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Kein Fisch an Heiligabend

Dez 22, 2021

Schon einmal habe ich das gemacht, einen

bereits veröffentlichten Text überarbeitet.

Ich korrigiere ohnehin alles, habe immer

Revisionen. Als studierter Grafiker bin ich

weder zum Künstler noch Journalisten

ausgebildet, als Wissenschaftler oder gar

Schriftsteller besonders befähigt, aufgrund

erworbener Kenntnisse zu glänzen. Ich

lernte nie, in einer Schule fachbezogen zu

schreiben und skizziere Inhalte, für die ich

nicht extra qualifiziert bin. Das ist keine

Entschuldigung; niemand muss es lesen,

finde ich. Hier steht in erster Linie für mich

selbst festgehaltenes Material. Ich probiere,

mir über Dinge klar zu werden, die mir

beharrlich im Kopf herumgehen. Ich möchte

etwas über den Zusammenhang von Körper

und Psyche schreiben, mit persönlichen

Erfahrungen gespickte Inhalte, die unsere

untrennbare Einheit anschaulich machen. So

ist dieser Text „Neid, dazwischen“ im November

zustande gekommen. Beim Wiederlesen

fehlt mir der rote Faden in den eigenen

Worten. Es wurde nötig, noch einmal dranzugehen.

Zu viele Episoden und abschweifende

Umwege? Keine Linie, der man bereitwillig

folgt. Trotzdem wollte ich die Anekdoten

gern retten, besser verknüpfen. Ich bin weiter

davon überzeugt.

Was treibt uns an? Persönliche Motive!

Inzwischen ist ein weiterer Tag vergangen.

Heute hat Alexandra Geburtstag, morgen

ist Weihnachten. Unzählige Änderungen hat

das hier allein seit gestern noch erfahren.

Unnötig sich vorzustellen, dass andere

zwischendurch lesen und man später Fehler

findet. Zunächst die eigene Einschätzung

und meine Sache, zu entscheiden, ob etwas

stehenbleibt. Liest überhaupt jemand, was

ich schreibe? Das weiß ich nicht, und es darf

nicht wichtig werden.

# Der neue Maßstab

Kunst im Hof der Hexenküche. Wenn

Christiane, die aus dem Turm, etwas

verbockte, ja „-kackte“, um ihre eigenen

Worte zu verwenden, dann zementierte sie

die Unmöglichkeit, Schuld einzugestehen.

Zündelnd aus schützender Deckung erzwang

die Eingebildete Stille, schuf verstrahltes

Gelände. Gegen diese Mauer gibt man auf.

Jede Annäherung hieße, Arschlöcher auf den

Plan zu rufen. Das Recht zu beugen, konnte

mich nicht verbiegen. Erzwungene Integrität:

Als Hofnarr will ich nicht durch den Kakao

und über das Spiel- und Schenefeld

gezogen, von Schmeißfliegen verfolgt

werden.

***

Im Kescher gemeinsamer Historie

gefangen, spielen wir heute nach den

neuen Regeln. Meine Kunst lehnt den

Staat ab, riskiert Leben, verweigert Solidarität.

Bockig und voller Hohn finde

ich Wege, böse sind meine Scherze.

Zukunft fehlt, die verbliebene Motivation

unterscheidet sich von allem, was

ich mal dachte.

# Neid, dazwischen

Wenn Menschen psychisch krank werden,

scheint es angesichts einer Vielzahl möglicher

Diagnosen unangemessen, zu pauschal

gedacht, nach dem grundsätzlichen Übel zu

suchen, das allen Störungen zu Grunde liegt.

Aber genau das fragen sich die Erkrankten,

warum passiert es gerade mir? Was kann

ich dafür, nicht normal zu sein, was ist der

Grund? Der Arzt muss die detaillierte Lehrmeinung

– entsprechend seiner Ausbildung

– mit der Erwartungshaltung der Allgemeinheit

in Einklang bringen.

Ein Wunder möge geschehen: Patienten wird

der Therapeut mit einer These helfen, die

eine Erkrankung zugänglich beschreibt wie

etwa Krebs. Jeder glaubt ja zu wissen, was

das ist, und insofern hilft es, ein Erklärungsprinzip

vorrätig zu haben. Im Einzelfall

entwickelt sich die Suche, woran es liegt,

aber weiter. Wir Kranken denken: Wüsste ich,

woher das bei mir kommt, könnte

ich’s selbst abstellen. Der psychisch

Kranke erlebt Dysfunktion. Dem Arzt

genügen Abnormität der neuronalen

Systeme und Hinweise auf die spezielle

Verhaltensstörung, die Abgrenzung

zu genetischen Abweichungen

oder pathologischer Degeneration,

um seine Unterstützung anzubieten.

