Blogtexte2021_1_12

03.01.2022 Aufrufe

Die moderne Genderei und überall verlangteFrauenquote finde ich albern, desgleichenKlage um homophobe Äusserungen und denbösen Sexismus. Das ist mir scheißegal. DieVorstellung, meinen Penis bei einem anderenMann in den Hintern zu schieben, ekelt mich.Natürlich ist es furchtbar ausgegrenzt zuwerden. Das ändert nicht, dass die geforderteKorrektheit in allen Themen mit meiner Individualitätunvereinbar bleibt. Ich bin nichtschwul.Ich bin kein Papst und auch nicht modernallen gerecht gegenüber, bin selbstgerechtund entsprechend unfair. Ich bin mir bewusst,dass es Behinderte und Benachteiligte gibt,war selbst schon in der Situation ausgegrenztzu werden. Trotzdem: Ich bin kein, auf welcheWeise auch immer, gezwittertes Wesen mitPenis unten und Titten oben oder nur psychischim falschen Körper gefangen. Darübermache ich mich lustig, wie Proleten, die beiKommentatorinnen im Fußball einen Rappelkriegen. Ich grenze aus und weiß das.Ich gab zu, junge Frauen attraktiv zu finden.Das hat Ärger gegeben! Ich habe mich zumThema Sex und Internet geäußert, betrunkengeschrieben und nüchtern verschickt. Das hatÄrger gegeben. Ich habe entsprechend gemalt,und es hat Ärger gegeben. Frau von derLeyen wollte zu dieser Zeit ein Stoppschild,wie es das bereits in den skandinavischenLändern gebe, und sie hat Ärger bekommen.Die Kommissarin: „Frau von der Leyen istblöd. Wenn ein Bild von uns gelöscht wird,stellt derjenige es eine Minute später aufeiner anderen Seite wieder ein.“ Die Ministerinwechselte oder wurde gewechselt. Nachweiterem Stress auf anderen Positionen istsie nun in einem Amt angekommen, dass ihroffenbar so gut gefällt, wie dem Herrn Steinmeierseines. Mir gefällt, dass ich in mancherHinsicht Recht behalten habe. Durch dasweltweite Netz ist eine nach dem deutschemGesetz nur schwer beherrschbare Situationentstanden. Man kann offensichtlich nichtbestrafen, dass es Nudisten gibt, die ihre Familienackt fotografieren und das posten wieandere ihre Currywurst, die ihnen gerade serviertwird und dergleichen Quatsch. ModerneZeiten schaffen neue Probleme. Na klar, wirbaden alle nackig am Strand, und es werdenFilme gemacht, das verstehe ich schon. Warummuss ich als Papa meine Tochter im Waldfotografieren, die einen Baum toll findet,nackt und in schicken Schuhen, etwa zehnJahre alt? Ich habe die Kommissarin gefragt:„Was ist Kinderpornografie?“ Und sie sagteschroff: „Die Beine breit.