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forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2014: Voll transparent, voll engagiert

Schwerpunktthema: Sustainable Entrepreneurship In Deutschland sprießen nachhaltigkeits- und sozialorientierte Start-ups aus dem Boden. Doch wie sieht eigentlich der ideale Sustainable Entrepreneur aus? Wie wird aus einer guten Idee ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen? Und warum ist Storytelling so wichtig? Diese und andere Fragen beantwortet diese Ausgabe von forum Nachhaltig Wirtschaften. Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus hat eine weltweite Bewegung initiiert, das Social Business, und immer mehr Menschen möchten durch unternehmerisches Handeln soziale, ökologische und kulturelle Probleme lösen. Nicht mehr der Ruf nach dem Staat, sondern Kreativität, Unternehmertum und gemeinsame Initiative sind das Kennzeichen dieser neuen Bewegung. "Man braucht eine Vision und viel Durchhaltevermögen, auch wenn der Kühlschrank am Montagmorgen mal leer ist", beschreibt der Nachhaltigkeitsguru Prof. Dr. Stefan Schaltegger vom Center for Sustainable Management die Herausforderung für Gründer. Für ihn ist klar, dass sie auf ihrem steinigen Weg zum Erfolg Ellenbogen einsetzen und Mut zum Risiko beweisen müssen. Für den intensiven Dialog als ersten Schritt der Bedürfnisbefriedigung des Kunden plädiert Prof. Dr. Günter Faltin, der Initiator des Entrepreneurship Summits und legendäre Gründer der Teekampagne. In forum debattiert er mit Uwe Lübbermann von Premium Cola über die Eigeninitiative junger Menschen, innovative Ideen und darüber, wie sinnvoll Outsourcing für junge Unternehmen ist. Woher das Kapital für nachhaltige Start-ups kommt, erklärt Autorin Ellinor Dienst von FASE - der ersten deutschen Finanzierungsagentur für Sozialunternehmen. Fairer Kaffee, Elektroflitzer, Impact Hub oder Langzeitwärmespeicher: Je komplexer ein Produkt ist, desto länger sollte der finanzielle Atem der Gründer sein. Über das Geldsammeln im Netz kursieren bereits legendäre Erfolgsstories, doch Oliver Gajda vom European Crowdfunding Network warnt: "Es gibt keine guten Crowdfunding Plattformen." Er verrät weiterhin worauf man beim Funden achten muss und welche Projekte im Netz Erfolg versprechend sind.

Schwerpunktthema: Sustainable Entrepreneurship
In Deutschland sprießen nachhaltigkeits- und sozialorientierte Start-ups aus dem Boden. Doch wie sieht eigentlich der ideale Sustainable Entrepreneur aus? Wie wird aus einer guten Idee ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen? Und warum ist Storytelling so wichtig? Diese und andere Fragen beantwortet diese Ausgabe von forum Nachhaltig Wirtschaften.

Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus hat eine weltweite Bewegung initiiert, das Social Business, und immer mehr Menschen möchten durch unternehmerisches Handeln soziale, ökologische und kulturelle Probleme lösen. Nicht mehr der Ruf nach dem Staat, sondern Kreativität, Unternehmertum und gemeinsame Initiative sind das Kennzeichen dieser neuen Bewegung.
"Man braucht eine Vision und viel Durchhaltevermögen, auch wenn der Kühlschrank am Montagmorgen mal leer ist", beschreibt der Nachhaltigkeitsguru Prof. Dr. Stefan Schaltegger vom Center for Sustainable Management die Herausforderung für Gründer. Für ihn ist klar, dass sie auf ihrem steinigen Weg zum Erfolg Ellenbogen einsetzen und Mut zum Risiko beweisen müssen.
Für den intensiven Dialog als ersten Schritt der Bedürfnisbefriedigung des Kunden plädiert Prof. Dr. Günter Faltin, der Initiator des Entrepreneurship Summits und legendäre Gründer der Teekampagne. In forum debattiert er mit Uwe Lübbermann von Premium Cola über die Eigeninitiative junger Menschen, innovative Ideen und darüber, wie sinnvoll Outsourcing für junge Unternehmen ist.

Woher das Kapital für nachhaltige Start-ups kommt, erklärt Autorin Ellinor Dienst von FASE - der ersten deutschen Finanzierungsagentur für Sozialunternehmen. Fairer Kaffee, Elektroflitzer, Impact Hub oder Langzeitwärmespeicher: Je komplexer ein Produkt ist, desto länger sollte der finanzielle Atem der Gründer sein. Über das Geldsammeln im Netz kursieren bereits legendäre Erfolgsstories, doch Oliver Gajda vom European Crowdfunding Network warnt: "Es gibt keine guten Crowdfunding Plattformen." Er verrät weiterhin worauf man beim Funden achten muss und welche Projekte im Netz Erfolg versprechend sind.

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Forum<br />

EUR 7,50 (D) | EUR 8,- (A) | CHF 12,50 | www.<strong>forum</strong>-csr.net <strong>02</strong>/<strong>2014</strong><br />

ISSN 1865-4266<br />

<strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong><br />

Das Entscheider-Magazin<br />

Unter Strom<br />

Was Gründer wirklich brauchen<br />

Special Mobilität & Logistik<br />

Die Lkw-Branche holt auf<br />

Mit der Kraft des Islam<br />

Rüdiger Nehberg kämpft für Frauen<br />

Neu: Das Heft im Heft<br />

Wir – Menschen im Wandel<br />

VOLL TRANSPARENT, VOLL ENGAGIERT:<br />

Sustainable Entrepreneurship in Deutschland


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EDITORIAL<br />

Leider geil<br />

Von Tina Teucher<br />

Was sind das nur für Ignoranten, die Auto fahren, Käse<br />

essen und ein Smartphone haben? Die wissen doch genau:<br />

schlecht für das Klima, schlecht für die Umwelt, schlecht für<br />

das Karma – doch: „Leider geil“. Irgendwo in diesem Lied<br />

der Gruppe „Deichkind“ erkennt sich jeder wieder. Und die<br />

Band, die für ihre verstörenden Auftritte und Texte bekannt<br />

ist, packt ihre Zuhörer am Kragen: Tu doch nicht so, Du magst<br />

es doch auch, sie sind ein Teil von Dir!<br />

Stimmt wohl, selbst der ökigste Öko und die sozialste Soziale<br />

leben manchmal einfach bewusst unbewusst. Ein eigenes<br />

Haus im Grünen, <strong>forum</strong> in Papierform, die Reise nach Südamerika?<br />

Leider geil.<br />

Doch auch immer mehr Business Punks, die auf die Umwelt<br />

pfeifen, stellen fest: Elektrofahrräder, vegane Starkoch-Rezepte,<br />

Ethical Fashion: Gar nicht so schlecht. Denen machen<br />

wir es mit dieser Ausgabe noch schwerer. Denn sie stellt<br />

viele inspirierende Pioniere, trendige Start-ups und saubere<br />

Trucks vor, die – leider! – alles andere als uncool sind. Muhammad<br />

Yunus schlägt nach seinem Erfolg mit der Grameen<br />

Bank eine eigene Börse für Sozialunternehmen vor (S. 28).<br />

Die Crowd investing-Plattform bettervest sammelt Geld von<br />

Kleinanlegern und investiert es in Unternehmen, damit die<br />

ihre Energieeffizienz verbessern können (S. 118). Neue Trucks<br />

sind dank EURO 6-Abgasnorm und reduziertem Verbrauch<br />

gerade dabei, die Logistikbranche auf den Kopf zu stellen. Der<br />

E-LKW aus der 18-Tonnen Klasse von E-Force demonstriert,<br />

dass die E-Mobilität nunmehr auch in höhere Nutzlastklassen<br />

vorstößt. (S. 52)<br />

Wie geht Erfinden? Welche Zukunftsschmieden arbeiten an<br />

der Welt von morgen? Für diese 3-teilige Serie haben wir in<br />

acht Ländern 18 Future Labs, Co-Creation-Centers und Think<br />

Tanks besucht. Diesmal das Thema “Co-Creation” ab S .88<br />

Mit der vorliegenden Ausgabe begrüßen wir auch einen<br />

neuen Kooperationspartner und seine Leser: Das Magazin<br />

„WIR – Menschen im Wandel“. In jedem Heft entdecken Sie<br />

ab sofort in einem WIR-Sonderteil inspirierende Porträts<br />

von Weltveränderern, bewegende Interviews und News<br />

über zukunftsfähiges Management. Wie der WIR-Gründer<br />

Christoph Quarch die heutige Ökonomie mit Philosophie<br />

beflügeln will, lesen Sie ab S. 71.<br />

Liebe Ignoranten, liebe Verbesserer der Welt: Ihr seid ein<br />

Teil von ihr. Guckt euch doch um, seht sie euch an, sie sind<br />

genauso wie wir. Und in ein paar Sachen seid ihr euch doch<br />

einig, oder? Upcycling-Hemden von aluc, <strong>forum</strong> elektronisch,<br />

gut gegrilltes Gemüse sind gut für An- und Aussehen, gut für<br />

das Hirn, gut für die Zukunft – richtig geil.<br />

Textauszüge basierend auf “Leider Geil“ – ein Song von Deichkind.<br />

Foto: © Polarstern<br />

Tina Teucher<br />

Redaktionsleitung<br />

t.teucher@<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Fritz Lietsch<br />

CEO ALTOP Verlag, Hrsg.<br />

f.lietsch@eco-world.de<br />

Kristina Kara<br />

Mitglied des Vorstands von B.A.U.M. e.V.<br />

kristina.kara@baumev.de<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

3


12<br />

Gründergesichter: Sustainable<br />

Entrepreneurship in Deutschland 52<br />

Schwere Boliden: So sieht der Lkw<br />

der Zukunft aus<br />

3 Editorial<br />

6 Entschleunigte Wahrnehmung Künstlerin Renate<br />

Kirchhof-Stahlmann setzt sich bildnerisch mit der<br />

Umweltproblematik auseinander<br />

8 <strong>forum</strong>-News<br />

9 Kanaldeckel als Ladestationen … und weitere gute<br />

Nachrichten über Ressourcen<br />

10 Unternehmens-News<br />

SCHWERPUNKT: Sustainable Entrepreneurship<br />

12 Gründe zum Gründen <strong>forum</strong> gibt Tipps zum Durchstarten<br />

18 Nur noch kurz die Welt retten Ein Interview über<br />

Hemmschuhe und Turboschalter für nachhaltige<br />

Gründer<br />

20 Aufgemalt So sieht der ideale Sustainable Entrepreneur<br />

aus<br />

22 Grüne Innovationen Warum Anbieter einen langen<br />

Atem brauchen<br />

25 Vorbild Film Wie das Cosmic Cine Festival einen<br />

Gegentrend zum Massenkonsum auslöst<br />

28 Bunte Wirtschaft Warum Friedensnobelpreisträger<br />

Muhammad Yunus gegen die graue Theorie plädiert<br />

32 Wann ist eine Gründung innovativ? <strong>forum</strong> diskutiert<br />

mir den Entrepreneuren Uwe Lübbemann von<br />

Premium Cola und Prof. Dr. Günter Faltin von der<br />

Teekampagne<br />

36 Woher kommt die Kohle? Wie Sozialunternehmer<br />

sich finanzieren können<br />

39 Querdenker und Tüftler Wo Ideen zum Anfassen<br />

entstehen<br />

40 Der Hype um Crowdfunding Warum es keine guten<br />

Plattformen gibt<br />

44 Raus aus der Öko-Ecke Welche Chancen haben<br />

grüne Technologien?<br />

50 Checkliste Unterstützung für soziale und grüne<br />

Gründer<br />

51 SPECIAL: Mobilität & Logistik<br />

52 Lkw-Trends Wieviel <strong>Nachhaltig</strong>keit haben die Hersteller<br />

in der Pipeline?<br />

56 Unterm Scheffel Warum Berufskraftfahrer gegen<br />

ein schlechtes Image ankämpfen<br />

58 Entscheider in 999 Zeichen Wie geht zukunftsverträgliche<br />

Mobilität?<br />

60 Vorbild Politik? Ob die Bundesregierung Elektromobilität<br />

fördert<br />

62 Was wurde eigentlich aus …? Wie CargoLifter vom<br />

Lastenluftschiff zum VisiBall kam<br />

64 A tt r a k ti vSo fahren bis 2<strong>02</strong>0 eine Million Elektroautos<br />

auf deutschen Straßen<br />

69 Rentable Stromer-Flotte? Get eReady untersucht<br />

die Wirtschaftlichkeit von Elektrofahrzeugen<br />

Foto rechts: © Iveco<br />

4 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


INHALT<br />

1<strong>02</strong><br />

Verbrauchte Natur: Biodiversität-<br />

Offsets schaffen einen Ausgleich<br />

109<br />

Sir Vival: Rüdiger Nehberg kämpft gegen<br />

weibliche Genitalverstümmelung an<br />

70 Checkliste So fahren Sie gut<br />

71 Sonderteil: WIR – Menschen im Wandel<br />

72 Der Agrarpionier Revolutionäre Permakultur<br />

80 Der Andersdenker Wie WIR-Gründer Christoph<br />

Quarch für ein neues Denken in Unternehmen und<br />

Gesellschaft wirbt<br />

84 Die Geldreformerin Im Gedenken an Margrit<br />

Kennedy<br />

87 THEMEN<br />

Innovationsschmieden<br />

88 Co-Creation Kreativität auf engstem Raum<br />

Energie und Klima<br />

92 Windig oder verstrahlt? Warum Japan auch ohne<br />

Atomkraft leuchtet<br />

96 Effiziente Beleuchtung Wie LEDs Unternehmen<br />

grün und reich machen<br />

Unternehmensführung<br />

98 Kolumne Ab ins Netz<br />

99 Serie „Der CSR-Manager“ Die Strategie<br />

Biodiversität<br />

1<strong>02</strong> Biodiversitäts-Offsets Wie Unternehmen für verbrauchte<br />

Natur bezahlen<br />

Weltveränderer<br />

108 Vom Überlebenskünstler zum Aktivisten Wie Rüdiger<br />

Nehberg gegen die Verstümmelung von Mädchen<br />

und Frauen kämpft<br />

Berichterstattung und Kommunikation<br />

112 Integritätsmarketing Wie kritisch sind die<br />

Verbraucher?<br />

<strong>Nachhaltig</strong> bauen<br />

114 Bio-Dämmung auf dem Vormarsch Wieviel Schaf<br />

ist in Ihrem Haus?<br />

Social Business<br />

118 Die Macht der Kleinanleger Wie die Crowdfunding-Plattform<br />

bettervest das Klima schützen will<br />

121 SERVICE<br />

122 <strong>forum</strong> Medientipps<br />

124 B.A.U.M. informiert<br />

126 <strong>forum</strong> Events im Rückblick<br />

127 <strong>forum</strong> Events in der Vorschau<br />

129 Themenvorschau und Impressum<br />

130 Shelina Moredas geteilte Meinung<br />

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5


BRENNPUNKT | DER KÜNSTLERISCHE BLICK |<br />

Der künstlerische Blick<br />

auf <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />

... von Renate Kirchhof-Stahlmann<br />

Die Zeichnerin und Objektkünstlerin Renate<br />

Kirchhof-Stahlmann (Jg. 1942) setzt sich schon<br />

seit langem bildnerisch mit der Umweltproblematik<br />

auseinander. In den beiden Zyklen<br />

„Genesis“ und „Zeiten“ stellt sie die Fragen:<br />

Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin<br />

gehen wir?<br />

Gefangen im Rad, Objekt aus Fundstücken, 2007<br />

Sie möchte durch ihre Kunst eine veränderte,<br />

entschleunigte Wahrnehmung auf die Welt<br />

initiieren, Menschen emotional berühren und<br />

sie zu einem selbständigen, verantwortungs<strong>voll</strong>en<br />

Denken und Handeln führen.<br />

Ganz praktisch zeigt sich z.B. das Prinzip der<br />

Wieder-/Weiterverwendung in ihren Objekten<br />

und Installationen aus Fundstücken<br />

(siehe Abbildung „Gefangen im Rad“), die<br />

sie zusammen mit ihren Zeichnungen im<br />

Kulturbahnhof Ottensoos, ihrem Wohnort<br />

östlich von Nürnberg, ausstellt. Sie hat diesen<br />

historischen Bahnhof mit ihrem Mann<br />

(und ehemaligen Hochschulprofessor für<br />

Betriebswirtschaft) Volker Stahlmann 2009<br />

erworben, vor dem Verfall gerettet, saniert<br />

und daraus ein Kunstmuseum und Forum<br />

für <strong>Nachhaltig</strong>e Entwicklung gemacht. Mit<br />

Führungen, Vorträgen, Seminaren, Lesungen<br />

und Kleinkunst soll die komplexe Thematik<br />

der <strong>Nachhaltig</strong>keit vermittelt werden. Der<br />

Kulturbahnhof Ottensoos wurde wiederholt<br />

als offizielles Projekt der UNESCO Dekade<br />

für nachhaltige Bildung ausgezeichnet und<br />

ist inzwischen als gemeinnützige Stiftung<br />

anerkannt. Renate Kirchhof-Stahlmann erhielt<br />

für ihr künstlerisches Engagement den<br />

B.A.U.M.-Umweltpreis 2013.<br />

www.kulturbahnhof-ottensoos.de<br />

Diktat des Rades, 3. Bild des Zeiten-Zyklus<br />

Rückzug und Besinnung, 7. Bild aus dem Zeiten-Zyklus<br />

Die Bilder stammen aus dem Zyklus Zeiten: Zeitmaschine-Maschinenzeit, Zeitenwende-Wendezeit (1991/92, 12 Farbstiftzeichnungen).<br />

Die Bilder 1 bis 6 repräsentieren die Beschleunigung, die Bilder 7 bis 12 die mögliche Entschleunigung.<br />

6 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| DER KÜNSTLERISCHE BLICK | BRENNPUNKT<br />

Täter Opfer, 4. Bild aus dem Zeiten-Zyklus<br />

Gleichklang der Elemente, 10. Bild aus dem Zeiten-Zyklus<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

7


NEWS<br />

Elektroautos werden einfühlsam wie Pferde<br />

Im „Innotruck“ testen Wissenschaftler Konzepte für das Elektrofahrzeug<br />

der Zukunft. Es kann autonom fahren, sucht sich<br />

seine Parklücke selbst und weckt den müden Fahrer. Dank zentraler<br />

Datenverwaltung sammelt es so viele Informationen über<br />

den Fahrer und die Umgebung, dass es flexibel auf jede Situation<br />

reagieren kann - ähnlich wie ein Pferd sein Laufverhalten<br />

dem Reiter und dem Untergrund anpasst. Selbst rückwärts<br />

Einparken mit Anhänger stellt für die Software kein Problem<br />

dar. Der Innotruck ist mit einer innovativen<br />

Mensch-Maschine Schnittstelle ausgestattet,<br />

die aus zwei Kugelsidesticks (seitlichen Steuerknüppeln)<br />

und einer zentralen Konsole<br />

mit dem virtuellen Armaturenbrett besteht.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net, Stichwort „Innotruck“<br />

Wege zur Green Economy<br />

Eine aktuelle Studie von adelphi und dem Borderstep Institut<br />

für Innovation und <strong>Nachhaltig</strong>keit zeigt Treiber und Hemmnisse<br />

für eine nachhaltige Transformation der Wirtschaft.<br />

Deutschland nimmt bei vielen Technologien eine führende<br />

Rolle ein, insbesondere im Bereich der Erneuerbaren, dem<br />

dezentralen Wassermanagement und Teilen der stofflichen<br />

Abfallverwertung.<br />

Ein entscheidender Einflussfaktor für die Transformation der<br />

deutschen Wirtschaft hin zur Green Economy,<br />

nämlich die politischen Rahmenbedingungen<br />

in Deutschland, wurden im Rahmen<br />

einer Stärken-Schwächen Analyse bewertet.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Stichwort „Green Economy“<br />

Mini-Haus aus Pilzen<br />

Für ecovative Design aus Green Island (im US-Bundesstaat<br />

New York) ist die Rechnung ganz einfach: Ein Baum liefert<br />

Holz, ein Schaf Wolle und Pilze erzeugen bestes Baumaterial.<br />

Neben Verpackungsmaterialien und Surfbrettern baut das<br />

Unternehmen jetzt auch Häuser aus Pilzschaum. Dazu wird<br />

der Schaum aus landwirtschaftlichen Abfällen wie Maisblättern<br />

gezüchtet und zwischen Holzplatten aufgetragen.<br />

Während des Trocknungsprozesses verbindet er die Platten<br />

wie Kleber und dämmt ganz natürlich. Eine Behandlung mit<br />

Dampf bewirkt, dass der Pilz nicht weiter wächst. Mit dem<br />

Pilzhaus passt sich ecovative der Tiny-House-Bewegung<br />

an. Die Häuser sind mit gerade mal 50 qm<br />

Wohnfläche wirklich winzig und lassen sich<br />

nahezu überallhin transportieren. Man<br />

muss also schon genau hinsehen, um es<br />

zwischen den Autos zu erkennen.<br />

www.ecovativedesign.com<br />

Mit Bjarne Mädel und KlimaTeller zu einer<br />

klimafreundlichen Ernährung<br />

„Habt ihr schon mal was von Gemüse gehört? Salat und Brokkoli<br />

und son Zeugs?“ Bjarne Mädel – besser bekannt als der<br />

Tatortreiniger oder als Ernie aus der Serie Stromberg – will<br />

nicht mehr jeden Tag Fleisch essen. Deshalb unterstützt er<br />

die Initiative KlimaTeller und wirbt mit einem lustigen Spot<br />

für eine klimafreundlichere Ernährung.<br />

Durch KlimaTeller werden seit Juni 2011 alle Gerichte in<br />

den Mensen des Studierendenwerks Hamburg durch klimafreundlichere<br />

ersetzt. Auch Unternehmen<br />

wie Otto, Tchibo, TUI und Hamburg Wasser<br />

ziehen nach und bieten einmal wöchentlich<br />

umweltfreundliches Kantinen essen<br />

an.<br />

www.klimateller.de<br />

+++ Leser-Feedback zum „Kraftwerk Erde“ +++<br />

Auf den Artikel „Kraftwerk Erde“ von Axel Kleidon (<strong>forum</strong><br />

1/<strong>2014</strong>, S. 90) haben wir viele positive und auch kritische<br />

Rückmeldungen bekommen.<br />

Allen Lesern vielen Dank für ihr Feedback.<br />

Eine ausführliche Rückmeldung des Autors<br />

dazu haben wir in den online Beitrag<br />

integriert (www.<strong>forum</strong>-csr.net, Stichwort<br />

„Kraftwerk Erde“).<br />

Foto: © RowdyKittens<br />

Mit dem wöchentlichen <strong>forum</strong>-Newsletter immer aktuell informiert sein: www.<strong>forum</strong>-csr.net/service/newsletter<br />

8 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


NEWS<br />

Gute Nachrichten über Produkte<br />

Anregende Innovationen aus der Love Green Partnerredaktion<br />

Segeln während der Autofahrt<br />

Segeln und Autofahren passen<br />

auf den ersten Blick nicht wirklich<br />

zusammen. Doch Bosch hat eine<br />

innovative Techologie entwickelt, die<br />

bei Autos mit herkömmlichem Antrieb<br />

während der Fahrt den Motor<br />

automatisch abschaltet. Und ihnen<br />

so zum Segeln verhilft.<br />

Mit Zitronen fliegen<br />

Der Naturstoff Limonen sorgt<br />

nicht nur für den frischen Duft<br />

von Zitrusfrüchten. Wenn es<br />

nach den Vorstellungen einer<br />

australischen Wissenschaftlerin<br />

geht, könnte daraus in Zukunft<br />

ein Bio-Treibstoff für Flugzeuge<br />

gewonnen werden.<br />

Kanaldeckel als Ladestationen<br />

Ladestationen sind ein wichtiger<br />

Faktor, damit sich Elektromobilität<br />

durchsetzt. Ein New Yorker Startup<br />

möchte Kanaldeckel nutzen und<br />

sie zu Ladestationen umwandeln.<br />

Denn Deckel und die darunter liegende<br />

Infrastruktur gibt es überall.<br />

Fotos (v.o.l.n.u.r.): © visualpanic - CC BY 3.0 DE | © Nina Matthews - CC BY 3.0 DE | © torbakhopper - CC BY 3.0 DE | © Linde | © dbnunley - CC BY 3.0 DE<br />

© Will Folsom - CC BY 3.0 DE | © tao_zhyn - CC BY 3.0 DE | © ShironekoEuro - CC BY 3.0 DE | © uberculture - CC BY 3.0 DE<br />

Bundesweiter Netzausbau<br />

Aktuell gibt es 15 Wasserstoff-Tankstellen<br />

in Deutschland. Das soll sich<br />

spätenstens bis 2<strong>02</strong>3 ändern. Bis<br />

dahin wollen sechs Industrieunternehmen<br />

ein bundesweites Netz<br />

aus 400 Tankstellen schaffen, um<br />

schadstofffreie Mobilität zu fördern.<br />

Ein Bus von und für Bürger<br />

Knapp 30.000 Einwohner hat die<br />

Gemeinde Weyhe in der Nähe von<br />

Bremen. Doch einen Bus innerhalb<br />

der Gemeinde gab es nicht. Um das<br />

zu ändern, haben Bürger kurzerhand<br />

selbst einen Bus-Betrieb organisiert.<br />

Mit ehrenamtlichen Fahrern.<br />

Bus fährt mit Fischresten<br />

Auf einer finnischen Insel ist ein<br />

Personenbus unterwegs, der leicht<br />

nach Fisch riecht. Das liegt am<br />

Bio-Treibstoff, der zu 100 Prozent<br />

aus Fischresten besteht. Hergestellt<br />

aus den Abfällen, die bei der Verarbeitung<br />

der Fische vor Ort anfallen.<br />

Fahrradhelme aus altem Papier<br />

Leihfahrräder erobern immer mehr<br />

Städte. Doch beim spontanen Ausleihen<br />

der Zweiräder bleibt oft die<br />

Sicherheit ein wenig auf der Strecke.<br />

In London haben Studenten eine<br />

preiswerte und zugleich sichere<br />

Lösung gefunden: Helme aus Zeitungspapier.<br />

Alle guten Nachrichten unter www.nachhaltigwirtschaften.loves-green.de<br />

Portale für Mitfahrgelegenheiten<br />

Gemeinsam zu reisen, ist nicht nur<br />

preiswert, sondern schont auch die<br />

Umwelt. Deshalb sind in letzter Zeit<br />

viele Mitfahrbörsen entstanden,<br />

die sich über Suchmaschinen wie<br />

ABCTrips.com oder Fahrtfinder.net<br />

bequem miteinander vergleichen<br />

lassen.<br />

Klassiker mit Elektro-Antrieb<br />

Über 21 Millionen Käfer hat VW produziert,<br />

die weltweit mit ihrem typischen<br />

Motor-Knattern unterwegs<br />

waren oder noch sind. In Kalifornien<br />

sorgt eine Werkstatt dafür, dass die<br />

Klassiker jetzt nahezu geräuschlos<br />

fahren. Dank nachgerüstetem Elektromotor.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

9


UNTERNEHMENSNEWS<br />

Otto Group reduziert CO 2<br />

-Ausstoß<br />

CO 2<br />

-neutrale Lieferung von Büroartikeln<br />

Office Depot beliefert ab sofort sämtliche Kunden in Deutschland,<br />

Österreich, der Schweiz und Benelux CO 2<br />

-neutral. Der<br />

Büroartikelhändler unterstützt dazu die Wiederaufforstung<br />

der Regenwälder auf Borneo und den Aufbau eines Windparks<br />

in der Türkei. Der Projektpartner ist First Climate<br />

(www.firstclimate.com). Auf diese Weise kompensiert das<br />

Unternehmen die bei der Auslieferung seiner Ware entstehenden<br />

Treibhausgase. CO 2<br />

-neutral<br />

geliefert werden sowohl Bestellungen von<br />

Viking-Kunden, als auch von Großkunden<br />

von Office Depot. Zusätzliche Kosten entstehen<br />

den Kunden nicht.<br />

www.officedepot.de<br />

Wer Produkte bei Unternehmen der Otto Group bestellt,<br />

kann dies auch unter Umweltaspekten mit gutem Gewissen<br />

tun. Denn der konzerneigene Logistikdienstleister Hermes<br />

hat den CO 2<br />

-Ausstoß pro Otto Group Sendung im laufenden<br />

Geschäftsjahr erneut um 12,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr<br />

reduziert. Das entspricht einer Einsparung von insgesamt<br />

rund 5.800 Tonnen. Damit wird der erfolgreiche Weg bei der<br />

CO 2<br />

-Reduktion fortgeführt: Im Vergleich zum Geschäftsjahr<br />

2011/12 wurden sogar 21,1 Prozent eingespart.<br />

Das Unternehmen will weiter auf alternative<br />

Antriebe bei seinen Auslieferungsfahrzeugen<br />

setzen und künftig mehr<br />

Sendungen direkt beim ersten Versuch an<br />

seine Kunden übergeben.<br />

www.ottogroup.com<br />

Das neue Industrie-Modell<br />

Was wäre, wenn 20 Prozent der größten produzierenden<br />

Unternehmen ein neues Industriemodell anwenden würden?<br />

Diese Frage stellte sich der Teppichfliesenhersteller<br />

Interface und gab eigens dazu eine Studie in Auftrag.<br />

Das Modell besteht aus drei Stufen und ist an den Herausforderungen<br />

moderner Unternehmen orientiert. So<br />

sollen Unternehmen zum Beispiel ihre Ressourceneffizienz<br />

verbessern, Umweltbelastungen minimieren und innovative<br />

Produkte entwickeln. Durch die Anwendung der<br />

verschiedenen Stufen könnten Unternehmen höhere Gewinne<br />

einfahren, Arbeitsplätze schaffen<br />

und umweltfreundlicher wirtschaften.<br />

Interface will mit der Studie „Das neue<br />

Industrie modell“ subtil aufzeigen, wie<br />

sich Potenziale ausschöpfen lassen.<br />

www.interfaceflor.de<br />

Foto: © Otto Group<br />

Gut, sauber und fair.<br />

Das Slow Food Magazin<br />

Jetzt im Zeitschriftenhandel<br />

oder im Abonnement unter<br />

www.slow-food-magazin.de<br />

Testen Sie<br />

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10 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


