Blogtexte2021_1_12
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etwas aus seinem Leben zu machen, den Sinn
zu suchen, Bewusstheit zu entwickeln, mitzulaufen
oder gegenzuhalten. Nur der Rahmen
ist detaillierter, das gesellschaftliche Netz ist
dichter. Das gibt stützenden Halt und andererseits
bedeutet es Bindung, die unsere Freiheit
begrenzt. Wir tragen den Colt nicht offen
im Holster. Dass wir bessere Menschen seien
als frühere, die Hexen noch verbrannten, meinen
welche. Jedenfalls ist es uns schwieriger
gemacht worden von
denen, die es mitansehen
mussten. Wir
erbten den demokratischen
Staat.
Heute sitzt manche
Hexe oben im Rathaus;
wir schmeißen
kraftlos einen Farbbeutel
dagegen. Gut
und Böse sind nicht
abgeschafft in der
Moderne, die Rollenverteilung
ändert
sich, das ist der
Fortschritt.
Googelt man es mit
dem Übersetzer,
kommt als Antwort
eine zweifache auf
deutsch. Links, im
englischen Bereich,
frage ich: „Follower?“
Es erscheint: „Anhänger“ bzw. „Anhängerin“ in
der maskulinen und femininen Form erklärt
als Übersetzung. Anhänger*Innen hängen
sich dran, sie laufen nicht mit, sie werden
mitgeschleift oder gezogen im Wagen. Dafür
ist kein eigener Antrieb vonnöten, nur der
feste Griff nach dem Stern.
Ich erinnere (etwas abschweifend) an dieser
Stelle meinen Vater. Er war der Auffassung,
„Deutsche“ seien obrigkeitshörig und verwies
gern auf den Film „Der Hauptmann von Köpenick“.
Nun war es nicht eine Obrigkeit, die
unsere Sprache verdoppelte. Das Gendern
hat sich vom kurzen Rasen, flach am Boden
des rasenden Weibervolkes, hochgearbeitet.
Vorbei an der Gras- und Blinddarmnarbe, den
wegrasierten Schamhaaren der missachteten
Frauen, die wie kleine Mädchen aufgeilen
möchten? Und doch respektiert sein, wie erwachsene
Königinnen und richtige Männer
in der echten Wirtschaft. Es durchströmt das
Wollen der Weiber, die blauen wie roten Arterien
aller Geschlechter.
# Da rinnen Reden durch Regen und Regenrinnen
in kanale Tuben, treiben verbale Motore
und Moderatorinnen, virale Wortungethüme
zu spucken ...
Ein Sprachunkraut gilt jetzt als Zierpflanze.
Aber mein Vater (in memoriam) liefert auch
hier die Antwort. Die Deutschen hätten sich
Adolf Hitler selbst gewählt, betonte er oft.
Erich hatte erfahren, dass nicht ein Böser
allein schuld gewesen ist, wie man es mich
in der Schule lehrte. In den Siebzigern verurteilte
man die Altnazis nicht. Erst die
fünfunddreissigjährigen Staatsanwältinnen
von heute, sie greifen durch und suchen die
letzten Überlebenden heim, sie gerade noch
rechtzeitig anzuklagen. „Mutig gegen Extremismus“,
schreibt die brave Abiturientin ein
Buntstiftessay nieder, ohne erfahren zu haben,
was weh tut. Gut und besser ist die junge,
juristisch gewiefte Frau heute, die noch
eine Oma wegsperren kann.
# Mitlaufen
Es ist wohl so, dass ein Verhaltenskodex ganze
Gruppen erfassen kann und diese nun Mitschnackerqualitäten
entwickeln, die nicht nur
rechthaberisch sind, sondern zu Recht und Gesetz
geformt, wirklich Druck machen. Eine latente
Bereitschaft, den Nachbarn zu gängeln,
wenn es einen verbalen Hebel dafür gibt, ist
typisch bei uns. Kleine, harmlose Änderungen
kommen sowieso vor. Ein schleichender Prozess,
auch in der Sprache, ist ja nicht grundsätzlich
schlecht. Alles ändert sich, und das
ist auch gut so. In diesem Zusammenhang ist
es vielleicht (weiter schweifend) interessant
zu erwähnen für nicht Maritime, dass während
meiner Jugend alle Bücher, in denen das
Kap Horn beschrieben wurde, dieses nun neu
und anders als in älteren Ausgaben als Kap
Hoorn bezeichnet wird. Das wiederum regte
meinen Großvater auf. Er hatte ein Problem
und Diskussionen im Verlag bei seinem Titel
„Mit der Pamir um Kap Horn“, den er nicht verhunzt
haben wollte. Die ganze Welt schriebe
es mit einem „o“, nur wir Deutschen würden
so ein Geschieß machen wegen der Holländer.
Es sei eine harte Ecke, segelnd schwer zu
schaffen, und der Seemann sage, er habe „die
Horn“ gerundet, the horn. „Hoorn“, namensgebend,
entsprechend der Stadt in den Niederlanden
aus der die Entdecker kamen, mache
es weich im Klang. Mein Opa rollte nun das
„r“ kurz und scharf,
stieß das Wort aus
wie eine Harpune.