“ Das mag dem geneigtenLeser eine Ahnung davon geben, wieschwierig es mit der Gerechtigkeit ist.Die Schülerinnen tragen dünne Hosen heute,und darin sehen sie aus wie nackt. Die sindmit vierzehn Jahren geschlechtsreif, wennnicht früher, und da soll mir jemand erklären,was krank daran ist, wenn ich sie auf die entsprechendeWeise anstarre. Inzwischen gehtes auch unter Gleichaltrigen zu wie bei Huxley(Schöne Neue Welt) vorausgesagt. DasEquipment (in der Gartenlaube) der gesternverurteilten Männer in Münster zeigt aber,was kriminell ist. Das ist eine Dimension vonMissbrauch, die jede Vorstellung sprengt undnicht damit zu vergleichen, dass ein Mannbeginnt Frauen attraktiv zu finden, sobald dieentsprechenden Anreize gegeben sind. Dahat sich einiges geändert. Frau von der Leyenwar und ist nie blöd gewesen. Feige ist, dortzu fischen, wo es vermeintlich einfach ist.Und dagegen muss der Bürger vorgehen, mithelfen.Das ist wichtiger, als zu gendern, undwir sollten unsere Gefühle zunächst kennen,bevor wir probieren, uns pauschal verschubladenzu lassen.Ich gehe nicht mehr zur Wahl, habe beschlossen,mich politisch zu enthalten. Meine Erfahrungenmit der SPD hier vor Ort lassen keineandere Konsequenz zu. Keine soziale Unterstützungfür einen Staat, wie auch immer dersich selbst lobt. Deutschland ist ein tollesLand; ich kann es nutzen. Der Rechtsstaatschützt mich vor einer aggressiven Polizei,auch die Dorfpolitiker stoßen an Grenzen.Das gefällt mir. Die falschen Freunde hierhaben erreicht, dass ich Frauen nicht magund asozial aus meinem Abseits spotte, isoliertbin und radikalisiert, ja gewaltbereit?Die Rufmörder haben es begriffen. Man senktden Kopf, geht mir aus dem Weg und auchich gehe auf die andere Straßenseite, wennmöglich. Andere feixen fröhlich.Ich habe für mich mein eigenes Dorf idiotenfreihinbekommen.Die Gesellschaft hat mich verloren. Corona,ich bin gut informiert, weiß stets detailliert,wie es auf den Intensivstationen in Hamburgläuft. Trotzdem mache ich möglichst keinenSchnelltest und verzichte lieber auf einiges.Ich meide Menschen. Ich trage Maske. Ichgehe nicht ins Restaurant. Ich gehe allein segeln.Ich mache, wenn überhaupt, Urlaub aufFehmarn. Und natürlich lasse ich mich aktuellnicht gegen das Virus impfen. Erst mal abwarten.Das ist mein Recht. Ich habe gelernt,was das wert ist und habe zwei gute Anwälte,ausreichend finanziellen Spielraum. Früherdachte ich ganz anders. Damals vertraute icheinigen Werten und was man so sagt. Ich binheute immer „dagegen“. Deswegen schließeich mich den Spinnern von „Querdenken“nicht an. Ich bin Querulant. Das ist individuell.Ich brauche keine Gesellschaft, die michbestätigt. Ich bin durchdrungen von klammheimlicherFreude, wenn Amtsträger Hauebekommen, bin Rechts- wie Linksanarchistund Farbterrorist ohnehin. Ich bin der gestörteEinzeltäter mit Pinsel. Das haben dieseGutmenschen erreicht.Ich gehe nicht zum Arzt. Warum? Niemanddarf an mich ran. Sowieso: Ich raste aus, wennman mich bedrängt, etwa im Auto hupt, esmüsse schneller gehen und schlage gegebenenfallszu! Ich denke, ich kann das bezahlenund schäme mich nicht für diese Einstellung.Das Gefängnis ist überall. (Ich bin verheiratet).Ich bin