UNTERNEHMENSNEWS<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

11


SCHWERPUNKT<br />

Sustainable Entrepreneurship<br />

in Deutschland<br />

Gründe zum Gründen gibt es genug. Doch wer kann helfen, damit es<br />

richtig losgeht? Ein Überblick.<br />

Von Tina Teucher<br />

Sie nennen sich <strong>Nachhaltig</strong>keitsgründer, Ecopreneurs oder<br />

Social Business: Junge Unternehmer mit einer ökologischen<br />

und sozialen Geschäftsidee liegen im Trend. Zahlen gibt es<br />

freilich noch keine für diesen schwer abgrenzbaren Markt;<br />

allein der Green Economy Monitor des Borderstep Instituts<br />

fand heraus, dass immerhin 13,6 Prozent der über 1.000<br />

untersuchten Start-ups „grüne“ Gründungen seien. Aber was<br />

macht einen sinngetriebenen Gründer aus?<br />

Ähnlich wie „normale“ Gründer sind nachhaltigkeitsorientierte<br />

Gründer grundverschieden: Da sind die Technikfreaks<br />

wie AO Terra aus Dresden, die mit der Abwärme<br />

von Servern ganze Häuser heizen. Da sind die sozial<br />

Veranlagten wie das junge Fairtrade-Label „fairliebt in<br />

Jyothi“, das arbeitslosen Inderinnen in Kooperation mit<br />

einer NGO vor Ort das Nähen beibringt. Da sind die Wiederverwertungs-Fans<br />

wie das millionenschwere Eco-Business<br />

TerraCycle, das mit Hilfe von Hard- und Software<br />

aus Müll Verkaufsschlager macht: stylische Blumentöpfe<br />

aus alten Computern, Lautsprecher aus Tetrapaks, Taschen<br />

aus Altpapier. Da sind außerdem die Materialtüftler wie<br />

der Neu-Ulmer Franchise-Geber BioZell, der mit seiner<br />

ökologischen Alternative zum herkömmlichen Strukturputz<br />

für Häuser sowohl preis- als auch designbewusste<br />

Kunden ansprechen will. Und da sind die unzähligen Besitzverachter<br />

wie Peerby oder Fragnebenan, die Share-Economy-Plattformen<br />

im Internet oder mit Apps aufbauen. Sie<br />

wollen ihre Nachbarn und ihr Umfeld näher kennenlernen.<br />

Oder zumindest, was die so haben: Wohnungen, Autos,<br />

Klamotten, Gartenschläuche, Biertischgarnituren. Denn<br />

für sie ist leihen seliger als kaufen.<br />

Respekt, Alter! Hassan Asfour und Siamak Ahmadi (oben) sind die<br />

Gründer von Dialog macht Schule – das Bildungsprogramm für<br />

Schulen in der Einwanderungsgesellschaft. Ihre Vision: Bis 2<strong>02</strong>0<br />

jährlich 1.000 Dialogmoderatoren auszubilden, um so bis zu 25.000<br />

bildungsbenachteiligte Schüler zu erreichen und deren Startchancen<br />

zu verbessern. www.dialogmachtschule.de<br />

Ich nehm‘s ohne: Sara Wolf und Milena Glimbovski ärgerten sich<br />

über all den Verpackungsmüll beim Einkaufen und gründeten kurzerhand<br />

Original unverpackt. Mittlerweile hat das Team Zuwachs<br />

bekommen – vier Mädels im Kampf gegen Plastik. Noch <strong>2014</strong> wollen<br />

sie den ersten Supermarkt, der auf Einwegverpackungen verzichtet,<br />

eröffnen und suchen noch nach begeisterten Investoren.<br />

www.original-unverpackt.de<br />

Cover-Boys: Na, haben Sie sie erkannt? Jakob, Florian und Simon<br />

sind Polarstern – und auf dem <strong>forum</strong>-Cover. Das Münchener Unternehmen<br />

ist völlig unabhängig von großen Energiekonzernen und<br />

bietet unter www.polarstern-energie.de ehrlichen Ökostrom an.<br />

Nackte Tatsachen: Das Team von Fairnopoly nimmt es mit der Transparenz<br />

wirklich genau. Mit www.fairnopoly.de warten sie mit einer<br />

fairen Alternative zu den großen Online-Märkten auf. Das Projekt<br />

ist mit über 145.000 Euro über die Crowdfunding-Platform startnext<br />

finanziert.<br />

Fotos: oben: © Harms Franques | Mitte links: © Original Unverpackt | Mitte rechts: © Polarstern | unten: © kristoffer Schwetje<br />

12 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP | SCHWERPUNKT<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net 13


SCHWERPUNKT | SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP |<br />

Gemeinsam haben all diese Gründer, dass sie nicht nur einen<br />

Gewinn erwirtschaften wollen, indem sie ein Bedürfnis<br />

erfüllen (das sie vielleicht sogar erst über geschicktes Marketing<br />

schaffen müssen). Sie wollen darüber hinaus einen<br />

positiven gesellschaftlichen Beitrag leisten. Sinn stiften.<br />

Indem sie Ressourcen sparen (wie Original Unverpackt,<br />

der erste Supermarkt ohne Einwegverpackungen), Medizin<br />

(Rucksackspende) und Strom (Bonergie) in abgelegene<br />

Gebiete bringen oder funktionierende Ökosysteme stärken<br />

(wie die Aktion „Balkonbienen“ oder der Honig von nebenan,<br />

„Quartierbiene“). Das Start-up Glosus will die ökologischen<br />

und sozialen Leistungen anderer Unternehmen stärken – mit<br />

einer Plattform für <strong>Nachhaltig</strong>keitsmanagement.<br />

Mission: Geld durch Gutes<br />

<strong>Nachhaltig</strong>e Start-ups legen einen Spagat hin: Einerseits<br />

wollen sie ihre Gewinne direkt wieder in die ökologische<br />

oder soziale Mission ihres Unternehmens stecken. Ein in der<br />

Wirtschaft übliches großes Budget für Marketing und Unternehmensführung<br />

ist da nicht vorgesehen. Doch andererseits<br />

müssen sie sich in der gleichen Wirtschaft behaupten und<br />

die Aufmerksamkeit von Kunden und Öffentlichkeit auf sich<br />

ziehen. Deshalb ist die Grundlage allen Erfolgs ein gutes<br />

Geschäftsmodell, mit dem die Gründer regelmäßig Gewinne<br />

(oder – bei Social Business-Projekten – zumindest Spenden)<br />

erwirtschaften können, um damit ihre Mission zu finanzieren.<br />

Und dafür braucht es Startkapital.<br />

Alle Gründer brauchen Geld. Das kann aus verschiedenen<br />

Quellen kommen: Zuerst muss meist das Ersparte von den<br />

Gründern selbst, ihren Freunden und Familien herhalten. Danach<br />

gibt es verschiedene Möglichkeiten: Banken sind nicht<br />

besonders risikofreudig und verlangen hohe Sicherheiten,<br />

die Gründer meist nicht bieten können. Das lassen sich die<br />

Geldhäuser gut bezahlen: Die Investitionsbank Hessen nimmt<br />

zum Beispiel einen Zinssatz von bis zu 15 Prozent, je nach<br />

Business Plan, Sicherheiten und Risikoeinschätzung. Marketing-affine<br />

Gründer aktivieren ihre Fans und Kunden, um via<br />

Crowdfunding eine Finanzierung mit kleinen Beträgen von<br />

vielen Einzelnen zu bekommen (siehe Artikel S. 41). Business<br />

Angels (vermögende Privatpersonen mit unternehmerischer<br />

Erfahrung) oder Venture Capital-Gesellschaften (Vermittler<br />

zwischen sogenannten „High Net Worth Individuals“ und<br />

Start-ups) legen sehr strenge Kriterien an ihre Investitionsprojekte<br />

an.<br />

Der Prozess des Matchings, also des Zusammenbringens<br />

von Geldgebern und Geldsuchenden, ist schwierig, weiß<br />

Egbert Hünewaldt. Der Green Economy-Experte berät seit<br />

vielen Jahren nachhaltigkeitsorientierte Jungunternehmen.<br />

„Viele Gründer schrauben drei Jahre an ihrer Idee und<br />

glauben dann, sie ist eine Million Euro wert. Dann kommt<br />

der Investor und sagt: ‚Aha, ein Konzept‘“, fasst Hünewaldt<br />

die unterschiedlichen Ansichten der Finanzierungspartner<br />

zusammen. Für die faire Bewertung eines Konzepts brauche<br />

man eigentlich einen professionellen Auditor, der von beiden<br />

Seiten bezahlt wird – und eine unabhängige Anwaltskanzlei,<br />

die die Verträge aushandelt. In der Realität herrscht aber ein<br />

Ungleichgewicht, weil die Gründer meist schon ihr ganzes<br />

Geld in die Entwicklung der Innovation gesteckt haben.<br />

Wer dennoch in Deutschland mit seiner nachhaltigen Idee<br />

Risikokapital bekommen will, stößt irgendwann auf BonVenture<br />

(www.bonventure.de), den Social Venture Fund (www.<br />

socialventurefund.com) oder den Business Angel-Verband<br />

(www.business-angels.de), von dessen 14 Netzwerken drei<br />

ausschließlich auf Cleantech ausgerichtet sind. Nach der<br />

Anfangsphase eines Start-ups (sog. Seed-Phase), in der nur<br />

besonders risikofreudige Investoren einsteigen, helfen auch<br />

schon mal Venture Capitalists. So investieren zum Beispiel<br />

Wellington Partners in kapitalintensive Vorhaben im Bereich<br />

Ressourceneffizienz (www.wellington-partners.com).<br />

Langer Atem: Soziale <strong>Nachhaltig</strong>keit kommt oft zu kurz<br />

Klar, dass die zahlreichen IT-Start-ups weniger Kapital brauchen,<br />

als technologieintensivere Lösungen wie Energiespeicher.<br />

In Berlin, der deutschen Hauptstadt der Start-ups,<br />

sprießen die Internetlösungen für nachhaltigen Konsum nur<br />

so aus dem Boden: Die Marktplätze fairnopoly.de, wegreen.<br />

de oder (in Hamburg) avocadostore.de sind in der Szene<br />

bekannt, bei Carsharing- und Mitfahrgelegenheitsanbietern<br />

wird der Markt aber fast unüberschaubar. Nicht alle von<br />

ihnen werden überleben. Und viele der Gründer werden<br />

lange brauchen, bis sie sich ein angemessenes Geschäftsführergehalt<br />

zahlen und sich selbst das Prädikat „sozial<br />

nachhaltig“ geben können. „Viele verwechseln den ersten<br />

Presse-Run mit wirtschaftlichem Erfolg und fallen dann in<br />

ein Motivationsloch“, sagt Egbert Hünewaldt. Wer gründet,<br />

müsse sich im Klaren darüber sein, dass eine Durststrecke<br />

von drei bis fünf Jahren vor ihm liegt.<br />

Ein wichtiger, unter Weltverbesserern oft vernachlässigter<br />

Erfolgsfaktor ist Professionalität. Die Angst ist aus dem<br />

Fundraising-Sektor bekannt: Zu viel Anschein von Professionalität<br />

könnte „Fans“ und „Freunde“ verschrecken, das<br />

Projekt könnte nicht mehr authentisch wirken. Andererseits<br />

brauchen auch und gerade nachhaltige Unternehmen Profis<br />

in Strategie, Marketing und Vertrieb, um sich am Markt zu<br />

behaupten und die Mehrkosten, die nachhaltiges <strong>Wirtschaften</strong><br />

oft mit sich bringt (siehe Interview mit Stefan Schaltegger,<br />

S. 18), durch andere Wettbewerbsvorteile aufzuwiegen. Aus<br />

Mangel an Professionalität sind viele soziale und ökologische<br />

Start-ups für talentierte Arbeitnehmer kaum attraktiv: Sie<br />

versprechen zwar eine Tätigkeit mit gesellschaftlicher Wirkung,<br />

bieten aber oft weniger Bildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten<br />

– und vor allem weniger Geld. „Sinnstiftung<br />

als Karrieresackgasse“, nennt Dennis Hoenig-Ohnsorg von<br />

der Social Entrepreneurship Förderorganisation „Ashoka“<br />

dieses Phänomen in seinem Beitrag auf www.<strong>forum</strong>-csr.net.<br />

Zusammenraufen: Im Alleingang schafft es keiner<br />

Häufig wollen nachhaltigkeitsorientierte Gründer am liebsten<br />

gar kein Geld für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit in<br />

die Hand nehmen. Sie hoffen, das Gute würde sich schon<br />

14 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP | SCHWERPUNKT<br />

durch Mund-zu-Mund-Empfehlungen und über das Internet<br />

viral verbreiten. Eine Lösung können hier Kooperationen<br />

mit bestehenden Unternehmen und Organisationen sein<br />

– schließlich muss nicht jeder das Rad neu erfinden. So<br />

haben sich etwa die gemeinnützige Social Impact GmbH,<br />

die Deutsche Bank Stiftung und die Crowdfunding-Plattform<br />

Startnext zusammengetan, um das Social Impact Finance-Förderprogramm<br />

ins Leben zu rufen. Seit November 2013<br />

soll es sozial innovative Gründer bei der Erschließung neuer<br />

Finanzierungsformen unterstützen. Die bekannte Aktion<br />

„Deutschland rundet auf“ hat sich die Unterstützung von<br />

18 Handelspartnern gesichert – darunter Douglas, WMF,<br />

Penny, SinnLeffers und Kaufland. Auch hat sie die für viele Sozialunternehmen<br />

schwierigen Fragen der Gemeinnützigkeit<br />

und Gewinnnutzung organisatorisch geregelt: „Deutschland<br />

rundet auf“ besteht zum einen aus einer Gemeinnützigen<br />

Stiftungs-GmbH, die die aufgerundeten Spenden von den<br />

Handelspartnern verwaltet und zu 100 Prozent an Spendenprojekte<br />

für sozial benachteiligte Kinder weiterleitet.<br />

Zum anderen finanziert eine Partner-GmbH (100-prozentige<br />

Tochter der Stiftungs-GmbH) die Verwaltungskosten – wie<br />

Personal und Marketing – aus umsatzabhängigen Gebühren<br />

der teilnehmenden Handelspartner.<br />

In jedem Fall sollten Gründungswillige sich Unterstützung<br />

suchen, Synergien und Netzwerke nutzen. Denn: „Man muss<br />

ja kein Geschäftsmodell neu erfinden, z.B. beim Thema<br />

Vertriebswege“, sagt Egbert Hünewaldt. Es gibt zwar Menschen,<br />

die es auch ohne externe Hilfe, spezielle Ausbildung<br />

oder Beratung schaffen. „Das Risiko, zu scheitern, ist aber<br />

immer größer, wenn man weniger Informationen hat“,<br />

weiß Prof. Stefan Schaltegger vom Centre for Sustainability<br />

Management an der Leuphana Universität Lüneburg. „Je<br />

mehr Leute einem helfen können, je einfacher das Angebot<br />

wahrgenommen werden und man darüber lesen kann,<br />

desto geringer die Schwierigkeiten für eine Gründung“.<br />

Berater, Inkubatoren und Gründungszentren unterstützen<br />

auch Menschen, die sonst nicht gewagt hätten, zu gründen.<br />

So entstand zum Beispiel die erfolgreiche Ein-Dollar-Brille<br />

(<strong>forum</strong> 2/2013 berichtete) durch die Unterstützung des<br />

sozialen Inkubators Enactus. Der international arbeitende<br />

Verein bringt Studierende mit sozialunternehmerischen<br />

Ideen und Förderunternehmen zusammen, zu denen derzeit<br />

unter anderem Beiersdorf, die Telekom, Lufthansa, Porsche<br />

und SAP gehören. Auch Gründerpreise bringen Start-ups<br />

auf die nächste Stufe. Der KarmaKonsum Gründer- Award<br />

gilt als besondere Adelung: Jedes der bisherigen Gewinnerunternehmen<br />

hat sich am Markt behauptet. Die Sieger<br />

erhalten Anzeigenvolumina für große Zeitungen, Beratung<br />

und Coachings (www.karmakonsum.de/konferenz/award).<br />

Beim Ideenwettbewerb Leuchtturm bekommen die Gewin-<br />

www.ko-ma.org<br />

Feiner Kaffee, würzig, mit opulenten Aromen ist schon in der Herstellung eine Kunst für<br />

sich. Ihn so zu produzieren, dass es allen Beteiligten dabei gut geht, eine zweite. Darum sind<br />

alle unsere Kaffees Fairtrade zertifiziert. Und werden alle ökologisch angebaut – übrigens<br />

auch ein Grund, warum er so unverschämt lecker ist.<br />

www.mounthagen.de<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

15


Öko-Umzug gefällig? Sabine und Martin bieten mit Velogista klimafreundlichen<br />

und fairenTransport für Berliner Gewerbeunternehmen.<br />

Ihre Elektrolastenräder fahren mit einer Ladekapazität von 250<br />

Kilogramm und lassen so jeden Kombi alt aussehen.<br />

Jam, jam: Marmelade aus Abfällen? Was erst einmal eklig klingt,<br />

ist nur die logische Konsequenz aus der enormen Lebensmittelverschwendung.<br />

„Reduzieren, Wiederverwenden, Wiederverwerten“<br />

lautet das Mantra des Start-ups Zero Waste und dessen Gründerin<br />

Evelina Lundqvist. Welche Früchte tatsächlich zu Marmelade werden,<br />

erfahren Sie unter www.zerowastejam.com<br />

ner Beratungsgutscheine, ein Preisgeld von 3.000 Euro und<br />

Mikrofinanzkredite (www.ideenwettbewerb-leuchtturm.de).<br />

Unbezahlbar: Der Rat der vielen<br />

Die allgemeine Gründungsberatung von offiziellen Stellen gilt<br />

als zäh und wenig verständnis<strong>voll</strong>: Es geht klassischerweise<br />

um Businessplan-Analysen, Kalkulation und Skalierung – eher<br />

eine Schulungsmaßnahme, die zudem praxisfern ist, weil die<br />

meisten der Berater noch nie selbst gegründet haben. Anders<br />

ist das bei der Sustainable Business Angels-Initiative (www.<br />

sba-initiative.de), bei der erfahrene und erfolgreiche <strong>Nachhaltig</strong>keitspioniere<br />

wie Bionade-Gründer Peter Kowalsky und<br />

memo-Gründer Jürgen Schmidt junge Unternehmen beraten.<br />

Wichtig ist auch die Vernetzung von Unternehmungslustigen<br />

untereinander, wie im Beta Haus Berlin (www.betahaus.de),<br />

im Social Impact Lab (www.socialimpactlab.eu) oder im HUB<br />

München. Einige solcher Coworking Space-Anbieter veranstalten<br />

regelmäßig Start-up-Days, bei denen Gründer ihre<br />

Geschäftsidee vorstellen und vom Feedback und der Intelligenz<br />

der Crowd profitieren können. „Die Beratungsleistung<br />

von 20 <strong>engagiert</strong>en Gründern aus unterschiedlichen Bereichen<br />

ist unbezahlbar. Da braucht man nicht auf den großen<br />

Finanzinvestor warten“, sagt Egbert Hünewaldt.<br />

Wer nicht aus dem Kalten gründen und zunächst das Handwerkszeug<br />

erlernen will, findet beispielsweise bei der Social<br />

Entrepreneurship Akademie in München (SEA) Unterstützung<br />

(www.seakademie.de). Im Jahr 2008 steckten die Direktoren<br />

der vier Entrepreneurship-Zentren der Münchener Universitäten<br />

die Köpfe zusammen, um eine Ausbildung für Sozialunternehmer<br />

zu planen. Heute erhalten Gründungswillige bei<br />

der SEA eine klassische Qualifizierung durch den intensiven<br />

Zertifikatskurs „Gesellschaftliche Innovation“. Er besteht aus<br />

einem Jahr mit praxisnaher „Hands-on“-Wissensvermittlung,<br />

Ideengenerierung, Teamfindung und einem Praxisjahr mit<br />

Konzeptentwicklung, dauert zwei Jahre und kostet 2.250<br />

Euro. Wer nicht 24 Monate <strong>voll</strong> eintauchen will, kann auch<br />

einzelne Workshop-Reihen zu Skalierung, Wirkungsmessung<br />

und Finanzierungsalternativen besuchen. Die Akademie<br />

unterstützt zudem mit einem großen Netzwerk von pro bono-Beratern,<br />

unter anderem zu rechtlichen Fragen: „Social<br />

Entrepreneure sind oft als Hybride aufgestellt, das heißt,<br />

sie sind teils Verein, teils GmbH“, weiß Oliver Beckmann,<br />

der bei der SEA die Qualifizierung leitet. Deshalb reiche es<br />

nicht, wie bei klassischen Gründungen einfach die IHK und<br />

das Gewerbeamt aufzusuchen. Nach einer solchen Frühphasenausbildung<br />

können Gründer mit ihrem bewährten<br />

Konzept eine Unterstützung bei Ashoka beantragen (www.<br />

germany.ashoka.org). Die Organisation unterstützt Gründer<br />

drei Jahre lang durch ein persönliches Stipendium, das die<br />

Lebenshaltungskosten finanziert, damit sie sich <strong>voll</strong> auf die<br />

Entwicklung und Skalierung ihrer Idee konzentrieren können.<br />

Weltweit hat Ashoka so schon über 3.000 „Fellows“ unterstützt.<br />

Einer dieser Fellows ist Norbert Kunz, Geschäftsführer<br />

von iq consult, einem Thinktank für soziale Innovationen.<br />

Er ist als Serial Social Entrepreneur bekannt, hat also schon<br />

einige nachhaltige Unternehmen erfolgreich gegründet. Sein<br />

Rezept: Es gibt keins. „Wenn Du als Entrepreneur erfolgreich<br />

sein willst, musst Du lernen, gegen den Strom zu schwimmen.<br />

Meide den Ratschlag jener, die genau wissen, wie es<br />

geht“. Die größte Inspirationsquelle für gute Lösungen sind<br />

immer noch gesellschaftliche Probleme, sagt dazu Friedensnobelpreisträger<br />

Muhammad Yunus. Und wenn eine solche<br />

Lösungsidee richtig gut durchdacht ist, zieht sie Fans und<br />

Unterstützer magisch an.<br />

Fotos: links: © Velogista | rechts: © rupertpessl.com<br />

16 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP | SCHWERPUNKT<br />

Duftende Glücksprodukte<br />

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mich und die Natur.<br />

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www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

17


SCHWERPUNKT | SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP |<br />

Das Gute siegt<br />

nicht automatisch<br />

Wenn alle die Welt verbessern wollen – wieso traut sich dann keiner? <strong>forum</strong><br />

sprach mit Prof. Stefan Schaltegger vom Centre for Sustainability Management<br />

(CSM) der Leuphana Universität Lüneburg über Hemmschuhe und Turboschalter<br />

für nachhaltige Gründer.<br />

Das Interview führte Tina Teucher<br />

<strong>forum</strong>: Sustainable Entrepreneurship<br />

erfährt einen Medienhype,<br />

die Sozialunternehmerin<br />

Sina Trinkwalder<br />

bekommt sogar eine eigene<br />

Sendung im Mainstream-Sender<br />

RTL. Doch der Anteil nachhaltiger<br />

Gründungen bleibt gering.<br />

Warum?<br />

Stefan Schaltegger: Einerseits gibt es<br />

grundsätzliche Hemmnisse zu gründen,<br />

egal ob es sich um eine öko-soziale Gründung<br />

handelt oder um eine konventionelle. Hierzu gehören bürokratische<br />

Hürden und Finanzierungsprobleme. Speziell<br />

für <strong>Nachhaltig</strong>keitsgründer nennt die Forschung zusätzliche<br />

Hürden: Die erste ist das „Double Externality Problem“. Wenn<br />

konventionelle Firmen negative Externalitäten zum Beispiel<br />

durch Umweltverschmutzung erzeugen, die sie und ihre<br />

Kunden nicht bezahlen müssen, dann hat ein nachhaltiges<br />

Unternehmen höhere Kosten und damit eine schwierigere<br />

Ausgangslage auf dem Markt. Kurz: Es hat einen Wettbewerbsnachteil.<br />

Wenn ein Ökoprodukt Wasser, Luft und Boden<br />

weniger schädigt, weil das Unternehmen ohne Pestizide,<br />

aber mit mehr Arbeitseinsatz wirtschaftet, hat es höhere Kosten.<br />

Die Mehrkosten tragen das nachhaltige Unternehmen<br />

und seine Kunden. Ein konventioneller Anbieter trägt die<br />

Kosten nicht selbst, sondern wälzt sie auf die Gesellschaft ab.<br />

<strong>Voll</strong>es Risiko? Es muss ja nicht gerade<br />

ein Looping mit <strong>Voll</strong>speed sein, etwas<br />

Mut, um Hindernisse zu überwinden<br />

und Außergewöhnliches zu bewegen<br />

müssen Gründer aber aufbringen.<br />

Dadurch hat der nachhaltig <strong>Wirtschaften</strong>de<br />

zunächst einen höheren Investitionsbedarf<br />

und höhere operative Kosten.<br />

Dem kann ein Sustainable Entrepreneur<br />

begegnen, indem er sogenannte Business<br />

Cases for Sustainability schafft. Intelligent<br />

gestaltete <strong>Nachhaltig</strong>keitsinnovationen<br />

erzeugen zusätzliche ökonomische Werte.<br />

Dies stellt eine zweite Herausforderung für<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keitsgründer dar, zu deren Bewältigung<br />

