Wettbewerb zwischen den Wettbewerben gibt.<br />
Me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach müssen die Interpretationen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Wettbewerb aalglatt se<strong>in</strong>, um damit e<strong>in</strong>en Preis zu machen. Sobald<br />
es <strong>in</strong>teressant und außergewöhnlich wird, wird es immer Menschen<br />
geben, die es hassen oder lieben. Sobald es aber Hasser gibt, wird<br />
es ke<strong>in</strong>en ersten Platz mehr geben. Ich persönlich bezweifle<br />
manchmal, dass Jahrhundertpianisten wie Horowitz, Gould oder<br />
Richter heute noch e<strong>in</strong>en ersten Preis bekommen würden. Dafür<br />
s<strong>in</strong>d ihre Interpretationen viel zu charakterstark und ehrlich.<br />
Und an Ehrlichkeit mangelt es der Musik, besonders den heutigen<br />
CD-Aufnahmen, sehr.<br />
FiT Wenn Sie spielen, fühlen Sie sich also bei e<strong>in</strong>em Konzert besser<br />
als bei e<strong>in</strong>em Wettbewerb?<br />
Christopher Park Auf jeden Fall. Ich würde niemals im Wettbewerb<br />
so spielen wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Konzert. Bei Konzerten b<strong>in</strong> ich viel mutiger.<br />
Spontaneität kann man bei e<strong>in</strong>em Wettbewerb kaum zulassen. Die<br />
qualitative Messbarkeit von Kunst <strong>in</strong> Form von Wettbewerben f<strong>in</strong>de<br />
ich per se zweifelhaft. Schließlich fehlt mir bei e<strong>in</strong>em Wettbewerb<br />
der eigentliche S<strong>in</strong>n me<strong>in</strong>es Spiels: den Zuhörern Freude zu bereiten.<br />
3
FiT Da wären wir wieder bei ihrem Bild von „Musik als Sprache“.<br />
Christopher Park Genau. Das Wichtigste für mich im Konzert ist es,<br />
e<strong>in</strong>e Botschaft zu vermitteln, e<strong>in</strong>e Geschichte zu erzählen. Das wird<br />
oftmals viel zu wenig versucht, weil der Hang zur Perfektion<br />
überwiegt. Manchmal hat man den E<strong>in</strong>druck, man hätte es zu<br />
Hause auswendig gelernt und würde es nun im Konzert aus dem<br />
Gedächtnis abrufen.<br />
FiT Aber wer exzellent se<strong>in</strong> will, muss die Technik beherrschen.<br />
Christopher Park Perfektion, die ich an sich schon für problematisch<br />
im Zusammenhang mit Kunst halte, sollte eher als Nebenprodukt<br />
entstehen. E<strong>in</strong>e tadellose Technik ist Voraussetzung dafür, dass<br />
man sich gut ausdrücken kann. Exzellenz bedeutet für mich, Musik<br />
für die Menschen zu machen und das möglichst authentisch. Wenn<br />
sich davon jemand angesprochen und bewegt fühlt, habe ich me<strong>in</strong><br />
Ziel erreicht.<br />
FiT Fühlen Sie sich elitär?<br />
Christopher Park Elite muss von unten def<strong>in</strong>iert werden und nicht<br />
von denen, die es gern wären. Die Gesellschaft braucht Zugpferde,<br />
die sie me<strong>in</strong>etwegen als Elite bezeichnet. Denn ohne kulturelle Elite<br />
gibt es ke<strong>in</strong>en kulturellen Fortschritt.<br />
FiT Was kann Ihnen die Hochschule geben, um e<strong>in</strong> starkes<br />
„Zugpferd“ zu werden?<br />
Christopher Park Die <strong>Frankfurt</strong>er Hochschule lässt mir als Studieren-<br />
dem viel Freiraum, und die Lehrenden tolerieren oft me<strong>in</strong>e häufigen<br />
Abwesenheiten <strong>in</strong> Folge von Konzerten. In der Klasse von Lev<br />
Natochenny erlebe ich e<strong>in</strong>en konstruktiven Konkurrenzdruck, den<br />
unser Lehrer positiv und unverkrampft fördert. Er vermittelt mir das<br />
Vertrauen: Es kann klappen. Außerdem: Man kann nicht mehr<br />