grundsätzlich verstört und sehe imHelfer pauschal den Gegner. Macht über Hilfesuchende,Diagnose ist bereits Missbrauch:Ärzte machen Geschäfte mit der Angst; Krebsist eine Firma. Nach monatelangen Schmerzenwar ich im Frühjahr in einer Praxis. DerAufforderung, eine Blutuntersuchung undeinen Termin für eine Magenspiegelung beifachärztlichen Kollegen zu machen, kam ichnicht nach. Ich kann mich nicht überwinden.Mir fehlt das Vertrauen in andere. Ich hattedreißig Tabletten bekommen, und nachdemich drei davon an drei aufeinanderfolgendenTagen genommen habe und es nicht besserwurde, habe ich sie nicht weiter eingenommen.Die Probleme mit dem Magen sind geblieben.Ich kann seit einem Dreivierteljahrkein Bier, geschweige denn Wein trinken,ohne dass es brennt, drückt im Bereich vonMagen und Ösophagus. Ich freue mich darauf,dass es doch noch wieder weg geht, vonallein, und genauso freue ich mich auf denKrebs, falls die Sache schlimmer wird. Es gibt(solange ich nicht nachprüfe) noch unzähligealternative Erklärungen, was die Schmerzenverursacht. Die Vorstellung, eine Krebserkrankungzu bekämpfen, mit den bekanntenStrategien, irritiert und verstört mich, wasbringt das? Genauso die gängige Methode,mit Organtransplantationen im Falle zerstörterKörperteile zu reparieren – und der Gedankedahinter, es sei ein guter Einfall, umnun doch noch länger zu leben – warum langeleben? Das halte ich für eine vollkommenbescheuerte Idee.Zusammengefasst: Weder die alberne Gleichmacherei,die Schwulenlobhudelei, den Coronaquatsch,den Klimawandellaberkram,die Lügenpolitik, die Steinmeierei und Opferscheißemag ich noch hören. Ich verachteWeißkittel, Staat, Polizei. Ich kann mit diesenAnsichten nicht in respektvollen Beziehungenmit anderen sein. Das strebe ich auchnicht an. Ich habe keine Beziehungen mehr,die auf Empathie basieren, glaube ich.Herdenimmunität? Das zeigt, wie Montgomeryund Kollegen uns betrachten. Ich bin keinSchaf. Ich esse welche: Koteletts, Lammkarree,Filet, Hüfte und bei Massim(ilian)o gernauch fette Haxe – wenn nur das mit demBauch nicht wär’ …Verkracht mit der Welt. Ich mochte Rotwein.Nun denn, irgendwann muss jeder gehen. Dasschafft Platz für andere. Da ist keine Kommentarfunktionim Blog bei mir, und es gibtso gut wie keine Mailkorrespondenz. Gut so.Niemand kann vor anderen damit punkten,mir zu sagen, wie verkehrt ich drauf bin, essei denn im echten Leben. Unbeachtet im Kloweggespült gibt es keinen Shitstorm. Ich binin keinem sozialen Netz aktiv und stelle meineBilder nicht mehr aus. Da sind entfernteBekannte, die winken mir zu auf der Straßeund einige langjährige Freundschaften bestehenunverwüstlich. Das muss genügen.Meine liebe Frau ist noch da und schimpft –wie Frauen das ständig tun. So ist wenigstenswas los.:)Jul 7, 2021 - Es tut gleichmäßig weh 64 [Seite 63 bis 64 ]

