Blogtexte2021_1_12

03.01.2022 Aufrufe

Ursula Wientapper“, erfährt dergeneigte Leser. Zusätzlich sehenwir zwei Bilder. Die hilflosenKleckereien von Laureen-ZoeUlka untertitelt das Käseblattmit wohlmeinender Wichtigkeit.Es sind nicht nur Bilder, sondernExponate. Das hört sich dochschon mal nach was an. AnfangOktober beklagt Uschi: „Wirsuchen dringend junge Künstler,die sich in unserem Vereinengagieren. Hauptaufgabe ist es,neue Maler oder andere Kreativefür unsere Ausstellungen zuakquirieren und diese dann zuorganisieren und umzusetzen“,appelliert Wientapper. Haltetlieber Abstand, denke ich böse,und was im Himmel inspiriertbeim unnötigen Kram?Ein dickes Ei, so scheint es, wurde nochnicht ganz verspiesen, das ist der Kulturetat.Ich kenne mich schon aus. Der Kuckuckschlüpfte und saß im Nest, so war das. EinKunstverein westlich von Hamburg und deraus Wedel über Bahrenfeld ins Dorf hineingeschneite Quiddje kamen zueinander.Bei einer netten Rotweinrunde im Vorstandwerden Eitelkeiten und Moneten wie Trümpfeausgespielt. Tatsächlich einer der Gründevor einigen Jahren, dem örtlichen Kunstkreiswieder zu kündigen, war dieser Einwurf vonIngrid „da wären noch ein paar Tausend Eurofür ein Projekt zu bekommen“, sollte mannicht ein Bildhauersymposium ausschreiben?Dann könne mansich um diese Summebewerben. Was für einQuatsch!Die Woche drauf kommt unserKunsthaus an die Reihe, dasneuerdings von Anne Immiggeleitet wird, wie wir erfahren.Die von Kindern gemalten Blumenbilderunterscheiden sichin Nichts von Ulkas Klecksen.Wie schön, wenn die Kleinen beschäftigtsind. Auf der Seite geht es nahtlosin Rellingen weiter. Die glückliche Cäcilie,eine übrigens äußerst aktive und sympathischePerson, hat es geschafft, ein Live-Painting mit verschlungenen Ringformen fürimmer ins Rathaus vor das Standesamt zunageln. Glückwunsch! Das tut ja niemandemweh, und besser als die langweiligen Klinkerist blaue Deko allemal.Weh tut der Artikel von gestern. DiesmalPinneberg, die Hauptstadt quasi. Da muss esschon was kosten. Unter der Rubrik „Lokales“findet sich diese Headline: „Ach, du dickes Ei:Was es mit der Skulptur nahe der Drostei auf# Das hat nichts mitKunst zu tunDem Kunstverein inSchenefeld fehlt esan Nachwuchs? KeinWunder. Es steht in derZeitung, unser Käseblatt,wer liest das schon.Mehr als zwanzig Malwird Kunst in Verbindungmit Personenund Galerien genannt,aber: Das ist keineWerbung. Eine ganzeSeite im Tageblatt! DieSchenefelder Kunstwelt in Person einerehemaligen Kunstlehrerin, gekonnt in derPose einer Kennerin fotografiert, erläutertdie Probleme, während der Pandemie mitAusstellungen am Ball zu bleiben. „Maltbevorzugt maritime Motive in Acryl: DieVorsitzende des Schenefelder Kunstkreises,sich hat“, und den Artikel lese ich gar nichterst. Mir genügt die untere Zeile: „Das neueKunstwerk in Pinneberg ist eine Gemeinschaftsarbeit,die mit zehntausend Euro gefördertwurde.“ Blechei auf Sockel. Das Fotodavon zeigt beuliges Metall, auf dem einungeübter Niroschweißer einige verklumpteNähte fabrizierte. Es ist nicht schön. Es istuninteressant. Es hat keine Aussage. Es warsehr teuer.Das ist nicht komisch.:(Okt 10, 2021 - Das ist nicht komisch 116 [Seite 115 bis 116 ]