Er machte gern
klar, wie das klingen
müsse: Horn =
hart. Mein Großvater
war nicht „in die
Partei eingetreten“,
als es alle machten,
und nicht nur das
habe ihm die Karriere
bei der Hapag
versaut, meinten
Angehörige.
Der vorauseilende
Gehorsam wäre
dem Deutschen typisch,
das Volk der
Denunzianten sind
wir? Erfinden Probleme,
wo noch keine
sind, entwickeln Vorschriften, die es nicht
braucht. Deutsche retten, wo es geht, das
Gute, sind es selbst. Da gibt es schnell den
Willi(gen), der darauf hinweist, jemand habe
Regeln gebrochen. Die Deutschen benötigen
zwei Worte, Bürger und Bürgerinnen, wir vereffen
die Schifffahrt dreifach korrekt in der
Mitte – bis wir uns unseren Turm zu Babel (in
Berlin) hin bauen? Und im anarchistischen
Zorn der wackelnden Demokratie preist sich
schließlich ein „Führer“ an, für Ordnung zu
sorgen, Klarheit zu schaffen. Alles wieder wie
früher, wo es noch richtig gewesen sei. Das ist
eine mögliche Zukunft.
Den müssen wir ja nicht wählen. Ich bin prinzipiell
unsolidarisch. Das hat sich erst entwickelt.
Ich gehe grundsätzlich nicht mehr
zur Wahl, bin zum dummen Nichtwähler
mutiert. Ich lasse mich nicht gegen Corona
impfen. Das bin ich ja nicht allein. Wir Verstockten
sind eine größere Gruppe, sollten
möglicherweise ernstgenommen werden wie
Menschen im Rettungsboot, die sich weigern
zu rudern.
Bequemlichkeit, der Vorwurf unsolidarisch
zu sein, was kann helfen? Eine Bratwurst geschenkt
im Impfzentrum, hat manche schon
überzeugt. Das habe ich in einem Beitrag
gesehen; typisch, dachte ich, als ich den
Mann hörte: „Er wäre gerade vorbeigekommen,
und man hätte ihm Grillwurst und Moderna
geboten; prima! habe er gemeint und
sich einen Ruck gegeben.“ Vielleicht ein von
Spahn bezahlter Statist? Eine Gefahr für das
System sind diejenigen, die nicht mitmachen.
Wie viele Menschen kann eine Gesellschaft
durchschleppen, die grundsätzlich bocken?
Mich hat eine persönliche Erfahrung mit dem
Staat abgebracht vom Pfad der Tugend. Es
bleibt nur zu maulen. Verachtung. Nie wieder
ein Wort mit dieser Frau wechseln, nie wieder
eine Politik, gleich welcher Couleur unterstützen,
und nie wieder eine Beziehung zu
einem anderen Menschen eingehen, die auf
Empathie, Vertrauen setzt. Das ist das Mindeste.
Was soll mir Zukunft und Erwartung
von visionären Zielen, wenn es ohne geht?
Ich bleibe für mich wie Diogenes in der Tonne.
Ich kann Freundschaften (und Ehe) führen
auf der Basis vom gegenseitigen Nutzen. Ich
verzichte auf imaginäre Kraft gemeinschaftlicher
Bande. Niemals romantisch sein ist
möglich. Freunde, Kunden, Vertragspartner:
Wann muss es fertig sein, was kostet es? Das
sind Fakten. Die kalte Welt. Ich bin Arschloch,
wie die in der Partei
oben im Turm und
ihre Freunde. Ich sehne
mich nach einer
Erkrankung, das restliche
Ende meines
Lebens abzukürzen.
Eine schwarzgetönte
Hochglanznelke
wachse aus meinen
Gebeinen. Ein Rest
wird aus der Zukunft,
wenn dich die Obrigkeit
ans Bein pisst.
Der Staat, das ist eine
Frau, die du kennst?
Dann halte Abstand.
Wir sehen in Tunesien,
dass es nicht so
einfach ist, aus einem
arabischen Frühling
eine stabile Demokratie
zu formen, erschrecken mit der Erkenntnis,
dass die Vereinigten Staaten einen
Trump empor brachten, getragen von breiten
Mehrheiten, sollten begreifen, dass auch Europa
und die Bundesrepublik Deutschland
nicht automatisch freie Gesellschaften sind.
Wir machen uns lustig über verschworene
Querdenker, belächeln den smarten Christian
Lindner bei seinen Dauermahnungen? Der
hätte mitregieren können und all das besser
umsetzen können, was er heute kritisiert. Wir,
die wir uns nicht impfen ließen, seien unsolidarisch?
So kämpfen die anderen verbal. Es
geht nicht darum, dass zu impfen gut oder
schlecht sei, oder dass eine Herdenimunität
nötig wäre. Es geht ums Mitlaufen mit den
Schafen in der Herde oder eben nicht. Wer
die Masse als solche sieht, wie ich, weil der
differenzierte Blick auf Einzelne nicht länger
möglich ist, kann nicht solidarisch mittun. Ich
nehme andere nicht mehr als zu respektierende
Individuen wahr, es sind noch „Personen“,
mehr nicht. Ich habe an Empathie verloren,
stelle Freundlichkeit und Humor nur dar,
weil es mir eingefleischt und automatisch
Jul 29, 2021 - Veränderung im Volksgemurmel 76 [Seite 75 bis 79 ]