Blogtexte2021_1_12

03.01.2022 Aufrufe

Europa, eine wahre GeschichteFeb 18, 2021„Europa ist von den Socken“, nun bin ich mitdem Bild soweit, dass alles im Wesentlichenfestgelegt ist. Nach Monaten ist der Punktgekommen, zu verbessern, was bereits gutdasteht. Ich bereite mich vor, probiere möglichstgeplant zu beginnen, mit dem Malenerst anzufangen, wenn die kompositorischenund inhaltlichen Fragen geklärt sind. Dannpassiert trotzdem jedes Mal das: Problemetauchen auf. Die lange, wahre Geschichte desBildes, hier kommt sie.# Eine Chronologie, was alles misslangZunächst startete ich mit dem Mädchen aufeiner Kuh reitend. Das Erste war, daraus einenStier zu machen. Das ergab sich allein ausdem Gedanken, die pornografischen Inhaltenoch aufzupeppen. Und erst als ich bereitsmit dem Malen angefangen hatte, begriff ichdas darin verborgene Thema.Ich war unterwegs im Einkaufszentrum.Es ergibt sich, ich komme mit einer attraktivenStudentin ins Gespräch, kann es nichtlassen von meiner Webseite zu erzählen,und die junge Frau zieht schwupps ein Tablethervor, gibt meinen Namen ein. Das Bildwird bereits im Blog erwähnt, so etwa im Maivergangenen Jahres. Wir reden und reden imGeschäft (ohne Maske, glaube ich mich zuerinnern, es ist gerade besser geworden mitCovid), wo sie einen Nebenjob hat. Sie überfliegtdie Texte im Blog, und ich erzähle von„Gurken und Rosen“, und warum ich das nichtauf der Seite zeigen kann, jedenfalls nicht ingroßer Auflösung. Ich sage, dass ich Bo Bartlettbewundere und nun Themen aus meinerselbst erlebten Erfahrung umsetzen möchte,aber ohne den Stress, der einem widerfährt,wenn die Menschen identifizierbar sind. Sieerzählt, dass sie in Kiel einen Hund habenkann, bei ihren Eltern in Hamburg wohnendnicht, und dass sie möglicherweise dabei ist,den Studiengang zu wechseln. Was könntebesser zu ihr passen? Sie überlegt, und ichdenke, da ist es wieder mein Bild: Die jungeErwachsene auf dem Weg ins Glück.# Wo ist die Weide mit dem grüneren Gras?Ich möchte realistisch malen, aber nicht realeSituationen, und es soll mit dem Erwachsenwerdenzu tun haben und mit jungen Menschen.Mein Leben, ich kann zurückschauen,wenn ich der Gegenwart zuhöre. Ich denke anden alten Hans-Jürgen, einen Freund. „Wenndu früher die Jugendlichengefragt hast, sie wollten Lokomotivführerwerden, Kapitänund Krankenschwester. Heutesagt die Enkeltochter ,ich willstudieren’ und schaut dichgroß an“, meint er.Er lässt das so im Raum stehen.# Im LadenEs ist viel Zeit vergangen, seitdemwir im Geschäft geredethaben, die Verkäuferin, Studentinund ich – der Künstler, sohat sie mich genannt. Ich gabzu, Porno zu lieben, aber nichtdiesen Markt bedienen zu wollen, sondern„Bilder“ zu machen. Zu dem Reitermädchenmeinte sie, das wäre ja wie bei „der Europa“,und da habe ich so getan, als wüsste ich: „Ja“,sagte ich nur. Ich hatte keine Ahnung, habezuhause gegoogelt. Tizian hat es gemalt, undandere. Der Göttervater Zeus verwandelt sichin einen freundlichen und wenig gehörnten,attraktiven Stier, der auch nicht allzu gewaltiggroß ist. Er raubt die am Strand spielendeGöttin Europa, schwimmt mit ihr nach Kretaund verwandelt sich zurück. Eigentlich hatder Alte bereits eine Gattin, die soll es nichtmitbekommen, deswegen die Entführungin Tiergestalt. Aus der Liebelei entspringennoch Kinder, das ist eine alte Sage.Unser Kontinent hat seinen Namen davon.Also überlegte ich, entschied mich, die Sockenauf „europäisch“ umzutrimmen. MeinBild trug den Arbeitstitel „Das grünere Gras“,und nun konnte es