Ganz einfach!Okt 20, 2021Jetzt ist es wieder passiert,ein Amoklauf erschüttert uns.Kongsberg, Norwegen – vor einpaar Tagen hat ein Mann mehrereMenschen getötet. Mit Pfeilund Bogen bewaffnet war derVerstörte unterwegs, auch Messerkamen zum Einsatz, als erzufällige Opfer für seine Attackefand. Es dauerte, bis die Polizeizugriff und den Täter festgenommenhat. Schnell verordneten Fachleutedie Bluttat als islamistisch motivierten Terrorakt.Dann korrigierten sich die Behörden.Der in Norwegen lebende Däne wäre seitJahren in psychologischer Behandlung, undman ginge nun von einer Krankheit aus, diezur Tat führte.Wie immer in so einem Fall, stehen dieoffiziellen Sicherheitsdienste anschließendin der Kritik. Wenn ein polizeibekannterMensch zuschlägt, kommt die Frage auf, obdas nicht verhindert werden konnte, voraussehbargewesen ist? Dem liegt die Problematikzugrunde, dass die breite Masse einerGesellschaft diese Täter wegsortieren möchte,am Besten rechtzeitig. Sie sind anders,gefährden: Gestörte raus! Nun können wirdie Menschen nicht dahingehend belehren,dass ein psychisch Kranker zunächst einerder ihren ist. Der Normale nimmt diese Sichtnicht an. Ihm ist egal, wie und warum eskommen konnte, dass ein Mensch die anderennach einem zufälligen Muster auswähltund scheinbar wahllos abschlachtet. Der einfachePassant in seiner Heimat unterwegs,möchte nicht angegriffen werden. Schließlichgibt es die Polizei. Wir leben in derZivilisation. Ein Stadtbewohner denkt nichtüber seine Sicherheit nach, überquert eineStraße, wenn das grüne Männchen leuchtetund checkt mobile, was sonst noch wichtigist. So einer ist damit beschäftigt einzukaufen.Ein Verbraucher nimmt nicht an,mit Pfeil und Bogen angegriffen zu werden,während er eine Unterhose auf Passgenauigkeitprüft. Allenfalls Taschendiebe sind Teilseiner Bedrohungskulisse, und dafür gibt esden Kaufhausdetektiv.Die Masse ist dumm und weiß es nicht; weilihr Leben funktioniert? Mit dieser Thesemacht man sich keine Freunde, enthält dieAnsicht ja einen pauschalen Vorwurf, die Gesellschafthabe insgesamt eine Macke, vonder sie nicht wüsste. Trotzdem scheint es mirsinnvoll, einige Belege für die Dummheit derNormalen anzuführen. Wir können freundlicherweiseden Begriff mit Unwissenheit tauschen.Unwissenheit ist gut an dieser Stellezu verwenden. Jeder kennt den Ausspruch,sie schütze nicht vor Strafe. Die Logik, nachder ein Amok funktioniert, wird regelmäßigals nicht nachvollziehbar gebrandmarkt:Warum kann der Normale nicht einsehen,dass sein integriertes Verhalten für mancheunerreichbar scheint und solche Menschengute Gründe darin sehen, pauschal Rache zunehmen? Wäre dies ein Ansatz mit breitemKonsens in einer Gesellschaft, wüssten wir,dass allein unsere Normalität und unserzivilisiertes Verhalten ausreichen, mancheso zu reizen, uns dafür zu bestrafen. Wennwir ausblenden, dass in einerStadt um uns herum welcheunterwegs sind, die ganz andersempfinden, greift dieserSatz „Unwissenheit schützenicht vor einer Bestrafung“ soherum interpretiert, dass dieseuns strafen, weil wir sie nichtrespektierten. Empörung wirddaran nichts ändern.Wir erwarten, allekönnten sich leicht andie Regeln halten, denenwir gern bereit sind zufolgen? Wenn wir uns(naiv) auf die Sicherheitsbehördenverlassen,können wir das Opfer derjenigen werden,die ihr eigenes Gesetz über dasder Allgemeinheit stellen. Im (blinden)Vertrauen