Blogtexte2021_1_12

03.01.2022 Aufrufe

Angst und Sexualität malen? Mein Thema,das ist Porno, und die Frauen sind unfreiwillig,aber absehbar tot, entstellt mindestens.Das Bild zeigt unabsichtlichen, gemeinschaftlichprovozierten Suizid. Der „tragischeUnfalltod“, das kann wohl nur sein, wenn einBahnarbeiter im Job vom Strom erwischtwird. Die scheinbar alles erklärende, verbalisierendeWelt macht es sich gern leicht. Washaben Jugendliche auf den Wagen verloren?Und die Flut von Nacktbildern heute verstörtÄltere. Das Schimpfen, Ermahnen und nachmehr Sicherheit rufen erklärt nicht die Motiveder untereinander Verstrickten im Netz.Ein gemaltes Bild kann, wie eine Sequenz imTraum, eine andere, umfassendere Sicht bieeinerPerson, dann die Linie der anderen Protagonisten.So geschieht es im Film, im Theaterstück,und so kann man auch zu einemeinzelnen Bild gelangen, mit verschiedenenEmotionen, deren Synthese ein absurdes,formal interessantes Farbgeflecht bildet. DieLogik, nach der wir die Fläche mit den Augenabtasten, folgt unserem Instinkt. ProvozierteBlickführung in der Kunst spielt mit typischenSehgewohnheiten und natürlichemVerhalten. Ob ein Betrachter auf Helldunkel,dynamische Richtungen und Farbgegensätze,Grenzen reagiert, wird zur Basis von Harmonieund Spannung. Das zweite Gleis unsererMotivation, warum wir Dinge anschauen, istunsere emotionale Bewertung, eben nichtnur der Farbstimmung; Themen und intellektuelleInhalte der abgebildeten Objektespielen eine Rolle, ob wir uns für etwas interessieren.In der Malerei haben wir nun dieMöglichkeit, realistische Abbildung auf eineabstrakte Weise im absurden Zusammenhangzu kombinieren und eine individuelle Realitätzu schaffen.# In diesem Jahr war ein Sophie-Scholl-Erinnerungsdatum…Die Widerstandskämpferin wäre jetzt einhundertJahre alt geworden? Gestern kam eineN3-Reportage, eine 101-jährige alte Damebadete an der Holzbrücke in der Förde beiKiel. Dabei hätte Sophie sein können, wennsie nicht unter dem Fallbeil der Nazis getötetworden wäre. Man konnte nicht daran vorbeilesen – in diesem Frühjahr. (Markus Södermachte einen Kniefall). Der Bruder Hans wur-de auch erwähnt, er starb zur selben Stunde.Und wie ich eben auf Wikipedia gelesenhabe, waren sie zu dritt, die für uns gestorbensind. Die weiße Rose.Warum habe ich auch in diesem Jahr keineNotiz vom Bruder Hans Scholl genommen?Und vom Christoph Probst hatte ich noch nieetwas gehört.# „Der Volksgerichtshof verurteilte am 22.Februar 1943 im Schwurgerichtssaal desJustizpalastes in München den 24 Jahre altenHans Scholl, die 21 Jahre alte Sophia Scholl,beide aus München, und den 23 Jahre altenChristoph Probst aus Aldrans bei Innsbruckwegen Vorbereitung zum Hochverrat undwegen Feindbegünstigung zum Tode. DasUrteil wurde am gleichen Tag vollzogen.“ (Wikipedia).Es sind die Bilder von der jungen Frau, dieniemand vergisst, und die bekannten, tapferenSätze. Das kann keiner aushalten, und dasmacht gerade sie zur Ikone.Es trifft ins Herz.Wie primitiv muss der Maler denken, das hierzu vermischen?Denkt, was ihr wollt: seid Follower, Mitläuferirgendwo.Einige Fotos von Sophie sind leicht abrufbar,und manches kam im Boulevard. Ich gebe eszu, ich lese die BILD am Sonntag. Ich besitzekeine nennenswerte Geschichtsliteratur. Ichmag das gar nicht schreiben: Ich habe dasGesicht ständig vor Augen, wie diese Studentinuns ansieht. Da ist einmal ein undramatischesGruppenbild, jeder kennt es. AmSchlimmsten