Blogtexte2021_1_12
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Es tut gleichmäßig weh
Jul 7, 2021
Meckern und töten, böse Welt! Ausgenutzt,
bedrängt und nicht respektiert werden, das
möchte niemand. Tatsächlich ist unser Leben
genauso, dass wir die ganze Zeit angegriffen
werden, wie etwa der Mond von Gestein
getroffen wird und unser Trabant deswegen
mit Kratern übersät ist. Auf der Erde, die unter
dem gleichen Beschuss steht, finden sich
kaum Krater, Spuren dieser andauernden Angriffe
aus dem All. Das liegt an der Atmosphäre.
Die Lufthülle ist nicht nur die vertraute
Basis unseres Alltags, weil wir atmen. Sie ist
das dicke Fell des Planeten, sein natürliches
Immunsystem, das die unzähligen Asteroiden
verglühen lässt, die uns nahe kommen. Luft
ist mehr als nichts. Die rasenden Steine reiben
sich im Bereich unserer Atmosphäre an
winzigen Partikeln. Reibung erzeugt Wärme,
in diesem Fall so viel Hitze, dass die Brocken
verdampfen. Wenn sie nicht zu groß sind. Nur
ganz dicke Dinger fallen uns auf den Kopf.
Die Fachleute fragen sich, ab welcher Größe
wird ein Himmelskörper unserer Welt gefährlich,
können wir ihn rechtzeitig entdecken,
darauf reagieren?
Für den gewöhnlichen Zeitgenossen stellt
sich diese Frage nicht. Wenn die Sicherheitsfanatiker
mit einem Helm Fahrrad fahren,
denken sie nicht, dass ihnen der Himmel auf
den Kopf fallen könnte. Sie fürchten Autofahrer,
die anderen Radfahrer und nicht zuletzt
ihre eigene Dummerhaftigkeit, die zu einem
Sturz führen könnte. Manche ängstigt nicht
der physische Angriff, die Schmerzen durch
einen Knochenbruch. Sie leiden unter verbalen,
akustischen Anwürfen, die unseren Alltag
begleiten: „Platz da, jetzt komm’ ich!“
# Beim entscheidenden Strafstoß von Englands
Stürmer Harry Kane wurde dem dänische
Torwart Kasper Schmeichel mit einem
grünen Laserpointer ins Gesicht geleuchtet.
Nun hat sich die Polizei eingeschaltet.
(08.07.2021 t-online, dpa).
Foul. Es kann nicht bestritten werden: Das
Corona-Virus und der Raub meines Portemonnaies
durch einen geschickten Dieb,
meine Tante, die mich anonym bescheißt,
um mir das Erbe streitig zu machen und der
Staat, der meine Bank zu Strafzinsen zwingt;
wir sind unter Beschuss! Das ist
Leben. Und: Die anderen sind
Schuld.
Es ist alles andersherum.
Liebte ich meine Frau, könnte
ich nicht mit ihr verheiratet sein,
oder umgekehrt, das Wort taugt
nichts. Was in den letzten Jahren
passierte, hat zu einigen Änderungen
geführt, wie ich’s einordne:
Obschon langjährig mit Ring
verbunden, zog ich los mit A. (einer
Kunstfreundin), schrieb ihr,
und sie schrieb mir. Einige Jahre
tatsächlich ging das gut. Ein Fehler?
Ich nehme es auf mich. Sie ist
fünfundzwanzig, wir sind fertig
miteinander. Abitur, intelligent,
schön. Kann sie noch mutig werden, wie sie’s
wollte? Angst ist das Wahrhaftige an ihr. Sie
könnte sich eine Regentonne überstülpen, ich
würde ihre Furcht bemerken, sie am Gangbild
erkennen.
Es hat viel Ärger gegeben. Mein langjähriger
Freund H. ist sich sicher, C. (aus der Politik)
wäre schlichtweg eifersüchtig auf die jüngere
gewesen. Der Einfluss der Amtsträgerinnen
auf die Ordnungskräfte ist in der Bundesrepublik
Deutschland durch das Gesetz
begrenzt.
