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Hinz&Kunzt 346 Dezember 2021

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Das Hamburger<br />

Straßenmagazin<br />

Seit 1993<br />

N O <strong>346</strong><br />

Dez .21<br />

2,20 Euro<br />

Davon 1,10 Euro für<br />

unsere Verkäufer:innen<br />

Ich sehe<br />

was, was ihr<br />

nicht seht<br />

Geschichten vom Weihnachtsmann


Editorial<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>346</strong>/DEZEMBER <strong>2021</strong><br />

Für unseren<br />

Schwerpunkt zum<br />

Thema „Inklusion“<br />

hat sich unser<br />

Autor Ulrich Jonas<br />

unter anderem mit<br />

Rollstuhl-Skater<br />

David Lebuser<br />

getroffen.<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

haben Sie schon einmal einem Weihnachtsmann dabei geholfen, seinen<br />

Mantel über dem runden Bauch zu schließen? Ich hatte die Ehre, als uns<br />

Weihnachtsmann Claudius zum Fototermin für diese <strong>Dezember</strong>ausgabe<br />

besucht hat. „Ich will auch euch mal was Gutes tun“, sagte er. Meine Kollegin<br />

Anna-Elisa Jakob hat länger mit ihm geplaudert. Aber lesen Sie selbst.<br />

Weihnachtsmann Claudius hat übrigens auch einen Wunsch: „Dass es<br />

weniger Kinder gibt, die mit Hartz IV auskommen müssen“, sagt er. Gäbe es<br />

faire Arbeitsbedingungen und eine gerechte Bezahlung für alle in der Europäischen<br />

Union, wären wir diesem Ziel näher. Wir haben unter anderem<br />

darüber mit EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit gesprochen.<br />

Um Fairness, Gerechtigkeit und um Zusammenhalt geht es auch im<br />

Schwerpunkt dieser Ausgabe. Am 3. <strong>Dezember</strong> ist der Internationale Tag<br />

der Menschen mit Behinderungen. Wir haben uns daher mit dem Thema<br />

Inklusion befasst: mit Betroffenen gesprochen, inklusive Sportangebote<br />

besucht und nachgeforscht, wie realistisch der Mindestlohn für Beschäftigte<br />

in Behindertenwerkstätten ist, wie ihn eine Online-Petition derzeit fordert.<br />

Ein paar Überraschungen haben wir auch. Fehlt Ihnen ein Weihnachtsgeschenk<br />

für Ihre Lütten? Upcycling-Expertin Steffi Treiber, bekannt<br />

durch die TV-Sendung „Lieblingsstücke“ im WDR, zeigt handwerklich<br />

Begabten, wie aus einem alten Stuhl eine Kinderküche entsteht. Mit Glück<br />

baut die Bühnenplastikerin bald auch ein Lieblingsstück für Sie! Schauen Sie<br />

dafür auf unseren Leser:innenaufruf. Außerdem hat uns unsere Druckerei<br />

A. Beig das Papier für acht zusätzliche Magazinseiten geschenkt. Die haben<br />

wir wie immer gewissenhaft für Sie gefüllt. Wir hoffen, Sie haben Spaß daran.<br />

<br />

Eine frohe Weihnachtszeit Ihnen allen!<br />

Ihre Annette Woywode<br />

Schreiben Sie uns an: briefe@hinzundkunzt.de<br />

TITELBILD: ANDREAS HORNOFF<br />

FOTO OBEN: DMITRIJ LELTSCHUK; UNTEN: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

2


06<br />

Exklusiv: EU-<br />

Sozialkommissar<br />

Nicolas Schmit<br />

im Interview<br />

Inhalt<br />

<strong>Dezember</strong> <strong>2021</strong><br />

Stadtgespräch<br />

42<br />

Upcycling mit<br />

Steffi Treiber<br />

06 „Wir sehen an den Obdachlosen vorbei“<br />

EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit im Interview<br />

12 Nur wenige ziehen das große Los<br />

Das Hamburger Winternotprogramm hat begonnen.<br />

14 25 Jahre Mitternachtsbus für Obdachlose<br />

Die Ehrenamtliche Ellen Zander ist von Beginn an dabei.<br />

16 Geschichten vom Weihnachtsmann<br />

Claudius kommt seit 36 Jahren zur Bescherung.<br />

Inklusion<br />

22 „Menschen sind von Natur aus Mängelwesen“<br />

Fünf Menschen mit Behinderung berichten aus ihrem Alltag.<br />

28 Ausgeschlossen?<br />

Beschäftigte in Behindertenwerkstätten fordern mehr Lohn.<br />

32 Spielerisch zusammenwachsen<br />

Fünf Beispiele für gelebte Inklusion im Sport<br />

24<br />

Dorothee<br />

Reumann über<br />

ihren Job am<br />

Theater<br />

Freunde<br />

48 Barrierefrei kommunizieren<br />

„Capito“ übersetzt künftig Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Artikel in Leichte Sprache.<br />

Bauen&Basteln<br />

40 „Ich dachte ich spinne, ich träume!“<br />

WDR-Upcycling-Expertin Steffi Treiber macht aus Altem Neues.<br />

42 Ran an Herd und Spüle!<br />

Upcycling-Bauanleitung für eine Kinderküche<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

54<br />

Neuer Bildband:<br />

Eine Stadt wird bunt<br />

52 Theaterstück „Wir, ,Kinski‘ und ich“<br />

54 Eine Stadt wird bunt<br />

Bildband über die Anfänge der Hamburger Graffiti-Szene<br />

60 Tipps für den <strong>Dezember</strong><br />

64 Kolumne: Auf ein Getränk mit Andreas Moster<br />

66 Momentaufnahme: Vertriebskollege Gabor<br />

Rubriken<br />

04 Gut&Schön<br />

10 Zahlen des Monats<br />

15 Meldungen<br />

50 Buh&Beifall<br />

65 Rätsel, Impressum<br />

Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk


Nikolaus & Stille Nacht<br />

Das lässt sich Hinz&Künztler Peter, 63,<br />

trotz Corona nicht nehmen:<br />

Am 6. <strong>Dezember</strong> will er an seinem<br />

Stammplatz vor dem Edeka in Krupunder –<br />

dort steht er seit 24 Jahren – für die<br />

Kinder wieder den Nikolaus geben und<br />

kleine Geschenke verteilen. Weihnachten<br />

wird Peter dann aber still verbringen,<br />

bei einem ebenfalls geimpften Rolli-Freund<br />

in Bergedorf. Sein Wunsch für alle<br />

Leser:innen und sich selbst:<br />

„Dass nächstes Jahr alles wieder normal<br />

wird und planbar!“ JOC<br />

JOC<br />


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Gut&Schön<br />

Ehrung für GoBanyo<br />

Eine geniale Idee<br />

„Eine ebenso einfache<br />

wie geniale Idee“: Mit<br />

diesen Worten wurde<br />

das Team der Hamburger<br />

Duschbus-Initiative<br />

„GoBanyo“ mit der<br />

„Theodor-Heuss-<br />

Medaille“ gewürdigt.<br />

Die nach dem 1. Bundespräsidenten<br />

benannte<br />

Stiftung zeichnet<br />

vorbildliches demokratisches<br />

Engagement aus.<br />

Seit Start im <strong>Dezember</strong><br />

2019 konnte GoBanyo<br />

mehr als 11.000 mal<br />

Menschen ermöglichen<br />

zu duschen. JOC<br />

•<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE (S. 4), IMKE LASS (OBEN), PICTURE ALLIANCE/DPA/MARCUS BRANDT,<br />

MAMARAZZI HEIDI AUS BERGEN/KRONEVITZ (UNTEN RECHTS)<br />

Bundesverdienstkreuz am Bande für „Alfons“<br />

Viele kennen ihn aus seiner Paraderolle als satirischer Reporter „Alfons“, mit der<br />

Emmanuel Peterfalvi, 54, auch im NDR Kultstatus erlangt hat. „Die Menschen<br />

zum Nachdenken bringen, auf meine Weise, mit orangefarbener Jacke und<br />

Puschelmikrofon“ – so interpretiert er bescheiden seine Rolle. Doch der Franzose,<br />

der seit 1991 in Hamburg lebt und seit 2017 auch die deutsche Staatsbürgerschaft<br />

besitzt, hat dabei emphatisch vor allem für die Aussöhnung der<br />

beiden Völker und den europäischen Gedanken geworben. Nun bekam er dafür<br />

in Hamburg das<br />

Bundesverdienstkreuz<br />

am Bande.<br />

Staatsrat Christoph<br />

Holstein<br />

würdigte Peter falvi<br />

als „wichtigen<br />

Botschafter für<br />

Toleranz und<br />

Humanität“.<br />

Inzwischen gibt es<br />

mit „Le Freundeskreis“<br />

sogar<br />

eine eigene Plattform<br />

für Alfons-<br />

Fans. JOC<br />

•<br />

Weitere Infos:<br />

www.le-freundes<br />

kreis.de<br />

5<br />

Bully-Helden<br />

Aus ihrem „Bullybert“, einem alten<br />

VW-Bus, verteilt die Hamburger<br />

„Mobile Bully-Suppenküche“<br />

Gratis-Essen und Kleidung. Dafür<br />

gab es jetzt den mit 5000 Euro<br />

dotierten „Smart Hero Award“ der<br />

„Stiftung Digitale Chancen und<br />

Meta“ in der Kate gorie „Sozial<br />

Handeln“. Vereins vorsitzende Julia<br />

Radojkovic freut die Aufmerksamkeit:<br />

„So kommt das Thema Obdachlosigkeit<br />

auch in einer reichen<br />

Stadt wie Hamburg zur Sprache.“<br />

Das Preisgeld will man in winterfeste<br />

Schlafsäcke, Medikamente und<br />

Reparaturen am Bully stecken. JOC<br />

•<br />

Infos: www.mobilebullysuppenkueche.de


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

„Wir sehen<br />

die Obdachlosen –<br />

aber wir sehen auch<br />

an ihnen vorbei<br />

Der Luxemburger Nicolas Schmit ist seit 2019 EU-Sozialkommissar.<br />

Redakteur Benjamin Laufer hat mit dem Sozialdemokraten gesprochen –<br />

über Obdachlosigkeit als europäisches Problem, Mindestlöhne,<br />

Saisonarbeiter:innen und explodierende Mieten.<br />

FOTOS: IMAGO/KARIN WESSLÉN (S. 6), EPA/OLIVIER HOSLET<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>: Herr Schmit, es gibt<br />

mehr als 700.000 wohnungslose<br />

Menschen in der EU, Zehntausende<br />

schlafen auf Europas Straßen.<br />

Ist das nicht ein dramatisches Zeugnis<br />

für eine gescheiterte Sozialpolitik?<br />

Nicolas Schmit: Auch in Deutschland haben<br />

die Zahlen in den letzten Jahren<br />

stark zugenommen. Das ist eine dramatische<br />

Entwicklung und in einem gewissen<br />

Sinn auch ein Misserfolg der Sozialpolitik.<br />

Es zeigt, dass das soziale Netz Löcher<br />

hat und immer mehr Menschen durch<br />

diese Löcher fallen. Eine ganze Reihe<br />

von Gründen haben zu dieser dramatischen<br />

Entwicklung geführt, und wir können<br />

dieses Problem nur mit einer sehr<br />

breiten Herangehensweise bekämpfen.<br />

Haben Sie denn das Gefühl, dass<br />

genug dafür getan wird? Angesichts<br />

steigender Zahlen könnte man den Eindruck<br />

gewinnen, dass Obdachlosigkeit<br />

eher verwaltet statt bekämpft wird.<br />

Wir sehen die Obdachlosen, wir sehen<br />

aber auch an ihnen vorbei – das ist<br />

nicht normal, da muss etwas geschehen.<br />

Wenn die Bürger verlangen, dass diesen<br />

Menschen geholfen wird, wird die<br />

Politik vielleicht noch energischer<br />

handeln. Obdachlosigkeit ist zu einer<br />

reellen politischen Frage geworden, da<br />

haben auch das Europäische Parlament<br />

und sehr viele NGOs mitgeholfen. Ich<br />

glaube wir sind an einem Punkt, an<br />

dem jeder bereit ist, mehr zu tun.<br />

Sie haben als EU-Sozialkommissar<br />

leicht reden – zuständig sind ja<br />

die Länder. Was kann die EU tun,<br />

um Obdachlosigkeit zu bekämpfen?<br />

Es gibt keine europäische Kompetenz<br />

für Obdachlosigkeit, aber es ist ein<br />

europäisches Problem. Sie finden Obdachlosigkeit<br />

in Stockholm, in Hamburg,<br />

in Luxemburg und in Rom – in<br />

„Die Wohnung<br />

ist zentral, aber<br />

sie genügt nicht.“<br />

fast allen Großstädten Europas. Im Juni<br />

haben wir die „Europäische Plattform<br />

zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit“<br />

gestartet. Hier bringen wir alle Akteure<br />

zusammen, verbessern die Daten und<br />

werten aus, was bislang gut funktioniert<br />

hat und was verbessert werden kann.<br />

Jeder Mitgliedstaat und jede Stadt kann<br />

von diesem Erfahrungsaustausch profitieren.<br />

Und wir können Projekte und<br />

NGOs finanziell unterstützen.<br />

7<br />

Das Europaparlament hat ja<br />

beschlossen, dass Obdachlosigkeit<br />

bis 2030 überwunden sein soll.<br />

Um das zu schaffen, müssten<br />

immense Anstrengungen unternommen<br />

werden. Haben Sie den<br />

Eindruck, dass das passiert?<br />

Ich bin Optimist und würde sagen,<br />

dass wir in den nächsten Jahren mehr<br />

Anstrengungen unternehmen werden.<br />

Natürlich kann man nicht einfach<br />

beschließen, dass es ab 2030 keine<br />

Ob dachlosigkeit mehr gibt. Ich glaube<br />

nicht so richtig daran, aber wir müssen<br />

alles dafür unternehmen. Wir müssen<br />

dafür sorgen, dass Menschen, die obdachlos<br />

sind, wieder auf eigenen Füßen<br />

stehen und ein „normales“ Leben<br />

führen können. Außerdem müssen<br />

wir präventiv handeln, damit weniger<br />

Menschen in Obdachlosigkeit fallen.<br />

Von allen EU-Ländern ging nur in<br />

Finnland die Zahl der Wohnungslosen in<br />

den vergangenen Jahren zurück – dank<br />

„Housing First“. Ist es ein Patentrezept<br />

gegen Obdachlosigkeit, Wohnungen<br />

ohne Vorbedingungen zu vergeben?<br />

Wir wissen alle: Die Wohnung ist zentral,<br />

aber sie alleine genügt nicht.<br />

Menschen, die jahrelang auf der Straße<br />

gelebt haben, müssen während einer<br />

Übergangszeit von sozialen Diensten<br />

begleitet werden. Wir müssen ihnen


Stadtgespräch<br />

helfen, wieder autonom zu werden. Das<br />

funktioniert aber nicht in einer Notunterkunft<br />

mit Hunderten anderen.<br />

Woher sollen die Wohnungen dafür<br />

kommen? Berlin hat angekündigt,<br />

jährlich bis zu 2000 der städtischen<br />

Wohnungen an Wohnungslose zu<br />

vergeben. Das gilt als ambitioniert,<br />

aber bei rund 50.000 Menschen in<br />

öffentlichen Unterkünften und bis zu<br />

10.000 auf der Straße reicht das ja bei<br />

Weitem nicht aus.<br />

Diese Frage stellt sich ja nicht nur für<br />

die Obdachlosen. In vielen Teilen Europas<br />

sind Wohnungsnot und die Preisentwicklung<br />

auf dem Wohnungsmarkt zentrale<br />

Probleme. So wichtig Mindestlöhne<br />

auch sind – wenn gleichzeitig die Preise<br />

auf dem Wohnungsmarkt explodieren,<br />

dann kann ich mir damit keine Wohnung<br />

mehr leisten. Das ist skandalös.<br />

Wir haben aus dem Wohnungsmarkt<br />

einen spekulativen Markt gemacht. Wir<br />

brauchen mehr Wohnungen, durch<br />

private und öffentliche Investitionen.<br />

Und wir brauchen ein Minimum an<br />

Regulierung. Ohne das werden wir das<br />

Problem nicht meistern.<br />

„Es wird keinen<br />

einheitlichen<br />

Mindestlohn<br />

geben.“<br />

Selbst wenn es genügend Wohnungen<br />

geben sollte – den meisten Menschen<br />

aus Osteuropa, die hierzulande auf der<br />

Straße leben, würde das nicht helfen.<br />

Anders als erhofft finden sie hier<br />

keine Arbeit und haben dann auch<br />

keinen Anspruch auf Sozialleistungen,<br />

also auch nicht auf Housing First.<br />

Hamburg hat in der Vergangenheit<br />

Dutzende Obdachlose abgeschoben.<br />

Damit ist niemandem geholfen.<br />

Wir können aber auch nicht sagen, dass<br />

alle, die nach Hamburg kommen, vom<br />

ersten Tag an Sozialleistungen bekommen.<br />

Das hört sich gut an, würde aber<br />

Sozialkommissar Nicolas Schmit will soziale Standards in der EU angleichen.<br />