Kenntnisse notwendig sind, die über konventionelles<br />

betriebswirtschaftliches Wissen hinausgehen.<br />

Dieses Dilemma kennen nicht nur Gründer, sondern auch<br />

etablierte <strong>Nachhaltig</strong>keitsunternehmen.<br />

Gründer bringen etwas Neues auf den Markt, das Medien,<br />

Konsumenten und Behörden noch nicht kennen. Die<br />

Forschungsliteratur spricht von „Double Risk Challenge“.<br />

Für Ungewohntes besteht tendenziell weniger Akzeptanz.<br />

Der Markt vergütet „das Gute“ auch nicht automatisch und<br />

Verbraucher erkennen den positiven gesellschaftlichen Beitrag<br />

eines neuartigen Produkts nicht zwingendermaßen von<br />

selbst. Sie sind unsicher, ob sie mit einem Elektroauto nach<br />

wenigen Kilometern mitten auf der Straße stehenbleiben.<br />

Die meisten warten ab und schauen erst mal: Funktioniert<br />

das? Lohnt es sich? Wie reagieren Freunde und Nachbarn?<br />

Solchen Unsicherheiten und Bedenken kann man zwar auf<br />

Foto: © kmassrock by istockphoto.com<br />

18


| SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP | SCHWERPUNKT<br />

unterschiedliche Weise begegnen, aber dies erfordert spezifisches<br />

Know-how und teilweise auch mehr finanzielle Mittel.<br />

Daher müssen nachhaltigkeitsorientierte Gründer kreativer<br />

und besser sein als konventionelle Unternehmer.<br />

Ist denn jede nachhaltige Innovation in jeder Situation<br />

wirklich ökologisch und sozial?<br />

Nein, nicht jeder im Ursprung nachhaltige Ansatz bleibt,<br />

wenn man ihn skaliert, also weit verbreitet, in der Gesamtwirkung<br />

nachhaltig. Ethanol aus Zuckerfabrikabfällen<br />

herzustellen ist in der Regel nachhaltig. Die Kaskadenproduktion<br />

ersetzt Erdöl. Skaliert man jedoch die Produktion von<br />

Ethanol, so gibt es nicht mehr genügend organische Abfälle<br />

aus Zuckerfabriken. Beginnt man dann, Mais, Kartoffeln usw.<br />

in großen Monokulturen anzubauen, um Ethanol in großer<br />

Menge produzieren zu können, so entstehen negative Auswirkungen<br />

auf die Biodiversität und die Bodenqualität usw.<br />

Eine Sicherheit, dass die Idee im Großen und langfristig<br />

wirklich eine nachhaltige Lösung sein wird, gibt es nicht.<br />

Man muss sich auf den derzeitigen Wissensstand verlassen.<br />

Auch bei der Frage nach dem richtigen „Pfad“: Setzt sich<br />

die Brennstoffzelle als Antriebstechnologie durch? Was,<br />

wenn die Politik nur noch Elektromobilität großflächig und<br />

strukturell fördert? All diese Unsicherheitsfaktoren führen<br />

dazu, dass eine Gründung riskanter wird, man schwieriger an<br />

Kapital kommt und Gründer mit ökologischen und sozialen<br />

Ideen vielleicht zögerlicher sind.<br />

Kann man Sustainable Entrepreneurship lernen?<br />

Eine <strong>Nachhaltig</strong>keitsmanagementausbildung kann Bewusstsein<br />

und Fähigkeiten fördern sowie das Spektrum aufzeigen:<br />

Welche <strong>Nachhaltig</strong>keitsprobleme gibt es, was sind deren<br />

Ursachen, und welche Lösungsansätze existieren? Welche<br />

Erfolgsbeispiele von <strong>Nachhaltig</strong>keitsinnovationen gibt es<br />

und wie gestaltet man einen Innovationsprozess? Man kann<br />

dadurch ein Grundverständnis für <strong>Nachhaltig</strong>keitsstrategien<br />

der Effizienz, Konsistenz und Suffizienz entwickeln und Beispiele<br />

aus verschiedenen Märkten kennenlernen. Im Rahmen<br />

unseres MBA-Studiengangs Sustainability Management<br />

können Studierende zum Beispiel in einem Führungstraining<br />

beim Hamburger Sozialunternehmen „Dialog im Dunkeln“<br />

hautnah Führungsbeziehungen und Rollen auf völlig neue<br />

Weise erleben. Das gibt Anregungen und setzt Kreativität frei,<br />

die mit gezielten Kreativitätstechniken unterstützt werden.<br />

Solche persönlichen Skills lernen unsere Studierenden in<br />

überfachlichen Modulen, neben Kursen zu Sustainable Entrepreneurship,<br />

Innovationsmanagement und nachhaltigen<br />

Geschäftsmodellen. Davon inspiriert, haben bisher über 20<br />

Prozent der MBA-AbsolventInnen während oder nach dem<br />

Studium gegründet.<br />

Wie könnte Sustainable Entrepreneurship stärker gefördert<br />

werden?<br />

Grundsätzlich können die allgemeine Gründungsförderung,<br />

neue Finanzierungsmodelle und weniger Bürokratie helfen.<br />

Für <strong>Nachhaltig</strong>keitsgründer sehe ich drei weitere Ansätze,<br />

mit denen man <strong>Nachhaltig</strong>keitsgründungen fördern kann:<br />

Erstens mit Bildung, die Gründungsinteressierten motivierende<br />

Beispiele, Methoden und nützliche Netzwerke aufzeigt.<br />

Zweitens mit speziellen Finanzierungsansätzen über<br />

entsprechend orientierte Venture Capital-Gesellschaften,<br />

Business Angels und Eco-Crowdfunding. Viele Banken sind<br />

zögerlich, nachhaltigkeitsorientierte Gründungen zu finanzieren,<br />

weil sie höhere Risiken sehen. Drittens müssen sich die<br />

Marktrahmenbedingungen ändern. Sobald die Medien in der<br />

Bevölkerung ein Bewusstsein schaffen und die Bereitschaft<br />

der Menschen fördern, andersartige Produkte nachzufragen,<br />

kann ein regelrechter Sog entstehen. Und wenn die Politik<br />

die Externalisierung von Umwelt- und Sozialkosten erschwert<br />

und mehr Transparenz über nachhaltigere Produkte ermöglicht<br />

oder fördert, werden die Märkte für ökologische und<br />

soziale Produkte aufnahmebereiter. Das hat zum Beispiel das<br />

Bio-Label in der Landwirtschaft gezeigt.<br />

Sind <strong>Nachhaltig</strong>keitsgründungen wirklich risikoreicher?<br />

Schließlich planen sie langfristiger, greifen Imageschäden<br />

und Rohstoffverknappung vorweg.<br />

Das ist richtig; es handelt sich aber um verschiedene Kategorien<br />

von Risiken. Unternehmen, die bekannte Produkte<br />

anbieten und nachhaltiger werden, reduzieren die ökonomisch<br />

relevanten Öko- und Sozial-Risiken in ihrem etablierten<br />

Geschäft. Die Einführung völlig neuer nachhaltiger<br />

Produkte und Dienstleistungen im Zuge einer Neugründung<br />

steht zusätzlich vor Unsicherheiten der Marktakzeptanz<br />

bei oft höherem Investitionsbedarf. Risiken in der Gründungsphase<br />

beeinflussen, ob eine Gründung erfolgreich<br />

ist oder scheitert. Das andere sind wirtschaftliche Risiken<br />

des Betriebs, wenn das Unternehmen bereits etabliert ist.<br />

Hier können nachhaltige Unternehmen risikoärmer sein, da<br />

sie ökonomisch relevante ökologische und soziale Risiken<br />

reduzieren oder ausschalten. Natürlich sollten Investoren<br />

risikoärmere nachhaltigere Unternehmen bevorzugen. Aber<br />

die Grundfrage bei einer Gründung ist eine andere: Wird das<br />

neuartige nachhaltige Angebot angenommen? Wenn man<br />

diese Anfangsrisiken überwinden, das Produkt am Markt<br />

etablieren und einen Kundenstamm aufbauen konnte, hat<br />

man mit einer nachhaltigkeitsorientierten Betriebsführung<br />

durchaus geringere Risiken.<br />

Vielen Dank für das Gespräch.<br />

PROF. DR. STEFAN SCHALTEGGER<br />

hat am Centre for Sustain ability Mana gement<br />

(CSM) der Leuphana Univer sität Lüneburg<br />

den MBA Sustainability Management aufgebaut,<br />

der dieses Jahr elfjähriges Bestehen<br />

feiert. Der weltweit erste MBA-Studiengang<br />

zu <strong>Nachhaltig</strong>keits management hat bereits<br />

über 300 Absolventen zur Veränderung der<br />

Wirtschaft hervor gebracht.<br />

www.sustainament.de<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

19


20<br />

SCHWERPUNKT | SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP |


| SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP | SCHWERPUNKT<br />

Eierlegende<br />

Wollmilchsau<br />

<strong>Nachhaltig</strong>e Gründer müssen eigentlich<br />

alles können. Oder? Wir fragten Experten,<br />

was wirklich erfolgreich macht.<br />

Text: Tina Teucher<br />

Illustration: Tanja Föhr<br />

„Beseelt sein von der Idee steht an erster Stelle“, sagt Prof.<br />

Stefan Schaltegger von der Leuphana Universität Lüneburg.<br />

„Begeisterungsfähigkeit und eine hohe Aufmerksamkeit<br />

für gesellschaftliche Probleme und Chancen“, fügt Oliver<br />

Beckmann von der Social Entrepreneurship Akademie (SEA)<br />

hinzu. Und Werner Arndt von der Gründer-Beratungsagentur<br />

ist überzeugt: „Man braucht eine Vision und viel Durchhaltevermögen,<br />

auch wenn der Kühlschrank Montagmorgen<br />

mal leer ist“. „Frustrationstoleranz“ nennt Schaltegger das.<br />

Nebenbei muss der Entrepreneur verlässliche Partner für<br />

die Finanzierung seines Vorhabens finden und sich dann gut<br />

verkaufen können. „Diesen Spagat schaffen viele Unternehmer<br />

nicht“, weiß Arndt. „Das Produkt weiterentwickeln und<br />

eine Finanzierung finden ist ein Zweifrontenkrieg, den man<br />

kaum alleine gewinnt“. Womit wir auch schon beim nächsten<br />

Thema wären: Das Gründerteam. Die Jungunternehmer<br />

sollten idealerweise verschiedene Hintergründe haben, was<br />

Ausbildung und Berufserfahrung angeht und offen sein gegenüber<br />

anderen Disziplinen und Meinungen. Gemeinsam<br />

können sie sich immer wieder gegenseitig motivieren und<br />

eine von allen Seiten durchleuchtete Strategie aufbauen.<br />

Der Sustainable Entrepreneur, also der nachhaltigkeitsorientierte<br />

Gründer, muss zudem Geschichten erzählen können.<br />

„Storytelling ist im Social Business viel wichtiger als zum<br />

Beispiel bei High-Tech-Gründungen, wo Gründer ihr Produkt<br />

allein im Labor testen. Man muss von Anfang das Feedback<br />

seiner Kunden und Anspruchsgruppen einholen“, betont<br />

Beckmann.<br />

Fazit: Wem es gelingt, andere zu motivieren, zur eigenen Idee<br />

beizutragen, hat sehr gute Aussichten auf Erfolg.<br />

21


SCHWERPUNKT | SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP |<br />

Erfolg und Scheitern „grüner“<br />

Innovationen<br />

LED-Leuchten, Fairtrade oder Geothermie: An guten Lösungen mangelt es nicht.<br />

Doch wieso finden nicht alle Verbreitung? 100 Fälle zeigen: Je komplexer eine<br />

Innovation, desto länger sollte der Atem der Anbieter sein.<br />

Von Klaus Fichter und Jens Clausen<br />

Das Elektroauto Colibri, das Tiefengeothermie-Projekt der Stadtwerke München, fairer Kaffee<br />

von Coffee Circle, Biomasse aus der Kuh und die Wärmepumpe von Stiebel-Eltron stehen<br />

stellvertretend für die fünf verschiedenen Pfadtypen von <strong>Nachhaltig</strong>keitsinnovationen.<br />

Unter welchen Bedingungen kommen <strong>Nachhaltig</strong>keitsinnovationen<br />

auf den Markt? Welche Faktoren beeinflussen<br />

ihren Erfolg und welche Handlungsstrategien unterstützen<br />

ihre Verbreitung? Diese Fragen standen im Fokus des<br />

Projekts „Diffusionspfade“ am Borderstep Institut für Innovation<br />

und <strong>Nachhaltig</strong>keit. Die Forscher untersuchten 100<br />

Diffusionsfälle aus zehn Sektoren. Dabei identifizierten sie<br />

mit Hilfe einer Faktorenanalyse sieben zentrale Einflussfaktoren,<br />

die für die Verbreitung von <strong>Nachhaltig</strong>keitsinnovationen<br />

von besonderer Bedeutung sind: Vor allem die<br />

Marktmacht etablierter Anbieter und der politische Push<br />

& Pull beeinflussen den Erfolg neuer Angebote. Pioniere<br />

können dabei sowohl auf der Anbieter- wie der Nachfragerseite<br />

etwas bewegen. Und letztlich ist auch die Innovation<br />

selbst von Bedeutung: Ist es reiz<strong>voll</strong>, sie zu kaufen? Ist<br />

sie mit bisherigen Handlungsroutinen vereinbar? Ist der<br />

Preis erschwinglich, und lohnt sich die Investition? Ist das<br />

Produkt überhaupt verständlich und durchschaubar? Diese<br />

Faktoren bestimmen mit, wie rasch und erfolgreich sich eine<br />

Innovation durchsetzt.<br />

Fotos: v.o.l.n.u.r © IMA Colibri | SWM | Coffee Circle | Stiebel-Eltron<br />

22 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP | SCHWERPUNKT<br />

Eine Clusteranalyse der Daten zu den 100 Diffusionsfällen<br />

unterscheidet fünf Typen von Diffusionspfaden:<br />

Pfadtyp 1:<br />

Effizienzsteigernde Investitionsgüter etablierter Anbieter<br />

Ein Beispiel für diesen Typus sind energieeffiziente Server<br />

für Rechenzentren. Viele der <strong>Nachhaltig</strong>keitsinnovationen<br />

dieses Typs erreichen schon wenige Jahre nach ihrer<br />

Markteinführung Marktanteile von über zehn Prozent,<br />

nach fünf Jahren oftmals bereits über 50 Prozent. Sie entwickeln<br />

sich rasch zur dominanten Technik. Für die hohe<br />

Diffusionsdynamik sind drei Faktoren ausschlaggebend.<br />

Es handelt sich meist um wirtschaftliche Verbesserungsinnovationen<br />

bekannter Investitionsgüter etablierter<br />

Hersteller, häufig aus dem IT-Kontext. Der Innovationsgrad<br />

ist eher gering und die Adoptoren (professionelle Nutzer<br />

wie z.B. Betreiber von Rechenzentren) sind mit dem Innovationsgegenstand<br />

vertraut. Die etablierten Hersteller<br />

verfügen in der Regel über langjährige Erfahrung mit der<br />

Technik und dem Markt, über umfangreiche F&E- sowie<br />

Marketingressourcen und über etablierte Vertriebswege<br />

und Servicekonzepte.<br />

Pfadtyp 2:<br />

Durchschaubare Konsumprodukte mit verbesserten<br />

Eigenschaften<br />

Auch bei diesem Pfadtyp handelt es sich in erster Linie um<br />

bekannte Produkte wie z.B. Waschmaschinen, LCD-Monitore<br />

oder LED-Lampen, die hinsichtlich ihrer Effizienz oder anderer<br />

Eigenschaften verbessert worden sind. Vornehmlich sind es<br />

Konsumprodukte für Endverbraucher. Diese Konsumprodukte<br />

zeichnen sich dadurch aus, dass sie für den Verbraucher<br />

entweder vertraut, gut „durchschaubar“ oder beides gleichzeitig<br />

sind. Etwas weniger rasch verbreiten sich Fairtrade<br />

Kaffee, Waschmittel aus nachwachsenden Rohstoffen oder<br />

Biobaumwolle, die ebenfalls zu diesem Pfadtyp zählen.<br />

Typische Diffusionsdynamik verschiedener Typen von <strong>Nachhaltig</strong>keitsinnovationen<br />

Je komplexer ein Produkt, desto länger dauert es, bis es am Markt erfolgreich ist. Die Anschaffung einer effizienten Waschmaschine leuchtet<br />

dem Durchschnittsverbraucher schneller ein, als dass er sein Auto abschaffen und womöglich darauf hoffen muss, dass ein anderes im<br />

lokalen Carsharing-Angebot gerade frei ist. Hier spielen auch sogenannte Pfadabhängigkeiten und Infrastrukturfragen eine Rolle: Je weniger<br />

Carsharing-Nutzer es bisher gibt, desto weniger Autos und Standorte lohnen sich für den Anbieter – und desto unattraktiver ist das Angebot<br />

für den Nutzer.<br />

23


SCHWERPUNKT | SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP |<br />

Pfadtyp 3:<br />

Geförderte Investitionsgüter „grüner“ Pionieranbieter<br />

In diesem Diffusionspfad finden sich viele zentrale Grundlageninnovationen<br />

der Umwelttechnologie. Wind- und Wasserkraft,<br />

Wärmepumpen, Solarthermie, BHKWs und Passivhäuser<br />

sind typische Techniken und Produkte dieses Pfadtyps.<br />

Manche Produkte haben komplett neue Produktkategorien<br />

oder Märkte generiert. Gemeinsam ist den Produkten dieses<br />

Pfadtypus außerdem, dass sie Investitionsgüter darstellen,<br />

die überwiegend professionelle Investoren (z.B. große und<br />

kleine Wasserkraftwerke), aber zum Teil auch private Nutzer<br />

(z.B. Passivhaus oder Solarthermie) langfristig anwenden.<br />

Pfadtyp 4:<br />

Grundlageninnovationen mit hohem Verhaltensänderungsbedarf<br />

Zentrale Merkmale der Innovationen dieses Pfadtyps sind<br />

ihr hoher Innovationsgrad und die schwierige Routinisierbarkeit.<br />

Ob Bioenergiedörfer, Elektroautos, Carsharing<br />

oder die Nutzung von Skysails durch die Mannschaft eines<br />

modernen Containerschiffs: Deutliche Verhaltensänderungen<br />

sind bei den Innovationen dieses Pfadtypus auf Seiten<br />

der Adoptoren notwendig. Nimmt diese Notwendigkeit zur<br />

Verhaltensänderung zu, nimmt der erreichbare Marktanteil<br />

ab. Entsprechend langsam verbreiten sich die Innovationen<br />

dieses Diffusionspfadtyps.<br />

Pfadtyp 5:<br />

Komplexe Produkte mit unklarem oder langfristigem<br />

Nutzen<br />

Zentrale Merkmale der Innovationen dieses Pfadtyps (z.B.<br />

Tiefengeothermie, Absorptionskältemaschinen und Wärmenetze)<br />

sind die hohe Komplexität der jeweiligen Technik oder<br />

Lösung, die auf Adoptorenseite bestehende Unsicherheit<br />

über den Nutzen sowie die geringe Anschlussfähigkeit. Die<br />

geringe technische, institutionelle oder kulturelle Anschlussfähigkeit<br />

ist nicht nur in der Gegenwart ein Problem. Ohne<br />

klare Zukunftsperspektive und langfristige politische Pläne<br />

und Sicherheiten stagniert die Weiterentwicklung der Innovationen.<br />

Auch entwickeln sich so kaum wirtschaftlich starke<br />

Anbieter. Hier entsteht also ein für diesen Diffusionspfadtyp<br />

oft charakteristischer „Teufelskreis“.<br />

Welche Bedeutung haben die fünf Innovationscluster?<br />

Für die erfolgreiche Verbreitung sollten die Marktakteure je<br />

nach Innovationstyp unterschiedliche Akzente setzen. Die<br />

Innovationen des Pfadtyps 1 verbreiten sich z.B. ohnehin<br />

schneller, als ein staatlicher Fördermechanismus reagieren<br />

kann. Pfadtyp 2 erfordert Kennzeichnungsinstrumente wie<br />

z.B. Label oder gar ein „Top Runner Prinzip“, nach dem die<br />

jeweils nachhaltigsten Lösungen einige Jahre später zum<br />

Mindeststandard avancieren. Die Förderung von Innovationen<br />

des Pfadtyps 3 war bereits in vielen Fällen erfolgreich, im<br />

Falle der Photovoltaik sogar nach Meinung mancher Akteure<br />

zu erfolgreich. Hier wird ein Problem des Erfolgs deutlich:<br />

Schon der Ökonom Joseph Schumpeter sprach davon, dass<br />

das Bessere das Schlechtere niederkonkurriert. Ein wirklicher<br />

Erfolg der Diffusionsförderung führt also manchmal in<br />

einen Strukturwandel, dessen Folgen die Gesellschaft dann<br />

ertragen muss. Letztlich kann man große und langfristige<br />

Ziele nicht nach dem Motto „Wasch mir den Pelz, aber mach<br />

mich nicht nass“ erreichen. Ähnlich langfristige Herausforderungen<br />

stellen auch die Pfadtypen 4 und 5 dar. Pfadtyp<br />

4 ist dabei vielleicht am wenigsten steuerbar, er erfordert<br />

eher einen kulturellen Wandel, auf den Politik und Wirtschaft<br />

nur indirekt Einfluss haben. Und Pfadtyp 5 erfordert<br />

eine mutige Politik, die langfristige Ziele über Jahrzehnte<br />

konsequent verfolgt.<br />

KMU und Gründungen sind besonders innovativ<br />

Erfolg und Scheitern von nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen<br />

hängen von einem Zusammenspiel verschiedener<br />

Faktoren ab. Die untersuchten 100 umweltentlastenden<br />

Produkt- und Serviceinnovationen zeigen, dass vor allem neu<br />

gegründete Unternehmen die grundlegend neuen Produkte<br />

und Dienstleistungen entwickeln und am Markt einführen.<br />

Verbesserungsinnovationen kommen dagegen in erster Linie<br />

von etablierten Unternehmen. Für die Energiewende und<br />

die „Green Economy“ bedeutet dies: Neugründungen für<br />

die Entstehung „grüner“ Leitmärkte wurden bisher in ihrer<br />

Bedeutung deutlich unterschätzt. In Zukunft sollte man sie<br />

z.B. in Form einer leitmarktorientierten Gründerförderung<br />

stärker unterstützen.<br />

PROF. DR. KLAUS FICHTER<br />

ist Gründer und Leiter des Borderstep Instituts für Innovation und<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit. Als apl. Professor lehrt er an der Carl von Ossietzky<br />

Universität Oldenburg und hat dort die Professur für Innovation und<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit inne (PIN).<br />

DR. JENS CLAUSEN<br />

ist Diplomingenieur für Maschinenbau und leitet als Senior<br />

Researcher das Borderstep Büro Hannover.<br />

Zum Weiterlesen<br />

• Fichter, Klaus; Clausen, Jens (2013): Erfolg und Scheitern „grüner“<br />

Innovationen. Warum einige <strong>Nachhaltig</strong>keitsinnovationen<br />

am Markt erfolgreich sind und andere nicht.<br />

Metropolis-Verlag Marburg.<br />

• Fichter, K. & Clausen, J. (2012). Diffusionspfade für <strong>Nachhaltig</strong>keitsinnovationen.<br />

Das Wichtigste in Kürze.<br />

Online unter www.borderstep.de.<br />

• Fichter, K. & Weiß, R. (2012). Start-ups: Produktpioniere für eine<br />

Green Economy. Das Wichtigste in Kürze.<br />

Online unter www.borderstep.de.<br />

Foto: rechts © Cosmic Cine Festival<br />

24


| SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP | SCHWERPUNKT<br />

Social Entrepreneurship im Kino<br />

Filme machen Vorbilder bekannt und inspirieren, etwas zu unternehmen.<br />

Das Cosmic Cine Festival baut Brücken zwischen Ideen und Zuschauern –<br />

und hat schon einen Trend gegen Massenkonsum ausgelöst.<br />

Von Dunja Burghardt und Kerstin Brenner<br />

Niemals ohne Badekappe: Für seinen Film „Dive“ tauchte Filmemacher Jeremy Seifert tief in die Welt<br />

der Supermarktabfälle rein. Seine Doku ist nicht die einzige aus dem Genre der „Open-Mind-Movies“,<br />

die weltweit Bewegungen für grüneres und menschlicheres Handeln in Gang setzen.<br />

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25


SCHWERPUNKT | SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP |<br />

Hautnah dabei: Ein intimer spiritueller Moment mitten im Gewusel des größten religiösen Fests der Erde. Filmproduzent Simon Busch holt<br />

das indische Spektakel für die Zuschauer in den Kinosaal – und ist nominiert für den Cosmic Angel Award <strong>2014</strong>.<br />

Man kann die Enge spüren. Und die unglaubliche Vorfreude<br />

der Menschen. Kumbh Mela ist das größte religiöse Fest der<br />

Erde. Seinen Höhepunkt feiert es alle zwölf Jahre im nordindischen<br />

Allahabad, wenn Millionen Hindus ein Bad im heiligen<br />

Fluss Ganges nehmen, um sich von ihren Sünden reinzuwaschen.<br />

Anfang 2013 kamen 120 Millionen Pilger – das größte<br />

Kumbh Mela aller Zeiten. Mitten unter ihnen: Simon Busch,<br />

Filmproduzent und Regisseur des Films „Fascinating India 3<br />

D“, nominiert für den Cosmic Angel Award <strong>2014</strong>. Eine lange,<br />

strapaziöse Reise und die Bürokratie Indiens hat er auf sich<br />

genommen, um mit seinem kleinen Team hautnah dabei zu<br />

sein. Unmöglich, mit dem Tuk Tuk, Kamera und Equipment<br />

durch die unglaubliche Menschenmenge zu kommen. Das<br />

Team kämpft sich zu Fuß zu den Gläubigen am Fluss. Doch<br />

näher als 100 Meter dürfen sie sich den Badenden nicht<br />

nähern – trotz Pressepass und Drehgenehmigung. 50.000<br />

Polizisten bewachen das Gelände, um eine Massenpanik zu<br />

verhindern. Regisseur Simon Busch und sein Team liefern<br />

sich mit ihnen ein Katz-und-Maus-Spiel. Und dann gelingt es<br />

doch noch, beeindruckende Bilder für den Film einzufangen.<br />

Auf einem Boot, das sie noch vor Sonnenaufgang an der heiligen<br />

Badestelle absetzt, verbringen sie magische Stunden.<br />

In Unterwäsche und mit Kamera, mitten im Spektakel. Die<br />

Menschen teilen nur zu gerne ihr Glück – diesen wichtigsten<br />

Tag in ihrem Leben – mit dem Kamerateam. Simon Busch<br />

finanzierte den Film aus eigener Tasche. Nach vielen Besuchen<br />

in Indien hat er sein Projekt „Kultur hautnah erleben“<br />

einfach angepackt. Seine atemberaubenden Bilder nehmen<br />

die Zuschauer mit in das Heimatland der Spiritualität – ein<br />

Land <strong>voll</strong>er Gegensätze und Mythen.<br />

Ein Film holt uns nah heran, was wir sonst nicht sehen.<br />

Er gibt uns aber auch eine gesunde Distanz zu dem, was<br />

wir täglich erleben – um es aus einem neuen Blickwinkel<br />

betrachten zu können. Die Medienbranche erzählt Geschichten,<br />

lässt Erfahrungen anderer über große Bilder<br />

miterleben, teilt Informationen, Visionen und gibt auch<br />

Phantasien eine Bühne. Sie gestaltet den Wandel der Gesellschaft<br />

mit. Zugleich schenkt das Medium Film seit über<br />

einem Jahrhundert Hoffnung und Inspiration. Zukunftsvisionen<br />

einer besseren Welt, Liebe und die Heldenreise sind<br />

das Erfolgsrezept von unzähligen Kassenschlagern. Der bekannte<br />

Mythenforscher Joseph Campbell zieht in dem Film<br />

FINDE DICH von Regisseur Patrick Takaya Solomon (Platz 2<br />

Cosmic Cine Jury Award 2013) Parallelen von Hollywoods<br />

Heldengeschichten zu dem Geheimnis, das sich hinter allen<br />

Auserwählten verbirgt: Der Wunsch des Menschen, das<br />

eigene Potenzial zu entdecken, um Frieden zu finden – für<br />

sich und seine Umwelt.<br />

Foto: rechts © Cosmic Cine Festival<br />

26


| SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP | SCHWERPUNKT<br />

Der Filmemacher – ein eigener Typus Unternehmer<br />

Oft verpacken Hollywood-Regisseure Themen wie Grenzwissenschaften,<br />

Soziales und spirituelle Ansätze in Geschichten.<br />

Heute nutzen immer mehr Filmschaffende weltweit<br />

ihren gesellschaftlichen Einfluss direkt durch realistische<br />

Dokumentationen. Über die Stimmen verschiedener Menschen<br />

und Kulturen senden sie ihre Botschaft geradlinig und<br />

ohne Umwege über die große Kinoleinwand. Ihr Wunsch: die<br />

Wirklichkeit konkret mitgestalten. Digitalisierte Kinohäuser<br />

und neue Technologien machen dies auch für kleinere<br />

Produktionsfirmen möglich. Früher waren Transport und<br />

Herstellung von 35-Millimeter-Filmen aufwendig und teuer.<br />

Man rollte sie auf einer großen Spule auf, verpackte sie in<br />

einer lichtdichten Blechpatrone und sendete sie an jedes einzelne<br />

Kino. Heute erleichtern fast überall digitale Datenträger<br />

das Leben der Filmemacher. Sie brauchen dadurch weniger<br />

Material, hinterlassen einen geringeren ökologischen Fußabdruck<br />

und sparen Zeit und Geld. Mit Breitband-Internet und<br />

globaler Vernetzung muss nicht immer das ganze Filmteam<br />

in andere Länder reisen, um zu drehen. Die Finanzierung für<br />

Filme ist heute nicht mehr Verlagen und Verleihern vorbehalten<br />

– Crowdfunding-Plattformen blühen. Trotzdem bleibt ein<br />

großes wirtschaftliches Risiko, das jeder Filmemacher durch<br />

seinen Idealismus tragen muss.<br />

Das Cosmic Cine Filmfestival zeigt jedes Jahr innerhalb einer<br />

Festivalwoche die bewegendsten Filme aus dem Genre „OPEN-<br />

MIND“. Filme, die Mut machen, innovative Ideen vorstellen<br />

und auch langfristig einen wesentlichen positiven Wandel in<br />

der Gesellschaft bewirken. 2012 nominierte das Festival den<br />

Film „Dive!“ des jungen Filmemachers Jeremy Seifert. Er ging<br />

den Tonnen von Abfall bei Supermärkten auf den Grund und<br />

beschloss, das „Tauchen nach verwertbaren Essensabfällen“<br />

mit seinem Film cool zu machen. Eine ganze Bewegung von<br />

„Dumpster Divern“ wurde daraus weltweit geboren und setzte<br />

einen Gegentrend zum Massenkonsum. So baut das Cosmic<br />

Cine Filmfestival gemeinsam mit den Filmemachern Jahr für<br />

Jahr Brücken vom Multiplexkino zum Nischenfilm, von den<br />

Protagonisten zu den Menschen im Kinosaal.<br />

<strong>Nachhaltig</strong> heißt auch: Bestehendes einbeziehen<br />

Cosmic Cine ist ein klassisches Projekt des Social Entrepreneurships,<br />

das die Liebe zum Film und die Gestaltung einer<br />

positiven Zukunft vereint. Dabei geht es nicht vorrangig um<br />

Gewinnmaximierung und wirtschaftliche Tragbarkeit, denn<br />

das Festival wird immer noch teilweise durch Eigenmittel<br />

finanziert. Die Veranstalter wollen mit dem Medium Film<br />

zur positiven Weltgestaltung beitragen. „Uns geht es im<br />

Bereich Social Entrepreneurship nicht nur darum, alles<br />

komplett nachhaltig und neu auszurichten, sondern vor<br />

allem um Achtsamkeit – mit uns und unserer Umwelt“, so<br />

das Cosmic Cine-Team. Hingabe an das Projekt, Freude an<br />

der Umsetzung, ein unbändiges Engagement und innovative<br />

Ideen seien die Erfolgsfaktoren einer jeden Unternehmung<br />

in diesem Bereich. Bei allen Weltverbesserungsgedanken<br />

sollte man Bestehendes einbeziehen: die Tradition der<br />

„Lichtspielhäuser“ wiederbeleben, den Sinn von Multiplexkinos<br />

erkennen und Synergien für beide nutzen. Eine<br />

Wirtschaft, in der die ältere Generation und die jungen<br />

Visionäre gleichermaßen Wertschätzung finden – das treibt<br />

die Festival-Macher an.<br />

DUNJA BURGHARDT und KERSTIN BRENNER<br />

gehören zum Team des Cosmic Cine Festival.<br />

Nicht nur für Filmfans: Festival im April<br />

Das Cosmic Cine Filmfestival widmet sich den Themen <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />

und Spiritualität. Das Festivalmotto und Konzept richtet sich<br />

jährlich nach dem Zeitgeist aus. <strong>2014</strong> sind alle nominierten Filme<br />

unter dem Motto „BUILD A BRIDGE“ vom 3. bis 9. April in den Festivalstätten<br />

