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Pirouette No. 01/2022 Januar

Deutsche Meisterschaften Erstmals fanden die Deutschen Meisterschaften in Neuss statt. Der dortige Verein war vor der Pandemie besonders erfolgreich mit dem alle zwei Jahre stattfindenden Eismärchen und konnte jeweils mit ihm die Halle mit etwa 3.000 Zuschauerplätzen bis zu sechsmal füllen. Das heißt, aus Neuss, Düsseldorf, Köln und Umgebung zahlten bis zu 18.000 Zuschauer Eintritt und finanzierten den Verein damit maßgeblich mit. Diesmal kamen an den drei Tagen einschließlich Schaulaufen erfreuliche 2.500 Zuschauer, viel mehr waren an den Meisterklasse Tagen auch gar nicht erlaubt. Die 25 Mitarbeiter meisterten die Corona-Vorschriften zuverlässig und überhaupt verlief die Veranstaltung pannenfrei und war insgesamt sehr gelungen. … Topthemen: · Deutsche Meisterschaften · Russische Meisterschaften · Weitere nationale Meisterschaften Weiteres aus dem Inhalt: · Interview: Darya Grimm & Michail Savitskiy · Interview: Morisi Kvitelashvili · Interview: Reed & Ambrulevicius · Portrait: Kamila Valieva · Schweizermeisterschaften der Elite · Österreichische Staatsmeisterschaften: Abschiedsvorstellung von Ziegler/Kiefer, Pesendorfer und Maierhofer Überraschungssieger · Deutsche Meisterschaften: Nicole Schott EM-reif, Fentz wieder Meister · Deutsche Nachwuchsmeisterschaften: Olesya Ray und Louis Weissert Juniorenmeister, Vielversprechende Anna Gerke · Nationale Meisterschaften: Ukraine, Finnland, Estland, Türkei, Italien, Großbritanien, Frankreich, Spanien und Vier-Länder-Meisterschaft · Challenger: Golden Spin (Sieg von Gubanova, Klarer Sieg für Eistänzer Hawayek/Baker) · Russische Meisterschaften: Kamila Valieva - wer sonst, Mishina/Galliamov erstmals Meister, Kondratiuk knapp vor Kolyada, Stepanova/Bukin zum Zweiten · Eislaufgeschichte: Ria Baran & Paul Falk (Olympia- und WM-Gold 1952) · Japanische Meisterschaft: Hanyu springt 4A · Neues aus aller Welt Titelbild: Überraschung im Eistanzen bei den Deutschen Meisterschaften: Erstmals konnten Jennifer Janse van Rensburg und Benjamin Steffan ihre Konkurrenten mit fehlerfreien Programmen schlagen. Foto: Hella Höppner Auch als Printversion erhältlich unter: www.pirouette-online.de/nr-1-januar-2022.html (Erscheinungstermin 12.1.2022)

Deutsche Meisterschaften

Erstmals fanden die Deutschen Meisterschaften in Neuss statt. Der dortige Verein war vor der Pandemie besonders erfolgreich mit dem alle zwei Jahre stattfindenden Eismärchen und konnte jeweils mit ihm die Halle mit etwa 3.000 Zuschauerplätzen bis zu sechsmal füllen. Das heißt, aus Neuss, Düsseldorf, Köln und Umgebung zahlten bis zu 18.000 Zuschauer Eintritt und finanzierten den Verein damit maßgeblich mit. Diesmal kamen an den drei Tagen einschließlich Schaulaufen erfreuliche 2.500 Zuschauer, viel mehr waren an den Meisterklasse Tagen auch gar nicht erlaubt. Die 25 Mitarbeiter meisterten die Corona-Vorschriften zuverlässig und überhaupt verlief die Veranstaltung pannenfrei und war insgesamt sehr gelungen. …

Topthemen:
· Deutsche Meisterschaften
· Russische Meisterschaften
· Weitere nationale Meisterschaften

Weiteres aus dem Inhalt:
· Interview: Darya Grimm & Michail Savitskiy
· Interview: Morisi Kvitelashvili
· Interview: Reed & Ambrulevicius
· Portrait: Kamila Valieva
· Schweizermeisterschaften der Elite
· Österreichische Staatsmeisterschaften: Abschiedsvorstellung von Ziegler/Kiefer, Pesendorfer und Maierhofer Überraschungssieger
· Deutsche Meisterschaften: Nicole Schott EM-reif, Fentz wieder Meister
· Deutsche Nachwuchsmeisterschaften: Olesya Ray und Louis Weissert Juniorenmeister, Vielversprechende Anna Gerke
· Nationale Meisterschaften: Ukraine, Finnland, Estland, Türkei, Italien, Großbritanien, Frankreich, Spanien und Vier-Länder-Meisterschaft
· Challenger: Golden Spin (Sieg von Gubanova, Klarer Sieg für Eistänzer
Hawayek/Baker)
· Russische Meisterschaften: Kamila Valieva - wer sonst, Mishina/Galliamov erstmals Meister, Kondratiuk knapp vor Kolyada, Stepanova/Bukin zum Zweiten
· Eislaufgeschichte: Ria Baran & Paul Falk (Olympia- und WM-Gold 1952)
· Japanische Meisterschaft: Hanyu springt 4A
· Neues aus aller Welt