berührt mich das vermutlicherkennungsdienstlich gemachte, dreifachePorträt, das man findet, wenn man googelt.Ich sehe, was der Gefangenen bevorsteht,wenn ich glaube zu sehen, was sie denkt. Jemandhat diese Kamera betätigt. Jemand hatdas Fallbeil niedersausen lassen. Könnte ichdas tun, wer wird Henker von Beruf?Und ich kenne diesen Blick, die Angst, sah esgenau so selbst schon bei einer lieben Freundin– in banaler Situation scheinbar. Das verstört,und das Begreifen kommt spät, zu spätum die Dramatik zu erkennen, einzugreifen.Wir denken: Nazis, das war früher? Geschichte,und heute sind wir klüger, meint man. Aberder Tod ist damals nicht gestorben. Und dieAngst auch nicht.# Ich habe jeden Boden des Anstandes verlassen?ten. Denkschubladen machen es einfach, abersie sind nur eine Erklärung der Realität, nichtdie Wahrheit an sich. Wie und warum ein absurdesBild seinen Sinn bekommt, kann einText nur bruchstückhaft wiedergeben. Sichnoch daran aufgeilen, wie krank ist das denn;wie ist es möglich, ein Bild zu kreieren, ausdiesem ekligen Konglomerat von Emotionen?Darum habe ich das begonnen. Weil ichsogar glaube, dass unsere Realität auf dieseWeise stimmt – und was allgemein gesagtwird, ist unehrlich. Üblich ist, unangenehmeGefühle und atypische Kombinationen, übergreifendeQuerverbindungen des Denkens zumaskieren. Bei Empfindungen, die niemandwahrhaben mag, fürchten wir, machte mansie öffentlich, von den anderen abgestraft zuwerden. Alle wollen nur positiv wirken.Und ich denke: des Kaisers neue Kleider, aua.Ich empfinde das normale Tagesgeschehenals verstörend. Gerade wird wieder eine uralteFrau vor Gericht gestellt in Itzehoe. Diehabe Akten im KZ sortiert oder so. Das leseich nicht mehr. Nach Jugendstrafrecht wirdihr Fall verhandelt. Sie sei, als die „Taten“begangen wurden, nicht volljährig gewesen.Man muss Jurist sein, so zu denken. Christusstürze vom Kreuz.# Ich morde auf der Leinwand aus Überzeugung,lebe im normalen IrrenhausIch habe noch dieses Lied im Ohr, der MajorTom im Weltall. Warum driftet seine Kapselweg? Es scheint, als löse sich der Astronautmutwillig ab. Er „zerstöre das Projekt“, wie esim Text heißt, und das Ende bleibt offen.„Mir wird kalt.“Was wäre, wenn ein Raumflieger vom Kursabkommt und nichts dafür kann? Er biegtab, wie die Voyager-Satelliten Schwung holtenam Jupiter. Ein Astronaut verlässt dasSonnensystem, weil’s ihm unausweichlichgeschieht. Verpatztes Billard. Eine spontaneBegegnung, das Schicksal selbst ist schuld.Die Leere ausserhalb der bekannten Bahnenwäre unfassbar. Nur zwischen Galaxien ist esnoch um ein Vielfaches einsamer? Die Zeitwürde vergehen, es käme dem Flieger endlosvor, nie mehr trifft er auf andere. Sein Bruchmit der Vergangenheit ist unumkehrbar. DerTod ist ewig. Der Horizont steht fest. Die Aussichtdarauf, später dem Mâitre d’ Hotel in Hamiltonoder anderswo zu begegnen, sich einZimmer im Paradies zu nehmen, geschweigedenn eine süße Alien irgendwo da draußenzu finden, gibt es nicht.Ich habe nachgedacht. Es kommt eine Zeit imLeben, da ist es zu spät für Liebe.Fernsehen, in die Ferne schauen, Zukunft –was ist das? Gestern die Alte, in der SeebadeanstaltHoltenau, wie sie ins Wasser klatscht,wo sie bereits als Kind gebadet hat. Als ich’ssah, wusste ich wieder genau, warum ich diesesbeknackte, absurde, kindisch blöde, verboteneBild malen will.Ich bin doch nicht bescheuert.:)Jul 18, 2021 - Ich bin nicht bescheuert 74 [Seite 71 bis 74 ]