machen, als se<strong>in</strong> Bestes zu geben. bjh<br />
F<strong>in</strong>gerzeig:<br />
Simon Noack, Bergische<br />
Universität Wuppertal,<br />
23. Plakatwettbewerb<br />
des Dt. Studentenwerks<br />
(Elite! Für alle?)<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Von Prof. Hans-Ulrich Becker<br />
Ich komme aus e<strong>in</strong>er so genannten gutbürgerlichen Familie. Theater<br />
gehörte dazu. Pflichtbewusst hatte ich e<strong>in</strong> Jugendabonnement.<br />
Aber wenn ich ehrlich b<strong>in</strong>, ist nicht viel hängen geblieben. Mir war<br />
damals viel wichtiger, im Theater neben Cornelia Auffenberg, <strong>in</strong> die<br />
ich mordsmäßig verknallt war, sitzen zu können und im abgedun-<br />
kelten Raum zufällige Berührungen <strong>in</strong>szenieren zu können. Me<strong>in</strong><br />
Lebensweg führte mich dann auf Umwegen und relativ spät wieder<br />
zum Stadttheater.<br />
Nach mediz<strong>in</strong>ischem Irrweg sah ich <strong>in</strong> den späten siebziger Jahren<br />
den Pantomimen Milan Sladek auf der Bühne se<strong>in</strong>es w<strong>in</strong>zigen<br />
Theaters <strong>in</strong> Köln, und der löste <strong>in</strong> mir e<strong>in</strong>en Urknall aus. E<strong>in</strong> Jahr<br />
später gehörte ich zu se<strong>in</strong>em Ensemble und fuhr mit dem Goethe-<br />
Institut um die Welt.<br />
Aber dann forderte der Kopf wieder se<strong>in</strong> Recht, ich begann<br />
Germanistik und Theaterwissenschaft zu studieren und mich als<br />
Schauspieler <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er „freien“ Gruppe <strong>in</strong>tensiv mit verschiedenen<br />
Formen e<strong>in</strong>es stark körperbetonten Theaters ause<strong>in</strong>anderzusetzen.<br />
Wir fühlten uns als Avantgarde, und das Stadttheater war der<br />
Fe<strong>in</strong>d. Aber um überleben zu können, musste man sich damals<br />
entweder im Bereich der Hofnarrenspaßigkeiten der „Szene“<br />
aufhalten oder e<strong>in</strong> extremes Spezialistentheater betreiben. Beides<br />
wollte ich nicht, und außerdem war mir der Entstehungsprozess<br />
e<strong>in</strong>er Aufführung stets wichtiger als das Spielen selbst.<br />
Nach me<strong>in</strong>em Magister wurde ich Regieassistent am Münchner<br />
Staatsschauspiel und suchte e<strong>in</strong>en „Meister“. Der begegnete mir<br />
<strong>in</strong> München leider auch nicht. Dafür lernte ich me<strong>in</strong>e ersten Lek-<br />
tionen. Das (Staats-)Theater war e<strong>in</strong> Betrieb mit Produktionen,<br />
Besetzungslisten und fünf verschiedenen Entlohnungssystemen.<br />
Ich hatte e<strong>in</strong>e Dienstleistung zu erbr<strong>in</strong>gen. Gespräche über S<strong>in</strong>n<br />
und Zweck unseres Tuns waren eher selten.<br />
Nach gut e<strong>in</strong>em Jahr Drängelns bekam ich die Chance, me<strong>in</strong>e<br />
erste eigene Regie zu machen: die deutsche Erstaufführung e<strong>in</strong>es<br />
Harold P<strong>in</strong>ter-Stückes.<br />
Persönliches<br />
Pendeln zwischen Wurzel und Weite<br />
Hans-Ulrich Becker ist neuer Professor für Regie und Ausbildungsdirektor für Szene an der <strong>HfMDK</strong><br />
Dann g<strong>in</strong>g es nach Aachen, als fester Regisseur. Damals dachte<br />
ich noch, Regieführen heißt Konzepte entwerfen, grandiose E<strong>in</strong>fälle<br />
haben und die Schauspieler lenken. Die Arbeit an e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en<br />
Haus war e<strong>in</strong>e heilsame Kur: Die Schauspieler wollten sich partout<br />
