stadt:pilot 07 - Das Magazin zu den Pilotprojekten - Nationale ...
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<strong>Das</strong>einsvorsorge regt Kooperationen an<br />
Regionale Strategien im Vergleich<br />
Viele Aufgaben der Stadtentwicklung lassen sich ohne einen Blick über die kommunalen Grenzen hinaus kaum noch<br />
bewältigen. <strong>stadt</strong>:<strong>pilot</strong> sprach mit martina Berger aus dem Coburger Land und Ulrich Kinder aus der region Hannover<br />
über ihre ambitionierten Ansätze <strong>zu</strong>r regionalen Entwicklung.<br />
<strong>stadt</strong>:<strong>pilot</strong>: Ihre Regionen sind ja recht unterschiedlich<br />
strukturiert, wie beeinflusst das die regionale Planung?<br />
Ulrich Kinder: Die Landeshaupt<strong>stadt</strong> und 20 Kommunen<br />
bil<strong>den</strong> seit 2001 das bundesweit einmalige Verwaltungskonstrukt<br />
Region Hannover, so<strong>zu</strong>sagen ein Stadt-Landkreis mit<br />
etwa 1,1 Mio. Einwohnern. Die Metropole Hannover hat in<br />
bestimmten Aufgabenbereichen eine Sonderrolle, aber sie ist<br />
nicht kreisfrei, sondern regionsangehörige Stadt. So eine für die<br />
Regio nalplanung ideale Organisationsstruktur war nur <strong>den</strong>kbar,<br />
weil es Erfahrungen mit gelebter Kooperation gab. Vorläuferinstitutionen<br />
wie ein Ring-Landkreis rund um die Stadt<br />
Hannover und der Kommunalverband Großraum Hannover, der<br />
als Infrastrukturbetreiber für <strong>den</strong> ÖPNV oder die Wirtschaftsförderung<br />
<strong>zu</strong>ständig war, haben die Bildung der Region erleichtert.<br />
Die stark steuernde Regionalplanung ist für Niedersachsen<br />
ungewöhnlich und bereits seit <strong>den</strong> 1960er-Jahren etabliert.<br />
Martina Berger: Im Gegensatz <strong>zu</strong> Hannover liegt die kreisfreie<br />
Stadt Coburg zwar als regionales Zentrum mitten im Kreisgebiet,<br />
sie gehört administrativ jedoch nicht <strong>zu</strong>m Landkreis mit<br />
seinen 88.000 Einwohnern in 17 kleineren Städten und Gemein<strong>den</strong>.<br />
Kooperation ist daher das zentrale Stichwort. Wir verstehen<br />
uns als Dienstleister für die Kommunen und bieten uns als<br />
Plattform für Kooperationen an, auf der überörtliche Themen<br />
wie die <strong>Das</strong>einsvorsorge behandelt wer<strong>den</strong> können.<br />
Kinder: Die Koordination auf großräumiger Ebene ist bei<br />
bestimmten Themen wie der Demografie gar nicht mehr strittig.<br />
<strong>Das</strong>einsvorsorge regt früher kaum vorstellbare Kooperationen<br />
an. So haben bei uns vier Dörfer einer großen Flächenkommune<br />
eine gemeinsame Kinderkrippe aufgebaut.<br />
<strong>stadt</strong>:<strong>pilot</strong>: Standortfragen der <strong>Das</strong>einsvorsorge berühren<br />
<strong>den</strong>noch oft harte kommunale Eigeninteressen.<br />
Berger: Es erfordert kommunalpolitischen Mut, auch Themen<br />
an<strong>zu</strong>gehen und <strong>zu</strong> entschei<strong>den</strong>, die nicht unbedingt populär sind.<br />
Niemand verkündet beispielsweise gerne, dass eine Schulschließung<br />
unvermeidbar ist. Solidarität und Vertrauen sind deshalb<br />
Grundvorausset<strong>zu</strong>ngen: Wenn die Gemeinde weiß, dass schmerzhafte<br />
Entscheidungen durch Entgegenkommen in anderen Bereichen<br />
kompensiert wer<strong>den</strong>, lassen sich auch Kompromisse fin<strong>den</strong>.<br />
Kinder: In der Region Hannover wird der interne Finanzausgleich<br />
zwischen stärkeren und schwächeren Teilräumen<br />
INTErVIEW<br />
umgesetzt, dies ist eine der Grundlagen gemeinsamer Regionalentwicklung.<br />
Die Wahrnehmung eines gemeinsamen Wirtschafts-<br />
und Entwicklungsraums fördert regionale Solidarität.<br />
Wir sehen, dass bei der Politik dieses Verständnis wächst, etwa<br />
wenn sich die gewählten Abgeordneten der Regionsversammlung<br />
als Repräsentanten der Region und nicht allein als kommunale<br />
Interessenvertreter verstehen.<br />
<strong>stadt</strong>:<strong>pilot</strong>: Wie kann man das Thema <strong>Das</strong>einsvorsorge in<br />
regionale Konzepte integrieren?<br />
Kinder: Wir haben ein regionales Einzelhandelskonzept verbindlich<br />
in <strong>den</strong> Regionalplan integriert. Dabei ging es neben der aus<br />
Raumordnungssicht relevanten Steuerung des großflächigen Einzelhandels<br />
auch um herausgehobene Nahversorgungsstandorte.<br />
Es entstehen daneben informelle Strategien, wie man Nahversorgung<br />
abseits der Zentren vor Ort erhält. Da geht die formelle Regionalplanung<br />
direkt in die kooperative Regionalentwicklung über.<br />
Berger: Über die Sozialraumorientierung<br />
in der Kreisentwicklung war bei uns bereits<br />
ein räumlich planender Blick vorhan<strong>den</strong>.<br />
Wir haben dann gezielt versucht, Soziales,<br />
Bildung, Kultur, Wirtschaftsförderung und<br />
Raumplanung in einer integrierten Gesamtperspektive<br />
<strong>zu</strong> erfassen. Um sowohl die Kommunen<br />
als auch die Fachplanungen mit<strong>zu</strong>nehmen, haben wir<br />
die Leitung der acht thematischen Arbeitskreise jeweils einem<br />
Tandem aus einem Gemeindebürgermeister und dem fachlich<br />
<strong>zu</strong>ständigen Mitarbeiter der Kreisverwaltung übertragen.<br />
Die Arbeitsweise ist wie eine regionale Planung angelegt: Wir<br />
schauen uns Standorte, Erreichbarkeiten, Bedarfsprognosen,<br />
Auslastungen und absehbare Veränderungen wie beispielsweise<br />
die Aufgabe von Arztpraxen an und leiten daraus Handlungsmöglichkeiten<br />
ab.<br />
<strong>stadt</strong>:<strong>pilot</strong>: Mit Bürgerbeteiligung auf regionaler Ebene<br />
haben Sie sich eine schwere Aufgabe vorgenommen.<br />
Kinder: Es ist ein Experiment, die Fortschreibung des Raumordnungsprogramms<br />
mit umfangreicher Bürgerbeteiligung<br />
<strong>zu</strong> koppeln. Diese Idee fan<strong>den</strong> auch Dezernenten aus anderen<br />
Bereichen super! Es wurde erkannt, dass es bei diesem Prozess<br />
nicht nur um <strong>den</strong> formellen Plan selbst geht, sondern über die<br />
Diskussion der Regionalentwicklung insgesamt.