auch „Europa ist vonden Socken“ heißen. Grünes Gras heißt jetztauch grüne Politik; wollte ich das sagen? Einchaotisches Parlament, der Brexit; mit einigenwenigen Pinselstrichen kommen neueInhalte dazu, warum nicht? Big Brother, Sexin Bondage, wer sieht was im Bild, interpretierthinein? Da waren sie wieder, die mehrals tausend Worte im Gemälde. Es überraschtzunächst den Künstler selbst, was gerade ander Angel unserer Fantasie zappelt. Nur werseine Zukunft plant, habe eine, plakatiert dieBank und empfiehlt eine Geldanlage. Werwisse wie viel er dem Zufall überlassen dürfehabe das Glück auf seiner Seite, findet LadyBarbara Wellington im Roman „Hornblower“,und schon Edward Hopper beklagt, dass sichdie malerische Idee während der Arbeit nochwandelt. Das müsse man hinnehmen, sagtder Meister.# Oder als Chance begreifen …Mir war es darum gegangen, die Fantasie undErwartung junger Frauen „nichts zu verpassen,jedem Ideal des perfekten Lebensentwurfs,aber auch alles zu erleben und richtigzu machen“ in ein Bild zu packen. Ein Studiumim Ausland, eine Lehre zuhause reicht schonmal nicht. Ein toller Mann, aber nicht gleichder Erste, der kommt usw. – die moderne plakativeSexualität, über die man aber nichtspricht, das sollte auch hinein. Zu meinerZeit waren Live-Cam-Porno und Internetsexundenkbar, im Playboy alle Frauen untenrumhaarig und zudem im Intimsten retuschiert.Noch mehr Haare drauf.# Eine alte Geschichte, modern interpretiertIch wollte die Orvellsche Komponente imBild haben und fand die Drohne auch auskompositorischer Sicht prima. Eine böseSpinne und schwarz. Das ganze Konstruktder formalen Beziehungen konnte an diesemPunkt getrimmt werden, wie ein Segel durchdie dem Wetter entsprechende Spannung aufdem Fall und den Streckern: Cunningham,Unterliek, flexibel nachjustiert mit Travellerund Großschot. Die formale und inhaltlicheSpannung einer Komposition entscheidet darüber,wie interessant ein Thema präsentiertwird. Wo die Dinge auf einem Bild ihren Platzhaben, wie intensiv ihre Farbe ist und welcheRichtung sie dem Auge geben, nicht zuletztdie inhaltliche Bedeutung und damit ihreGewichtung, ob sie einen Schwerpunkt dererzählten Geschichte darstellen oder einespielerische Ergänzung, bestimmt über seineQualität. Schief konnte mein Schiffchenrunterstürzen und doch würde der Betrachterimmer zurück in die Komposition finden.Alles hängt an diesem schwarzen Stern imHimmel. Dass mit dem Wal konnte die unappetitlicheSeite des Themas „Sex mit Tieren“noch toppen, hatte zu diesem Spritzer geführtund würde verklemmteTrutschen zornig machen, gutso. Die Möwe hat ihren Platzbekommen, weil die obereSocke beim Probieren so ähnlichausgesehen hat wie einSeevogel. Da habe ich lange inPhotoshop gebastelt, bis dieserein formale Idee „der ähnlichenKontur“ erzählt werdenkonnte.Ich möchte eine schöne „Europa“malen, hoffe es gelingt.Manche dürften sie für naivhalten. Ich sehe das anders.In diesem Rind steckt nichtallein der alte Zeus, sondernauch ich, John der Maler. Unterwegs in dieserLage, ist er der Erschrockene auf dem Floßund derjenige, der bei aller Lust gerade einmalmehr begreift was hier geschieht. Ihmwird die Schuld zugewiesen, verantwortlichmit ihr in diesem Kuhsturm zu schippern.Und das weiß der alte Esel, pardon Stier (undLustmolch) natürlich am Besten von allenselbst. Er hat keinen Motor installiert, keinenMast mit einem Segel aufgestellt. Um dieVorräte kümmerte er sich wenig, wer von denFeb 18, 2021 - Europa, eine wahre Geschichte 16 [Seite 16 bis 19 ]

