Blogtexte2021_1_12
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Die gute
Nachricht
diagonal
Dez 15, 2021
„Weniger
Verkehrstote“,
lautet eine
Überschrift
heute. Die Nachricht hat es auf die Titelseite
vom Schenefelder Tageblatt geschafft. Nachdem
erläutert wird, wie geringes Verkehrsaufkommen
pandemiebedingt mitgeholfen
hat, die Unfallzahlen zu bessern und vor allem
weniger Menschen starben, betonen die
Statistiker, dass „weiterhin täglich im Schnitt
mehr als 800 Menschen verletzt würden.“
Das regt zum Vergleich an, parallel auf
die Corona-Statistik zu schauen. Nicht, um
die Krankheit quer zu leugnen, keinesfalls.
Der ungewohnte Blick, schräg durch alle
Tabellen zum Autoverkehr, verdeutlicht
die individuelle Gefahr einer Ansteckung
und mögliche Folgen, relativ zu anderen,
bekannten Risiken und deren Häufigkeit
im Alltag. Es schafft ein Moment gegen das
Bedrohungsszenario und dem gefühlten
Zwang zur Solidarität mit Fremden, nicht
anders handeln zu können, als sich impfen
zu lassen und wiederholt nachzuboostern
bis in alle Tage. Wer individuelle Antworten
sucht, beurteilt die Risiken relativ zum eigenen
Selbst und wird mit dieser Randnotiz
ermuntert, „diagonal“ zu denken, auf Distanz
zu gehen – in jeder Hinsicht.
# Geduld beweisen: „Maske auf und durch“,
ist so dumm nicht.
In der KW48 finden sich unter „Hospitalisierte
Fälle“ 6.043 Personen, „im Schnitt also
mehr als 800 Menschen täglich“, zufällig
gleich mit der Zahl im Verkehr verletzter
Autofahrer (wenn die Statistik die neu
aufgenommenen Patienten meint). Zunächst
unabhängig von der Schwere ihrer Verletzung
betrachtet, kommen wir zahlenmäßig
auf wöchentlich etwa gleich viele Menschen
mit körperlichen Blessuren, die sich diese im
Verkehr zugezogen haben und mit dem Virus
hospitalisierten Patienten. Mal davon abgesehen,
dass im Sommer kaum Menschen
mit Corona krank waren und die vierte Welle
ihren Scheitelpunkt Ende November hatte,
fehlt die Vergleichszahl auf das Jahr gesehen.
Ich vermute, dass die durchschnittliche
Rate der Hospitalisierung geringer ausfällt,
da wir momentan eine Welle durchreiten. Es
werden weniger krank, als es uns vorkommt,
weil Inzidenz nicht gleichbedeutend mit
Krankheit ist. Wen es erwischt, nicht nur
positiv Getesteter zu sein, sondern wer
Symptome entwickelt, darf noch auf einen
milden Verlauf hoffen.
# Wer tatsächlich im Krankenhaus landet, ist
nicht zu beneiden.
Tatsächlich sterben mehr
Menschen an Corona als es
Verkehrstote gibt, etwa 3.000
jährlich im Auto, und in den
zwei Jahren der Pandemie
beklagen wir über 100.000
durch oder mit dem Virus
gestorbene Personen. Es mag
erschrecken, dass deutlich
mehr als hundert Menschen
am Tag dran sterben. Das
persönliche Risiko ist aber
statistisch gesehen klein,
wenn diese Zahl den vielen
Menschen der gesamten Bevölkerung
gegenübergestellt
wird. Viele Menschen sterben
ohnehin jeden Tag. Alte und
vorerkrankte Menschen
besiegt Corona bevorzugt,
die Verkehrstoten bilden
altersmäßig gesehen alle ab. Wer auf einer
Intensivstation mit dem Virus liegt, hat den
Ort erreicht, wo zu sterben wahrscheinlich
ist. Aber das hängt doch sehr von der Lage
im Bundesland ab und was man tut oder
nicht, um dieses Schicksal
zu erleiden. Die öffentliche
Debatte fokussiert die
Gefährlichkeit des Virus’,
als verstünde inzwischen
jeder, was Not tut. Das ist
aber nicht der Fall, wie die
zunehmend aggressiven
Entwicklungen am Rand von
Demonstrationen zeigen.
Wer will hier Haare spalten?
