Blogtexte2021_1_12

03.01.2022 Aufrufe

Der EgoistNov 7, 2021Ich glaube nicht mehr an Europa. Die Klimaziele,dass wir sie erreichen, daran glaubeich genauso wenig. Ich habe keinerleiVertrauen in die Zukunft, dass sie positivverlaufen wird, und ich lebe noch ganz gutdamit. Ich bin nicht depressiv, denke ich. Ichbin maßlos enttäuscht, das ist es. Ein klarerBlick hinter die eigene Fassade ist nichtsSchlechtes. Ich langweile mich beinahe nie.Ich kann mich beschäftigen, erfülle Pflichten,zahle Steuern. Aber da ist keinerlei Empathiefür unser Land, die Welt, die mir doch dasDasein ermöglicht. Sie zwingt es mir ja auchauf. Ich möchte weg, nur noch weg. Ganzweit weg möchte ich, dorthin wo es besserist, aber es steht nirgendwo ein Wegweiser,wie das zu machen sei. Hier kenne ich micheinigermaßen aus, und deswegen bin ichdavon überzeugt, dass mein Hierbleibenalternativlos ist. Mir gefällt dieses Land,und der Wohlstand ist toll, man sieht ja,wie die Menschen anderswo leben. MeineHeimat ist hier. Ich habe ein Problem mit derZukunft. Sie erscheint mir frei geräumt vonden bekannten Träumen und Hoffnungen,ein dürres Ende. Mein Problem liegt in derUnfähigkeit, noch auf andere zugehen zukönnen. Die Schwierigkeit ist, Unterschiedewahrzunehmen, wer freundlich ist und wernicht. Der Weg in den Egoismus erscheintmir als der bessere? Tatsächlich: Ich habemich vollkommen verändert, weg von denMenschen, mache beinahe gar nichts mitanderen mehr. Meine Freunde sind zahlreich,aber man müsste diese Beziehungen auchpflegen.Ich gehe allen aus dem Weg, selbst wenn ichoffen fröhlich bin. Oft laufe ich hasserfülltin den Tag, bin fast enttäuscht, wenn dieanderen freundlich sind. Ein Schwätzchen zuhalten ist nicht schwer! Ich erwarte Feindseligkeit,weil sich mein Weltbild dahingehendentwickelt hat. Ich war überzeugt vonder Demokratie, sie ist mir heute wurscht.Schenefeld, die oberen Zehntausend? Dervollkommene Bruch ist innerlich vollzogen.Es gefällt mir, dass ich Christiane nicht mehrsehe. Gelegentlich erscheint ein Foto imTageblatt, Würdigung einer ehrenamtlichenHäkelgruppe oder dergleichen. Sie wechselnsich ab, stellvertretend Gudrun, schielt ander Kamera vorbei. (Sie ist semiprofessionell,aber tapfer in stumpfer Einfalt, starkam Platz). Ich bin angewidert von jedwederEitelkeit im Amt. Unsere Bürgermeisterin, dieich als fröhliche Frau regelmäßig radelnd imDorf kannte, traut sich noch zum Wahlkampfauf den Wochenmarkt, bleibt ansonstenunsichtbar. Ist besserso – und klug, denkeich. Politik ist verlogenund sie hat ihren Berufnun gelernt. Respektdafür. Danke, dass ichdabei mithelfen durfte.Kunst schaut von deranderen Seite: Eineverlockende Vorstellung,dass die Ampelkoalitionirgendwiedoch nicht zustandekommt. Voller Hohnbeobachte ich dieLage mit dem siegesgewissenOlaf, hoffeauf Probleme. Den hätteich niemals gewählt. Als Nichtwähler desdeutschen Bundestages bin ich glücklich imTrotz. Der Designierte ist ein Operettenkapitänfür laue Luft. Zieht ein Sturm auf, stehtder Mann stark schauend an Deck, währendseine Segel zerfetzen, Matrosen aus derTakelage stürzen, die Masten brechen. Mitdem ersten Rettungsboot schippert er beiSchiffbruch feige davon, um anderswo eineneue Bark zu besteigen und sein schönesKapitänsgesicht feilzubieten.Vielleicht ein Spiegel unserer Selbst? Diesoziale Güte der Gemeinschaft ist eine guteMaske, der glatte Kandidat lebt es vor, undwir finden uns im besten Darsteller wiederwie im Heldenkino. Skepsis am Gutseinder Masse ist nicht mehr erlaubt? Einzelnegewinnen an Stärke, wenn sie zusammenhalten und den Block der Vernünftigenbilden. Die Pandemie belastet uns. DasUnvernünftige dieses Argumentes, allesollten, was das Impfen betrifft solidarischmitmachen, ist, dass diese Mehrheit immereinen Rest haben wird. Die Spaltung der Gesellschaftist derzeit ein Thema, wir