Beiden hat den Futtertopf mitgenommen?Was tut er denn für seine Freundin? Dass geradefrischer Fisch an Deck landet, das reineGlück. Unbedarft wie ein Sterntalermädchenist sie mitgegangen. Hier glaube ich, dass siesich ihrer Gemeinsamkeit mehr bewusst sind,als der Betrachter ahnt, wenn er das Bild zumersten Mal sieht. Sie trägt die Ketten, ohnesich daran zu stören, es kratzt sie als jungenMenschen auch nicht, dass alles vielleichtnur eine Inszenierung in einem möglicherweisekünstlichen Hexenkessel ist: Las VegasBullenreiten, ein Meer wie in der „Truman-Story“, eine Challenge. Wer weiß das schon?Politik ist genauso dabei. Sie sind aneinandergebunden, wie die Briten unweigerlich anEuropa. Eine Trennung ist möglicherweisegefährlicher, als gemeinsam weiterzumachen.Das sind so einige Gedanken, die mirkommen. Eine Reise mit ungewöhnlichemAusgang. Wir dürfen annehmen, dass ihreFröhlichkeit einiges dazu tun kann, dass dasGanze noch gut ausgeht.# Jedes Bild ist zunächst eine Baustelle vollerProblemeAls ich anfing zu malen, mussten gleich dieersten Fehler, die ich übersehen hatte, korrigiertwerden. Meine Vorlage war ein Mädchen(nackt) auf einem Pferd gewesen, undfür unten habe ich das Bild einer jungenFrau (angezogen) auf ihrer Reitkuh genommen.Die Frauen habe ich getauscht, mein„Public-Porno“ für oben, und anstelle desPferdes kam die Kuh nach unten. Photoshopmacht es möglich, und ein Vergnügen ist esja bereits, den richtigen Teen zu finden. Es hatmich von Beginn des Computer-Porno an geärgert:Jeder kann über Google mit geringemAufwand sofort in die weltweit eingestelltenBilder eintauchen, und eventuell kommenauf die Vorschaubildchen ganz andere Nachfolgeseiten?Und ggf. werde ich strafrechtlichverfolgt, falls das Falsche dabei ist? Mit demheute etablierten Begriff „Darknet“ entstehtder beruhigende Eindruck, dass kriminelleEnergie vonnöten ist, um abzudriften. Ichsurfe entspannt, sage mir, dass Hamster & Coein Interesse daran haben, sauber zu sein, genießedie leichte Verfügbarkeit der schönenBilder und gebe das gern zu.Als das Bild bereits im Werden war, änderteich bald den Busen hin zu kleinen, etwas inden Brustwarzen aufgewölbten Glocken, diemir besser zu passen schienen. Das habe ichnach langer Suche im Fundus verschiedensterScreenshots, die ich machte (es kommtauf die korrekte Perspektive an) chirurgischumoperiert. Dann ausgedruckt, und zwar inder Größe meines Bildes. Ich klebte die neueVorlage einfach neben die zu ändernde Stelleauf die Leinwand und übermalte die Brust.Es musste ein linkes Bein in das Bild, fandich und habe lang probiert, wo es hingehört.Auf dem von mir als Vorlage verwendetenFoto sitzt das Mädchen normal im Sattel, dasBein gehalten mit dem Fuß im Steigbügel.Vom Pferd verdeckt ist es nicht sichtbar. Ichtrennte verschiedene Beine ausallerlei mit „Spreading“ bezeichnetenPosen, die ich versuchsweiseeinkopierte. So kam die instabilePosition zustande. Schwierig istgewesen, den Ort am Hintern zudefinieren. Der Fotograf hat seine(im Original verschämt blickende)Freundin, (weil es draußen auf demReiterhof ist, mutmaßlich, weiß ichja nicht) auf dem Familiengaul (?)von unten abgelichtet. Da ihre linkeSchulter deswegen weit unten zusehen ist, musste das abgewandteBein unterhalb der Pobacke angebautwerden. Das sieht noch nichtüberzeugend aus. Ich hoffe, dassich’s plastisch hinbekomme. Eswird zum Schluss gemacht, nachdemder Rest ziemlich fertig ist.Die tief sichtbare Schulter gab die Höhe derhinteren Brust vor. Jetzt zahlte es sich aus,dass ich schon so unendlich viel Akt gezeichnethabe und im Studium eine gute Ausbildungerhielt, genau hinzusehen. Weil ichden Ort dieser Schulter lokalisieren