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50 Jahre Theater Fauteuil

Jubiläumsbroschüre Fauteuil

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ARCHITEKTUR<br />

Anders und verrückt<br />

Nach einem Brand 1956 überschwemmt<br />

Löschwasser den Keller<br />

des Spalenhofs am Spalenberg. Daraus<br />

entsteht die zündende Idee, den<br />

ehemaligen Käsekeller als <strong>Theater</strong> zu<br />

nutzen. Dreissig <strong>Jahre</strong> später, 1986,<br />

erlebt <strong>Theater</strong>direktor Roland Rasser<br />

erneut turbulente Momente: Das<br />

Gebäude aus dem 13. Jahrhundert<br />

musste von Grund auf sorgfältig renoviert<br />

werden.<br />

Roland Rasser wirbelt herum, auf der<br />

engen Treppe drängen sich Leute und<br />

2<strong>50</strong> von ihnen tragen einen Stuhl bei<br />

sich. Noch bevor erstmals der Vorhang<br />

am 27. November 1957 im neuen<br />

‹théâtre fauteuil› hoch geht, sorgt die<br />

Bestuhlung des <strong>Theater</strong>saals nicht nur<br />

für ein lebendiges Chaos, sondern vor<br />

allem für Schlagzeilen, sogar bis nach<br />

Deutschland. Bei der Premiere des<br />

Gigampfi-Programms ‹Pscht wytersage›<br />

bringt das Publikum Stühle als<br />

Eintrittskarten mit. Zwei Männer in<br />

Anzug und Hut wuchten gar ein geblümtes<br />

Plüschsofa die Treppe ins<br />

umgebaute Kellergewölbe hinunter.<br />

Die charmante Aktion sorgt für<br />

Furore und bringt den <strong>Theater</strong>direktor,<br />

der später am Abend ja noch als<br />

Schauspieler auf der Bühne stehen<br />

wird, ins Schwitzen. 2<strong>50</strong> Leute drängen<br />

sich mit Stuhl in einen Raum, der<br />

letztlich nur Platz für 160 Menschen<br />

bietet.<br />

Begonnen hat alles im Februar 1956:<br />

Nach einer Feuersbrunst stand der<br />

Keller im Spalenhof am Spalenberg<br />

12 unter Wasser. Das brachte die Presseleute<br />

Noldi Köng und Peter Bader,<br />

die den ‹elementaren Schaden› besichtigten,<br />

auf die Idee, <strong>Theater</strong> passe<br />

doch vorzüglich in den grossen<br />

Keller, in dem zuvor Käse eingelagert<br />

gewesen war. Roland Rasser hatte die<br />

Nerven und gründete für sein Cabaret<br />

Gigampfi das ‹théâtre fauteuil›.<br />

Zwar geht die Gigampfi-Gruppe mit<br />

«Das ‹<strong>Fauteuil</strong>› ist winzig. Das gilt<br />

zweitens für seine Bühne und erstens<br />

für seine Finanzen. Hier dreht man<br />

den Rappen nur deshalb nicht zweimal<br />

um, weil für so ausladende<br />

Bewegungen auf den Brettern, die<br />

die Kleinkunstwelt bedeuten, gar<br />

kein Platz ist. Wer also für dieses <strong>Theater</strong> ein Stück<br />

schreibt, muss wissen, dass hier eigentlich gar nichts<br />

möglich ist. Oder noch ein bisschen weniger. Zum<br />

Glück wird dieser Nachteil aber durch einen Vorteil<br />

ausgeglichen: Das ‹<strong>Fauteuil</strong>› ist winzig. Weil man<br />

hier weder Platz noch Geld hat, muss die Fantasie<br />

einspringen. Und die ersetzt mit Leichtigkeit<br />

Prospekte, Maschinen und Subventionen. Und deshalb<br />

ist zum Glück des Stückeschreibers im<br />

‹<strong>Fauteuil</strong>› immer alles möglich. Und noch ein bisschen<br />

mehr.»<br />

Charles Lewinsky<br />

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