München, Darmstadt, Karlsruhe und Zürich zu sehen.<br />

Die Filme zeigen Reisen in verschiedenste Kulturen und Polaritäten<br />

der Erde. Der bewegendste Film des Jahres erhält bei einer Gala<br />

den Cosmic Angel Award – am 11. April <strong>2014</strong> im mathäser Filmpalast<br />

München.<br />

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SCHWERPUNKT | SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP |<br />

Die Social Wall Street<br />

verändert den Markt<br />

Menschen sind bunt. Die Wirtschaft muss es auch sein. Friedensnobelpreisträger<br />

Muhammad Yunus plädiert gegen die graue Theorie und für eine Sozialbörse mit<br />

eigenem Social Wall Street Journal.<br />

Von Muhammad Yunus<br />

Prof. Muhammad Yunus<br />

promovierte in Wirtschaftswissenschaften<br />

und lehrte an der Vanderbilt<br />

University in<br />

Tennessee, USA. Er ist<br />

Gründer der Grameen<br />

Bank, die Kleinstkredite<br />

an die Ärmsten vergibt,<br />

und initiierte mehrere<br />

Social Businesses, die<br />

soziale Proble me durch<br />

unternehmerisches Handeln<br />

lösen. 2006 wurde<br />

ihm der Friedensnobelpreis<br />

verliehen.<br />

Viele der Probleme in dieser Welt scheinen<br />

unlösbar, weil wir ständig den Kapitalismus<br />

zu eng auslegen. Wir entwerfen einen eindimensionalen<br />

Menschen, der die Rolle des Unternehmers<br />

spielen darf. Wir isolieren ihn von<br />

den anderen, beispielsweise den religiösen,<br />

emotionalen oder politischen Dimensionen<br />

des Lebens. Er widmet sich <strong>voll</strong> und ganz der<br />

einen Mission in seinem Geschäftsleben – der<br />

Profitmaximierung. Unterstützung erhält er<br />

von Massen anderer eindimensionaler Menschen,<br />

die ihn – mit demselben Ziel vor Augen<br />

– mit ihren Investitionsgeldern ausstatten.<br />

So funktioniert das Spiel des freien Marktes<br />

bestens. Und wir haben besonders hart gearbeitet,<br />

um uns so gut wie möglich in die von<br />

der Theorie vorgegebenen eindimensionalen<br />

Menschen zu verwandeln.<br />

Insgeheim hoffen wir, dass nur das „Marktversagen“<br />

Schuld ist<br />

Die Wirtschaftstheorie postuliert, dass man<br />

den bestmöglichen Beitrag zur Gesellschaft<br />

und der Welt leistet, wenn man sich bloß<br />

darauf konzentriert, das Maximum für sich<br />

selbst herauszuholen – dann holen alle anderen<br />

auch das Maximale für sich heraus.<br />

Während wir ergeben diesem Grundsatz<br />

folgen, überkommen uns manchmal Zweifel,<br />

ob wir das Richtige tun. Dann führen wir all<br />

diese schlechten Dinge einfach auf „Marktversagen“<br />

zurück; schließlich können gut<br />

funktionierende Märkte keine unerfreulichen<br />

Ergebnisse hervorbringen.<br />

Dass die Dinge schief laufen, liegt aus meiner<br />

Sicht nicht an „Marktversagen“, sondern an<br />

„Konzeptualisierungsversagen“. Oder genauer<br />

gesagt: daran, dass wir es in unserer Theorie<br />

nicht schaffen, das Wesen des Menschen zu<br />

erfassen. Menschen sind keine eindimensionalen<br />

Gebilde, sondern erstaunlich mehrdimensional<br />

und bunt. Ihre Emotionen, ihr<br />

Glaube, die Vorlieben und Verhaltensmuster<br />

lassen sich passender anhand einer Analogie<br />

zu den Grundfarben und den Millionen von<br />

ihnen hervorgebrachten Farben und Farbtönen<br />

beschreiben.<br />

Vier Unternehmertypen mit und ohne Kostendeckung<br />

Angenommen, wir postulieren eine Welt mit<br />

zwei Arten von Menschen, die beide eindimensionale,<br />

aber unterschiedliche Zielsetzungen<br />

verfolgen. Bei der einen Art handelt<br />

es sich um den bestehenden, d.h. auf Profitmaximierung<br />

ausgerichteten Typ. Der zweite<br />

Typ Menschen widmet sich völlig dem Ziel, in<br />

der Welt etwas zu bewegen. Sie werden von<br />

28 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP | SCHWERPUNKT<br />

Gemeinsam für würde<strong>voll</strong>es Altern: Teilnehmer eines Social Business Labs entwickeln Ideen zur demographischen Entwicklung in Deutschland.<br />

Die Labs sind eintägige Workshops, bei denen Interessierte Social Business-Konzepte und Praxisbeispiele kennenlernen und schließlich<br />

selbst Ideen zur Problemlösung in ihrem eigenen Umfeld entwickeln. Veranstalter ist das Grameen Creative Lab, ein Netzwerk, das Muhammad<br />

Yunus ins Leben rief.<br />

Foto: © Roger Richter<br />

gesellschaftlichen Zielen angetrieben. Sie möchten anderen<br />

Menschen zu einer besseren Chance im Leben verhelfen. Ob<br />

ihre Unternehmen nun Gewinne erzielen oder nicht: Sie dürfen<br />

auch keine Verluste einfahren. Sie gründen eine neue Art<br />

von Unternehmen, die man als „kein-Verlust-Unternehmen“<br />

bezeichnen könnte.<br />

Solche „Gutmenschen“ nennen wir im formalen Sprachgebrauch<br />

„Social Entrepreneurs“ oder „Sozialunternehmer“.<br />

Das Sozialunternehmertum ist wesentlicher Bestandteil der<br />

Menschheitsgeschichte. Den meisten Menschen bereitet es<br />

Vergnügen, anderen zu helfen. Sämtliche Religionen bestärken<br />

diese Qualität des Menschen. Regierungen belohnen sie<br />

durch Steuervergünstigungen. Manche Sozialunternehmer<br />

wenden Geld zum Erreichen ihrer Ziele auf, andere setzen<br />

ihre Zeit, Arbeitskraft, Talente, Fähigkeiten oder sonstige<br />

Beiträge ein, die für andere von Nutzen sind. Jene, die Geld<br />

aufwenden, versuchen unter Umständen einen Teil ihres investierten<br />

Geldes oder das gesamte Geld zurückzuerlangen,<br />

indem sie eine Gebühr oder einen Preis hierfür berechnen.<br />

Sozialunternehmer, die Geld aufwenden, lassen sich in vier<br />

Typen unterteilen:<br />

a) keine Kostendeckung<br />

b) teilweise Kostendeckung<br />

c) <strong>voll</strong>e Kostendeckung<br />

d) mehr als <strong>voll</strong>e Kostendeckung<br />

Von der Wohltätigkeit zur Geschäftswelt<br />

Sobald ein Sozialunternehmer bei 100-prozentiger oder<br />

darüber hinausgehender Kostendeckung agiert, betritt er<br />

die Geschäftswelt. Dieser Augenblick ist es wert, gefeiert zu<br />

werden. Er hat die Schwerkraft der finanziellen Abhängigkeit<br />

überwunden und ist nun bereit, abzuheben! Er ist von der<br />

Welt der Wohltätigkeit in die Geschäftswelt übergetreten.<br />

Um ihn von den anderen beiden Arten der oben aufgeführten<br />

Sozialunternehmer unterscheiden zu können, bezeichnen wir<br />

ihn als „wirtschaftlichen Sozialunternehmer“.<br />

Mit Eintritt der wirtschaftlichen Sozialunternehmer wird der<br />

Markt interessanter und konkurrenzbetonter. Interessanter,<br />

weil nun zwei verschiedene Arten von Zielsetzungen mitmischen<br />

und somit zwei verschiedene Bezugssysteme für die<br />

Preisbestimmung entstehen. Konkurrenzbetonter, weil es<br />

nun mehr Akteure gibt als vorher. Diese neuen Akteure können<br />

genauso aggressiv und geschäftstüchtig beim Erreichen<br />

ihrer Ziele auftreten wie die anderen Unternehmer. Sobald<br />

wir sie anerkennen, werden unterstützende Institutionen,<br />

politische Strategien, Vorschriften, Normen und Bestimmungen<br />

entstehen, die ihnen diesen Zugang zur etablierten<br />

Wirtschaft ermöglichen.<br />

Die Arbeitsteilung zwischen Markt und Staat ist künstlich<br />

Der Markt gilt nicht nur als gänzlich ungeeignete Institution<br />

zum Bekämpfen sozialer Probleme, sondern gilt auch als Mitverursacher<br />

sozialer Probleme wie Umweltgefährdungen,<br />

Ungleichheit, gesundheitliche Probleme, Arbeitslosigkeit,<br />

Slums und Kriminalität. Da der Markt nicht fähig erscheint,<br />

soziale Probleme zu lösen, wird die Verantwortung hierfür<br />

dem Staat übertragen. Bei dieser künstlichen Arbeitsteilung<br />

zwischen Markt und Staat verwandelt sich der Markt in eine<br />

exklusive Spielwiese für jene, die ihren persönlichen Nutzen<br />

suchen und eindeutig die gemeinsamen Interessen der<br />

Gemeinschaften und der Welt als Ganzem ignorieren. Es ist<br />

nun an der Zeit, von der engen Auslegung des Kapitalismus<br />

abzurücken und den Marktbegriff durch eine <strong>voll</strong>ständige<br />

Anerkennung der wirtschaftlichen Sozialunternehmer zu<br />

erweitern. Sobald dies erfolgt ist, können wirtschaftliche<br />

Sozialunternehmer den Markt überschwemmen und dafür<br />

sorgen, dass sich der Markt genauso effizient für soziale<br />

Zwecke nutzen lässt wie für persönliche Ziele.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

29


SCHWERPUNKT | SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP |<br />

Brutkasten für die nächste Generation von Unternehmern: Das Grameen Creative Lab verbindet kreative Köpfe, die die Welt von Armut, Not<br />

und sozialen Missständen befreien wollen.<br />

Eine Sozialbörse zieht neue Investoren an<br />

Wie unterstützt man wirtschaftliche Sozialunternehmer, damit<br />

sie größere Marktanteile erlangen? Erstens müssen wir<br />

die wirtschaftlichen Sozialunternehmer in unserer Theorie<br />

würdigen. Wir müssen Studenten lehren, dass es zwei Arten<br />

von Geschäften gibt: a) Geschäfte, um Geld zu verdienen und<br />

b) Geschäfte, um anderen Gutes zu tun. Junge Menschen<br />

müssen lernen, eine Entscheidung für sich zu treffen: Welche<br />

Art von Unternehmer möchten sie sein? Wenn wir eine noch<br />

weitere Auslegung des Kapitalismusbegriffes zulassen, bieten<br />

wir ihnen größere Möglichkeiten, diese beiden Grundtypen<br />

in dem für ihren Geschmack genau richtigen Verhältnis miteinander<br />

zu mischen.<br />

Zweitens müssen wir die Sozialunternehmer und -investoren<br />

in der Wirtschaft sichtbar machen. So lange sie im kulturellen<br />

Umfeld der derzeitigen Börsen agieren, werden sie auch<br />

weiterhin durch die bestehenden Normen und den Handelsfachjargon<br />

eingeschränkt. Sie müssen eigene Normen, Standards,<br />

Maßeinheiten, Bewertungskriterien und eine eigene<br />

Terminologie entwickeln. Dies ist nur durch die Schaffung<br />

einer separaten Börse möglich. Man könnte sie Sozialbörse<br />

nennen. Hierher kommen Investoren, um ihr Geld für die<br />

Sache, an die sie glauben, anzulegen in das Unternehmen,<br />

das sie für das Erreichen dieses besonderen Ziels am geeignetsten<br />

halten. Unter Umständen sind an dieser Sozialbörse<br />

auch einige Unternehmen notiert, die ausgezeichnet beim<br />

Erreichen ihres Ziels sind und gleichzeitig nebenher sehr<br />

attraktive Gewinne erwirtschaften. Es ist offenkundig, dass<br />

derlei Unternehmen beide Arten von Investoren, die sich an<br />

sozialen Zielen orientierenden, wie auch die auf persönlichen<br />

Nutzen gerichteten, anzieht.<br />

Die „Social Financial Times“ hält Sozialunternehmer auf<br />

dem Laufenden<br />

Gemeinsam mit der Schaffung der Sozialbörse müssen auch<br />

Ratingagenturen, geeignete Wirkungsbewertungsinstrumente<br />

und Indizes geschaffen werden, um zu erfassen, welches<br />

wirtschaftliche Sozialunternehmen mehr und/ oder Besseres<br />

als andere leistet. Dieser Wirtschaftszweig wird sein eigenes<br />

Social Wall Street Journal und seine eigene Social Financial<br />

Times brauchen, um all die spannenden, aber auch die<br />

schrecklichen Nachrichten und Analysen herauszugeben, die<br />

die Sozialunternehmer und -investoren mit sachgerechten<br />

Informationen und Vorwarnungen versorgen.<br />

Die betriebswirtschaftlichen Fakultäten der Universitäten<br />

können anfangen, Sozial-MBAs hervorzubringen. Meines<br />

Erachtens werden junge Menschen mit Begeisterung auf die<br />

Herausforderung reagieren, bedeutende Beiträge zur Welt zu<br />

leisten, indem sie wirtschaftliche Sozialunternehmer werden.<br />

Es werden auch neue Bankfilialen entstehen, die sich auf<br />

die Finanzierung von sozialunternehmerischen Vorhaben<br />

spezialisieren. Neue Business Angels werden als Sozial-Risikokapitalgeber<br />

den wirtschaftlichen Sozialunternehmern<br />

die Hände reichen.<br />

Ein möglicher Anfang: Bank, Ideenwettbewerb, Börse<br />

Eine gute Art, mit der Schaffung von wirtschaftlichen<br />

Sozialunternehmen zu beginnen, wäre die Ausrichtung<br />

eines Gestaltungswettbewerbs. Preise für eine erfolgreiche<br />

Gestaltung könnte man in Form einer Finanzierung für die<br />

Unternehmen oder als Partnerschaft für die Realisierung der<br />

Projekte verleihen. Sämtliche eingereichten Vorschläge zu Sozialunternehmen<br />

können als Veröffentlichungen den Gestaltern<br />

der nächsten Durchläufe als Ausgangspunkt oder jenen<br />

als Idee dienen, die ein wirtschaftliches Sozialunternehmen<br />

gründen möchten. Die Sozialbörse selbst lässt sich auch als<br />

wirtschaftliches Sozialunternehmen gründen. Wirtschaftshochschulen<br />

können dies gemeinsam als Projekt starten.<br />

Wir dürfen nicht erwarten, dass ein wirtschaftliches Sozialunternehmen<br />

von Anfang an alle Antworten auf ein soziales<br />

Problem liefern kann. Doch jeder Schritt kann zur nächsten<br />

Foto: © Roger Richter<br />

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| SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP | SCHWERPUNKT<br />

Erfolgsebene führen. Das konnte ich bei der Grameen Bank<br />

selbst erleben. Bei der Gründung gab es keinen Plan, dem<br />

ich hätte folgen können. Ich habe einen Schritt nach dem<br />

anderen unternommen, stets in dem Glauben, dass dies mein<br />

letzter Schritt sein würde. War es aber nicht. Dieser Schritt<br />

führte mich zu einem weiteren Schritt, der so interessant<br />

erschien, dass es schwerfiel, ihm auszuweichen. Und dieser<br />

Situation sah ich mich jedes Mal aufs Neue ausgesetzt.<br />

Meine Arbeit begann damit, dass ich einigen Menschen<br />

ohne jegliche Sicherheiten einen kleinen Geldbetrag gab.<br />

Dann wurde mir bewusst, wie positiv die Menschen darauf<br />

reagierten. Ich brauchte weiteres Geld zur Ausweitung des<br />

Programms. Um Zugriff auf Bankgelder zu erhalten, bot ich<br />

mich als Bürge an. Um die Unterstützung einer weiteren Bank<br />

zu erhalten, wandelte ich mein Projekt in ein Projekt der Bank<br />

um. Später machten wir es zu einem Projekt der Zentralbank.<br />

Mit der Zeit wurde mir klar, dass die beste Strategie für die<br />

Erledigung unserer Arbeit in der Gründung einer unabhängigen<br />

Bank bestehen würde. Also taten wir dies. Wir verwandelten<br />

das Projekt in eine formale Bank, die Kredite bei der<br />

Zentralbank aufnahm, um Darlehensnehmern Geld leihen<br />

zu Forum können. <strong>Nachhaltig</strong> Nachdem <strong>Wirtschaften</strong><br />

Menschen Interesse an unserer Arbeit<br />

zeigten Format: und Ssp uns 165x120 unterstützen mm, wollten, 4c erhielten wir von inter-<br />

DU: 18.<strong>02</strong>.14<br />

ET: 1.04.14<br />

nationalen Spendern Darlehen und Zuschüsse. Irgendwann<br />

entschieden wir uns für Unabhängigkeit. Dies brachte uns<br />

dazu, uns auf den Aufbau eines eigenen Kapitalstocks durch<br />

die Hereinnahme von Einlagen zu konzentrieren. Mittlerweile<br />

verfügt die Grameen Bank über mehr Geld in Einlagen, als sie<br />

an Krediten vergibt. Ihre Kredite von durchschnittlich unter<br />

200 US-Dollar an 4,5 Millionen Kreditnehmer belaufen sich<br />

auf insgesamt eine halbe Milliarde Dollar jährlich, wobei die<br />

Rückzahlungsrate bei 99 Prozent liegt.<br />

Schritt für Schritt zu einer freundlicheren Wirtschaft<br />

Wir haben viele Programme in der Bank eingeführt: Wohnungsbaudarlehen,<br />

Studiendarlehen, Pensionsfonds, Darlehen<br />

für den Kauf von Mobiltelefonen für die „Telephone<br />

Ladies“ in den Dörfern, Darlehen an Bettler als Grundlage für<br />

eine Vertretertätigkeit. Ein Programm nach dem anderen.<br />

Wenn wir das richtige Umfeld schaffen, können wirtschaftliche<br />

Sozialunternehmer einen bedeutenden Marktanteil<br />

einnehmen und den Markt auf stets innovative und effektive<br />

Weise zu einer spannenden Austragungsstätte sozialer<br />

Kämpfe machen.<br />

Machen wir Ernst mit wirtschaftlichen Sozialunternehmern.<br />

Sie können diese düstere Welt freundlicher machen.<br />

Wir fördern Menschen,<br />

die lieber Rotoren<br />

als Fähnchen in den<br />

Wind hängen<br />

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Energien bieten wir über 20 Jahre Erfahrung<br />

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immer freuen wir uns über jeden weiteren<br />

Schritt, den Menschen für die Energiewende<br />

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31


SCHWERPUNKT | SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP |<br />

Das Berliner Projekt um Anja Fiedler<br />

„Stadt macht satt“ geht den Schattenseiten<br />

globaler und industrieller<br />

Lebensmittelproduktion entgegen.<br />

Muss man alles selber machen?<br />

Wer outsourct, gibt seine Verantwortung einfach weiter. Oder? <strong>forum</strong> diskutierte<br />

mit den Entrepreneuren Prof. Günter Faltin (Teekampagne) und Uwe Lübbermann<br />

(Premium Cola) über Module, Wachstum und Ellenbogen.<br />

Das Gespräch führte Tina Teucher<br />

<strong>forum</strong>: Frisöre, Internetplattformen, Zahnärzte: Täglich<br />

gibt es hunderte Gründungen, die einfach Vorhandenes<br />

imitieren. Wann ist eine Gründungsidee für Sie innovativ?<br />

Faltin: Normalerweise würde man sagen: Start-ups sind innovativ,<br />

wenn Hightech involviert ist. Das finde ich schade, denn<br />

ich würde innovativ auch Dinge nennen, die es so noch nicht<br />

gibt – sei es ökologisch, ökonomisch oder sozial. Hightech<br />

ist ja nur ein kleiner Bereich in der Masse der Gründungen.<br />

Es gibt viele Möglichkeiten, sich positiv zu engagieren. Zum<br />

Beispiel gibt es in Berlin Anja Fiedler, die beobachtet hatte,<br />

dass viele Obstbaumbesitzer nicht dazukommen, zu ernten.<br />

Sie organisierte kurzerhand den Austausch mit interessierten<br />

Pflückern. Das Projekt heißt „Stadt macht satt“. Bei so etwas<br />

gewinnen alle.<br />

Lübbermann: Für mich ist ein innovatives Geschäftsmodell<br />

integrativ statt disruptiv. Es muss also nicht phänomenal neu<br />

sein, sondern es kann Vorhandenes verwandeln. Denn das<br />

Bestehende ist selten perfekt – aber das muss man ja nicht<br />

hinnehmen: Als kluger Unternehmer kann man Alternativen<br />

anbieten. Das tun Sie, Herr Faltin, ja mit der Teekampagne.<br />

Sie lassen unnötige Handelsstufen aus und bieten deutschen<br />

Kunden günstigen, aber hochwertigen Tee an. Doch dabei<br />

fehlt mir das integrative Element: Man müsste die Teehandlungen<br />

mitnehmen statt umgehen, man müsste gemeinsam<br />

etwas Neues schaffen.<br />

Faltin: Dafür waren die Teehändler leider nicht offen. Sie sahen<br />

mich als Feind. Ein Böser aus der Universität, der sie vernichten<br />

will. Ich wünschte, es wäre leichter gewesen, die Teekampagne<br />

zu gründen – und mehr konsensual. Man muss nicht immer<br />

Krieg führen, sondern sollte schauen, wo man kooperieren kann.<br />

Doch manchmal kommt man nicht zum kooperieren.<br />

Woran könnte das liegen?<br />

Lübbermann: Der ungezügelte Wettbewerb ist eine Ursache<br />

für viele Fehlentwicklungen auf der globalen Ebene. Da sind<br />

Gründungsideen gefragt, die dazu gezielt eine Gegenströmung<br />

entwickeln.<br />

Faltin: Der Zugang zum Markt und die Idee des Wettbewerbs<br />

sind historische Errungenschaften, die man nicht einfach<br />

beiseiteschieben sollte. Ich finde Wettbewerb vor allem<br />

dann positiv, wenn damit neue Ideen und Ziele gesetzt<br />

werden können.<br />

Lübbermann: Ich würde Wettbewerb auch nicht generell<br />

verteufeln. Es ist ja ein wichtiger Antrieb. Doch momentan<br />

definiert sich eine Marke über Produkt und Preis. Wir<br />

bräuchten einen weiteren Wettbewerbsfaktor, nämlich: Wer<br />

benimmt sich am besten, wer kümmert sich am besten um<br />

seine Partner?<br />

Faltin: Es kommt darauf an, was man unter Wettbewerb<br />

versteht! Wenn Gewalt und Ellenbogen über den Erfolg<br />

Foto: © Stadt macht satt<br />

32 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP | SCHWERPUNKT<br />

Prof. Dr. Günter Faltin lehrte Unternehmensgründung an der Freien<br />

Universität Berlin, er leitet die Stiftung Entrepreneurship. Seit<br />

2013 lehrt er als Gastprofessor an der Universität Chiang Mai in<br />

Thailand. Bekannt machte ihn seine Idee der Teekampagne, die<br />

ziemlich alle Konventionen des Handels aushebelt: Beschränkung<br />

auf nur eine Sorte Tee (Darjeeling), kein Zwischenhandel, Bio-Qualität,<br />

fair gehandelt, unterstützt die Erzeuger gegen die Fälschung<br />

von Darjeelingtee, finanziert ein großes Wiederaufforstungsprojekt<br />

in Darjeeling. Faltins Devise: Selbstständig sein heißt eben<br />

nicht, alles ständig selbst zu machen. Daher stellt die Teekampagne<br />

anderen Gründern Komponenten bereit, wie Buchhaltung und<br />

Logistik. Gründer sollen lieber an ihrer Idee feilen, damit sie im<br />

Wettbewerb bestehen können.<br />

Uwe Lübbermann ist Gründer aus Weltveränderungsantrieb. Als<br />

sein Lieblingsgetränk Afri-Cola ohne Kommentar die Rezeptur<br />

änderte, tat er sich mit anderen empörten Konsumenten zusammen,<br />

fand das alte Rezept heraus und gab kurzerhand selbst ein<br />

paar Kästen bei den Herstellern in Auftrag. Aus der Grundidee der<br />

100-prozentigen Partizipation aller Marktteilnehmer – Händler<br />

und Konsumenten, Rohstofflieferanten und Hersteller haben alle<br />

eine Stimme und Vetorecht – ist ein seit zwölf Jahren erfolgreiches<br />

Unternehmen geworden. Das Konstrukt rund um das Kultgetränk<br />

Premium Cola kommt <strong>voll</strong>ständig ohne Verträge aus. Vertrauen ist<br />

der Schlüssel.<br />

entscheiden, ist das ein Zeichen dafür, dass die Prinzipien<br />

des Markts außer Kraft gesetzt wurden. Es geht um den<br />

Wettstreit der Ideen. Die Ellenbogen führen öfters zu<br />

schlechten ökonomischen Ergebnissen. Frauen könnten<br />

Wo bleibt da Raum für Verantwortungsüberahme?<br />

Faltin: Der Gründer wählt die Partner ja aus und das sollte er<br />

sorgfältig tun. Wenn ich Aufgaben an professionelle Partner<br />

abgebe – damit meine ich nicht billig arbeitende Dilettanten<br />

Zu schnelles Wachstum<br />

vernebelt Entscheidungen. (Lübbermann)<br />

Fotos: oben © Stiftung Entrepreneurship | unten © Miguel<br />

diese kooperative Komponente verstärkt in die Wirtschaft<br />

tragen. Es gibt eine Studie über Women & Entrepreneurship<br />

1 , nach der Frauen sich im Geschäftsleben nicht anders<br />

als im Normalleben verhalten. Sie tauschen sich aus, kooperieren,<br />

haben nicht das männliche Vernichtungs-Gen,<br />

das sie antreibt, nach dem Motto: „ich muss besser sein,<br />

ich muss der Größte sein“.<br />

Herr Prof. Faltin, in Ihrem Buch „Kopf schlägt Kapital“<br />

empfehlen Sie Gründern, ihre Gründungsidee so weit wie<br />

möglich zu modularisieren und Tätigkeiten outzusourcen.<br />

– dann erwarte ich, dass sie das auch verantwortungs<strong>voll</strong> machen.<br />

