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„Selfexecuties“

Jun 26, 2021

Ich habe mit einem neuen Bild begonnen.

Mitte Juni, die „Europa“ hängt, und ich musste

nicht lang warten, da hat sich mein innerer

kreativer Motor bemerkbar gemacht. Ein vertrauter

Prozess, Schicksal. Schon im Kunstunterricht

fiel auf, dass ich freiwillig malte. Auch

außerhalb der Schulzeit entstanden Aquarelle

und Zeichnungen einfach so. Wer einmal den

Zugang fand, sich auf diese Weise zu verwenden,

kennt das. Ein Werk ist fertig, eine kurze

Pause, dann geht es wieder los. Andere reden

vom inneren Schweinehund und Blockaden.

Wie man malt? Mich hat schon immer interessiert,

wie berühmte Kollegen arbeiten oder

meine Professoren an der Armgartstraße, bei

denen ich studierte. Meine Methode ist individuell,

gute Gründe, den Weg fortzusetzen

… es würde mir schwerfallen, eine allgemeine

Antwort zu geben. Rückblickend wäre es

leicht zu erklären, wie Schritt für Schritt ein

bestimmtes Werk entstanden ist.

Warum ich’s überhaupt mache? Wie ich arbeite,

ist einfacher zu beschreiben, als das!

Während ich mich dabei gut vorbereite, nach

einer ausgefeilten Skizze auf der Leinwand

starte, entsteht der Blog leider nicht so kontrolliert.

Inzwischen haben wir Anfang Juli,

und immer noch ändere ich den Text, möchte

herausfinden, was wichtig ist, begreife nur

allmählich. Einen Roman könnte ich so wohl

nicht verfassen?

„Sie kennen doch die Quallen“, so etwa beginnt

C. S. Forester „Meine Bücher und ich“.

Ein Aufsatz, der einfachen Konsumenten

von Kunst und Literatur erklärt (und anleiten

kann), wie es dem Schriftsteller möglich

ist, seine Romane zu schreiben. Der Erfinder

von „Hornblower“ vergleicht sein bildhaftes

Denken, wie es auch von Albert Einstein bekannt

ist, mit autonomen Entwicklungen, die

ein beweglicher Geist zulassen muss. Unterbewusstes

Gären, das der Autor erst wichtig

nimmt, wenn es an der Zeit ist. Der Kreative

setzt sich nicht einfach hin und schreibt aus

dem Nichts los, und genauso wenig beginnt

er, abrupt nachzudenken, was er als nächstes

zu Papier bringen könnte. Er beschäftigt

sich bereits einige Zeit mit verschiedenen,

möglicherweise lohnenden Einfällen, ohne

allzu genau in die Tiefe zu gehen. Während

Forester anderweitig unterwegs ist (eine

Kreuzfahrt um Südamerika regt ihn an, „Der

Kapitän“ zu schreiben), spürt er bereits ein

von ihm kaum registriertes Anwachsen von

Ideen, wie Bewuchs am vollgesogenen Holz

eines Wracks im Meer. Schließlich wird daraus

ein Plot, der ihm schmackhaft vorgekaut

ins Netz geht. Dann erst folgt die Arbeit mit

dem Stoff.

Er denkt erst und schreibt anschließend.

Der Autor weiß sich selbst zu

verwenden, kann auch erklären, wie

er’s macht. Erst beinahe unbewusst,

schließlich konzentriert planend, und

dann kommt bei ihm die Ausführung.

So entstanden die bekannten Romane

(auch die seines Kollegen John Irving,

so wurde die Relativitätstheorie

zu Papier gebracht, so malte Edward

Hopper, so komponierte Beethoven).

Sie alle kannten dieses Zulassen

von innerer Gedankentätigkeit, die

schließlich zu harter Kombinationstechnik

führt, bis dann die eigentliche Produktion

des Werks beginnt. Forester schrieb kaum

skizzierte Ideen auf. Die Angst, er könne sterben,

bevor das Buch fertig sei und ein anderer

würde es vollenden (für den Verlag, der

damit verdienen möchte), hielt ihn davon ab.

Er versuchte, alle Probleme vorab im Kopf zu

erledigen. „Das Geschreibsel, das dabei herauskommen

möge“, wenn ein Fremder seinen

Roman zu Ende schriebe, ängstigte ihn. Eine

unheilbare Krankheit, die zunehmend seine

Beweglichkeit beeinträchtigte, war bei ihm

früh diagnostiziert worden. Das bedrohliche

Leiden war jedoch zur Überraschung der Ärzte

im weiteren Fortschreiten zum Stillstand

gekommen.

