Blogtexte2021_1_12
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ger Wartezeit wurde eine Behandlung im
Krankenhaus angesetzt. Da die Sache unter
Vollnarkose stattfinden würde, musste ich
über das Risiko der Anästhesie aufgeklärt
werden und eine Einwilligung unterschreiben.
Zunächst erläuterte die Ärztin mit
mahnenden Worten, dass die Operation
meine Gesundheit verbesserte, weil sonst
die Gefahr bestünde, der Knochen könne
schief zusammenwachsen, vergipste man
den Fuß konventionell.
Eine
kleine Schiene,
die nach einiger
Zeit mit einer erneuten
Operation
entfernt würde,
sei die Garantie
dafür, dass die
Dinge während
der Heilung wie
gewünscht liefen.
Aber man dürfe
auch Bedenken
haben, da eine
Narkose ebenfalls
ein Risiko bedeute.
Sie fing an,
diese Gefahren
plastisch zu
beschreiben wie
im Beipackzettel
eines Medikamentes,
der manche
schließlich
davon abhält, die
Medizin noch
einzunehmen.
Das wüsste ich
alles, meinte ich
und wollte zügig
unterschreiben.
Ich wäre nicht in
ein Krankenhaus
gegangen, um
nach dem Vortrag
über Operationsrisiken,
der von
Gesetz wegen
verpflichtend
sei, beizudrehen und die Sache eine halbe
Stunde vor dem Termin abzublasen. Ich
hätte zwei Wochen drauf gewartet, sagte
ich, es wäre nicht mein erster Aufenthalt in
einem Krankenhaus. Außerdem sei ich mit
einer Intensivkrankenschwester verheiratet,
da bekäme man einiges mit, forcierte ich
ihre Belehrung.
Ich sagte also: „Wie hoch ist denn die
Wahrscheinlichkeit, dass ich durch die
Anästhesie blöde werde oder sterbe, was
weiß ich – geben Sie mir einen Prozentsatz,
bitte.“ Das sei ihr nicht möglich und auch die
falsche Herangehensweise, fand die Ärztin,
denn ich könne gerade der Eine mit dem
hypoxischem Hirnschaden sein, dann nütze
mir die Wahrscheinlichkeit nichts. „Was für
ein Unfug“, sagte ich, „nach Ihrer Logik dürfte
ich das Haus prinzipiell nicht verlassen, bei
den möglichen Gefahren draußen.“ Es kam
zum Streitgespräch direkt vor dem Eingriff
mit dieser Anästhesistin. „Wollen Sie mich
denn nun davon abhalten, diese Operation
zu machen“, was der Sinn ihrer abstrusen
Diskussion sei, wollte ich wissen. Gestände
sie ein, dass es fifty-fifty wäre, zur Hälfte
misslänge, was dieses Krankenhaus anböte,
wäre klar, dass ich tatsächlich nach Hause
ginge mit diesem Fuß und anderen die
Gelegenheit gäbe, ein Versuchskaninchen
für Quacksalber zu sein. Dann habe ich
dem dummen Weib die Zettel aus der Hand
genommen und unterschrieben.
Jeder hat seine Ängste und Schwierigkeiten,
Covid ist meine Sorge eher nicht. Mein Problem
sind Frauen in Deutschland, und (das
darf man ja gar nicht sagen) es könnte mehr
sein: ein deutsches Problem.
Das ist zu querköpfig
überlegt: Vielleicht hilft
das Bild mit der Ampel zu
sagen, was ich meine?
Wir haben diese Baustelle
hier im Dorf. Jeden Morgen
überquere ich die Straße. Es
ist nicht schwer, man wartet,
bis das grüne Männchen
kommt und geht los. Genau
genommen ist es durch die
Buddelei einfacher geworden,
weil keine Autos mehr
fahren. Inzwischen hat man
die Anlage abgeschaltet.
Sonst wäre es zu schwierig
für die Wohlstandsgewohnte,
selbst zu entscheiden,
und ausnahmsweise das
rote Licht zu ignorieren?