Titelbild: Überraschung im Eistanzen bei den Deutschen Meisterschaften: Erstmals konnten Jennifer Janse van Rensburg und Benjamin Steffan ihre Konkurrenten mit fehlerfreien Programmen schlagen. Foto: Hella Höppner

Auch als Printversion erhältlich unter: www.pirouette-online.de/nr-1-januar-2022.html (Erscheinungstermin 12.1.2022)

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Das Wunderkind der Wunderkinder:<br />

Kamila Valieva<br />

Sie ragt selbst aus Russlands unerschöpflich<br />

scheinendem Strom der<br />

Wunderkinder heraus: Kamila Valieva.<br />

Die 15-Jährige ist das Wunderkind der<br />

Wunderkinder, sozusagen. Locker gewann<br />

sie ihre zwei Grand Prix Skate<br />

Canada und Rostelecom Cup in ihrem<br />

Meisterklassendebüt und stellte dabei<br />

wie nebenbei neue Rekorde auf.<br />

Die Juniorenweltmeisterin von 2020 hält nun<br />

die Höchstpunktzahlen für das KP (87,42), die<br />

Kür (185,29) und insgesamt (272,71), die sie<br />

alle beim Grand Prix in Sotchi erzielte. Kamila<br />

hat den dreifachen Axel in beiden Programmen<br />

plus drei Vierfache – zwei Toeloops und<br />

einen Salchow – in ihrer Kür, dazu kommen<br />

natürlich alle Dreifachen, exzellente <strong>Pirouette</strong>n<br />

und hohes Tempo. All das ermöglicht die<br />

Rekorde. Allerdings sind diese Bestpunktzahlen<br />

nebensächlich für die Läuferin, die seit<br />

2<strong>01</strong>8 in der Gruppe von Eteri Tutberidze trainiert.<br />

„Ich kann es immer noch besser machen“,<br />

sagt sie und lächelt. „Ich werde versuchen,<br />

noch besser zu laufen und meine Ziele<br />

zu erfüllen, aber die Preisrichter entscheiden<br />

über die Punktzahlen.“<br />

Die Teenagerin jagt nicht Punkten hinterher,<br />

sondern der Perfektion. „Mein Ziel ist es jedes<br />

Mal, dass die Menschen meine Programme<br />

ästhetisch genießen, dass sie es wirklich mögen,<br />

dass es ein komplettes Programm ist und<br />

ich den Charakter darstellen kann“, erklärt sie.<br />

Beim Rostelecom Cup nahm sie sich vor, selbstbewusster<br />

aufzutreten. Denn manchmal hat sie<br />

Zweifel und ist nervös, was zu Fehlern führt.<br />

„Ich freue mich, dass ich ruhig an den Start gehen<br />

konnte. Ich habe jeden Schritt, jede Aktion<br />

durchdacht und das ist eine Vorbereitung auf<br />

die nächsten Wettbewerbe. Mit jedem gewinne<br />

ich an Selbstvertrauen“, sagt die 15-Jährige. In<br />

Sotchi hatte sie außerdem neben ihrer Mutter<br />

ihren vierbeinigen Freund, Zwergspitz Liova, an<br />

ihrer Seite. „Wenn er dabei ist, fühle ich mich<br />

fast zu Hause. Ich komme nach dem Training<br />

zurück und Liova wartet auf mich. Ich bürste<br />

ihn, gehe mit ihm spazieren. Da kann ich entspannen<br />

und vergessen, dass das eigentlich ein<br />

Wettbewerb ist.“ Der kleine Hund war ein Geschenk<br />

von Fans und ein großer Wunsch der<br />

jungen Russin.<br />

Auf dem Eis ist Kamila konzentriert und zeigt<br />

Höchstschwierigkeiten wie den dreifachen Axel<br />

und Vierfache mit beiden Armen über dem Kopf<br />

mit verblüffender Leichtigkeit. Außerhalb vom<br />

Eis ist sie ein fröhlicher Teenager, hat Spaß mit<br />

ihren Teamkameradinnen und anderen Freundinnen,<br />

veröffentlicht lustige Videos und Fotos<br />

in den sozialen Netzwerken. Sie lacht viel und<br />

gerne. Früher war sie sehr schüchtern, aber das<br />

hat sich gelegt, sie ist viel offener geworden.<br />

Seit dem Gewinn der Junioren-WM vor knapp<br />

zwei Jahren ist Valieva nicht nur auf dem Eis<br />

gereift, sondern seit dem Vorjahr fünf Zentimeter<br />

gewachsen und jetzt 1,60 Meter groß. Ihre<br />

Sprünge hat der Wachstumsschub nicht beeinträchtigt,<br />

aber es war trotzdem eine Herausforderung.<br />

„In <strong>No</strong>vogorsk (im Sommertraining) war<br />

es sehr schwer“, gibt die Läuferin zu. „Nach den<br />

Ferien ist es sowieso schon schwierig, sich wieder<br />

in Form zu bringen und selbst beim Sichtungslaufen<br />

(im September) war ich noch nicht<br />

