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Blogtexte2021_1_12

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ren, ein Taxi mit Fahrgästen, aber deren Ziele

sind nicht dieselben. Dem Fahrer obliegt, die

beste Lösung zu finden, alle an ihren Bestimmungsort

zu kutschieren. Dabei darf der Kutscher

nicht die Nerven verlieren. Der Verkehr

drumherum ist anstrengend. Seine Fahrgäste

weisen ihn an, wo es hingehen muss, jeder

möchte als erster ankommen. Dazu kann das

Auto (resp. die Kutsche) Probleme bereiten

als ein System, das verstanden und gewartet

werden muss.

# Der Notbremsassistent

In diesem Zusammenhang mögen Beispiele

aus dem Bereich „Künstliche Intelligenz“

nützlich sein, unser Verständnis vom

Menschsein zu erweitern. Der Orthopäde

versteht den Körper als funktionierende

Mechanik, will sich gern laienhaft in den

Bereich Stress tasten. Der Spezialist kann

trotzdem nur selten erklären, wie Funktion

und Denken mit Emotionen, dem Fühlen

und Berühren zusammenhängen, einen Menschen

ausmachen. Ein kleiner Umweg in das

Thema „Mensch und Maschine“ mag dafür

herhalten, anschaulich darzustellen, wie ein

angetriebenes System bestenfalls gelenkt

wird. Die Idee dahinter ist das Modell eines

Kapitäns an Bord, die Leitung vom Apparat

auf seinem Weg. Das macht den Zusammenhang

von Körper und Geist anschaulich.

Zunächst eine Episode aus der bemannten

Raumfahrt. Warum wurde Neil Armstrong

dazu auserkoren, sein Raumschiff auf dem

unwegsamen Mondboden zu landen? Man

war seinerzeit der Auffassung, Astronauten

wären besser dazu geeignet als vollautomatische

Lander. Tatsächlich übernahm der Berühmte

die letzten Meter des Landeanfluges

als verantwortlicher Pilot selbst. Armstrong

schaltete den Autopiloten ab. Der militärisch

trainierte Flieger erkannte im vorausberechneten

Terrain eine ungeeignete Gesteinsformationen,

herumliegende Brocken, in denen

die Landfähre vermutlich beim Aufsetzen

umgekippt wäre. Er entschloss sich, etwas

weiter zu fliegen, als geplant, und setzte

den Adler sicher auf, als eine glatte Ebene

erreicht war. Der Bodenstation stockte der

Atem, denn der Wagemutige verfeuerte den

vorhandenen Treibstoff für dieses Manöver

komplett. Ein nur wenige Meter längerer

Landeanflug, durch

den nach gutem

Gelände suchenden

Armstrong, hätten

bedeutet, nicht genügend

Reserve für

den späteren Start

an Bord zu haben.

Ein kleiner Schritt

für einen Menschen,

ein großer für die

Menschheit; ganz bestimmt!

Bevor Corona die Nachrichten beherrschte,

gab es andere Themen. „Kampfhunde fallen

Passanten an“, oder Busunfälle wurden

wochenlang diskutiert. Wenn irgendwo ein

Reisebus verunfallt, ist das Entsetzen groß.

Manchmal brennt es, und in diesem Zusammenhang

wird überlegt, ob die Polster der

Sitze aus einem anderen Material gefertigt

werden müssten? Gelegentlich stürzt das

Fahrzeug eine Böschung runter, und dann

fragen die Medien, wie es dazu kommen

konnte? Nicht selten ist zu geringer Abstand

der Grund für einen Unfall. Der Bremsweg

hat nicht ausgereicht. Wie die Medizin den

Menschen besser und belastbarer, langlebiger

machen möchte, chirurgisch und mit

Vorsorge in das System eingreift, probieren

wir insgesamt, unsere Technik sicherer zu

machen. Was genau der Gesellschaft nun

Verbesserung eigentlich bedeutet, wird

immer neu definiert.

Es ist schon eine Weile her, dass in einem

Beitrag Busfahrer sich dazu geäußert

haben, warum der für den Notfall gedachte

Bremsassistent, eine technische Raffinesse

moderner Fahrzeuge, vom Unternehmen

gern abgeschaltet würde. Das sei erlaubt,

und nicht wenige nutzten diese gesetzliche

Freiheit, warum? Der Fahrer, der lieber unerkannt

sein wollte, meint dazu, das System

verhalte sich stumpf nach der kameragesteuerten

Abstandsmessung. Es bremse

ständig das Fahrzeug in Momenten, wo der

geübte und aufmerksame Lenker den Wagen

einfach laufen lasse. Das sei der Fall, wenn

man auf der Autobahn unterwegs wäre

und ein Pkw überhole den Bus. Da gäbe es

nicht wenige, die scherten haarscharf vor

dem Reisebus ein, wohl, weil sie sich vor

dem nachfolgenden Wagen auf der linken

Spur fürchteten. Die seien im Zwiespalt,

den langsamen Bus überholen zu wollen,

hätten dabei aber das Gefühl, auf der linken

Spur nichts verloren zu haben. Sie möchten

das Manöver möglichst schnell hinter sich

bringen. Wenn ein kleines Fahrzeug knapp

rüberzieht, erkennt der Busfahrer, dass weiter

vorn nichts ist, der Pkw in Kürze Abstand

gewinnen wird. Er bremst also nicht, obwohl

der Sicherheitsabstand unterschritten wurde,

und nach einem Augenblick ist tatsächlich

wieder Platz zum Vordermann, der nun Gas

gibt. Lässt man den Automaten sein segensreiches

Werk tun, würden die Senioren

auf ihrer Kaffeefahrt seekrank. „Wir wollen

nicht mit ,dem‘ fahren, lieber mit ,Soundso‘,

da schaukle es nicht“, erklärten diese. Das

schade dem Geschäft.

