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„Der Schrei“ kam in Norwegen

nicht gut an.

Munch musste sich harsche

Kritik anhören, seine

seelische Gesundheit

wurde zum öffentlichen

Thema. Aus seinem Tagebuch

geht hervor, dass Munch tief von den

Reaktionen auf seine Kunst getroffen war.

Tatsächlich litt der 1863 geborene Künstler

anscheinend an Depressionen und Angstzuständen,

wie auch sein Vater und seine

Schwester. Die nachträgliche Inschrift auf

dem Gemälde war demnach wohl Edvard

Munchs Beitrag zur Debatte seiner Kritiker.

(Verwendete Quellen: BBC, Edvard Munch

wrote „madman“ graffiti on Scream painting,

scans show. Mysteriöse Inschrift, Forscher

lösen Rätsel um Edvard Munchs „Der Schrei“

22.02.2021, t-online).

Diese Geschichten, die wir (ich bin auch so

einer) machen, verrückt! Ich habe eine Freundin

(wäre es bei uns üblich, hätte ich gern einen

Harem), und dass, obwohl Nachbar Irakli

meint: „Zu dir setzt sich keine Frau mehr an

den Tisch.“ Er kennt mich? Der Künstler, das

bin ich. Bekannt im Dorf, nicht nur wegen der

„unmöglichen“ Bilder. Einmal mehr habe ich

„Scheiße gebaut“, und wir reden. „John!“, sagt

Melli, reißt die Augen auf, beschwörend packt

sie meinen Arm: „Das macht man im Dunklen,

wenn einen keiner sieht“, meine allerliebste

kleine Mellimaus ist entsetzt. Aber ich denke

anders als Gustl, mir gefällt es, im Rechtsstaat

zu leben. Ich habe einen besseren Eindruck

davon. Natürlich, auch ich möchte nur zu oft

„ganz weit weg“ – weiter als Edinburgh (wie

die Zweitliebste). Ich weiß aber, dass es nicht

geht. Da kommt schließlich (ewiglich und untrennbar)

die Haupt- und beste Ehefrau, unverzichtbar

vor allen anderen dran, und wir

bleiben natürlich hier. Nicht nur die Schwerkraft

gibt Halt, bindet. Ein anderes Mal, Melli

geht es gerade beschissen, als nun ich ihr mit

einem kleinen Hüpfer an der Bushaltestelle

zeige: „Du kannst hier nicht weg.“ Lieb hab’

ich sie. Alle.

Heute ein „Greta-Gedanke“, es gäbe keinen

Planet „B“ für uns, und man kann es größer

interpretieren: „Da sei nur eine Welt oder keine“,

erkennt Trompeter Dizzy bereits 1990 in

Prag, die Leute klatschen minutenlang. Wenn

das stimmt, nur eine Welt existiert, können

wir sie nicht verlassen, nicht einmal im Tod.

Eine Kunst, effektvoll zu malen wie Rembrandt.

Wir können mit dem Helldunkel umgehen

oder werden zwischen den Fronten zu

Staub zerrieben. Die Existenz kennt das Ende

Tod, kann aber nicht sagen, was genau nicht

existent zu sein für diejenigen bedeutet, deren

Leben beendet ist. Staub denkt nicht, ist

sichtbarer Dreck, immerhin. Die letzte Möglichkeit,

noch Putzfrau*in zu ärgern. „Dunkle

Materie“ ist unsichtbar und möglicherweise

mehr. Der Mensch muss lernen, mit etwas

zu navigieren, das niemand fassen kann. Die

Wirklichkeit von gestern ist die Karte, mit der

wir ins Morgen schippern. Weil wir so beschränkt

informiert darüber sind, wie etwas

war, wenn es vergangen ist. Wir haben hinten

keine Augen, und kriegen vieles nie mit. Das

ist nur eine der Gemeinheiten dieser auch bösen

Welt. Deswegen hat sich der Rechtsstaat

entwickelt. Das ist unser Fortschritt, seitdem

„Herr Jesus“ angenagelt wurde, weil er einige

zu sehr nervte. In dieser Tradition stehen, vom

heiligen Stephanus, nach dem unsere kleine

Kirche hier im Schenefelder Dorf benannt ist,

über viele andere, bis zum „Nawalny“ einige,

die so unbequem sind, dass eine Macht ihnen

das Maul verbieten will.

# „Wir“ machen Fehler

Natürlich ist Mollath nicht nur Opfer. Einzelne

brechen das Gesetz, aber auch Menschen

im Staat tun das, und dann greift dieses System,

das uns alle bindet. Je nach Land eine

gnadenlose Maschinerie bei den einen, bürokratisches

Unwesen bei anderen. Zu Unrecht

eingesperrt vom Staat: Wie es Gustl Mollath

ergangen ist in der Bundesrepublik Deutschland,

hat manche entsetzt, andere kaum interessiert.

Er ist ja wieder „draußen“, werden sie

meinen. Viele kommen nie mit dem Gesetz in

Konflikt. Sie finden es leicht, gut zu sein und

selbstverständlich. Immer sind sie die Äpfel,

die anderen Birnen, halten sich für gute

Menschen, begreifen nicht, dass ihnen nur

was gut gelingt. Scheuklappen ersetzen die

Bewusstheit genauso wenig, wie ein Medikament

den Psychopathen normalisiert. Auch

Normale können überraschend „geisteskrank“

werden – ein doofes Wort, „depressiv“ (immer

traurig), elegant trendy ist auch: „Burnout“ –

müssen sich neu definieren.

