Blogtexte2021_1_12
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Weißer Winter, rosa Rauch
Feb 13, 2021
Aus unserem Küchenfenster: Rosa ist der
Rauch nur an wenigen Tagen im Jahr. Das
passiert im Winter, die Sonne muss morgens
eine bestimmte Position rechts vom Hochhaus
haben. Ein wenig später steht sie zu
hoch, scheint zu hell, und der Rauch aus dem
Schornstein leuchtet beinahe weiß.
Viele Menschen haben eine Lieblingsfarbe.
Aber noch nie habe ich einen getroffen, der
meint das „g“ (innerhalb der Notenlinien) sei
ihm der schönste Ton, allemal besser, als das
schnöde „f“ eben drunter. Einige streiten
sich gern: „Das ist orange, nicht rosa“,
sie kennen sich aus? Meine Mutter verwendete
den Ausdruck „petrol“ für ein
dunkles Türkis. Damit können manche
nichts anfangen, und sie diskutieren
gern, ob etwas grün oder blau sei, wenn
der Farbton dazwischen liegt. Dasselbe
machen sie bei violett. Sie können nicht
sagen, es sei gerade ein rötliches Blau.
Verbalisten wissen eventuell nicht, wie
man ein Blau mit ein wenig rot, das man
hineinmischt, zum Lila machen kann?
Damit ich einen Ton anpassen kann,
muss ich ein Gefühl dafür bekommen,
wie viel gelb einem Rot noch fehlt, und
dann kann ich sagen: „Das ist ein rotes Gelb
oder es ist ein grünes“, so steht es auch auf
der Tube. „Titangelb grünlich“ oder „Phthalogrün
gelblich“ im Unterschied zu „Phthalogrün
bläulich“, und das ist nicht wie beim
Autohändler (oder dem Sofa) in „Rio Verde“.
Auf dem Auto, am Vorhang, der Kleidung und
im Bild haben die Farbtöne eine Funktion
und lösen Gefühle aus. Farbe ist emotional,
streitbar. Im Künstlerbedarf ist sie ein Material
und so bezeichnet. Weshalb wir Maler
„Elfenbeinschwarz“ im Laden vorfinden, wo
die Stoßzähne der Elefanten doch weiß sind,
das verwundert? Der Farbname „Elfenbeinschwarz“
bezeichnet ein schwarzes Pigment,
das ursprünglich aus unter Luftabschluss
geglühtem Elfenbein gewonnen wurde. (Wikipedia).
# Einige wollen immer das Gegenteil sagen
Sie täuschen Selbstbewusstsein vor durch’s
grundsätzliche Widersprechen. Reizvoll, wenn
es gelingt, so eine penetrante Diskutante zu
manipulieren, dass die Person schließlich für
das Gegenteil plädiert, das ihr anfangs wichtig
war. Es gibt immer ein paar Gründe für die
eine wie die andere Position. Man kann für
besseren Schutz der Mieter eintreten und die
typischerweise gewinnorientierten Vermieter
anprangern oder darauf hinweisen, dass es
Mieter gibt, die kein Hauswirt leiden kann
mit den entsprechenden Details,
und die Position des Vermieters
stärken. Argumente lassen sich
für viele Ansichten finden. Eine
eigene Meinung zu haben, ist
mehr, als aus dem Vorrat gängiger
Thesen aufzutischen. Die
Meinung zu etwas wechseln zu
können, und nicht Ansichten wie
Unterhosen aus dem Schrank zu
nehmen, macht einen starken
Charakter aus.
# Deswegen bedeutet eigene
Gedanken denken zu können
Freiheit
Es ist die Freiheit von den Fesseln der Angst,
nicht viel mehr, als eine individuelle Angewohnheit
loszuwerden. Am Schlimmsten
dran ist der Mensch, der nicht einmal weiß,
dass er sich grad fürchtet, in unangenehmen
Situationen grundsätzlich streitet oder einfach
flüchtet.