Die einen sind lange krank,
andere erholen sich schnell. Vom Auto touchiert,
beeinträchtigt mich das einige Tage,
und wenn ich im zusammengequetschten
Wrack gerade mit dem Leben davonkomme,
länger. Diese Zahl von gut 800 Verletzten
pro Tag mal sieben zu nehmen, ergibt wohl,
dass in jeder Woche an die 6.000 Menschen
unter den Folgen eines Autounfalls leiden,
zumindest davon betroffen sind. Das entspricht
der aktuellen Zahl derer, die im Krankenhaus
mit dem Virus kämpfen. Wer würde
sich gegen die Gefahren durch Autofahrer
impfen lassen, falls eine geschäftstüchtige
Firma das anbietet? Vorsicht im Verkehr, einen
Gurt anlegen, die Regeln einhalten, genügt
uns normalerweise. Autofahren richtet
vielerlei Schaden an und bleibt uns doch als
Teil dieser Welt. Die Menschen steigen nicht
geschlossen auf das Fahrrad um, und nicht
alle impfen sich gegen das Virus; nachteiliges
Verhalten ist normal. Sicher wären
Inzidenzen und Hospitalisierungen höher,
impften wir nicht und legten Maßnahmen
fest. Es werden trotzdem weiterhin Menschen
sagen: „Da mache ich nicht mit!“ Diese
sind deswegen weder verschworen, noch
pauschal dumm. Erst, wenn in unmittelbarer
Nachbarschaft und Familie unzählige Bekannte
schwer erkrankten, wären alle bereit,
ihr Leben umzustellen. Dann ist es weiterhin
nicht die vielbeschworene Solidarität oder
gebotene Menschlichkeit, die zum Umdenken
führte. Wenn die Gesundheit erkennbar
gefährdet ist, handeln auch die Letzten aus
Eigennutz.
Viele misstrauen den Medien. Eine fassungslose
Krankenschwester zitiert Patienten, es
sehe ja hier „auf der Intensivstation wirklich
aus wie im Fernsehen“, dann kämpften sie
und die Kollegen, das Leben dieser Kranken
zu retten – nicht selten gelänge es nicht.
Dazu kämen Anfeindungen außerhalb der
Arbeit durch Fremde, sogar von Freunden,
die wüssten, dass sie Krankenschwester ist.
Das enttäuscht eine Helferin? Gut so, denke
ich mitleidlos, das ist dein selbstgewähltes
Lernfeld. Es gibt noch andere Berufe. Mich
haben schon einige im Stich gelassen, und
es fällt mir nie ein „weil man es sollte“
hilfsbereit zu sein, sondern nur, wenn ich
persönlich berührt bin. Menschen sind nicht
empathisch, sie behaupten es nur. Kluge
halten Abstand, weil es ohnehin geboten ist,
anderen wenig Vertrauen entgegenzubringen,
noch welchen zu folgen, weil es Mode
ist. Mit der Abwertung, ein Egoist zu sein,
lebt sich’s aus Überzeugung gut.
Covid schaffte es, die ganze Welt lahmzulegen
und ist deswegen eine Gefahr. Unsere
Gesundheitssysteme wurden nicht dafür
gemacht, zwei Jahre lang Überstunden
zu leisten, sind ohnehin unterbezahlt und
überbelastet. Virologen und Ärzte bestimmen
die Medien. Die Impfstoffe mögen für
sich genommen nur ein minimales Risiko
beinhalten. Das wird betont. Mit dem Virus
infiziert zu sein, kann dagegen
tödlich enden. Wer will das
bestreiten? Sich anzustecken,
ist dennoch vergleichsweise
schwierig. Das sagt niemand,
im Gegenteil. Alle Ungeimpften
infizierten sich kurzfristig,
heißt es bedrohlich. Dabei
verschweigt diese Darstellung
die große Zahl der Menschen,
die nicht krank sind und
vergleichsweise entspannt. Die
Zahl der täglichen Neuansteckungen
auf die Masse der Ungeimpften
hochzurechnen, relativiert die immer wieder
gemachte Drohung, weil sie schlicht zu niedrig
ist, uns kurzfristig zu durchseuchen.
Es ist wenig wahrscheinlich, schwer oder
tödlich zu erkranken, wenn man die gesamte
Bevölkerung dem Einzelnen gegenüberstellt
und zum Maßstab persönlicher Risikoeinschätzung
nimmt. „Hochansteckend“ ist der
Begriff, den wir inflationär zu hören bekommen.
Was bedeutet das? Wenn zehn Leute in
einem kleinen Raum einen HIV-Positiven unter
sich haben und einen anderen mit Covid,
ist es hochwahrscheinlich, dass alle krank
werden oder zumindest positiv getestet,
aber nicht mit der bekannten, tödlichen Immunschwäche.
Insofern ist Covid hochansteckend,
ja. Dabei kann man leicht übersehen,
dass weitere Faktoren eine Rolle spielen
Dez 15, 2021 - Die gute Nachricht diagonal 147 [Seite 147 bis 148 ]