Blogtexte2021_1_12
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„Selfexecuties“
Jun 26, 2021
Ich habe mit einem neuen Bild begonnen.
Mitte Juni, die „Europa“ hängt, und ich musste
nicht lang warten, da hat sich mein innerer
kreativer Motor bemerkbar gemacht. Ein vertrauter
Prozess, Schicksal. Schon im Kunstunterricht
fiel auf, dass ich freiwillig malte. Auch
außerhalb der Schulzeit entstanden Aquarelle
und Zeichnungen einfach so. Wer einmal den
Zugang fand, sich auf diese Weise zu verwenden,
kennt das. Ein Werk ist fertig, eine kurze
Pause, dann geht es wieder los. Andere reden
vom inneren Schweinehund und Blockaden.
Wie man malt? Mich hat schon immer interessiert,
wie berühmte Kollegen arbeiten oder
meine Professoren an der Armgartstraße, bei
denen ich studierte. Meine Methode ist individuell,
gute Gründe, den Weg fortzusetzen
… es würde mir schwerfallen, eine allgemeine
Antwort zu geben. Rückblickend wäre es
leicht zu erklären, wie Schritt für Schritt ein
bestimmtes Werk entstanden ist.
Warum ich’s überhaupt mache? Wie ich arbeite,
ist einfacher zu beschreiben, als das!
Während ich mich dabei gut vorbereite, nach
einer ausgefeilten Skizze auf der Leinwand
starte, entsteht der Blog leider nicht so kontrolliert.
Inzwischen haben wir Anfang Juli,
und immer noch ändere ich den Text, möchte
herausfinden, was wichtig ist, begreife nur
allmählich. Einen Roman könnte ich so wohl
nicht verfassen?
„Sie kennen doch die Quallen“, so etwa beginnt
C. S. Forester „Meine Bücher und ich“.
Ein Aufsatz, der einfachen Konsumenten
von Kunst und Literatur erklärt (und anleiten
kann), wie es dem Schriftsteller möglich
ist, seine Romane zu schreiben. Der Erfinder
von „Hornblower“ vergleicht sein bildhaftes
Denken, wie es auch von Albert Einstein bekannt
ist, mit autonomen Entwicklungen, die
ein beweglicher Geist zulassen muss. Unterbewusstes
Gären, das der Autor erst wichtig
nimmt, wenn es an der Zeit ist. Der Kreative
setzt sich nicht einfach hin und schreibt aus
dem Nichts los, und genauso wenig beginnt
er, abrupt nachzudenken, was er als nächstes
zu Papier bringen könnte. Er beschäftigt
sich bereits einige Zeit mit verschiedenen,
möglicherweise lohnenden Einfällen, ohne
allzu genau in die Tiefe zu gehen. Während
Forester anderweitig unterwegs ist (eine
Kreuzfahrt um Südamerika regt ihn an, „Der
Kapitän“ zu schreiben), spürt er bereits ein
von ihm kaum registriertes Anwachsen von
Ideen, wie Bewuchs am vollgesogenen Holz
eines Wracks im Meer. Schließlich wird daraus
ein Plot, der ihm schmackhaft vorgekaut
ins Netz geht. Dann erst folgt die Arbeit mit
dem Stoff.
Er denkt erst und schreibt anschließend.
Der Autor weiß sich selbst zu
verwenden, kann auch erklären, wie
er’s macht. Erst beinahe unbewusst,
schließlich konzentriert planend, und
dann kommt bei ihm die Ausführung.
So entstanden die bekannten Romane
(auch die seines Kollegen John Irving,
so wurde die Relativitätstheorie
zu Papier gebracht, so malte Edward
Hopper, so komponierte Beethoven).
Sie alle kannten dieses Zulassen
von innerer Gedankentätigkeit, die
schließlich zu harter Kombinationstechnik
führt, bis dann die eigentliche Produktion
des Werks beginnt. Forester schrieb kaum
skizzierte Ideen auf. Die Angst, er könne sterben,
bevor das Buch fertig sei und ein anderer
würde es vollenden (für den Verlag, der
damit verdienen möchte), hielt ihn davon ab.
Er versuchte, alle Probleme vorab im Kopf zu
erledigen. „Das Geschreibsel, das dabei herauskommen
möge“, wenn ein Fremder seinen
Roman zu Ende schriebe, ängstigte ihn. Eine
unheilbare Krankheit, die zunehmend seine
Beweglichkeit beeinträchtigte, war bei ihm
früh diagnostiziert worden. Das bedrohliche
Leiden war jedoch zur Überraschung der Ärzte
im weiteren Fortschreiten zum Stillstand
gekommen.