# Großartig!

„Sie hielte es mit Anne Frank“, meinte unsere

Bürgermeisterin über ihr Wirken an verantwortlicher

Position, als wir uns noch lange

Mails schrieben und mochten. Das sollte

wohl heißen, sie als Vertreter des Staates

lebe nach den Gesetzen des Widerstands von

damals, ließe sich leiten von idealen Werten,

könne deswegen nicht fehlgehen durch den

inneren Kompass. Heute „sind wir der Staat

die Guten“ und einen Antidemokraten Trump

halten wir aus, bis er wieder gehen muss

prophezeite sie. Sie hatte recht, was Trump

betrifft. Toll, Christiane: Ich ertrage dich, bis

du gehst. Schweigen ist erst möglich, nachdem

man alles andere probierte. Zum Letzten

bleibt das einseitige, unregelmäßige offene

Tagebuch, ein fiktives Meinungsbild und nur

eine alternative Wahrheit. Ein Blog ist nicht

sein Mittagessen zu posten und andere Banalitäten,

die dann sehnsüchtig kommentiert

zu sehen. Das ist Quatsch.

Ich wollte wissen, warum mein Freund und

Segelkamerad tot ist. Ich wollte wissen, ob es

mir selbst passieren kann, so massiv in emotionale

Not zu geraten, warum? Warum, das

habe ich mich gefragt, immer wieder. Keiner

konnte es erklären. Ausflüchte und mehr davon.

Lang ist’s her, und heute weiß ich es besser.

Schön zu leben, aber wie lange noch, ist

nicht mehr wichtig. Was soll mir die Zukunft,

wenn ich heute glücklich bin? Das Alter wird

nicht leicht sein, so viel ist gewiss. Ich erinnere

mich, und das hilft mir zu denken.

Wie etwa zu planen, was ich gleich nach der

Luvtonne machen will, beim Segeln, wenn

ich zuvor gut kreuzte und vorn vor dem Feld

liege. Die nahe Zukunft kann durch die gegenwärtige

Entscheidung ganz gut vorbereitet

werden, nur Automaten handeln nach

Programm unter Zwang. Die eigene Entscheidung

zu treffen, bedeutet wählen zu können,

wohin es gehen soll. Einen Luvkampf mit Piet

beginnen oder besser tief fahren, wie läuft

der Strom? Freiheit, Fairness und Fehler machen;

das Modell geschickt zu leben, ist im

Sport zu finden.

Und überall dort, wo wir sonst aufmerken, beginnen

plötzlich nachzudenken.

„Fruchtwasseruntersuchung? Wenn Sie die

machen, müssen Sie abtreiben, wenn das

Ergebnis eine grundsätzliche Missbildung

wie etwa das Down-Syndrom zeigt. Wenn Sie

nicht abtreiben wollen, brauchen Sie diese

Untersuchung nicht zu machen.“ Erst denken,

dann tun was alle machen oder eben nicht.

Manches müssen wir ganz allein herausfinden:

Ein ekliges, verlogenes Pack scheint die

Gesellschaft zu sein? Man muss ja nur die

Zeitung aufschlagen. Ganz weit weg, wohin

denn?

# Maria 2.0

Und doch ist Licht in der Finsternis und

verlöscht nicht. So steht es geschrieben,

was heißt das? Ein veraltetes Buch, das immer

wieder umformuliert wird, in aktuelle

Sprache. Meine Prophezeiung: Bald wird es

durchgendert werden. Warum gibt es keinen

zweiten Band? Die Bibel zwei, und jetzt auch

verfilmt von Disney.

Ich werde nicht müde, mir alltäglich neue Geschichten

irgendwo abzuschauen und stutzig

zu werden, neu zu interpretieren. Noch eine

Facette desselben: Da wird eine junge Frau

im Tageblatt porträtiert, zwanzig Jahre alt

etwa, im Bikini. Strahlt glücklich in die Kamera,

lange blonde Haare und schön zum gleich

Vernaschen für den Mann.

Unten sichtbar ist ein beuteliges Pflaster und

eine Narbe quer über den Bauch.

Sie ist hübsch, und ein Arzt hat ihr einen

künstlichen Darmausgang in den Unterleib

operiert, das müsste sein. Weil sie eine Soundso-Krankheit

habe mit Durchfall, Verstopfung,

was weiß ich was dazu und Problemen

noch und nöcher, und das sei auch gefährlich,

mache man jetzt nichts. Tatsächlich?

Das würde ich nicht glauben, wenn ein Arzt

das sagt. Verstopft, verkackt und geschickt

verpfuscht ist dieses Leben. Böse bin ich und

asozial verstockt. Voller Zorn! Kein Vertrauen

in andere: „Trau, schau wem“, die Verantwortung

liegt bei dir selbst zu entscheiden, was

gemacht wird. Wer will denn leben? Wir atmen,

das Herz schlägt, es geschieht.

Mit der Diagnose „Krebs“ konfrontiert, muss

ein Mensch die gewöhnliche Haltung: „Ich

krieg’s nicht“ (nur die anderen) aufgeben.

Wer meint, grad jung zu sein und deswegen

interessiere das Siechen alter Menschen im

Pflegeheim nicht, denkt wohl, man selbst sei

ja erst später betroffen. Dann könne man sich

damit beschäftigen, alt und krank zu sein. Ich

musste schon Hilfe annehmen. Ich habe um

vieles bitten müssen. Ich fürchte die mir aufgezwungene

Hilfe, der ich mich verbal nicht

entziehen kann, wenn ich schwach bin, in die

Enge getrieben. Den Tod fürchte ich nicht.

Feb 27, 2021 - Hell, dunkel und farbverrückt 21 [Seite 20 bis 24 ]

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