nicht an me<strong>in</strong>e Pläne halten, sie machten völlig andere D<strong>in</strong>ge, die<br />
aber spannender waren als das vorher von mir Ausgedachte.<br />
Locken, ergründen, verführen, Mut machen, ausbilden, zuhören,<br />
wahrnehmen, loslassen — eher Hebammentugenden waren gefragt.<br />
Improvisieren mit den Improvisationen der Schauspieler.<br />
Erfolge stellten sich e<strong>in</strong>; ich g<strong>in</strong>g nach Heidelberg, von dort nach<br />
Mannheim und weiter nach Stuttgart. E<strong>in</strong>ladungen zum Theater-<br />
treffen, an mehrere große Häuser und auf Festivals folgten.<br />
Me<strong>in</strong>e Inszenierungsarbeit wandelt sich von Stück zu Stück: Ich<br />
habe ke<strong>in</strong>e fertige Ästhetik. Mehr und mehr versuche ich, die<br />
Schauspieler dazu zu br<strong>in</strong>gen, ihre Umwelt als Insektarium zu<br />
sehen, ihre Nachtseiten aufzunehmen, die Proben dazu zu benutzen,<br />
sich wirklich auszuprobieren. Ich schickte z.B. me<strong>in</strong>e Schauspieler<br />
für e<strong>in</strong> Projekt über alte Leute als Praktikanten <strong>in</strong> verschiedene<br />
Altenheime der Stadt. Sie sollten sich e<strong>in</strong>e Figur ausspähen, sich<br />
ihr nähern, Notizen machen, nachahmen. Wir arbeiteten an Gängen,<br />
Eigenarten, Krankheitsbildern. Das Ergebnis war aufwühlend.<br />
Pendeln zwischen Wurzel und Weite, Realität und Phantastik,<br />
Naivität und Intellekt, Lehren und Lernen, das wurden me<strong>in</strong>e<br />
Themen.<br />
Ich entschied mich, me<strong>in</strong>e Erfahrungen weiterzugeben, und folgte<br />
e<strong>in</strong>em Ruf an die Folkwang Hochschule <strong>in</strong> Essen. Hier gab es<br />
e<strong>in</strong>en Raum, D<strong>in</strong>ge ohne Druck auszuprobieren und zu überdenken.<br />
Gleichzeitig konnten diese Erfahrungen <strong>in</strong> Inszenierungen<br />
<strong>in</strong> München, Wien und sogar <strong>in</strong> Brasilien zurückfließen. Heute <strong>in</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong> stehe ich vor e<strong>in</strong>er neuen Herausforderung: Ist Regie<br />
lehrbar? Was macht e<strong>in</strong>en Regisseur aus? Wie kann er Schauspieler<br />
produktiv machen? Alles neu.
Von Melanie Suchy<br />
Persönliches<br />
Den Hirnmuskel aktivieren<br />
Andrea Tallis Tassopoulus ist die neue Professor<strong>in</strong> <strong>in</strong> der<br />
Tanzabteilung ZuKT<br />
„Manchmal arbeitest du an etwas, und es fällt dir schwer. Wenn<br />
du‘s hast, ist es plötzlich e<strong>in</strong>fach“, lobt Andrea Tallis, als die Übung<br />
bei e<strong>in</strong>em der Studenten nicht mehr wackelt. Tanz wird zwar <strong>in</strong> der<br />
Gruppe unterrichtet, doch natürlich hat e<strong>in</strong> Lehrer jeden E<strong>in</strong>zelnen<br />
im Blick, <strong>in</strong> all se<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>zelteilen, Fähigkeiten, Entwicklungen. Seit<br />
dem W<strong>in</strong>tersemester 2009/2010 ist Andrea Tallis Tassopoulos neue<br />
Professor<strong>in</strong> für Klassischen Tanz an der <strong>HfMDK</strong>. Für sie selbst gebe<br />
es auch viel zu lernen, sagt sie darüber, dass sie sich neugierig mit<br />
der Institution Hochschule vertraut macht. Die Stadt und ihre Atmo-<br />
sphäre kennt sie von früher.<br />
Die Amerikaner<strong>in</strong> mit dem schulterlangen dunklen Haar wurde <strong>in</strong><br />
Los Angeles geboren. Mit drei Jahren begann sie beim Kursus für<br />
Ballett, Steptanz, Gymnastik, mit zehn kam der Unterricht auf<br />
