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Blogtexte2021_1_12

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Fortschritt. So kritisieren wir den sich zurück

entwickelnden Talibanstaat in Afghanistan

als mittelalterlich. Ein Unkraut frisst die

ganze Region, so scheint es vielen. Unsere

Ordnung, der saubere Garten Demokratie.

Wir werden nicht müde zu stöhnen, Gesetze

müssten auf einen Bierdeckel passen. Nicht

einmal ein islamischer Staat kann darauf erklärt

werden. Und Adolf Hitler als gottloses

Ungeheuer darzustellen, hilft kaum zu verstehen,

was geschah. Gern wird die Zeit des

Nationalsozialismus auf seine Singularität

als bösen Führer reduziert. Das suggeriert,

wir Guten hätten nichts damit zu tun.

# Böses isoliert zu betrachten verkennt, dass

es trotzdem bleibt

Die Gegner der Zigarette sind am Widerstand

rund um den harten Kern der Raucher

festgefahren, welche sich, nicht irritiert vom

Warnhinweis, unbelehrbar dem blauen Dunst

hingeben. Dazu kommen die Tabaksteuer

einziehende Behörden, die mit diesem

Geld wirtschaften. Die Gesundheitsapostel

scheitern an der Gruppe, die unbeirrt frisst

und säuft. Die böse, fette oder süße Nahrung

wird weiter hergestellt. Menschen beziehen

ihren Lohn davon, dass es geschieht. Die

Umweltretter beißen sich am Widerstand

einiger fest, die nicht zurückstecken möchten.

Die gute Gesellschaft verzweifelt an den

Idioten, die (wie ich) sich nicht gegen die

Coviderkrankung impfen lassen, und mehr

davon. Unbelehrbaren nutzt emotional, nicht

mitzumachen. Dieser Lustgewinn erschließt

sich vielen kaum. Die Guten sind immer die

Doofen? Nicht, weil sie übervorteilt werden,

sondern weil ihnen der Horizont fehlt, einer

Lehrmeinung Erfahrung entgegenzustellen.

Nur wer blockieren und schlagen kann, wird

bewusst darauf verzichten. Ein kleiner Anteil

der Bürger entscheidet sich nach Überlegung

für oder gegen eine Empfehlung. Die

anderen wissen nicht, wie verletzend sie

trampeln. Sie meinen hilfsbereit und gut

zu sein oder schlauer als der Rest. Sie sind

doch nur Brei, der gegebenenfalls sonst wo

hin marschiert – wie befohlen.

# Allzumenschliches

Liebe und Nutzen: „Was du von dem Mädchen

wolltest, ist ja klar, aber was wollte

sie von dir?“, werde ich gefragt. Jahre sind

vergangen, und es ist bekannt, dass ich

verheiratet bin. Was wollte – ja, wie soll ich

das sagen? Es scheint so klar nicht zu sein.

Eine große Blase könnte geplatzt sein. Ein

Blockwart hat sich den Schädel verbeult.

Schenefeld ist gerettet, hat mich verändert.

Ich vertraue niemandem, verwahre Emotionen

wie nie zuvor.

Ich lehne andere ab. Freundlich sein, ist

einfach. Was heißt das schon. Ich blockiere,

bin dagegen! Ich gehe nicht zur Wahl, nicht

ins Restaurant, zum Arzt. Ich schneide mein

Haar selbst. Ich respektiere

keine Frau, weil sie eine

ist. Ich achte, respektiere

Menschen – manchmal. Das

kommt auf den einzelnen

Moment und mein jeweiliges

Gegenüber an. Dann bin

ich authentisch und empfinde

Empathie. Eine zarte

Pflanze in meinem Biotop

für schützenswerte Gefühle

mit Seltenheitswert. Ich

missachte aufgezwungene

Regeln. Ich verachte

Polizei, begrüße Attentate

(unsere Lebensweise

kränkt, macht zornig und

verstört), gleich welcher

Motivation und beweine

den Täter anstelle der

„sinnlosen“ Opfer. Ich

erkenne mehr als genug

Sinn im Tod. Gewalt abzulehnen, scheint

mir der krampfhafte Versuch, sie plakativ

auszublenden. Ich verspüre keine Solidarität

mit anderen, nur weil sie Menschen

sind. Ich grenze mich ab. Ich bin gewaltbereit,

wann immer man mir auf die Pelle

rückt, riskiere meine Existenz, statt mich

anzupassen, wenn ich provoziert werde.