Veränderung im VolksgemurmelJul 29, 2021Niemandem ist geholfen, eine überschäumendeGlosse mit wiederkehrenden Erzählfragmentenzu lesen, das weiß ich schon. Aberzu schreiben hilft dem, der es tut. Jedes Jahrwiederholen sich Wetterperioden, das ist auchneu und vertraut zugleich. Ein gefährlicherBeigeschmack hat sich in die Beobachtungder Extreme, unser Schietwetter eingeschlichen?Das Vertrauen ist erschüttert: Es gibtsie wirklich, die Klimakatastrophe. Da wechseltdie mediale Angst zwischen der Pandemieund der neuen Bedrohungslage am Himmelhin und her. Die moderne Sintflut wirdnicht vom queeren Regenbogen gestoppt.Das ist kein Thema für einen Schlagermove.Spaßgesellschaft war gestern, KanzlerkandidatLaschet hatte seinen Fettnapf. Niemandlacht ungestraft angesichts der Katastrophe.Es sei denn, unbemerkt vor dem Fernseher zuHause? Aber keiner pupt noch ungehört. Dassoziale Ohr wächst aus jeder Alex, die es hinausträgtzu besseren Menschen, die sich gerndaran weiden. Das kollektive Netz wird eng.Wir stricken uns eine Solidaritätsschlinge,hängen uns rein, machen den Sack zu.Harmlos waren die Klagen früher: „Wannwird’s mal wieder richtig Sommer“, fragteseinerzeit unverwechselbar der beliebte EntertainerRudi Carrell; und heute jammernmanche, wie lange es dauern mag, bis alleswieder so ist wie vor der Pandemie? Musikhilft immer. Jazz etwa, ist eine Inspiration,weil diese Musik sich mit jedem neuen Spielerfindet wie eine gute Kunst auf der Leinwand.„What’s New?“, ist ein Standard. Einerhetorische Frage! Neue Probleme und neueAntworten sind Alltag. „The New Standard“,heißt ein Album von Herbie Hancock. Undauch im schönen „There’ll Be Some ChangesMade“, weist ein alter Titel im Jazz von1921 (ein „Standard“) darauf hin, dass es gelegentlichÄnderungen gibt in der Musik, derKunst, im Einzelnen und in der Routine einerGesellschaft; nicht zuletzt in Beziehungenüberhaupt.Aktuell machen wir eine Phase des Umbruchsdurch. Klimadrama und Pandemie halten dieGesellschaft in Atem. Das ändert alles imGanzen und auch Einzelne finden neue Wegefür sich. Es gibt kein Zurück. Was es mit unsmacht, hängt ab von unserer persönlichenSituation. Menschen, diesich nicht gegen Corona impften,handelten unsolidarisch, meintman neuerdings. Vor kurzem gabes keine breite Mehrheit für dieseAnsicht. Das hat sich geändert.Etwa die Hälfte der Bevölkerungist geimpft. Diejenigen, die weiterbeschwören, es würde auch zukünftigkeine Verpflichtung dazu geben,wirken bereits bemüht. Wir sindzu einigem verpflichtet, besitzenbeispielsweise einen Ausweis undzahlen Steuern. Wir sind in Solidaritätverbunden, die Verkehrsregelneinzuhalten, und viele ignorierendas. Alle sind aufgefordert, den Müllkorrekt zu entsorgen, aber es liegt ständigAbfall auf den Wegen. Egomanisches und unsolidarischesVerhalten ist ganz normal. Wirbenötigten den Staat und die Polizei nicht,hielten sich alle an das, was richtig ist. Darüber,was das ist, kann zudem noch gestrittenwerden.