Journalisten und Biografen gefallen sich darin,

das Zitat von Irving zu verbreiten, er beginne

seine Romane am Schluss. „Die letzte

Seite tippe er stets zuerst“, heißt es dann. Und

von Edward Hopper gibt man zum Besten:

„Wenn ich mich an die Staffelei setze, ist alles

erledigt.“ Dass das nicht stimmt, sondern vor

allem der Wunsch des

Künstlers ist, es möge

(diese Mal endlich) so

elegant laufen, wird von

denen, die selbst nicht

schreiben, sondern nur

abschreiben, gern übersehen.

Tatsächlich gibt

C. S. Forester an einer

Stelle zu, wie übel es

ihm ergangen ist, als er

einmal mitten in der Arbeit

am Buch nicht weiter

kam. Ich hatte mir

gesagt „hier entfliehen

sie“ und nicht weiter

darüber nachgedacht,

wie genau das vor sich

gehen würde, so etwa

erzählt der Autor sein

Missgeschick. Mitten im

Feindesland die gut bewachte

Kutsche zu verlassen, war nicht eben

einfach für seine Helden. Hopper wiederum

berichtet vom Problem, eine aufreizende Sekretärin

mit üppigen Busen und einen Büroschrank

so in Szene zu setzen, dass uns die

Frau im Bild interessiert und der Schrank

sich der Logik seiner Bildkomposition unterordnet.

Und Irving, im Interview gleich

eingangs naseweis damit konfrontiert, er beginne

ja immer mit dem letzten Satz, nimmt

dem Reporter den Wind aus den Segeln. Der

Autor macht schon deutlich, wie flexibel seine

Arbeit ist. Das habe ich mal (irgendwo) so

herausgelesen. Humor steht immer zwischen

den Zeilen.

Kunstunterricht kann den Weg bahnen, ein

Talent formen. Aber nur wenige Lehrer können

ihren Schülern beibringen, eigene Gedanken

nicht nur zu denken, sondern selbstbewusst

auszuleben.

Die geplagte Britney Spears ist aktuell in den

Nachrichten, sie weine jeden Tag und kämpfe

darum, die Vormundschaft ihres Vaters über

ihr Leben per Gericht wieder los zu werden.

Gut so! Irgendwann müssen wir aufwachen.

Sie klagt, man habe sie gedrängt, Lithium zu

nehmen. Das ist ein Medikament, das man

nicht mehr absetzen darf, wenn einmal damit

begonnen wurde, es einzunehmen. Es

wird sie schließlich schon durch diese zwingende

Abhängigkeit dauerhaft verblöden.

Das ist als vermeintliche Hilfe deklarierte

Unterdrückung. Ärzte glauben, über andere

so gut Bescheid zu wissen, sich derartige

Eingriffe in deren Autonomie erlauben zu

können. Sie schaffen unsichtbare Gefängnisse

und sind noch stolz darauf. Statt sich der

tatsächlichen Aufgabe zu stellen, Menschen

konstruktiv zu trainieren und sie lebendiges

Verhalten zu lehren, flexibel im Leben zu bestehen.

Psychiater sind einfach nur widerlich,

die schlimmste Spezies auf diesem Planeten,

das ist meine Meinung, tatsächlich; und ich

kenne mich damit aus.

Diese Ärzte wollen welche sein. Die Zuverlässigkeit

anderer Medizinbereiche fehlt ihnen.

Sie stehen auf der Seite der Gesellschaft,

sprechen für den Staat, erstellen Gutachten,

nach denen bei Gericht entschieden wird, ob

ein Mensch krank sei oder schuldfähig, damit

andere die Schuld nicht trifft, wenn zukünftig

wieder etwas passiert. Psychiater nehmen es

auf sich, zu beurteilen, was unsichrer ist als

die Wetterentwicklung. Meteorologen sind

frech. Aber sie verweisen auf ihre Satellitenbilder

und die Computerprognose. Psychologen

sind eingebildet

genug, um, falls es

anders kommt als sie

meinten, einfach weiterzumachen.

Sie therapieren

Sexualstraftäter,

nachdem sie eigene

Krankheiten erfunden

haben. Und wir nehmen

es hin, was anschließend

passiert, ein ums

andre Mal. Sie unterstützen

die Polizei, deren

Aufgabe es ist, für

Ordnung, Stabilität und

Sicherheit vom Ganzen

zu sorgen. Sie sind die

Anlaufstelle für verstörte

Kinder und hilflose

Eltern in Not. Die

Erkrankten hoffen auf

grundsätzliche Hilfe,

Jun 26, 2021 - „Selfexecuties“ 59 [Seite 59 bis 62 ]

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