Man muss zurückschauen könnenJul 10, 2021Heute habe ich etwas ganz Wunderbares erlebt.Ich verlasse gerade unser Einkaufszentrum.Eine Tüte mit Lebensmitteln schaukeltlustig in meiner Hand. Ich sehe wohl rechtvergnüglich aus? Eine junge Frau trinkt „RedBull“ oder ähnliches aus einer Dose in derHand, hält inne und schaut mich lächelnd an.Ich probiere herauszufinden, ob sie was vonmir will und ändere leicht meine Gehrichtungauf sie zu. Ich bin schon fast vorbei, währendwir uns wie Honigkuchenpferde angrinsen.Statt mich nach dem Weg zu fragen, kommtsie ebenfalls näher (ich denke, vielleicht istdie bescheuert). Ein wenig entrückt ist dieserBlick. Ich begreife, wie schön die Unbekannteist.Sie sagt einfach: „Behalt’ dein Lächeln!“Sie hat einen reichlich großen Mund, findeich und überlege, was nicht mit ihr stimmt,antworte aber automatisch und plötzlichvoller Begeisterung: „Ja!“ Ich wundere michüber mich selbst, strahle sie jetzt voll an. Ichregistriere ihre Prinz-Eisenherz-Frisur, denkestill für mich an Amélie (aus dem Film) undirgendwie auch an Imke. Wir haben zusammenstudiert, nur der Mund ist größer. „Einschönes Wochenende dir!“, meint sie, „in diesendunklen Zeiten …“, und schon sind wirauseinander. Ich schaue ihr nach und sage:„Genau so!“ Und noch einmal bekräftige ichlaut: „Ja!“Magisch.Ich erinnere mich, das ist ein Pakt! Er mussaufgefrischt werden, wenn diese Treffenstattfinden. Wir Beknackten sind die Glücklichen,denke ich.# NudgeEs geht mir durch den Kopf: Waren die Zeitennicht immer finster? Wir leben heute und erreichenmorgen die Welt von morgen. Es gibtkein Zurück. Die Hoffnung auf einen Sommerohne allzu viel Corona …Das habe ich gesehen: Ein Containerschiffverlässt Hamburg. Während wir unser Bootim Yachthafen aufklaren, macht jemand einFoto. Die „Ever Gifted“ ist groß wie eine Wand.Zuhause montiere ich den „weißen Schwan“in den Vordergrund, als würde der Riese unserschönes Museumsschiff „Cap San Diego“überholen. Die neue Begegnungsbox vorSchulau ist fertig ausgebaggert. Vielleichtkönnte das tatsächlich so geschehen: Modernetrifft Vergangenheit.Ever gifted, für immer beschenkt.Die Elbvertiefung ist kein lohnendesStreitthema mehr. Die Elbe ist tief. Dasist ein Fakt. Der Streit der Umweltverbändeist Geschichte. Ich blicke zurück,und mein Gegenüber ist die Erinnerung?Ein Geschenk ist, unbelastetzu sein und emotional frei. VerpassteChancen belasten uns. Und banale Bildersind die Kulisse; einige reparierenalte Autos, probieren etwas von früherfestzuhalten, sammeln Fotos. Manchehalten es nicht aus zurückzuschauen!Das ist auch meine Vergangenheit: Diebekannten Schiffe der Hamburg-Südkamen regelmäßig die Elbe rauf, als ich kleinwar. Es gab einige davon. Die waren immerganz sauber und schön. Der schneeweißeRumpf leuchtete schon von weitem, und derrote Streifen quer über der Brücke ist dasMarkenzeichen der eleganten Frachter gewesen.Tatsächlich ein vertrauter Anblick undalltäglich für uns Segler damals.Das war auch gerade: Nicht lang her, der RussischePräsident schrieb in der ZEIT.