Ich kann also nicht irgendwelche Firmen beauftragen.<br />

Das Gegenargument ist dann immer: Das ist zu teuer. Aber ich<br />

sage: Wenn man sich Professionalitiät nicht leisten kann, ist<br />

das Geschäftsmodell noch nicht ausgereift genug! Die Alternative<br />

ist ja nicht Unprofessionalität. Denn das kommt mich<br />

am Ende teurer, als von vornherein mit Profis zu arbeiten.<br />

Lübbermann: Ich sehe da schon ein Problem! Wenn wir Aufgaben<br />

abgeben, ist es verlockend, damit auch die Verantwortung<br />

der Art und Weise, wie das gemacht wird, abzugeben.<br />

Wir fragen dann weniger, unter welchem Druck und unter<br />

1 Godwyn, Mary und Stoddard, Donna: Minority Women: (In)Visible Entrepreneurs. Why They are Better for Business and Society, and What We Can All Learn from Them.<br />

Zitiert nach: Fritz Fleischmann: What Is Entrepreneurial Thinking?, Babson College, Oktober 4, 2009.<br />

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33


SCHWERPUNKT | SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP |<br />

Unsere Aufgabe als Unternehmer:<br />

bessere, nachhaltigere Lösungen zu finden als das,<br />

was der Markt von allein macht. (Lübbermann)<br />

welchen Arbeitsbedingungen das Ergebnis zustande kommt.<br />

Bei Speditionen ist das ganz deutlich sichtbar. Egal wie professionell<br />

geplant wird: Am Ende lastet der Wettbewerbsdruck<br />

auf dem Rücken der Fahrer, die dann länger fahren müssen,<br />

schneller verladen und so weiter. Dabei liegt hier eine große<br />

Chance verborgen: Meine Module bieten mir als Unternehmer<br />

ein großes Spielfeld, um die Verantwortung in die Köpfe<br />

aller Beteiligten zu bringen. Ich kann als Auftraggeber aktiv<br />

zur Verbesserung beitragen!<br />

Faltin: Manchmal muss man die Erzeuger zu Verantwortung<br />

anhalten, z.B. den übermäßigen Einsatz von Pestiziden tadeln<br />

und dagegen vorgehen. Auch das gehört zur Verantwortung,<br />

statt nur freundlich mit seinen Partnern zu kommunizieren.<br />

Meine Bücher wollen vor allem Menschen ermutigen, zu<br />

gründen – mit einem guten Konzept, aber ohne dass sie<br />

gleich Angst bekommen vor Buchhaltung, Webshop und<br />

allzuviel Organisation. Mit Komponenten wird das Gründen<br />

verankert. Im Gegensatz zur beliebten Serial Entrepreneur-Philosophie<br />

sind der Gründungsprozess und vor allem<br />

das Unternehmertum ja mit der Gründung nicht abgeschlossen!<br />

Die Rahmenbedingungen wandeln sich ständig, so dass<br />

man das Zusammenspiel der Partner im Prozess regelmäßig<br />

nach- und feinjustieren muss. Das ist auch eine Dienstleistung<br />

mit Mehrwert.<br />

Ist Unternehmertum über die Gründung hinaus also die<br />

verantwortungs<strong>voll</strong>ere Variante?<br />

Faltin: Ich spreche lieber von Entrepreneurship. Jeder Gründer<br />

ist gut beraten, wenn er sich für etwas gesellschaftlich<br />

einsetzt. Im Frühkapitalismus waren die Bedingungen anders.<br />

Heute versuche ich, Menschen zu helfen, die nicht aus der<br />

Ökonomie kommen, diese aber nutzen können, um ihr Anliegen<br />

in die Praxis zu bringen und finanzieren zu können. Ich<br />

glaube, Menschen mit Idealismus sind heute erfolgreicher.<br />

Dialog ist schon der erste Teil<br />

der Bedürfnisbefriedigung für den Kunden. (Faltin)<br />

möglich, ohne in die Überlastungs- und Überforderungsfalle<br />

zu kommen. Viele Gründer sind derart mit Details befasst,<br />

dass sie oft gar nicht dazu kommen, sich ihrer Verantwortung<br />

bewusst zu werden und etwas dafür zu tun. Daher ist es gut,<br />

dass es heute viel mehr Komponenten gibt als früher.<br />

Lübbermann: Damit wird die Weltwirtschaft auch immer<br />

fragmentierter. Wir brauchen einen weiteren Treiber für<br />

Verantwortung neben dem Konsumenten: den Unternehmer,<br />

der sich verantwortungs<strong>voll</strong>e Partner sucht, aber vor allem<br />

auch später in der Betriebsphase dieses Denken weiter<br />

Postwachstumsökonomie<br />

Konzept des Volkswirtschaftlers Niko Paech, nach dem die Wirtschaft<br />

auch ohne Wachstum des Bruttoinlandsprodukts und mit<br />

reduziertem Konsumniveau eine stabile Versorgung gewährleisten<br />

kann.<br />

Gemeinwohlökonomie<br />

Bewegung um den Österreicher Christian Felber, die eine demokratische<br />

Diskussion der Wirtschaft fordert. Themen sind dabei unter<br />

anderem Grundwerte wie Wertschätzung und Teilen, Kooperation<br />

statt Konkurrenz, sowie alternative Bilanzierungsformen ökonomischen<br />

Erfolgs.<br />

Lübbermann: Ich würde gern eine Bewegung antreiben, die<br />

genau das in den Vordergrund stellt. Auslöser für meinen<br />

„Idealismus“ war die ungleiche Machtverteilung zwischen<br />

Industrie und Endkunden. Als Afri-Cola plötzlich das Rezept<br />

änderte, ohne uns Cola-Trinker zu fragen, waren wir verdutzt<br />

– und machtlos. Diese Erfahrung hat in mir den Wunsch<br />

reifen lassen, eine Wirtschaft zu schaffen, in der alle gleichberechtigt<br />

über die Art des <strong>Wirtschaften</strong>s entscheiden. Das<br />

bedeutet: Gleichverteilung der Risiken, aber auch der Chancen.<br />

Ich dachte nicht, dass diese Idee ansatzweise realistisch<br />

ist. Aber das Projekt Premium Cola gibt es seit zwölf Jahren.<br />

Alle dürfen gleichberechtigt mitreden und wenn jemand ein<br />

Veto einlegt, gilt die Entscheidung als nicht getroffen. Ich sehe<br />

das zugleich als Ziel und Dienstleistung: Eine Wirtschaft zu<br />

fördern, die sich sozialer im Sinne der Postwachstums- und<br />

Gemeinwohlökonomie* verhält. Unsere unternehmerische<br />

Aufgabe ist es, bessere, also nachhaltigere Lösungen zu<br />

finden als das, was der Markt von allein macht.<br />

Zielt nicht jeder Gründer vor allem darauf ab, schnell zu<br />

wachsen?<br />

Faltin: Wir haben uns in der Teekampagne bewusst dafür<br />

entscheiden, nur eine einzige Sorte Tee zu handeln, ob-<br />

34 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


wohl unsere Kunden gerne auch andere Teesorten bei uns kaufen<br />

wollten. Ich finde, wir müssen auch Modelle schaffen, wie man ohne<br />

Wachstum auskommt. Ralf Fücks fordert in seinem neuen Buch ein<br />

ressourcen-sparenderes Wachstum. Ich würde hinzufügen: Wir brauchen<br />

ent-materialisierenden Konsum. Die unternehmerische Aufgabe<br />

lautet ja: Was kann ich anbieten, das Konsumenten zufriedenstellt,<br />

aber wenig Ressourcen verbraucht?<br />

Lübbermann: Wachstum als Hauptziel ist in erster Linie eine Gefahr,<br />

weil es den Blick auf Entscheidungen vernebeln kann. Viele Gründer<br />

nehmen für schnelles Wachstum Kredite auf. Doch sobald ich eine<br />

Zinsbelastung im Produkt habe, bin ich nicht mehr frei in meinen<br />

unternehmerischen Entscheidungen und kann nicht mehr in Ruhe<br />

mit allen Stakeholdern verhandeln. Das versuche ich zu vermeiden.<br />

Daher haben wir demokratisch eine Wachstumsgeschwindigkeitsgrenze<br />

beschlossen. Sie liegt derzeit bei 30 Prozent pro Jahr. So können<br />

wir unsere Lieferanten auch ohne Kredite pünktlich bezahlen. Ich bin<br />

da sehr konservativ: Wachstum muss langsam gehen, die Menschen<br />

müssen Zeit haben, die Kultur zu verinnerlichen und reinzuwachsen<br />

in so ein Modell. Bei vielen Endkunden sind materielle Statussymbole<br />

immer noch wichtig – dafür geben sie viel Geld aus. Ich möchte, dass<br />

es cool wird, wenig zu haben. Eine Kultur, in der jeder seine Grundbedürfnisse<br />

decken kann, in der es aber peinlich ist, mit einem dicken<br />

Mercedes vorzufahren.<br />

Könnte Entrepreneurship hierfür eine Lösung sein?<br />

Faltin: Echte Alternativen können wir nicht von einem DAX-Unternehmen<br />

erwarten – das braucht Menschen, die von einem anderen<br />

Bewusstsein her kommen. Die sich fragen: Was sind die wichtigen<br />

Elemente für ein geglücktes Leben?<br />

Lübbermann: Unternehmer können entzünden. Deshalb begleite<br />

ich andere Gründungen, das ist mein Hebel. Die bisher acht von<br />

mir kostenlos beratenen Start-ups haben alle überlebt. Beispiele:<br />

Die Getränkehersteller Frohlunder aus Freiburg als Open Franchise<br />

Produkt, Kolle-Mate aus Dresden mit sehr ähnlicher Arbeitsweise,<br />

aber auch branchenfremde Transfers wie z.B. die SWAK-Zahnbürste.<br />

Diese Modelle sind für sich gesehen noch kein Systemwandel, aber<br />

sie bringen den Dialog über Alternativen in Gang.<br />

Und Colatrinken soll die unternehmerische Lösung für gesellschaftliche<br />

Probleme sein?<br />

Lübbermann: Die Getränke sind nur der Träger der Idee. Das eigentliche<br />

Produkt bei Premium ist die Arbeitsweise. Die muss ich ständig<br />

weiterentwickeln und kommunizieren. Dieser Dialog ist unsere<br />

Werbung und ein Hebel für den gesellschaftlichen Wandel. Eine traditionelle<br />

Werbekampagne kostet dagegen nur Geld und verschlingt<br />

Ressourcen.<br />

Faltin: Der Entrepreneur muss natürlich in Dialog gehen. Er muss seine<br />

Kunden und Lieferanten verstehen, aber auch in kritischen Diskurs mit<br />

ihnen gehen. Das ist schon der erste Teil der Bedürfnisbefriedigung.<br />

Die Frage ist ja: Können wir als Gesellschaft uns Wohlstand ohne<br />

materiellen Ressourcenverbrauch vorstellen? Damit wir das können,<br />

brauchen wir erfolgreiche Beispiele, die die traditionellen ressourcenintensiven<br />

Produkte ersetzen.<br />

Lübbermann: Und konkrete Arbeitsweisen, die den Umgang miteinander<br />

widerspiegeln, den wir uns auch im Alltag wünschen.<br />

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35


SCHWERPUNKT | SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP |<br />

„Die Investoren sollen<br />

sich kloppen“<br />

Wer als Sozialunternehmer wachsen will, hat ein Problem: Um an Geld zu kommen,<br />

muss er sein Geschäftsmodell immer wieder den jeweiligen Erfordernissen<br />

von Stiftungen, Spezial-Fonds oder öffentlichen Töpfen anpassen.<br />

Von Ellinor Dienst<br />

Frischer Wind für Social Entrepreneure –<br />

Fase ist die erste deutsche Finanzierungsagentur<br />

für Sozialunternehmen.<br />

Foto: © Xsandra by istockphoto.com<br />

36 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP | SCHWERPUNKT<br />

Stellen Sie sich vor, Sie stehen kurz vor der Insolvenz und sind<br />

der Situation restlos ausgeliefert. Keiner im Freundeskreis,<br />

der Ihnen zu helfen vermag und Sie möchten auch ungerne<br />

darüber sprechen. Genau so ging es Attila von Unruh: Er<br />

geriet unverschuldet in die Insolvenz und fühlte sich alleingelassen<br />

mit der Situation. Aus dieser Erfahrung heraus<br />

rief er den Verein BV INSO e.V. ins Leben, um ins Taumeln<br />

geratenen Unternehmern zu helfen. Seit 2007 finden nun in<br />

ganz Deutschland regelmäßige Treffen der „Anonymen Insolvenzler“<br />

statt, seit 2010 bietet der Verein auch Einzelberatung<br />

und persönliche Unterstützung für gescheiterte Firmenbosse<br />

an – ein Zweig, der seitdem immer stärker wurde. Jedoch<br />

fehlt jetzt für die weitere Expansion die Finanzierung. Da<br />

noch keine richtigen Umsätze verbucht werden, wird keine<br />

Bank dem Sozialunternehmer finanziell Beachtung schenken,<br />

für Spenden ist der Finanzierungsbedarf zu hoch.<br />

So oder ähnlich ergeht es derzeit zahlreichen Sozialunternehmern<br />

in Deutschland. In England ist der Markt für „Impact<br />

Investing“ schon <strong>voll</strong> etabliert und diverse Social Venture<br />

Fonds unterstützen Sozialunternehmer bei Gründung und<br />

Wachstum. Es handelt sich um Unternehmen, die innovative<br />

unternehmerische Lösungen für drängende gesellschaftliche<br />

Probleme wie Armut, Benachteiligung, ökologische Probleme<br />

oder Bildungsmisere finden und in großem Maßstab etablieren<br />

wollen. Laut einer aktuellen Studie des Centrums für<br />

soziale Investitionen und Innovationen in Heidelberg gibt es<br />

in Deutschland derzeit etwa 1.700 solcher Unternehmen,<br />

Tendenz steigend. Ihr Problem: „Wenn sie wachsen wollen,<br />

kommen sie oft nur sehr schwer an Geld“, sagt Markus Freiburg,<br />

einer der beiden Gründer der neuen Finanzagentur<br />

für Social Entrepreneurship (FASE). „Denn im Moment fallen<br />

sie noch durch jedes Raster und befinden sich irgendwo<br />

zwischen Wirtschaft und Sozialmarkt. Dabei sind es doch<br />

gerade sie, die wir dringend brauchen, um viele unserer<br />

Probleme zu lösen.“<br />

Sozialunternehmer verdursten auf halbem Weg<br />

Die Sozialunternehmer laufen von Geldquelle zu Geldquelle<br />

– und verdursten dabei. Der Weg zur Bank lohnt oftmals<br />

erst gar nicht, weil dort das Verständnis für Social Entrepreneurship<br />

und der Glauben an ein funktionierendes Geschäftsmodell<br />

fehlen. Bisher zapfen die Unternehmer also<br />

vor allem Stiftungen, öffentliche Fördertöpfe, Philanthropen<br />

und Spezial-Fonds an. Das bedeutet aber, dass sie mit immer<br />

neuen, den Erfordernissen der Kapitalgeber angepassten<br />

Geschichten loslaufen, sich also immer neu verbiegen müssen.<br />

Am Ende richtet sich dann die Geschäftsidee nach den<br />

Bedarfen bei der Kapitalquelle – nicht umgekehrt.<br />

Die Finanzagentur FASE will deshalb das vorhandene Kapital<br />

von unterschiedlichen Investoren, sprich Stiftungen,<br />

Business Angels, privaten Investoren oder Banken bündeln,<br />

gezielt und renditeversprechend in sozialunternehmerischen<br />

Projekten anlegen. „Der Investor verdient Geld damit, das<br />

Unternehmen kann wachsen und damit ein gesellschaftliches<br />

Problem mildern“, so Markus Freiburg. Vor allem will FASE<br />

verschiedene Kapitalquellen verbinden und neue und maßgeschneiderte<br />

Finanzierungsprodukte für das jeweilige Sozialunternehmen<br />

schaffen. „Hybride Finanzierungsformen“,<br />

nennt Freiburg das. So könnte zum Beispiel eine Stiftung die<br />

Zinszahlung für das Darlehen eines Social Venture Fonds<br />

übernehmen und so die Finanzierbarkeit eines Sozialunternehmers<br />

steigern beziehungsweise überhaupt erst ermöglichen.<br />

So kann der Investor sein Kapital erhalten – bis hin<br />

zu einer Rendite von acht bis zehn Prozent.<br />

Die Studie der Universität Heidelberg beleuchtet die Aktivitäten<br />

der FASE als mögliche Musterlösung für den Sektor. Die<br />

Transparenz über bestehende Investment-Opportunitäten<br />

und die Vermittlung von Investoren ist die Grundlage eines<br />

fruchtbaren Ökosystems für soziale Finanzierung. Bislang<br />

werden ca. fünf bis acht Transaktionen pro Jahr geschlossen,<br />

diese Zahl soll durch den Intermediär und seine offene<br />

Pipeline an Impact-Opportunitäten deutlich erhöht werden.<br />

Der soziale Sektor braucht neue Investoren, die in erster<br />

Linie weniger auf die Rendite, aber mehr auf die soziale<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit achten. Als entscheidend erweist sich dabei<br />

die Senkung der Transaktionskosten. Die können bei der<br />

Finanzierung von Sozialunternehmen teuer werden. Denn<br />

ein einzelner Investor kann nur mit relativ großem Aufwand<br />

prüfen, welche gesellschaftliche Wirkung ein konkretes<br />

Projekt haben wird (Informationskosten) und welche Finanzierungsform<br />

für ihn und das Sozialunternehmen optimal ist<br />

(Vereinbarungskosten). Die neue Vermittlungsinstitution will<br />

diese Risiken mindern, indem sie Erfahrungen systematisch<br />

sammelt und auswertet.<br />

Ideenverbreitung braucht Kapital<br />

Derzeit betreut FASE zehn Sozialunternehmer, die intensive<br />

Betreuung dauert mehrere Monate. Das Spektrum ist weit:<br />

Der Gynäkologe Frank Hoffmann bildet blinde Frauen aus<br />

für die Brustkrebsfrüherkennung, Heinz Frey baut vielseitig<br />

nutzbare Dorfzentren für die örtliche Nahversorgung, um<br />

die Abwanderung in Dörfern zu stoppen. Andreas Heinecke<br />

erweiterte das Bewusstsein für Blinde in den Ausstellungsräumen<br />

„Dialog im Dunkeln“, in denen Besucher sich von<br />

Blinden durch die Dunkelheit führen lassen. Eines haben die<br />

Unternehmer jedoch gemeinsam: Die Konzepte sind getestet<br />

und brauchen Wachstumskapital, um ihren erfolgreichen<br />

Ansatz zu skalieren.<br />

Im Falle von Attila von Unruh war die Beratung der FASE<br />

entscheidend, um im November 2013 die gesuchte Finanzierung<br />

erfolgreich abzuschließen. Die Nachfrage nach seinen<br />

Einzelberatungen wurde immer größer, der Verein konnte<br />

sie aber nicht decken, weil er über zu wenige Einnahmen<br />

aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen verfügte. Also machte<br />

man aus der Not eine Tugend: Attila Unruh baute mit Hilfe<br />

von FASE neben dem etablierten Verein das neue Beratungsunternehmen<br />

„von Unruh & Team“ auf, das sich über<br />

Honorare refinanzieren kann. Das Sozialunternehmen „bietet<br />

Krisen- und Turnaround-Beratung auf Augenhöhe an – mit<br />

Fokus auf die Person und die kreative Schaffenskraft des<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

37


SCHWERPUNKT | SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP |<br />

Blinde Guides führen Besucher<br />

von Dialog im Dunkeln durch ihre<br />

Welt – bei totaler Finsternis wird<br />

geschlemmt, Märchenerzählern zugehört<br />

und nebenbei verbleibende<br />

Sinne geschärft.<br />

Totale Dunkelheit: Blinde Guides vom Hamburger<br />

Sozialunternehmen Dialog im Dunkeln führen<br />

Besucher durch eine Welt der fünf Sinne.<br />

Unternehmers“, wie es in der Firmenbeschreibung heißt.<br />

Konkret: Das neue Unternehmen will Firmeninsolvenzen<br />

durch frühzeitige Beratung verhindern. Die Gewinne fließen<br />

in den gemeinnützigen Verein – der damit noch mehr<br />

Betroffenen Hilfe anbieten kann.<br />

Die Blaupause zur Finanzierung von Sozialunternehmen?<br />

Um das neue Sozialunternehmen „von Unruh & Team“ zu<br />

finanzieren, hat die FASE zwei Investoren gewonnen, die am<br />

Umsatz des Unternehmens beteiligt sind. Sie entwickelte<br />

eine Finanzierungsstruktur, die den besonderen Anforderungen<br />

dieses Geschäftsmodells Rechnung trägt, indem sie<br />

dem Social Entrepreneur den notwendigen Spielraum gibt<br />

und die Investoren dennoch am unternehmerischen Erfolg<br />

angemessen beteiligt. Die als Genussrechtskapital strukturierte<br />

Finanzierung beteiligt die Investoren mit einem vorab<br />

definierten Anteil bis zu einer vorab festgelegten Höhe an<br />

den Umsätzen der Gesellschaft. Die Umsatzbeteiligung bietet<br />

dem Sozialunternehmen sehr flexible Finanzierungskosten –<br />

insbesondere in der Startphase. Durch die Begrenzung der<br />

Auszahlungen und individuelle Tilgungsoptionen behalten<br />

die Gründer darüber hinaus auch bei steigenden Umsätzen<br />

wert<strong>voll</strong>e Liquidität im Unternehmen. Damit können sie<br />

wiederum in den Ausbau ihrer Geschäftsaktivitäten investieren<br />

und ihre soziale Mission durch die Skalierung des<br />

Geschäftsmodells verbreiten.<br />

Wesentliche Merkmale und Vertragsbestandteile des Finanzierungsmodells<br />

sind auf der Webseite www.fa-se.eu als<br />

„Open Source“ frei verfügbar, damit andere Sozialunterneh-<br />

men und soziale Investoren sie nutzen können. „Wir müssen<br />

es schaffen, dass sich die Investoren um die besten Ideen<br />

für die Überwindung gesellschaftlicher Probleme kloppen“,<br />

sagt Ashoka-Geschäftsführer Deutschland Felix Oldenburg,<br />

der seit Jahren als Treiber des Social Business-Sektors in<br />

Deutschland gilt. „Wenn das gelingt, können wir eine echte<br />

Sozialwende in Deutschland einleiten.“ Ashoka gründete<br />

FASE Anfang 2013, um den eigenen unterstützten Sozialunternehmern<br />

(Fellows) bei Finanzierungsthemen weiterzuhelfen.<br />

Seit November 2013 ist die FASE eine eigenständige<br />

Organisation und operiert unabhängig von Ashoka Deutschland.<br />

Die Vision: Im Jahr 2<strong>02</strong>0 finden Sozialunternehmer viel<br />

leichter eine Finanzierung als heute. Denn die Kapitalgeber<br />

sehen solche Investments dann als nachhaltige und wirksame<br />

Vermögensanlage. Doch bis dahin muss der Sektor noch öfters<br />

einmal mehr aufstehen, als er hinfällt – so wie bei Attila<br />

von Unruh, der aus seiner persönlichen Not eine sinn<strong>voll</strong>e<br />

Geschäftsidee geschaffen hat.<br />

ELLINOR DIENST<br />

ist Mitgründerin und Geschäftsführerin der Finanzierungsagentur<br />

für Social Entrepreneurship (FASE). Nach zehn Jahren Marketing<br />

für Luxusgüter fehlte ihr das „Sinnhafte“. 2008 machte sie sich<br />

daher als Beraterin im sozialen Sektor selbstständig, erkannte<br />

die Finanzierungsnöte von Sozialunternehmern und gründete<br />

2013 die Finanzierungsagentur mit Dr. Markus Freiburg und zwei<br />

Senior-Beratern von Ashoka. <strong>2014</strong> arbeitet Ellinor verstärkt an der<br />

„Investoren-Neugewinnung“ und freut sich auf neue Impulse und<br />

Interessenten aus dem Bereich Stiftungen, Banken, Privatinvestoren<br />

und Business Angel.<br />

Foto: © Baraniak<br />

38 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP | SCHWERPUNKT<br />

Ideen zum Anfassen<br />

Freiräume schaffen, Interdisziplinarität ermöglichen und Verschulung vermeiden.<br />

Die Gründerwerkstatt neudeli lässt Raum für Querdenker und Tüftler – ein interessantes<br />

Umfeld für innovative, nachhaltige Gründungsideen.<br />

Von Charlene Harrack<br />

Praktisch, so ein aquaponisches System. Er produziert frische<br />

Lebensmittel aus eigenem Anbau in einem Ökosystem, das sich<br />

stil<strong>voll</strong> in den Wohnraum integriert.<br />

Die Vision von PURAPUR: Die beste Babywindel produzieren, die<br />

ohne Kompromisse Design, Ökologie und Funktionalität miteinander<br />

vereint.<br />

Fotos: links © plantsandmachines.de, CC-BY-SA | rechts © PURAPUR<br />

Seit 2001 begleitet die Bauhaus-Universität Weimar Erfolgsgeschichten<br />

in der Gründerwerkstatt. Entstanden als freies<br />

Kunstprojekt in den Räumen des ehemaligen Delikatladens<br />

„neue Delikatessen“, ist das neudeli heute eine Werkstatt<br />

zur Vorbereitung und Förderung von freien Berufen und<br />

Unternehmensgründungen. Ganz der Tradition des Bauhauses<br />

entsprechend ist die Gründerwerkstatt neudeli zentraler<br />

Versuchsplatz und Ort des „Ausprobierens und Experimentierens“.<br />

So arbeiten Studierende und Absolventen des<br />

Fachbereichs Architektur und Produkt-Design gemeinsam mit<br />

Medienmanagern oder Bauingenieuren an ihrer Zukunftsvision.<br />

Mit dieser Offenheit gelangte die Bauhaus-Universität<br />

Weimar unter die Top 25 Prozent der kleinen Hochschulen<br />

Deutschlands im Bereich der Gründungsförderung (Gründungsradar<br />

2013).<br />

Das Geheimrezept<br />

neudeli verbindet Beratung, Forschung und Lehre. Veranstaltungen<br />

zu Innovationsmanagement und Business Modelling<br />

sensibilisieren für unternehmerisches Denken und<br />

Handeln. Das Prototypenseminar lehrt neue Ansätze, Ideen<br />

zu entwickeln und diese umzusetzen. Den Schwerpunkt der<br />

Beratung bildet das kritische Überprüfen und Hinterfragen<br />

der Geschäftsidee zukünftiger Start-ups. Langfristiges Ziel ist<br />

es, eine Kultur zu verankern, die das Gründungsgeschehen<br />

an der Hochschule stärkt und nachhaltige Produktideen wie<br />

PURAPUR oder plants & machines fördert.<br />

Beispiel 1: PURAPUR – Die umweltfreundliche und<br />

schicke Hybridwindel<br />

Jedes Jahr verursachen Windeln allein in Deutschland 500<br />

Millionen Kilogramm Abfall – fünf Prozent des gesamten<br />

Hausmülls! Angela Clinkscales, Marta Depta, Susanna<br />

Viehmann und Marcus Anton entwickeln daher ein neues<br />

Windelsystem. Die PURAPUR Hybridwindel besteht aus<br />

einer waschbaren Überhose im schicken Design und einer<br />

bioabbaubaren Wegwerfeinlage. Im Sommer <strong>2014</strong> geht die<br />

Windel in die Serienproduktion. www.purapur.de<br />

Beispiel 2: plants & machines – robotic ecosystems<br />

Für oft vernachlässigte Zier- und Nutzpflanzen gibt es bald<br />

ein <strong>voll</strong> automatisiertes Gewächshaus, das – gesteuert durch<br />

künstliche Intelligenz – den Anbau von Nahrungsmitteln unabhängig<br />

von Standortfaktoren und saisonalen klimatischen<br />

Bedingungen ermöglicht. Dieses Ziel setzten sich Martin<br />

Breuer, Bastian Bügler und Nicolas Herrmann und forschen<br />

seitdem an computergesteuerten, aquaponischen 1 Ökosystemen.<br />

www.plantsandmachines.de<br />

CHARLENE HARRACK<br />

ist Gründerberaterin sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin und<br />

begleitet innovative Konzepte und Business-Ideen aus dem Umfeld<br />

der Bauhaus-Universität Weimar.<br />

www.uni-weimar.de/neudeli<br />

1 Aquaponik: Verfahren, das Techniken der Aufzucht von Fischen in Aquakultur und der<br />

Kultivierung von Nutzpflanzen in Hydrokultur verbindet. (Wikipedia)<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net 39


SCHWERPUNKT | SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP |<br />

Fotos: Hintergrund: © Robert Space Industries | (© Oliver Gajda<br />

40 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP | SCHWERPUNKT<br />

„Es gibt keine guten<br />

Crowdfunding-Plattformen“<br />

Crowdfunding verspricht Start-ups schnelles Geld von vielen Kleininvestoren.<br />

Worauf man beim funden achten soll und ob das Thema auch<br />

beim Mittelstand ankommt, fragte <strong>forum</strong> Oliver Gajda vom European<br />