Mit ein wenig Photoshop
habe ich eine Szene
nachgestellt, die ich am
Morgen der Sperrung erlebt
habe, und das ist typisch
deutsch. Frauen – und ja,
Männer tun es ihnen nach,
begreifen, sich besser zu
schützen gegen was auch
immer (und können später
länger im Seniorenstift
durchhalten). Das sind keine
Genießer auf dem Rad. Sie
fahren nicht im Regen, um
die Welt besser zu machen,
sondern weil sie nun als
grün und bewusst ihrer
Solidarität mit den anderen
anerkannt sind. Sie wollen
dabei geschützt vor diesen
fahren, denen sie doch gefallen möchten?
Voll betüddelt mit Helm und Warnweste
sind sie unterwegs. Es sind keine Alien, sondern
Einheimische. Sie beachten jede Ampel,
ermahnen andere. Und scheinen doch
darunter zu leiden, dass manche einfach so
durchs Leben gehen.
Sicherheit geht vor, natürlich.
Aber kompliziert dürfen diese
Regeln, die in erster Linie Mütter
den Kindern lehren, nicht sein.
Ich glaube, die Bürgermeisterin
hat verstanden und die Lichtzeichen
eigenhändig abgeschaltet.
Solidarisch mit denen, die wissen
wie’s geht; ich habe damit ein
Problem – und diese Follower:innen haben
ihres. Ihre Ängste entspringen weiblicher
Logik und haben viele Facetten. Wir müssen
alle mitnehmen …
# Gewalt hat ihr Gutes
Manchmal tut es nur weh zu leben: Anschließend,
nach diesem Einkauf zu Hause,
während der Vorbereitung zum Kochen,
die im Markt besorgten Lebensmittel in
schmackhaftes Essen zu verwandeln, schneide
ich mir versehentlich in den Daumen!
Eine kleine Unachtsamkeit. Tut weh, so
dumm. Nicht zum ersten Mal reagiere ich
heftig über, trete den Schrank. Ich bin gerade
allein, Strohwitwer für zwei Wochen. Einige
Tage haben die Wohnung bereits in einen
Zustand wohliger Unordentlichkeit versetzt.
Bis Dienstag muss ich klar Schiff machen
und die gewohnte Sauberkeit wiederherstellen.
Ich krame ein Pflaster aus dem Schrank.
Während ich unflätigste Beschimpfungen
gegen Gott (persönlich) und die Welt an sich
raushaue, das Leben und Sinnhaftigkeit in
Frage stelle, wie immer in Hasstiraden, die
ich abspule wie eine bekannte Platte, stelle
ich diese verzweifelte Frage: „Warum muss
ich leben?“ Ich behaupte, während ich auf
mein Dasein fluche, dass eben angekratzt
ist am Daumen, ich wolle nur noch weg: „Warum
geht das nicht?“
Ich käme aber nicht ansatzweise auf die
Idee, mir das scharfe Messer in den Leib zu
rammen. Darin steckt mehr als Ironie. Ich
muss nun eine eingetretene Schublade reparieren,
blöd. Die Wohnung putzen, aufräumen,
sonst gibt es Ärger mit der Regierung
Dienstag. Wie ein Schlag vor den Kopf wird
mir das klar –
… und ich begreife, dass ich zur Heilung des
Daumens nichts veranlassen muss.
Selten habe ich so gern Chaos verbreitet,
fröhlich einen Wein geöffnet und mir das
Rumpsteak schmecken lassen. Um mich
herum zahlreiche Aufgaben. Mehr als sonst
achte ich nicht darauf, während der Zubereitung
die Übersicht zu wahren und Gebrauchtes
wie empfohlen wegzuräumen. Ein paar
Schraubzwingen, etwas Ponal, immer zu tun!
Leimen, Staubsauger raus. Ich denke: Eine
Henkersmahlzeit ist’s nicht gerade, ich lebe
ja noch. Mit Spinat und viel Knoblauch lässt
sich’s aushalten.
Da freut „Mann“ sich wirklich auf das Putzen.
Und es muss
nicht einmal
perfekt sein.
:)
Dez 5, 2021 - Das Problem 146 [Seite 144 bis 146 ]