# 80 Jahre nach dem Überfall auf die Sowjetunion:Wladimir Putin schreibt über seineSicht auf Europas Geschichte und Vorstellungeiner gemeinsamen Zukunft. (…).Putin legt darin auch seine Sicht der jüngsteneuropäischen Geschichte dar. Die Ereignisse2014 in der Ukraine bezeichnet er als vonEuropa unterstützten „Staatstreich“, schreibtvom „Austritt“ der Krim. Die Bundesregierungund die EU dagegen sprechen (wie auch alleKommentatorinnen und Kommentatoren derZEIT) von „Völkerrechtsbruch“ und einer „Annexion“der Krim durch Russland. (Gastbeitragvon Wladimir Putin in der ZEIT, 22. Juni2021).Ich erinnere mich: Putin interpretiere dieGeschichte um, meinte dazu das SchenefelderTageblatt vor kurzem in einer kostenlosenWochenendbeilage. Aber: Der Präsidentschrieb Geschichte; interpretieren kann jeder.# Hell scheint die Sonne in der dunklen ZeitNeue Farben. „Schwarzfahren“ wird bald andersdefiniert. „Man wolle keine rassistischenBegriffe“, das habe ich wo aufgeschnappt. Mitder Bahn nach Wedel: Vergangenen Sonnabendbin ich mit der letzten Flut nach Teufelsbrückgesegelt. „Laroche“ leider geschlossen!Bei mittags einsetzenden Ebbe kreuzteich nett zurück nach Schulau und hatte einenfeinen Sonnenbrand anschließend. Ichvergaß, mich einzucremen. Es heißt, manbekomme Hautkrebs, wenn man sich nichtschützt.# Der Krebs kommt sowiesoNun wurde bekannt, die Creme verursachtselbst auch Krebs, wenn sie vom letzten Jahrist und ein bestimmter (in jeder Sonnencremeenthaltener) Stoff sich inzwischenverflüchtigte. Ein chemischer Prozess, der dasProdukt unbrauchbar macht. Das Übel beginntmit dem Moment der ersten Öffnungder Verschlusskappe und schreitet unaufhaltsamfort, bis man das reinste Gift verteilt,sollte man die Creme noch nach einem Jahranwenden.Das wussten wir ja gar nicht, können nichtsrückgängig machen: Als wir Kinder waren,cremte meine Mutter uns mit einfacher Niveaein. Und das war verkehrt. Oft hattenwir Sonnenbrand. Das ist falsch gewesen?Das hat man uns die letzten zwanzig Jahrestets gesagt, wir hätten nur soundso langjeweils in die Sonne gedurft und den Faktorx je nach Hauttyp regelmäßig nachcremenmüssen. Dann haben wir sparsam immer dieReste vom vorigen Jahr genommen, und wiewir nun seit kurzem, aber rechtzeitig vor diesemSommer wissen, war das auch verkehrt.Und es kann nicht mehr korrigiert werden. Sowie die Geschichte, die bereits geschriebenwurde, von Putin oder der Sonnencremeindustrie.Der Mensch hat die Klimakatastrophe verursacht,das ist nicht nur Geschichte, das istunsere Zukunft. Das kann nicht einmal dierechte Partei uminterpretieren. Die Polizeiwar unser Freund und Helfer. Das ist auchGeschichte.# In Köln verursacht ein Video Aufregung.Eine Verkehrskontrolle lief mutmaßlich völligaus dem Ruder – ein Polizist soll einemAutofahrer Gewalt angedroht haben. DemBeamten drohen Konsequenzen. (…).„Ich wusste nicht, was der mit mir vorhat. Miteinem Video schützte ich mich.“ (…). Der Polizisthabe bei der Verkehrskontrolle gesagt:„Ich würde mir wünschen, dass Sie auf demBoden liegen und ich mit meinen Füßen aufIhrem Kopf.“ Und weiter: „Genauso wünscheich mir, dass alle Salafisten und Rechts- undLinksradikalisten direkt der Blitz treffen würde.“(…). „So was kann man als Polizist doch nichtsagen.“ Ganz ähnlich sieht das auch die stellvertretendeKölner Polizeipräsidentin, diesich im „Express“ so äußerte: „Für derartigeWorte eines Polizeibeamten habe ich wirklichkein Verständnis. Das entspricht nichtdem Bild der Polizei Köln.“ Gegen den Beamtensei ein Disziplinarverfahren eingeleitetworden. (t-online, 10.07.2021).Jul 10, 2021 - Man muss zurückschauen können 65 [Seite 65 bis 66 ]

