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Für immer geimpft

Mrz 28, 2021

Frau Lot schaute zurück und wurde zur Salzsäule.

„Ein Tod wie gewünscht“, beginnt Max

Frisch ein Buch. Wer will denn leben? Mein

Dasein ist zu einer Abrechnung mit früher

verkommen. Eine Existenz ohne Zukunft.

Mich interessiert nicht, etwas daraus zu

machen. Ich schlachte (lustlos) die Vergangenheit

aus. Ich beschäftige mich. Das kann

man nicht gerade als Antrieb bezeichnen. Der

Motor läuft, aber im Stand, und ich rolle zum

Ende einer Startbahn. Dort geht es nicht in

den Himmel. Kein Abgrund droht, in den ich

stürzen werde.

Irgendwann bleibt meine Kiste einfach stehen.

Eine Karton mit Spielzeug, das ist meine Erinnerung.

Die Zukunft werfe ich täglich weg.

Es gibt keine Liebe, hat niemals eine gegeben

und es wird auch keine geben: Weil ich nicht

weiß, was das sein soll und keine Möglichkeit

habe, es noch herauszufinden. Das ist vom

großen Versuchsleiter der du bist im Himmel

ausgeschlossen worden. Jedenfalls was mich

betrifft. Ihr anderen, da mag es funktionieren,

aber das ist mir inzwischen egal. Mein Professor

im Studium und schließlich Freund (Jahrgang

1923), passionierter Pfeifenraucher, hatte

im Alter seinen Geruchssinn verloren. Ich

habe die Empathie verloren. Nur noch Spott

befriedigt mich. Ein kurzes Glück, wenn man

glaubt, den Doofen überlegen zu sein.

Viele hier nehmen teil am offenen Geheimnis,

einige auch im Süden, nicht wenige am Meer.

So kommt es mir vor. Das Netz reicht weiter

als die Nachbarschaft. Aber es ist Ruhe eingekehrt,

es gibt bessere Themen, und schon

bald gerate ich in vollkommene Vergessenheit.

Verbittert habe ich mich abgewandt: von

der Politik, der Demokratie, Gesellschaft. Ich

veralbere die Mitmenschen, und niemand bemerkt

es noch. Mein Theater findet in einem

Saal statt, der nicht öffentlich ist und dessen

digitale Präsentation keinen Spaß macht,

weil die Grundregel, dass der Clown nicht im

Bilde ist einer zu sein, gebrochen wurde. Ein

bisschen Spaß muss sein, aber wir sind alle

zu weit gegangen.

Unser Dorf, wie im Groschenroman von G.F.

Unger. Der Cowboy, ein Peter Kraus der nicht

aufhören möchte, er kann mir nicht in die

Augen schauen. Unnötige Eskalation: Ein

Pfosten wurde unangespitzt eingeschlagen.

Staub hat sich gelegt, die Frontlinie ist ruhig.

Einige grüßen vorsichtshalber, andere offensiv.

Wir bleiben im Sattel, tippen uns den

Colt an die Krempe, Respekt. Das sind mir die

Liebsten. Sie spielen unser neues, fröhliches

Spiel, winken oder zeigen ihr „Victory“.

# Indianerspiele, Pädophile und Gendarm

Der alte Rote macht es als „Peace“ (mit geschlossenen

Fingern). Er streckt seine Hand

wie eine Friedenspfeife aus. „Tu’ mir nix!“,

heißt es wohl, während er anderen (falls

welche auftauchen) skandiert: „Das ist unser

Künstler!“ So sichert man sich in jede erdenkliche

Richtung ab. Ein gewiefter Fouché,

der als einfacher Maurer angefangen hat. Er

passiert gemächlich, aber ohne wie früher

für einen Schwatz anzuhalten. Besser ist das,

mag er denken. Als Grüßonkel

der Arbeiterklasse reitet

er den einfachen Esel, ein

drahtiger Kamerad für einen

gewichtigen Kicker. Immer

unterwegs ist der dicke

Mann. Er gleitet früh in den

Wald, macht Rast im Schnaakenmoor

oder dreht die kleine

Runde im Dorf, beginnend

von seinen Weiden über die

alte Landstraße, am Horst

der Krähen und den Tauben

vom von Appen vorbei wie

gewohnt. Der an dieser Stelle

sonst unbändig belfernde

Hund macht ausnahmsweise

keinen Lärm.

Manchmal ist zu schweigen einfach klüger.

