Blogtexte2021_1_12
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Hell, dunkel und farbverrückt
Feb 27, 2021
„Ganz dahinten, wo der Leuchtturm steht“,
singt Hans Albers in einem vergessenen Melodram,
und: „Wär’ ich doch ein Junge noch!“,
resümiert der blonde Hans (ergriffen von
sich selbst) zurückschauend. Seine Stimme
schnarrt ein wenig. Das Ende kommt in
Häppchen: „Dort blieb ein ... Stück . von . meinem
... Glück . zu . rück“, wer hier keine Träne
verdrückt …
Ein Licht dahinten, ganz weit weg, ist es dort
besser? Ich lese: „Ein Licht war in der Finsternis,
und die Dunkelheit hat es nicht auslöschen
können.“ Ein kleines Blatt mit einer
Buntstiftzeichnung, Kerze und Gedöns wie
man’s kennt, Kinderschrift darauf. Es hängt
im Schaukasten der Dorfkirche. Ich gehe oft
vorbei und denke darüber nach. Wenn ich im
Fernsehen vor acht eine Doku: „Dunkle Materie“
sehe und auch sonst mal.
Physiker haben ein Problem, man kann es
googeln.
# Dunkle Materie ist eine postulierte Form
von Materie, die nicht direkt sichtbar ist,
aber über die Gravitation wechselwirkt. Ihre
Existenz wird postuliert, weil im Standardmodell
der Kosmologie nur so die Bewegung
der sichtbaren Materie erklärt werden kann,
insbesondere die Geschwindigkeit, mit der
sichtbare Sterne das Zentrum ihrer Galaxie
umkreisen. In den Außenbereichen ist diese
Geschwindigkeit deutlich höher, als man es
allein auf Grund der Gravitation der Sterne,
Gas- und Staubwolken erwarten würde. (Wikipedia).
In der Doku sagt ein Wissenschaftler: „Es
schmerzt schon, dass wir’s nicht erklären
können. Es muss da etwas sein, überall, auch
hier gerade um uns herum …“, er macht eine
hilflose Rührbewegung mit seinen Armen, es
zu greifen, „dass Einfluss nimmt, auf die Gravitation,
das Funktionieren unserer Welt.“
Der Bundespräsident zündet eine Kerze an,
wir gedenken den Toten der Pandemie, im
Schloss Bellevue funzelt es im Fenster. Es
gibt Hoffnung und verdeutlicht die
beschränkten Möglichkeiten des ersten
Mannes im Staate, selbst politisch
einzugreifen. Zwölf Jahre sind vergangen,
Frank-Walter Steinmeier fand sich
kräftig genug, wollte ein Bundeskanzler
werden. Die Deutschen entschieden anders.
Licht, das uns führt, scheint dahinten
im Fenster. Kraft, die alle bindet, gibt
uns persönliches Gewicht. Was können
wir Menschen erreichen, wo steht unser
Leuchtturm? Auch die Kanzlerin erinnert
an Grenzen, entwickelt Perspektiven
angesichts des Unfassbaren, setzt
den Rahmen. Merkel erklärt ihre Politik
der Einschränkungen weltumspannend:
„Die Schwerkraft können wir nicht abschalten
…“, beginnt sie einleitend einer
langen Rede zu mahnen. Was auch nicht
wünschenswert wäre, finde ich. Die
Macht des Staates ist begrenzt. Wir alle
können hier nicht weg.
Das halten einige kaum aus.
# Justizopfer Gustl Mollath will weg aus
Deutschland. „Ich würde am liebsten
das Land verlassen“, sagte der 64-Jährige der
Deutschen Presse-Agentur in München zum
Erscheinen eines neuen Buches mit dem Titel
„Staatsverbrechen – Der Fall Mollath“.
„Auf dieses Land ist überhaupt kein Verlass.“
Das Buch wurde von dem Juristen Wilhelm
Schlötterer verfasst. Derzeit lebt Mollath in
Norddeutschland, wo er nach eigenen Angaben
versucht, Fuß zu fassen. Langfristig
wäre er aber „froh, wenn ich irgendein Plätzle
auf der Welt finden würde. Ich möchte
in Deutschland, vor allem in Bayern, nicht
bleiben müssen.“ Mit Blick auf die Bundestagswahl
im September sagte er: „Ich werde
dieses Mal erstmals wieder wählen können
dürfen und muss damit rechnen, dass (Bayerns
CSU-Ministerpräsident Markus) Söder
der nächste Kanzler ist. Das beschleunigt
meinen Wunsch, das Land zu verlassen.“
Mehr als sieben Jahre lang war Gustl Mollath
wegen angeblicher Gewalt gegen seine Ehefrau
in einer Psychiatrie eingesperrt, bevor er
als Opfer der bayerischen Justiz rehabilitiert
wurde. (Gekürzt übernommen von t-online,
22.02.2021, Verwendete Quellen: Nachrichtenagentur
dpa).
