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Die Wellen vor Edinburgh

Jan 3, 2021

Sie segelten im Sturm nach Edinburgh, duzten

die Nordseewellen. Echte Männer wissen

Bescheid. Eine alte Geschichte, die es wert

ist, aufgeschrieben und erzählt zu werden.

Die grünen Nordseewellen trecken an den

Strand, und Guido Westerwelle, der ist schwul

– igitt?

# Ich bin der digitale Patient und ein Spinner!

Erfahrungen brennen sich ein. Kein Ratgeber

leistet so viel, wie eine eigene Situation im

Leben, in der wir etwas begreifen. Wer nackt

ist, dem kann niemand die Hose runterziehen.

Nach dieser Logik outen sich Menschen. Die

sexuelle Ausrichtung kann verborgen gelebt

werden, und manche ziehen es vor, auch weil

es möglich ist. Wer nicht der vermeintlichen

Normalität entspricht, kann angefeindet werden.

Wir haben zum einen Menschen, die alles

dafür tun, eine perfekte Darstellung von

sich in der Öffentlichkeit abzubilden und andere,

denen das nicht gelingt und welche die

es nicht möchten. Wem daran liegt ein Ego

auszubilden, Ängste zu beherrschen, anstelle

sich davon einengen zu lassen, wird den

letztgenannten Weg bevorzugen.

Wenn ich in Deutschland als erkennbarer

Ausländer eine Wohnung suche, mag das tatsächlich

schwerer sein. Wenn ich einen Hund

oder anderes Haustier besitze, eventuell Musiker

bin und den anderen stundenlanges Gedudel

in unmittelbarer Nachbarschaft droht,

ist es für den Vermieter ein Grund, diesen

Mieter abzulehnen. Unabhängig davon, ob es

als Begründung genannt wird oder nicht. Ein

Betrieb kann von seinem Hausrecht Gebrauch

machen. Aktuell wird diskutiert, ob eine Fluglinie

nur Corona-Geimpfte und Menschen mit

einem negativen Testergebnis befördern

darf? Das sei eine Impfpflicht durch die Hintertür.

An der Grenze zu Schweden wurden

mehrere hundert Deutsche abgewiesen, sie

waren über Dänemark unterwegs und hatten

probiert, das der Pandemie geschuldete

Einreiseverbot zu umgehen, mutmaßlich für

einen Urlaub? Die kleine Aufzählung mag

nützen, unsere menschliche Realität vom

Ausnutzen der Regeln, ihre Übertretung und

die Gegenbewegung der Abgrenzung zu illustrieren.

Ein Überblick, persönlichen Erfahrungen

zum Thema vorangestellt.

Warum outen sich Homosexuelle?

Warum überhaupt lieben Männer

nicht einfach Frauen, wie es sich

gehört, mag mancher denken,

auch heute noch. Wir arbeiten

daran, die bestmögliche und gerechteste

Welt überhaupt zu erschaffen

und sind damit bislang

nicht fertig geworden. Die Norm,

das was gewöhnlich ist, die größte

Menge die wir als Gruppe definieren

können, sie hat sich gerade

nicht eine individuelle Qualität

geschaffen, und nur zu oft bildet

sich ein normaler Mensch ein,

ein besserer zu sein, weil er wie

alle ist. Normalität ist nur dann

eine Leistung, wenn es schwierig

ist, hinzubekommen was normalerweise

alle können. Ein Amputierter

kann nicht normal laufen.

Ein psychisch Kranker kann nicht

normal handeln. Niemand ist absichtlich einbeinig

oder geistig bescheuert oder schwul.

Wo es nicht um Können oder Leistung geht,

muss der Mensch begreifen, wie vielschichtig

die Bedürfnisse sind, die unser Leben prägen

und nicht selten die Basis dessen werden,

was jemand bereit ist zu leisten oder gut

kann und schließlich zum Beruf wählt, sein

Ego darauf aufbaut. Wir Normalen sollten

zuallererst annehmen, das Homosexuelle

Bedürfnisse haben, genauso wie die breite

Masse, aber individuell anders ausgerichtet.

Ein Wunsch, ein Bedürfnis, eine Lust: Das sind

weder Krankheiten noch Leistungen oder

Regelbrüche, die unter Strafe stehen sollten.

Das scheint für die Gesellschaft ein nicht endendes

Lernfeld zu sein. Homosexualität war

verboten, sie galt als krank. Für diejenigen,

denen diese Liebesform eigen ist, ist der Weg

angefeindet zu werden und standzuhalten

auch heutzutage nicht zu Ende.

Homosexuelle können auf Unterstützung

hoffen. Auch andere Unterdrückte machen

mobil. Die Black Lives Matter Bewegung ist

eine Anstrengung, sich zu solidarisieren. Die

Sowjetunion hat ihr Ende gefunden wie Nazideutschland:

Ein sozialer Verbund wird sich

als Gegenbewegung jeder Unterdrückung

finden, wenn die ausgegrenzten Menschen

gemeinsame Ziele haben, die nachvollziehbar

menschlich sind.

# Was ist Menschlichkeit?

Das Maß geforderter Gnade, die Größe unseres

Verständnisses für andere, hat sich mit

den Jahren seit der Kreuzigung Jesu gewandelt.