Crowdfunding Network.<br />

Ein Interview von Anna Gauto<br />

Beim „Crowddialog“ in München sagten Sie, es gäbe in Deutschland keine<br />

gute Crowdfunding-Plattform. Warum nicht?<br />

Ich bin vielleicht etwas überskeptisch, aber das ist auch meine Aufgabe.<br />

Wir sollten die Branche nicht glorifizieren, dafür ist<br />

sie zu jung. Natürlich gibt es in Deutschland<br />

spannende Plattformen. Aber im Vergleich<br />

zu etablie rten Sektoren<br />

der Finanzbranche ist da noch<br />

viel Spielraum.<br />

Woran hapert es denn?<br />

Zum Beispiel an der Skalierbarkeit.<br />

Die ist nötig, damit Plattformen finanziell<br />

nachhaltig operieren können. Dann fehlt es<br />

an Konsumentenschutz. Verbraucher sollten<br />

wissen, welche Informationen wie und an wen<br />

weitergegeben werden. Sie interessiert, ob Verträge<br />

unterschiedlicher Plattform-Betreiber vergleichbar<br />

sind. Von solchen Standards sind wir in der Praxis national<br />

noch weit entfernt, erst recht auf europäischer Ebene.<br />

Es braucht also mehr Regulierung?<br />

Die gibt es schon, mehr als genug. Das Problem ist: Die vorhandenen<br />

Regeln wurden nicht für Crowdfunding geschrieben, sondern für<br />

das konventionelle Bankwesen, für Fondsmanager, für Venture Capital<br />

Oliver Gajda ist Mitgründer<br />

und Präsident<br />

des European Crowdfunding<br />

Network, der<br />

Europäischen Interessenvertretung<br />

der<br />

Crowdfunding-Industrie.<br />

Sie will ein politisches<br />

Bewusstsein für das<br />

Potenzial des Sektors<br />

schaffen, die junge<br />

Industrie professionalisieren<br />

und einheitliche<br />

Standards schaffen.<br />

Nicht grün, aber mega erfolgreich. Das Web-Game<br />

Star Citizen ist aktuell mit 36 Millionen US-Dollar<br />

via Crowd finanziert.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

41


SCHWERPUNKT | SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP |<br />

Fonds (VCs) usw. Dennoch haben viele dieser Regeln Einfluss<br />

auf Crowdfunding, das passt dann nicht immer.<br />

Wo ist das besonders unstimmig?<br />

Im Eigenkapitalbereich etwa. Bei Eigenkapitalbeteiligungen<br />

von Firmen, die nicht öffentlich an der Börse gelistet sind,<br />

muss für Transaktionen über 100.000 Euro ein Prospekt<br />

erstellt werden. Das ist die <strong>transparent</strong>e Darstellung eines<br />

Unternehmens, die in der Regel ein Fachmann machen muss.<br />

Dafür fallen hohe Kosten an, mitunter bis zu 20.000 Euro<br />

und mehr. Bei einer Transaktionssumme von 100.000 Euro<br />

ist das natürlich wenig sinn<strong>voll</strong>. Das kann man umgehen,<br />

indem man Privatinvestoren anspricht. So agieren Start-ups,<br />

wenn sie Geld von Business Angels oder Venture Capital<br />

Fonds einsammeln. Auch Venture Capitalists gehen so vor.<br />

Die sprechen gezielt vermögende Privatiers – so genannte<br />

High-Net-Worth Individuals – oder Familien an, aber auch<br />

institutionelle Investoren. Beim Crowdfunding geht das nicht,<br />

man richtet sich ja an die Öffentlichkeit. Also versucht man<br />

derzeit, diese Regelung über bestimmte Darlehensformen<br />

zu umgehen. Das ist aber keine perfekte Lösung.<br />

Statt von wenigen viel Geld zu bekommen, verspricht man<br />

sich vom Crowdfunding, genug kleine Geldbeträge von<br />

vielen einzusammeln. Wie aussichtsreich ist das?<br />

Da muss man stark unterscheiden. Beim Spenden oder beim<br />

„reward-based“ Crowdfunding, wo Unterstützer für ihre Aufwendung<br />

eine Gegenleistung erhalten, lässt sich die Crowd<br />

gut über den Projektbetreiber motivieren.<br />

Weil er Emotionen weckt?<br />

Ja. Freunde, Verwandte und Bekannte sind oftmals die<br />

ersten 30 Prozent, die Geld geben. Erst ab einer gewissen<br />

Hürde kommen auch die Freunde der Freunde dazu. Danach<br />

beteiligen sich Unbekannte. Wir reden in der Regel<br />

von Transaktionssummen zwischen ein paar hundert und<br />

vielleicht 15.000 Euro, wobei es auch wesentlich höhere<br />

Beträge sein können. Das ist das typische Crowdfunding für<br />

kreative Projekte, wo man als Dankeschön ein T-Shirt oder<br />

dergleichen bekommt. Im Kreditbereich ist das Sozialgefühl<br />

weniger stark ausgeprägt. Es geht um Rückzahlung, den<br />

Zinssatz und um Bonität des Kreditnehmers. Beim Eigenkapital<br />

werden die Start-ups, die sich um eine Finanzierung<br />

bemühen, ebenfalls viel genauer ausgesucht als beim<br />

klassischen Crowdfunding. Companisto, Innovestment,<br />

Fundsters und Seedmatch betreiben solche Plattformen<br />

und machen eine Vorauswahl. Dort wird die Crowd also<br />

„geleitet“. Das Modell ähnelt dem, was Business Angels<br />

oder Venture Capitalists machen.<br />

Dann ist Crowdfunding gerade für Sozialunternehmer, deren<br />

Projekte emotionalisieren, eine Chance?<br />

Absolut. Die Finanzierungslandschaft für Sozialunternehmer<br />

in Deutschland ist ohnehin spärlich. Eine Reihe von Initiativen<br />

versucht aktuell, Plattformen nur für Sozialunternehmen aufzubauen.<br />

Social Impact Finance bei Startnext etwa, eine Initiative<br />

vom Social Impact Lab oder bettervest (siehe Beitrag<br />

S. 118). Wenn man als Startup sein Finanzierungsziel durch<br />

Crowdfunding erreicht hat, kann man sich viel besser vor<br />

Investoren präsentieren. Man hat sich bewährt und kann ein<br />

Netzwerk vorweisen. Hier gibt es also große Möglichkeiten,<br />

auch weil viele Sozialunternehmer in der Spendenakquise<br />

sehr aktiv sind.<br />

Wann ist Crowdfunding Erfolg versprechend?<br />

Grundsätzlich, wenn man mit seinem Projekt ein Problem<br />

lösen kann, das viele Menschen haben. Wenn es eine<br />

soziale Komponente erfüllt, zum Beispiel Hilfebedürftige<br />

unterstützt. Aber auch dann, wenn man schon eine große<br />

Fangemeinde hat, wenn man auf Hunderte oder Tausende<br />

zurückgreifen kann.<br />

Muss das zwangsläufig in der Seedphase, also in der Frühphase<br />

einer Unternehmung passieren?<br />

Nein, Crowdfunding eignet sich auch sehr gut zur Projektfinanzierung.<br />

Wenn man etabliert ist, aber für einige Initiativen<br />

nicht genug Geld hat. Es mag sein, dass dafür noch nicht die<br />

richtigen Plattformen existieren. Aber es haben sich auch<br />

schon viele Produkte ohne Hilfe von Kickstarter oder dergleichen<br />

funden lassen. Es gibt heute technische Lösungen aus<br />

dem Open Source-Bereich, die man kostengünstig nutzen<br />

kann, wie IgnitionDeck oder Fundify für WordPress.<br />

Können Sie ein Beispiel nennen?<br />

Star Citizen, ein Multiplayer-Game fürs Web, von der Firma<br />

Roberts Space Industries. Die haben eine eigene Crowdfunding-Seite<br />

für ihr Projekt gebaut und stehen damit jetzt bei<br />

36 Millionen Euro (Stand Januar <strong>2014</strong>). Das Game ist eine<br />

laufende Spenden-Kampagne.<br />

Es kursieren Zahlen, wonach in den ersten neun Monaten<br />

2013 mit Crowdfunding rund 3,4 Millionen Euro eingesammelt<br />

wurden, das ist mehr als 2012 insgesamt. Trotzdem ist<br />

das Risiko beträchtlich. Was raten Sie Investoren, die sich<br />

zum ersten Mal an Crowdinvesting-Projekte heranwagen?<br />

Geht es um Eigenkapital, muss man sich bewusst sein, dass<br />

das Geld langfristig gebunden ist. Das ist im Grunde genommen<br />

Glückssache. Man vertraut darauf, dass der Unternehmer<br />

seinen Plan erfolgreich umsetzt. Die Investitionen sind<br />

hochriskant, viele werden ihr Geld nicht zurückbekommen.<br />

Mit einer einzigen Investition hat man kaum Gewinnchancen,<br />

man sollte in jedem Fall streuen und sich ein wenig mit<br />

Portfoliotheorie befassen. Als Faustregel gilt: Investiere nur<br />

so viel Geld, wie Du bei Verlust verkraften kannst.<br />

Worauf muss man bei der Wahl der Crowdinvesting-Plattform<br />

achten?<br />

Auf das richtige Bauchgefühl. Welche Plattform sieht gut<br />

aus, wo kann ich mich gut bewegen. Wichtig ist auch, dass<br />

die Seite schon vor der Registrierung sehr <strong>transparent</strong> ihre<br />

Prozesse, die vertragliche Bindung, die Risiken und Chancen<br />

42 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP | SCHWERPUNKT<br />

einer Investition bekannt macht. Man sollte ständig hinterfragen,<br />

was nicht immer ganz leicht ist. Daher sind viele<br />

Crowdinvestoren im Eigenkapitalbereich schon etwas älter,<br />

also ab Mitte 30, verdienen gut und haben vielleicht schon<br />

Erfahrung mit Unternehmensgründungen.<br />

Der Hype um Crowdfunding erinnert an die Anfangszeiten<br />

von ebay oder Airbnb. Um Missbrauch vorzubeugen, entstehen<br />

nun immer mehr Regeln. Macht das die Sache nicht<br />

sehr bürokratisch und damit unattraktiv?<br />

Ja und ja. Bislang gibt es kaum Berichte über Betrügereien<br />

oder Geldwäsche. Das dürfte aber auch kommen. Dennoch<br />

glaube ich nicht, dass es mehr Missbrauch beim Crowdfunding<br />

geben wird als im Bankgeschäft. Damit aus den<br />

Ängsten keine Realität wird, müssen Plattformen stark auf<br />

Transparenz und die Qualität ihrer Informationen achten,<br />

auf Vergleichbarkeit von Verträgen. Reguliert man zu stark,<br />

verhindert man Innovationen und neue Geschäftsmodelle.<br />

Den Königsweg zu finden ist zugegeben sehr schwer.<br />

Wie stark ist die Freude der Banken über die hippe Konkurrenz<br />

aus dem Internet?<br />

Die meisten haben Crowdfunding noch gar nicht wahrgenommen.<br />

Die Umsätze dieser Industrie sind zu gering, um von<br />

den Banken als relevante Konkurrenz gesehen zu werden. Es<br />

gibt aber Ausnahmen wie ABN AMRO oder die französische<br />

Postbank, die mit Crowdfunding experimentieren und das<br />

Potenzial erkennen. Denn künftig könnten sie damit neue<br />

Kundensegmente im niedrigen Kreditbereich bedienen. In<br />

Deutschland sind es eher kleine Banken, wie die Fidor Bank,<br />

die sich gegenüber Crowdfunding offen zeigen.<br />

Wann wird Crowdfunding für den Mittelstand ein Thema?<br />

Die Plattform „Bergfürst“ geht schon in diesen Bereich. Die<br />

Frage ist, ob es technisch machbar, regulatorisch gewollt ist<br />

und ob die Leute dazu bereit sind. So könnten klamme Unternehmen<br />

über eine B2B Lending-Plattform Geld von liquiden<br />

Unternehmen erhalten und bräuchten den Schwarm nicht.<br />

Das ist durchaus denkbar, aber vom Bankgesetz, dem Regulator,<br />

bislang verboten. Mit Geld handeln dürfen nur Banken.<br />

Halten Sie es denn für wünschenswert, den Banken ihr<br />

Monopol zu nehmen?<br />

Für diejenigen, die glauben, dass das Bankensystem nicht<br />

genügend Finanzierungsmöglichkeiten bietet, ja. Menschen<br />

mit einem hohen Sicherheitsbedürfnis werden das anders<br />

sehen. Die Frage ist, ob die jetzige Entwicklung das Ende<br />

der Fahnenstange ist oder der Anfang. Vor 20 Jahren waren<br />

Seiten wie ebay putzig. Facebook war vor zehn Jahren auch<br />

nur ein Studentennetzwerk. Heute sind das marktbeherrschende<br />

Konzerne.<br />

Entwickelt sich Crowdfunding vom Trend zum Wirtschaftsfaktor?<br />

Wenn man eine sinn<strong>voll</strong>e Form der Regulierung findet, dann<br />

sicher. Crowdfunding kann ein Standard für Banken werden,<br />

um Kleinkredite zu gewähren. Auch bei der Entwicklung<br />

von Konsumgütern kann Crowdfunding einen gigantischen<br />

Effekt haben: Wenn ich für meine Produktidee schon Geld<br />

bekomme, bevor sie auf dem Markt ist, habe ich eine Vorfinanzierung<br />

und dazu die Abnehmer. Ich brauche dann<br />

keine Marktforschung mehr machen. Unternehmen können<br />

eine Menge Geld sparen, aber auch die Umwelt profitiert.<br />

Schauen Sie sich die Hardware-Industrie an. Sie produziert<br />

Handys und Computer, die sich nicht verkaufen. Man bleibt<br />

auf Millionen von Microchips, Plastik und Silikon sitzen. All<br />

die Entwicklungskosten und die Ressourcen sind nicht nur<br />

für die Katz, das ganze Zeug muss auch noch teuer entsorgt<br />

werden. Außer man verbuddelt es in Afrika, wo es Böden<br />

und Grundwasser verschmutzt. Auch im Sinne einer gezielten<br />

Produktion und Co-Kreation kann Crowdfunding also eine<br />

Antwort sein.<br />

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43


SCHWERPUNKT | SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP |<br />

Greentech-Unternehmen,<br />

bewegt euren ...!<br />

Grüne Technologien boomen. Damit die Gründer von Greentech-Unternehmen<br />

nicht enden wie viele Internet-Start-ups der Dotcom-Blase, trägt <strong>forum</strong>-Autor Ulf<br />

Leonhard die wichtigsten Informationen zusammen: Wie kann man sich finanzieren,<br />

wo vernetzen? Wer berät und welche Chancen bieten sich?<br />

Von Ulf Leonhard<br />

„Green“ liegt im Trend und hat sich längst aus der „Öko-Ecke“<br />

zu einer allgemein anerkannten Lebens- und Wirtschaftsbasis<br />

entwickelt. Die Rahmenbedingungen für einen Markterfolg<br />

sind – u.a. durch gesetzliche Rahmenbedingungen und<br />

durch die Marktteilnehmer – besser denn je! Gute Beispiele<br />

für erfolgreiche Greentech-Gründungen sind der An- und<br />

Verkaufsshop für Elektronik und Medien rebuy, der Bodenzusatzstoff-Hersteller<br />

Geohumus, das Upcycling-Unternehmen<br />

TerraCycle, der Elektro-Außenborder-Hersteller torqeedo,<br />

der Wasseraufbereitungsspezialist inge und der Meerwassersalzproduzent<br />

terrawater.<br />

Neugründungen und neue Ideen bzw. Technologien von<br />

mittelständischen Unternehmen sind vermehrt auf der Suche<br />

nach Finanzierung und – ebenso wichtig – ersten „mutigen“<br />

Kunden, so genannten „early adopters“ einer Innovation.<br />

Doch die findet man nur durch aktive Teilnahme an Fachveranstaltungen<br />

und Fachmessen sowie durch eigene aktive<br />

Recherche und Ansprache. Dann können diese Unternehmen<br />

auch als Investoren in Frage kommen!<br />

Foto: © Torqedo<br />

44 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP | SCHWERPUNKT<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

45


SCHWERPUNKT | SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP |<br />

70 Prozent der Erde sind mit Wasser bedeckt – davon sind lediglich 2,6 Prozent genießbar. Die Reinigung und Reinhaltung wird so zu einer<br />

immer größeren und wichtigeren Aufgabe.<br />

Der aufblühende Greentech-Sektor zeichnet sich durch neun<br />

wesentliche Merkmale aus:<br />

• Mischung aus Start-ups und innovativen mittelständischen<br />

Unternehmen<br />

• Internationalität<br />

• Besonders aktive Regionen sind – neben der DACH-Region<br />

– Israel, Skandinavien, Dänemark, UK, USA, Kanada und<br />

Singapur.<br />

• Der Riesenmarkt China erwacht: Das Land hat einen gigantischen<br />

Nachholbedarf bei Umwelttechnologien.<br />

• Der deutsche Markt ist attraktiv, jedoch durch etablierte<br />

Unternehmen vielfach „besetzt“.<br />

• große Technologievielfalt: von der Rohstoffgewinnung,<br />

Materialeffizienz, Energieerzeugung und -verteilung, bis<br />

Landwirtschaft & Forsten, Wasser, Urban Technologies...<br />

• überwiegend anlagen- und technologieintensive Entwicklungen...<br />

• ... ergänzt duch Internet-basierte Geschäftsmodelle (z.B.<br />

Shared/collaborative Consumption Modelle wie Carsharing,<br />

Privatwohnungsvermittlung)<br />

• wichtige Inkubatoren-Funktion von Forschungseinrichtungen,<br />

Stiftungen und Universitäten wie u.a. Fraunhofer,<br />

Leibniz-Gemeinschaft, Steinbeis, RWTH Aachen, TU Karlsruhe<br />

Kapitalintensiv, aber gern gefördert: Die Chancen und<br />

Herausforderungen<br />

Aus den typischen Merkmalen ergeben sich Chancen, aber<br />

auch besondere Herausforderungen im Vergleich mit IT-<br />

Start-ups:<br />

• Höherer Finanzbedarf zur Technologieentwicklung, Prototyping<br />

und Markterschließung sowie Bedarf an top-qualifiziertem<br />

Personal.<br />

• Machbarkeitsstudien sind notwending und kostenintensiv.<br />

• Die Technologien sind nur sehr kapitalintensiv zu skalieren.<br />

• Patent-/IP Problemstellungen: Die Eintragung ist notwendig,<br />

aber als Verfahren sehr kostenintensiv. Ein Kopierschutz<br />

ist in manchen Regionen faktisch unmöglich.<br />

• Die Akzeptanz von technologischen Innovation bei den<br />

potenziellen Anwendern bzw. Käufern ist häufig schwierig<br />

zu erlangen („interessant, aber....“).<br />

• Eine staatliche Förderung des Technologieeinsatzes (beim<br />

Anwender bzw. Käufer) ist häufig notwendig, siehe Solartechnik.<br />

• Gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen die Grundlage<br />

für den Technologieeinsatz (z.B. Energieeinsparung bei<br />

Privathaushalten und in der Industrie).<br />

• Großunternehmen und größere Mittelständler gründen<br />

Beteiligungsdivisionen („Corporate Venturing“) bzw. lassen<br />

sich auf Finanzierungen ansprechen.<br />

• Das internationale Renommee gerade deutscher Ingenieurskompetenz<br />

hilft bei der Ansprache „ausländischer“<br />

Finanzierer.<br />

• Zweitrunden-Finanzierungen sind, wenn sich die Technologie<br />

bewährt, in der Regel recht unproblematisch.<br />

• Hohe Kooperationsbereitschaft des „Mittelstands“ mit<br />

Start-ups.<br />

• Regionale Cluster und Inkubatoren helfen bei der Technologieentwicklung.<br />

Umwelt- und Ressourcentechnologien sind insbesondere in<br />

Mittel- und Nordeuropa, UK, USA, Kanada und Singapur gefragt.<br />

„Disruptive“ Technologies finden dort schnell Anwender und<br />

Finanzierer! Diese Technologien können aufgrund ihres Innovationsgrades<br />

bestehende Technologien ersetzen oder zumindest<br />

in Frage stellen. Sie sind keine Verbesserung bestehender<br />

Technologien, sondern gänzlich neue, wie z.B. das 3D-Printing.<br />

Finanzierung: Was ist zu bedenken?<br />

Gerade Greentech-Unternehmen stehen zunehmend viele<br />

Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung. Grundvoraussetzung<br />

ist, dass Unternehmer – dies gilt sowohl für Start-ups als<br />

Fotos: © Terrawater<br />

46 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP | SCHWERPUNKT<br />

auch für Mittelständler – sich persönlich im Markt intensiv<br />

umsehen, um aus der Vielzahl von Finanzierungsangeboten<br />

die „richtigen“ zu finden. Sie unterschätzen jedoch häufig den<br />

Zeitbedarf dafür: Man sollte mit mindestens neun Monaten<br />

vom Beginn der „Suche“ bis zum „Geldfluss“ rechnen – unter<br />

der Maßgabe, dass sich ein Verantwortlicher <strong>Voll</strong>zeit mit<br />

der Ansprache, Erstellung von Unterlagen und persönlichen<br />

Gesprächen befasst.<br />

Diese Grundlagen sollten Gründer für die Finanzierungssuche<br />

im Auge haben:<br />

• Team: Neben den „Ingenieuren“ sollte es auch einen<br />

Marketing-Experten geben. Für Investoren ist – neben der<br />

Technologie – das Managementteam das entscheidende<br />

Kriterium für ein mögliches Engagement.<br />

• Technologie: eine Patenteintragung ist sicherlich empfehlenswert,<br />

doch mit einem Patent allein ist noch kein<br />

Unternehmenskonzept erstellt bzw. eine Unternehmensbewertung<br />

gegeben!<br />

• Berater und Coach: Unternehmer sollten sich die Hilfe<br />

eines Fachberaters holen.<br />

• Transparenz: Übersicht über mögliche Investoren (aus dem<br />

In- und Ausland!) und Fördermittel schaffen; eigene Recherchen,<br />

Besuch von Veranstaltungen im In- und Ausland<br />

• Prototyp: Ein funktionierender Prototyp sollte idealerweise<br />

bereits im praktischen Einsatz sein. Dafür helfen Kooperation<br />

mit weiteren Unternehmen. Die Investorensuche ist<br />

aber auch ohne Prototyp möglich.<br />

• Realistische Unternehmensbewertung: Bei Verhandlungen<br />

mit Investoren geht es auch um die Bewertung des<br />

Unternehmens. Bei Start-ups bewertet man auf Basis des<br />

Businessplans – die sogenannte „Pre-Money-Bewertung“.<br />

Übersicht über Finanzierer, Finanzierungsformen und<br />

Berater<br />

Die meisten Angebote funktionieren über sogenannte direkte<br />

Beteiligungen, also Beteiligungen am Stamm- bzw. Eigenkapital<br />

des Unternehmens. Die öffentlichen Beteiligungen<br />

vergeben zumeist sogenannte Typisch Stille Beteiligungen.<br />

Fördermittel sind gerade für herstellende Unternehmen<br />

attraktiv und sind zahlreich auf Bundes- und Landesebene<br />

vorhanden. Man sollte unbedingt einen Fachberater für<br />

Fördermittel dazuholen, z.B. die AUB AG Berlin.<br />

Viele Beteiligungskapitalgeber sind „eigentlich nicht öffentlich“,<br />

d.h. sie können nur in persönlichen Gesprächen auf<br />

Fachveranstaltungen „gefunden“ werden!<br />

Der naheliegendste Schritt ist die Internetrecherche. Die<br />

zahlreichen Treffer sind jedoch recht verwirrend. Daher<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit – für<br />

den kleinstmöglichen<br />

ökologischen<br />

Fußabdruck<br />

SCA und seine Marke Tork setzen<br />

in punkto Umweltmanagement seit<br />

Jahrzehnten Maßstäbe. <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />

ist nicht nur ein Schlagwort,<br />

sondern täglich gelebter Respekt<br />

vor der Natur und den Menschen.<br />

Durch sein ökologisches und soziales<br />

Engagement erreichte SCA den<br />

zweiten Platz der umweltfreundlichsten<br />

Unternehmen im weltweiten<br />

Ranking von Ethical Investment<br />

Research Services (2007) – und<br />

sogar den 1. Platz unter den produzierenden<br />

Hygienepapierherstellern.<br />

www.tork.de<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

47


SCHWERPUNKT | SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP |<br />

empfiehlt es sich, folgende Akteure anzusprechen:<br />

• Verbände der Beteiligungskapitalwirtschaft in Deutschland,<br />

Österreich und der Schweiz,<br />

• öffentliche Beteiligungsgesellschaften der Bundesländer,<br />

die auch in ihren Region gut vernetzt sind und gerne weitere<br />

Empfehlungen geben,<br />

• regionaler Business Angel Club sowie bundesdeutscher<br />

Verband „Business Angels Netzwerk Deutschland“ (BAND),<br />

• Crowdfunding-Plattformen,<br />

• Fachportale wie Cleantech Group, Cleantech Open, New<br />

Energy World Network. Diese ermöglichen auch eine<br />

Online-Veröffentlichung des Beteiligungs-Anliegens bzw.<br />

eine Erwähnung in deren täglichen Newslettern.<br />

• High-Tech Gründerfonds, der relativ „pragmatisch“ Beteiligungskapital<br />

vergibt,<br />

• passende mittelständische Unternehmen, die in ähnlichen<br />

Branchen tätig sind. Die Erfahrung zeigt, dass diese immer<br />

offen sind für qualifizierte Anfragen.<br />

• Branchenverbände und regionale Cluster, die häufig Hinweis<br />

geben können auf mögliche Beteiligungsinteressenten,<br />

• regionale Businessplan-Wettbewerbe: Besonders aktiv bei<br />

Greentech sind u.a. Dortmund, Heilbronn, Nürnberg, München;<br />

auch in Österreich und der Schweiz recherchieren.<br />

* Passende Forschungseinrichtungen (z.B. Fraunhofer) und<br />

Universitäten (hier insbesondere die Transfereinrichtungen)<br />

sowie Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ<br />

sowie Umweltbundesamt (UBA),<br />

• Fraunhofer Ventures (München),<br />

• Arbeitsgemeinschaft Industrielle Forschung (AIF), die das<br />

erfolgreiche „ZIM“ Programm handhaben<br />

• GreenTec Awards: für eine gute Öffentlichkeitsarbeit.<br />

Diese Veranstaltungen sollte man als Greentech-Gründer besuchen<br />

und ggf. für die Präsentation der eigenen Idee nutzen:<br />

• World Resource Ventures<br />

www.worldresourceventures.com<br />

• EcoSummit www.ecosummit.net<br />

• SusCon www.suscon.net<br />

• Veranstaltungen der Cleantech-Group in den USA und<br />

Europa www.cleantech.com<br />

• Environmental Summit der New Energy World Network<br />

(in London) www.newenergyworldnetwork.com<br />

• regionale Veranstaltungen der Cluster (z.B. Invest<strong>forum</strong><br />

Magdeburg/Halle)<br />

• Innovationspreis Berlin/Brandenburg<br />

www.innovationspreis.de<br />

• Green Ventures (empfehlenswertes Forum der IHK Potsdam)<br />

www.green-ventures.com<br />

• Clean Equity Monaco www.cleanequitymonaco.com<br />

• Cleantech Conference von Munich Network www.munichnetwork.com<br />

• (Cleantech-)Veranstaltungen von e-unlimited<br />

www.e-unlimited.com und der European Tech Tour<br />

www.techtour.com/Upcoming-events.htm<br />

• Der deutsche <strong>Nachhaltig</strong>keitspreis<br />

www.nachhaltigkeitspreis.de<br />

• Veranstaltungen von inspirato www.inspirato.de<br />

• klassische Messen (wie Hannover Messe mit „Industrial<br />

Green Tech“, Renexpo, Materialica, Ecartec..., Terratec<br />

Leipzig)<br />

• Veranstaltungen der Querdenker Group<br />

www.querdenker.de<br />

Die richtigen Berater – und die Finanzierungskosten<br />

Wer gute Berater sucht, sollte die Coaches des High-Tech<br />

Gründerfonds ansprechen. Die KfW vefügt über einen Pool<br />

von akkreditierten Beratern. Auch mittelständische Beteiligungsgesellschaften<br />

können Unterstützung bieten.<br />

In summa sind etwa drei bis fünf Prozent des angestrebten<br />

Kapitals allein für die Kosten der Kapitalbeschaffung<br />

anzusetzen. Sie häufen sich durch Teilnehmergebühren für<br />

Veranstaltungen (wobei man immer nach Vergünstigungen<br />

für Gründer fragen sollte!), Reisen, Patent- oder Markeneintragung,<br />

ggf. Machbarkeitsgutachten, Fördermittelakquisition<br />

(bestimmte Anbieter wie die AUB AG arbeiten nur<br />

erfolgsabhängig) und Beratung (auch hier: im Vorfeld nach<br />

Fördermöglichkeiten fragen). Ein seriöser Berater arbeitet<br />

auf Basis eines kleinen Fixums und eines Erfolgshonorars.<br />

Resummee: Finanzierungsmöglichkeiten und Finanzierer gibt<br />

es genug in Deutschland! Die hohe Kunst ist, den richtigen<br />

Partner zu finden. Dafür hilft nur „sich umtun“: recherchieren,<br />

umsehen, netzwerken – und sich kompetente Berater<br />

holen.<br />

Praktische Recycling-Maßnahme:<br />

Aus ausrangierten Stiften macht<br />

TerraCycle Gießkannen<br />

ULF LEONHARD<br />

ist Inhaber der Leonhard Ventures Berlin und organisiert seit 1997<br />

Foren zur Zusammenführung von Unternehmen und Investoren im<br />

In- und Ausland (bis dato ca. 105 mit mehr als 10.000 Teilnehmern).<br />

Seit 2,5 Jahren konzentriert er sich dabei auf Ressourcen- und Umwelttechnologien<br />