Spitze dazu, Bühnenaufführungen, mit 15 der Wechsel zur School<br />
of American Ballet von George Balanch<strong>in</strong>e <strong>in</strong> New York. Solo-<br />
Vertrag mit 18 bei der Kompanie <strong>in</strong> Los Angeles, wo sie William<br />
Forsythe kennen lernte und Leute aus Europa, erzählt sie, und sie<br />
hörte von Egon Madsen <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong>. „Dort wollte ich unbed<strong>in</strong>gt<br />
h<strong>in</strong>.“ 1983/84 nahm er sie <strong>in</strong> die Kompanie der städtischen Bühnen<br />
auf und empfahl sie dann Forsythe, der ab 1984 das Ballett<br />
<strong>Frankfurt</strong> leitete. „Ich blieb 16 Jahre.“ Bis dah<strong>in</strong> hatte sie viel<br />
Klassisch getanzt, viel Balanch<strong>in</strong>e und tat das auch weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong> den<br />
ersten Forsythe-Jahren. „Dann kam der Sturm.“ Der blies von<br />
<strong>Frankfurt</strong> aus der Ballettwelt neuen W<strong>in</strong>d um die Ohren.<br />
Als Andrea Tallis 36 Jahre alt ist, ungefähr die übliche Altersgrenze<br />
für Bühnentänzer, fragt der ehemalige Kompanie-Kollege von<br />
Schweden aus bei ihr an: Anders Hellström, der 1999 das Göteborg<br />
Ballett übernimmt und e<strong>in</strong>en Ballettmeister braucht. „Ich dachte:<br />
Ok, ich mache e<strong>in</strong>e Pause von der Bühne. Und wollte e<strong>in</strong>en neuen<br />
Beruf lernen.“ Das mit der Pause erledigt sich irgendwie im<br />
Weitergehen – als Ballettmeister<strong>in</strong>. Unterrichten, Rekonstruktionen<br />
und E<strong>in</strong>studierungen von Stücken. Unter anderem ist sie für „The<br />
Vertig<strong>in</strong>ous Thrill of Exactitude“ von Forsythe zuständig, wenn e<strong>in</strong>e<br />
Kompanie es aufführen will. Nach drei Jahren Anstellung <strong>in</strong><br />
Göteborg arbeitet sie als Ballettmeister<strong>in</strong> sieben Jahre freischaffend<br />
bei großen Kompanien wie dem Cullberg Ballett <strong>in</strong> Stockholm,<br />
Nederlands Dans Theater, Royal Danish Ballet und Norwegisches<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Nationalballett und studiert Werke von Jiri Kylian, Ohad Nahar<strong>in</strong>,<br />
Twyla Tharp, Pär Isberg und anderen mit den Tänzern e<strong>in</strong>,<br />
neben Klassikern wie Don Quijote, C<strong>in</strong>derella, Romeo & Julia und<br />
Nussknacker. Besonders gerne beschäftigt sie sich <strong>in</strong> den Kompa-<br />
nien mit den jungen Tänzern, den Eleven, berichtet Andrea Tallis.<br />
„Jetzt ist Zeit für Veränderung.“ In <strong>Frankfurt</strong> zu arbeiten, sei wie e<strong>in</strong><br />
Nachhause-Kommen.<br />
„Ich mag viele Stile. Doch das Klassische Ballett ist e<strong>in</strong>e notwendige<br />
Basis auch für die zeitgenössischen Stile, um Muskulatur und<br />
Koord<strong>in</strong>ation zu entwickeln. Klassisch ist e<strong>in</strong> Futter, das e<strong>in</strong> Tänzer<br />
täglich braucht.“ Die Systeme Vaganowa und Balanch<strong>in</strong>e liegen<br />
ihrem Unterricht zugrunde. „Ich behandele es als lebendige<br />
Kunstform: Jeder Körper, jeder Mensch hat eigene Anforderungen.<br />
Das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g ist auch jeden Tag anders, je nachdem, was danach auf<br />
dem Stundenplan der Studierenden steht und wie weit die Klasse<br />
kommt. Das ist <strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong> langer Weg. Man weiß erst nach<br />
Jahren, was man wirklich gelernt hat.“<br />
„Use your bra<strong>in</strong> muscle!“ ruft sie und me<strong>in</strong>t Konzentration. „Ich<br />
