Blogtexte2021_1_12
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Schule davon erwischt und aus der Bahn
ihres Lebens geworfen werden. Das geschieht
für die engere Familie überraschend,
während Außenstehende durchaus früh
bemerken könnten, dass etwas nicht stimmt.
Alle psychischen Krankheiten haben gemein,
dass sie soziale Störungen sind. Mal davon
abgesehen, dass wir uns über die Erblichkeit
streiten oder frühzeitige Erkenntnisse theoretisch
nützen würden, sollte im Vordergrund
stehen, was getan werden kann, wenn
„das Kind in den Brunnen gefallen“ ist. Dabei
ist kritisch zu sehen, dass die Spezialisten
insgesamt helfen mit Medizin und Therapie
selbst- und fremdgefährdendes Verhalten
zu minimieren, aber Menschen dauerhaft zu
Patienten umerklären. Diagnostizierte, die in
der Folge nicht selten ein Leben lang vom
Arzt begleitet werden.
Eine leistungsorientierte Therapie, die
den Anteil der Behandlung des Arztes zur
vollständigen Gesundung des psychisch
Kranken, dass er keinerlei Medikamente
benötigt und die Ziele
seiner Existenz durch diese
anfängliche Unterstützung bis
in eine Unnötigkeit, weitere
Hilfe zu brauchen, begreift
und erreicht, ist selten
erkennbar. Dazu kommt, dass
der überforderte Hausarzt
aufgesucht wird oder der
nächstbeste Psychiater. Im
glücklichen Einzelfall gelingt
es von psychischer Krankheit
Betroffenen, die Ausrichtung
an der Umgebung dahingehend
anzupassen, dass ihnen
ihr Selbst schließlich klar
erkennbar wird. Dann kann
noch vieles gut werden.
Wir haben jetzt die Möglichkeit
selbst zu wählen, was
wir lernen möchten. Können Wege gehen,
ohne dass es uns gesagt wird, was gut
sei, auf eigenes Risiko hin leben wie die
Gesunden. Unsere Fehler: Möglicherweise
vorausgegangene emotionale Wechselbäder,
von den Eltern (oder einem Elternteil) mal
gemocht zu werden und dann wieder nicht,
überfordert von den aufgezwängten Aufgaben,
mögen eine Reihe von Anläufen nach
sich gezogen haben, kurioserweise nach
ebensolchen Partnerschaften zu suchen.
Anderen nachzulaufen, welche zu begehren,
die wechselnd liebend oder manipulierend
Menschen für uns werden, unzuverlässige
Rahmen bilden (wie früher zu Hause) bedeutet,
in diesen Konstellationen zu kollabieren,
in toxischen Verbindungen zu scheitern.
Selbstbewusstsein meint nicht, damit
vertraut zu sein, was die anderen sagen
und es entschiedener als diese auszusprechen.
Das hieße Follower zu werden und ist
meistens dumm. Sich bewusst sein, bedeutet
allgemeine Thesen daraufhin zu prüfen,
inwieweit sie individuell verträglich sind.
Dazu ist Empfindsamkeit nötig. Sport, Kraft
und Ausdauer werden empfohlen, psychologisches
Training auf der anderen Seite,
aber Kraft oder Belesenheit führen kaum
zum Ziel, wenn wir uns nicht als individuelle
Einheit bemerken und ob uns etwas gut tut.
Was wir alles vermeiden sollen: die verkehrte
Ernährung, den zu großen biologischen
Fußabdruck, andere zu verletzen, die Liste
ist lang. Warum sollten wir uns an alle diese
Sachen halten? Individuelle Freiheit und
entsprechende Vitalität, natürliche Leistungsfähigkeit,
freiwillige Disziplin auf ein
selbstgestecktes Ziel hin, können nur unter
persönlicher Auswahl der vielen Möglichkeiten
und Regeln zu unserem eigenen Erleben
werden. Was ich möchte, unterscheidet sich
durchaus von dem, was ich tun sollte. Wenn
beispielsweise klar ist, dass eine Impfung
dem System Deutschland, Europa oder der
Menschheit insgesamt nützt, lohnt es kaum
das zu ignorieren. Da sollte ich dem Aufruf
folgen und das wird nutzen, die Pandemie
schnell zu beenden.
Ich bin aber nicht die Menschheit insgesamt,
empfinde zunächst einmal für mich ganz
allein; und dann möchte ich bocken: weil
ich mich als einzelner Mensch weit weniger
gefährdet sehe, als die Gesamtheit und
Funktionalität des Ganzen. Besonders, wenn
ich für mich bleibe und Kontakte gering
halte. Das Ganze wird durch die Leitung desselben
vertreten, und die sagt mir, was ich
tun sollte. Das macht durchaus Sinn. Wenn
Helge Braun, so habe ich den Sprecher der
Regierung vor wenigen Tagen verstanden,
mahnt, in diesem Herbst würden sich samt
und sonders die Ungeimpften infizieren
– dann müssten etwa dreißig Millionen
Menschen in wenigen Monaten an Covid
erkranken um alle miteinzubeziehen. Drei
Monate dauert der Herbst, das hieße etwa
zehn Millionen neu Erkrankte pro Monat.