dürfengespannt sein, ob es gelingt, die Menschenfriedlich zu stimmen. Als Mutti der Nationhaben manche Angela Merkel bezeichnet.Und jetzt kommt Papa Olaf? Das mag nichteinfach sein für den Scholzomaten. DiePandemie solidarisch zu meistern, ist eineHerausforderung. Wie sollen die noch insBoot geholt werden, die gerade massiv außenbordsgedrängt werden? Der Druck aufUngeimpfte wird mit dem Argument geführt,diese gefährden andere und dem kann nichtallzu viel entgegengehalten werden, außer,mit dem Vorwurf leben zu können. Jedemdas eigene Schiff.Verstört.Manipuliert, Vertrauen zerstört, was heißtdas? So denke ich auf meinem bösen Irrweg:Unsolidarisch aus Überzeugung! Ich lassemich nicht impfen aus demselben Grund,möchte nicht aus Loyalität zur AllgemeinheitSinnvolles tun, dem Apparat lieber schadendurch Passivität. Nur mit einer hohenImpfquote bekommen wir die Pandemie inden Griff, natürlich. Aber gerade deswegenmache ich das nicht. Ich trage Maske, geheauf Abstand, das muss genügen. Es gibt nochandere Gefahren. Ich setze keinen Helm aufbeim Radfahren, trinke Alkohol. Wer weiß,vielleicht habe ich Krebs? Keine schlechteSache, so eine tödliche Krankheit. Das würdemeinen Abgang beschleunigen, alle freutensich, mich Miesepeter los zu sein. Und ichselbst wäre der Zufriedenste, es geschafft zuhaben, endlich tot zu sein. Ich gehe nie zumArzt, auch wenn es sinnvoll wäre, weil ichlieber Schmerzen habe und eine ungewisseZukunft. Das erscheint mir besser, als michfremden Weisungen anzupassen.# Keine Beziehungen!Die minimale Verbindung zur Gesellschaft:Ich zahle Steuern (steht eingangs), das mussgenügen. Ich wiederhole es wegen seinerUnbedingtheit. Dagegen kann man nichtsmachen, außer eindeutig in das Lager derKriminellen umzuziehen. Damit kenne ichmich nun wieder nicht aus, und deswegenwird nichts draus. Zum Anarchisten tauge ichnicht, religiöser Fanatismus ist mir fremd,verrückt oder quer denke ich nie, das istblöd. Mache ich Fehler, hilft mir der Anwalt.Ich kann das bezahlen. Auf eine Demo kriegtmich niemand, das hieße ja, mit anderenzusammen „dagegen“ mitlaufen. Zwischenallen Stühlen allein auf meiner Insel, das istmein Ideal.Eine Mehrheit der Deutschen befürworteteine Impfpflicht, um gegen das Virus endlichFortschritte zu machen, heißt es. Schwierigbis unmöglich umzusetzen? Ich glaube, eswar Bodo Ramelow, der Ministerpräsidentvon Thüringen, der dazu sagte: „Wie wollenSie jemanden impfen, der meint Covid gäbees nicht und der Staat wolle ihn mit derSpritze vergiften?“ Die flächendeckende Meinungentwickelt sich zunehmend dahin, allemüssten begreifen, das Richtige zu tun. Diesist gefährlicher zu denken, als Widerstandzuzulassen und hinzunehmen. Der allgemeineMensch ist noch nicht erfunden worden.Davon, dass so getan wird als sei es einfach,normal und richtig, im Sinne des Ganzen zudenken, wird man das Gegenteil erreichen.Europa erlebt starke Fliehkräfte. Der Brexitoder die polnische Sicht auf das Systemmachen im Großen deutlich, was dem Einzelnengeschieht. Die Mitte der Gesellschaftverlassende Menschen seien egoistisch,heißt es von denen, die leicht begreifen, wasnützt und gern dabei sind. Der Konsens istihr billiger Kompass. Eine Lösung dafür, alleim gleichen Sinn geschlossen voran gehenzu lassen, gibt es aber nicht. Der einzelneGedanke eines jeden Individuums zählt. Diescheinbar irrationalen Abweichler des Kollektivs(der systemischen Bewegung) müsstenintegriert verstanden werden. Ausgrenzungstärkt die Aussätzigen. Man sieht, dassganz verschiedene Gruppen sich zusammentun, wenn das gemeinsame Ziel unscharfder Widerstand ist. Zorn ist weit mehr alsdie böse Gewalt, die endlich verschwindenmüsste. Das ist unser persönlicher Antriebund für einige das reinste Vergnügen, mitdiesem Kraftstoff Gas zu geben.:)Nov 7, 2021 - Der Egoist 130 [Seite 130 bis 130 ]