# Ich werfe die Gegenwart und jeden

zukünftigen Tag bewusst weg

Ich kann auf eine Zukunft verzichten. Das

bedingungslose Grundeinkommen habe

ich de facto, ohne es gewollt zu haben:

Tod, Nachlass, Streit und endgültiger

Bruch mit der Vergangenheit. Ich hätte

gern auf dem geerbten Land und für unsre

kleine Farm gearbeitet wie bisher. Familie

ist der kleine Tisch. Statt dem fetten

Steinbutt, der uns alle nährte, bedeutet mir

die eigene Scholle heute ein schmales Boot

und ist keinesfalls sättigend aufzuessen. Mir

bleibt als klügste Beschäftigung, im

Hof der selbstgemauerten Wallanlage

Kreise zu gehen. Da türmen sich

übrig gebliebene Brocken, die ich

nicht (auch noch) auf andere werfen

mag, und Frust ist der Zement. Ich

kreiere meine Kunst im isolierten

Kosmos. Anerkennung, entsprechend

meiner Lebensleistung, dem

geschaffenen Œuvre, ist weder zu

erwarten noch ernsthaft wünschenswert.

Dafür müsste ich viel weiter als

über den eigenen Schatten springen

und fühle mich dafür nicht nur zu alt,

entsprechend deprimiert, sondern im

überschaubaren Bereich zu Hause

vergleichsweise frei.

Kapitän auf eigener Leinwand, ein kleiner

König bin ich. Treffender wäre das Eingeständnis,

verkleidet als Farbterrorist durch

das Leben zu schippern. Zur Flucht nicht

mehr fähig, arbeitet hier ein vom Schicksal

unweigerlich eingefangener Sträfling,

welcher nun wirklich gern sämtliche Wände

seiner Zelle bekritzelt. Das ist mein Modell,

dieses Haus im Dorf und den Rest da draußen

zu verstehen, wo die Menschen scheinbar

leicht das Richtige tun. Meine Freiheit

ist die größere! Unbedeutend genieße ich

den Vorteil eines Übungsfeldes, die anderen

nicht zu beneiden, wenn sie wirklich gut

sind und amüsiere mich über unzählige

Spinner in der Szene. Meine Perspektive ist

mitnichten ein Aufbruch. Mich treibt der

Zorn, dicke Mauern stärker zu machen und

Gucklöcher

für

Spanner

zu lassen,

wo es mir

gefällt.

Widerlich

ist die

Verwandtschaft,

wenn

es zu

erben gibt.

Widerlich

hoch zwei

ist die

Politik. Das

ist meine

Meinung

bis vor das

Gericht,

über den Tod hinaus. Hass treibt mich, wenn

ich unter dem Meer fahre. In meinem Alter

ist zu einer noch romantischeren Liebe

suchend aufzubrechen ohne Sinn. Dass wir

ohnehin sterben und das ganz Tolle nicht

kommt, hilft den jeweiligen Tag wahrzunehmen.

Ich begreife mich, und für andere

genauso unser Selbst, in Bewegung – und

unsere aktuellen Möglichkeiten, den Weg zu

gestalten – mehr nicht. Eine Beziehung zum

Drumherum ist bindend hinzunehmen. Aber

nicht bedingungslos. Meine Bedingungen

definiere ich selbst. Damit riskiere ich auch

meine Gesundheit auf meine Verantwortung

hin. Das tun die anderen auch: Die einen

wissen, wie sie etwas tun, die anderen nicht.

Was wir tun, ist nicht so einfach zu bestimmen,

wie wir das machen schon.

Sep 2, 2021 - Leben wie gemalt 98 [Seite 97 bis 99 ]

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