Man muss zurückschauen können

Jul 10, 2021

Heute habe ich etwas ganz Wunderbares erlebt.

Ich verlasse gerade unser Einkaufszentrum.

Eine Tüte mit Lebensmitteln schaukelt

lustig in meiner Hand. Ich sehe wohl recht

vergnüglich aus? Eine junge Frau trinkt „Red

Bull“ oder ähnliches aus einer Dose in der

Hand, hält inne und schaut mich lächelnd an.

Ich probiere herauszufinden, ob sie was von

mir will und ändere leicht meine Gehrichtung

auf sie zu. Ich bin schon fast vorbei, während

wir uns wie Honigkuchenpferde angrinsen.

Statt mich nach dem Weg zu fragen, kommt

sie ebenfalls näher (ich denke, vielleicht ist

die bescheuert). Ein wenig entrückt ist dieser

Blick. Ich begreife, wie schön die Unbekannte

ist.

Sie sagt einfach: „Behalt’ dein Lächeln!“

Sie hat einen reichlich großen Mund, finde

ich und überlege, was nicht mit ihr stimmt,

antworte aber automatisch und plötzlich

voller Begeisterung: „Ja!“ Ich wundere mich

über mich selbst, strahle sie jetzt voll an. Ich

registriere ihre Prinz-Eisenherz-Frisur, denke

still für mich an Amélie (aus dem Film) und

irgendwie auch an Imke. Wir haben zusammen

studiert, nur der Mund ist größer. „Ein

schönes Wochenende dir!“, meint sie, „in diesen

dunklen Zeiten …“, und schon sind wir

auseinander. Ich schaue ihr nach und sage:

„Genau so!“ Und noch einmal bekräftige ich

laut: „Ja!“

Magisch.

Ich erinnere mich, das ist ein Pakt! Er muss

aufgefrischt werden, wenn diese Treffen

stattfinden. Wir Beknackten sind die Glücklichen,

denke ich.

# Nudge

Es geht mir durch den Kopf: Waren die Zeiten

nicht immer finster? Wir leben heute und erreichen

morgen die Welt von morgen. Es gibt

kein Zurück. Die Hoffnung auf einen Sommer

ohne allzu viel Corona …

Das habe ich gesehen: Ein Containerschiff

verlässt Hamburg. Während wir unser Boot

im Yachthafen aufklaren, macht jemand ein

Foto. Die „Ever Gifted“ ist groß wie eine Wand.

Zuhause montiere ich den „weißen Schwan“

in den Vordergrund, als würde der Riese unser

schönes Museumsschiff „Cap San Diego“

überholen. Die neue Begegnungsbox vor

Schulau ist fertig ausgebaggert. Vielleicht

könnte das tatsächlich so geschehen: Moderne

trifft Vergangenheit.

Ever gifted, für immer beschenkt.

Die Elbvertiefung ist kein lohnendes

Streitthema mehr. Die Elbe ist tief. Das

ist ein Fakt. Der Streit der Umweltverbände

ist Geschichte. Ich blicke zurück,

und mein Gegenüber ist die Erinnerung?

Ein Geschenk ist, unbelastet

zu sein und emotional frei. Verpasste

Chancen belasten uns. Und banale Bilder

sind die Kulisse; einige reparieren

alte Autos, probieren etwas von früher

festzuhalten, sammeln Fotos. Manche

halten es nicht aus zurückzuschauen!

Das ist auch meine Vergangenheit: Die

bekannten Schiffe der Hamburg-Süd

kamen regelmäßig die Elbe rauf, als ich klein

war. Es gab einige davon. Die waren immer

ganz sauber und schön. Der schneeweiße

Rumpf leuchtete schon von weitem, und der

rote Streifen quer über der Brücke ist das

Markenzeichen der eleganten Frachter gewesen.

Tatsächlich ein vertrauter Anblick und

alltäglich für uns Segler damals.

Das war auch gerade: Nicht lang her, der Russische

Präsident schrieb in der ZEIT.

# 80 Jahre nach dem Überfall auf die Sowjetunion:

Wladimir Putin schreibt über seine

Sicht auf Europas Geschichte und Vorstellung

einer gemeinsamen Zukunft. (…).

Putin legt darin auch seine Sicht der jüngsten

europäischen Geschichte dar. Die Ereignisse

2014 in der Ukraine bezeichnet er als von

Europa unterstützten „Staatstreich“, schreibt

vom „Austritt“ der Krim. Die Bundesregierung

und die EU dagegen sprechen (wie auch alle

Kommentatorinnen und Kommentatoren der

ZEIT) von „Völkerrechtsbruch“ und einer „Annexion“

der Krim durch Russland. (Gastbeitrag

von Wladimir Putin in der ZEIT, 22. Juni

2021).