# Damals, als die Erde noch flach war …

Als der liebe Gott den Menschen konstruierte,

dauerte das, anders als in der Bibel

dargestellt, länger. Über den Affen und

Neandertaler entwickelte sich das kleine

Arschloch weiter, bis es so wurde, wie heute

überall anzutreffen. Das Feuer nicht mehr

zu fürchten, selbst welches anzünden zu

können, hat viele Jahre in Anspruch genommen.

Damit einher ging die Möglichkeit,

Fleisch zu braten, das vorher nicht auf dem

Speiseplan stand. Gekochte und gebratene

Tiere sind weich und besser verdaulich.

Mit dieser neuen, erweiterten Möglichkeit,

andere essen zu können, wurden die

Urmenschen kräftiger und ihre Gehirne

wuchsen, bis sie die Größe eines heutigen

Denkapparates erreichten.

Sollte ich dies als Satire kennzeichnen?

Eine beunruhigende Perspektive: Wir dürfen

also befürchten, dass, wenn sich die vegane

Ernährung gretabedingt durchsetzt, unsere

Gehirne zukünftig wieder schrumpfen? Das

aktuelle, zeitgeistige Unwesen – wie manche

in der rechten Partei kritisieren oder der

Kirche – moderne Frauen z. B. und Schwule

überall, die ernst genommen würden, sei

nicht weniger bedenklich, als der grüne

Verbotewahn für uns, finden welche. Die

menschgemachte Klimakatastrophe wäre

unwahr, ein Fake der Medien, weil es auch

in grauer Vorzeit schon recht warm gewesen

sei, behaupten diese weißen, alten Männer.

Das ließe sich kaum bestreiten, bedeute

aber nicht, eine rasche Erwärmung des

Planeten zu begrüßen, hält die Wissenschaft

farbig und flexibel dagegen. Das Artensterben

ist unbestritten gefährlich für uns, und

auf Dauer können die Ewiggestrigen nur

verlieren.

Damals war es besser? Das kann sein,

aber heute ist es eben anders. Früher war

unsere Arbeitsteilung: die Männer jagten

und kämpften, dazugehörende „Mädels“,

welche ihre Kinder ja auch austragen,

hätten sich drum zu kümmern. Sexismus war

kein Schimpfwort oder die Rechtfertigung

einer Anklage. Es gab in der Steinzeit keine

Frauenquote im Management einer Sippe,

und das war auch gut so: Sonst hätte man

gemischte Gesellschaften erdacht und nicht

das Patriarchat. Das seinerzeit Bessere hatte

sich durchgesetzt. Zum brachialen Kämpfen

ist der Mann geeignet. Mit der Waffe in der

Hand tötet er die Gegner. Er bildet eine

stärkere Muskulatur aus. Anschließend fällt

der Krieger über die Frauen und Mädchen

im besiegten Dorf her und vergewaltigt nach

Lust und Laune. Das ist unsere menschliche

Geschichte. Gut möglich, dass diese Vergangenheit

zur Gegenwart wird! Niemand sollte

sich blind auf den Segen geordneter Verhältnisse

in seiner zivilisierten Umgebung

verlassen. Unsere Natur ist bis heute die

Basis: Frauen sind einen Großteil der Zeit

damit beschäftigt, sich um ihre Kinder zu

kümmern. Wir betrachten die Vergangenheit

aus der Höhe unseres Intellektes. Die Standbeine

dieses Rahmens sind aber imaginäre.

Sie tragen uns nur, wenn alle mitmachen.

Heute denken wir gern anders darüber, wie

es früher richtig gewesen ist. Nur Barbaren

möchten Homosexuelle abschlachten und

Frauen versklaven. Tatsächlich schlummert

der böse Mann im zivilisierten bis heute.

Während also der liebe Gott hunderttausende

an Jahren benötigte, uns den Weg

in die Moderne zu zeigen und dabei seine

Schöpfung modifizierte, erleben wir einen

ähnlichen Prozess beim Automobil, das ist

meine heitere These, unser Denken zu beflügeln.

Die Fahrzeuge änderten sich mit der

Zeit: Künstliche Intelligenz, selbstfahrende

Fahrzeuge (und Raumfahrt ohne Pilot) sind

bereits Realität. Wir können davon lernen,

uns als ein Stück der Natur noch besser zu

verstehen. Alternatives Denken kann Brücken

bauen, wenn wir zulassen, ein wenig zu

spinnen.

# Die Schöpfung des Menschen ist das Auto

Einige Parallelen sind erkennbar. Die Affen

waren nicht in der Lage zu sprechen. Der

Neandertaler konnte es möglicherweise,

und irgendwann jedenfalls in der langen

Zeit unserer Entwicklung, lernten wir’s zu

tun. Dann kam noch das Schreiben hinzu,

das Protokollieren menschlicher Ideen und

Erfindungen. Der Siegeszug, alles platt zu

machen, nahm unaufhaltsam seinen Lauf.

Wie lange mag das gut gehen?

Wir Menschen sind wie „Karius und Baktus“.

Einige werden sich an dieses Kinderbuch

erinnern. Das Schlaraffenland der kleinen

Zahnzerstörer und Bewohner einer Mundhöhle

endet im Abfluss. Als der Doktor (und

schließlich Jens selbst mit der Zahnbürste),

sämtliche Errungenschaften wie einen

„Balkon am Backenzahn“ oder aufwändige, in

das Weiß gemeißelte Treppen und prunkvol-

Okt 25, 2021 - Gretabedingt 121 [Seite 120 bis 123 ]

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