Journalisten und Biografen gefallen sich darin,
das Zitat von Irving zu verbreiten, er beginne
seine Romane am Schluss. „Die letzte
Seite tippe er stets zuerst“, heißt es dann. Und
von Edward Hopper gibt man zum Besten:
„Wenn ich mich an die Staffelei setze, ist alles
erledigt.“ Dass das nicht stimmt, sondern vor
allem der Wunsch des
Künstlers ist, es möge
(diese Mal endlich) so
elegant laufen, wird von
denen, die selbst nicht
schreiben, sondern nur
abschreiben, gern übersehen.
Tatsächlich gibt
C. S. Forester an einer
Stelle zu, wie übel es
ihm ergangen ist, als er
einmal mitten in der Arbeit
am Buch nicht weiter
kam. Ich hatte mir
gesagt „hier entfliehen
sie“ und nicht weiter
darüber nachgedacht,
wie genau das vor sich
gehen würde, so etwa
erzählt der Autor sein
Missgeschick. Mitten im
Feindesland die gut bewachte
Kutsche zu verlassen, war nicht eben
einfach für seine Helden. Hopper wiederum
berichtet vom Problem, eine aufreizende Sekretärin
mit üppigen Busen und einen Büroschrank
so in Szene zu setzen, dass uns die
Frau im Bild interessiert und der Schrank
sich der Logik seiner Bildkomposition unterordnet.
Und Irving, im Interview gleich
eingangs naseweis damit konfrontiert, er beginne
ja immer mit dem letzten Satz, nimmt
dem Reporter den Wind aus den Segeln. Der
Autor macht schon deutlich, wie flexibel seine
Arbeit ist. Das habe ich mal (irgendwo) so
herausgelesen. Humor steht immer zwischen
den Zeilen.
Kunstunterricht kann den Weg bahnen, ein
Talent formen. Aber nur wenige Lehrer können
ihren Schülern beibringen, eigene Gedanken
nicht nur zu denken, sondern selbstbewusst
auszuleben.
Die geplagte Britney Spears ist aktuell in den
Nachrichten, sie weine jeden Tag und kämpfe
darum, die Vormundschaft ihres Vaters über
ihr Leben per Gericht wieder los zu werden.
Gut so! Irgendwann müssen wir aufwachen.
Sie klagt, man habe sie gedrängt, Lithium zu
nehmen. Das ist ein Medikament, das man
nicht mehr absetzen darf, wenn einmal damit
begonnen wurde, es einzunehmen. Es
wird sie schließlich schon durch diese zwingende
Abhängigkeit dauerhaft verblöden.
Das ist als vermeintliche Hilfe deklarierte
Unterdrückung. Ärzte glauben, über andere
so gut Bescheid zu wissen, sich derartige
Eingriffe in deren Autonomie erlauben zu
können. Sie schaffen unsichtbare Gefängnisse
und sind noch stolz darauf. Statt sich der
tatsächlichen Aufgabe zu stellen, Menschen
konstruktiv zu trainieren und sie lebendiges
Verhalten zu lehren, flexibel im Leben zu bestehen.
Psychiater sind einfach nur widerlich,
die schlimmste Spezies auf diesem Planeten,
das ist meine Meinung, tatsächlich; und ich
kenne mich damit aus.
Diese Ärzte wollen welche sein. Die Zuverlässigkeit
anderer Medizinbereiche fehlt ihnen.
Sie stehen auf der Seite der Gesellschaft,
sprechen für den Staat, erstellen Gutachten,
nach denen bei Gericht entschieden wird, ob
ein Mensch krank sei oder schuldfähig, damit
andere die Schuld nicht trifft, wenn zukünftig
wieder etwas passiert. Psychiater nehmen es
auf sich, zu beurteilen, was unsichrer ist als
die Wetterentwicklung. Meteorologen sind
frech. Aber sie verweisen auf ihre Satellitenbilder
und die Computerprognose. Psychologen
sind eingebildet
genug, um, falls es
anders kommt als sie
meinten, einfach weiterzumachen.
Sie therapieren
Sexualstraftäter,
nachdem sie eigene
Krankheiten erfunden
haben. Und wir nehmen
es hin, was anschließend
passiert, ein ums
andre Mal. Sie unterstützen
die Polizei, deren
Aufgabe es ist, für
Ordnung, Stabilität und
Sicherheit vom Ganzen
zu sorgen. Sie sind die
Anlaufstelle für verstörte
Kinder und hilflose
Eltern in Not. Die
Erkrankten hoffen auf
grundsätzliche Hilfe,
Jun 26, 2021 - „Selfexecuties“ 59 [Seite 59 bis 62 ]