konnte,ergab sich die Möglichkeit digital in meinerEntwurfsdatei zu messen, wo der Arm mitder linken Hand des Mädchens enden würde,wenn ich ihn änderte. Das war nötig. Auf demFoto hält sie sich am Sattel fest, der einenKnauf hat. Nachdem ich eine offene Hand mitschönen Fingern am Mac in die Fotovorlageeinbaute und den Arm um den Drehpunktbewegte, wo ich die Schulter vermutete, bisdie Richtung stimmte, schien das ganz gutauszusehen. Aber auf der Leinwand habe ichdie Hand, nachdem sie gepaust und ausgemaltdastand, noch um einen knappen Zentimeterversetzt. Der Arm kam mir nun zu langvor. Das bedeutete zu übermalen. Nun hatteich es nicht mit einer Ebene imProgramm zu tun, die man einfachverschiebt. Dasselbe erlebte ichbeim neuen Bein. Den Fuß habeich genauso versetzt, neu gemalt.Das Bein war zu lang, und das sahman erst, als es auf der Leinwandgezeichnet und mit hellrosa vorgemaltwar.Das Gesicht habe ich durch daseiner anderen ersetzt, erst jetztim Januar nochmals umgestaltet,da es witziger ist, wenn sie ihreFloßfahrt genießt. Dafür bin ichwieder pragmatisch vorgegangen.Ich habe mir eine gesucht, die denKopf in passender Perspektive hält.Das war zunächst eine junge Frau,die während des World Naked BikeRide fotografiert wurde und etwasauf dem Handy anschaut. Für meineAbsicht musste sie nicht nacktsein, denn es ging nur um die Kopfhaltung.Auf diesem Bild lernte ich,wie etwa die Kontur der Wangehinter der Nase sein muss, und wieder Mund mit einigen Zähnen unterder Nase gemalt werden kann.Dann habe ich weitere junge Frauen in ähnlicherPerspektive gefunden, angezogen, abermit schönen Köpfen, probierte daraus eineindividuelle Person zu malen. Das dauerte einigeTage. Der Kopf auf der Leinwand hat dieGröße eines Teebeutels, das Gesicht ist etwaein gutes Viertel davon, vergleichbar derZwei-Euromünze. Ich verwende Aquarellpinselder kleinsten Sorte 10/0 in bester Qualitätzum Stückpreis von acht Euro. Die reinigeich immer wieder mit speziellem Pinselreiniger,der Acrylfarbe anlöst, und ich verbrauchenicht wenige davon, weil sie trotzdem ihrefeinste Spitze nach einiger Zeit verlieren.Es mutet seltsam an, auf einem großen Bildmit kleinen Pinseln zu arbeiten? Ich fangezunächst mit breitem Borstenpinsel an, aberes stimmt, ich bin Zeichner, Illustrator. Malereikann auch anders aufgefasst werden.Erlaubt ist, was gefällt. Es muss mir liegen,auf eine bestimmte Weise zu arbeiten. Das istdoch wichtig. Es ist ja auch eine Frage desKönnens. Wem es leicht fällt, mit schnellemStrich einen sicheren Fleck zu setzen, kannes tun. Ich arbeite, wie es mir gelingt. Darumstehen mir Thema und Komposition über derVirtuosität mancher Kollegen. Wer ein Modellhat und in eine Position bitten kann oder indie Natur geht und sich eine Landschaft vornimmt,muss das Gesehene nur übertragen,und auch diejenigen, die ein Foto wie es istkopieren, werden es leichter finden stumpfabzumalen.Die alten Meister mit ihren durchkomponiertenFigurengruppen mussten exakt arbeiten.Vorbilder – da schmerzt mich irgendwie, dassihre Werke viel gründlicher und perfektersind und auf der anderen Seite meine Bildernicht so großzügig gemalt sind, wie dieanderer der Moderne (Edward Hopper). DasMeerwasser von Anton Otto Fischer ist breitmit sicherem Pinsel hingesetzt, davon kannich mit meinem Gestrichel nur träumen.Und die Wellen von Jochen Sachse in ihrerPerfektion haben eine sichere persönlicheHandschrift, dass man ihn sofort daran erkennt.Fischer war Seemann gewesen, bevorer malte. Sachse war Konstrukteur und hatseine Schiffszeichnungen perspektivisch aufSchoellerhammer übertragen. Er ist nur alsFeb 18, 2021 - Europa, eine wahre Geschichte 17 [Seite 16 bis 19 ]