muss sie fordern, damit sie weiter gehen. Das Arbeiten soll sie<br />
packen: das Suchen, für sich und <strong>in</strong> der Gruppe. Ich gebe Ideen<br />
h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, und sie dürfen auch sagen: Kann ich nicht. Dann sage ich:<br />
Wir f<strong>in</strong>den e<strong>in</strong>en Weg. Ich will den kommenden Tänzern die Zukunft<br />
eröffnen, ich möchte ihnen e<strong>in</strong> Fenster aufmachen – wie es damals<br />
William Forsythe tat – und sie dorth<strong>in</strong> br<strong>in</strong>gen, wo sie Meister ihrer<br />
Kunstform s<strong>in</strong>d.“
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Unterrichten ist e<strong>in</strong> Privileg<br />
Krist<strong>in</strong> von der Goltz hat an der <strong>HfMDK</strong> e<strong>in</strong>e Professur für<br />
Barockcello angetreten<br />
Von Krist<strong>in</strong> von der Goltz<br />
Es ist mir e<strong>in</strong>e große Freude, hier <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong> an der <strong>HfMDK</strong> die<br />
Professur für Barockcello anzutreten. Me<strong>in</strong> Lebenslauf ist maßgeb-<br />
lich geprägt durch die klassisch-romantische Kammermusik auf<br />
der e<strong>in</strong>en und der Generalbass-Musik des 17. und 18. Jahrhunderts<br />
auf der anderen Seite. Seit 1987 beschäftige ich mich mit dem<br />
Barockcello und arbeite seit 1989 auf dem historischen wie auf<br />
dem modernen Cello. Zehn Jahre verbrachte ich <strong>in</strong> London, wo ich<br />
unter anderem Mitglied im Symphonie-Orchestra New Philharmo-<br />
nia London war und vor allem über viele Jahre e<strong>in</strong>en wunderbaren<br />
Unterricht von Wiliam Pleeth genießen durfte. 14 Jahre war ich<br />
Mitglied im Freiburger Barockorchester, e<strong>in</strong>em wunderbaren<br />
Ensemble, dem ich auch heute noch freundschaftlich verbunden<br />
b<strong>in</strong>. Das Unterrichten wurde über die Jahre zu me<strong>in</strong>em größten<br />
Interesse und führte mich zu vielen <strong>in</strong>teressanten Begegnungen<br />
durch alle Altersklassen. Es ist für mich e<strong>in</strong>e Arbeit, die ich als e<strong>in</strong><br />
großes Privileg empf<strong>in</strong>de!
Ausgesuchte Erfolge unserer Studierenden<br />
Aufgrund der Vielfalt ist hier nur e<strong>in</strong>e<br />
aktuelle Auswahl wesentlicher Erfolge<br />
unserer Studierenden vermerkt.<br />
Christ<strong>in</strong>e Rauh, Violoncello (Klasse Prof.<br />
Gerhard Mantel), hat den mit 30.000 $<br />
dotierten Internationalen Isang-Yun-<br />
Wettbewerb <strong>in</strong> Seoul gewonnen und<br />
darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>en Sonderpreis für die<br />
beste Interpretattion e<strong>in</strong>es Isang-Yun-<br />
Werks erhalten. In Berl<strong>in</strong> hat sie den Felix<br />
Mendelssohn-Bartholdy-Wettbewerb<br />
gewonnen und e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ladung zur Gruppe<br />
der zwölf Cellisten der Berl<strong>in</strong>er Philharmoniker<br />
erhalten.<br />
Das Trio Monte mit Ana Rachel Feitosa<br />
(Viol<strong>in</strong>e), Claude Frochaux (Violoncello)<br />
und Anca Lupu (Klavier) erspielte sich beim<br />
Europäischen Kammermusikwettbewerb<br />
Karlsruhe den ersten Preis.<br />
Georg Boge und Andreas Kipp, beide<br />
Absolventen, sowie Arthur Hornig,<br />
Violoncello (alle Klasse Prof. Michael<br />
Sanderl<strong>in</strong>g), haben sich jeweils e<strong>in</strong>e Stelle<br />
im Rundfunks<strong>in</strong>fonieorchester Berl<strong>in</strong><br />