eine ganze Reihe von Problemen in den<br />

Mitgliedsstaaten schaffen. Es müssen<br />

pragmatische Lösungen für diese<br />

Menschen gefunden werden.<br />

Fachkräfte aus dem EU-Ausland<br />

werden gerne genommen, aber mit den<br />

sozialen Problemen will sich offenbar<br />

niemand auseinandersetzen ...<br />

… und die Heimatländer bedauern,<br />

dass so viele junge Menschen abwandern.<br />

Natürlich ist die Lösung, dass wir<br />

jungen Menschen gute Perspektiven in<br />

ihrem Heimatland geben. Wir arbeiten<br />

daran, eine Aufwärtskonvergenz der<br />

sozialen Standards zu erreichen, bei<br />

Mindestlöhnen zum Beispiel. Wenn die<br />

Unterschiede sehr hoch sind, kann man<br />

verstehen, dass die Menschen ihre<br />

Zukunft eher woanders sehen. Die<br />

Pandemie hat auch ein Schlaglicht auf<br />

die teils prekären Wohn- und Arbeitsbe<br />

dingungen ausländischer Saisonarbeiterinnen<br />

und -arbeiter geworfen.<br />

Hunderttausende Saisonarbeiter unterstützten<br />

jährlich wichtige Bereiche der<br />

europäischen Wirtschaft, etwa in der<br />

Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie.<br />

Die schlechten Arbeitsbedingungen,<br />

die unmensch liche Behandlung<br />

der Arbeitnehmer und die<br />

mangelnde Transparenz sind völlig<br />

inakzeptabel und stehen im Widerspruch<br />

zu unseren Grundsätzen und<br />

Werten. Die Rechte der Arbeit nehmer,<br />

einschließlich Saisonarbeitskräfte oder<br />

mobile Arbeitnehmer, müssen uneingeschränkt<br />

geachtet werden, unabhängig<br />

davon, welche Art von Vertrag sie<br />

haben. Einige Länder haben bereits<br />

Maßnahmen ergriffen und sind gegen<br />

schlechte Arbeits bedingungen vorgegangen,<br />

aber es sind noch weitere Fortschritte<br />

erforderlich.<br />

Wo stehen wir denn bei der<br />

Angleichung der Mindestlöhne?<br />

Die Kommission hat Vorschläge zu<br />

e inem Rahmen für Mindestlöhne<br />

gemacht. Darüber wird verhandelt. Es<br />

wird keinen einheitlichen Mindestlohn<br />

geben, das wäre nicht realistisch. Aber<br />

wir senden damit ein Signal aus. Einen<br />

derartigen Vorschlag hätte sich vor<br />

zehn Jahren niemand vorstellen können.<br />

Ich bin optimistisch, dass wir das<br />

in den nächsten Monaten hinbekommen<br />

und eine positive Dynamik bei den<br />

Mindestlöhnen auslösen.<br />

Einen Aufwärtstrend gibt es gerade<br />

auch bei den Energiepreisen.<br />

Wie kann verhindert werden, dass<br />

arme Menschen in ihren Wohnungen<br />

frieren und ihnen der Strom abgestellt<br />

wird, weil sie die Rechnung nicht<br />

mehr bezahlen können?<br />

Auch hier hat die Kommission Vorschläge<br />

gemacht. Wenn Gas- und<br />

Strompreise um 30 Prozent oder mehr<br />

steigen und Menschen wirklich in einer<br />

Notsituation sind, kann es nicht sein,<br />

8


Stadtgespräch<br />

dass wir ihnen den Strom abstellen. Das können wir als<br />

Kommission nicht veranlassen, aber wir haben den<br />

Mitgliedstaaten empfohlen, dass Ausnahmen gemacht<br />

werden können. Und wir brauchen Zuschüsse für die<br />

Menschen, die niedrige Einkommen haben. Ohne die<br />

wird es nicht gehen. Längerfristig müssen Wohnungen<br />

renoviert und besser isoliert werden. Wichtig ist allerdings,<br />

dass die Mieten dadurch nicht ansteigen und<br />

die Mieter anschließend darin wohnen bleiben können.<br />

Das ist eine Frage der Regulierung des Wohnungsmarkts.<br />

Energie wird in Zukunft noch teurer werden, wenn<br />

der Klimawandel gebremst werden soll. Wie können<br />

die Regierungen den CO 2<br />

-Ausstoß reduzieren,<br />

ohne die Armen damit zu belasten?<br />

Indem man die Einnahmen aus dem CO 2<br />

-Preis zugunsten<br />

von Menschen mit niedrigem Einkommen umverteilt.<br />

Das ist unbedingt notwendig. Im <strong>Dezember</strong> wird<br />

die Kommission weitere Empfehlungen machen, wie der<br />

Wandel sozialverträglich gestaltet werden kann und wie<br />

beispielsweise der „Social Climate Fund“ in diesem Sinne<br />

eingesetzt werden kann. Und wir müssen massiv in<br />

energiefreundliche Techniken investieren und brauchen<br />

Instrumente, damit Menschen mit niedrigem Ein kommen<br />

das auch finanzieren können. Viele Menschen können<br />

sich keine neue Heizung leisten – wenn eine Reduzierung<br />

des CO 2<br />

-Ausstoßes ein öffentliches Ziel ist, müssen<br />

die öffentlichen Finanzen dazu beitragen, diese Transformation<br />

hinzubekommen.<br />

Hoffen wir, dass das besser gelingt als in der<br />

aktuellen Krise. Durch die Coronapandemie sind die<br />

Armen noch ärmer geworden. Ebenfalls kein gutes<br />

Zeugnis für die Sozialpolitik.<br />

Wir werden den Europäischen Grünen Deal nur hinbekommen,<br />

wenn er sozial abgesichert ist. Klimapolitik<br />

und Sozialpolitik müssen eng miteinander verzahnt<br />

werden. Die Bekämpfung von Ungleichheiten ist ein<br />

wichtiges Anliegen dieser Kommission. Wir haben ein<br />

neues EU-weites Ziel festgelegt, um die Zahl der von<br />

Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen<br />

bis 2030 um mindestens 15 Millionen zu senken, darunter<br />

5 Millionen Kinder. •<br />

© Julia Krojer<br />

Jetzt<br />

beteiligen:<br />

GUTESGELD.DE<br />

EINER VON 59.000,<br />

FÜR DIE RENDITE<br />

NICHT ALLES IST.<br />

INFORMATIONEN UNTER 040-94 36 28 00<br />

NORDDEUTSCHLAND.OIKOCREDIT.DE<br />

NACHHALTIGE GELDANLAGE SEIT 1975.<br />

Benjamin Laufer sieht es kritisch, dass die Mitgliedstaaten<br />

der EU Rosinenpickerei betreiben.<br />

Den Menschen in ihren Herkunftsländern zu helfen,<br />

damit sie dort bleiben können, ist ein hehres<br />

Ziel. Doch es wird schon seit Jahren verfehlt.<br />

benjamin.laufer@hinzundkunzt.de<br />

In der EU zählt Wirtschaft mehr als Soziales<br />

Sozialpolitisch gilt in EU-Ländern nationales Recht. Die<br />

EU-Kommission hat wenig Mitspracherecht: Nicolas Schmit<br />

kann Debatten vorantreiben, aber keine Vorgaben machen.<br />

9<br />

KONFLIKTE<br />

DIE AUSSTELLUNG<br />

03.11.<strong>2021</strong> – 08.05.2022<br />

shmh.de<br />

Stiftung Historische Museen Hamburg,<br />

Museum der Arbeit<br />

Wiesendamm 3, 22305 Hamburg


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Zahlen des Monats<br />

Energiepreise<br />

Stromsperren sind<br />

keine Lösung<br />

4945<br />

Hamburger Haushalten wurden in den ersten neun Monaten dieses Jahres<br />

der Strom abgeklemmt, weil sie Rechnungen nicht bezahlt haben.<br />

Verbraucherschützer:innen befürchten, dass die Zahl der Betroffenen in<br />

den kommenden Monaten weiter ansteigen wird. Denn die Strompreise<br />

sind zuletzt stark gestiegen – laut dem Vergleichsportal Verivox um<br />

20,9 Prozent innerhalb eines Jahres. „Ein Normalverdienender kann<br />

100 Euro nachzahlen. Doch wenn es beim Geld Spitz auf Knopf steht,<br />

bedeutet das einen Schlag ins Kontor“, sagt Kerstin Föller von der<br />

Ver braucherzentrale Hamburg.<br />

Anders als bei Heiz- oder Wasserkosten berücksichtigt das Jobcenter beim<br />

Strom nicht den realen Bedarf. Diese Kosten sind Teil des Regelsatzes und<br />

müssen deshalb von Hilfeempfänger:innen selbst bezahlt werden, argumentiert<br />

das Amt. Was der Staat für Strom vorsieht, ist aber viel zu wenig, sagt<br />

Verbraucherschützerin Föller und fordert: „Die Ämter sollten den tatsächlichen<br />

Verbrauch zahlen, mindestens aber 20 Euro pro Monat mehr.“<br />

Wie viele Hartz-IV-Haushalte Darlehen beantragen müssen, weil sie Stromschulden<br />

haben, weiß das Hamburger Jobcenter nicht. Das Amt könne „zu<br />

Energieschulden keine Zahlen zur Verfügung stellen“, so eine Behördensprecherin.<br />

Darlehen würden grundsätzlich nur dann gewährt, „wenn die<br />

Sperrung der Stromversorgung droht“.<br />

Andere EU-Staaten haben auf die steigenden Energiepreise reagiert.<br />

So hat Frankreich die Preise für Strom und Gas bis April gedeckelt und gibt<br />

Energiegutscheine aus: 100 Euro für sechs Millionen besonders bedürftige<br />

Haushalte. Spanien dagegen hat die Mehrwertsteuer auf Strom vorübergehend<br />

gesenkt. Wie die künftige Regierungskoalition dem Problem begegnen<br />

will, war bei Redaktionsschluss (20. November) noch unklar. Die<br />

Grünen hatten in der Vergangenheit gefordert, Stromsperren müssten<br />

grundsätzlich verhindert werden. Noch im September sagte ihr sozialpolitischer<br />

Sprecher Sven Lehmann: „Jede Stromsperre ist eine zu viel.“<br />

Einen Antrag der Linksfraktion, Energiesperren in Hamburg auszusetzen<br />

und einen Zuschlag für Hilfeempfänger:innen zu prüfen, lehnten alle<br />

anderen Parteien Mitte November in der Bürgerschaft ab. •<br />

TEXT: ULRICH JONAS<br />

ILLUSTRATION: ESTHER CZAYA<br />

Mehr Infos unter www.huklink.de/stromsperren<br />

11


Nur wenige ziehen<br />

das große Los<br />

Anfang November begann das Winternotprogramm<br />

der Stadt Hamburg, über die Verteilung der<br />

begehrten Container-Schlafplätze wurde schon<br />

zuvor entschieden. Ein Blick auf die ersten Wochen.<br />

TEXT: ANNA-ELISA JAKOB<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

D<br />

er letzte Freitag im Oktober,<br />

vor der Tagesaufenthaltsstätte<br />

(TAS) in Eimsbüttel<br />

geht langsam die<br />

Sonne auf. Während auf dem Radweg<br />

die ersten Menschen durch die Dämmerung<br />

flitzen, stehen auf dem Fußweg<br />

daneben mehrere Männer ruhig in<br />

einer Reihe. Dick eingepackt, manche<br />

mit Gepäck, andere nur mit kleiner<br />

Tasche. Noch sind es sechs Grad, doch<br />

es soll ein milder Herbsttag werden.<br />

Für einen Teil der Wartenden könnte er<br />

auch einen milden Winter bedeuten.<br />

Darüber entscheidet ab acht Uhr<br />

das Los. Diejenigen, die am Eingang<br />

der TAS einen Zettel mit einer<br />

Nummer ziehen, bekommen einen<br />

Container für den Winter zugeteilt. In<br />

dem sie schlafen, den sie absperren<br />

und in dem sie ihre Sachen aufbewahren<br />

können. Beinahe wie eine<br />

eigene Wohnung. Alle, die einen leeren<br />

Zettel ziehen, blicken hingegen einem<br />

unsicheren Winter entgegen – die täglich<br />

wiederkehrende Suche nach einem<br />

Schlafplatz wartet auf sie.<br />

Mittlerweile haben die ersten Männer<br />

ihr Los gezogen, manche sitzen nun<br />

im Innern der TAS, die anderen stehen<br />

davor auf der Straße. „Das ist Lotterie“,<br />

sagt einer. Ein anderer rennt nach draußen,<br />

flucht lautstark auf Spanisch. „It’s<br />

a 50-50-chance, man“, versucht ihn ein<br />

Mann, der ebenfalls eine Niete gezogen<br />

hat, zu beruhigen. „Bullshit“, schimpft<br />

der andere und geht.<br />

Ein paar Tage später trifft man ihn<br />

wieder: Diesmal in Hammerbrook, wieder<br />

eine Schlange an Menschen. Es ist<br />

kurz nach 17 Uhr, vor einem umgebauten<br />

Bürogebäude stehen Sicherheitskräfte<br />

und kontrollieren den Eingang<br />

zu einer der drei Notunterkünfte<br />

in Hamburg. Etwa 1030 zusätzliche<br />

Schlafplätze stellt die Stadt in diesem<br />

Winter zur Verfügung.<br />

Das Ziel des Winternotprogramms,<br />

so heißt es von der Stadt, sei der Schutz<br />

vor dem Erfrieren, aber auch die Möglichkeit<br />

„zur Ruhe zu kommen“.<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Sozialarbeiter Stephan<br />

Karrenbauer sieht grundsätzlich eine<br />

12


Stadtgespräch<br />

Obdachlose wie Hinz&Künztler<br />

Dominik (Foto) hoffen bei<br />

der Platzverlosung auf einen<br />

Wohncontainer für den Winter.<br />

Verbesserung der Notunterkünfte. So<br />

ist in diesem Jahr ein ehemaliges Hotel<br />

in Billbrook hinzugekommen: bis zu<br />

300 Schlafplätze, viele in Einzelzimmern<br />

(siehe Hinz&<strong>Kunzt</strong> Nr. 345). Ein<br />

beliebter Zufluchtsort; zuletzt waren<br />

199 Plätze vergeben (Stand: 23.11.).<br />

Aber Karrenbauer sieht das Winternotprogramm<br />

auch kritisch: Die Stadt<br />

setze weiterhin auf Großunterkünfte<br />

statt auf dezentrale kleinere Einheiten.<br />

Außerdem dürfen sich die Menschen<br />

auch im ehemaligen Hotel, wie in den<br />

anderen Notunterkünften der Stadt,<br />

nicht tagsüber aufhalten. Sie müssen<br />

jeden Morgen ihre Sachen packen und<br />

können erst abends zurückkehren. „Es<br />

wäre ein wichtiger Schritt, dass sie<br />

wenigstens am Wochenende in den<br />

Zimmern bleiben dürfen und so zumindest<br />

etwas zur Ruhe kommen“, sagt<br />

Karrenbauer.<br />

Die Chance selbst zu entscheiden,<br />

wann man seine Unterkunft verlässt,<br />

bieten bislang nur die Container, deren<br />

Anzahl auf etwa 100 begrenzt ist. An<br />

jenem Morgen vor der TAS hat etwa<br />

jeder zweite Wartende einen Platz bekommen.<br />

Dominik zum Beispiel, ein<br />

junger Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäufer. Kurz<br />

nach Sonnenaufgang kramt er einen<br />

hellblauen Zettel aus der Tasche, darauf<br />

die Nummer 55: sein Los für einen<br />

Winter im Warmen. •<br />

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Und für alle Anderen.<br />

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Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>346</strong>/DEZEMBER <strong>2021</strong><br />

teren Stationen, um die Unterhaltung<br />

fortzusetzen.<br />

Worüber sprechen Sie so?<br />

Ich muss nicht viel sagen. Ich lasse<br />

die Obdachlosen reden. Die erzählen,<br />

was sie erlebt haben, was behördenmäßig<br />

ansteht, was sie belastet. Wenn<br />

du dann Rat geben kannst, freuen sie<br />

sich. Und wer Hilfe braucht, den<br />

schicke ich zum Diakonie-Zentrum für<br />

Wohnungslose.<br />

„Ich lasse die<br />

Menschen reden“<br />

Seit 25 Jahren fährt der Mitternachtsbus zu den Schlafplätzen<br />

von Obdachlosen. Wir haben mit Ellen Zander (68) gesprochen,<br />

die von Beginn an als Ehrenamtliche dabei ist.<br />

INTERVIEW: ULRICH JONAS; FOTO: DMITRIJ LELTSCHUK<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>: Frau Zander, wie kommt es,<br />

dass Sie Obdachlosen helfen?<br />

Ellen Zander: Das hat mit meiner Erziehung<br />

zu tun. Mein Vater hat immer gesagt:<br />

„Behandle deine Mitmenschen so,<br />

wie du gerne behandelt werden möchtest.“<br />

Und als ich beim Mitternachtsbus<br />

das erste Mal mitfuhr, merkte ich: Die<br />

Menschen freuen sich, wenn wir kommen.<br />

Einige sagen sogar: „Schön, dass<br />

du da bist! Wann kommst du wieder?“<br />

Es geht um mehr als heiße Getränke<br />

und Schlafsäcke.<br />

Ja. Die Gespräche sind wichtiger. Manche<br />

kommen am selben Abend zu wei­<br />

Sie erleben Obdachlosigkeit seit<br />

25 Jahren. Was hat sich verändert?<br />

Es sind mehr Menschen geworden mit<br />

der EU-Osterweiterung. Und die Stimmung<br />

ist aggressiver. Das hängt sicher<br />

mit Verständigungsschwierigkeiten zusammen<br />

– und mit dem Alkohol.<br />

Was wünschen Sie sich?<br />

In den Herkunftsländern vieler Obdachloser<br />

müsste mehr für die Menschen<br />

getan werden. Viele sagen: „Hier<br />

ist es auf der Straße immer noch besser<br />

als bei uns.“ Das sagt alles.<br />

Ist das auf Dauer nicht deprimierend?<br />

Es gibt auch Erfolgsgeschichten. Einen<br />

Mann mit schweren Erfrierungen<br />

haben wir erst in die Krankenstube für<br />

Obdachlose vermittelt. Später habe ich<br />

ihm eine Wohnung besorgen können.<br />

Dort hat er noch neun schöne Jahre<br />

verbracht. •<br />

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Stadtgespräch<br />

Meldungen<br />

Politik & Soziales<br />

Neue Zahlen des Senats<br />

Deutlich mehr Obdachlose gestorben<br />

Mindestens 29 Obdachlose sind in diesem Jahr auf Hamburgs Straßen gestor -<br />

ben – deutlich mehr als bislang bekannt. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2020<br />

wurden 14 Todesfälle bekannt, bei denen Obdachlose draußen ums Leben<br />

kamen. „Dass in Hamburg so viele Menschen im Freien sterben, macht mich<br />

fassungslos und ist kein Zustand, an den wir uns gewöhnen dürfen“, sagte<br />

Stephanie Rose, sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion, durch deren<br />

Bürgerschaftsanfrage die Zahl öffentlich wurde. Nötig sei „ganzjährig und<br />

ganz tägig ein dezentrales Notunterkunftssystem, möglichst mit Einzelzimmern“,<br />

so Rose. Und: „Wir brauchen Prävention von Obdachlosigkeit, von Wohnungsverlusten,<br />

und wir brauchen den bedingungslosen Zugang zu bezahlbarem<br />

Wohnraum für sehr viel mehr Menschen, als es jetzt der Fall ist.“<br />

Die Aufzählung der Todesfälle beruht, wie aus der Senatsantwort hervorgeht,<br />

auf einer „überschlägigen Sichtung und Auswertung“ des Instituts für<br />

Rechts medizin am Universitätsklinikum Eppendorf. Dort wird allerdings nur<br />

dann die Todesursache überprüft, wenn sie nicht eindeutig feststeht. Es muss<br />

also davon ausgegangen werden, dass die Zahl tatsächlich noch höher ist. Neben<br />

den 28 in dieser und älteren Senatsantworten gelisteten Fällen ist Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

zumindest ein weiterer auf der Straße verstorbener Obdachloser bekannt.<br />

Zusätzlich zu den Menschen, die etwa auf Parkbänken, auf der Straße<br />

oder in Grünanlagen tot aufgefunden wurden, sind dieses Jahr weitere 17<br />

Obdachlose in Hamburger Krankenhäusern verstorben, wie ebenfalls aus der<br />

Antwort her vorgeht. Altersangaben veröffentlicht der Senat nicht. Bekannt ist,<br />

dass Obdachlose oft viel zu früh sterben: Laut einer Hamburger Studie<br />

werden sie im Durchschnitt nur 49 Jahre alt.<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer zeigt sich erschüttert<br />

angesichts der neuen Zahlen: „Ich finde keine Worte für die dramatische<br />

Situation, in der sich Obdachlose auf Hamburgs Straßen befinden“, sagt er<br />

und fordert einen Systemwechsel: „Man sieht, dass die Menschen nicht nur im<br />

Winter, sondern auch im Sommer auf der Straße sterben. Sie brauchen eine<br />

dauerhafte statt einer nur vorübergehenden Unterkunft.“ LG<br />

•<br />

Grußwort des Bundespräsidenten<br />

Straßenmagazine sind wichtig!<br />

„Zusätzliche Erkenntnis“: Die gewinnen<br />

Leser:innen von Straßenmagazinen<br />

nach Ansicht von Frank-Walter<br />

Steinmeier. „Indem sie unseren<br />

Blickwinkel nur ein wenig verändern,<br />

zeigen sie uns, dass uns unsere<br />

all täg liche Umgebung alles andere<br />

als altbekannt ist“, so der Bundespräsident<br />

in seinem traditionellen<br />

Weihnachts-Grußwort an die bundesdeutschen<br />

Straßenmagazine. UJO<br />

•<br />

Notunterkünfte in Berlin<br />

EU-Gelder für Obdachlose<br />

Berlin bietet Obdachlosen in diesem<br />

Winter Unterkünfte an, die 24 Stunden<br />

am Tag und sieben Tage die<br />

Woche geöffnet sind. Finanziert<br />

werden die drei Unterkünfte mithilfe<br />

von Geldern der Europäischen Union:<br />

11,4 Millionen Euro aus dem<br />

Topf für Corona- Hilfen für Wohnungslose<br />

sicherten den Betrieb für<br />

zwei Jahre, so die Berliner Sozialverwaltung.<br />

UJO<br />

•<br />

Mehr Infos: www.berlin.de/sen/soziales<br />

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Bereitet sich akkurat auf<br />

jeden seiner Besuche vor:<br />

Weihnachtsmann Claudius


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Der Echte<br />

Seit 36 Jahren beglückt Weihnachtsmann Claudius<br />

Familien in Norddeutschland mit einer aufwendigen Bescherung.<br />

Ein Treffen in der Vorweihnachtszeit.<br />

TEXT: ANNA-ELISA JAKOB<br />

FOTOS: ANDREAS HORNOFF<br />

F<br />

alls sich die Verkäuferin über diesen Besucher<br />

wundern sollte, lässt sie es sich nicht anmerken.<br />

Er sei der Weihnachtsmann, sagt der ältere Herr,<br />

bevor er eine Riesencurrywurst mit Pommes und<br />

einen Kakao mit Sahne bestellt.<br />

Wer weiß, wen sie hier auf dem Hamburger Winterdom<br />

Tag für Tag mit Bratwürsten beglücken, vielleicht Staatsmänner<br />

und Staatsfrauen, tatsächliche und selbst ernannte<br />

Stars, und heute eben ihn: den Weihnachtsmann. „Unsere<br />

Soße ist super“, sagt die Verkäuferin nur.<br />

Es ist ja auch nicht einfach, Prominenz zu erkennen,<br />

wenn sie – wie Weihnachtsmann Claudius an diesem<br />

November abend – derart inkognito unterwegs ist. Mit<br />

schwarzem Mantel und schwarzem Hut, angereist aus einem<br />

Ort im Norden, der hier nicht genannt werden soll; genauso<br />

wie sein echter Name. Der Weihnachtsmann ist eine<br />

„mystische Figur“, sagt Claudius, und das soll er auch bleiben.<br />

Mit Sorge beobachtet er, wie sich im Fernsehen und anderswo<br />

vermeintliche Weihnachtsmänner demaskieren. Wie soll so<br />

denn bitte der kindliche Glaube an den Weihnachtszauber<br />

gewahrt bleiben?<br />

Die erste Regel des<br />

„Weihnachtsmann-<br />

Kodex“: Der Weihnachtsmann<br />

mag alle Kinder.<br />

Es gibt deswegen ein paar Regeln, die er und andere professionelle<br />

Weihnachtsmänner vor ein paar Jahren aufgestellt<br />

haben. Den „Ehrenkodex des Weihnachtsmannes“ haben sie<br />

ihn genannt. Die erste Regel: Der Weihnachtsmann „mag<br />

alle Kinder, von 0 bis 100 Jahren und älter“. Weiter: Der<br />

Weihnachtsmann flucht nie. Er trinkt, raucht und telefoniert<br />

nicht im Kostüm. Und er ist immer korrekt gekleidet.<br />

Weihnachtsmann Claudius trägt bei seinen Besuchen ein<br />

Gewand, das ausgefeilt ist bis zu den Schellen seiner Stiefel.<br />

Mantel und Mütze in Rot-Weiß, dichter Bart und lange<br />

Handschuhe. Sogar weihnachtliche Badekleidung besitzt<br />

Claudius; die trägt er allerdings nur auf dem Weltkongress<br />

der Weihnachtsmänner, der jeden Sommer in Kopenhagen<br />

stattfindet.<br />

Sein erstes Kostüm kauft er 1985. Damals war er selbst<br />

noch Student und seine eigenen Kinder noch klein. Eines<br />

Abends sah er einen Weihnachtsmann: Der trug nicht nur<br />

grüne Stiefel, sondern bestrafte die Kinder auch noch mit<br />

einer Rute. Der junge Vater<br />

war entsetzt. Er ging in<br />

die Bibliothek, las über<br />

Weihnachten und seine<br />

Bräuche, bei Hans<br />

Christian Andersen<br />

und Theodor Storm;<br />

und schrieb danach<br />

ein erstes Drehbuch<br />

für seinen eigenen<br />

Weihnachtsabend,<br />

ein Ritual auf vier<br />

DIN-A4-Seiten.<br />

Bis heute bereitet er<br />

jeden seiner Besuche akkurat<br />

vor. Pünktlich müssen die<br />

Eltern mehrere Formulare ausfüllen,<br />

55 Fragen beantworten:<br />

Wie heißen Kuscheltiere und<br />

Groß mütter? Hat das Kind den<br />

Baum geschmückt? Was hat es<br />

gut gemacht im vergangenen Jahr,<br />

was weniger? Diese Frage ist<br />

übrigens mit einem Sternchen<br />

markiert: Wenn es nichts<br />

Negatives gibt, umso besser.<br />

Als Student bekam<br />

Claudius pro Besuch noch<br />

20 DM, heute sind es<br />

rund 100 Euro. Ein<br />

gängiger Preis für<br />

Weihnachtsmänner,<br />

wenn man sich<br />

im Netz umsieht.<br />

17


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>346</strong>/DEZEMBER <strong>2021</strong><br />