(www.worldresourceventures.com) und Wassertechnologien<br />

(www.watervent.com).<br />

Foto: © TerraCycle<br />

48 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


Save the Date 1984-<strong>2014</strong><br />

| SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP | SCHWERPUNKT<br />

29./30. September <strong>2014</strong><br />

in der Handelskammer Hamburg<br />

30 Jahre B.A.U.M. e.V.<br />

B.A.U.M.-Jahrestagung und Preisverleihung<br />

Kommen Sie zu unserem Treffpunkt<br />

der <strong>Nachhaltig</strong>keitsakteure und feiern<br />

Sie mit uns das 30-jährige B.A.U.M.-Jubiläum.<br />

Merken Sie sich diesen Termin bereits heute vor.<br />

Informationen zu Programm und Unterstützungsmöglichkeiten<br />

fi nden Sie auf unserer Website www.baumev.de/umweltpreis.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

49


SCHWERPUNKT | SUSTAINABLE ENTREPRENEURSHIP |<br />

Jetzt aber was unternehmen!<br />

Wo bekomme ich als grüner oder sozialer Gründer Unterstützung her? Eine Übersicht.<br />

Vernetzung, Unterstützung, Arbeitsraum<br />

Social Impact Lab<br />

www.socialimpactlab.eu<br />

Social Impact Lab in Berlin www.berlin.socialimpactlab.eu<br />

Social Impact Lab in Hamburg www.hamburg.socialimpactlab.eu<br />

Social Impact Lab in Frankfurt www.frankfurt.socialimpactlab.eu<br />

HUB München<br />

www.munich.impacthub.net<br />

Social Lab Köln<br />

www.sociallab-koeln.de<br />

Hub Wien<br />

www.vienna.impacthub.net<br />

Hub Zürich<br />

www.zurich.impacthub.net<br />

Gründertaxi<br />

www.gruendertaxi.com/<br />

Bundesverband Deutscher www.adt-online.de<br />

Innovations-, Technologieund<br />

Gründerzentren<br />

Finanzierung<br />

GLS Bank<br />

finanziert Projekte und Unternehmen im sozialen und<br />

ökologischen Bereich<br />

www.gls.de<br />

GreenVentures<br />

Beratung zu nachhaltigen Geschäftsmodellen und Produkten<br />

www.green-venture.net<br />

Wackstum<br />

Beratung, Netzwerk, Finanzierungsvermittlung für nachhaltige<br />

Start-ups<br />

www.wackstum.de<br />

Ausbildung<br />

Social Entrepreneurship Akademie (SEA)<br />

Zertifikatsstudiengang „Gesellschaftliche Innovation“ und spezielle<br />

Workshops<br />

www.seakademie.de<br />

MBA Sustainability Management<br />

berufsbegleitendes Fernstudium an der Leuphana Universität<br />

Lüneburg<br />

www.sustainament.de<br />

Leonhard Ventures<br />

vermittelt Eigenkapital an grüne Start-ups aus einem Pool von 400<br />

Investoren<br />

www.leoven.com<br />

Risikokapitalgeber<br />

Business Angel Verband<br />

BonVenture<br />

Social Venture Fund<br />

www.business-angels.de<br />

www.bonventure.de<br />

www.socialventurefund.com<br />

Wettbewerbe, Preise, Auszeichnungen<br />

KarmaKonsum<br />

Award für öko-soziale Existenzgründungen; seit 2009<br />

www.karmakonsum.de/konferenz/award<br />

Leuchtturm<br />

Ideenwettbewerb für Sozialunternehmen<br />

www.ideenwettbewerb-leuchtturm.de<br />

GreenTec Awards<br />

vergibt einen Sonderpreis für Start-ups<br />

www.greentec-awards.com<br />

Act for Impact<br />

Förderpreis der Vodafone Stiftung und der SEA für Sozialunternehmer<br />

mit den Schwerpunkten Bildung und Integration<br />

www.seakademie.de<br />

Mentoring und Beratung<br />

Sustainable Business Angels Initiative<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keitspioniere begleiten Gründer mit Netzwerk,<br />

Erfahrung & Know-how<br />

www.sba-initiative.de<br />

Initiative MENT<br />

Sozialunternehmer und KMU-Entscheider tauschen sich zu<br />

sozialen Innovationen aus<br />

www.initiative-ment.de<br />

Stipendien<br />

Ashoka<br />

unterstützt Menschen mit sozialen Ideen mit einem 3-Jahres-<br />

Stipendium<br />

www.germany.ashoka.org<br />

Schwab Foundation<br />

Das Elite-Netzwerk der weltweiten Social Entrepreneurship Bewegung<br />

unterstützt unter anderem mit kostenloser Beratung und<br />

Kursen in Harvard und Stanford.<br />

www.schwabfound.org<br />

Events<br />

Vision Summit<br />

jährlich, Potsdam<br />

www.visionsummit.org<br />

Entrepreneurship Summit<br />

jährlich, Berlin<br />

www.visionsummit.org<br />

Heldenmarkt<br />

mehrmals im Jahr, Berlin, München, Hamburg, Ruhr, Frankfurt,<br />

Stuttgart<br />

www.heldenmarkt.de<br />

WHU SensAbility – The Social Enterprise Conference<br />

jährlich, Vallendar<br />

www.whu-sensability.de<br />

Erfolgsstorys und inspirierende Beispiele<br />

Social Startups<br />

die Nachrichtenplattform der Szene<br />

www.social-startups.de<br />

<strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong> online<br />

Beiträge, Interviews und Ideen, die es nicht in diese Ausgabe<br />

geschafft haben.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net/specials/entrepreneurship<br />

50 Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. <strong>forum</strong> Ein Produkt <strong>Nachhaltig</strong> der Steinbeis <strong>Wirtschaften</strong><br />

Papier GmbH.


<strong>forum</strong> Special<br />

Mobilität & Logistik<br />

Flotten von morgen<br />

Foto: © Volvo Trucks<br />

Die Kleidung an uns, die Marmelade zum Frühstück und<br />

unser neues Smartphone – nahezu alle Waren lagen auf<br />

der Ladefläche eines Lkws. Unsere Konsumlust steigt und<br />

damit auch der Transportverkehr auf den Straßen. Wenn<br />

Produkte möglichst umweltfreundlich in die Kaufhäuser und<br />

Supermärkte gelangen sollen, müssen die Lkw-Hersteller<br />

auf alternative Antriebsarten umschwenken. Doch MAN,<br />

Daimler & Co halten noch am konventionellen Dieselantrieb<br />

fest. Dabei gibt es schon jetzt grüne Lichtblicke, wie der<br />

Hybrid-Hauber Mean Green von Volvo (siehe Foto). Der Race-<br />

Truck gewinnt sogar Rennen gegen einen Porsche Cayman<br />

R. Für saubere und energieeffiziente Fahrzeuge ist auch die<br />

Politik. Verkehrsminister Dobrindt fährt immerhin schon den<br />

neuen BMW i3 und will sich für die Elektromobilität stark<br />

machen. Ist die Politik tatsächlich Vorbild? Dass sich Elektrofahrzeuge<br />

für Unternehmen schon heute rechnen, zeigt<br />

das Projekt Get eReady. Lesen Sie außerdem, wie E-Mobilität<br />

massenmarktfähig wird.<br />

Die Lkw-Flotte von morgen | 52<br />

Was tun Entscheider für eine zukunftsverträgliche | 58<br />

Mobilität?<br />

Politiker als Vorbild? | 60<br />

Was wurde eigentlich aus CargoLifter? | 62<br />

E-Mobilität wird massenmarktfähig | 64<br />

Rentable Elektrofahrzeuge | 69<br />

Checkliste Mobilität | 70<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

51


SPECIAL | MOBILITÄT & LOGISTIK |<br />

Die Lkw-Flotte von morgen<br />

Ob Hybrid, Biogas oder reiner Elektroantrieb – alternative Antriebsarten im<br />

Nutzfahrzeugverkehr schonen die Umwelt. <strong>forum</strong> hat nachgeforscht, warum<br />

die Lkw-Hersteller trotzdem noch am konventionellen Dieselantrieb festhalten.<br />

Von Kim Schumacher<br />

Der stromlinienförmige Aerodynamics<br />

Truck von Daimler trotzt allen Winden.<br />

Foto: © Daimler<br />

52 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| MOBILITÄT & LOGISTIK | SPECIAL<br />

Der aerodynamische Concept S ist das Ergebnis einer Studie von<br />

MAN – der Lkw-Hersteller will mit ihm eine Diskussion über die<br />

gesetzlichen Längen- und Gewichtsbegrenzungen anstoßen.<br />

Innovation vom Bodensee: ZF aus Friedrichshafen entwickelte das<br />

modulare Getriebe TraXon für den schweren Lkw. Iveco wird als<br />

erster Kunde gehandelt und will noch <strong>2014</strong> seine Baureihen New<br />

Stralis und New Trakker mit TraXon ausrüsten.<br />

Foto: links: © MAN | rechts: © ZF<br />

„Zu schwer.“ So lautet die knappe und einhellige Antwort<br />

der Experten auf die Frage, warum sich der Elektroantrieb<br />

bei den Fernverkehr-Lkws noch nicht durchgesetzt hat. Zu<br />

schwer – und zu teuer. Zugegeben, bei einem Batterie-Preis<br />

von etwa 300.000 Euro und einem Mehrgewicht von sechs<br />

Tonnen winken selbst nachhaltigkeitsorientierte Logistikunternehmen<br />

ab. Durch das enorme Gewicht der Batterie<br />

verringert sich zudem die Nutzlast der Elektro-Lkw, was zu<br />

einem höheren Transportaufkommen führen würde. Ein<br />

Zwiespalt? Für Siemens könnte die Lösung ‚Strom aus der<br />

Oberleitung‘ heißen. Das Unternehmen tüftelt seit 2010<br />

im Rahmen einer Machbarkeitsstudie an den sogenannten<br />

Trolley Trucks. Hierfür hat Siemens den Lkw mit einer Straßenbahn<br />

quasi verheiratet. Per Knopfdruck fahren aus dem<br />

Lkw Bügel, haken sich an der Oberleitung ein und beziehen<br />

so Elektrizität. Verlässt der Lkw die Autobahn oder setzt zum<br />

Überholen an, bekommt er den nötigen Strom aus einem<br />

mit Diesel angetriebenen Generator. 100 Prozent elektrisch<br />

geht es also bei Siemens auch nicht zu und im Vergleich zum<br />

modernen 40-Tonner mit Dieselantrieb emittiert der hybride<br />

Trolley Truck auf 100 Kilometern im Durchschnitt sogar<br />

117 Kilogramm Kohlenstoff mehr. Dies ist vermutlich einer<br />

der Gründe, weshalb es ruhig um das Oberleitungsprojekt<br />

geworden ist.<br />

Elektro- und Hybrid-Lkw vorerst nur im Nahverkehr<br />

Aus Kostengründen scheint also kein schwerer Elektro-Lkw<br />

von den Herstellern in den nächsten Jahren auf deutschen<br />

Autobahnen zu rollen. MAN, Daimler, Renault Trucks und<br />

Co konzentrieren sich in Sachen Elektrik-und Hybridantrieb<br />

vorerst auf den Nahverkehr. So bietet jeder Hersteller bereits<br />

Hybrid-Lkw mit 12 Tonnen Gesamtgewicht für den innerstädtischen<br />

Lieferverkehr an. Auch einzelne Speditionen setzen<br />

hier auf Eigeninitiative. Die Spedition Meyer & Meyer aus<br />

Osnabrück beispielsweise baute zwei MAN TGL zu <strong>voll</strong>elektrischen<br />

Lkw um. Mit den 12-Tonnern beliefert die Spedition<br />

Filialen des Textilunternehmen C&A.<br />

Euro VI soll es richten<br />

Neben den horrenden Kosten spielt auch die Einführung der<br />

Euro VI Abgasnorm am 1.1.<strong>2014</strong> eine tragende Rolle in der<br />

Entscheidung gegen den schweren Elektro-Lkw. Dank Euro<br />

VI geht der Schadstoffausstoß beim Dieselantrieb gen Null.<br />

Für die Lkw-Hersteller heißt es weiterhin: Verbrauch senken.<br />

Hierbei liegt die Konzentration maßgeblich auf Äußerlichkeiten.<br />

Mit einem aerodynamischen Design von Zugmaschine<br />

und Auflieger sind Kraftstoffeinsparungen um 4,5 Prozent<br />

realisierbar. MAN und Daimler haben jeweils einen aerodynamischen<br />

Truck auf der IAA Nutzfahrzeuge 2012 vorgestellt.<br />

Der Concept S und der Aerodynamics Trucks fahren mit<br />

einem stromlinienförmigen Äußeren auf und unterscheiden<br />

sich so von dem bislang kubischen Design der herkömmlichen<br />

Lkws. Bevor die Prototypen Serienreife erlangen können,<br />

müssen die Hersteller allerdings auf entsprechende Freiräume<br />

in der Gestaltung beim Gesetzgeber kämpfen – denn der<br />

legt fest, wie umweltfreundlich ein Lkw ist.<br />

Euro 6-Abgasregelung für Nutzfahrzeuge<br />

Ziel der neuen Abgasregelungen für schwere Nutzfahrzeuge ist die<br />

Reduzierung von Schadstoffen: So werden die Schadstoffemissionsgrenzwerte,<br />

insbesondere für Partikel und Stickoxide (NOx), weiter<br />

herabgesetzt. Die große Herausforderung: Im Vergleich zu Euro 5<br />

sollen Partikel um 66 Prozent und NOx um 80 Prozent reduziert<br />

werden. Der Kohlenmonoxid-Grenzwert (CO) bleibt unverändert.<br />

Eine weitere Euro 6-Regelung betrifft den zeitlichen Rahmen: Die<br />

Hersteller stehen in der Verantwortung, dass die geforderten Abgasemissionslimits<br />

von ihren Nutzfahrzeugen über mindestens<br />

700.000 km bzw. sieben Jahre tatsächlich eingehalten werden. Bei<br />

Euro 5 galt das Minimum von 500.000 km.<br />

Quelle: MAN<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

53


SPECIAL | MOBILITÄT & LOGISTIK |<br />

„Wir alle sind Lkw-Junkies“<br />

Andreas Techel ist Chefredakteur des Fachmagazins „Fernfahrer“. Er beschäftigt<br />

sich mit schweren Nutzfahrzeugen und den Menschen am Lenkrad. <strong>forum</strong> sprach<br />

mit dem Mitinitiator der ZF-Zukunftsstudie „FERNFAHRER“ über den Wandel in<br />

der Transportbranche.<br />

Ein Interview von Kim Schumacher<br />

Einsatzgebiet. Bis der Dieselantrieb im Fernverkehr durch<br />

etwas Überlegenes abgelöst wird, dauert es vermutlich<br />

noch sehr lange.<br />

Wie sieht für Sie die Lkw-Technik der Zukunft aus? Was ist<br />

realistisch – und was bleibt Träumerei?<br />

Kurzfristig gesehen, also bis etwa 2018 werden sich keine<br />

spektakulären Veränderungen ergeben. Oberleitungs-Lkw<br />

sehe ich bis dahin bestimmt nicht im normalen Alltagseinsatz.<br />

Der Dieselmotor bleibt maßgeblich. Er wird seine<br />

Effizienz und seine Ökobilanz weiter steigern. Eventuell wird<br />

es zusätzliche Hybridkonzepte geben, obwohl die Technik<br />

momentan mit der Umstellung von Euro 5 auf Euro 6 etwas<br />

ins Stocken geraten ist. Elektroantriebe werden auch jetzt<br />

schon vereinzelt im Nahverkehr eingesetzt. Vielleicht nimmt<br />

ihr Anteil etwas zu. Auf mittleren Strecken werden sicher<br />

Erdgasmotoren mehr Verbreitung finden.<br />

Welches Antriebsmodell ist Ihr Favorit?<br />

Das sehe ich völlig emotionslos. Der Lkw ist ein Nutzfahrzeug.<br />

Im Sinne aller sollte er so umweltfreundlich wie<br />

möglich sein, beim Transport selbst und bei der Herstellung.<br />

Das Effizienteste ist das Beste – abhängig vom jeweiligen<br />

Welche Hersteller haben die Nase vorn in Sachen <strong>Nachhaltig</strong>keit?<br />

Ein Lkw ist per se nachhaltig. Er fährt niemals zum Spaß in<br />

der Gegend herum, sondern transportiert das, was jemand<br />

anderes benötigt. Im Vergleich zum Pkw ist der CO 2<br />

-Ausstoß<br />

beim Lkw geringer – auf das Gewicht umgerechnet. Bei nicht<br />

allzu anspruchs<strong>voll</strong>er Topografie kommt ein 40-Tonner auch<br />

mit 26 Litern pro 100 Kilometer aus. Das ist deutlich unter<br />

einem Liter pro Tonne. Hier liegen alle sieben europäischen<br />

Hersteller etwa auf demselben Niveau. Ein Fernverkehrslaster<br />

hat eine Gesamtlänge von 16,50 Metern; wäre er vorne<br />

und hinten jeweils zwei Meter länger, ließe sich eine wesentlich<br />

bessere Aerodynamik erreichen. Das brächte nochmals<br />

einen um etwa 15 bis 20 Prozent reduzierten CO 2<br />

-Ausstoß.<br />

Hier schiebt allerdings der Gesetzgeber einen Riegel vor. Der<br />

legt die Länge und damit die aerodynamische Gestaltung<br />

genau fest.<br />

Nicht die Hersteller, sondern der Gesetzgeber entscheidet<br />

also darüber, wie nachhaltig ein Lkw ist?<br />

Genau. Alle Hersteller haben bereits stromlinienförmige<br />

Prototypen auf der IAA Nutzfahrzeuge 2012 vorgestellt. Der<br />

wichtigste Faktor für die Spriteinsparung sitzt allerdings am<br />

Lenkrad. Mehr als 10 Prozent Spritersparnis sind möglich<br />

durch vorausschauendes Fahren. Das beinhaltet auch, den<br />

Schwung zu nutzen. Moderne automatisierte Schaltgetriebe<br />

vereinfachen dies. Bei Mercedes, Scania und Volvo ist dies<br />

sogar bereits mit GPS-Daten gekoppelt und die Schaltvorgänge<br />

sind genau auf die Topografie und die Motorcharakteristik<br />

abgestimmt. Das einzige Ziel: größtmögliche Effizienz. Die<br />

Hersteller operieren nah an der Grenze des Möglichen. Eben<br />

eingegrenzt durch die Vorgaben der Gesetzgeber.<br />

Mit welchen Schwierigkeiten kämpft die Transportbranche?<br />

Es ist eine wilde und hart umkämpfte Branche. Hier herrscht<br />

ein unglaublich hoher Konkurrenzdruck. Die Gewinnmargen<br />

Foto: © Etm<br />

54 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| MOBILITÄT & LOGISTIK | SPECIAL<br />

Spaciges Innenleben: Marchi Mobile zeigt mit seinem eleMMent-Luxustruck, wie die Fahrerkabine der Zukunftaussehen wird.<br />

Foto: © Marchi Mobile<br />

liegen oft nur bei einem mageren Prozent. Entsprechend<br />

niedrig sind die Fahrerlöhne; einer der Gründe für das gravierende<br />

Nachwuchsproblem. Lange Abwesenheiten von<br />

Zuhause, das Leben auf der Straße fordern Aufopferungsbereitschaft,<br />

die von der normalen Bevölkerung keineswegs<br />

gewürdigt wird. Im Gegenteil. Das Image ist schlecht, obwohl<br />

alle vom Einsatzwillen der Fahrer profitieren. Oder wie soll<br />

man sich den Erfolg günstiger Lebensmitteldiscounter oder<br />

etwa Internetwarenhäuser erklären? Um nur einmal zwei<br />

Beispiele zu nennen. Dazu kommt eine große Verantwortung<br />

für andere Verkehrsteilnehmer oder auch für die zum<br />

Teil sehr teure Fracht. Etwa der Trailer <strong>voll</strong>er Smartphones.<br />

Arbeitet die Branche gegen das schlechte Image des Kraftfahrer-Berufs<br />

an?<br />

Bislang gibt es nur Einzelinitiativen von Speditionen, die<br />

an Schulen den Beruf bewerben. Aber dies sind meist nur<br />

größere Mittelständler. Dazu kommen Kampagnen von<br />

Fachmedien.<br />

Und die Politik? Hat der neue Verkehrsminister Alexander<br />

Dobrindt schon Pläne verlauten lassen?<br />

Die Politik tut hier leider nicht viel. Das Berufskraftfahrerqualifizierungsgesetz<br />

war vor einigen Jahren ein guter Ansatz,<br />

da es die Bedeutung der Fahrer als Fachkräfte unterstreicht.<br />

Aber es gibt noch eine Menge anderer Probleme, die auch<br />

Herr Dobrindt sicher nicht lösen wird. Transport und Logistik<br />

sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und der ist hierzulande<br />

massiv gefährdet. Alleine bei der Infrastruktur sieht es verheerend<br />

aus: Brückensperrungen für Lkw aufgrund von Einsturzgefahr,<br />

Straßen <strong>voll</strong>er Schlaglöcher, die den Verschleiß<br />

fördern, fehlende Parkplätze, die es den Fahrern schwer<br />

machen, die gesetzlichen Ruhezeiten einzuhalten und ein<br />

ungehemmter Konkurrenzdruck aus den östlichen EU-Staaten.<br />

Dabei sind wir alle von der Versorgungsleistung des Lkw<br />

abhängig. Nur leider verteufeln die meisten Menschen ihn<br />

und damit wird es nicht einfacher, vernünftige Lösungen<br />

zu finden für die Probleme, die der von den Konsumenten<br />

erzeugte Güterverkehr ohne Zweifel auch mit sich bringt.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. Ein Produkt der Steinbeis Papier GmbH.<br />

55


SPECIAL | MOBILITÄT & LOGISTIK |<br />

Trostpflaster: Muss der Fahrer seine Ruhezeiten auf einem Rastplatz einhalten, tröstet immerhin die malerische<br />

Landschaft – wie hier um Innsbruck – über den Lärmpegel der vorbeirasenden Autos hinweg.<br />

Mehr Lohn, bitte!<br />

Lohndumping, strenge Lenkzeitenregelungen, marode Straßen – Berufskraftfahrer<br />

ist wahrlich kein Traumjob. Doch ohne den Lkw als Transportmittel ist die deutsche<br />

Wirtschaft aufgeschmissen.<br />

Von Kim Schumacher<br />

Eine Hochschule irgendwo in Deutschland: Die Studenten<br />

langweilen sich in den Vorlesungsräumen oder dösen auf<br />

dem Pausenhof in der Sonne, die Gänge sind leer, es herrscht<br />

eine schon fast beängstigende Stille. Plötzlich rollt ein Lkw<br />

an, die Tür des Aufliegers öffnet sich und die Ladefläche<br />

birgt alles, was es zu einer guten Party braucht: Steaks aus<br />

Argentinien, Limetten aus Brasilien, Sekt aus Frankreich. Der<br />

Imagefilm „Was wäre eine Welt ohne Logistik“ der Dualen<br />

Hochschule Baden-Württemberg Lörrach zeigt den Lkw als<br />

Alltagshelden. Und die Studenten des Studiengangs BWL,<br />

Spedition, Transport und Logistik haben recht, denn wir alle<br />

und die gesamte Wirtschaft sind vom Straßengüterverkehr<br />

abhängig. Doch für eine nachhaltige Versorgung im Rahmen<br />

der gegebenen Transportmöglichkeiten braucht es nicht nur<br />

technisch einwandfreie Nutzfahrzeuge mit möglichst geringem<br />

CO 2<br />

-Ausstoß, sondern auch gut geschultes Personal – pro-<br />

Foto: © Matthias Rathmann<br />

56 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| MOBILITÄT & LOGISTIK | SPECIAL<br />

fessionelle Kraftfahrer. Diese Berufsgruppe hat allerdings<br />

gegen ein ziemlich schlechtes Image und unattraktive<br />

Arbeitsbedingungen zu kämpfen: Überstunden, schlechte<br />

Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben und ein geringes<br />

Einkommen zählen dazu. Die Folge: immenser Nachwuchsmangel.<br />

In den nächsten 10 Jahren gehen ungefähr 250.000<br />

Fahrer in den Ruhestand und diese Lücke kann durch Nachrücker<br />

nicht gedeckt werden. Stehen wir also bald schon vor<br />

leeren Supermarktregalen?<br />

Zukunftsmusik<br />

Diese Frage beschäftigt auch das Technologieunternehmen<br />

ZF und die Redaktion des Fachmagazins „Fernfahrer“.<br />

Gemeinsam gaben sie die „Zukunftsstudie Fernfahrer“ in<br />

Auftrag. Wissenschaftler der Hochschule Heilbronn befragten<br />

600 Fahrer zu ihren Lebensumständen und zu ihrem Arbeitsumfeld.<br />

Das Ergebnis der Studie zeigt, dass der anwachsende<br />

gesellschaftliche Konsum und der damit einhergehende<br />

Anstieg des europäischen Güterverkehrs nur dann zu bewältigen<br />

seien, wenn die Stärken aller Verkehrsträger im<br />

Modalsplit (Lkw, Bahn, Schiff) genutzt und kombiniert würden.<br />

Doch könnten Schiene und Wasserstraße auch auf lange<br />

Sicht nur wenig Entlastung für den Lkw bringen. So müsse die<br />

Bevölkerung akzeptieren, dass der Lkw als Transportmittel<br />

unverzichtbar ist. Kluge Konzepte für die Logistik und die<br />

Arbeitsbedingungen der Fahrer seien dringend geboten. Seit<br />

Jahresbeginn wird die Studie fortgesetzt, sie soll im Sommer<br />

auch im Brüssel präsentiert werden.<br />

Komplexe Zusammenarbeit in der EU<br />

Woher rühren die schlechten Arbeitsbedingungen in der<br />

Transportbranche? Die befragten Berufskraftfahrer wünschten<br />

sich vor allem faire Gehälter. Doch das wird schwierig.<br />

Schon lange steht das Gewerbe unter hohem Preisdruck<br />

durch die Verlader. Aktuell schwappt mit der EU-Osterweiterung<br />

zusätzlich eine Welle von Spediteuren und Fahrern<br />

aus Ländern mit einem signifikant niedrigeren Einkommensniveau<br />

nach Mitteleuropa. Auf der einen Seite könnten damit<br />

manche Lücken im System geschlossen werden. Aber für die<br />

Lohnentwicklung und die Arbeitsplatzsicherheit im drittgrößten<br />

Wirtschaftssektor des einstigen Exportweltmeisters wird<br />

von Experten nichts Gutes erwartet.<br />

Grüne Logistik als Hoffnungsträger<br />

Gut organisierte Speditionen könnten auf den <strong>Nachhaltig</strong>keitsboom<br />

setzen. Denn auch die Transport- und Logistikbranche<br />

kommt daran nicht vorbei. Grün ist in und ein top<br />

ausgebildeter Berufskraftfahrer kann durch eine ökologische<br />

Fahrweise über 10 Prozent Kraftstoff einsparen. Eco-Training<br />

lautet das Zauberwort. Die Kosten dafür müssen die Unternehmen<br />

zwar zunächst vorfinanzieren, aber dafür können<br />

sie sich auf Dauer besser auf die immer schwierigeren Bedingungen<br />

dieser Branche einstellen.<br />

Zum Weiterlesen<br />

www.zf-zukunftsstudie.de<br />

www.eurotransport.de<br />

Foto: © Andreas Techel<br />

Allroundtalent: Auch beim Be- und Entladen muss der Fahrer mit<br />

anpacken.<br />

„Ich liebe meinen Beruf“<br />

Dirk Brühl, 44, Berufskraftfahrer und Unternehmer<br />

„Mein Beruf wurde mir quasi in die Wiege gelegt. Schon als kleiner<br />

Junge war ich ständig mit meinem Vater, der ebenfalls Berufskraftfahrer<br />

ist, auf Tour. Nach sieben Jahren im Angestelltenstatus und<br />

den üblichen Problemen in dieser Branche, wie hohem Arbeitsaufkommen<br />

bei geringer Vergütung, war für mich die logische Konsequenz,<br />

das Unternehmen meines Vaters zu übernehmen. Heute bin<br />

ich mein eigener Herr und plane meine Touren 250 Kilometer um<br />

Hamburg akribisch, damit ich möglichst viel Zeit mit meiner Familie<br />

verbringen kann. Meine Auftraggeber kommen aus der Mineralölbranche<br />

– zum Beispiel die Nordoel Mineralölhandel mbH aus Lübeck.<br />

Leider sind bei Kraftstoffladungen Leerfahrten üblich. Nach<br />

der Lieferung muss ich erst zum Auftraggeber zurück, um neue<br />

Ware zu holen, bevor es zum nächsten Kunden geht. Das ist einer<br />

der negativen Aspekte an meinem Beruf, denn ich bin wahrlich kein<br />

Fan davon, Kraftstoff sinnlos zu verbrennen. Ich träume von einem<br />

Lkw mit Elektroantrieb, aber solange die Technik reaktionär ist und<br />

der Strom weiterhin größtenteils aus Kohle und Atomkraft kommt,<br />

ist der Lkw mit Dieselantrieb das effektivste Transportmittel. Auch<br />

wenn ich meinen Beruf liebe, geht mir die Profitpolitik mächtig auf<br />

den Keks: Kaputte Straßen und zu wenig Parkplätze erschweren<br />

meine Routenplanung und durch die Kabotagefreiheit geschieht<br />

in Deutschland Lohndumping im großen Stil. Ich erhoffe mir für<br />

die Zukunft faire Arbeitsbedingungen und die Unterbindung der<br />

Kabotage freiheit.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

57


SPECIAL | MOBILITÄT & LOGISTIK |<br />

Abnehmen trotz Pizza<br />

Autos werden schlanker, Unternehmen teilen ihre Flotten miteinander und Lastenfahrräder<br />

entlasten den Stadtverkehr? <strong>forum</strong> fragte Entscheider in Unternehmen,<br />

wie sie zu einer zukunftsverträglichen Mobilität beitragen.<br />

Corporate Carsharing spart beim zweitgrößten Kostenfaktor<br />

In Deutschland werden jährlich rund 3 Millionen Automobile zugelassen; davon sind fast zwei Drittel Firmenwagen.<br />