so weit. Jetzt erst verstehe ich, wie ich springen<br />

muss und wohin mit meinen Armen und Beinen“,<br />

meint sie und lacht. Die Vierfachen fallen<br />

ihr leichter als der dreifache Axel. „Wohl, weil<br />

man den von vorwärts abspringt“, überlegt sie.<br />

Beim Rostelecom Cup hatte Valieva rund 6,5<br />

Punkte mehr auf dem Konto als Herrensieger<br />

Morisi Kvitelashvili, ihr Trainingskamerad und<br />

Foto: Flade<br />

ein guter Freund, mit dem sie sogar in seiner<br />

Schaulaufnummer „Aladdin“ auftritt. „Er war<br />

nicht beleidigt“, versichert sie. Anders als Alexandra<br />

Trusova aber möchte Kamila nicht gegen<br />

Männer laufen. „Der Männer-Eiskunstlauf muss<br />

kraftvoll sein. Bei den Frauen werden mehr<br />

Emotionen verlangt, mehr Ausdruck. Für mich<br />

ist es interessanter, bei den Frauen zu laufen<br />

und mir gefällt meine Kategorie.“<br />

Valieva ist erst 15 Jahre alt, aber sie weiß genau,<br />

was sie will und was sie tun muss, um das<br />

zu erreichen. In ihrer Geburtsstadt Kazan fing<br />

sie mit Turnen und Ballett an. „Beim Turnen haben<br />

sie mich gut gedehnt“, kichert sie – eine<br />

Anspielung auf ihre fast akrobatischen <strong>Pirouette</strong>n.<br />

Ballett machte sie zusätzlich zum Eiskunstlauf<br />

– und der gefiel ihr von allem am besten.<br />

„Das Gleiten auf dem Eis, dieses Tempo ist toll“,<br />

sagt sie. Turnen fand sie anstrengend, Ballett<br />

langweilte sie. „Da bin ich irgendwie eingeschlafen,<br />

du machst Übungen, dazu diese langsame<br />

Musik …“<br />

Als sie sechs Jahre alt war, zog Kamila mit ihrer<br />

Mutter, einer Buchhalterin, nach Moskau. Sie<br />

trainierte erst in einem anderen Club, bevor sie<br />

sich 2<strong>01</strong>8 bei Tutberidze vorstellte. Die hatte<br />

gerade bei den Olympischen Spielen in Korea<br />

triumphiert, als Alina Zagitova und Evgenia<br />

Medvedeva Gold und Silber gewannen und viele<br />

wollten zu ihr. „Meine Mutter und ich hatten<br />

die Idee. Wir entschieden, wenn Eteri Georgievna<br />

uns nimmt, ist es gut. Wenn nicht, ist es Zeit<br />

aufzuhören. Oder zumindest zu überlegen, wie<br />

es weitergeht.“ Heute sagt Kamila selbstbewusst,<br />

dass sie selbst die einflussreichste Person<br />

in ihrem Leben sei. „Wenn ich mich richtig auf<br />

eine Sache einstelle, dann kann mich nichts<br />

mehr davon abbringen oder meine Einstellung<br />

ändern“, betont sie.<br />

Spätestens seit Valieva im Grand Prix ihre Rekordmarken<br />

setzte, redet jeder von den Olympischen<br />

Spielen. Zweifellos ist sie eine Topkandidatin<br />

für Gold. Wird sie das wiederholen, was<br />

Alina Zagitova schaffte und als Neuling in ihrem<br />

ersten Jahr in der Meisterklasse mit tollen<br />

Leistungen auftrumpfen und mit 15 Jahren Gold<br />

holen? Aber Kamila möchte nicht so weit denken<br />

und sich unter diesen Druck setzen. Die<br />

ewiggleichen Fragen der Presse nach den Olympischen<br />

Spielen quittiert sie mit einem Lächeln.<br />

Sie will Schritt für Schritt vorgehen und einfach<br />

hart trainieren. „Arbeite, arbeite viel, je mehr,<br />

desto besser,“ meint sie. „Wenn du wirklich arbeitest,<br />

wirst du das auch im Wettbewerb zeigen.“<br />

Aber die Olympischen Spiele sind natürlich<br />

das Ziel, der Traum. Dazu passt Valievas Kurzprogramm<br />

in dieser Saison zu einem Stück des<br />

jungen russischen Komponisten Kirill Richter, „In<br />

Memoriam“. Sie hat es ihrer verstorbenen Großmutter<br />

gewidmet, aber es hat seine eigene Geschichte.<br />

„In diesem Programm jage ich einem<br />

Schmetterling nach, ich folge ihm durch das<br />

ganze Programm. Ich stelle mir vor, dass das ein<br />

Traum ist, nach dem ich strebe, der mich ruft.<br />

Am Ende fange ich den Schmetterling und mein<br />

Traum wird wahr.“ Vielleicht erfüllt sie sich einen<br />

großen Traum schon am 17. Februar <strong>2022</strong><br />

in Peking.<br />

Tatjana Flade<br />

7<br />

Kamila Valieva<br />

Portrait

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