Die meisten Familien, die Claudius<br />

buchen, müssen für seinen Besuch nicht<br />

sparen. Der Großteil sind Gutverdienende.<br />

Mag sein, dass es daran liegt,<br />

dass er, wie er sagt, ein „Professional“<br />

ist – professioneller Bart, professioneller<br />

Mantel, professioneller Auftritt.<br />

Aber vielleicht ist ihm deswegen<br />

diese Familie besonders in Erinnerung<br />

geblieben: Die Tochter hatte zwei<br />

Wünsche, ein Fahrrad und den Weihnachtsmann.<br />

Weil die Eltern sich nur<br />

eines leisten konnten, buchten sie ihn,<br />

Claudius, für den Weihnachtsabend.<br />

Nach seinem Besuch fragte er das Mädchen,<br />

ob es zufrieden sei mit den<br />

Menschen<br />

freuen sich,<br />

umarmen ihn,<br />

sind dankbar.<br />

Geschenken. Das Mädchen nickte. Und<br />

das, obwohl es noch gar nicht wusste,<br />

dass im Treppenhaus ein Fahrrad<br />

wartete. Die Eltern hatten doch noch<br />

ein gebrauchtes Rad bekommen.<br />

Geheimnis gelüftet:<br />

Wegen der Schellen<br />

an den Stiefeln<br />

klingelt es, wenn der<br />

Weihnachtsmann zur<br />

Bescherung kommt.<br />

Neben solchen Besuchen in Familien<br />

gibt es auch in diesem Jahr Weihnachtsmänner<br />

in Hamburg, die zu denjenigen<br />

gehen möchten, die sonst alleine wären.<br />

Bei Essenausgaben, in Kinder- und<br />

Seniorenheimen. Einer erzählt am<br />

Telefon, was auch Claudius seit Jahren<br />

beeindruckt: dass Menschen sich über<br />

die Aufmerksamkeit freuen, ihn umarmen,<br />

dankbar sind.<br />

Ein Anruf bei Thomas Hauschild,<br />

Weihnachtsmann-Experte. Vor knapp<br />

zehn Jahren hat der Ethnologe ein Buch<br />

veröffentlicht: „Die wahre Geschichte<br />

des Weihnachtsmannes“. Darin beschreibt<br />

er den Streit, den es um dessen<br />

multiple Ausprägungen gibt. Und auch,<br />

wie dieser Streit immer häufiger politisch<br />

instrumentalisiert wird. Nikolaus,<br />

Santa Claus – wer ist denn nun der<br />

richtige? Hauschild sagt: Den gibt es<br />

nicht, der Weihnachtsmann sei eine<br />

„kollektive Fantasiebildung“.<br />

Denn in vielen Kulturen gebe es<br />

seit jeher ähnliche Figuren, die im<br />

Winter plötzlich auftauchen und Gaben<br />

verteilen. Egal ob Christkind oder<br />

Väterchen Frost: Sie alle richten sich<br />

an die Armen und Schwachen einer<br />

Gesellschaft.<br />

Mit Religion haben sie nur bedingt<br />

zu tun. Vielmehr ermöglichen sie ein<br />

Ritual, durch das Menschen Hilfen und<br />

Gaben annehmen können, ohne sich<br />

von denjenigen abhängig fühlen zu<br />

müssen, die finanziell bessergestellt sind.<br />

Weihnachtsmann Claudius besucht<br />

nun seit 36 Jahren die Wohnzimmer<br />

unterschiedlicher Familien, glücklicher<br />

und weniger glücklicher. Er war inmitten<br />

streitender Familien und solcher,<br />

die friedlich wirkten und im nächsten<br />

Jahr getrennt lebten. Der Weihnachtsmann,<br />

sagt Claudius, stehe dabei immer<br />

auf der Seite der Kinder. Er erwartet,<br />

dass die ganze Familie mithilft, das<br />

Geheimnis seiner Identität zu wahren.<br />

Zumindest bis die Kinder neun Jahre<br />

alt sind. Dann fragt er die Eltern, ob<br />

sie sicher sind, dass ihr Kind noch an<br />

den Weihnachtsmann glauben sollte.<br />

Manche sagen dann: An ihn, den<br />

Weihnachtsmann Claudius, schon. •<br />

redaktion@hinzundkunzt.de


Mittendrin<br />

statt nur dabei<br />

Wie fühlt sich ein Leben mit Behinderung an? Welche Hürden<br />

sind zu bewältigen, welche Chancen bieten sich? Fünf Menschen<br />

mit Behinderung berichten in Protokollen aus ihrem Alltag (S. 22).<br />

Beschäftigte in Werkstätten für Menschen mit Behinderung<br />

fordern derweil eine bessere Bezahlung – und stellen damit ein<br />

ganzes System infrage (S. 28). Wie Inklusion gelingen kann,<br />

zeigen Sportler:innen mit und ohne Einschränkungen (S. 32).<br />

Rollstuhl-Skater David Lebuser erklärt im Interview, warum<br />

Sport beim Thema Inklusion eine so wichtige Rolle spielt (S. 39).


„Menschen sind von<br />

Natur aus Mängelwesen“<br />

Seit 2009 ist in Deutschland<br />

die UN-Behindertenrechtskonvention<br />

geltendes Recht.<br />

Ihr Ziel: für alle Menschen<br />

mit Behinderungen volle<br />

Menschenrechte und Grundfreiheiten<br />

zu gewähr leisten.<br />

Gelingt die Inklusion?<br />

Fünf Betroffene erzählen<br />

von ihren Erfahrungen.<br />

PROTOKOLLE: MISHA LEUSCHEN<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

Professor Siegfried<br />

Saerberg in der<br />

Evangelischen Hochschule<br />

für Soziale<br />

Arbeit & Diakonie


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Inklusion<br />

„Inklusion betrifft alle“<br />

Siegfried Saerberg, 60, Professor für Disability Studies und Teilhabeforschung<br />

Es ist ein irrationales Verhalten zu denken,<br />

von Einschränkungen wie Demenz, einer<br />

Erkrankung oder einer Behinderung werde<br />

man nicht betroffen sein. Der gesunde,<br />

fitte Idealmensch aus der Werbung ist ein<br />

Konstrukt; wir sind alle verletzlich, dafür<br />

muss man das Bewusstsein schärfen. Denn<br />

es wäre doch schlau, alles dranzusetzen,<br />

dass das Leben für alle leichter wird.<br />

Menschen sind von Natur aus Mängelwesen<br />

und auf Kultur und Gesellschaft<br />

angewiesen. Tiere sind nach ihrer Geburt<br />

sehr schnell selbstständig, eine kleine<br />

Giraffe in der Savanne ist schnell auf den<br />

Hufen, sonst ist sie in Lebensgefahr.<br />

Säuglinge brauchen sehr lange Unterstützung<br />

– und Gesellschaft als Sicherheit<br />

und Stütze. Migranten, Behinderte oder<br />

Obdachlose werden aber ausgegrenzt.<br />

Inklusion betrifft alle, nicht nur Menschen<br />

mit Behinderungen. Sie erfordert nicht<br />

nur kleine Verbesserungen, sondern eine<br />

gesellschaftliche Veränderung. Dass wir dabei<br />

vorankommen, liegt vor allem daran, dass<br />

Barrierefreiheit gesetzlich festgelegt und<br />

verpflichtend ist. Gesellschaft muss zugänglich<br />

sein. Gehörlose und Blinde sind schon<br />

gut organisiert, um ihre Interessen zu vertreten,<br />

aber Menschen mit Lernschwierigkeiten<br />

sind oft noch unterrepräsentiert. Das gilt<br />

auch für eine Beteiligung am Arbeitsmarkt.<br />

Ich bin privilegiert, weil ich es beruflich<br />

als Professor geschafft habe. Ich hatte viele<br />

Komplikationen in meiner Karriere. Aufgrund<br />

einer Erkrankung bin ich mit Anfang<br />

20 erblindet. Mein Abitur habe ich mit<br />

Unterstützung von einigen Lehrern an einer<br />

Regelschule machen können. Da konnte ich<br />

noch ein bisschen gucken, aber es war anstrengend.<br />

Ich hatte keinerlei berufliche<br />

Vorstellung und dachte, ich kriege sowieso<br />

keinen Job. Alle Blinden studierten damals<br />

Jura, das habe ich auch versucht, aber abgebrochen<br />

und habe umgesattelt auf Philosophie<br />

und Soziologie. Die Literaturbeschaffung<br />

war mühsam, ich musste Vorleser<br />

engagieren, das war teuer und umständlich.<br />

Dabei hatte ich noch Glück, andere Behinderte<br />

konnten nicht mal die Hörsäle erreichen,<br />

die nicht barrierefrei waren. In Soziologie<br />

schrieb ich meine Abschlussarbeit zum<br />

Thema „Blindheit als Lebenswelt“, da hatte<br />

ich ja praktische Erfahrung. Die Arbeit<br />

wurde sogar veröffentlicht. Die Promotion<br />

lief leider nicht so toll, also habe ich erst einmal<br />

was anderes gemacht. Kunst hat mich<br />

immer interessiert, ich war Mitbegründer<br />

des Vereins „Blinde und Kunst“. Wir haben<br />

auch Events gemacht, so ähnlich wie die<br />

Ausstellung „Dialog im Dunkeln“.<br />

Ich fühle mich nicht von Blindheit behindert,<br />

sondern von gesellschaftlichen<br />

Umständen wie zum Beispiel Vorurteilen.<br />

Ich komme im Alltag zurecht, mit meinem<br />

Stock bewege ich mich sicher. Als Mensch<br />

„Behinderte Menschen<br />

als Menschen sehen“<br />

Patrick Hofmann, 39, Schlosser<br />

mit erworbener Blindheit weiß ich ja, wie der<br />

Hase läuft, ich habe aus der Erinnerung eine<br />

Vorstellung von der Welt. Für mich war und<br />

ist der Computer ein Segen! Heute arbeite<br />

ich mit einem „sprechenden Laptop“, doch nur<br />

die wenigsten Websites sind barrierefrei –<br />

auch die von Hinz&<strong>Kunzt</strong> nicht.<br />

Menschen Wissen nahezubringen ist<br />

mir wichtig. Ich lehre bei „Zedis“, dem Zentrum<br />

für Disability Studies. Dieser Begriff<br />

beschreibt die soziale und kulturelle Dimension<br />

von Behinderung – in allen Bereichen.<br />

•<br />

Inklusion heißt für mich, dass wir Menschen mit Behinderung als Menschen gesehen<br />

werden. Das ist nicht immer so, überhaupt nicht! Ich war mal mit einer Nachbarin<br />

unterwegs, die im Rolli sitzt. Da sind wir übel beschimpft worden. Mir ist das auch<br />

schon passiert, als ich allein unterwegs war. Aber ich habe eine große Klappe und<br />

mit Humor quatsche ich mich überall raus. Gefährlich kann das aber trotzdem<br />

werden. Ich denke, solche Menschen haben Angst. Wenn sie mal mit uns tauschen<br />

könnten, hätten sie mehr Respekt.<br />

Mein Traum ist, eine eigene<br />

Wohnung zu besitzen. Mit meiner<br />

Verlobten würde ich gern zusammenziehen,<br />

wenn sie das auch möchte.<br />

Zur Zeit bin ich im Wohntraining beim<br />

Rauhen Haus und übe, bis ich das<br />

auch schaffe. Ich habe eine Lernschwäche<br />

und muss noch an meiner<br />

Merkfähigkeit und meiner Orientierung<br />

arbeiten. Ich koche selbst<br />

Nudeln und Pizza, das mache ich<br />

gern. Meine Wäsche wasche ich<br />

selbst und putze mein Apartment. An<br />

fünf Tagen arbeite ich als Schlosser<br />

bei „alsterarbeit“ in einem Arbeitsprojekt<br />

für Menschen mit Handicap.<br />

Deshalb bin ich nicht so viel zu Hause,<br />

da stört es mich nicht, wenn es<br />

un ordentlich ist. Für meine Arbeit<br />

werde ich nicht gut bezahlt. Andere,<br />

die die gleiche Arbeit machen, bekommen<br />

viel mehr. Gerecht ist das nicht.<br />

Auf Mallorca zu wohnen wäre<br />

toll, da bin ich mehrmals gewesen<br />

und es hat mir gut gefallen. Eine<br />

Wohnung im Grünen gefällt mir.<br />

•<br />

23


Dorothee Reumann<br />

auf der Bühne des<br />

Klabauter Theaters


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Inklusion<br />

„Jeder kommt mit Stärken und Schwächen“<br />

Dorothee Reumann, 32, Schauspielerin beim inklusiven Klabauter Theater<br />

Ich bin Schauspielerin. Das macht mich stolz und glücklich. Hier ist<br />

meine Arbeit, die ich sehr gern mache. Den Körper zu benutzen, um<br />

sich auszudrücken, das ist intensiv. Ich schreibe Texte, tanze und<br />

spiele auf der Bühne.<br />

Was Inklusion bedeutet? Das kann ich nicht erklären. Jeder von<br />

uns kommt mit dem, was er hat, mit Stärken und Schwächen.<br />

Wir können alles brauchen. Ich kann nicht so gut sprechen, aber ich<br />

habe mich hier verbessert. Texte lerne ich besser, wenn ich sie<br />

nachsprechen kann. Ich lerne auch von Schauspielern im Fernsehen,<br />

wie man Theater spielt, das ist sehr gut für mich. Ich würde<br />

sehr gern auch mal im Fernsehen spielen, aber das ist schwer,<br />

weil meine Sprache nicht so gut ist. Ich möchte weiterhin als<br />

Schauspielerin arbeiten und hierbleiben, weil wir bei Klabauter ein<br />

gutes Team sind und ich mich sicher fühle.<br />

•<br />

„Ich möchte gern<br />

wieder selbstständig sein“<br />

Sarina Möller, 37, Physiotherapeutin<br />

Wenn ich essen oder ins Konzert gehen möchte, muss ich<br />

vorher planen. Ist der Zugang barrrierefrei? Wo liegen die<br />

Toiletten und sind sie auch mit Griffen für Rollifahrer ausgestattet,<br />

damit ich mich umsetzen kann? Mit U- und S-Bahn<br />

fahre ich kaum noch, da ist es viel zu voll und zu eng. Ich nutze<br />

mit meinem E-Rolli mittlerweile meist die Busse, auch auf<br />

dem Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen, das ist komfortabler.<br />

Der Fahrer lässt die Rampe runter und ich bin drin.<br />

Früher habe ich mir über Inklusion wenig Gedanken<br />

gemacht. Ich habe Handball und Tennis gespielt, wollte<br />

reisen und eine Familie gründen. Mit 28 hatte ich vier<br />

Schlaganfälle, ausgelöst durch eine Entzündung im Gehirn.<br />

Ich hatte zwar häufiger Kopfschmerzen, aber so etwas hatte<br />

ich mir nicht vorstellen können. Ich lag im Koma, der Schädel<br />

musste geöffnet werden, um das Gehirn zu entlasten.<br />

80 Prozent meiner rechten Gehirnhälfte sind zerstört, so<br />

viel wie meine Faust groß ist.<br />

Es ist gut, dass ich Physiotherapeutin bin, da konnte ich<br />

einschätzen, was auf mich zukommt. Es war ein langer Weg<br />

mit Krankenhausaufenthalten und Rehas, aber ich bin eine<br />

Kämpferin. Vier Jahre lang habe ich bei meiner Mutter<br />

gelebt. Als ausgebildete Pflegefachkraft konnte sie mich<br />

gut betreuen. Danach bin ich in die „Arche Nova“ gezogen,<br />

eine Selbsthilfe-Initiative für Menschen mit erworbenen Hirnschäden.<br />

Seit dem Frühjahr wohne ich nun als Mieterin in<br />

meiner eigenen Wohnung in einem Wohnhaus für Menschen<br />

mit Behinderungen und werde ambulant betreut. Was ich am<br />

meisten schätze? Die Ruhe hier und aktiv sein zu können.<br />

Dass ich mal wieder allein leben könnte, habe ich mir<br />

nicht vorstellen können. Ich musste wieder essen lernen,<br />

weil ich nicht mehr schlucken konnte. Meine linke Hand<br />

ist gelähmt, mein Sehen ist eingeschränkt. Aber die<br />

Infrastruktur ist für mich gut zugänglich. Im Moment arbeite<br />

ich in der Tagesförderung, dort mache ich Workshops und<br />

fertige Grußkarten für alle Anlässe. Ich möchte gern wieder<br />

selbstständig sein können, dafür kämpfe ich. Das ist<br />

für mich Inklusion: Teilhabe am Leben, eine Wiedereingliederung<br />

in ein soziales Leben.<br />

•<br />

25


Inklusion<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>346</strong>/DEZEMBER <strong>2021</strong><br />

„Man muss sich auch helfen lassen wollen“<br />

André Kissling, 43, Servicekraft in der „Bascherie“ im Stadtteilzentrum Barmbek°Basch<br />

Ich freue mich jeden Tag auf die Arbeit,<br />

meine vielen Stammgäste sind mir ans Herz<br />

gewachsen. Seit sieben Jahren bin ich hier<br />

in der Bascherie, das ist ein geschützter<br />

Arbeitsplatz der Sozialpsychiatrie des<br />

Rauhen Hauses. Mittlerweile kann ich jeden<br />

Tag drei Stunden arbeiten, ich bin symptomfrei,<br />

nehme Medikamente als Prophylaxe<br />

und bin damit gut eingestellt.<br />

Mit 19 Jahren bin ich psychisch<br />

erkrankt, ich habe Stimmen gehört. In manchen<br />

Phasen hatte ich keine Krankheitseinsicht.<br />

Schlimm war, dass mein Freundeskreis<br />

wegrutschte, weil viele nicht wussten,<br />

wie man mit einer solchen Krankheit umgehen<br />

sollte. Aber ich kann es ihnen nicht verdenken.<br />

Ich hatte Glück, meine Erkrankung<br />

wurde im Krankenhaus besser, aber man<br />

muss sich auch helfen lassen wollen.<br />

Inklusion bedeutet für mich, wieder in<br />

normale Umstände zu kommen, einen geregelten<br />

Tagesablauf zu haben und wieder<br />

auf eigenen Beinen stehen zu können.<br />

Im Moment lebe ich in einem Haus mit anderen<br />

Klienten zusammen. In der Bascherie<br />

verdiene ich drei Euro pro Stunde, also neun<br />

Euro am Tag (siehe hierzu ab Seite 28). Ich<br />

komme damit zurecht. Allerdings finde ich,<br />

das ist zu wenig. Ich mache meine Arbeit<br />

gut, im Service und auch an der Kasse. An<br />

manchen Tagen bin ich sogar allein hier. Ich<br />

möchte gern auf den ersten Arbeitsmarkt,<br />

wenn meine Stabilität dafür reicht, und so<br />

lange arbeiten wie andere auch. Im Moment<br />

26<br />

darf ich nur 15 Stunden arbeiten, weil es ein<br />

geschützter Arbeitsplatz ist. Ein Jobcoach<br />

hilft mir dabei, eine Wiedereingliederungsmaßnahme<br />

zu finden. Da geht was!<br />

Inklusion funktioniert für mich. Selbst<br />

aktiv zu sein und mitzumachen ist dabei<br />

wichtig. Wer wirklich Hilfe will, der schafft<br />

es auch.<br />

•<br />

Misha Leuschen ist überrascht,<br />

wie souverän Menschen<br />

mit Behinderungen<br />

oft ihren Alltag meistern –<br />

trotz unzähliger Barrieren.<br />

redaktion@hinzundkunzt.de


KUNZT-<br />

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Preis: je 6 Euro


Blick in den Berufsbildungsbereich<br />

Verpackung<br />

und Konfektionierung der<br />

Elbe-Werkstätten:<br />

Hier werden gerade Akkus<br />

von Stadtrad gepolstert und<br />

mit Henkel versehen.<br />

Ausgeschlossen?<br />

Menschen mit Einschränkungen fordern den Mindestlohn für ihre Arbeit in<br />

Werkstätten. Die Fragen, die sie aufwerfen, stellen ein ganzes System infrage.<br />