Beiden hat den Futtertopf mitgenommen?

Was tut er denn für seine Freundin? Dass gerade

frischer Fisch an Deck landet, das reine

Glück. Unbedarft wie ein Sterntalermädchen

ist sie mitgegangen. Hier glaube ich, dass sie

sich ihrer Gemeinsamkeit mehr bewusst sind,

als der Betrachter ahnt, wenn er das Bild zum

ersten Mal sieht. Sie trägt die Ketten, ohne

sich daran zu stören, es kratzt sie als jungen

Menschen auch nicht, dass alles vielleicht

nur eine Inszenierung in einem möglicherweise

künstlichen Hexenkessel ist: Las Vegas

Bullenreiten, ein Meer wie in der „Truman-

Story“, eine Challenge. Wer weiß das schon?

Politik ist genauso dabei. Sie sind aneinander

gebunden, wie die Briten unweigerlich an

Europa. Eine Trennung ist möglicherweise

gefährlicher, als gemeinsam weiterzumachen.

Das sind so einige Gedanken, die mir

kommen. Eine Reise mit ungewöhnlichem

Ausgang. Wir dürfen annehmen, dass ihre

Fröhlichkeit einiges dazu tun kann, dass das

Ganze noch gut ausgeht.

# Jedes Bild ist zunächst eine Baustelle voller

Probleme

Als ich anfing zu malen, mussten gleich die

ersten Fehler, die ich übersehen hatte, korrigiert

werden. Meine Vorlage war ein Mädchen

(nackt) auf einem Pferd gewesen, und

für unten habe ich das Bild einer jungen

Frau (angezogen) auf ihrer Reitkuh genommen.

Die Frauen habe ich getauscht, mein

„Public-Porno“ für oben, und anstelle des

Pferdes kam die Kuh nach unten. Photoshop

macht es möglich, und ein Vergnügen ist es

ja bereits, den richtigen Teen zu finden. Es hat

mich von Beginn des Computer-Porno an geärgert:

Jeder kann über Google mit geringem

Aufwand sofort in die weltweit eingestellten

Bilder eintauchen, und eventuell kommen

auf die Vorschaubildchen ganz andere Nachfolgeseiten?

Und ggf. werde ich strafrechtlich

verfolgt, falls das Falsche dabei ist? Mit dem

heute etablierten Begriff „Darknet“ entsteht

der beruhigende Eindruck, dass kriminelle

Energie vonnöten ist, um abzudriften. Ich

surfe entspannt, sage mir, dass Hamster & Co

ein Interesse daran haben, sauber zu sein, genieße

die leichte Verfügbarkeit der schönen

Bilder und gebe das gern zu.

Als das Bild bereits im Werden war, änderte

ich bald den Busen hin zu kleinen, etwas in

den Brustwarzen aufgewölbten Glocken, die

mir besser zu passen schienen. Das habe ich

nach langer Suche im Fundus verschiedenster

Screenshots, die ich machte (es kommt

auf die korrekte Perspektive an) chirurgisch

umoperiert. Dann ausgedruckt, und zwar in

der Größe meines Bildes. Ich klebte die neue

Vorlage einfach neben die zu ändernde Stelle

auf die Leinwand und übermalte die Brust.

Es musste ein linkes Bein in das Bild, fand

ich und habe lang probiert, wo es hingehört.

Auf dem von mir als Vorlage verwendeten

Foto sitzt das Mädchen normal im Sattel, das

Bein gehalten mit dem Fuß im Steigbügel.

Vom Pferd verdeckt ist es nicht sichtbar. Ich

trennte verschiedene Beine aus

allerlei mit „Spreading“ bezeichneten

Posen, die ich versuchsweise

einkopierte. So kam die instabile

Position zustande. Schwierig ist

gewesen, den Ort am Hintern zu

definieren. Der Fotograf hat seine

(im Original verschämt blickende)

Freundin, (weil es draußen auf dem

Reiterhof ist, mutmaßlich, weiß ich

ja nicht) auf dem Familiengaul (?)

von unten abgelichtet. Da ihre linke

Schulter deswegen weit unten zu

sehen ist, musste das abgewandte

Bein unterhalb der Pobacke angebaut

werden. Das sieht noch nicht

überzeugend aus. Ich hoffe, dass

ich’s plastisch hinbekomme. Es

wird zum Schluss gemacht, nachdem

der Rest ziemlich fertig ist.