Sich zur Wehr zu setzen, bedeutet, das

andere einen Angreifer erkennen können,

und wenn das der Fall ist, muss dieser sich

verantworten. Es kann keine Solidarität geben,

allenfalls Mitläufer, wenn Menschen andere

angreifen und die Motivation, sich breit

zu machen, Lustgewinn und Machtzuwachs

am Beginn einer Attacke stehen. So werden

Täter- und Opferrolle definiert. Aus diesem

Grund wird jede Unterdrückung nach einiger

Zeit zur Gegenbewegung führen, die dem

Unterdrücker zusetzt. Es sei denn, derjenige

bricht seinen Gefangenen emotional insgesamt.

Im Einzelfall gelingt es, und im Falle

des Holocaust im vielfachen Einzelfall mit

tödlichem Ausgang. So wird es in der Schule

gelehrt. Alle Juden, alle Homosexuellen,

alle Schwarzen, alle unterdrückten Frauen in

Beziehungen, wo sie der Gewalt ihrer Männer

ausgesetzt sind: Eine lange Liste kann

fortgeführt und verlängert werden, um die

bekannten Strukturen von Ausgrenzung und

entsprechender Gegenbewegung aufzuzählen.

Was müssen Menschen, die ausgegrenzt und

angegriffen werden, als Merkmal haben, damit

jemand Mittäter findet? Den Juden warf

man vor, unberechtigt zuviel Geld und Besitz

an sich gezogen zu haben, in einem Terrain

das nicht ihres sei. Den Schwarzen in den

USA, was wird denen vorgeworfen, die Hautfarbe?

Homosexualität gilt anderen als krank,

das mag davon herrühren, das Heteros sich’s

nicht vorstellen können, auf diese Weise zu

lieben, aber die Bedrohung, die von dieser

Krankheit ausgehen könne, lässt sich nicht

nachvollziehbar formulieren. Welche Bedrohung

für ihren Peiniger geht von einer misshandelten

Frau in der Ehe aus –

Wer ist Täter und wer Opfer? In einer eindeutig

übergriffigen Konstellation von Machtmissbrauch,

der viele direkt empört, werden

Bedrängte sich sozialisieren. Was, wenn es

weniger eindeutig ist? Das ist die Frage, in

welchem Zeitalter der Menschheit wir uns

befinden, welcher Umgebung wir ausgesetzt

sind. Im Mittelalter wurden Frauen, denen

man nachweisen konnte, eine Hexe zu sein,

verbrannt. Diesen Frauen konnte die ihnen

innewohnende Gefährlichkeit so überzeugend

vorgeworfen werden, wie heute etwa

einem fliehenden Attentäter nach seiner Tat.

Den darf die Polizei erschießen, obgleich wir

keine Todesstrafe im Gesetz kennen.

Unsere Zivilisation hat sich entwickelt. Eine

Nachbarin zur Hexe zu erklären, genügt heute

nicht, sie kollektiv zu verbrennen. Ein Irrer,

der wahllos Menschen angegriffen, bereits

getötet hat, da muss es erlaubt bleiben, ihn

auf seiner Flucht wegzuballern, meinen einige.

„Die Krim? Das war doch immer unser“,

antwortet mir eine liebe Bekannte auf die

Frage nach der Rechtmäßigkeit der Annexion

durch Putin. Fazit: Jede Zeit bringt Gewalt

hervor, die breite Unterstützung findet. Wir

können begrüßen, eine Verbesserung in Richtung

auf eine friedlichere Welt bemerken zu

können. Wir werden die Aggression an sich

nicht abschaffen, können sie unserer Zeit gemäß

lenken, mehr nicht.

Sogar Tiere mobben, wer im Rudel unerwünscht

ist, bekommt das zu spüren. Menschen,

die psychisch erkranken, scheinen

gerade unseren Schutz zu benötigen, und

da entsteht eine verzwickte Situation. Wird

ein Verrückter auch mal gefährlich, hat er

das Böse des Psychopathen in sich, gibt es

Anhaltspunkte dafür in seiner Vergangenheit,

können wir’s rausfinden? Könnte er eine

Gefahr für unsere Töchter sein …? Das treibt

die, die sich berufen fühlen, für Sicherheit

und Ordnung zu sorgen, um. Sie können auf

die Unterstützung einiger hoffen. Gesunde

fürchten sich vor psychisch Kranken, und sie

können nicht so unkompliziert ausgegrenzt

werden, wie etwa der dunkelhäutige Nachbar?

Einen „Spinner“ loszuwerden, das kann

das Ziel meiner Nachbarn sein, wenn ich ihnen

als solcher gelte.

# Ich habe es oft erzählt

Mir gefällt meine Vergangenheit, weil sie für

das Heute lehrreich ist. Meine eigenen Phasen

psychischer Ausfälle, heftige Schübe mit

komplettem Realitätsverlust und erzwungenen,

mehrwöchigen Aufenthalten in einer

Klinik, begannen, nachdem ich in den Neun-

Jan 3, 2021 - Die Wellen vor Edinburgh 4 [Seite 4 bis 6 ]

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