E<br />

r hätte sehr gerne einen.<br />

Doch bislang hat Frank<br />

Belling keinen Job auf dem<br />

ersten Arbeitsmarkt bekommen.<br />

Seit gut drei Jahrzehnten arbeitet<br />

TEXT: ULRICH JONAS<br />

FOTOS: DMITRIJ LELTSCHUK<br />

28<br />

der Rollstuhlfahrer in einer Werkstatt<br />

für behinderte Menschen, derzeit in<br />

einer Montage- und Verpackungsgruppe.<br />

„Die Arbeit macht Spaß“, sagt der<br />

54-Jährige, den die Folgen von Komplikationen<br />

bei einer Zwillingsgeburt in ein<br />

besonderes Leben gezwungen haben.<br />

„Aber die Entlohnung …“ 188 Euro<br />

bekommt Frank Belling dafür, dass er<br />

19 Stunden die Woche zum Beispiel


Inklusion<br />

Kristin Laßmann, Betriebsleiterin bei den<br />

Elbe-Werkstätten: „Wir können aus unseren<br />

Erlösen keine Mindestlöhne bezahlen.“<br />

Kosmetikartikel für eine Drogeriemarktkette<br />

verpackt. Gerecht findet er<br />

das ebenso wenig wie den Umstand,<br />

dass es für ihn offenbar keinen Weg aus<br />

der Werkstatt hinaus gibt.<br />

Der Hamburger, der als Werkstattrat<br />

auch für die Interessen seiner Kolleg:innen<br />

streitet, ist nicht allein. „Stellt<br />

uns ein – Ich fordere den Mindestlohn<br />

für Menschen in Behindertenwerkstätten!“<br />

heißt eine Onlinepetition, die bis<br />

Mitte November bundesweit mehr als<br />

135.000 Menschen unterzeichnet haben.<br />

Gestartet hat sie Lukas Krämer, ein mittlerweile<br />

recht bekannter Youtuber aus<br />

Trier, der fünf Jahre Werkstatterfahrung<br />

gesammelt hat und heute für die Grünen<br />

arbeitet. 1,35 Euro die Stunde habe<br />

er einst verdient, schreibt Krämer in der<br />

Petition und bezeichnet das Konzept<br />

der Werkstätten als „im Grunde kriminell“:<br />

„Das kann man mit uns machen,<br />

weil wir eine Behinderung haben.“<br />

Die Welt der Werkstätten steht auf<br />

dem Prüfstand. Nicht nur Beschäftigte<br />

sind unzufrieden. Die Vereinten Nationen<br />

halten das System für unvereinbar<br />

mit der Behindertenrechtskonvention<br />

(siehe Infokasten S. 30). Und das Bundessozial<br />

ministerium will mithilfe einer<br />

29<br />

Studie herausbekommen, wie die Bezahlung<br />

in den Werkstätten verbessert<br />

werden könnte. Aus einem Zwischenbericht,<br />

der kürzlich veröffentlicht<br />

wurde, lässt sich herauslesen, dass die<br />

Forschenden Handlungsbedarf sehen.<br />

Selbst Werkstatt-Vertreter:innen<br />

zeigen Sympathien für das Ansinnen:<br />

„Das sind berechtigte Forderungen“,<br />

sagt Kristin Laßmann, Betriebsleiterin<br />

Rehabilitation bei den Elbe-Werkstätten,<br />

einem der beiden Betreiber von<br />

Behindertenwerkstätten in Hamburg.<br />

„Das Problem ist: Wir können aus unseren<br />

Erlösen keine Mindestlöhne bezahlen.“<br />

Menschen mit Einschränkungen<br />

seien nicht so leistungsfähig wie herkömmliche<br />

Beschäftigte, so die Sozialpädagogin.<br />

Deshalb könnten Werkstattbetriebe<br />

nur beschränkt Einnahmen<br />

erwirtschaften. Und die Mehrzahl der<br />

Beschäftigten habe vor allem kognitive<br />

oder psychische Einschränkungen.<br />

„Sollen wir den Leistungsdruck auf<br />

diese Menschen erhöhen, um den<br />

Bedingungen des ersten Arbeitsmarktes<br />

näherzukommen?“<br />

Rund 4000 Menschen mit Behinderungen<br />

arbeiten in Hamburg derzeit<br />

in Werkstätten. Einige sind auf sogenannten<br />

Außenarbeitsplätzen tätig,<br />

etwa als Hauswirtschafter:innen im<br />

Altenheim. Dort erledigen sie meist in


Inklusion<br />

Gehandicapte nicht nur als Handlanger:innen,<br />

sondern auch als<br />

Expert:innen betrachtet würden: „Warum<br />

werden für Übersetzungen in ,Einfache<br />

Sprache‘ nicht Menschen mit<br />

Einschränkungen ein gestellt?“ Würde<br />

„Ich möchte<br />

keinen Druck<br />

ausüben.“<br />

BETRIEBSLEITERIN KRISTIN LASSMANN<br />

kleinen Gruppen Aufgaben, begleitet<br />

von Fachkräften, die die Werkstatt mitschickt.<br />

Der Weg hinein in die Gesellschaft<br />

bleibt den allermeisten versperrt:<br />

Nicht einmal ein Prozent aller Beschäftigten<br />

findet einen Job auf dem ersten<br />

Arbeitsmarkt – obwohl genau das, die<br />

Vermittlung in reguläre Arbeit, eine<br />

Aufgabe der Werkstätten ist.<br />

Die miese Quote hat viele Ursachen.<br />

Nicht jede:r Beschäftigte wolle<br />

den geschützten Werkstattbereich verlassen,<br />

berichtet Betriebsleiterin Laßmann.<br />

Das merke sie beispielsweise,<br />

wenn sie Kandidat:innen für eine neue<br />

Außenarbeitsgruppe sucht: „Manche<br />

reagieren sehr empfindlich. Ich möchte<br />

aber keinen Druck ausüben in die<br />

Richtung, dass die Menschen wechseln<br />

müssen.“ Und auch nicht jedes Unternehmen<br />

eignet sich für eine Zusammenarbeit.<br />

„Wir schauen ja auch: Geschieht<br />

dort Inklusion oder werden nur billige<br />

Arbeitskräfte gesucht?“<br />

Hinzu kommen Fehler im System.<br />

Zwar sind Arbeitgeber:innen ab einer<br />

bestimmten Betriebsgröße verpflichtet,<br />

auch Schwerbehinderte zu beschäftigen.<br />

Doch können sie sich mithilfe der Ausgleichsabgabe<br />

billig freikaufen (siehe<br />

Infokasten). Die Folge: Viele Jobs entstehen<br />

gar nicht. Und: Für Unternehmen<br />

ist es oft lukrativer, einen Auftrag an eine<br />

Werkstatt zu vergeben, statt selbst Menschen<br />

mit Behinderung einzustellen.<br />

Es ist genug Geld da, es besser zu<br />

machen, meint Christian Judith. Der<br />

57-Jährige ist ein Beispiel dafür, wie<br />

Inklusion gelingen kann. Von Geburt<br />

an körperbehindert hat er nie in einer<br />

Werkstatt gearbeitet. Hat Sozialpädagogik<br />

studiert und eine Firma gegründet,<br />

in der Menschen mit und ohne<br />

Einschränkungen gemeinsam arbeiten,<br />

etwa bei inklusiven Tanzprojekten.<br />

Judith spinnt Ideen für die inklusive<br />

Welt von morgen. Denkt über Jobs<br />

nach, die entstehen könnten, wenn<br />

30<br />

Träumt von<br />

einem Job<br />

auf dem ersten<br />

Arbeitsmarkt:<br />

Werkstattrat<br />

Frank Belling<br />

UN-Behindertenrechtskonvention<br />

Das „Übereinkommen über die Rechte<br />

von Menschen mit Behinderungen“ wurde<br />

2006 von der Generalversammlung<br />

der Vereinten Nationen verabschiedet,<br />

in Deutschland gilt es seit 2009. Die<br />

Konvention konkretisiert die allgemeinen<br />

Menschenrechte für Menschen mit Einschränkungen,<br />

etwa das Recht auf Arbeit<br />

oder das Verbot von Diskriminierung.<br />

Die Umsetzung wird von Expert:innen<br />

regelmäßig überprüft. Mehr Infos:<br />

www.institut-fuer-menschenrechte.de<br />

man das Geld umverteilen, das derzeit<br />

für Werkstätten, Sozialhilfe und Mietzuschüsse<br />

ausgegeben wird, „entsteht daraus<br />

vielleicht etwas Gutes“, meint Judith.<br />

Werkstattrat Frank Belling hat einmal<br />

„draußen“ gearbeitet: als Toilettenmann<br />

in der Rathauspassage, einem<br />

Sozialprojekt der Diakonie. Der Job habe<br />

ihm Spaß gemacht, erzählt er. „Leider<br />

ging es irgendwann nicht mehr, aus gesundheitlichen<br />

Gründen.“ Ob Belling<br />

noch eine Chance bekommen wird?<br />

Einen Job am Telefon stellt er sich vor,<br />

„etwa die Kontaktpflege zu Kunden“.<br />

Kommunikativ ist er, witzig auch.<br />

Warum sollte er das nicht können? •<br />

Ulrich Jonas war beeindruckt<br />

vom Engagement der Menschen<br />

in den Werkstätten.<br />

Eine inklusive Gesell schaft<br />

stellt er sich dennoch anders vor.<br />

ulrich.jonas@hinzundkunzt.de<br />

Ausgleichsabgabe<br />

Firmen mit 20 oder mehr Beschäftigten<br />

sollen nach dem Gesetz mindestens fünf<br />

Prozent der Stellen an Schwerbehinderte<br />

vergeben. Andernfalls müssen sie eine<br />

sogenannte Ausgleichsabgabe zahlen.<br />

Die beträgt 140 bis 360 Euro monatlich<br />

pro nicht besetztem Pflicht-Arbeitsplatz.<br />

Rund jedes dritte Unternehmen in<br />

Hamburg kommt seiner Verpflichtung<br />

nicht nach. Folge: 11.000 Jobs für<br />

Schwer behinderte fehlen. Mehr Infos:<br />

www.hamburg.de/integrationsamt


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Inklusion<br />

Leben mit<br />

Behinderung<br />

Warum das Thema Inklusion aktuell ist, zeigen diese Zahlen.<br />

REDAKTION: JONAS FÜLLNER<br />

ILLUSTRATIONEN: GRAFIKDEERNS.DE<br />

Schwerbehinderte<br />

in Deutschland<br />

Viele Behinderungen<br />

erfolgen im Verlauf des Lebens.<br />

Nur vier bis fünf Prozent der<br />

Betroffenen sind von<br />

Geburt an behindert.<br />

Quelle: Statistisches<br />

Bundesamt, 2020<br />

7,9 Millionen<br />

schwerbehinderte<br />

Menschen<br />

Bevölkerung<br />

83,1 Millionen<br />

Inklusion in der Schule<br />

Die Behindertenrechtskonvention<br />

der Vereinten Nationen (UN-BRK)<br />

garantiert in Deutschland seit<br />

2009 das Recht auf inklusive Bildung.<br />

Obwohl die Inklusionsquote (also<br />

der Anteil behinderter Kinder) an<br />

allgemeinbildenden Schulen<br />

stetig steigt, besucht noch etwa<br />

jedes zweite Kind mit Behinderung<br />

eine Förderschule.<br />

1,1 Prozent 2009<br />

2,1 Prozent 2014<br />

3,3 Prozent 2020<br />

Quelle: Bildungsstatistische Analysen der Kultusministerkonferenz (KMK)<br />

Realistisches Bild<br />

von Menschen<br />

mit Behinderungen<br />

in den Medien?<br />

42 Prozent der Deutschen<br />

findet, dass die Medien<br />

das Leben und den Alltag<br />

von Menschen mit<br />

Behinderungen weniger gut<br />

widerspiegeln, 16 Prozent<br />

sogar, dass ihnen das nicht<br />

gut gelingt. Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

widmet dem<br />

Thema Inklusion erst<br />

im 29. Jahr seines<br />

Bestehens einen<br />

großen Schwerpunkt.<br />

Quelle: Institut für<br />

Demoskopie Allensbach (2011)<br />

67.107 Arbeitgeber:innen<br />

mussten keine Ausgleichsabgabe zahlen.<br />

104.492 Arbeitgeber:innen mussten Ausgleichsabgabe<br />

zahlen, statt Schwerbehinderte zu beschäftigen.<br />

Inklusion<br />

in der Arbeitswelt<br />

Bundesweit beschäftigen drei von fünf der<br />

per Gesetz dazu verpflichteten Unternehmen<br />

keine oder zu wenig Menschen mit Schwerbehinderung<br />

– eine Quote, die zeigt, dass<br />

die Ausgleichsabgabe viel zu gering ist, um<br />

für Inklusion in der Arbeitswelt zu sorgen.<br />

Quelle: Bundesagentur für Arbeit (2019)<br />

154.550 schwerbehinderte Menschen<br />

waren arbeitslos gemeldet.<br />

31


Sport kann so<br />

inklusiv sein!<br />

Eine Handvoll Vereine in Hamburg macht vor, wie<br />

es gehen kann: Sie laden Menschen mit und ohne<br />

Einschränkungen zum gemeinsamen Sport ein.<br />

TEXTE: ULRICH JONAS<br />

FOTOS: DMITRIJ LELTSCHUK<br />

Teamsport total<br />

Leander pariert auch hart geworfene Bälle wie ein alter Hase.<br />

Dabei ist der 13-Jährige erst das zweite Mal beim Aquaball-Training<br />

des Eimsbüttler TV dabei. Dass er hier als „Normaler“ mit sogenannten<br />

Behinderten spielt, findet Leander „echt cool“: „Man<br />

kann mit allen gut kommunizieren. Und wenn jemand mal einen Ball<br />

verkackt, ist das nicht schlimm. Dann muntert man sich halt auf.“<br />

Die Kids haben gerade ihr Training beendet. Nun wühlt ein<br />

knappes Dutzend Jugendlicher und Erwachsener durch das kleine<br />

Schwimmbecken, angeleitet von zwei Trainern. Die Regeln<br />

sind schnell gelernt: Jede Mannschaft besteht aus vier Leuten,<br />

gespielt wird – anders als beim Wasserball – in brusthohem Wasser.<br />

Wer den Ball hat, darf nicht laufen. Und vor einem Torwurf<br />

muss die Kugel dreimal weitergegeben worden sein – echter<br />

Teamsport also.<br />

Morten, ein Junge mit Behinderung, ist schon einige Jahre dabei,<br />

außerdem ist er Schwimmer. Als solcher ist er mit dem Verein sogar<br />

in Japan gewesen, im Rahmen eines Austauschs. Und was ist das<br />

Beste, was beim Aquaball passieren kann? „Gutes Teambuilding.“ •<br />

Mehr Infos www.aquaball.de und www.etv-hamburg.de


34


Inklusion<br />

„Wie Achterbahn<br />

fahren“<br />

Irgendwann hatte Inka keine Lust mehr,<br />

immer nur zuzuschauen als „Fußgängerin“ –<br />

so nennen Rollstuhlfahrer:innen Menschen,<br />

die laufen können. Also setzte sich die<br />

24-Jährige an einem schönen Sommertag in<br />

den Sportrollstuhl ihres Freundes und drehte<br />

vorsichtig erste Runden. „Ein cooles Gefühl“<br />

erzeuge das, sagt Inka einige Monate später –<br />

vor allem wenn sie Rampen herunterfährt.<br />

„Das ist ein bisschen so wie Achterbahn,<br />

diese Schwerelosigkeit.“<br />

Samstagnachmittag im umge bauten<br />

Veranstaltungsraum des Hauses der Jugend<br />

Eidelstedt: Ein gutes Dutzend Kinder,<br />

Jugendliche und Erwachsene skatet über<br />

„Was ich hier<br />

lerne, kann ich<br />

im Alltag nutzen.“<br />

MARCEL<br />

Spezielle Rollstühle und Helme<br />

gehören beim Rolli-Skaten dazu.<br />

Schrägen, Hindernisse und Rampen, übt<br />

Sprünge und Stürze. Marcel, anders als seine<br />

Freundin auf den Rollstuhl an gewiesen,<br />

sieht vor allem die praktischen Vorteile des<br />

Trainings: „Was ich hier lerne, kann ich im<br />

Alltag nutzen. Wenn etwa ein Aufzug mal<br />

wieder kaputt ist, ist es gut, wenn ich das<br />

Treppenfahren geübt habe.“<br />

WCMX (Wheelchair Motocross) nennt<br />

sich der Sport, der in den USA erfunden<br />

wurde. Hierzulande bekannt gemacht hat ihn<br />

David Lebuser, der 2014 sogar Weltmeister<br />

wurde. Der 35-Jährige, der neuerdings in<br />

Hamburg lebt, organisiert gemeinsam mit<br />

anderen die monatlichen Events – und ist für<br />

viele ein Vorbild (siehe auch Interview S. 39).<br />

Zum Beispiel für die kleine Aylin. Die<br />

war gerade mal zweieinhalb, als sie ihren<br />

künftigen Helden in einem Youtube-Film<br />

das erste Mal sah – und beschloss, ebenfalls<br />

mit dem Rollstuhl skaten zu wollen.<br />

Heute flitzt die Neunjährige so furchtlos<br />

durch die Parcours, dass sie den Spitznamen<br />

„Kamikaze-Aylin“ trägt. Für ihren Sport<br />

reist sie einmal im Monat von Bielefeld aus<br />

an, denn, so ihre Mutter: „Bei uns gibt es nur<br />

einen ganz kleinen Skatepark.“<br />

•<br />

Mehr Infos und Termine unter<br />

www.sitnskate.de<br />

35


Kürzlich erst ist der FC St. Pauli<br />

Deutscher Blinden fußball-Meister<br />

geworden. Grund genug für den<br />

Nachwuchs, gemeinsam mit Trainer<br />

und Spieler:innen zu posieren.<br />

36


Inklusion<br />

„Voy! Voy! Voy!“<br />

Wie magisch angezogen stürmt der Junge<br />

mit dem Ball am Fuß auf das Tor zu, das er<br />

nicht sehen kann. „Freie Bahn, Nathan!“,<br />

hört er den Rufer („Guide“) seines Teams,<br />

der hinter dem Kasten der gegnerischen<br />

Mannschaft steht und seinen Angriff kommentiert:<br />

„Zehn Meter noch, acht, sechs,<br />

vier, Schuss!“ Das Leder zappelt im Netz,<br />

das Zusammenspiel ist gelungen.<br />

Blindenfußball ist gelebte Inklusion:<br />

Nicht Sehende, schlecht Sehende und gut<br />

Sehende bilden ein Team, und über allem<br />

steht das gemeinsame Erlebnis. Einige Besonderheiten<br />

gilt es zu beachten: Der Ball<br />

rasselt sobald er rollt, damit alle ihn hören.<br />

Banden ersetzen die Seitenlinien, sie dienen<br />

auch der Orientierung. Wer über den<br />

Platz läuft, ruft „Voy!“, um Zusammenstöße<br />

zu vermeiden. Guides sehen für Blinde.<br />

Und um die (sehenden) Torwarte vor Unfällen<br />

zu schützen, sollen Stürmer:innen<br />

spätestens zwei Meter vor dem Kasten zum<br />

Abschluss kommen.<br />

Aaron, seit einem Monat dabei, kann<br />

heute nicht kicken. Der Zwölfjährige ist<br />

beim Sprung auf einer Treppe umgeknickt<br />

und geht an Krücken. Das hindert ihn nicht,<br />

einen blinden Mitspieler beim Training<br />

über den Platz zu begleiten. Denn anders<br />

als dieser kann er den Ball sehen, wenn<br />

auch nur „extrem verschwommen“. Etwas<br />

skeptisch sei er vor seinem ersten Gastspiel<br />

beim Blindenfußball schon gewesen, erzählt<br />

Aaron hinterher. „Aber dann hat es sehr viel<br />

Spaß gemacht.“<br />

Im Tor steht heute der 18-jährige<br />

Julius. In einer Trainingspause berichtet er,<br />

dass er „schon immer St. Pauli-Fan“ war,<br />

aber nie selbst Fußball gespielt hat. Dass er<br />

hier ohne jegliche Kick-Erfahrung mitspielen<br />

kann, habe ihn gereizt. „Und ich<br />

finde es schön, dass hier viel mehr kommuniziert<br />

wird als beim normalen Fußball.“<br />

Spieler-Vater Udo Laskowski glaubt, auf<br />

dem Sportplatz den Entwurf einer besseren<br />

Gesellschaft zu sehen: „Ich wünsche mir,<br />

dass wir überall so miteinander umgehen<br />

wie wir hier beim Blindenfußball: vorsichtig,<br />

behutsam. In dem Bewusstsein: Wir sitzen<br />

alle in einem Boot – egal welche Hautfarbe<br />

du hast oder welche Religion, ob du blind<br />

bist oder sehend, arm oder reich.“<br />

•<br />

Mehr Infos: www.fcstpauli.info und<br />

www.blinden-fussball.de<br />

37


Freiwurf für alle<br />

Diesen Sieg haben sie hart erkämpft. Wieder und wieder haben sie an diesem<br />

Samstagvormittag Bälle geworfen. Haben versucht, mit ihnen die Hütchen zu treffen,<br />

die ihre Trainerin auf zwei Barren mitten ins Tor gestellt hat. Die wollte das zweistündige<br />

Training eigentlich vor einigen Minuten beenden. Doch ihre Schützlinge wollten<br />

das nicht. Mussten erst noch das letzte Hütchen abräumen. Als das endlich gefallen<br />

und die Halle aufgeräumt ist, kommen die Handballer:innen zum Abschlusskreis<br />

zusammen und beantworten die Frage „Was sind wir?“ dreimal mit einem begeisterten<br />

„Ein Team!“.<br />

Die SG Wilhelmsburg ist einer von fünf Vereinen, die mit inklusiven Mannschaften<br />

regelmäßig gegeneinander antreten. „Freiwurf Hamburg“ ist die erste<br />

offiziell vom Deutschen Handballbund anerkannte Liga, in der Menschen mit und<br />

ohne Einschränkungen zusammenspielen. Glaubt man Tobi, erster Torwart seines<br />

Teams und seit bald fünf Jahren dabei, geht es dabei vor allem um den Spaß:<br />