Traurig. Das Problemwildschwein ist plattgemacht,

und wieder andere schämen sich

scheinbar. A. rennt weg und kommt besser gar

nicht erst. Ich gebe zu, es tut weh. Das kann

niemand weniger ändern oder rückgängig

machen als ich. Es hilft nicht, eigene Fehler

einzusehen, unmöglich nachzugeben, wohin

denn und wem? Das ist paradox und stabil

wie die Zwickmühle, die zum Ende des Spiels

und neuem Beginn in eine neue Mühle auf

einem frischem Brett zwingt. Nicht einen Millimeter

kann ich in die alte Richtung gehen.

„Haben wir es nicht gewusst!“, geiferten die

Schergen, falls ich es probierte und fänden

eitle Freude dran, über mich herzufallen, ihre

Steine auf mich zu schmettern. Das Dreckspack.

Stephans steh’ mir bei. Ein Füllhorn der

Kunst ist das Geschenk der Götter zu meinem

Trost.

Danke.

Müßig, eine alte Hexe ganz oben im Rat dafür

zu beschuldigen, ein Mädchen zur Marionette

zu gängeln, die Unbedarfte was weiß ich

glauben zu machen, ihr Gehirn zu waschen,

über die armseligste Ziege von allen droben

im Turm noch zu schreiben? Home-Office

ist ein willkommener Panzerwagen für eine

Trumpete der Moral, die, von Haus aus feige,

nur zu gern eine maskierte Schildbürgerin

ist und mit vorgehaltener Pappe strahlt. Sie

ist ihr eigenes Deepfake, renommiert wie

gedruckt, ist online noch besser als live. Sie

wird kaum ernst genommen, ist nur eine Frau

und vergleichsweise naiv emporgekommen.

Chaplin ist ihr zu hoch, Burt Lancaster zu breit

(das ist ja auch ein Mann), aber sie bekommt

es besser hin als ein Haloween-Kürbis. Smile.

Die Sicherheit und die Pflicht zu leiten und

lächeln gebietet es.

Unser gallisches Dorf. Der letzte, der noch

mitspielt, ist O. (ein alter Römer). Wahrscheinlich

ist er zu dumm, zu begreifen, dass unser

Theater ein Fake ist. Ein Mahner, er gibt den

ernsthaften Großonkel, erinnert an den Wert

des Lebens, der Familie, erklärt mir die Ehe;

so belehrt er mich ein jedes Mal. Seine Tochter

möchte ich nicht sein. Die kann nicht weg,

und zwar lebenslang. Diagnose: Golfplatz

Elternhaus. Was nimmt sich dieser Typ raus.

Ich bin nicht frech. Ich habe fertig mit der

Scheinheiligkeit selbst ernannter Prediger:

„das Buch gelesen“, mein Gott – hilf.

Ich spiele nun offen ohne Handicap. Nachdem

ich genug probierte, weiß ich Besseres

zu tun, selbst wenn die Normalität der anderen

unerreichbar bleibt. Die ist auch nicht

anzustreben, das

denke ich. Bleibt

nur zu malen. Eine

Arbeit für die Tonne.

Covid ist meine

letzte Freude und

eine Hoffnung gleichermaßen.

Eine

Freude, weil sie

die Pathologie der

Masse wieder als

eine Theorie, die

ernsthaft zu diskutieren

ist, in den

Fokus rückt. „Was

einmal gedacht

wurde, kann nicht

zurückgenommen

werden“, wusste

schon Dürrenmatt. Corona: Außerdem kann

man tatsächlich daran sterben, und das wäre

immerhin eine Abkürzung eines ansonsten

öden Lebensabschnitts.

„The whole man must move at once.“

Gesundes System oder infizierte Idioten? Es

ist jetzt an der freien offenen Gesellschaft,

ihre Werte zu verteidigen und Leistungsfähigkeit

im besten Sinne unter Beweis zu

stellen. Die letzte Chance für das Ganze, zu

zeigen, dass eine gemeinsame Bedrohung zu

einer geschlossenen Reaktion führt und das

System bindet, ohne die Einzelnen zu erdrücken.

Die Diktatur haben wir abgewählt.

Dorthin kommen wir nicht zurück: wo die

sind, die nicht begriffen, was unsere Eltern

lernten. Wenn doch, dann über den Umweg

Chaos. Unsere Zukunft ist besser oder ein infizierter

Scherbenhaufen. Anführer und Follower

– wenige stehen rum und sehen bloß zu.

Sie traben für ihren Traum, sie rennen für den

Chef, kämpfen um ihre kleine Welt. Seitdem

mir die eigene Existenz doch recht egal ist,

denke ich emotionslos.

„Schaun’ wir mal.“

Als stünde ich ungeschützt auf dem atomaren

(oder viralen) Versuchsgelände.

Und es ist mir egal.

:

Mrz 28, 2021 - Für immer geimpft 36 [Seite 36 bis 36 ]

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