Ich erinnere mich: Putin interpretiere die

Geschichte um, meinte dazu das Schenefelder

Tageblatt vor kurzem in einer kostenlosen

Wochenendbeilage. Aber: Der Präsident

schrieb Geschichte; interpretieren kann jeder.

# Hell scheint die Sonne in der dunklen Zeit

Neue Farben. „Schwarzfahren“ wird bald anders

definiert. „Man wolle keine rassistischen

Begriffe“, das habe ich wo aufgeschnappt. Mit

der Bahn nach Wedel: Vergangenen Sonnabend

bin ich mit der letzten Flut nach Teufelsbrück

gesegelt. „Laroche“ leider geschlossen!

Bei mittags einsetzenden Ebbe kreuzte

ich nett zurück nach Schulau und hatte einen

feinen Sonnenbrand anschließend. Ich

vergaß, mich einzucremen. Es heißt, man

bekomme Hautkrebs, wenn man sich nicht

schützt.

# Der Krebs kommt sowieso

Nun wurde bekannt, die Creme verursacht

selbst auch Krebs, wenn sie vom letzten Jahr

ist und ein bestimmter (in jeder Sonnencreme

enthaltener) Stoff sich inzwischen

verflüchtigte. Ein chemischer Prozess, der das

Produkt unbrauchbar macht. Das Übel beginnt

mit dem Moment der ersten Öffnung

der Verschlusskappe und schreitet unaufhaltsam

fort, bis man das reinste Gift verteilt,

sollte man die Creme noch nach einem Jahr

anwenden.

Das wussten wir ja gar nicht, können nichts

rückgängig machen: Als wir Kinder waren,

cremte meine Mutter uns mit einfacher Nivea

ein. Und das war verkehrt. Oft hatten

wir Sonnenbrand. Das ist falsch gewesen?

Das hat man uns die letzten zwanzig Jahre

stets gesagt, wir hätten nur soundso lang

jeweils in die Sonne gedurft und den Faktor

x je nach Hauttyp regelmäßig nachcremen

müssen. Dann haben wir sparsam immer die

Reste vom vorigen Jahr genommen, und wie

wir nun seit kurzem, aber rechtzeitig vor diesem

Sommer wissen, war das auch verkehrt.

Und es kann nicht mehr korrigiert werden. So

wie die Geschichte, die bereits geschrieben

wurde, von Putin oder der Sonnencremeindustrie.

Der Mensch hat die Klimakatastrophe verursacht,

das ist nicht nur Geschichte, das ist

unsere Zukunft. Das kann nicht einmal die

rechte Partei uminterpretieren. Die Polizei

war unser Freund und Helfer. Das ist auch

Geschichte.

# In Köln verursacht ein Video Aufregung.

Eine Verkehrskontrolle lief mutmaßlich völlig

aus dem Ruder – ein Polizist soll einem

Autofahrer Gewalt angedroht haben. Dem

Beamten drohen Konsequenzen. (…).

„Ich wusste nicht, was der mit mir vorhat. Mit

einem Video schützte ich mich.“ (…). Der Polizist

habe bei der Verkehrskontrolle gesagt:

„Ich würde mir wünschen, dass Sie auf dem

Boden liegen und ich mit meinen Füßen auf

Ihrem Kopf.“ Und weiter: „Genauso wünsche

ich mir, dass alle Salafisten und Rechts- und

Linksradikalisten direkt der Blitz treffen würde.“

(…). „So was kann man als Polizist doch nicht

sagen.“ Ganz ähnlich sieht das auch die stellvertretende

Kölner Polizeipräsidentin, die

sich im „Express“ so äußerte: „Für derartige

Worte eines Polizeibeamten habe ich wirklich

kein Verständnis. Das entspricht nicht

dem Bild der Polizei Köln.“ Gegen den Beamten

sei ein Disziplinarverfahren eingeleitet

worden. (t-online, 10.07.2021).

Jul 10, 2021 - Man muss zurückschauen können 65 [Seite 65 bis 66 ]

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