„Gewinnen oder verlieren: Das ist egal.“ Teamkollege Fabian ergänzt: „Der<br />

Zusammenhalt ist das Wichtigste. Und jeder, der bei uns mitmachen will, ist<br />

herzlich eingeladen.“<br />

•<br />

Mehr Infos: www.sgwilhelmsburg.de und www.freiwurf-hamburg.de<br />

In der<br />

Schwerelosigkeit<br />

Gegen Ende des Nachmittags tobt ein Sturm<br />

auf offenem Meer. Um den zu erzeugen,<br />

haben die Trainer:innen ein buntes Tuch auf<br />

einem der beiden großen Trampoline ausgebreitet.<br />

Die kleinen Turner:innen, erschöpft<br />

vom vielen Springen, legen sich gerne drauf.<br />

Und dann geht es los: Das Tuch, an den vier<br />

Ecken gezogen, beginnt zu schwingen, erst<br />

leicht, dann immer stärker. Orkan! Die Kids,<br />

ob mit Einschränkungen oder ohne, rollen<br />

durcheinander und quietschen.<br />

„Das Tolle am Trampolinturnen ist, dass<br />

die Kinder sich und ihren Körper in der<br />

Schwerelosigkeit mal ganz anders erfahren“,<br />

sagt Stefan Schlegel, stellvertretender<br />

Geschäftsführer des SV Eidelstedt. Ständig<br />

schafft der Verein neue inklusive Angebote,<br />

„das ist unser gesellschaftspolitischer Auftrag“.<br />

Für sein bemerkenswertes Engagement<br />

hat der SV Eidelstedt in den vergangenen<br />

30 Jahren viele Preise abgeräumt – zuletzt<br />

für das Vorhaben, die Vereinsanlagen so umzugestalten,<br />

dass dort bald paralympisches<br />

Tennis möglich wird.<br />

Rund 820 Sportvereine gibt es in Hamburg.<br />

„Nur eine Handvoll bieten inklusiven<br />

Sport an. Leider.“ Dabei sei dieser gerade für<br />

junge Menschen so wertvoll, meint der Inklusionsexperte:<br />

„Kinder sehen andere nicht mit<br />

ihren Handicaps. Das ist ein klassisches<br />

Erwachsenending.“<br />

•<br />

Mehr Infos: www.sve-hamburg.de<br />

38


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Inklusion<br />

„Es geht um<br />

Selbstbewusstsein“<br />

Rollstuhl-Skater David Lebuser im Interview<br />

FRAGEN: ULRICH JONAS<br />

FOTO: DMITRIJ LELTSCHUK<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>: Warum ist Sport vor allem<br />

für Kinder mit Behinderungen so wichtig?<br />

David Lebuser: Es geht um spielerisches Lernen.<br />

Die Kids werden selbstbewusst, sodass<br />

sie sich im besten Fall irgendwann nicht<br />

mehr vorstellen können, dass es etwas geben<br />

soll, das sie nicht machen können. Dieses<br />

Selbstverständnis ist wichtig: Ich bin hier<br />

und darf teilhaben, wie jede:r andere auch.<br />

Kann beim Rollstuhl-Skaten<br />

jede:r mitmachen?<br />

Ja. Menschen mit jeder Art von Behinderung<br />

und auch solche ohne sind herzlich<br />

eingeladen. Und es geht nicht immer um<br />

krasse Tricks. Teilhabe kann auch anders<br />

stattfinden. Zum Beispiel indem eine:r<br />

filmt, kommentiert, fotografiert, Musik<br />

macht oder einfach nur mit uns abhängt.<br />

Warum ist das wichtig?<br />

Gerade weil Schulen Inklusion manchmal<br />

noch vermissen lassen, ist es wichtig, dass<br />

die Kids möglichst früh Kontaktmöglichkeiten<br />

mit Kindern ohne Behinderung<br />

haben. Je früher alle lernen, miteinander<br />

umzugehen, desto einfacher wird es später<br />

im Erwachsenenleben. Dann können Ängste<br />

und Vorurteile gar nicht erst entstehen<br />

oder direkt abgebaut werden.<br />

Wie weit sind wir in Sachen Inklusion?<br />

Es gibt noch viel zu tun. Deutschland ist in<br />

Sachen Teilhabe und Barrierefreiheit ein<br />

Stück weit hinterher. Es gibt noch Sonderschulen,<br />

Werkstätten und viel zu wenig<br />

inklusive Sport- und Freizeitangebote.<br />

Woran liegt das?<br />

Vor allem die Politik ist gefordert. In den<br />

USA gibt es seit mehr als 30 Jahren ein Gesetz,<br />

das Barrierefreiheit auch in der Privatwirtschaft<br />

vorschreibt, etwa in Cafés und<br />

Restaurants. Als Rollstuhlfahrer:in fühlst du<br />

dich dort freier. Selbst bei der abgelegensten<br />

Tankstelle habe ich einen Behinderten-<br />

Parkplatz und ein Behinderten-Klo gefunden.<br />

Und wenn ich in der Innenstadt von<br />

Los Angeles unterwegs bin, gibt es in jedem<br />

Geschäft eine Rampe oder einen Lift. In<br />

Deutschland haben wir in den vergangenen<br />

Jahren zweimal über entsprechende Gesetze<br />

gesprochen. Am Ende hieß es jedes Mal:<br />

Das ist zu teuer für die Wirtschaft. So kann<br />

inklusive Gesellschaft nicht funktionieren.<br />

Wie ist die Situation in Hamburg?<br />

Die Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr<br />

ist deutlich besser geworden. Schade<br />

finde ich, dass Hamburg in Sachen<br />

Inklusion nicht mit gutem Beispiel vorangeht<br />

und ein Landesgesetz auf den Weg<br />

bringt, das klare Regeln schafft dafür, dass<br />

Inklusion gelingen kann. •<br />

ulrich.jonas@hinzundkunzt.de<br />

David Lebuser (35) ist seit einem Unfall 2008 auf<br />

den Rollstuhl angewiesen. Inspiriert durch eine<br />

USA-Reise gibt er seit 2013 Skate-Workshops.<br />

Die<br />

Großuhrwerkstatt<br />

Bent Borwitzky<br />

Uhrmachermeister<br />

Telefon: 040/298 34 274<br />

www.grossuhrwerkstatt.de<br />

Verkauf und Reparatur<br />

von mechanischen Tisch-,<br />

Wand- und Standuhren<br />

IN DER RUHE<br />

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LIEGT DIE KRAFT<br />

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040 / 431 39 40<br />

© Madle | pix & pinsel . madle@pixundpinsel.de . 040. 284 085 56


Steffi Treiber mit<br />

ihrem Hund Ronja<br />

im Werkstatt-Atelier


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Bauen&Basteln<br />

„Ich dachte ich spinne,<br />

ich träume!“<br />

Steffi Treiber ist Designerin und bekannt aus der WDR-Serie<br />

„Lieblingsstücke“. Auch für Hinz&<strong>Kunzt</strong> macht die Upcycling-Expertin<br />

künftig Neues aus Altem (siehe nächste Seite).<br />

TEXT: ANNETTE WOYWODE<br />

FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

L<br />

ausig kalt ist es im Werkstatt-<br />

Atelier von Steffi Treiber. Hier<br />

im Winter zu arbeiten, kann<br />

hart sein. Aber die alte Plönjeshausener<br />

Mühle in Bremervörde, in der die<br />

40-Jährige eine Etage gemietet hat, ist<br />

ein guter Ort. Wer das Atelier betritt,<br />

dem wird auf jeden Fall warm ums<br />

Herz. Denn dort trifft man überall<br />

auf Unikate, die auch in Steffi Treibers<br />

Buch „Kreative Lieblingsstücke“ abgebildet<br />

sind. In dem Buch zeigt die<br />

Upcycling-Expertin, wie aus altem<br />

Kram „neue“ Einrichtungs- oder Dekogegenstände<br />

entstehen: eine Lampe aus<br />

einem ausgedienten Lattenrost, eine<br />

aus alten Stühlen gebaute Schaukel<br />

oder ein Briefkasten aus einer ollen<br />

Schub lade. Alles selbst erdacht und<br />

selbst gebaut.<br />

Eigentlich ist Steffi Treiber Bühnenplastikerin.<br />

„Der geilste Beruf ever“,<br />

sagt sie. Gelernt und gearbeitet hat sie<br />

am Theater in Heidelberg. Dabei darf<br />

sie alle Gewerke durchlaufen, die<br />

sie will: Schreinerei, Schlosserei, Bühnentechnik,<br />

Licht- und Tontechnik,<br />

Polsterei. „Am Theater hast du alle<br />

Materialien und Möglichkeiten“,<br />

schwärmt Steffi. Plus: Handwerk und<br />

Kreativität seien dort eng miteinander<br />

verbunden. Einziger Haken: Die Bezahlung<br />

war schlecht.<br />

Also macht sie sich selbstständig,<br />

findet einen Job im Messebau – und hat<br />

ein krasses Erlebnis: „Du baust zwei<br />

Wochen auf“, sagt Steffi. „Du willst, dass<br />

es der schönste Stand wird, und nach<br />

fünf Tagen Messelaufzeit wird alles<br />

runtergerissen und in die Mülltonne gestopft.<br />

Ich dachte ich spinne, ich träume,<br />

Holz, Stoffe, Tische, Möbel, richtig<br />

schlimm!“ Mit offenem Mund habe sie<br />

der Ressourcenverschwendung zugesehen.<br />

Aber nicht lange. Mit einem gemieteten<br />

Lkw sichert sie sich die besten<br />

Sachen. Nach fünf Messejobs ist ihr<br />

Lager voll. 2012 eröffnet sie eine Werkstatt<br />

mit Ladenlokal in Köln-Bickendorf,<br />

baut Neues aus den geretteten Messematerialien<br />

und bietet sie zum Verkauf<br />

an. Dort wird auch der WDR auf Steffi<br />

Treiber aufmerksam, der gerade eine<br />

Upcycling-Fachfrau für die Fernsehsendung<br />

„Lieblingsstücke“ sucht.<br />

Seit 2017 lebt Steffi Treiber nun in<br />

Niedersachsen. Für die WDR-Sendung<br />

ist sie jeden Monat unterwegs. Das Format<br />

ist wie für sie geschnitzt, denn sie<br />

kann handwerklich alles und sprudelt<br />

vor kreativen Ideen. „Stimmt nicht“,<br />

sagt Steffi und winkt ab. „Ich kann fast<br />

alles ein bisschen. Aber aus allem kann<br />

was werden!“ Diese Einstellung vermittelt<br />

sie auch den Menschen, die sich in<br />

der TV-Serie mit ihrem ausgedienten<br />

Zeug an Steffi wenden, um unter ihrer<br />

Anleitung etwas Neues daraus zu bauen.<br />

„Einfach machen!“, empfiehlt sie.<br />

Den Anspruch nicht zu hoch stecken und<br />

sich nicht mit den Profis vergleichen –<br />

zumal die Handwerksgilde in Deutschland<br />

besonders gut sei. „Aber du traust<br />

dich doch auch, eine Wand zu streichen,<br />

und Maler ist doch auch ein Beruf.“<br />

Die Mission lautet also: Menschen<br />

zu motivieren, Handwerkerei zum<br />

Hobby zu machen. So viele Fertigkeiten<br />

würden nicht mehr gelehrt, bedauert<br />

Steffi. „Frauen sollten nicht für alles<br />

41<br />

Handwerkliche Männer brauchen“,<br />

sagt sie. „Aber ich sehe auch bei Männern,<br />

dass die in dem Bereich immer<br />

weniger können.“ Wie neulich, bei der<br />

Arbeit für ihre WDR-Serie. Da stieß sie<br />

auf einen 26-jährigen Mann, der noch<br />

nie einen Akkuschrauber in der Hand<br />

hatte. „Das kann doch nicht wahr<br />

sein!“, findet Steffi. Wie alle anderen<br />

musste auch er beim Bauen und Basteln<br />

mithelfen. „Nach der Sendung sagen<br />

alle: ,Boah, das hat Spaß gemacht!‘<br />

Und: ,Hätte ich das gewusst, ich hätte<br />

damit schon früher angefangen.‘“ •<br />

annette.woywode@hinzundkunzt.de<br />

Bitte umblättern<br />

zur Bauanleitung<br />

„Kinderküche“<br />

Aus Alt<br />

mach Neu:<br />

Das Buch<br />

„Kreative<br />

Lieblingsstücke“<br />

ist<br />

im August<br />

erschienen,<br />

160 Seiten<br />

mit detaillierten<br />

Bauanleitungen,<br />

24 Euro.<br />

Mehr Infos:<br />

www.stefanie-treiber.de<br />

Von dort gelangt man auch zu ihren<br />

beiden Onlineshops.


Ran an Herd<br />

und Spüle!<br />

Weihnachten und keine Geschenkidee fürs Kind? Steffi Treiber hilft<br />

aus der Klemme: mit einer Upcycling-Bauanleitung für eine Kinderküche –<br />

gefertigt aus einem alten Stuhl. Das ist gar nicht so schwer, aber<br />

umso aufwendiger, je mehr ausrangierte Fundstücke verbaut werden:<br />

alte Türklinken, Blechdeckel oder zerkratzte CDs.<br />

FOTOS: FRECHVERLAG/JULIA SANTOSO


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Bauen&Basteln<br />

Werkzeuge<br />

• Zollstock<br />

• Bleistift<br />

• Handkreissäge mit Schiene<br />

oder Holz beim Kauf im Baumarkt<br />

zuschneiden lassen<br />

• Schleifklotz mit Schleifpapier,<br />

120er-Körnung<br />

• Stichsäge – ein Muss für<br />

jede:n Hobbyhandwerker:in<br />

• Akkubohrschrauber<br />

• Holzspiralbohrer,<br />

Ø 10 mm, 12 mm und 18 mm<br />

• Messschieber<br />

• Anschlagwinkel<br />

• 2 Schraubzwingen<br />

• Atemschutzmaske und<br />

Gummihandschuhe<br />

Das brauchen Sie:<br />

• Schere<br />

• Pinsel<br />

• Schaumstoff-Farbwalze,<br />

Farbwanne und Rührstab<br />

• Handtacker<br />

• Heißklebepistole<br />

• Permanent-Marker in Weiß<br />

Materialien<br />

• alter Holzstuhl<br />

• Holzbrett für den Ofenboden,<br />

ca. 50 cm x 40 cm x 1,8 cm<br />

• Holzbrett für die Arbeitsplatte,<br />

ca. 120 cm x 40 cm x 1,8 cm<br />

• alte Blechschüssel mit Rand<br />

für die Spüle<br />

• alte Türklinke als Wasserhahn<br />

• Holztablett für das Regal,<br />

rechteckig, alternativ Deckel einer<br />

Holzkiste, mind. 50 cm x 20 cm<br />

• 4 CDs als Herdplatten<br />

• 4 identische Aluminium- oder<br />

Blechdeckel, z. B. von Glaskonserven,<br />

als Drehknöpfe<br />

• 400 ml Sprühlack in Schwarz<br />

• Stoff in Weiß, ca. 50 cm x 50 cm<br />

• Malerkreppband<br />

• ca. 20 ml Acryllack in Schwarz<br />

• 375 ml Acryllack in Hellblau, seidenmatt<br />

• Sanitär-Flexschlauch als<br />

Wasserleitung, ca. 30 cm lang<br />

• ca. 30 Schrauben,<br />

3,5 mm x 35/40/45 mm<br />

• Filzstoff in Grau als Kochfeld,<br />

ca. 500 mm x 500 mm x 1–3 mm<br />

• doppelseitiges Klebeband<br />

So geht’s:<br />

Damit der<br />

2. Boden zwischen<br />

die Stuhl beine passt,<br />

muss das Brett ausgeklinkt<br />

werden:<br />

Schabloniere dafür<br />

die Stuhlbeine<br />

und schneide die<br />

Rechtecke mit der<br />

Stichsäge aus.<br />

Aus dem kürzeren Holzbrett sägst du einen<br />

1. Boden als Ofenfach aus: Miss dafür Länge und<br />

Breite des Stuhls bis zu den Außenkanten der Stuhlbeine<br />

aus und übertrage die Maße auf das Holzbrett.<br />

Dann mit der Handkreissäge zusägen und die<br />

Kanten mit dem Schleifklotz abschleifen.<br />

3.<br />

Setze das<br />

ausgeklinkte<br />

Holzbrett ein:<br />

Nun hat der<br />

Ofen einen<br />

Boden.<br />

43


Lege das zweite Holzbrett auf die Sitzfläche, um Länge<br />

4. und Breite der Arbeitsplatte zu bestimmen. Dabei auch<br />

den Durchmesser der Blechschüssel beachten, die das<br />

Spülbecken darstellen soll, damit diese auf jeden Fall in die<br />

Arbeitsplatte hineinpasst. Mit der Handkreissäge zusägen.<br />

Für das Spülbecken zunächst ein Loch in die Arbeitsplatte<br />

sägen, in das die Blechschüssel später einge-<br />

5.<br />

setzt werden soll. Lege dafür die Schüssel zunächst verkehrt<br />

herum auf die Arbeitsplatte und zeichne den Umriss nach.<br />

Miss nun die Breite des Schüsselrands und zeichne in den<br />

ersten Kreis im Abstand dieser gemessenen Breite einen<br />

zweiten, kleineren Kreis.<br />

6.<br />

Bohre nun mit<br />

dem 10-mm-Holzspiralbohrer<br />

ein Loch an<br />

der inneren Kreislinie und<br />

führe hier das Stichsägenblatt<br />

ein. Den Kreis aussägen<br />

und testen, ob die<br />

Schüssel hineinpasst.<br />

7.<br />

Der Wasserhahn entsteht aus der Türklinke.<br />

Zunächst mit dem Messschieber die Breite der<br />

Türklinke am Hals (nicht am Griff) abmessen. Auf der<br />

Arbeitsplatte das Bohrloch neben der Schüssel markieren<br />

und mit einem ausreichend großen Holzbohrer ausbohren.


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Bauen&Basteln<br />

Aus dem Holztablett<br />

8. entstehen die beiden<br />

Regalbretter, die an die<br />

Stuhllehne montiert werden.<br />

Bestimme mit dem Anschlagwinkel<br />

die Mitte des Tabletts,<br />

zeichne sie an und halbiere<br />

das Tablett mit der Stichsäge.<br />

Aus den Regalbrettern müssen die senkrechten Streben der Stuhllehne<br />

9. ausgeklinkt werden. Dafür jedes Brett mit den Schraubzwingen an der<br />

gewünschten Position fixieren und mit dem Anschlagwinkel auf beiden Seiten<br />

die Form der Strebe übertragen. Dann die Rechtecke mit der Stichsäge aussägen.<br />

11.<br />

Für das Ofenfach habe ich dem weißen Stoff ein Streifenmuster<br />

verpasst, damit er an eine Ofenklappe erinnert. Den Stoff dafür<br />

zunächst passend zuschneiden und eventuell an den Rändern umnähen.<br />

Dann mit dem Malerkreppband Streifen in unterschiedlichen Breiten<br />

abkleben und mit dem Pinsel vorsichtig schwarzen Acryllack auftragen.<br />

Das Malerkrepp abziehen, solange die Farbe noch feucht ist!<br />

Für die Herdplatten die alten CDs,<br />

10. für die Drehknöpfe die Blechdeckel mit<br />

schwarzem Sprühlack ansprühen. Dabei Atemschutzmaske<br />

und Gummihandschuhe verwenden!


Bauen&Basteln<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>346</strong>/DEZEMBER <strong>2021</strong><br />

Jetzt bemalst du die Küche.<br />

12. Verwende dafür die Farbwalze.<br />

Sind alle Teile lackiert und getrocknet,<br />

werden sie zusammengesetzt und verschraubt:<br />

Zuerst legst du den Boden für<br />

das Ofenfach ein und schraubst ihn an.<br />

Dann befestigst du von innen mit dem<br />

Handtacker die Ofenklappe.<br />

Bohre nun das Loch für den<br />

13. Sanitär-Flexschlauch, der die<br />

Wasserleitung darstellt, in den Stuhl.<br />

Nimm die richtige Seite, nämlich die,<br />

über der später die Spüle der Kinderküche<br />

liegt. Verwende dafür den<br />

12-mm-Holzspiralbohrer. Schiebe den<br />

Schlauch durch das Loch.<br />

14.<br />

Die Arbeitsplatte auf den Stuhl schrauben und das Spülbecken<br />

einlegen. Die Wasserleitung durch das Hahnloch schieben und<br />

mit Heißkleber am Hahn befestigen.<br />

15.<br />

Schraube die Regalbretter<br />

an die Querstreben der<br />

Stuhllehne, einmal von oben und<br />

einmal von unten. Das ist knifflig,<br />

weil die Streben so schmal sind –<br />

arbeite langsam und ziele gut!<br />

46


Lege den Filz, der das Kochfeld darstellt, mittig auf die Arbeitsplatte. Verteile<br />

16. deine Herdplatten darauf und zeichne mithilfe von Zollstock, Anschlagwinkel<br />

und Bleistift an, wie groß das Kochfeld sein muss. Mit der Schere ausschneiden, dann<br />

an einer langen Seite der Filzplatte von hinten doppelseitiges Klebeband anbringen.<br />

Die Trägerfolie noch nicht abziehen.<br />

Um die Position der Filzplatte<br />

17. noch korrigieren zu können, klebe<br />

zunächst nur eine Seite fest: Knicke dafür<br />

an einer Ecke der Filzplatte eine Ecke der<br />

Trägerfolie um, platziere den Filz auf der<br />

Arbeitsplatte und ziehe die Trägerfolie<br />

dann von unten langsam ab. Dabei den Filz<br />

nach und nach andrücken. Den noch nicht<br />

angeklebten Teil umschlagen, ebenfalls mit<br />

doppelseitigem Klebeband versehen und<br />

auf die gleiche Weise ankleben.<br />

Bringe auch auf der<br />

18. Rückseite der Herdplatten<br />

doppelseitiges Klebeband<br />

an und klebe sie auf das Kochfeld.<br />

19.<br />

Die Drehknöpfe für<br />

die Herdplatten mit<br />

dem weißen Permanent-Marker<br />

bemalen und vorne am Stuhl<br />

in gleichmäßigen Abständen<br />

zu einander anschrauben.<br />

Fertig ist die Kinderküche!<br />

Upcycling-Unikat gesucht?<br />

Fehlt Ihnen in Ihrer Wohnung ein dekorativer Gegenstand? Haben Sie Altes oder Ungenutztes<br />

im Schrank, auf dem Dachboden oder im Keller, aus dem etwas Neues entstehen kann?<br />

Mit Glück baut Ihnen Steffi Treiber daraus ein Upcycling-Unikat!<br />

Schicken Sie uns bis zum 31. Januar 2022 eine E-Mail an redaktion@hinzundkunzt.de.<br />

Schreiben Sie uns, was Ihnen fehlt und schicken Sie Handyfotos oder einen Handyfilm dazu:<br />

1) von den ungenutzten Dingen, die Steffi Treiber fürs Upcycling verwenden könnte und<br />

2) von der Leerstelle in Ihrer Wohnung.<br />

Unter allen Einsendungen losen wir eine:n Kandidat:in aus. Im Raum Hamburg holen wir den<br />

Gegenstand ab. Nach der Bauphase bringen wir Ihr neues Lieblingsstück zu Ihnen nach Hause.<br />

Einschränkung: Der Gegenstand muss mit einem normalen Pkw leicht zu transportieren sein.<br />

Die Bauanleitung für dieses Upcycling-Unikat veröffentlichen wir in unserer April-Ausgabe 2022.