auf das Gewaltmonopol desStaates und seine alleinige Berechtigungzu richten, wird uns die nichthaltbare Illusionen einer vollständiggeregelten und sicheren Umgebungein ums andere Mal als solche kalterwischen. Dass einer anschließend lebenslangeinsitzt, ist weniger Strafe, sondern diehilflose Reaktion, das Zucken einer Justizund die Blendung der Masse, die es nichtwahrhaben will, übertölpelt zu sein. Unddumm ist diese Gesellschaft und eingebildet.Zivilisation ist oft nur der intellektuelleRahmen. Er kann bedrohlich unzuverlässigsein, wenn der Strom ausfällt oder sonstwie die Natur zurückkehrt. Natürlich sindwir angreifbar, was ist so schwer daran einzusehen?Die hasserfüllten Äußerungen imanonymen Netz zeigen doch nichts anderesals die Wahrheit unseres Menschseins, sindmitnichten vermeidbar und können durchbessere Systeme höchstens eingedämmtwerden und rückverfolgt. Den Hass schaffenwir nicht ab. Das geht nicht.Kinder werden bestraft, um zu lernen.Irgendwann sind diese erwachsen, und denEltern fällt nichts ein, als zu sagen: „Wennes dir nicht passt, zieh aus.“ Erwachsenedurch Gericht und Urteil mit Gefängnis zubestrafen, nimmt diesen die Selbstverantwortung.Die Gesellschaft vertraut auf dieabschreckende Wirkung und nimmt an, dassdie Haft Verurteilte erziehen kann? Manchmalgeschieht es. Immerhin, das Gefängnisschützt die normale Allgemeinheit vor denweggesperrten Tätern.# Stellen wir uns ein überspitztes Bild vorEin Mensch läuft in einer Blechrüstung herum.Das ist aber kein sportlicher Ritter mitder Lanze in der Hand, der gerade sein Pferdim vollen Galopp dem Gegner präsentiert,bereit ihn aus dem Sattel zu stoßen. Nein,unser Typ in seiner Dose fühlt sich sicher,und das ist eine Täuschung. Zur Navigationgibt es höchstens ein kleines Guckloch. Damitschaut dieser moderne Rittersmann aufsein Handy, hält den Kopf dauerhaft geneigtund es nicht für nötig, diesen frei bewegenzu können. Wenn jetzt ein nackter Irrer vonschräg hinten angerannt kommt, muss derDosenmann den aufgezwungenen Kampfverlieren. In diese Richtung sondiert keiner,der fest auf die Sicherheit seiner Schutzkleidungbaut und die Navigation seiner Wegedem Internet aufgibt.Wenn das unsere Realität wäre, und ich binfest davon überzeugt, dass wir mehrheitlichausblenden, wie gefährlich zu lebennoch immer ist, so mag diese Skizze helfengegenzusteuern. Was könnten wir tun? Nurder einzelne ist in der Lage zu handeln, zumeinen für sich selbst, indem vermeintlicheSicherheit aufgegeben wird, wir lerntenunser Gegenüber zu bemerken und darüberhinaus wäre es möglich, die Ansätze unsererFachleute, die mit der Ordnung, Stabilitätund der geistigen Gesundheit der Bürgerbeauftragt sind, auf eine realistische Grundlagezu stellen. Das hieße an erster Stelledafür zu sorgen, dass psychisch Krankegesund werden durch die ihnen angeboteneBehandlung. Das wird bislang kaumversucht, obwohl dieses Thema einen hohenStellenwert hat. Es genügt uns, Kranke ausgesamtgesellschaftlicher Sicht zu betrachten.Wer sich und andere gefährdet, wirdbehandelt, beobachtet und gezwungenermaßenbetreut. Medikamente möchten denKranken betäuben, und ihm wird gesagt, dashelfe. Das hilft dem Arzt. Regelmäßig kommtes dazu, dass die entsprechenden Spezialisteneine Situation verantworten müssen, dieihnen in dieser Konstellation hinzuschauen,Okt 20, 2021 - Ganz einfach! 117 [Seite 117 bis 118 ]