# Das ist unsere moderne FreiheitSich eine Spritze geben zu lassen, mit etwas,dass man nicht möchte, ist einfach zu verhindern.Kein Arzt setzt das Ding mit Gewalt an,und der widerspenstige Bürger würde vonHelfern festgehalten, sie kommen mit derPolizei zu dir nach Hause? Nein, so ginge esnicht. Käme die Pflicht, sich impfen zu lassen,müssten neue Gesetze geformt werden. EinStreitthema! Aktuell wird gern von der Impfpflichtdurch die Hintertür gesprochen, wennes um mehr Freiheiten für Geimpfte geht, undgenauso würde die gesetzliche Impfung auchvorgehen, nur umgekehrt: Freiheitsentzugoder alternative Strafen drohten denen, diees nicht machten.Es müsste eine rechtliche Grundlage geschaffenwerden. Das bedeutet, was heute Unrechtist, muss zum Richtigen umerklärt werden.Dem dürften sich einige Juristen und Politikervehement entgegenstellen. Fände sichdie Mehrheit doch, hieße es, wir seien Rechtsstaatund die Chinesen beispielsweise nicht,weil bei uns demokratisch die Gesetze geändertworden wären. Eine Bewegung vom Volkausgehend? Dazu müsste eine Welle wechselnderStimmen, hin zur neuen Ansicht unddem deswegen geänderten Regierungswillenbeobachtet werden, die reflektiert zeigte,wir wollten es selbst so. Letztlich würdeder Beweis erbracht, dass Demokratie funktioniert.Um so eine neue, alternative Wahrheitzu schaffen, worin das Recht und damitdie richtige Weise sich zu verhalten besteht.Eine ausgehandelte Pflicht kommt zustande,indem die neue Ansicht durch überzeugteBürger in die Masse einsickert. Das hieße,wir würden sehen, dass die Bereitschaft gegeneine Impfpflicht zu demonstrieren, kleinerwürde, bis sie als Sand im Getriebe, derhinzunehmen ist, übergangen werden kann.Das müsste Grusel auslösen, bei denen, die esgewohnt sind, gegen Atomkraft zu demonstrierenoder Friedensmärsche planen. Vielehaben schon zurückstecken müssen.Frontal mit der Spritze in der Hand, kommtmir kein Arzt ins Haus. Erzwungene Herdenimmunitätmittels Impfung hieße, mangängelte die verstockten Böcke, schließlichselbst hinzugehen. Erst kostet der Test, dannverlierst du den Job. Steht das neue Rechtendlich, droht Ungeimpften die Geldstrafe,zum Schluss tatsächlich das Gefängnis. Werauf dem Weg dorthin noch weiter ausflippt,den steckt man in die Klappse. Und dortkommt der Knackidoktor tatsächlich mitseinen Schergen. Die Unfreiheit marschiertimmer erst durch die Hintertür. SchleichendeEinbrecher mutieren zu eloquenten Sozialarbeitern.Geschulte Berufsredner manipulierenaus dem guten Grund, nicht hinter diestramm gelenkten Demokratien der anderenzurückfallen zu dürfen, mit unserem zerstrittenenSystem. Der Altkanzler mahnt zu Recht,man dürfe nicht ständig die bösen Staatenbelehren: „Mit wem soll Deutschland dannnoch Handel treiben?“, fragt Gerd Schröder.Schimpfen und anprangern sei falsch, endloseDiskussionen stören die gesunde Funktioneiner Gesellschaft, meinen nicht wenige.Politikprofis müssen uns einnorden, damitDeutschland weiter funktioniert. Sie tretenim Fernsehen auf, kommen bald wie Drückeran deine Haustür. Auf „die Rente isch sicher“,folgt „Impfstoffe sind sicher“, bis das Viehin blökender Herde ausreichend willig zumSchlachter läuft. Hier und da noch knüppeln,ist die neue Partei oder Meinung etabliert,schlägt das Gewaltmonopol endlich frechvon vorne zu. Die hässliche Fratze Staat.Der Vorwurf, unsolidarisch zu sein, ist zunächstein verbaler Angriff. Das ist das Gegenteil vonMotivation, die auf eine positive Weise anderemitnimmt. Eine Drohkulisse unterstütztdie Mahner. Wir leben noch immer, wie schonzur Zeit der Nationalsozialisten oder als eineMeute forderte, Jesus zu kreuzigen, in einerGesellschaft der Mitläufer. Dieses Wort warverpönt, als ich jung war. Heute ist das englischeFollower etabliert. Justiz ist anstellevon Lynchjustiz getreten, und das Recht gewährtdem Angeklagten einiges. Strafen fallengeringer aus, als es der Mob verlangt. DerEinzelne ist aber nach wie vor aufgefordert,Jul 29, 2021 - Veränderung im Volksgemurmel 75 [Seite 75 bis 79 ]