Freunde<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>346</strong>/DEZEMBER <strong>2021</strong><br />

Das capito-<br />

Team (von<br />

links): Marie<br />

Christen,<br />

Sascha Preiß<br />

und Friederike<br />

von Bülow<br />

Wenn Sprache<br />

zur Barriere wird<br />

Das capito Netzwerk übersetzt für Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

einen Beitrag pro Ausgabe in Leichte Sprache –<br />

für all jene, denen das Lesen schwer fällt.<br />

TEXT: MISHA LEUSCHEN<br />

FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

A<br />

lltag kann gefährlich sein,<br />

wenn man schlecht lesen<br />

kann, gehandicapt ist oder<br />

eine andere Muttersprache<br />

hat. Denn manchmal können Informationen<br />

lebenswichtig sein. Welche<br />

Nebenwirkungen haben Medikamente?<br />

Wie wird bei der Arbeit eine Maschine<br />

richtig bedient? Meist fehle das<br />

Bewusstsein dafür, dass Informationen<br />

nicht allen Menschen zugänglich sind,<br />

sagt capito-Projektleiterin Marie Christen.<br />

Mit viel Engagement arbeitet das<br />

capito-Team der Grone Netzwerk<br />

Hamburg GmbH dafür, die Welt ein<br />

bisschen verständlicher zu machen.<br />

„Davon profitieren alle“, findet die<br />

49-Jährige.<br />

Dafür werden bei capito Texte in<br />

eine leicht verständliche Sprache übersetzt.<br />

Die sogenannte Leichte Sprache<br />

nutzt einfache, gut bekannte Worte und<br />

kurze Sätze, die für jeden verstehbar<br />

sind. Eine etwas anspruchsvollere<br />

Variante ist die „Einfache Sprache“.<br />

Für Hinz&<strong>Kunzt</strong> wird capito künftig<br />

aus jeder Ausgabe einen Text übersetzen,<br />

den man dann auf der Homepage<br />

in Leichter Sprache nachlesen kann<br />

(siehe hierzu Symbol und QR-Code Seite 49).<br />

Kommunikation und Information barrierefrei<br />

zu machen, ist das Ziel der Arbeit.<br />

„Nur die Schrift größer zu machen<br />

oder lauter zu sprechen, reicht dafür<br />

nicht“, sagt Übersetzerin Friederike von<br />

Bülow. Bei capito haben diejenigen das<br />

letzte Wort, die betroffen sind. Wenn<br />

die Übersetzer:innen die Texte bearbeitet<br />

haben, kommen Prüfgruppen zum<br />

Zug. Sie setzen sich aus Menschen mit<br />

Lernschwierigkeiten und Migrant:innen<br />

oder Geflüchteten zusammen. „Ohne<br />

sie geht es nicht“, sagt Marie Christen,<br />

und Friederike von Bülow ergänzt: „Für<br />

uns ist es spannend zu sehen, wie unterschiedlich<br />

die Teilnehmenden Texte<br />

bewerten.“<br />

Für öffentliche Stellen sei es bereits<br />

verpflichtend, barrierefrei zu kommunizieren.<br />

„Meist ist die Umsetzung jedoch<br />

oberflächlich“, findet Friederike von<br />

Bülow. Doch auch wenn die Mitarbeiter:innen<br />

in Behörden wissen, dass<br />

Standardformulare nur schwer verständlich<br />

sind, dürfen sie nicht einfach<br />

geändert werden, denn dann sind sie<br />

nicht mehr rechtsverbindlich – ein großes<br />

Problem für beide Seiten. „Dabei<br />

löst Behördenpost allein schon oft Ängste<br />

aus“, weiß Marie Christen – umso<br />

48


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

schlimmer, wenn Menschen nicht verstehen<br />

können, was darinsteht.<br />

Friederike von Bülow bietet wie ihr<br />

Kollege Sascha Preiß (45) auch Fortbildungen<br />

in Leichter Sprache an. „In den<br />

Köpfen muss sich etwas ändern“, findet<br />

die 59-Jährige. „Oft genug herrscht<br />

noch die Vorstellung, das sei die Sprache<br />

für Bekloppte.“ Marie Christen<br />

nickt: „Es fehlt oft die Sensibilität<br />

für die Notwendigkeit und für den<br />

Bedarf.“<br />

Für die capito-Mitarbeiter:innen<br />

gibt es auch in anderen Feldern viel zu<br />

tun. Denn neben sprachlichen Barrieren<br />

gibt es im Internet auch technische<br />

Barrieren, die den Zugang zu Informationen<br />

erschweren. Dies betrifft zum<br />

Beispiel hör- oder sehgeschädigte<br />

Menschen, aber auch diejenigen, die<br />

sich mit zunehmendem Alter mit digita-<br />

Freunde<br />

len Medien schwertun. Bei Unternehmen<br />

müsse man das Bewusstsein<br />

für diese alltäglichen Barrieren erst<br />

wecken, „aber immer diplomatisch!“ •<br />

redaktion@hinzundkunzt.de<br />

Leichte Sprache:<br />

Das obige Symbol unter einem Text<br />

im Magazin zeigt an, dass er in Leichte<br />

Sprache übersetzt worden ist. Wenn<br />

Sie den QR-Code<br />

scannen, gelangen<br />

Sie zu dem Text auf<br />

der Web seite. Oder<br />

folgen Sie dem Link:<br />

www.huklink.de/<strong>346</strong>-leichte-sprache<br />

JA,<br />

ICH WERDE MITGLIED<br />

IM HINZ&KUNZT-<br />

FREUNDESKREIS.<br />

Damit unterstütze ich die<br />

Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

Meine Jahresspende beträgt:<br />

60 Euro (Mindestbeitrag für<br />

Schüler:innen/Student:innen/<br />

Senior:innen)<br />

100 Euro<br />

Euro<br />

Datum, Unterschrift<br />

Ich möchte eine Bestätigung<br />

für meine Jahresspende erhalten.<br />

(Sie wird im Februar des Folgejahres zugeschickt.)<br />

Meine Adresse:<br />

Name, Vorname<br />

Straße, Nr.<br />

PLZ, Ort<br />

Dankeschön<br />

Telefon<br />

E-Mail<br />

Wir danken allen unseren Spender:innen,<br />

die uns im November unterstützt haben,<br />

sowie allen Mitgliedern im Freundeskreis von<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>! Wir freuen uns gleichermaßen<br />

über kleine und große Beträge!<br />

Auch unseren Unterstützer:innen auf<br />

Facebook: ein großes Dankeschön!<br />

DANKESCHÖN EBENFALLS AN:<br />

• wk it services • Hamburger Tafel<br />

• Obstmonster GmbH • Hanseatic Help<br />

• Axel Ruepp Rätselservice<br />

• Hamburger Kunsthalle • WTS-Stiftung<br />

• Ursula und Peter Weinem und ihre Gäste für<br />

die Spende zur Goldenen Hochzeit<br />

• Roger Bansbach und seine Gäste<br />

• Christian Denso und seine<br />

Geburtstagsgäste<br />

• Waltraud Hartwich für die gesellige<br />

Vertriebsspende<br />

• Firma Still Niederlassung Hamburg<br />

• Polly für die Geburtstagsspende<br />

• Marianne und Hans-Joachim Jackwirth und<br />

ihre Gäste zur Goldenen Hochzeitsfeier<br />

• die Hildegard und Horst Röder-Stiftung<br />

Medizinische Masken werden permanent für<br />

die Hinz&Künztler benötigt. Danke an:<br />

Tagespflege in der Kösterstraße<br />

NEUE FREUNDE:<br />

• Kathrin Bahnsen von Cramer<br />

• Benjamin Bahr<br />

• Thomas Böckmann-Nalop<br />

• Eva-Maria Braje • Holger Burmeister<br />

• Werner Damisch • Sarah Gurinskas<br />

• Fouad Hamdan • Svenja Lina Harten<br />

• Alejandro Izuel Vinue<br />

• Margret und Karl-Heinz Josch<br />

• Jens Kappenberg • Peter Kubasch<br />

• Ludwig Lierhammer • Stefan Loder<br />

• Sam Lowes • Felix Luther<br />

• Florian Müller • Ulrich Petersen<br />

• Nadine Pohontsch • Melanie Rieckmann<br />

• Najet Sahin • Hendrik Schaper<br />

• Kandida Steger • Elisabeth Trepesch<br />

• Leonhard von Herzogenberg<br />

• Gunther Wallrath • Stanley Weber<br />

• Heiko Wegner • Walter Wildemann<br />

Einzugsermächtigung:<br />

Ich erteile eine Ermächtigung zum<br />

Bankeinzug meiner Jahresspende.<br />

Ich zahle: halbjährlich jährlich<br />

IBAN<br />

BIC<br />

Bankinstitut<br />

Ich bin damit einverstanden, dass mein Name in<br />

der Rubrik „Dankeschön“ in einer Ausgabe des<br />

Hamburger Straßenmagazins veröffentlicht wird:<br />

Ja<br />

Nein<br />

Wir garantieren einen absolut vertraulichen<br />

Umgang mit den von Ihnen gemachten Angaben.<br />

Die übermittelten Daten werden nur zu internen<br />

Zwecken im Rahmen der Spendenverwaltung<br />

genutzt. Die Mitgliedschaft im Freundeskreis ist<br />

jederzeit kündbar. Wenn Sie keine Informationen<br />

mehr von uns bekommen möchten, können<br />

Sie jederzeit bei uns der Verwendung Ihrer<br />

personenbezogenen Daten widersprechen.<br />

Unsere Datenschutzerklärung können Sie<br />

einsehen unter www.huklink.de/datenschutz<br />

Bitte Coupon ausschneiden und senden an:<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Freundeskreis<br />

Minenstraße 9, 20099 Hamburg<br />

Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk<br />

49<br />

HK <strong>346</strong>


Buh&Beifall<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>346</strong>/DEZEMBER <strong>2021</strong><br />

Was unsere Leser:innen meinen<br />

„Das Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Haus ist ein abgefahren geiles Projekt!“<br />

Tränen der Rührung<br />

H&K 345, „Wir sind Glückspilze“ –<br />

Wohn gemeinschaften im Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Haus<br />

Das ist so ein abgefahren geiles Projekt,<br />

das ihr mit dem Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Haus gestartet<br />

habt! Ich bin wirklich begeistert<br />

und ich hoffe, dass es Schule machen<br />

wird. CLEMBERG_HAMBURG VIA INSTAGRAM<br />

Hammer, hab Tränen in die<br />

Augen bekommen, als ich das las! <br />

<br />

DANA DOLATA VIA FACEBOOK<br />

„Mutig und toll“<br />

H&K 345, Die Retterin<br />

Sie hat mutig und toll gehandelt. Jeder<br />

kann ganz schnell abrutschen. Als<br />

meine Eltern beide im Abstand von drei<br />

Monaten starben, wäre ich definitiv in<br />

einen Drogensumpf verfallen, weil der<br />

Schmerz so groß war. Ich hatte zum<br />

Glück keinen Bezug zu Drogen, aber<br />

hab viel gegessen. Du weißt nie, wann<br />

das Leben dir den Boden unter den<br />

Füßen wegzieht. Deswegen immer<br />

Respekt zeigen und verstehen, dass<br />

Schwächeren geholfen werden muss. <br />

<br />

KHATERA_ACCESSORIES VIA INSTAGRAM<br />

„Er war ein sehr netter Mann“<br />

H&K 345, Altona trauert um Lucas<br />

Lucas war ein sehr netter Mann. Ich<br />

finde es bedrückend, dass eine reiche<br />

Stadt wie Hamburg es nicht geschafft<br />

hat, ihm ein Angebot zu machen, das<br />

ihm aus seiner Sucht heraushilft. PELDA<br />

Genossenschaft vor<br />

H&K online: Sozialbehörde sucht Betreiber<br />

für Housing First<br />

Eine Genossenschaft in öffentlicher<br />

Hand wäre die wohl bessere Lösung, als<br />

sich dafür privaten Unternehmen an die<br />

Brust zu legen. MARTINA JACOBS VIA FACEBOOK<br />

Ins Mark getroffen<br />

H&K online: Feuer zerstört<br />

Obdachlosen schlafplatz<br />

Solche Grausamkeiten treffen mich<br />

bis ins Mark. Möge die arme Person,<br />

die alles verloren hat, in Zukunft<br />

Hilfe und Wohlwollen erfahren. <br />

<br />

UTE HITMEIER VIA INSTAGRAM<br />

Leser:innenbriefe geben die Meinung der<br />

Verfasser:innen wieder, nicht die der Redaktion.<br />

Wir behalten uns vor, Briefe zu kürzen.<br />

Schreiben Sie uns an briefe@hinzundkunzt.de<br />

Wir trauern um<br />

Jacek Kowalczyk<br />

13. September 1970 – 14. Oktober <strong>2021</strong><br />

Jacek ist aus noch ungeklärten<br />

Gründen in seinem Zelt verstorben.<br />

Die Verkäufer:innen und das Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Team<br />

HAMBURGER NEBENSCHAUPLÄTZE<br />

DER ETWAS ANDERE<br />

STADTRUNDGANG<br />

Wollen Sie<br />

Hamburgs City<br />

einmal mit<br />

anderen Augen<br />

sehen? Abseits<br />

der glänzenden<br />

Fassaden zeigen wir<br />

Orte, die in keinem<br />

Reiseführer stehen:<br />

Bahnhofsmission<br />

statt Rathaus und<br />

Tagesaufenthaltsstätte<br />

statt Alster.<br />

Sie können mit<br />

unserem Stadtführer<br />

Chris zu Fuß auf<br />

Tour gehen, einzeln<br />

oder als Gruppe<br />

bis 25 Personen.<br />

Auch ein digitaler<br />

Rundgang ist<br />

möglich. Das ist fast<br />

genauso spannend.<br />

Offener Rundgang am Sonntag, 5.12. und 19.12., jeweils 15 Uhr<br />

Reguläre Rundgänge bequem selbst buchen unter:<br />

www.hinzundkunzt.de/stadtrundgang<br />

Digitale Rundgänge bei friederike.steiffert@hinzundkunzt.de oder<br />

Telefon: 040/32 10 84 04<br />

Kostenbeitrag: 5 Euro/10 Euro<br />

pro Person<br />

100Jahre<br />

Wenn die Welt<br />

auf einmal<br />

stillsteht.<br />

Zuverlässige und<br />

persönliche Hilfe im<br />

Trauerfall – jederzeit.<br />

Immer für Sie da.<br />

040 - 24 84 00<br />

www.gbi-hamburg.de


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Schwere Gedanken: Im Theaterstück Wir, „Kinsky“ und ich wird psychische Erkrankung erlebbar (S. 52).<br />

Buntes Hamburg: Ein gewaltiger Bildband dokumentiert die Anfänge der Graffiti-Szene (S. 54).<br />

Schwarzer Kaffee: Literaturpreisträger Andreas Moster über einen ungewöhnlichen Arbeitsort (S. 64).<br />

Feinstes Kunsthandwerk<br />

fernab vom Weihnachtstrubel<br />

in der City – das bietet die<br />

Adventsmesse der Koppel 66<br />

in St. Georg vom 26.11. bis<br />

19.12., jeweils freitags bis<br />

sonntags von 11–19 Uhr.<br />

Anmeldung unter:<br />

www.koppel66.de<br />

FOTO: BENTE WOLKE


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Schauspieler Metin Turan (links und<br />

oben mit Autorin Wiebe Bökemeier)<br />

über psychische Erkrankungen:<br />

„Das könnte mir genauso passieren.“<br />

Sechs von<br />

17 Millionen<br />

Ein Theaterstück von Wiebe Bökemeier<br />

und Metin Turan macht den Ausnahmezustand<br />

zum Thema. Ihr Wunsch: ein aufmerksamerer<br />

Blick für psychisch kranke Menschen.<br />

TEXT: SIMONE DECKNER<br />

FOTOS: JULIAN GERCHOW (OBEN), PRIVAT<br />

Da ist die zweifache Mutter<br />

Anna-Maria, 50 Jahre alt,<br />

die morgens nicht mehr<br />

aufstehen kann. Da ist<br />

Stephan, 24 Jahre alt, der glaubt, dass<br />

seine Blicke töten können. Und da sind<br />

Wiebe, 41 Jahre alt, Autorin und<br />

Journalistin, und Metin, 43 Jahre alt,<br />

Regisseur und Schauspieler. Sie<br />

bringen die Geschichten von Anna-<br />

Maria, Stephan und vier weiteren<br />

Hamburger:innen mit psychischen<br />

Erkrankungen auf die Bühne.<br />

Sechs Geschichten von 17 Millionen.<br />

So viele Menschen sind in<br />

Deutschland psychisch krank. „Jede:r<br />

kennt eigentlich jemanden, der betroffen<br />

ist, aber die meisten Menschen<br />

wollen sich nicht damit beschäf tigen,<br />

weil es einfach weh tut“, sagt Bökemeier.<br />

Sie hat 2019 ein Buch über Menschen<br />

geschrieben, deren Alltag zum Ausnahmezustand<br />

geworden ist – es bildet die<br />

Vorlage für das Theaterstück. Metin<br />

Turan erzählt die Geschichten in collageartigen<br />

Szenen, er ist dabei allein auf<br />

der Bühne. „Das ist kein Abend, den<br />

ich so aus dem Ärmel schüttle“, sagt er.<br />

„Manche Momente gehen mir sehr<br />

nah.“<br />

52


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Der Schauspieler verzichtet bei seiner<br />

Darstellung auf Plakatives, lieber setzt<br />

er bei einem Rollenwechsel auf subtile<br />

Zeichen wie Zigarette oder Sonnenbrille.<br />

Turan: „Im besten Fall spiele ich<br />

die Geschichten so gut, dass man die<br />

Zeichen gar nicht unbedingt benötigt.“<br />

Etwa wenn er in die Rolle der depressiven<br />

Anna-Maria schlüpft und sie mit<br />

weicher Stimme erzählen lässt, dass sie<br />

nie da angekommen ist, wo sie hinwollte:<br />

„Ich wollte doch nur einen<br />

netten Mann, eine Familie, einen Job,<br />

ein Leben ohne Existenzängste. Und<br />

dann hat die Hölle angefangen.“ Wiebe<br />

Bökemeier erinnert sich gut an das<br />

Treffen mit Anna-Maria: „Als sie mir<br />

ihre Geschichte erzählt hat, kamen<br />

da schon Tränchen. Sie ist eine so<br />

warmherzige Person.“<br />

„Man wirft alle in einen Topf“<br />

Worüber sich die Autorin ärgert: Wenn<br />

psychisch erkrankte Menschen auf ihre<br />

Diagnose reduziert werden: „Die Eigenschaften,<br />

die ihre Charaktere ausmachen,<br />

werden gar nicht mehr gesehen,<br />

alles bezieht sich auf die<br />

Krankheit. Sie werden als verrückt abgestempelt“,<br />

so Bökemeier. Wie bei Stephan,<br />

der sich zwei Wochen im Wald<br />

versteckte. „Das ist ein ruhiger, sehr kluger<br />

Charakter. Ihn hat ein psychotischer<br />

Schub erwischt. Er hat im Wald<br />

Wasser aus hohlen Baumstümpfen getrunken<br />

und sich von geklauten Äpfeln<br />

ernährt. Irgendwann ist er einem Mann<br />

vors Auto gelaufen, der ihn dann in eine<br />

Klinik gefahren hat“, so Bökemeier.<br />

Damit hat der Autofahrer so<br />

gehandelt, wie es sich die Theatermacher:innen<br />

wünschen: „Ein bisschen<br />

aufmerksamer in die Welt und auf das<br />

konkrete Umfeld schauen, statt nur<br />

dumm zu gucken, wenn jemand aus der<br />

Rolle fällt“, sagt Wiebe Bökemeier. „Die<br />

Gesellschaft muss Menschen, die anders<br />

sind, mehr akzeptieren“, sagt Metin<br />

Turan, „ob uns das jetzt gefällt, wie sie<br />

leben, oder nicht.“ •<br />

simone.deckner@hinzundkunzt.de<br />

Wir, „Kinski“ und ich:<br />

„Wir, ‚Kinski‘ und ich – Ausnahmezustand<br />

im Theater“, Kampnagel, Jarrestraße 20,<br />

Uraufführung: Do, 16.12., 19 Uhr, ab 16<br />

Jahre, Eintritt: 23 Euro, weitere Termine<br />

siehe www.kampnagel.de<br />

FREIWILLIG<br />

HELFEN<br />

Abendbrot für obdachlose<br />

Menschen<br />

Suppe kochen, Brote schmieren, Essen ausgeben –<br />

machen Sie mit! Der Förderverein Winternotprogramm<br />

für Obdachlose e. V. sucht Freiwillige.<br />

Das Abendbrot wird aus Lebensmittelspenden,<br />

unter anderem von der Hamburger Tafel, zubereitet.<br />

Geldspenden für Zukäufe an den Förderverein<br />

sind willkommen: IBAN DE03 2005 0550 1208 1225 62<br />

winternotprogramm.de


Botschaften ins Rollen bringen:<br />

besprühter S-Bahn-Zug im<br />

Bahnhof Hasselbrook, 1995<br />

Als Hamburg plötzlich<br />

bunt wurde


FOTO: ANDREAS TIMM<br />

Ein neues, bildgewaltiges Buch dokumentiert<br />

die Anfänge der Hamburger Graffiti-Szene:<br />

auf Spurensuche zwischen Sprühdosen,<br />

Sonderkommission und Selbstbehauptung<br />

TEXT: SIMONE DECKNER


Gegen alles Grau:<br />

Eric (†) sorgte in der Szene<br />

mit seinen Graffitis für<br />

Aufsehen. Das „Funk<br />

Music“-Piece befand<br />

sich 1988 an der<br />

Rübenkamp-Brücke.<br />

W<br />

er Graffito sagt, hat sich schon geoutet“, sagt<br />

Mirko Reisser und lacht. Grammatikalisch ist<br />

das zwar korrekt. Aber kein Mensch aus der<br />

Szene rede so. „Wir sagen: ein Graffiti,<br />

mehrere Graffitis.“ Reisser weiß das. Der heute 50-Jährige<br />

hat mit 18 Jahren erstmals eine Sprühdose in die Hand genommen.<br />

Von den Graffitis, die er unter seinem Pseudonym<br />

DAIM macht, kann er schon lange leben. „Aber um mich<br />

geht es hier ja heute nicht“, bremst Reisser Fragen nach<br />

seiner Person sanft ab. Lieber will er über das Buch reden,<br />

das auf einem großen Tisch vor ihm liegt: ein dicker Wälzer<br />

mit Tausenden von Abbildungen, 3,7 Kilo schwer und so<br />

sperrig, dass er jeden normalen Briefkasten sprengen würde.<br />

Rund 425.000 Fotos, Negative, Dias und Skizzen hat<br />

Mirko Reisser mit seinen Kollegen Oliver „Davis“ Nebel,<br />

Frank Petering und Andreas „Cario“ Timm dafür gesichtet.<br />

Sie haben 800 Zeitungsartikel gelesen, genau 45.561 Euro<br />

über Crowdfunding gesammelt und viele der „alten Leute“<br />

56


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Nicht nur bunte Balken:<br />

