Blogtexte2021_1_12
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wie früher geschieht. Nett zu sein, ist meine
alte Hampelei, die bekannte Maske. Das geht
immer. Ich bin verändert. „Black And Blue“
andersherum. Schwarz ist mein Wesen, und
weiß bleibt meine Haut. Die Revulotion ist
innerlich.
Mit mir geht gar nichts mehr. Da ist kein Chor,
der mich noch als Bass bekäme. Mich schulen
dürfe, endlich verlorene Töne wieder zu
treffen, emotionale Saiten innerlich meiner
Seele anzuzupfen und herzlich Geselligkeit
schenken könne. Singt besser ohne mich,
Leute. Keine ehrenamtliche Vereinsarbeit
geht mit mir. Und kaum mal ein Treffen mit
Segelfreunden, das mich reizen könnte, nehme
ich an. Bald fragen sie nicht mehr. Ich
besuche keine Vernissage, gehe nicht zu Veranstaltungen.
Ich probiere niemals, Partner
für eigene Ausstellungen zu gewinnen. Ich
möchte keine Kooperation. Ich unterrichte
nicht, könnte spenden für dieses und jenes,
mache es nicht. Ich bin der unsolidarische
Bremser. Ich fahre Auto unterhalb
der vorgeschriebenen
Geschwindigkeit, 49 km
pro Stunde in der Stadt, 29
km (stumpf auf voller Länge)
in der langsamen Zone
vor der Kita. Jede gestresste,
typgerecht stylische, modern
und männermordende, frigide
Helikoptermutter, am Ziel
ihres Kinderwunsches nach
Plan angekommen, rotiert
schneller. Ziege unterwegs
im (vom sich abrackernden
Gatten finanzierten) Supersuv.
Ich nötige meine Mitmenschen
durch Einhaltung der
Vorschriften und weide mich
daran, was ich im Rückspiegel
erlebe. Fährt mir eine auf
wenige Meter auf, behalte
ich meinen Abstand zum vorderen
Wagen ungerührt bei.
Nervt es zu sehr, gehe ich rechts raus in eine
Nebenstraße und nehme meine Fahrt im Anschluss
wieder auf. Ich habe mich hinreißen
lassen, bin vernünftigerweise unvernünftig
ausgerastet und probierte, mich gewalttätig
abzureagieren. Ohne Erfolg. Die Welt hat sich
an dieser Stelle nicht geändert. Sie hört nicht
auf, mich zu provozieren. Ich sehe es aber anders.
Gelegentliche Einzelfälle angegriffen zu
werden, wirken undramatisch, im Vergleich
mit der nahen Vergangenheit, die stressig gewesen
ist, weil alles zusammen kam.
# Eine kurze Geschichte der Zeit
Das Erbe meiner Eltern wurde von meiner
Familie mutwillig und bösartig zerschlagen.
Raffgier: Tante, Vetter, Schwester, die klebrige
Melange ist weiter unterwegs. Geht mir am
Arsch vorbei. Schweigen hilft. Parallel: Die
Umgebung von humoriger Vertrautheit mit
den oberen Zehntausend hier aus dem Dorf
ist restlos und vollständig zerstört. Ich sei
selbst schuld daran, sagen sie. Ein Trümmerfeld
kaputter Beziehungen. Sie haben alle
ihren Spaß gehabt, sage ich. Schweigen hilft,
Teil zwei. Fortsetzung folgt. Meine Bereitschaft,
interessiert der Politik zu folgen, die
Demokratie zu stützen, ist dahin. Mein Vertrauen
in den Staat, die Polizei, Hilfe durch
das System der Ärzte und Therapeuten in der
Not annehmen zu können, habe ich grundsätzlich
verloren. Ich gehe nicht freiwillig,
aus eigenem Antrieb, mit irgendwelchen
Beschwerden
zum Arzt. Ich ertrage, warte
ab, nehme Einschränkungen
hin. Da muss mich schon
der Notarztwagen holen,
den sonst wer ruft, wenn ich
mich in Schmerzen krümme?
Ehe, Familie – der Rest einer
klein gewordenen Welt. Meine
Fehler muss ich als keine
darstellen, sonst wär’ ich tot.
Meine Kunst? Die aufrichtige
Beziehung zu einer wunderbaren
Freundin entpuppt sich
als Eingangstor zur digitalen,
asozialen Hölle, die andere
so lieben. Das ist mir nun
reichlich wurscht: Malen hilft.
Ziviler Alltag ist nicht Krieg. Keine Maschinengewehre
im Verbund, keine Feuerstöße
aus der Uzzi, keine drohende Panzerkette am
Horizont. Einzelfeuer versprengter,
im Feld verlorener
Hohlköpfe ist hinzunehmen.
Das zusammenhängende
Bild gemeinschaftlicher Boshaftigkeit
ist in den lockeren
Haufen zufälliger Ärgernisse
zerfallen. Pfosten stakt auf
Krücken, „Coole Brille“ informiert
– und Bartels spielt
Omi; wer das braucht? Paranoia
für Anfänger. Ich schaffte,
ein Puzzle zu begreifen
und konnte es auseinander
dividieren. Es gelingt mir
nun oft, Idioten Stand zu halten.
