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50 Jahre Theater Fauteuil

Jubiläumsbroschüre Fauteuil

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MÄRCHEN<br />

Phasen des Staunens<br />

Die Märchen im <strong>Fauteuil</strong> haben alle<br />

Trends und Ideologien verschiedener<br />

<strong>Theater</strong>epochen und Generationen<br />

überstanden. Noch immer sind sie<br />

Dauerbrenner, noch immer freuen sich<br />

die Kinder und noch immer spielen sie<br />

die Ensembles mit Sorgfalt und Leidenschaft.<br />

Ein Blick hinter die Kulissen:<br />

«Für viele Menschen in der Stadt ist<br />

ein Märchen im <strong>Fauteuil</strong> ihre erste<br />

<strong>Theater</strong>erinnerung», sagt Claude Rasser.<br />

Im Juli in der hochsommerlich<br />

glühenden Innenstadt arbeitet er gerade<br />

daran, die Sprache des Rumpelstilzchens<br />

etwas zeitgemässer zu machen.<br />

Da er nicht ‹gelernter Schauspieler›<br />

sei, kam er eher zufällig durch<br />

seinen Vater Roland Rasser auf die<br />

Bühne und spielt nun seit zehn <strong>Jahre</strong>n<br />

in jeder Produktion mit. Roland<br />

Rasser erzählt dagegen noch von den<br />

Dramen, die sich früher im Hof des<br />

<strong>Fauteuil</strong> abspielten.<br />

«Manche Kinder konnten es nicht fassen,<br />

dass die Vorstellung ausverkauft<br />

war und weinten untröstlich.» Roland<br />

Rasser erinnert sich auch noch an die<br />

Diskussionen in den 70er <strong>Jahre</strong>n, als<br />

man über das ‹<strong>Theater</strong> für Kinder›<br />

diskutierte und dachte, die Grimm-<br />

Klassiker wie Rotkäppchen, Hänsel<br />

und Gretel seien für Kinder nicht geeignet.<br />

Doch die Dialektfassungen<br />

von Jörg Schneider blieben Dauerbrenner.<br />

Experimente mit anderen Stücken<br />

dagegen funktionierten meist schlecht,<br />

da sich das Publikum schlicht die<br />

Klassiker wünschte, diese vermisste.<br />

Lebendige Tradition<br />

«Da hat sich nicht viel geändert»,<br />

erklärt Claude Rassser. Aber dennoch<br />

mache es manche Schauspieler nervös,<br />

für Kinder zu spielen. Die Reaktion<br />

sei viel direkter, er sagt: «Kinder kennen<br />

den höflichen Applaus nicht, sie<br />

reagieren direkt.» Trotzdem unterscheide<br />

sich eine Märchenproduktion<br />

nicht von einer anderen. Die Stücke<br />

würden etwa im sieben-<strong>Jahre</strong>s-Turnus<br />

– eine märchenhafte Zahl – gleich<br />

sorgfältig wie andere Eigenproduktionen<br />

erarbeitet. «Es braucht die gleiche<br />

<strong>Theater</strong>erfahrung, das gleiche Handwerk<br />

und manchmal herrscht bei den<br />

Proben gar noch grössere Unruhe.»<br />

Sicher gebe es Schauspieler, die sich<br />

ernstere Projekte wünschten, doch im<br />

<strong>Fauteuil</strong> sei die Motivation beim eingespielten<br />

Ensemble sehr hoch. «Schon<br />

Regisseur Rolf Lansky und mein Vater<br />

haben die Stücke für Kinder inszeniert.<br />

Es gehört einfach zum <strong>Fauteuil</strong> dazu.»<br />

Kult:<br />

Märchen für Erwachsene<br />

Dass die Vorstellungen für Kinder sehr<br />

ernstgenommen werden, zeigt auch,<br />

dass Regisseur Urs Bosshardt ungefähr<br />

jede zehnte Vorstellung besucht,<br />

um anschliessend das Ensemble auf<br />

allzu grosse Abweichungen hinzuweisen.<br />

«Nach 60 bis 80 Vorstellungen in<br />

einer Saison verändert sich natürlich<br />

einiges», lächelt Claude Rasser. Er<br />

erzählt die Anekdote von einem Ensemblemitglied,<br />

das am Nachmittag<br />

zwei Märchenvorstellungen absolviert<br />

hatte und sich am Abend vor dem<br />

Spiegel am Schminktisch bereits wieder<br />

als Froschkönig schminken wollte,<br />

obwohl als dritte Vorstellung des<br />

Tages eine ganz andere Produktion für<br />

Erwachsene bevorstand.<br />

Auf ähnliche Weise wurde das<br />

Märchen für Erwachsene im <strong>Fauteuil</strong><br />

Kult: Die Abendvorstellung platzte<br />

wegen der Erkrankung eines Darstellers.<br />

Da hatte René Besson die Idee,<br />

nochmals das Märchen vom Nachmittag<br />

zu geben. An diesem Abend<br />

machten die Erwachsenen so begeistert<br />

mit wie die Kinder. So entstand<br />

die Tradition des ‹Märchens für Erwachsene›.<br />

Jedes Jahr, jeweils am 23.<br />

Dezember, spielt das Ensemble eine<br />

Märchenvorstellung am Abend. Ein<br />

Kultanlass, der für die Erwachsenen<br />

Kindheitserinnerungen und Nostalgie<br />

kombiniert und letztlich hohe gesellschaftliche<br />

Bedeutung erlangt hat.<br />

Das erste Stück 1965 hiess ‹Rumpelstilzchen›,<br />

und nach vierzig <strong>Jahre</strong>n<br />

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