Veränderung im Volksgemurmel

Jul 29, 2021

Niemandem ist geholfen, eine überschäumende

Glosse mit wiederkehrenden Erzählfragmenten

zu lesen, das weiß ich schon. Aber

zu schreiben hilft dem, der es tut. Jedes Jahr

wiederholen sich Wetterperioden, das ist auch

neu und vertraut zugleich. Ein gefährlicher

Beigeschmack hat sich in die Beobachtung

der Extreme, unser Schietwetter eingeschlichen?

Das Vertrauen ist erschüttert: Es gibt

sie wirklich, die Klimakatastrophe. Da wechselt

die mediale Angst zwischen der Pandemie

und der neuen Bedrohungslage am Himmel

hin und her. Die moderne Sintflut wird

nicht vom queeren Regenbogen gestoppt.

Das ist kein Thema für einen Schlagermove.

Spaßgesellschaft war gestern, Kanzlerkandidat

Laschet hatte seinen Fettnapf. Niemand

lacht ungestraft angesichts der Katastrophe.

Es sei denn, unbemerkt vor dem Fernseher zu

Hause? Aber keiner pupt noch ungehört. Das

soziale Ohr wächst aus jeder Alex, die es hinausträgt

zu besseren Menschen, die sich gern

daran weiden. Das kollektive Netz wird eng.

Wir stricken uns eine Solidaritätsschlinge,

hängen uns rein, machen den Sack zu.

Harmlos waren die Klagen früher: „Wann

wird’s mal wieder richtig Sommer“, fragte

seinerzeit unverwechselbar der beliebte Entertainer

Rudi Carrell; und heute jammern

manche, wie lange es dauern mag, bis alles

wieder so ist wie vor der Pandemie? Musik

hilft immer. Jazz etwa, ist eine Inspiration,

weil diese Musik sich mit jedem neuen Spiel

erfindet wie eine gute Kunst auf der Leinwand.

„What’s New?“, ist ein Standard. Eine

rhetorische Frage! Neue Probleme und neue

Antworten sind Alltag. „The New Standard“,

heißt ein Album von Herbie Hancock. Und

auch im schönen „There’ll Be Some Changes

Made“, weist ein alter Titel im Jazz von

1921 (ein „Standard“) darauf hin, dass es gelegentlich

Änderungen gibt in der Musik, der

Kunst, im Einzelnen und in der Routine einer

Gesellschaft; nicht zuletzt in Beziehungen

überhaupt.

Aktuell machen wir eine Phase des Umbruchs

durch. Klimadrama und Pandemie halten die

Gesellschaft in Atem. Das ändert alles im

Ganzen und auch Einzelne finden neue Wege

für sich. Es gibt kein Zurück. Was es mit uns

macht, hängt ab von unserer persönlichen

Situation. Menschen, die

sich nicht gegen Corona impften,

handelten unsolidarisch, meint

man neuerdings. Vor kurzem gab

es keine breite Mehrheit für diese

Ansicht. Das hat sich geändert.

Etwa die Hälfte der Bevölkerung

ist geimpft. Diejenigen, die weiter

beschwören, es würde auch zukünftig

keine Verpflichtung dazu geben,

wirken bereits bemüht. Wir sind

zu einigem verpflichtet, besitzen

beispielsweise einen Ausweis und

zahlen Steuern. Wir sind in Solidarität

verbunden, die Verkehrsregeln

einzuhalten, und viele ignorieren

das. Alle sind aufgefordert, den Müll

korrekt zu entsorgen, aber es liegt ständig

Abfall auf den Wegen. Egomanisches und unsolidarisches

Verhalten ist ganz normal. Wir

benötigten den Staat und die Polizei nicht,

hielten sich alle an das, was richtig ist. Darüber,

was das ist, kann zudem noch gestritten

werden.

# Das ist unsere moderne Freiheit

Sich eine Spritze geben zu lassen, mit etwas,

dass man nicht möchte, ist einfach zu verhindern.

Kein Arzt setzt das Ding mit Gewalt an,

und der widerspenstige Bürger würde von

Helfern festgehalten, sie kommen mit der

Polizei zu dir nach Hause? Nein, so ginge es

nicht. Käme die Pflicht, sich impfen zu lassen,

müssten neue Gesetze geformt werden. Ein

Streitthema! Aktuell wird gern von der Impfpflicht

durch die Hintertür gesprochen, wenn

es um mehr Freiheiten für Geimpfte geht, und

genauso würde die gesetzliche Impfung auch

vorgehen, nur umgekehrt: Freiheitsentzug

oder alternative Strafen drohten denen, die

es nicht machten.