JungfrauNov 10, 2021Ein strahlender Morgen, aber nunziehen Wolken auf. Ich bin gernfrüh aus dem Bett. Mit dem erstenKaffee in der Hand schaue ich wiederaus dem Ostfenster. Heute istder Merkur nicht mehr aufzufinden.Es gelingt im Ausschlussverfahrennachzuweisen, dass ich mich Endedes Monats nicht täuschte! Ich sahden sonnennächsten Planeten an mehrerenTagen, weil genau dort am Himmel heutenichts mehr zu beobachten ist. Das vertrauteBild steht leicht in die Höhe verschoben:Der helle Arktur strahlt über dem Hochhaus,aber weiter oben als im Oktober um dieseZeit. Das Sternbild Löwe erklimmt rechtsden Morgenhimmel, dass es schon schwierigwird, Denebola an der Spitze überhaupt zusehen, ohne den Kopf aus der Dachluke zurecken.Zum ersten Mal sehe ich Spica ganz bewusst.Der Hauptstern in der Jungfrau istnicht gerade ein typischer Kandidat, sichauffällig in den Vordergrund zu drängen.Auch jetzt funzelt sein Licht nur schwach,wo etwa letzte Woche der kleine Planetzu sehen war. Dieser Fixstern zeigt mir mitHilfe der aktuellen Angaben im Internet(unterstützt von Arktur, der oben prächtigherauskommt), wo Merkur heute nicht ist.Dieser flinke Wandelstern mag gerade erstaufgehen? Er ist unten hinter den Gebäudenversteckt. Sein Licht ist so schwach, dass dieSuche in der Dämmerung zwecklos ist.Gleich geht die Sonne auf.Die Zeit, denMerkur leicht amMorgenhimmelin der Jungfrauzu finden, ist ersteinmal vorbei. DieSternbilder bildenverlässlich einewandernde Kulisse.Die Planeten,Kometen, Sonneund der Mondschippern verspieltin immer neue Positionen, bilden spannendeKonstellationen. Mein astrologisches Bild,die Jungfrau, stand gerade Pate für denkurzen Auftritt des eiligen Planeten. Einschöner Zufall, ihn dort so hell zu sehenund das seltene Schauspiel zu verstehen füreinen Laien.# JungfrauIch bin am 27. August geboren. Mein Vatererinnerte, wie er mit dem Fahrrad entlangder Holmer Straße gestrampelt sei:Am Nachmittag wäre (mit auf der Elbeeinsetzender Tide) ein schweres Gewitterniedergegangen. Etwa zu dieser Zeit kam ichim Wedeler Krankenhaus auf die Welt. Ichhätte nicht geschrien als ein besorglichesZeichen, das Leben eventuell zu verweigernund von der Hebamme einen Klaps auf denHintern bekommen. So wurde es erzählt.Das finde ich nicht komisch; jede Erinnerungwird zur Anekdote verändert. Die Aufklärungder Kinder, überhaupt das Ende der Jugend,sollte aufgeschoben werden? Wir rechnenastrologisch die Jungfrauen vom 24. Augustbis zum 23. September. Für meine Mutterproblematisch. Greta erklärte mich zumLöwen um, als ich fragte. Es dauerte, bis ichherausfand: „Wir wollten es dir nicht sagen,weil du zu klein warst zu verstehen, waseine Jungfrau ist.“:)Nov 10, 2021 - Jungfrau 131 [Seite 131 bis 131 ]

Der Egoist

Nov 7, 2021

Ich glaube nicht mehr an Europa. Die Klimaziele,

dass wir sie erreichen, daran glaube

ich genauso wenig. Ich habe keinerlei

Vertrauen in die Zukunft, dass sie positiv

verlaufen wird, und ich lebe noch ganz gut

damit. Ich bin nicht depressiv, denke ich. Ich

bin maßlos enttäuscht, das ist es. Ein klarer

Blick hinter die eigene Fassade ist nichts

Schlechtes. Ich langweile mich beinahe nie.