Das wären dreihundertdreißigtausend neue
Infizierte am Tag. Und der Chef der kassenärztlichen
Vereinigung prognostiziert das
Ende der Pandemie zum Frühjahr, das passt
zusammen. Mit dieser Mathematik gehen
erwachsene Menschen in anerkannten
Positionen an die Öffentlichkeit. Tatsächlich
droht der Kanzleramtsminister nur damit,
dass die Geimpften nicht erkranken und deswegen
die Ungeimpften den Lockdown, falls
das nötig würde, verschulden. Da kann er
auf Nachfrage sagen, er hätte gemeint, nur
Ungeimpfte erkranken, und nicht, dass die
allesamt im Herbst die Krankheit erleiden.
Im Frühjahr werden wir keinesfalls mit der
Pandemie durch sein, wie viele Menschen
müssten erkranken, damit jeder es gehabt
hat oder wie massiv müsste der Anteil der
Impfungen zunehmen? Wir zählen nach
knapp zwei Jahren mit der Pandemie etwa
vier Millionen nachweislich Erkrankte.
Dabei sind zudem viele alte Menschen mit
eingerechnet aus der Zeit ohne Impfung.
Etliche dieser Senioren wären ohnehin aus
Altersgründen inzwischen verstorben. Wenn
es weiter pro Jahr (nur) zwei Millionen Erkrankte
mit Covid gibt, wird es noch dauern,
bis die rund dreißig Millionen Deutschen,
die derzeit (noch) nicht geimpft wurden,
betroffen sind.
# In fünfzehn Millionen Jahren ...
… ist es hier vorbei, wenn sich jährlich zwei
Menschen in Deutschland damit infizieren,
in fünfzehn, wenn es zwei Millionen von uns
pro Jahr erwischt wie aktuell. Wahrscheinlich
ist doch, dass wir diese Zahl senken können.
Gerade dann wird es eine Krankheit für
immer bleiben, weiter ausgedünnt, was das
Risiko betrifft, sie tatsächlich zu bekommen,
und natürlich schützt die Impfung
den einzelnen Menschen. Bleibt die Frage,
ob nicht auch ein Ungeimpfter viele Jahre
lang frei von einer Ansteckung bleibt, wenn
die Wahrscheinlichkeit sich anzustecken
geringer wird? Die andauernde Mahnung,
die Ungeimpften würden sich alle infizieren,
wird bösartig in Kombination der daran
gekoppelten Behauptung, dass es kurzfristig
passiert. Dazu kommt, dass „Infektion“
nicht gleichzusetzen ist mit einer schweren
Erkrankung. In der Summe dieser Überlegungen,
bedeutet die asoziale Haltung, sich
einer Impfung zu verweigern, nicht dumm zu
sein, sondern ausschließlich egoistisch. Das
könnte ein forscher Gott gezielt bestrafen,
und wir sollten uns deswegen fürchten?
Jedem die seine Auslegung.
# So steht es geschrieben
Seis drum. Sich impfen zu lassen, bedeutet
zunächst, ein vergleichsweise soziales
Leben mit den anderen wie früher führen
zu können und dem Ende der Pandemie
insgesamt näher zu kommen. Die eigene Gefährdung
einer schlimmen Erkrankung kann
als sekundär begriffen werden, wenn man
Statistik als Maßstab nimmt. Das heißt nicht,
die furchtbare Realität dieser Krankheit zu
verleugnen, sondern sie in Kauf zu nehmen,
wie etwa versehentlich erschossen zu werden
am falschen Ort zur falschen Zeit oder
zufällig Opfer eines Verkehrsunfalls zu sein.
# Hier wäre unser Glaube gefragt ...
... stärker als die Furcht vor dem Zufall zu
sein. So darf kein Prediger öffentlich reden.
Wir laufen Gefahr, dass diese Spürbarkeit des
eigenen Organismus’ im Zusammenwirken
von Denken, Fühlen, Gefühlen und Handlungen,
die wir ausführen, verloren geht, wenn
es scheinbar befriedigt zu tun, was gesagt
wird. In einer Welt, die zunehmend auf den
Schultern früherer Generationen steht oder
in der Stärke der gesellschaftlichen Kollektivität
definiert ist, haben wir die Möglichkeit
zu überleben, ohne die Notwendigkeit zu erleiden,
unserer selbst bewusst zu sein. Dafür
zahlt der Einzelne einen hohen Preis. Viele
merken das erst, wenn eine potentiell tödliche
Erkrankung oder hohes Alter ihnen die
Endlichkeit ihres Daseins vor Augen führt.
Dann kann es zum Aufwachen und sich von
der Fremdbestimmung der Mehrheitsmeinung
zu befreien reichlich spät sein. Für
einiges, was man gern getan hätte – wozu
nötig gewesen wäre, damals zu wissen, sich
genau das zu wünschen, als die Zeit dafür
war – ist es nun zu spät.
Sep 16, 2021 - Zu spät für dich 102 [Seite 100 bis 103 ]