Ursula Wientapper“, erfährt der

geneigte Leser. Zusätzlich sehen

wir zwei Bilder. Die hilflosen

Kleckereien von Laureen-Zoe

Ulka untertitelt das Käseblatt

mit wohlmeinender Wichtigkeit.

Es sind nicht nur Bilder, sondern

Exponate. Das hört sich doch

schon mal nach was an. Anfang

Oktober beklagt Uschi: „Wir

suchen dringend junge Künstler,

die sich in unserem Verein

engagieren. Hauptaufgabe ist es,

neue Maler oder andere Kreative

für unsere Ausstellungen zu

akquirieren und diese dann zu

organisieren und umzusetzen“,

appelliert Wientapper. Haltet

lieber Abstand, denke ich böse,

und was im Himmel inspiriert

beim unnötigen Kram?

Ein dickes Ei, so scheint es, wurde noch

nicht ganz verspiesen, das ist der Kulturetat.

Ich kenne mich schon aus. Der Kuckuck

schlüpfte und saß im Nest, so war das. Ein

Kunstverein westlich von Hamburg und der

aus Wedel über Bahrenfeld ins Dorf hinein

geschneite Quiddje kamen zueinander.

Bei einer netten Rotweinrunde im Vorstand

werden Eitelkeiten und Moneten wie Trümpfe

ausgespielt. Tatsächlich einer der Gründe

vor einigen Jahren, dem örtlichen Kunstkreis

wieder zu kündigen, war dieser Einwurf von

Ingrid „da wären noch ein paar Tausend Euro

für ein Projekt zu bekommen“, sollte man

nicht ein Bildhauersymposium ausschreiben?

Dann könne man

sich um diese Summe

bewerben. Was für ein

Quatsch!

Die Woche drauf kommt unser

Kunsthaus an die Reihe, das

neuerdings von Anne Immig

geleitet wird, wie wir erfahren.

Die von Kindern gemalten Blumenbilder

unterscheiden sich

in Nichts von Ulkas Klecksen.

Wie schön, wenn die Kleinen beschäftigt

sind. Auf der Seite geht es nahtlos

in Rellingen weiter. Die glückliche Cäcilie,

eine übrigens äußerst aktive und sympathische

Person, hat es geschafft, ein Live-

Painting mit verschlungenen Ringformen für

immer ins Rathaus vor das Standesamt zu

nageln. Glückwunsch! Das tut ja niemandem

weh, und besser als die langweiligen Klinker

ist blaue Deko allemal.

Weh tut der Artikel von gestern. Diesmal

Pinneberg, die Hauptstadt quasi. Da muss es

schon was kosten. Unter der Rubrik „Lokales“

findet sich diese Headline: „Ach, du dickes Ei:

Was es mit der Skulptur nahe der Drostei auf

# Das hat nichts mit

Kunst zu tun

Dem Kunstverein in

Schenefeld fehlt es

an Nachwuchs? Kein

Wunder. Es steht in der

Zeitung, unser Käseblatt,

wer liest das schon.

Mehr als zwanzig Mal

wird Kunst in Verbindung

mit Personen

und Galerien genannt,

aber: Das ist keine

Werbung. Eine ganze

Seite im Tageblatt! Die

Schenefelder Kunstwelt in Person einer

ehemaligen Kunstlehrerin, gekonnt in der

Pose einer Kennerin fotografiert, erläutert

die Probleme, während der Pandemie mit

Ausstellungen am Ball zu bleiben. „Malt

bevorzugt maritime Motive in Acryl: Die

Vorsitzende des Schenefelder Kunstkreises,

sich hat“, und den Artikel lese ich gar nicht

erst. Mir genügt die untere Zeile: „Das neue

Kunstwerk in Pinneberg ist eine Gemeinschaftsarbeit,

die mit zehntausend Euro gefördert

wurde.“ Blechei auf Sockel. Das Foto

davon zeigt beuliges Metall, auf dem ein

ungeübter Niroschweißer einige verklumpte

Nähte fabrizierte. Es ist nicht schön. Es ist

uninteressant. Es hat keine Aussage. Es war

sehr teuer.

Das ist nicht komisch.

:(

Okt 10, 2021 - Das ist nicht komisch 116 [Seite 115 bis 116 ]

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