Es passiert: Wie ein Geschenk kann der
zwanghafte Schub, eine deftige Aktion aggressiven
Verhaltens, die uns wie unabänderlich
geschieht, deutlich machen, wie sehr wir
gekränkt wurden. Wer nicht wählt, obwohl
Alternativen zur Verfügung standen, kann
sich dessen im Nachhinein bewusst werden.
Typischerweise angepasst wäre es gewesen,
wenn wir wie sonst alles hingenommen hätten?
Aber wie fremdmotiviert starten wir einen
„Befreiungsschlag“.
Danach wird ein Mensch sich erst bewusst,
wozu er in der Lage ist.
Als ich zu malen begann, fand ich
leicht ein Thema. Rosa leuchtet
der Rauch, wie schön. Ganz sicher
gäbe es die genialsten Bilder
mit diesem Motiv, aber ich fand
es genug, den Blick von dort zu
malen, wo ich’s gerade gesehen
habe. Ich war auf der Suche und
wusste es nicht. Hätte ich besser
gezielt gearbeitet, von Beginn
an ein Stilmittel perfektioniert?
Sonnenuntergänge gehen immer.
Einige malen die Brandung immer
wieder. Ich habe von einem
Bild zum nächsten gemalt, bis ich
wusste, was mir fehlt. Ein längerer
Weg, nicht nur in der Malerei.
Seitdem fühle ich mich frei zu
wählen, was ich male. Wie lange
das dauert, bis ein Bild fertig ist,
und ob es anderen gefällt, interessiert mich
heute überhaupt nicht mehr. Und zwar, weil
es immer so wichtig gewesen ist und mich
Zurückweisung oder ausgebliebene Anerkennung
geschmerzt hat.
Niemand ist davon frei, gern gelobt zu werden.
Wenn dies ein übermächtiges Problem
darstellt, sich stets in den Vordergrund
drängt, und bei mir ist das der Fall, ist es wohl
am Besten, entsprechende Situationen zu
provozieren, in denen man trotz aller Mühe
leer ausgeht. Es bedeutet, sich einen Spiegel
vorzuhalten mit Ansage. Das heißt, viel
zu leisten aber das Ergebnis so zu gestalten,
dass die Anerkennung ausbleiben muss.
Ich möchte keine Beziehungen, keine sozialen
Bindungen! Keine Freunde, keine Liebe
erleben und keine Träume haben, die sich
erfüllen mögen. Die bekannten Worthülsen
haben mich enttäuscht. Ein derber Spott
liegt mir auf der Zunge bei so vielem, was
immer wieder gesagt wird: Wir sind so gut.
Wir trennen Müll. Wir sind „Me-too und Black
Lives Matter“. Wir müssen Vegan sein und
setzen einen Helm auf beim Fahrradfahren,
weil es sicherer ist und sich „richtig“ anfühlt?
Wir gendern. Wir cremen die Haut. Wir kaufen
„Bio“ und fahren elektrisch, sind smart. Wir
sind auf „Insta“ oder sonst wo sozial „unterwegs“
im Netz. Der Mensch übertrumpft sich
im Teilen, spendet Knochenmark und noch im
Tode seine Organe, kämpft gegen den Krebs,
als wäre das kein individuelles Teil seiner
selbst, sondern die Geißel für Jedermann. Informiert
aus dem Baukasten. Das Leben: Die
Challenge. Corona, Jerusalema. Wir stehen
zusammen! Halten Abstand. Nur gemeinsam
kommen wir da durch. Und der Präsident
stellt eine Kerze in das Fenster. Endlich aus
der Kirche austreten und: Los geht’s Peloton!
# Wir sind soo modern
Nichts für mich. Ich möchte nicht moralisch
richtig leben, ich möchte mich ausleben und
entwickeln, nicht einen Menschen geben, der
in seiner Rolle gemocht wird.
Niemand ist frei davon, in Beziehungen zu
leben.
Aber ich möchte frei sein innerhalb der Bindungen.
Das macht es nicht leicht, nicht für
mich, meine Angehörigen, die Freunde, aber
es hält mich fit – und möglicherweise ist es
nun einfacher, freundlich zu sein.
:)
Feb 13, 2021 - Weißer Winter, rosa Rauch 15 [Seite 15 bis 15 ]