Es müsste eine rechtliche Grundlage geschaffen

werden. Das bedeutet, was heute Unrecht

ist, muss zum Richtigen umerklärt werden.

Dem dürften sich einige Juristen und Politiker

vehement entgegenstellen. Fände sich

die Mehrheit doch, hieße es, wir seien Rechtsstaat

und die Chinesen beispielsweise nicht,

weil bei uns demokratisch die Gesetze geändert

worden wären. Eine Bewegung vom Volk

ausgehend? Dazu müsste eine Welle wechselnder

Stimmen, hin zur neuen Ansicht und

dem deswegen geänderten Regierungswillen

beobachtet werden, die reflektiert zeigte,

wir wollten es selbst so. Letztlich würde

der Beweis erbracht, dass Demokratie funktioniert.

Um so eine neue, alternative Wahrheit

zu schaffen, worin das Recht und damit

die richtige Weise sich zu verhalten besteht.

Eine ausgehandelte Pflicht kommt zustande,

indem die neue Ansicht durch überzeugte

Bürger in die Masse einsickert. Das hieße,

wir würden sehen, dass die Bereitschaft gegen

eine Impfpflicht zu demonstrieren, kleiner

würde, bis sie als Sand im Getriebe, der

hinzunehmen ist, übergangen werden kann.

Das müsste Grusel auslösen, bei denen, die es

gewohnt sind, gegen Atomkraft zu demonstrieren

oder Friedensmärsche planen. Viele

haben schon zurückstecken müssen.

Frontal mit der Spritze in der Hand, kommt

mir kein Arzt ins Haus. Erzwungene Herdenimmunität

mittels Impfung hieße, man

gängelte die verstockten Böcke, schließlich

selbst hinzugehen. Erst kostet der Test, dann

verlierst du den Job. Steht das neue Recht

endlich, droht Ungeimpften die Geldstrafe,

zum Schluss tatsächlich das Gefängnis. Wer

auf dem Weg dorthin noch weiter ausflippt,

den steckt man in die Klappse. Und dort

kommt der Knackidoktor tatsächlich mit

seinen Schergen. Die Unfreiheit marschiert

immer erst durch die Hintertür. Schleichende

Einbrecher mutieren zu eloquenten Sozialarbeitern.

Geschulte Berufsredner manipulieren

aus dem guten Grund, nicht hinter die

stramm gelenkten Demokratien der anderen

zurückfallen zu dürfen, mit unserem zerstrittenen

System. Der Altkanzler mahnt zu Recht,

man dürfe nicht ständig die bösen Staaten

belehren: „Mit wem soll Deutschland dann

noch Handel treiben?“, fragt Gerd Schröder.

Schimpfen und anprangern sei falsch, endlose

Diskussionen stören die gesunde Funktion

einer Gesellschaft, meinen nicht wenige.

Politikprofis müssen uns einnorden, damit

Deutschland weiter funktioniert. Sie treten

im Fernsehen auf, kommen bald wie Drücker

an deine Haustür. Auf „die Rente isch sicher“,

folgt „Impfstoffe sind sicher“, bis das Vieh

in blökender Herde ausreichend willig zum

Schlachter läuft. Hier und da noch knüppeln,

ist die neue Partei oder Meinung etabliert,

schlägt das Gewaltmonopol endlich frech

von vorne zu. Die hässliche Fratze Staat.

Der Vorwurf, unsolidarisch zu sein, ist zunächst

ein verbaler Angriff. Das ist das Gegenteil von

Motivation, die auf eine positive Weise andere

mitnimmt. Eine Drohkulisse unterstützt

die Mahner. Wir leben noch immer, wie schon

zur Zeit der Nationalsozialisten oder als eine

Meute forderte, Jesus zu kreuzigen, in einer

Gesellschaft der Mitläufer. Dieses Wort war

verpönt, als ich jung war. Heute ist das englische

Follower etabliert. Justiz ist anstelle

von Lynchjustiz getreten, und das Recht gewährt

dem Angeklagten einiges. Strafen fallen

geringer aus, als es der Mob verlangt. Der

Einzelne ist aber nach wie vor aufgefordert,

Jul 29, 2021 - Veränderung im Volksgemurmel 75 [Seite 75 bis 79 ]

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!