Mit Meinungsgraffitis wurden<br />

politische Inhalte transportiert –<br />

gern auch auf gut sichtbaren<br />

Häuserwänden wie hier<br />

an der Hafenstraße.<br />

FOTO: ANDRÉ LÜTZEN<br />

FOTO: MARILY STROUX<br />

„Eine Stadt<br />

braucht kreative<br />

Freiräume.“<br />

MIRKO REISSER<br />

aufgespürt, wie Reisser sie nennt. Fünf Jahre hat das gedauert.<br />

Aber die Herausgeber wollten nicht nur einen weiteren<br />

Graffiti-Bildband auf den Markt werfen, sondern Graffiti als<br />

kulturgeschichtliches Phänomen erklären – und damit ein breites<br />

Publikum ansprechen. Das ist Reisser wichtig: „Das Buch<br />

ist für jedermann und jedefrau, nicht nur für die Szene.“<br />

Deshalb kommen neben damals aktiven Graffiti-<br />

Writer:innen, Szenekenner:innen und Magazinredakteuren<br />

auch ein Soziologe und eine Architekturhistorikerin zu Wort.<br />

„Graffiti ist ja nicht plötzlich in einem luftleeren Raum<br />

entstanden. Das hat ganz viel mit der Stadt und ihren Freiräumen<br />

zu tun“, erklärt Reisser. Er meint nicht nur die<br />

Brachflächen, von denen es früher viel mehr gab als heute<br />

(eindrucksvoll durch bisher unveröffentlichte Fotos dokumentiert),<br />

sondern auch politische und kulturelle Freiräume: „Das<br />

‚Ahoi‘ in der Hafenstraße war ein ganz wichtiger Ort der<br />

Sozialisierung. Oder auch das ‚Otto‘“, sagt Reisser über die<br />

Kneipen im Umfeld der ehemals besetzten Häuser. „Solche<br />

57


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>346</strong>/DEZEMBER <strong>2021</strong><br />

FOTO: FEDOR WILDHARDT<br />

Made in Hamburg: Die Graffiti-Writer<br />

CanTwo und Jase alias „Crime Partners“<br />

posieren 1988 im Rapper-Stil vor ihren<br />

Pieces in Halstenbek (oben).<br />

Vollgetaggte Wartehäuschen am<br />

S-Bahnhof Langenfelde.<br />

FOTO: WERNER „MR.W“ SKOLIMOWSKI<br />

58<br />

Räume braucht eine Stadt, sonst entsteht auch nichts<br />

Neues, sonst entsteht auch keine Kreativität.“ Ebenso wie<br />

Kampnagel: „Das war ein Ort, wo Graffiti geduldet wurde.<br />

Man konnte da sprühen am Tag und niemanden hat es<br />

gestört“, erzählt Reisser.<br />

Stadt und Polizei reagierten weniger entspannt auf das<br />

neue Phänomen, das aus den USA herübergeschwappt war:<br />

1988 gründete die Bahnpolizei die SOKO Graffiti. Deren<br />

damaliger Leiter Bodo Claußen wird mit den Worten zitiert:<br />

„Wir wussten nur, dass auf einmal die Wände bunt waren.<br />

Aber welche Kultur das war, woher das kam, das wussten<br />

wir zu der Zeit noch nicht.“ Wer erwischt wurde, musste<br />

mit Geldstrafen wegen Sachbeschädigung zwischen 800<br />

und 2000 D-Mark rechnen. Rigoros ging man auch gegen<br />

die S-Bahn-Surfer vor, aus Sorge vor dem Nachahmungseffekt,<br />

nachdem erste Jugendliche die Mutprobe nicht<br />

überlebt hatten.<br />

„Der normale Spießer sah nur Schmiererei“<br />

Doch die Kriminalisierung der Graffitiszene war nur eine<br />

Seite. Von Anfang an bekamen die Sprayer auch viel Unter-


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

stützung. „Clubbesitzer haben Graffiti entdeckt und gesagt:<br />

‚Hey, ich habe hier eine Disco, die will ich modern gestalten,<br />

da hole ich mir doch ein paar Graffiti-Jungs.‘“ Mädchen<br />

und junge Frauen waren tatsächlich eine Minderheit in der<br />

Szene. Die Hamburger Verkehrsbetriebe und die Stadt<br />

luden Sprüher:innen gar zu Wettbewerben und Kunstaktionen<br />

ein. „Man wollte die Energie in geordnete Bahnen<br />

umleiten“, erklärt Reisser. Bereits 1986 ließ die Kulturbehörde<br />

das neue Phänomen wissenschaftlich von der<br />

Geschichtswerkstatt Barmbek untersuchen. „Das war<br />

damals schon wahnsinnig gut recherchiert, und auch die<br />

Schlüsse, die daraus gezogen wurden, sind heute absolut<br />

„Graffiti lebt<br />

von der<br />

Gemeinschaft.“<br />

MIRKO REISSER<br />

gültig“, lobt Reisser. Man habe die unterschiedlichen<br />

Strömungen erkannt: auf der einen Seite die politischen<br />

Graffitis aus dem Punk, bei denen die Message im Vordergrund<br />

steht. Auf der anderen die figurativen Graffitis, bei<br />

denen es eher um Technik und Ästhetik geht.<br />

Natürlich habe es „den normalen Spießer“ gegeben, für<br />

den Graffiti nur Schmiererei war. Reisser: „Die Standardfrage<br />

war: ‚Was sind das denn für bunte Balken?‘“ Doch in<br />

Hamburg, anders als etwa in München, hätten die Menschen<br />

früh unterscheiden können zwischen „Schmiererei im Auge<br />

des Betrachters und Kunst“, sagt Reisser. Wie der Besitzer<br />

des Farbgeschäfts Tapeten Hesse in Langenhorn. Er bot den<br />

Sprühern die dringend benötigten, aber für sie viel zu teuren<br />

Dosen zum vergünstigten Preis an und wurde so schnell zum<br />

Dealer des Vertrauens.<br />

„Eine Stadt wird bunt“ enthält viele solcher Anekdoten.<br />

Eine aber steht nicht in dem Buch. Mirko Reisser erzählt sie,<br />

bevor er sich verabschiedet. „Wir haben uns früher immer an<br />

einem Corner getroffen – aber wir haben nicht gecornert“,<br />

sagt er und lacht. „Dieser Begriff ist erst heute üblich.“ •<br />

Fotograf: Dmitrij Leltschuk, Gestaltung: grafikdeerns.de<br />

Foto: Oliver Fantitsch<br />

simone.deckner@hinzundkunzt.de<br />

Hamburgs Graffiti-Geschichte:<br />

„Eine Stadt wird bunt. Hamburg Graffiti History 1980–1999“,<br />

Hrsg.: Oliver „Davis“ Nebel, Frank Petering, Mirko Reisser und<br />

Andreas „Cario“ Timm, Double-H (Eigenverlag), 560 Seiten,<br />

über 1300 farbige und schwarz-weiße Abbildungen, 69,90 Euro.<br />

Wir verlosen drei Bücher unter allen, die bis zum<br />

29. <strong>Dezember</strong> <strong>2021</strong> eine E-Mail an info@hinzundkunzt.de<br />

schicken. Kennwort im Betreff: Eine Stadt wird bunt.<br />

Mehr Infos: www.einestadtwirdbunt.de<br />

59<br />

Kalender 2022:<br />

Freunde auf vier Pfoten<br />

Obdachlose haben oft niemanden außer dem Hund an<br />

ihrer Seite. Wir haben mit unseren Verkäufer:innen über<br />

ihre besten Freunde gesprochen. Dmitrij Leltschuk hat<br />

tolle Fotos gemacht. Den Kalender gibt es in unserem<br />

Shop und bei unseren Hinz&Künztler:innen.<br />

Für 6,80 Euro<br />

Davon 3,40 Euro für<br />

unsere Verkäufer:innen


Kult<br />

Tipps für den<br />

Monat <strong>Dezember</strong>:<br />

nicht alle gemütlich, nicht<br />

alle weihnachtlich<br />

Ein Fest<br />

für alle<br />

„Frö-hö-liche Weihnacht überall …“ mit Weihnachtsliedern und<br />

Kerzenschein? Nicht jeder kann oder mag die Weihnachtszeit so<br />

feiern. Unsere Kultur-Tipps sind daher kunterbunt verpackt.<br />

„Liebe Genossen!“<br />

So lautet der Titel des Eröffnungsfilms beim<br />

Hamburger Deutsch-Russischen Kinoforum<br />

„KinoHafen“ im Metropolis. Regisseur Andrei<br />

Konchalovsky erinnert an die erbarmungslose<br />

Niederschlagung des Arbeiteraufstands in<br />

Nowotscherkassk 1962. Ein blutiges Kapitel<br />

sowjetischer Geschichte, das viele gern vergessen<br />

machen würden. Der 2020 gedrehte<br />

Film bekommt durch die Schwarz-Weiß-Optik<br />

eine gewisse historische Distanz, doch<br />

Anspielungen auf die Gegenwart sind nicht zu<br />

übersehen. Der gelungene Balanceakt Konchalovskys<br />

wurde beim Filmfestival in Venedig<br />

ausgezeichnet und ging bei den Oscars ins<br />

Rennen. Fünf weitere aktuelle Kinofilme und<br />

ein zweiteiliger Kurzfilmwettbewerb stehen für<br />

das lange Wochen ende auf dem Programm,<br />

übrigens alle im Original mit Untertiteln.<br />

Im Foyer zeigt die in Hamburg lebende Malerin<br />

Helen Shulkin in Kooperation mit der Initiative<br />

„New Belarus Art“ ihre Werke. Sie ist in<br />

Weißrussland geboren, hat in Minsk/<br />

Belarus, Kunst studiert. 2015 ist sie<br />

nach Deutschland übergesiedelt. Ihre<br />

neuesten Sujets zeigen die Gegend um<br />

die Elbbrücken: Architektur, fast<br />

surrealistisch, in poppigen Farben<br />

umgesetzt. Beim Konzert zur<br />

Eröffnung des Festivals spielen<br />

Olga Maschanskaja (Geige) und Elena<br />

Gromyko (Klavier) und widmen die Musik der<br />

„stillen Schönheit und dem verzweifelten Mut<br />

des Landes Belarus“. Berührend!<br />

•<br />

Metropolis, Kleine Theaterstraße 10, Fr, 3.12.,<br />

Eröffnungskonzert 19.30 Uhr, bis Mo, 6.12.,<br />

Tickets 10/5 Euro, hamburger-kinoforum.de<br />

Weihnachtliches Benefizkonzert<br />

zugunsten von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

Die Kirchengemeinden der zwei Hauptkirchen St. Jacobi und<br />

St. Petri laden am Nikolaustag ein zum vorweihnachtlichen<br />

Festkonzert: Gerhard Löffler (im Foto links), Kantor und<br />

Organist an St. Jacobi, lässt bei Kerzenschein die weltberühmte<br />

Arp-Schnitger-Orgel mit adventlichen Werken von<br />

J. S. Bach und Norddeutschen Meistern für eine halbe<br />

Stunde erklingen. Dann geht es zu Fuß rüber in die Kirche<br />

St. Petri, wo Kirchenmusikdirektor Thomas Dahl die Orgel<br />

spielt, improvisiert und Zuhörer:innenwünsche erfüllt. •<br />

Beginn in St. Jacobi, Jakobikirchhof 22, Mo, 6.12., 18 Uhr.<br />

Eintritt frei. Wir freuen uns über Spenden: www.hinzundkunzt.de<br />

FOTOS: FILMS BOUTIQUE, MIGUEL FERRAZ, DEUTSCHE KINEMATHEK, DREYSSE.COM, SUSANNA WENGELER<br />

60


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Brennende Betten<br />

Heiß begehrter Wohnraum im Schanzenviertel – war schon 1987 ein<br />

Thema. Das inspirierte Regisseurin und Hauptdarstellerin Pia Frankenberg<br />

zu diesem Film: Sie als Gina und Rockstar Ian Dury als Harry<br />

geben sich bei der Wohnungssuche als zweckoptimiertes Paar aus,<br />

aber schnell bekommen sie ein ziemlich explosives Problem. Unvermeid<br />

liche Liebhaber:innen gehen Ein und Aus und zündeln das Feuer<br />

der Eifersucht. „Brennende Betten“ lebt von der herrlichen 80s-Atmosphäre<br />

Hamburgs und läuft beim jährlichen Gemeinschaftsprojekt der<br />

Arthouse- und Programmkinos „Eine Stadt sieht einen Film“.<br />

•<br />

In den Arthouse-Kinos der Stadt, auf 16 Leinwänden von Alabama<br />

bis Zeise, So, 12.12., www.eine-stadt-sieht-einen-film.de<br />

Pony Royale:<br />

The Lucky Riders<br />

Bühne frei für die brandneue Hamburger Indie-<br />

Pop-Band „Pony Royale“. Seinen ersten Aufritt<br />

absolviert das Trio in der legendären Astra Stube.<br />

Die drei Herren sind in der Hamburger Musikszene<br />

alte Bekannte: Thomas Mydlach war vor<br />

gut 20 Jahren Singer/Songwriter der Hamburger-<br />

Schule-Band „Camping“ und hat „Pony Royale“<br />

im Frühjahr 2020 gegründet. Tilmann Zuper spielt<br />

das Schlagzeug (auch ehemals bei „Camping“ und<br />

„Achtung! Kabel“) und Ronald Strehl den Bass<br />

(ehemals „Zuhause“). Pandemiebedingt konnten sie<br />

mit ihrem neuen Bandprojekt<br />

zunächst nicht<br />

auftreten, haben die<br />

Zeit aber genutzt und<br />

fleißig geprobt. Mit<br />

Indie-Gitarrenpop<br />

und etwas raueren<br />

60er-Sounds erwarten<br />

sie ihr Publikum –<br />

glücklich, endlich<br />

live zu spielen. •<br />

Astra Stube,<br />

Max-Brauer-Allee 200,<br />

Fr, 10.12., 20.30 Uhr,<br />

13,60 Euro,<br />

www. ponyroyale.de<br />

Gehen ein Bär, ein Dachs und<br />

ein Goldfisch in den Wald …<br />

„Unten breit und oben spitz muss er sein. Nicht zu groß und nicht zu klein.<br />

Und dunkelgrün leuchten soll er.“ Drei Freunde haben eine ziemlich genaue<br />

Vorstellung vom perfekten Weihnachtsbaum, als sie sich auf die Suche in den<br />

verschneiten Wald begeben. Nur mit Bauer Hackenpiep haben sie nicht gerechnet.<br />

Der will auch Weihnachten feiern und fast hätte er ihnen den schönsten<br />

Baum vor der Nase weggeschnappt – aber so schnell geben sich die Freunde<br />

nicht geschlagen: Dr. Brumm, der promovierte Bär, Dachs, der Dachs, und<br />

Pottwal, der Goldfisch, sind die bezaubernden Schöpfungen des Autors und<br />

Illustrators Daniel Napp (Foto). Sein Kinderbuchklassiker „Dr. Brumm feiert<br />

Weihnachten“ wird am Freitagnachmittag vor dem vierten Advent im<br />

Sasel-Haus Kindern ab vier Jahren vorgelesen.<br />

•<br />

Sasel-Haus, Saseler Parkweg 3, Fr, 17.12., 15.20 Uhr und 16.15 Uhr,<br />

kostenlos, Spende erbeten. Anmeldung unter kinderleseclub@saselhaus.de<br />

61


Spitzen-Tanz<br />

John Neumeier bringt mit seinem Hamburg Ballett das Weihnachtsoratorium<br />

I-VI auf die Bühne des Großen Hauses. Das Stück passt<br />

wie die Gans – oder der vegane Braten – zum Festtagsschmaus, denn<br />

das Oratorium von Johann Sebastian Bach fügt sich wunderbar in<br />

die Adventszeit ein. Es verbindet Andacht und pulsierende Energie,<br />

Eleganz und spontane Lebendigkeit. Neumeier choreographiert eine<br />

zeitlose Geschichte über Vertrauen und Zuversicht, innere Einkehr<br />

und universelle Freude, alles Dinge, die man gerade nach den vergangenen<br />

Monaten brauchen kann. Über drei Stunden dauert dieses<br />

tänzerische Meisterwerk, das seine Uraufführung bereits 2013 in<br />

Hamburg feierte. Den Sopran-Part übernimmt Marie-Sophie Pollak,<br />

den Tenor gibt Manuel Günther und Gianluca Capuano trägt die<br />

musikalische Leitung des Philharmonischen Staatsorchesters und des<br />

Staatsopernchors. Ein Weihnachtsvergnügen der Spitzenklasse. •<br />

Opernhaus, Dammtorstr. 28, Do, 23.12., 19 Uhr, Sa, 25.12., 18 Uhr, Mo,<br />

27.12., 19 Uhr, Sa, 1.1.22, 18 Uhr, Eintritt: ab 15 Euro, hamburgballett.de<br />

Sammelsurium<br />

Das Museum für Kunst & Gewerbe (MK&G) zeigt in seiner Ausstellung „Poster und Papierkram. Ein Glossar<br />

des Sammelns“, wie aus einzelnen Objekten (zum Beispiel die Dom-Werbegrafik links) überhaupt erst<br />

eine Sammlung entsteht. Wer entscheidet eigentlich, was gesammelt wird?<br />

Und wie? Denn so viel ist klar: Ohne Struktur und Masterplan ist eine Sammlung<br />

nur eine Ansammlung von Objekten. Am Beispiel der Sammlung „Grafik und<br />

Plakat“ lädt die Ausstellung die Besucher:innen ein, spielerisch stöbernd einen<br />

Blick hinter die Kulissen zu werfen. Entlang von Schlagwörtern wie „Auswahl“,<br />

„Budget“, „Lücken“ oder „Handschuhe“ verbindet sie Historisches mit zeitgenössischen<br />

Fragen und macht die Menschen, Wünsche, Umstände und Praktiken<br />

greifbar, die diese Sammlung prägen. Zugleich schaut das MK&G selbst<br />

zurück auf 150 Jahre Sammelleidenschaft.<br />

•<br />

MK&G, Steintorplatz, bis So, 6.3.22, Eintritt: 12/8 Euro, mkg-hamburg.de<br />

62


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Der gestiefelte Kater<br />

Marionettenspieler Thomas Zürn, auch genannt „Gepetto<br />

des Nordens“, ist, so scheint’s, ein Meister der Puppenführung.<br />

Zusammen mit Komponistin Christine Brückner<br />

und seinem Ensemble präsentiert er im stilvollen Ambiente<br />

des klassizistischen Jenisch Hauses ein poetisches Puppenspiel für Kinder und<br />

Erwachsene. Dessen Inhalt orientiert sich an den Gebrüdern Grimm: Mit seinem<br />

letzten Geld schenkt ein armer Müllerssohn seinem scheinbar gänzlich nutzlosen<br />

Kater ein paar Stiefel und sein Vertrauen. Der zeigt ihm den Weg ins große Glück.<br />