Ich kann mich beschäftigen, erfülle Pflichten,

zahle Steuern. Aber da ist keinerlei Empathie

für unser Land, die Welt, die mir doch das

Dasein ermöglicht. Sie zwingt es mir ja auch

auf. Ich möchte weg, nur noch weg. Ganz

weit weg möchte ich, dorthin wo es besser

ist, aber es steht nirgendwo ein Wegweiser,

wie das zu machen sei. Hier kenne ich mich

einigermaßen aus, und deswegen bin ich

davon überzeugt, dass mein Hierbleiben

alternativlos ist. Mir gefällt dieses Land,

und der Wohlstand ist toll, man sieht ja,

wie die Menschen anderswo leben. Meine

Heimat ist hier. Ich habe ein Problem mit der

Zukunft. Sie erscheint mir frei geräumt von

den bekannten Träumen und Hoffnungen,

ein dürres Ende. Mein Problem liegt in der

Unfähigkeit, noch auf andere zugehen zu

können. Die Schwierigkeit ist, Unterschiede

wahrzunehmen, wer freundlich ist und wer

nicht. Der Weg in den Egoismus erscheint

mir als der bessere? Tatsächlich: Ich habe

mich vollkommen verändert, weg von den

Menschen, mache beinahe gar nichts mit

anderen mehr. Meine Freunde sind zahlreich,

aber man müsste diese Beziehungen auch

pflegen.

Ich gehe allen aus dem Weg, selbst wenn ich

offen fröhlich bin. Oft laufe ich hasserfüllt

in den Tag, bin fast enttäuscht, wenn die

anderen freundlich sind. Ein Schwätzchen zu

halten ist nicht schwer! Ich erwarte Feindseligkeit,

weil sich mein Weltbild dahingehend

entwickelt hat. Ich war überzeugt von

der Demokratie, sie ist mir heute wurscht.

Schenefeld, die oberen Zehntausend? Der

vollkommene Bruch ist innerlich vollzogen.

Es gefällt mir, dass ich Christiane nicht mehr

sehe. Gelegentlich erscheint ein Foto im

Tageblatt, Würdigung einer ehrenamtlichen

Häkelgruppe oder dergleichen. Sie wechseln

sich ab, stellvertretend Gudrun, schielt an

der Kamera vorbei. (Sie ist semiprofessionell,

aber tapfer in stumpfer Einfalt, stark

am Platz). Ich bin angewidert von jedweder

Eitelkeit im Amt. Unsere Bürgermeisterin, die

ich als fröhliche Frau regelmäßig radelnd im

Dorf kannte, traut sich noch zum Wahlkampf

auf den Wochenmarkt, bleibt ansonsten

unsichtbar. Ist besser

so – und klug, denke

ich. Politik ist verlogen

und sie hat ihren Beruf

nun gelernt. Respekt

dafür. Danke, dass ich

dabei mithelfen durfte.

Kunst schaut von der

anderen Seite: Eine

verlockende Vorstellung,

dass die Ampelkoalition

irgendwie

doch nicht zustande

kommt. Voller Hohn

beobachte ich die

Lage mit dem siegesgewissen

Olaf, hoffe

auf Probleme. Den hätte

ich niemals gewählt. Als Nichtwähler des

deutschen Bundestages bin ich glücklich im

Trotz. Der Designierte ist ein Operettenkapitän

für laue Luft. Zieht ein Sturm auf, steht

der Mann stark schauend an Deck, während

seine Segel zerfetzen, Matrosen aus der

Takelage stürzen, die Masten brechen. Mit

dem ersten Rettungsboot schippert er bei

Schiffbruch feige davon, um anderswo eine

neue Bark zu besteigen und sein schönes

Kapitänsgesicht feilzubieten.

Vielleicht ein Spiegel unserer Selbst? Die

soziale Güte der Gemeinschaft ist eine gute

Maske, der glatte Kandidat lebt es vor, und

wir finden uns im besten Darsteller wieder

wie im Heldenkino. Skepsis am Gutsein

der Masse ist nicht mehr erlaubt? Einzelne

gewinnen an Stärke, wenn sie zusammen

halten und den Block der Vernünftigen

bilden. Die Pandemie belastet uns. Das

Unvernünftige dieses Argumentes, alle

sollten, was das Impfen betrifft solidarisch

mitmachen, ist, dass diese Mehrheit immer

einen Rest haben wird. Die Spaltung der Gesellschaft

ist derzeit ein Thema, wir dürfen

gespannt sein, ob es gelingt, die Menschen

friedlich zu stimmen. Als Mutti der Nation

haben manche Angela Merkel bezeichnet.