Die Fehler, die ich in dieser Zeit unbestritten
machte, kann ich nicht entschuldigen. Schon
gar nicht bei A. – sie war so naiv, zwischen die
Fronten zu geraten in einem privaten Krieg,
den zugegebenermaßen ich begonnen habe,
mit dem Staat, der Polizei, der Gesellschaft.
Kontakte verbieten sich. Diese Person ist ein
Fake. Beim Tarnen, Täuschen und Theaterspielen
haben alle verloren.
Ich hatte vor einigen Jahren begriffen, das
Suizide nicht begangen werden, weil diese
Selbstmörder eben so verrückt sind, dass sie’s
leichthin mal ausprobieren wollen. Wie genau
die Sache vonstatten geht, das wollte ich
wissen. Ich begann mit unklarer Fragestellung:
Ein Segelfreund tauchte plötzlich nicht
mehr auf, so etwas verstört. Auf Nachfrage
kam wenig zutage. Aber in den folgenden
Jahren begriff ich nach und nach, wie alles
gewesen war. Es wurde zu meiner zentralen
Lebensfrage.
Was macht Menschen psychisch krank, eine
ganz allgemeine, pauschale Antwort musste
her, fand ich. Mir war aufgefallen, dass man
nicht einfach mal zur Bahn läuft, seinen
Schädel im rechten Moment auf die Schiene
legt und sich gepflegt den Kopf absäbeln
lässt. Ich malte 2011 „Begegnung“, und das
Bild wurde in Ausstellungen gezeigt. Begriffen
hatte ich zu dieser Zeit wenig vom Thema,
und ehrlicherweise muss man zugeben,
dass meine Forschung nicht strukturiert war.
Mir ist nun individuell klar geworden, wie ein
Mensch so unter Druck gerät, eine Krankheit
das normale Funktionieren in Frage stellt
und alles möglich ist.
So bin ich zum zweiten Mal im Thema: „Selfexecuties“
soll das neue Bild heißen. Ich
möchte exakt sein. Beim Malen aber auf eine
andere Weise als im Blog. Mich interessiert
herauszufinden, was genau ich empfinde. Ich
möchte wissen, wie ich denke und beobachte
meine Empfindungen. Deswegen male ich
nicht eine Situation, die es in der Realität
so geben könnte. Während ich probiere, klare
Worte für einen Text zu finden und mich
bemühe, mit präzisen Formen und überzeugender
Farbgebung eine Welt abzubilden, die
realistisch rüberkommt, möchte ich dennoch
lieber deutlich machen, dass meine Produktionen
künstliches Theater sind. Das neue
Bild soll nicht die (tragische) Realität im Sinne
von Berichterstattung in der Presse sein.
Mir geht es um einiges, dass man in einem
Text so nicht sagen kann, wohl aber auf der
absurden Bühne einer verrückten Malerei.
Bei aller Kritik an der modernen Welt, bin
ich froh in einer Kultur zu existieren, die mir
Vorbilder schuf, mich auf diese Weise ausleben
zu können. Ich bin dankbar für die fertig
grundierten Keilrahmen, perfekte Pigmente
und Pinsel in bester Qualität. Mir liegt nichts
dran, echte Ölbilder „wie früher“ zu machen
oder in der Natur „das Licht“ einzufangen. Ich
mache meine Sachen für mich und bekomme
die aufregendsten Anregungen aus dem unglaublichen
Internet.
Die Jahre haben mich verändert. Mir ist die
Umwelt egal, ich unterstütze die grüne Partei
nicht, weil ich annehme, so alt zu sein, dass
ich hinsichtlich der Klimakatastrophe davonkomme.
Ich esse also Fleisch, fahre Auto. Ich
bewundere Greta Thunberg unendlich, ohne
mich verpflichtet zu fühlen, ihren Mahnungen
viel Beachtung zu schenken. Ich mag, dass sie
merkt, wie verlogen die Erwachsenen sind.
Eine böse Gesellschaft ist der Mensch. Ständig
kommt es zu Amok, Krieg und Tod. Der
einzige, der sich wenig damit aufhält, die an
der persönlichen Notlage des Gestörten unbeteiligten
Opfer zu beklagen und stattdessen
den Attentäter beweint, bin ich?
Jul 7, 2021 - Es tut gleichmäßig weh 63 [Seite 63 bis 64 ]