Die tief sichtbare Schulter gab die Höhe der

hinteren Brust vor. Jetzt zahlte es sich aus,

dass ich schon so unendlich viel Akt gezeichnet

habe und im Studium eine gute Ausbildung

erhielt, genau hinzusehen. Weil ich

den Ort dieser Schulter lokalisieren konnte,

ergab sich die Möglichkeit digital in meiner

Entwurfsdatei zu messen, wo der Arm mit

der linken Hand des Mädchens enden würde,

wenn ich ihn änderte. Das war nötig. Auf dem

Foto hält sie sich am Sattel fest, der einen

Knauf hat. Nachdem ich eine offene Hand mit

schönen Fingern am Mac in die Fotovorlage

einbaute und den Arm um den Drehpunkt

bewegte, wo ich die Schulter vermutete, bis

die Richtung stimmte, schien das ganz gut

auszusehen. Aber auf der Leinwand habe ich

die Hand, nachdem sie gepaust und ausgemalt

dastand, noch um einen knappen Zentimeter

versetzt. Der Arm kam mir nun zu lang

vor. Das bedeutete zu übermalen. Nun hatte

ich es nicht mit einer Ebene im

Programm zu tun, die man einfach

verschiebt. Dasselbe erlebte ich

beim neuen Bein. Den Fuß habe

ich genauso versetzt, neu gemalt.

Das Bein war zu lang, und das sah

man erst, als es auf der Leinwand

gezeichnet und mit hellrosa vorgemalt

war.

Das Gesicht habe ich durch das

einer anderen ersetzt, erst jetzt

im Januar nochmals umgestaltet,

da es witziger ist, wenn sie ihre

Floßfahrt genießt. Dafür bin ich

wieder pragmatisch vorgegangen.

Ich habe mir eine gesucht, die den

Kopf in passender Perspektive hält.

Das war zunächst eine junge Frau,

die während des World Naked Bike

Ride fotografiert wurde und etwas

auf dem Handy anschaut. Für meine

Absicht musste sie nicht nackt

sein, denn es ging nur um die Kopfhaltung.

Auf diesem Bild lernte ich,

wie etwa die Kontur der Wange

hinter der Nase sein muss, und wie

der Mund mit einigen Zähnen unter

der Nase gemalt werden kann.

Dann habe ich weitere junge Frauen in ähnlicher

Perspektive gefunden, angezogen, aber

mit schönen Köpfen, probierte daraus eine

individuelle Person zu malen. Das dauerte einige

Tage. Der Kopf auf der Leinwand hat die

Größe eines Teebeutels, das Gesicht ist etwa

ein gutes Viertel davon, vergleichbar der

Zwei-Euromünze. Ich verwende Aquarellpinsel

der kleinsten Sorte 10/0 in bester Qualität

zum Stückpreis von acht Euro. Die reinige

ich immer wieder mit speziellem Pinselreiniger,

der Acrylfarbe anlöst, und ich verbrauche

nicht wenige davon, weil sie trotzdem ihre

feinste Spitze nach einiger Zeit verlieren.

Es mutet seltsam an, auf einem großen Bild

mit kleinen Pinseln zu arbeiten? Ich fange

zunächst mit breitem Borstenpinsel an, aber

es stimmt, ich bin Zeichner, Illustrator. Malerei

kann auch anders aufgefasst werden.

Erlaubt ist, was gefällt. Es muss mir liegen,

auf eine bestimmte Weise zu arbeiten. Das ist

doch wichtig. Es ist ja auch eine Frage des

Könnens. Wem es leicht fällt, mit schnellem

Strich einen sicheren Fleck zu setzen, kann

es tun. Ich arbeite, wie es mir gelingt. Darum

stehen mir Thema und Komposition über der

Virtuosität mancher Kollegen. Wer ein Modell

hat und in eine Position bitten kann oder in

die Natur geht und sich eine Landschaft vornimmt,

muss das Gesehene nur übertragen,

und auch diejenigen, die ein Foto wie es ist

kopieren, werden es leichter finden stumpf

abzumalen.

Die alten Meister mit ihren durchkomponierten

Figurengruppen mussten exakt arbeiten.

Vorbilder – da schmerzt mich irgendwie, dass

ihre Werke viel gründlicher und perfekter

sind und auf der anderen Seite meine Bilder

nicht so großzügig gemalt sind, wie die

anderer der Moderne (Edward Hopper). Das

Meerwasser von Anton Otto Fischer ist breit

mit sicherem Pinsel hingesetzt, davon kann

ich mit meinem Gestrichel nur träumen.

Und die Wellen von Jochen Sachse in ihrer

Perfektion haben eine sichere persönliche

Handschrift, dass man ihn sofort daran erkennt.

Fischer war Seemann gewesen, bevor

er malte. Sachse war Konstrukteur und hat

seine Schiffszeichnungen perspektivisch auf

Schoellerhammer übertragen. Er ist nur als

Feb 18, 2021 - Europa, eine wahre Geschichte 17 [Seite 16 bis 19 ]

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