Und jetzt kommt Papa Olaf? Das mag nicht

einfach sein für den Scholzomaten. Die

Pandemie solidarisch zu meistern, ist eine

Herausforderung. Wie sollen die noch ins

Boot geholt werden, die gerade massiv außenbords

gedrängt werden? Der Druck auf

Ungeimpfte wird mit dem Argument geführt,

diese gefährden andere und dem kann nicht

allzu viel entgegengehalten werden, außer,

mit dem Vorwurf leben zu können. Jedem

das eigene Schiff.

Verstört.

Manipuliert, Vertrauen zerstört, was heißt

das? So denke ich auf meinem bösen Irrweg:

Unsolidarisch aus Überzeugung! Ich lasse

mich nicht impfen aus demselben Grund,

möchte nicht aus Loyalität zur Allgemeinheit

Sinnvolles tun, dem Apparat lieber schaden

durch Passivität. Nur mit einer hohen

Impfquote bekommen wir die Pandemie in

den Griff, natürlich. Aber gerade deswegen

mache ich das nicht. Ich trage Maske, gehe

auf Abstand, das muss genügen. Es gibt noch

andere Gefahren. Ich setze keinen Helm auf

beim Radfahren, trinke Alkohol. Wer weiß,

vielleicht habe ich Krebs? Keine schlechte

Sache, so eine tödliche Krankheit. Das würde

meinen Abgang beschleunigen, alle freuten

sich, mich Miesepeter los zu sein. Und ich

selbst wäre der Zufriedenste, es geschafft zu

haben, endlich tot zu sein. Ich gehe nie zum

Arzt, auch wenn es sinnvoll wäre, weil ich

lieber Schmerzen habe und eine ungewisse

Zukunft. Das erscheint mir besser, als mich

fremden Weisungen anzupassen.

# Keine Beziehungen!

Die minimale Verbindung zur Gesellschaft:

Ich zahle Steuern (steht eingangs), das muss

genügen. Ich wiederhole es wegen seiner

Unbedingtheit. Dagegen kann man nichts

machen, außer eindeutig in das Lager der

Kriminellen umzuziehen. Damit kenne ich

mich nun wieder nicht aus, und deswegen

wird nichts draus. Zum Anarchisten tauge ich

nicht, religiöser Fanatismus ist mir fremd,

verrückt oder quer denke ich nie, das ist

blöd. Mache ich Fehler, hilft mir der Anwalt.

Ich kann das bezahlen. Auf eine Demo kriegt

mich niemand, das hieße ja, mit anderen

zusammen „dagegen“ mitlaufen. Zwischen

allen Stühlen allein auf meiner Insel, das ist

mein Ideal.

Eine Mehrheit der Deutschen befürwortet

eine Impfpflicht, um gegen das Virus endlich

Fortschritte zu machen, heißt es. Schwierig

bis unmöglich umzusetzen? Ich glaube, es

war Bodo Ramelow, der Ministerpräsident

von Thüringen, der dazu sagte: „Wie wollen

Sie jemanden impfen, der meint Covid gäbe

es nicht und der Staat wolle ihn mit der

Spritze vergiften?“ Die flächendeckende Meinung

entwickelt sich zunehmend dahin, alle

müssten begreifen, das Richtige zu tun. Dies

ist gefährlicher zu denken, als Widerstand

zuzulassen und hinzunehmen. Der allgemeine

Mensch ist noch nicht erfunden worden.

Davon, dass so getan wird als sei es einfach,

normal und richtig, im Sinne des Ganzen zu

denken, wird man das Gegenteil erreichen.

Europa erlebt starke Fliehkräfte. Der Brexit

oder die polnische Sicht auf das System

machen im Großen deutlich, was dem Einzelnen

geschieht. Die Mitte der Gesellschaft

verlassende Menschen seien egoistisch,

heißt es von denen, die leicht begreifen, was

nützt und gern dabei sind. Der Konsens ist

ihr billiger Kompass. Eine Lösung dafür, alle

im gleichen Sinn geschlossen voran gehen

zu lassen, gibt es aber nicht. Der einzelne

Gedanke eines jeden Individuums zählt. Die

scheinbar irrationalen Abweichler des Kollektivs

(der systemischen Bewegung) müssten

integriert verstanden werden. Ausgrenzung

stärkt die Aussätzigen. Man sieht, dass

ganz verschiedene Gruppen sich zusammen

tun, wenn das gemeinsame Ziel unscharf

der Widerstand ist. Zorn ist weit mehr als

die böse Gewalt, die endlich verschwinden

müsste. Das ist unser persönlicher Antrieb

und für einige das reinste Vergnügen, mit

diesem Kraftstoff Gas zu geben.

:)

Nov 7, 2021 - Der Egoist 130 [Seite 130 bis 130 ]

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!