Tatsächlich, ich lernte,
Frauen sind um nichts besser
als Männer.
Ich hasse andere Menschen
pauschal so sehr, dass ich es
nicht mehr bemerke, empfinde
mich als ausgegrenzt und
habe, dauerhaft verstört und
verletzt, ein Prinzip draus gemacht. Ich spiele
mich gut genug, nett. Ich empfinde nichts.
Nicht einmal am eigenen Nervenkostüm bin
ich besonders interessiert. Flippe ich aus,
geschieht es, ohne dass es mich lang stört.
Der Anwalt mag es richten. Ich lebe, mehr
nicht. Ich passe meine Meinung nicht an. Ich
ändere mich nur, wenn ich’s selbst entscheide,
bin gern dumm, weil ich es will. Zorn gehört
dazu? Im schlimmsten Fall saufe ich ab,
wie der alte Ahab mit seinem Walfischbein.
Er nimmt die ganze Mannschaft mit in den
Tod für seine ignorante Rache. Ein Vorbild?
Besser Melville folgen: Es hilft mir, meinen
Hass zu begreifen, in Worte und Gedanken zu
gießen. So male ich, schreibe und bleibe notgedrungen
fröhlich am Leben.
# Trotz
Es geht nicht um
verbotene Vergleiche
mit der bösen
Nazizeit, oder dass
alles anders sei,
weil früher Dumme
den Bösen nachliefen
und heute
Dumme das Gute
verhinderten, weil
sie gerade nicht
mitmachten. Es
zeigt sich einmal
# Statistik
mehr, wie viel Dynamik
eine Gruppe
entwickelt, wenn
sie sich erst formen
kann. Und das gibt
es tatsächlich zum
Guten hin, wie etwa
sinnvolle Revolutionen
gezeigt haben.
Dann muss es der
Masse aber erkennbar
schlecht gehen.
Das ist bei uns nicht
der Fall. Wir sind
wohlstandskrank,
aber nicht coronakrank.
Jeden Tag haben deutlich mehr als tausend
Personen einen zumindest leichten Unfall im
Straßenverkehr bei uns. Jeden Tag infizieren
sich einige tausend Menschen neu mit Covid.
Andere Zahlen: Einer von hundert ist schizophren.
In einen Gelenkbus vom Hamburger
Verkehrsverbund passen 105 Personen. Ein
Verrückter befindet sich in jedem Bus, wenn
das Fahrzeug randvoll im Feierabendverkehr
unterwegs ist. Heute werden gut dreitausend
tägliche Neuinfektionen mit dem Corona-Virus
gemeldet. Tendenz steigend. In Deutschland
leben 80 Millionen Menschen. Zum
Vergleich: Ein Prozent davon ist schubweise
oder dauerhaft psychotisch krank. Das sind
wohl reichlich mehr, als die derzeit täglichen
etwa dreitausend mit Corona Infizierten,
Spreader der Krankheit, denen wir in die Statistik
der Erkrankten folgen dürften, sollten
wir ihnen zu nahe kommen. Doch schlimmer?
Wir sollten sie vorsorglich doppelt rechnen,
jeder wurde angesteckt. Wir könnten den sich
neu infizierenden Pechvögeln begegnen und
zusätzlich denen, die diese gerade ansteckten?
Gefährlich ist die Mathematik in den falschen,
querdenkenden Händen und Hirnen.
Äpfel und Birnen sind wieder unterwegs. Ein
Milchmädchen rechnet wie ein Kunstmaler,
und das bin ich.
Gut zwei Millionen Verkehrsunfälle im Jahr
werden in Deutschland registriert. Das sind
sechstausend Mal „Bumm“ am Tag. Ich fahre
Auto, Fahrrad und gehe zu Fuß am Straßenrand.
Mein Risiko seit Jahren, ich bin nicht
unbeschadet davongekommen. Wie oft passiert
etwas im Verkehr, und wen traf ich mit
dem schlimmen Covid selbst an; ich probiere,
den eigenen Vergleich zu kreieren. Was ich
noch weiß: Ich habe direkt nach dem Führerscheinerwerb
einen Spiegel bei einem
parkenden Fahrzeug abgefahren. Ich war mit
dem Fisch-Bulli auf der Bahnhofstraße in
Wedel zu forsch gewesen. Ach ja, und dafür
kann ich ja nichts: Mit Greuli, dem Grafiker
bei Schlotfeldt, drehte ich einen Kreis auf der
Rothenbaumchaussee,
da war es glatt
und das Auto voll
mit vier Personen.
Ich war Praktikant,
nur Beifahrer und
wohl gerade achtzehn
geworden. Es
gab nicht einmal
einen Blechschaden,
glaube ich.
Bundeswehr: Mit
dem schweren MAN
unterwegs, schlug
mir ein Ast der seit-
Jul 29, 2021 - Veränderung im Volksgemurmel 77 [Seite 75 bis 79 ]