Kein Verlass auf ein (noch) dunkles Deutschland?
Das Gute hat so scheint es noch nicht
ganz gewonnen. Auch in den „Star-Wars-
Filmen“ ist die „dunkle Seite der Macht“ Gegenspieler
der Protagonisten. Eine zentrale
Angst machende Frage des Menschseins; das
Dunkle, das Böse. Bibel und Kunst greifen das
Thema auf, die Physik gibt zu, dass da offene
Fragen sind. „Die im Dunklen sieht man
nicht“, weiß schon Brecht, (Mackie Messer).
Auch Maler fasziniert das Licht und die dramatische
Dunkelheit. Der Meister des Helldunkel
sei Rembrandt gewesen, meinte mein
Vater gern und holte zum Beweis unser schmales
„Knaurs Lexikon“ aus dem Regal. Das
hatten alle zuhause stehen, bevor die zwanzigbändigigen
üblich wurden, bis sie unbändig
digital besiegt wurden. „Mann mit Goldhelm“,
jeder kenne dieses Bild sagte er.
Bis 1986 galt es als „echter“ Rembrandt.
# Seit dem Erwerb und der öffentlichen Ausstellung
in Berlin war das Bild äußerst populär.
Kunstdrucke und mehr oder weniger
geschmackvolle Umsetzungen in andere Medien
(z.B. als Stickerei) waren weit verbreitet
und schmückten viele Wohnungen. Seit es
nicht mehr als Werk Rembrandts gilt, hat die
Bekanntheit des Bildes nachgelassen, obwohl
es sich dabei durchaus um ein qualitätvolles
Werk handelt, wie Martin Warnke feststellte.
(Wikipedia).
Kunst ist Fake.
Durchaus Qualität habe das Bild, sagt man,
immerhin. Und bis 1986 war es ein Meisterwerk,
das deswegen bewundert und immer
wieder kopiert wurde? Es zeigt, dass die Bilder
selbst nur flüchtig angesehen werden,
aber gelesen wird, was über den Maler gesagt
wird. Dunkeldoof finde ich das.
„Am Anfang war das Wort“, heißt es. Da beginnen
unsere Probleme, fängt es an mit
den Behauptungen. Schweigen sei Gold, wer
wüsste diesen und andere Ratschläge nicht
wiederzugeben. Wer schreibt oder malt, der
bleibt. Das verdunkelte Hirn des Menschen
ist in Kunst und Kunstkritik nicht unbekannt,
Van Gogh, aber auch Edvard Munch und andere
werden gern ausgeleuchtet.
# „Kann nur von einem Verrückten gemalt
worden sein“, besagt eine kaum lesbare Notiz
auf Edvard Munchs „Der Schrei“. War es ein
Akt des Vandalismus – oder eine Nachricht
des Künstlers? Norwegische Wissenschaftler
haben Edvard Munchs Gemälde mit einem Infrarotscanner
untersucht und sind nun sicher:
Die mysteriöse Inschrift in der linken oberen
Ecke des Gemäldes stammt vom Künstler
selbst. (…). Lange war angenommen worden,
ein verärgerter Museumsbesucher könnte
das Werk von 1893 beschädigt haben. (…)
nachdem Fachleute vom Nationalmuseum in
Oslo ihren Infrarotscan von der Inschrift mit
handschriftlichen Aufzeichnungen Munchs
verglichen haben, scheint die Sache klar. „Die
Handschrift auf dem Gemälde gehört zweifellos
Munch“, so die Museumskuratorin Mai
Britt Guleng zur BBC. Die Inschrift selbst, aber
auch die Ereignisse von 1895, als Munch das
Gemälde erstmals öffentlich zeigte, deuten
alle in diese Richtung.
Feb 27, 2021 - Hell, dunkel und farbverrückt 20 [Seite 20 bis 24 ]