Eine Stunde Märchenspaß mit Retro-Feeling für Menschen ab vier Jahre.<br />

•<br />

Jenisch Haus, Baron-Voght-Straße 50, 18.–30.12., immer Sa und So,14.30 Uhr<br />

und 16.30 Uhr, Eintritt: 20/15 Euro, marionetten-spieler.de<br />

Fettes Fest<br />

Konrad Stöckel zelebriert Weihnachten<br />

wieder im ganz fetten Stil<br />

– und lädt dazu alle komischen<br />

Kreativen ein, die er im Laufe<br />

des Jahres bei seinen zahlreichen<br />

Auftritten kennengelernt hat.<br />

Die weihnachtliche Vorsause<br />

im Schmidt’s für Festtagsliebhabende<br />

und -fürchtende. •<br />

Schmidt Theater, Spielbudenplatz 21-22,<br />

Do, 23.12., 19.30 Uhr, Eintritt: ab 19,80<br />

Euro, www.tivoli.de<br />

Tanz’ die Weihnacht’<br />

Seit 34 Jahren bringt die X-Mas Reggae Show<br />

karibische Beats in die Hamburger Weihnachtsnacht.<br />

In diesem Jahr schauen die Macher:innen<br />

zurück auf mehr als drei Jahrzehnte Show mit<br />

Livemusik am Heiligen Abend.<br />

Fabrik, Barnerstr. 36, Fr, 24.12., 22 Uhr,<br />

Eintritt (VVK): 25 Euro, www.fabrik.de.<br />

Wir verlosen fünf mal zwei Eintrittskarten.<br />

Schreiben Sie uns bis zum 17.12. an<br />

info@hinzundkunzt.de, Betreff: Reggae<br />

FOTOS: KIRAN WEST, MK&G, STEFAN FUNK, JULIA ZENK, HORST WARNEYER, HEIKE BOGENBERGER<br />

Die Sinnsuchende<br />

Das Hamburger Sprechwerk bringt mit „Das Pferd will eine Elfe sein“<br />

das berührende Psychogramm der Tänzerin Victoria-Marie auf die<br />

Bühne, deren Traum von der Primaballerina Assoluta in der Wirklichkeit<br />

keinen Platz mehr hat: Scheitern von Träumen, Kampf gegen<br />

das vermaledeite Altern, dem keiner und keine entkommen kann.<br />

In einem fiktiven Dialog lässt uns Schauspielerin Christa Krings an<br />

ihren Gedanken teilhaben – und an der Erkenntnis, dass Hoffnung<br />

die größte Triebfeder im Leben sein kann. •<br />

Hamburger Sprechwerk, Klaus-Groth-Straße 23,<br />

Mi, 22.12., 20 Uhr, Eintritt: 19,40/12,80 Euro,<br />

https://sprechwerk.hamburg<br />

Verpasste Chancen<br />

„Was wäre wenn“, fragt<br />

sich Lizzie Doron in ihrem<br />

gleichnamigen Roman.<br />

Wäre aus Lizzie und Yigal<br />

ein Liebespaar geworden,<br />

wäre er nicht in syrische<br />

Kriegsgefangenschaft geraten?<br />

Jahrzehnte vergehen,<br />

bis Yigal sich eines Tages<br />

wieder bei Lizzie meldet.<br />

Lesung mit Gespräch. •<br />

Jüdischer Salon,<br />

Grindelhof 59, Mi, 15.12.,<br />

19.30 Uhr, Eintritt 10/5 Euro,<br />

www.salonamgrindel.de<br />

63


Leselounge<br />

#2<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>346</strong>/DEZEMBER <strong>2021</strong><br />

Auf ein Getränk mit …<br />

Andreas Moster<br />

Der Hamburger Literaturpreisträger<br />

verrät Kolumnistin Nefeli Kavouras, warum er<br />

viel Geld in Americano investiert.<br />

Wäre es möglich, sich seine Nachbarn<br />

selbst auszuwählen, so wäre Andreas<br />

Moster ein fabelhafter Kandidat. Nahbar<br />

wirkt er im Gespräch und doch zurückhaltend<br />

genug, als stünde er hinter<br />

einem hölzernen Gartenzaun und würde<br />

einem morgens zuwinken.<br />

Um Nachbarschaft geht es unter<br />

anderem in seinem jüngsten Roman<br />

„Kleine Paläste“, der im vergangenen<br />

Monat mit dem Hamburger Literaturpreis<br />

ausgezeichnet worden ist. Allerdings<br />

wird das Thema Nachbarschaft<br />

dort nicht wohlwollend behandelt. Der<br />

Autor, der in einer pfälzischen Kleinstadt<br />

aufwuchs, ist vor allem vom Nähe-<br />

Distanz-Verhältnis zwischen Nachbarn<br />

fasziniert. So fragt er sich: „Was glaubt<br />

man denn zu verlieren, wenn die Nachbarn<br />

eben nicht die gute Fassade sehen?<br />

FOTOS: IMKE LASS<br />

Warum wäre der Blick hinter die Fassade<br />

so schlimm?“<br />

Ich treffe den Autor unweit seiner<br />

Wohnung auf sein Wunschgetränk:<br />

schwarzer Americano. Ungewohnt ist<br />

es für mich, ungesüßten Kaffee zu trinken,<br />

während Andreas mir gesteht, dass<br />

er Kaffee gar nicht wegen des Geschmacks,<br />

sondern vor allem der Wirkung<br />

wegen trinkt. Überhaupt ist Kaffee<br />

sein treuer Begleiter. Sein Arbeitszimmer<br />

ist eine Bäckereikette in einem<br />

Einkaufszentrum. Dort sitzt er wochentags<br />

in der Früh und schreibt an seinem<br />

Roman. Wir rechnen aus: Im Jahr gibt<br />

er in dieser Bäckerei etwa 450 Euro für<br />

Kaffee aus, „gut investiertes Geld“, findet<br />

Andreas. Wirklich viel Zeit hat der<br />

Vater von zwei Kindern fürs Schreiben<br />

nicht, obwohl die mittlerweile in seine<br />

Fußstapfen treten. „Meine 11-jährige<br />

Tochter hat schon 60 Seiten von ihrem<br />

Fantasyroman fertig, ich habe aktuell 65<br />

Seiten von meinem neuen Roman geschrieben“,<br />

erzählt er mir väterlich stolz –<br />

und ergänzt direkt, dass seine Tochter<br />

gerade an einer Schreibkrise leide. Seinen<br />

Tipp gegen Schreibkrisen teilt Andreas<br />

nicht nur mit ihr, sondern auch<br />

mit mir: „Versuch nicht an der Stelle, wo<br />

du hängengeblieben bist, weiterzuschreiben.<br />

Schreib woanders weiter.<br />

Und hör vor allem nicht einfach auf. Die<br />

Geschichte darf nicht plötzlich damit<br />

enden, dass ein Meteorit auf die Welt<br />

gekracht ist und alle gestorben sind.“<br />

Man merkt Andreas schnell an,<br />

dass er stets weiterschreiben muss. Er<br />

kann gar nicht anders. Schon als Schüler<br />

schrieb er heimlich im Lateinunterricht<br />

englische Metal-Songtexte. Doch<br />

er widerspricht dem Bild des Autors,<br />

der sich in den Rausch hineinschreibt.<br />

Wenn er von seinem Schreibprozess erzählt,<br />

wirkt der auf mich eher wie eine<br />

zähe Angelegenheit. „Aber dann gibt es<br />

auch Euphoriegefühle, wenn ich spüre,<br />

dass die Figuren etwas machen, was<br />

nicht ich, sondern der Text von ihnen<br />

verlangt. Dann wird es lebendig.“ Und<br />

während Andreas das erzählt, habe ich<br />

das Gefühl, dass ihn nicht der Kaffee<br />

wach macht, sondern das Sprechen<br />

über seine Schreibleidenschaft. •<br />

redaktion@hinzundkunzt.de<br />

Lesetipp von Andreas Moster:<br />

Der Horror-Roman „It“ von Stephen King.<br />

Er hat das Buch mehrfach im Sommer<br />

gelesen. Vor allem die Jugendlichen<br />

darin haben ihn fasziniert.<br />

64


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Rätsel<br />

Kunstsprung<br />

Bereitschaft<br />

zur Buße<br />

Delegation<br />

griechische<br />

Vorsilbe:<br />

Stern...<br />

lauter<br />

Zuruf<br />

Volk in<br />

Südostnigeria<br />

Schülersprache:<br />

logisch<br />

abrichten<br />

italienischer<br />

Barockmaler<br />

Blutsverwandter<br />

d. männl.<br />

Linie<br />

4<br />

1<br />

1<br />

3<br />

7<br />

5<br />

lateinisch:<br />

Wasser<br />

2<br />

1<br />

7<br />

5<br />

2<br />

3<br />

Nervenarzt<br />

Verbindungsbolzen<br />

3<br />

6<br />

8<br />

2<br />

5<br />

Wickeltuch<br />

gebundene<br />

Schreibblätter<br />

besitzanzeigendes<br />

Fürwort<br />

2<br />

4<br />

5<br />

7<br />

4<br />

9<br />

Lehrstoff<br />

für eine<br />

bestimmte<br />

Zeit<br />

deutscher<br />

Karikaturist,<br />

Komiker †<br />

7<br />

6<br />

5<br />

sehr<br />

flaches,<br />

rundes<br />

Brot<br />

5<br />

8<br />

4<br />

2<br />

7<br />

1<br />

weidmänn.:<br />

Hasenlager<br />

Namenshinweis<br />

am<br />

Eingang<br />

Stadt im<br />

östlichen<br />

Ruhrgebiet<br />

Behälter<br />

für Tierprodukte<br />

Elbe-<br />

Zufluss<br />

Magnetende<br />

Filmpreis<br />

in den<br />

USA<br />

Nervenzentrum<br />

6<br />

1<br />

9<br />

AR0909-1219_10sudoku<br />

6<br />

schwanz-<br />

papagei<br />

Gürtel<br />

um den<br />

Kimono<br />

großer<br />

Lang-<br />

Abk.: unbekanntes<br />

Flugobjekt<br />

Warthe-<br />

Zufluss<br />

in Polen<br />

Einbringen<br />

der Feldfrüchte<br />

angesehen,<br />

honett<br />

Wasser-<br />

maßlos,<br />

tiefen-<br />

messer<br />

ungeheuer<br />

Landkartensammlung<br />

in<br />

Buchform<br />

Inschrift<br />

am<br />

Kreuze<br />

Jesu<br />

Kurzform<br />

von:<br />

Eduard<br />

alpines<br />

Skirennen<br />

poetisch:<br />

Nadelwald<br />

einfarbig<br />

griechischer<br />

Buchstabe<br />

hinderliche<br />

Ungelegenheit<br />

amerikanischer<br />

Kuckuck<br />

Füllen Sie das Gitter<br />

so aus, dass die Zahlen<br />

von 1 bis 9 nur je einmal<br />

in jeder Reihe, in jeder<br />

Spalte und in jedem<br />

Neun-Kästchen-Block<br />

vorkommen.<br />

Als Lösung schicken<br />

Sie uns bitte die farbig<br />

gerahmte, unterste<br />

Zahlenreihe.<br />

Lösungen an: Hinz&<strong>Kunzt</strong>, Minenstraße 9, 20099 Hamburg,<br />

per Fax an 040 32 10 83 50 oder per E-Mail an info@hinzundkunzt.de.<br />

Einsendeschluss: 29. <strong>Dezember</strong> <strong>2021</strong>. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Wer die korrekte Lösung für eines der beiden Rätsel einsendet, kann<br />

zwei Karten für die Hamburger Kunsthalle gewinnen oder eines von drei<br />

Hamburger Jahrbüchern für Literatur „Ziegel“ (Mairisch Verlag).<br />

Das Lösungswort des November-Kreuzwort rätsels war: Blumenbeet.<br />

Die Sudoku-Zahlenreihe lautete: 517 238 469.<br />

9<br />

6<br />

10<br />

7<br />

4<br />

8<br />

6<br />

9<br />

7<br />

2<br />

10<br />

3<br />

121910 – raetselservice.de<br />

Impressum<br />

Redaktion und Verlag<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH<br />

Minenstraße 9, 20099 Hamburg<br />

Tel. 040 32 10 83 11, Fax 040 32 10 83 50<br />

Anzeigenleitung Tel. 040 32 10 84 01<br />

E-Mail info@hinzundkunzt.de, www.hinzundkunzt.de<br />

Herausgeber<br />

Landespastor Dirk Ahrens, Diakonisches Werk Hamburg<br />

Externer Beirat<br />

Prof. Dr. Harald Ansen (Armutsexperte HAW-Hamburg),<br />

Mathias Bach (Kaufmann),<br />

Dr. Marius Hoßbach (Korten Rechtsanwälte AG),<br />

Olaf Köhnke (Ringdrei Media Network),<br />

Karin Schmalriede (ehemals Lawaetz-Stiftung, i.R.),<br />

Dr. Bernd-Georg Spies (Spies PPP),<br />

Alexander Unverzagt (Medienanwalt), Oliver Wurm (Medienberater)<br />

Geschäftsführung Jörn Sturm<br />

Redaktion Annette Woywode (abi, CvD; V.i.S.d.P. für Gut&Schön,<br />

Schwerpunkt Inklusion, Bauen&Basteln, Freunde, Buh&Beifall, <strong>Kunzt</strong>&Kult),<br />

Jonas Füllner (jof, V.i.S.d.P. für Stadtgespräch, Weihnachten),<br />

Lukas Gilbert (lg, V.i.S.d.P. für die Momentaufnahme)<br />

Benjamin Laufer (bela), Simone Deckner (sim), Kirsten Haake (haa),<br />

Jochen Harberg (joc), Anna-Elisa Jokob (aej) Ulrich Jonas (ujo),<br />

Nefeli Kavouras (mnk), Misha Leuschen (ml),<br />

Regine Marxen (rem), Simone Rickert (sr)<br />

Online-Redaktion Benjamin Laufer (CvD), Jonas Füllner, Lukas Gilbert<br />

Korrektorat Christine Mildner, Kerstin Weber<br />

Redaktionsassistenz Cedric Horbach,<br />

Sonja Conrad, Anja Steinfurth<br />

Artdirektion grafikdeerns.de<br />

Öffentlichkeitsarbeit Sybille Arendt, Friederike Steiffert<br />

Anzeigenleitung Sybille Arendt<br />

Anzeigenvertretung Gerald Müller,<br />

Wahring & Company, Tel. 040 284 09 418, g.mueller@wahring.de<br />

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 25 vom 1. Januar <strong>2021</strong><br />

Vertrieb Christian Hagen (Leitung), Gabor Domokos,<br />

Meike Lehmann, Sergej Machov, Frank Nawatzki,<br />

Sigi Pachan, Elena Pacuraru, Reiner Rümke, Marcel Stein,<br />

Eugenia Streche, Cornelia Tanase, Silvia Zahn<br />

Spendenmarketing Gabriele Koch<br />

Spendenverwaltung/Rechnungswesen Susanne Wehde<br />

Sozialarbeit Stephan Karrenbauer (Leitung), Jonas Gengnagel,<br />

Isabel Kohler, Irina Mortoiu<br />

Das Stadtrundgang-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />

Chris Schlapp<br />

Das BrotRetter-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />

Stefan Calin, Fred Houschka, Mandy Schulz<br />

Das Team von Spende Dein Pfand am Airport Hamburg<br />

Stephan Karrenbauer (Leitung), Uwe Tröger,<br />

Klaus Peterstorfer, Herbert Kosecki<br />

Litho PX2 Hamburg GmbH & Co. KG<br />

Produktion Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />

Druck und Verarbeitung A. Beig Druckerei und Verlag,<br />

Damm 9–15, 25421 Pinneberg<br />

QR Code ist ein eingetragenes Warenzeichen von Denso Wave Incorporated<br />

Spendenkonto Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

IBAN: DE56 2005 0550 1280 1678 73<br />

BIC: HASPDEHHXXX<br />

Die Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH mit Sitz in Hamburg ist durch den aktuellen<br />

Freistellungsbescheid bzw. nach der Anlage zum Körperschaftssteuerbescheid<br />

des Finanzamts Hamburg-Nord, Steuernummer 17/414/00797,<br />

vom 15.3.<strong>2021</strong> für das Jahr 2019 nach § 5 Abs.1 Nr. 9 des Körperschaftssteuergesetzes<br />

von der Körperschaftssteuer und nach<br />

§ 3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes von der Gewerbesteuer befreit.<br />

Geldspenden sind steuerlich nach §10 EStG abzugsfähig. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist als<br />

gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH im Handelsregister beim<br />

Amtsgericht Hamburg HRB 59669 eingetragen.<br />

Wir bestätigen, dass wir Spenden nur für die Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

einsetzen. Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte<br />

weitergegeben. Beachten Sie unsere Datenschutzerklärung, abrufbar auf<br />

www.hinzundkunzt.de. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist ein unabhängiges soziales Projekt, das<br />

obdachlosen und ehemals obdachlosen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bietet.<br />

Das Magazin wird von Journalist*innen geschrieben, Wohnungslose und<br />

ehemals Wohnungslose verkaufen es auf der Straße. Sozialarbeiter*innen<br />

unterstützen die Verkäufer*innen.<br />

Das Projekt versteht sich als Lobby für Arme.<br />

Gesellschafter<br />

Durchschnittliche monatliche<br />

Druckauflage 4. Quartal <strong>2021</strong>:<br />

72.333 Exemplare<br />

65


Momentaufnahme<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>346</strong>/DEZEMBER <strong>2021</strong><br />

„ Jetzt ist alles gut!“<br />

Gabor, 43, arbeitet im Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Vertrieb.<br />

TEXT: LUKAS GILBERT<br />

FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

„Solange du ihn wieder zurückbringst,<br />

darfst du dir Gabor ausleihen“, ruft<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Vertriebsurgestein Siggi<br />

vor dem Interviewtermin schmunzelnd<br />

über den Verkaufstresen. Erst seit wenigen<br />

Monaten arbeitet Gabor fest angestellt<br />

im Vertrieb – und ist schon nicht<br />

mehr wegzudenken. Geboren wurde er<br />

1978 als Sohn einer Deutschen und<br />

eines Ungarn in Budapest. Sein Vater<br />

pendelte als Ingenieur durch die Welt,<br />

seine alkoholkranke Mutter je nach<br />

Pegel zwischen Hingabe und Gleichgültigkeit<br />

für ihre beiden Kinder.<br />

„Durch sie habe ich gelernt, was für eine<br />

schreckliche Krankheit Alkoholismus<br />

ist“, sagt Gabor heute ohne Groll.<br />

„Dadurch verstehe ich Menschen mit<br />

Alkoholproblemen besser.“ In Alkoholkranke<br />

hineinversetzen kann er sich<br />

aber auch aus eigener Erfahrung.<br />

Nach Schule und Wehrdienst in<br />

Ungarn ging es für Gabor zunächst<br />

nach Innsbruck. Das war nicht weit weg<br />

und bot die Möglichkeit, seine Deutschkenntnisse<br />

aufzubessern. Er arbeitete<br />

erst in einem Café, dann in einem Gemüsegroßhandel.<br />

Zurück in der Heimat<br />

fehlte dem damals Anfang 20-Jährigen<br />

die Motivation. „Ich habe rumgegammelt.“<br />

Gemeinsam mit dem Vater entwickelt<br />

er eine fixe Idee: ab nach Hamburg.<br />

Die Stadt kannte der Vater von<br />

seinen Reisen, und in Deutschland sollte<br />

es Jobs geben. Die deutsche Staatsbürgerschaft,<br />

die Gabor durch seine Mutter<br />

besaß, war ein weiteres Argument.<br />

Er fand ein Zimmer in einer Pension<br />

auf der Reeperbahn, später in einer Gemeinschaftswohnung,<br />

hatte aber mehr<br />

Spaß in Kneipen als bei der Jobsuche.<br />

In den folgenden Jahren trank er viel,<br />

machte immer mal wieder Gelegenheitsjobs<br />

– und landete, nachdem er im Streit<br />

mit seiner damaligen Freundin über<br />

seine Trinkerei die gemeinsame Wohnung<br />

verließ, plötzlich auf der Straße.<br />

Es war Sommer und Gabor richtete<br />

sich auf einer Parkbank in einer Kleingartenanlage<br />

ein. Nicht erreichbar<br />

sein, keine Verpflichtungen – obdachlos<br />

zu sein klang für ihn in diesem Moment<br />

nach Freiheit. Ein Irrtum: „Duschen,<br />

Wäsche waschen, essen und so weiter:<br />

Da muss man sich wirklich gut organisieren.“<br />

Umso schwieriger sei das<br />

mit einem Alkoholproblem. „Und auch<br />

zur Ruhe kommt man nicht. Das ist das<br />

Schlimmste.“<br />

Ein paar Monate ging das so, bis<br />

sich Gabor aufraffen konnte und mithilfe<br />

des Amts eine Wohnung fand. Er<br />

hielt sich weiter mit Gelegenheitsjobs<br />

über Wasser und lernte den heutigen<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Stadtführer Chris kennen,<br />

über den er schließlich mit dem<br />

Magazinverkauf begann. Als vor etwa<br />

einem Jahr eine Stelle als Vertriebsmitarbeiter:in<br />

bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> ausgeschrieben<br />

war, musste er nicht lange<br />

über legen und bewarb sich. Mit Erfolg.<br />

Die Arbeit macht ihm Spaß. Sie gibt<br />

ihm die Struktur, die er in all den Jahren<br />

vermisst hat und die ihm hilft, vom<br />

Alkohol wegzubleiben: „Das ist ganz<br />

wichtig für mich.“<br />

Halt gibt ihm außerdem seine<br />

Freundin Franzi, mit der er seit mehr als<br />

einem Jahr zusammen ist – und mit der<br />

Gabor mittlerweile in einer gemeinsamen<br />

Wohnung in Eppendorf wohnt. Für ihn<br />

das absolute Glück, wie er strahlend erzählt:<br />

„Jetzt ist wirklich alles gut.“ •<br />

lukas.gilbert@hinzundkunzt.de<br />

66


Das neue Buch von Raúl Krauthausen<br />

und Benjamin Schwarz gibt Anstöße<br />

Wer die Welt verändern will, braucht mutige Aktivist:innen.<br />

Die beiden Autoren sprechen über ihre Erfahrungen u. a.<br />

mit Luisa Neubauer, Tupoka Ogette, Gerhard Schick und<br />

Margarete Stokowski. Ein Buch, das viel bewegen wird.<br />

Foto: David Ausserhofer<br />

Erhältlich in allen Buchhandlungen.<br />

www.edition-koerber.de<br />

editionkoerber


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