Einigen Patienten reicht das. Zufrieden,

wenn ihnen jemand zuhört, sind

sie bereit, betreut und mit Pillen

versorgt, in einem eigens für sie gebaggerten

Kanal parallel zum Mainstream der

normalen Gesellschaft im Schlepptau ihres

Arztes zu fahren. Anderen reicht die Einordnung

zum Menschsein zweiter Klasse nicht.

Immer wieder brechen sie aus der Behandlung

aus, teilweise mit fatalem Ergebnis.

Die normale Gesellschaft fremdelt mit

psychisch Kranken. Wer Schaden anrichtet

und nicht weiß, wie ihm geschieht, dem

kann man schlecht das gleiche Strafmaß

aufdrücken wie demjenigen, der sich Vorteile

verschafft. Wir erkennen eine Krankheit

dann, wenn Menschen sich selbst schaden,

wo sich andere klug oder sogar illegal zum

Gewinner machen und unterscheiden dieses

Verhalten von der Dummheit. Einen dummen

Dieb sperren wir ein. Einen kranken

Einbrecher werden wir therapieren; was ist

der Unterschied zwischen ihnen? Zunächst

einmal erkennen wir die Normalgesundheit

daran, dass Menschen sich integriert verhalten.

Sie sind klug genug, Erfolg zu erzielen,

ohne die Regeln zu verletzen. Dumme

Menschen begreifen wir als gesund, ordnen

diese als unnötigerweise begriffsstutzig ein.

Im Spruch „Genie und Wahnsinn lägen dicht

beieinander“, drücken wir aus, dass psychisch

krank zu sein nicht Einfalt bedeuten muss

oder es jemandem an Intelligenz mangelt.

Wir unterscheiden den Verrückten vom Blöden:

dem dummen Menschen. Was ein Einfältiger

zu Tage bringt, therapieren wir nicht.

Soll der doch selbst machen, wie er’s glaubt?

Wer nicht stört, kann eine simple Arbeit tun

zum Mindestlohn, wenn überhaupt. Mit dem

kann man „es“ machen, denken viele, wenn

jemand einfach gestrickt ist. Kranke sind anders,

möglicherweise unkontrollierbar? Das

Wichtigste ist der Gesellschaft die Sicherheit.

Der Arzt führt seine Praxis mit der erklärten

Absicht, für die Patienten da zu sein.

In erster Linie hilft der Psychiater aber der

Gesellschaft insgesamt. Wir brauchen einen

Spezialisten, der Verantwortung übernimmt,

wenn die Patienten dazu nicht in der Lage

sind. Obwohl es die unterschiedlichsten

psychischen Abnormitäten gibt, jedenfalls

die verschiedensten Verhaltensweisen

und entsprechende Diagnosen – was doch

suggeriert, man kenne sich aus – gelingt

es oft nicht, die Betroffenen zum dauerhaft

normalgesunden Verhalten richtigzustellen.

Tatsächlich können auch andere Erkrankungen

zu einem nicht lösbaren Problem für

Leidende werden, falls der Anspruch erhoben

wird, ganz gesund zu werden. Alzheimer

kennt nur eine Richtung. Parkinson ist nicht

heilbar. Multiple Sklerose verläuft schubweise.

Krankheitsaktive Phasen können heftig

sein und bedeuten, sich schrittweise vom

normalen Leben verabschieden zu müssen.

Die Krankheit entwickelt sich alternativ

milde, kommt zum Stillstand. Warum das

mal so oder anders geschieht, ist offen. Eine

erfolgreiche

Heilungsmethode

wird nicht

angeboten.

Verschiedene

Ansätze lindern

die Symptome.

Eine Vielzahl

von Missbildungen

begrenzen

die Normalität

des Menschseins.

Wir müssen hinnehmen, dass es diese

gibt und wissen nicht, warum es einige trifft,

die nun ihr ganzes Leben beeinträchtigt

sind. Manche Krankheiten bestehen von

Geburt an und bleiben. Einige treten irgendwann

auf und sind nicht heilbar. In vielen

Fällen kann die Medizin für Erleichterung

sorgen, ohne das Versprechen vollständiger

Gesundung abzugeben. Insofern darf auch

der Anspruch, psychisch Kranke – vor allem

unter Berücksichtigung der unterschiedlichen

Ausprägungen und Verläufe – restlos

zu heilen, nicht erhoben werden.

Dez 22, 2021 - Kein Fisch an Heiligabend 149 [Seite 149 bis 156 ]

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