erspielt.<br />
Impressum<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> – Magaz<strong>in</strong> der Hochschule für Musik<br />
und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />
Eschersheimer Landstraße 29–39, 60322 <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong>,<br />
www.hfmdk-frankfurt.de<br />
Persönliches<br />
Herausgeber Thomas Rietschel, Präsident der <strong>HfMDK</strong><br />
Idee und Konzept Dr. Sylvia Dennerle<br />
sylvia.dennerle@hfmdk-frankfurt.de; Telefon 069/154 007 170<br />
Redaktion Björn Hadem (bjh) bhadem@arcor.de<br />
Autoren Vladimir Babeshko, Prof. Hans-Ulrich Becker, Susanne<br />
Blumenthal, Jacob Bussmann, Dr. Julia Cloot, Friedmar Deller, Dr.<br />
Sylvia Dennerle, Beate Eichenberg, Hanna Eimermacher, Annika<br />
Gerhards, Elena Graf, Lydia Hasselbach, Björn Hadem, Bianca Hellberg,<br />
Thomas Heyer, Michael M. Kasper, Laura L<strong>in</strong>nenbaum, Prof.<br />
Mart<strong>in</strong> Lücker, Thomas Rietschel, Luise Rummel, Melanie Suchy,<br />
Prof. Krist<strong>in</strong> van der Goltz, Lisa Weidenmüller, Krist<strong>in</strong> Wömmel<br />
Peijun Xu, Bratsche (Absolvent<strong>in</strong> Klasse<br />
Prof. Roland Glassl, jetzt Studierende im<br />
„Kronberg Academy Master“), hat den<br />
ersten Preis beim 6. Internationalen Yuri<br />
Bashmet Viola Wettbewerb <strong>in</strong> Moskau<br />
gewonnen. Darüber h<strong>in</strong>aus erhielt sie dort<br />
Sonderpreise für die beste Interpretation<br />
des Schnittke-Violakonzerts und für die<br />
beste Aufführung e<strong>in</strong>es Werkes aus dem<br />
20. Jahrhundert.<br />
Vladimir Babeshko, Bratsche (Klasse Prof.<br />
Jörg Heyer), ist der erste Bratschen-<br />
Stipendiat im „Freundeskreis Anne Sophie<br />
Mutter Stiftung e. V.“, unter anderem<br />
verbunden mit Unterrichten und Konzerten<br />
bei und mit der Geiger<strong>in</strong> Anne-Sophie<br />
Mutter.<br />
Christopher Park, Klavier (Klasse Prof.<br />
Lev Natochenny), hat auf se<strong>in</strong>er jüngsten<br />
Korea-Tournee se<strong>in</strong>e Duo-CD „Nore“<br />
mit Richard O’Neill und se<strong>in</strong> Debut-Album<br />
„Russian Transcription“ vorgestellt, beides<br />
unter dem Label der Deutschen Grammophon.<br />
Im Februar spielte er für das<br />
gleiche Label „German Songs“ mit der<br />
Sopranist<strong>in</strong> Sumi Jo e<strong>in</strong>.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Titelmotiv Moritz Pliquet beim Szenischen Abend der<br />
Schauspielabteilung im Herbst 2009<br />
Fotos Björn Hadem (53), Andreas Malkmus (5), Thomas Jürgens (3),<br />
Katr<strong>in</strong> Schander (1)<br />
Layout Opak Werbeagentur GmbH,<br />
Münchener Str. 45, 60329 <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />
Anzeigen Björn Hadem (es gilt die Preisliste 01/2009)<br />
Ersche<strong>in</strong>ungsweise jeweils zu Beg<strong>in</strong>n des Semesters<br />
Druck VARIO PLUS Druck GmbH,<br />
Fl<strong>in</strong>schstr. 61, 60388 <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />
Drittmittelkonto Account for Private funds<br />
Konto 200 138 090, BLZ 500 502 01, Fraspa 1822<br />
Überweisungen aus dem Ausland International Payments<br />
IBAN: DE71 5005 0201 0200 1380 90; SWIFT-BIC: HELADEF1822
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1
0 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 10/1<br />
Michel M.-C. | Pädagogikstudent | Kunde seit 2000<br />
Me<strong>in</strong> Leben, me<strong>in</strong> Sound,<br />
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