Obwohl die firmeneigenen Fahrzeuge größtenteils ungenutzt herumstehen, fallen hohe Anschaffungspreise sowie<br />

laufende Kosten für Leasing, Steuer, Versicherung und Verwaltung an. Das Einsparpotenzial ist enorm: In den meisten<br />

Unternehmen ist die Fahrzeugflotte nach dem Personal der größte Kostenfaktor. Eine günstige und gleichzeitig<br />

ökologisch sinn<strong>voll</strong>e Alternative zur eigenen Flotte ist das Corporate Carsharing.<br />

Carsharing spart Kosten, entlastet den innerstädtischen Verkehr und mindert die CO 2<br />

-Belastung. Start-ups und andere<br />

Kleinunternehmen können auf Mietwagen oder Taxen verzichten und verfügen dennoch über mobile Flexibilität.<br />

Große Unternehmen können mit Hilfe des Carsharings ihre Flotten effizienter nutzen und Platz sparen. Die<br />

Überlassung der Fahrzeuge für Privatfahrten kann zudem ein interessantes Instrument der Mitarbeiterbindung sein.<br />

Und nicht zuletzt ist Carsharing nachhaltig und somit auch als Teil einer modernen Unternehmenskultur attraktiv.<br />

Bill Jones, CEO der CiteeCar GmbH<br />

Das Lastenrad erobert die Fuhrparks<br />

Der motorisierte Wirtschaftsverkehr in Innenstädten nimmt aktuell vor allem durch den Onlinehandel gewaltig zu –<br />

mit weitreichenden negativen Folgen für Mensch und Umwelt. Probleme wie steigende Emissionen, Lärm und Platzverbrauch<br />

erhöhen das Bedürfnis der Menschen nach einer neuen urbanen Lebensqualität. Erste Unternehmen<br />

haben das bereits erkannt. Sie gehen neue Wege und setzen gezielt auf Lastenfahrräder. Die Best Practice-Beispiele<br />

fasst der ökologische Verkehrsclub VCD zusammen. Mit dem Projekt „Ich fahr‘ Lastenrad“ helfen wir Interessierten,<br />

den Sprung hin zu einer umwelt- und sozialverträglichen Mobilität zu meistern. Sei es der Pizzalieferant, der Handwerker<br />

oder der Paketzusteller – für fast jeden Transport bis zu 250 kg Gewicht gibt es ein geeignetes Lastenrad.<br />

Unternehmen schonen dabei nicht nur die Umwelt. Sie können erheblich Geld und Zeit sparen, denn Lastenräder<br />

kosten vergleichsweise wenig und fahren am Stau vorbei direkt vor die Haustür.<br />

Wasilis von Rauch, Projektmanager „Ich fahr‘ Lastenrad“ beim ökologischen Verkehrsclub VCD.<br />

www.lastenrad.vcd.org<br />

Grüne Citylogistik macht Autos schlank<br />

Mit dem Konzept „dual energy“ machen wir bei Iveco den zunehmenden Stadtverkehr angenehmer: Die Fahrzeuge<br />

vermeiden Schadstoffe und Geräusche durch Gewichtsreduktion und Bremsenergieverwertung. Hybrid- und Elektroantriebe<br />

sind bei Iveco serienfertig, am Leichtbau forschen wir. Neue Werkstoffe wie Karbon für Rahmen, Gelenkwelle<br />

und -federn machen die Fahrzeuge etwa 50 kg leichter. Multifunktionale Bauteile verschlanken das Auto – zum Beispiel,<br />

wenn man große Oberflächen als Kühler oder Wärmetauscher nutzt. Im Fernverkehr ist die Lage schwieriger: Bei<br />

den konstanten Geschwindigkeiten auf der Autobahn rentiert sich die Bremsenergierückgewinnung kaum. Man kann<br />

aber die umgewandelte Bremsenergie verwerten, indem man Nebenaggregate des Motors elektrisch betreibt. Ein<br />

sogenannter Rankine-Dampfprozess kann zudem den Energiegehalt der heißen Abgase in elektrische Arbeit umwandeln.<br />

Alternativ ist der Erdgasantrieb bei Iveco für Fahrzeuge von 3,5 bis 40 Tonnen fast lückenlos verfügbar. Für unsere<br />

Branche sind die EU-Regulierungen teilweise hinderlich: Bei den Themen Schadstoffe und Aerodynamik (wo strenge<br />

Längenvorschriften gelten) muss ein Paradigmenwechsel erfolgen.<br />

Manfred Kuchlmayr, Leiter Unternehmenskommunikation Iveco Magirus AG<br />

Fotos v.o.n.u.: © CiteeCar | © Iveco | © MarkusBachmann<br />

58 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| ANZEIGE | SPECIAL<br />

Beliebte Tagungsdestination und<br />

zentraler Logistikstandort<br />

Fotos: © Andreas Weber | Gazeley Germany GmbH | bombardier<br />

Transportation GmbH | kassel Marketing GmbH<br />

Willkommen in Kassel – mitten im grünen<br />

Herzen von Deutschland, ein kontinuierlich<br />

weiterentwickelter Wirtschaftsstandort<br />

der immer mehr Unternehmen anzieht. Im<br />

Bereich Mobilität und Logistik hat sich eine<br />

lokale Branchenkompetenz entwickelt,<br />

die im Zusammenspiel mit Forschungseinrichtungen<br />

und Universität beste Rahmenbedingungen<br />

für zukunftsweisende<br />

Innovationen bietet.<br />

Grüner Tagungsstandort mit<br />

zentraler Lage<br />

Faktoren, die Kassel auch als Tagungs- und<br />

Eventstandort immer beliebter machen.<br />

Locations wie das „Green Globe“-zertifizierte<br />

Kongress Palais Kassel und weitere professionelle<br />

Tagungsstätten, Hotels sowie außergewöhnliche<br />

Veranstaltungsorte bieten beste<br />

Bedingungen für Ihre Kongresse oder Events<br />

– gerade auch, wenn es um das Thema Green<br />

Meetings geht: Denn neben zahlreichen<br />

Eventpartnern, die sich dem nachhaltigen<br />

Handeln verpflichtet haben, erwartet Kassel<br />

seine Besucher auch mit umweltfreundlichen<br />

Mobilitätsangeboten und entsprechenden<br />

Rahmenprogrammen.<br />

Vermarktet und koordiniert werden die Tagungs-<br />

und Veranstaltungsfazilitäten durch<br />

das Kassel Convention Bureau, das mit starken<br />

Partnern aus dem Bereich Events das<br />

leistungsfähige Kassel Convention Network<br />

bildet. Neben der Beratung und Vermittlung<br />

von Tagungsräumen und Locations bietet es<br />

auch die Bereitstellung von Zimmerkontingenten,<br />

individuelle Rahmen- und Abendprogramme<br />

sowie Bustransfers und Shuttles.<br />

Ein weiteres starkes Argument, dass sowohl<br />

Event-Veranstalter als auch Logistik-Dienstleister<br />

überzeugt, ist die zentrale Lage der<br />

documenta-Stadt. Sie ermöglicht eine kurze<br />

Anreise – gern mit dem CO 2<br />

-neutralen Kongressticket,<br />

das gemeinsam mit der Deutschen<br />

Bahn angeboten wird – und macht<br />

Kassel als Knotenpunkt für die Verteilung<br />

von Waren zu einem bevorzugten Standort<br />

für viele Unternehmen.<br />

Erstklassige Bedingungen für die<br />

Logistikbranche<br />

Denn in Verbindung mit der hervorragenden<br />

Verkehrsinfrastruktur und -anbindung gibt es<br />

in Deutschland und Europa für Distributionssysteme<br />

keinen besseren Standort als Kassel<br />

und Nordhessen. Seit 20<strong>02</strong> haben sich hier<br />

mehr als 80 Unternehmen aus der Branche<br />

angesiedelt, die über 6.500 Arbeitsplätze<br />

geschaffen haben. Hierzu gehören auch<br />

High-Tech-Versandhändler wie Libri und<br />

Branchengrößen wie Schenker, Hermes und<br />

DHL sowie Filialisten wie REWE, Edeka und<br />

das Dänische Bettenlager. Hinzu kommen<br />

zahlreiche mittelständische Speditionsunternehmen,<br />

die von hier aus eine termingerechte<br />

und kostendeckende Verteilung<br />

von Gütern in die Zielregionen vornehmen.<br />

Selbst 48h-Lieferungen können so europaweit<br />

realisiert und angeboten werden.<br />

Neue Mobilitätskonzepte –<br />

„Made in Kassel“<br />

Auch im Bereich der Mobilitätswirtschaft<br />

siedeln sich hier immer mehr zukunftsweisende<br />

Projekte an, beispielsweise erfolgreiche<br />

Kooperationen in der Zukunftsbranche<br />

Elektromobilität mit regionalen Partnern.<br />

Die Regionalmanagement Nordhessen<br />

GmbH mit dem Netzwerk MoWiN.net<br />

(Mobilitätswirtschaft Nordhessen Netzwerk<br />

e.V.) ist hierbei koordinierender Partner für<br />

die Planung und Umsetzung von Projekten.<br />

Kontakt<br />

Convention Bureau<br />

Kassel Marketing GmbH<br />

Stefanie Dilk, Anke Müller<br />

Obere Königsstraße 15<br />

34117 Kassel<br />

Telefon: +49 (0)561 / 7 07 71 64<br />

Convention.bureau@kassel-marketing.de<br />

www.kassel-marketing.de<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

59


SPECIAL | MOBILITÄT & LOGISTIK |<br />

Dreamteam? Ein Foto von Verkehrsminister Alexander Dobrindt und seinem neuen BMW i3 existiert zwar<br />

noch nicht, sein Sprecher versichert jedoch, dass Herr Dobrindt leidenschaftlich gerne Elektroauto fährt.<br />

Vorbild Politik?<br />

Worthülsen oder echte Veränderung: EU, Bund, Länder und Kommunen bekunden<br />

in Richtlinien und Verordnungen, dass sie selbst als Vorbilder mit umweltfreundlichen<br />

Fahrzeugen vorangehen wollen. Doch tun sie es auch?<br />

Von Kurt Sigl<br />

Das Beschaffungsvolumen der öffentlichen Hand liegt Schätzungen<br />

zufolge bei etwa 480 Milliarden Euro im Jahr. Die Politik<br />

kann damit gezielte Nachfrageimpulse nach innovativen<br />

und nachhaltigen Produkten setzen und ihnen so den Weg<br />

zum Massenmarkt ebnen. Gegenwärtig sind in Deutschland<br />

etwa drei Millionen Fahrzeuge in öffentlichen Flotten und<br />

Fuhrparks unterwegs. Wenn die öffentliche Hand hier auf<br />

saubere Antriebe umsteigt, setzt sie damit ein sichtbares<br />

Zeichen für eine nachhaltige, bereits heute alltagstaugliche<br />

neue Mobilität.<br />

Von der EU bis zu den Kommunen sind die verschiedenen<br />

Regierungsebenen mittlerweile bemüht, durch rechtliche<br />

Vorgaben Rahmenbedingungen zu etablieren, die die Beschaffung<br />

von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb in öffentlichen<br />

Fuhrparks erleichtert. Damit wollen die politischen<br />

Institutionen die Entwicklung eines Marktes für saubere und<br />

energieeffiziente Fahrzeuge beschleunigen. Durch den gesteigerten<br />

Absatz können so letztlich auch die Fahrzeugpreise<br />

sinken (Skaleneffekte) – Elektrofahrzeuge würden auch für<br />

die breite Masse preislich attraktiv.<br />

EU-Vorgaben: Sauber und energieeffizient<br />

Auf europäischer Ebene wurde bereits im Jahr 2009 die<br />

Richtlinie über die Förderung sauberer und energieeffizienter<br />

Straßenfahrzeuge (2009/33/EG) verabschiedet.<br />

Die Richtlinie beinhaltet unter anderem die Verpflichtung für<br />

öffentliche Auftraggeber, beim Kauf von Fahrzeugen Energieund<br />

Umweltaspekte während der gesamten Lebensdauer<br />

zu berücksichtigen. Die Richtlinie enthält dafür konkrete<br />

Berechnungsmethoden. Sie findet sich mittlerweile in der<br />

nationalen Gesetzgebung aller Mitgliedsstaaten wieder, so<br />

auch in Deutschland.<br />

Fotos: © BMW| © bmvi<br />

60 Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. <strong>forum</strong> Ein Produkt <strong>Nachhaltig</strong> der Steinbeis <strong>Wirtschaften</strong><br />

Papier GmbH.


| MOBILITÄT & LOGISTIK | SPECIAL<br />

Bundesregierung: Elektromobilität fördern<br />

Seit dem Jahr 2010 arbeiten Bund, Länder und Kommunen<br />

in der Allianz für nachhaltige Beschaffung zusammen. Ihr<br />

Ziel ist es, durch Beratung und die Entwicklung von Leitfäden<br />

den Anteil nachhaltiger Produkte und Dienstleistungen beim<br />

Einkauf der öffentlichen Hand deutlich zu erhöhen.<br />

Die Bundesregierung hat im Mai 2011 in ihrem Regierungsprogramm<br />

Elektromobilität die Beschaffung von Elektrofahrzeugen<br />

beschlossen. Demnach streben die Bundesressorts ab<br />

dem Jahr 2013 in ihrem jeweils eigenen Geschäftsbereich an,<br />

dass 10 Prozent der neu angeschafften oder neu geleasten<br />

Fahrzeuge einen Emissionswert von weniger als 50 Gramm<br />

CO 2<br />

als Zielwert einhalten. Im aktuellen Koalitionsvertrag<br />

heißt es zum Thema Elektromobilität u.a., der Bund werde<br />

seinen Fuhrpark sukzessive umrüsten. Konkrete Kennzahlen<br />

lässt er aber nicht verlauten.<br />

Doch wie sieht es mit der tatsächlichen Umsetzung aus? Bekannt<br />

ist, dass der neue Bundesverkehrsminister Alexander<br />

Dobrindt seine Berliner Termine künftig emissionsfrei mit<br />

dem <strong>voll</strong>elektrischen Dienstwagen eines bayerischen Autoherstellers<br />

ansteuern möchte. Die Deutsche Umwelthilfe<br />

(DUH) befragt einmal im Jahr die Bundesminister nach den<br />

Verbrauchswerten ihrer Dienstwagen und verteilt gelbe,<br />

rote und grüne Karten. Die grüne Karte bekommt derjenige,<br />

dessen Dienstwagen weniger als 130g CO 2<br />

/km (EU-Zielwert<br />

seit 2012) ausstößt. Im Jahr 2013 bekam leider nicht einer die<br />

grüne Karte. Klimasünderin Nummer 1 war die amtierende<br />

Bildungsministerin Johanna Wanka, deren Dienstlimousine<br />

193g CO 2<br />

/km auspustete. Setzen, sechs!<br />

Einige Schritte weiter als die Spitzenpolitiker sind offenbar die<br />

Bundesbehörden. Acht von 20 befragten Behörden erhielten<br />

2013 von der DUH die grüne Karte für glaubwürdiges Klimabewusstsein,<br />

weil sowohl die Fahrzeuge der Behördenleitung<br />

als auch der Durchschnittsausstoß der Flotte unter der 130<br />

Gramm-Marke lagen.<br />

Länder und Kommunen: Lebenszykluskosten einbeziehen<br />

Die öffentliche Hand ist in besonderem Maße von den zur<br />

Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen, also den<br />

Haushaltsmitteln, abhängig. Da es sich um Steuermittel<br />

handelt, besteht gegenüber der Öffentlichkeit zudem eine<br />

Rechenschaftspflicht über die getätigten Ausgaben. Das<br />

Vergaberecht verpflichtet deshalb dazu, im Rahmen öffentlicher<br />

Ausschreibungen das wirtschaftlich günstigste Angebot<br />

zu berücksichtigen.<br />

Dies bedeutet aber nicht zwingend, dass man das in der<br />

Anschaffung günstigste Produkt kauften muss. Vielmehr<br />

lassen sich alle Kosten, die über den gesamten Lebenszyklus<br />

(Total Cost-of-Ownership, TCO) anfallen, einschließlich der<br />

Betriebskosten, einrechnen. Da z.B. Elektrofahrzeuge im<br />

Betrieb deutlich günstiger sind als konventionelle Fahrzeuge,<br />

kann die TCO-Analyse durchaus zu Gunsten eines Elektrofahrzeugs<br />

ausfallen. In der Praxis ignorieren die öffentlichen<br />

Einkäufer die TCO-Bilanz jedoch häufig. Sie beschränken den<br />

Maßstab der Wirtschaftlichkeit weiterhin einseitig auf den<br />

Anschaffungspreis. Ein Grund dafür: Vertreter öffentlicher<br />

Stellen konzentrieren sich in ihrem Handeln in der Regel auf<br />

die jeweilige Amtszeit oder das aktuelle Haushaltsjahr. Sie<br />

denken selten in langfristigeren Zielen. Hier ist dringend ein<br />

Umdenken im Sinne einer weitsichtigeren und nachhaltigeren<br />

Beschaffungspolitik erforderlich.<br />

Doch es besteht auch Hoffnung. Eine Befragung des Instituts<br />

für den öffentlichen Sektor ergab, dass bei der Kaufentscheidung<br />

auch vermehrt Umweltkriterien, wie z.B.<br />

CO 2<br />

-Emissionen, in den Blick rücken. In der Studie aus dem<br />

Jahre 2013 gab die Hälfte der befragten Kommunen an,<br />

dass rechtliche Vorgaben seitens der Landesregierungen<br />

oder Gemeinderatsbeschlüsse die Berücksichtigung von<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keits faktoren in ihrer Beschaffung forderten.<br />

Betrachtet man nur die befragten Städte, so gaben über<br />

70 Prozent an, mittlerweile über solche Ratsbeschlüsse zu<br />

verfügen. Insgesamt wurde ökonomischen Aspekten aber<br />

noch immer die höchste Bedeutung zugemessen.<br />

Fazit: Beweisführung umkehren!<br />

Die Politik will zwar saubere Antriebe, insbesondere Elektromobilität,<br />

verbreiten, verhält sich aber im Hinblick auf die<br />

Umstellung öffentlicher Fuhrparks noch sehr zögerlich. Bund,<br />

Länder und Kommunen sind zwar zunehmend bemüht,<br />

Umweltfaktoren in ihre Beschaffungsrichtlinien einfließen<br />

zu lassen, lassen aber insgesamt noch zu viel Spielraum,<br />

die Kaufentscheidung überwiegend nach ökonomischen<br />

Kriterien zu treffen.<br />

Öffentlicher Ausschreibungen von Fahrzeugen sollten Umweltaspekte<br />

deshalb künftig noch stärker berücksichtigen.<br />

Die Politik muss endlich mit gutem Beispiel voran gehen<br />

und wirksame Anreize für öffentliche Verwaltungen und<br />

Unternehmen schaffen, ihre Flotten auf saubere Antriebe<br />

umzustellen.<br />

Ein positives Beispiel liefert aktuell die Stadt Hamburg, die<br />

in ihre Beschaffungsrichtlinien eine Begründungsklausel<br />

aufgenommen hat, die die „Beweisführung“ umkehrt.<br />

So muss ein Hamburger Beschaffungsmanager zukünftig<br />

darlegen, warum statt eines emissionsarmen Fahrzeugs<br />

mit alternativem Antrieb ein herkömmlich motorisiertes<br />

Fahrzeug angeschafft werden soll. Es bleibt zu hoffen, dass<br />

weitere Kommunen dem Beispiel Hamburgs folgen und sich<br />

eine saubere Mobilität auf diese Weise flächendeckend in<br />

unseren öffentlichen Fuhrparks durchsetzt.<br />

KURT SIGL<br />

ist Präsident des Bundesverbands eMobilität e.V., der sich in Deutschland<br />

seit 2009 für die Verbreitung der Elektromobilität auf Basis<br />

Erneuerbarer Energien einsetzt.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

61


SPECIAL | MOBILITÄT & LOGISTIK |<br />

Was wurde eigentlich aus ...?<br />

Treue Fans<br />

Einst von Aktionären und Industrie bejubelt, verschwand das Lastenluftschiff der<br />

Cargolifter AG in der Versenkung. Nach der Insolvenz will die „Celebrity Firm“<br />

nochmals durchstarten. Doch was ist übrig vom Glanz vergangener Zeiten?<br />

Von Kim Schumacher<br />

Das gigantische Luftschiffprojekt Cargolifter zerplatzte als riesige Investitionsblase am High Tech Himmel des letzten Jahrtausends und feiert<br />

seine Auferstehung im Visiball.<br />

Es war ein Lechzen von Industrie und Gesellschaft nach<br />

neuen Transportlösungen und innovativer Technologie, das<br />

das Lastenluftschiff aus seiner Wiege hob. 1996 gründete<br />

Carl-Heinrich Freiherr von Gablenz die CargoLifter AG. Mit<br />

ihm hatten etwa 70.000 Aktionäre, darunter auch MAN<br />

und Linde, den Traum vom Fliegen: Gigantisch sollte das<br />

Luftschiff sein , mit einer Hubkraft von 160 Tonnen Lasten<br />

über weite Distanzen befördern. Jäh zerplatzte der große<br />

Traum: Noch vor der Fertigstellung des Erstmodells CL160<br />

ging das Unternehmen 20<strong>02</strong> in die Insolvenz. Doch von<br />

Gablenz und ein harter Kern von rund 650 Aktionären<br />

wollen weiterfliegen, glauben dass der Markt für diese<br />

Technologien bereit ist. „Wir hätten damals sicher vieles<br />

besser machen können und wir haben aus unseren Fehlern<br />

gelernt“ sagt von Gablenz heute. Zwölf Jahre nach der Insolvenz<br />

will die neu gegründete CL Cargolifter GmbH & Co.<br />

KGaA nun richtig durchstarten. Diese Rechtsform ist schlau<br />

gewählt und ein erstes Dazulernen aus der Vergangenheit:<br />

Im Falle einer erneuten Insolvenz bliebe das Vermögen der<br />

Aktionäre unangetastet. Erkenntnis Nummer zwei ist der<br />

Fotos: © CargoLifter by PGA<br />

62 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| MOBILITÄT & LOGISTIK | SPECIAL<br />

Schritt-für-Schritt-Ansatz. CL CargoLifter beginnt nicht nur<br />

neu, sondern auch in kleinem Format.<br />

Leichter als Luft<br />

Konnte das Lastenluftschiff damals nicht groß genug sein, so<br />

hat das heutige Zugpferd nur einen Durchmesser von acht<br />

Metern und ein Hubvolumen von 250 Kilogramm. Der CL-MK<br />

250 ist ein Minikran, der bei Gebäudesanierungen oder bei<br />

der Installierung von Solarfeldern zum Einsatz kommt. Ein<br />

weiteres Produkt mit der Leichter-als-Luft-Technologie ist<br />

der AirKules mit einer Hubkraft von 350 Kilogramm. AirKules<br />

könnte als Rettungsballon in Katastrophengebieten zum<br />

Beispiel Menschen von Dächern in Sicherheit bringen, die<br />

Lebensmittelversorgung aufrechterhalten oder Verschüttete<br />

bergen. Könnte! Bislang testete CL CargoLifter den Rettungsballon<br />

in Bitterfeld zwar erfolgreich, aber keine Hilfsorganisation<br />

kann sich den rund 100.000 Euro teuren Ballon<br />

leisten. CargoLifter hat eigens dazu auf ihrer Webseite eine<br />

Spendenaktion gestartet. Vor allem katastrophengebeutel-<br />

Visualisierung von geplanten Windkraftanlagen eine weitere:<br />

Der weiße Wasserstoffballon Visiball sieht aus der Ferne<br />

aus wie eine Turbinengondel und könnte am geplanten<br />

Standort, auf entsprechender Höhe angebracht, zu mehr<br />

Akzeptanz der Anwohner führen. Die Stadtwerke Landshut<br />

haben den Visiball schon erfolgreich getestet: Ende <strong>2014</strong><br />

soll am Standort Weihbüchl das erste moderne Windrad im<br />

Landkreis Landshut stehen.<br />

Luftige Transportwege<br />

Überall wo kein Durchkommen für Transportfahrzeuge ist,<br />

wo Kräne den Untergrund beschädigen oder ein Helikopter<br />

zu teuer ist, will von Gablenz seine Ballons einsetzen. Dabei<br />

konzentriert er sich mit seinem Team nicht auf Deutschland,<br />

sondern setzt auf ferne Länder mit wenig Infrastruktur, wie<br />

das Amazonasgebiet in Brasilien oder den Norden Kanadas.<br />

Von Gablenz schickt seine verhältnismäßig kleinen Ballons<br />

also auf große Reisen und findet: „Transportwege in der Luft<br />

sind die eleganteste Lösung.“ Auch wenn CargoLifter über-<br />

Richtig positioniert lässt der VisiBall erahnen, wie sich die Windkraftanlage später in das Landschaftsbild einfügt.<br />

Fotos: © CargoLifter by PGA<br />

ten Ländern will das Unternehmen seinen Ballon anbieten.<br />

Aktuell verhandelt von Gablenz mit Vertretern der philippinischen<br />

Botschaft. „Nach dem Tsunami im letzten Jahr hätten<br />

wir mit dem AirKules hervorragend Hilfsorganisationen vor<br />

Ort unterstützen können“, ist der Pionier überzeugt.<br />

Kurs auf die Windenergiebranche<br />

Auch in der Windenergiebranche könnte der CargoLifter<br />

in Zukunft Kunden gewinnen. Dabei ist das Heben und<br />

Transportieren von Rotorblättern nur eine Möglichkeit, die<br />

zeugende Argumente für die eigenen Produkte aufbringt,<br />

fällt auf, dass das Unternehmen kaum die Werbetrommel<br />

rührt. Will der Hersteller tatsächlich noch in diesem Jahr<br />

durchstarten, sollte er nicht nur in seine Technologien investieren,<br />

sondern auch an seinem Bekanntheitsgrad arbeiten.<br />

Denn Glanz und Gloria kommen nicht nur von guten Ideen.<br />

Weitere Infos unter:<br />

www.cargolifter.de<br />

www.cargolifter.com<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

63


SPECIAL | MOBILITÄT & LOGISTIK |<br />

So hat das Elektrofahrzeug<br />

noch eine Chance<br />

Mancher Automobilexperte winkt ab: Eine Million Elektroautos bis 2<strong>02</strong>0 auf<br />

deutschen Straßen? Nicht zu schaffen. Dabei könnten drei offensichtliche<br />

Kriterien den Weg ebnen.<br />

Von Gernot Spiegelberg, Hauke Stähle, Ljubo Mercep und Claudia Meis<br />

Die Welt will sich bewegen – und das steigende Mobilitätsbedürfnis<br />

benötigt immer mehr fossile Ressourcen. Beanspruchen<br />

nun auch die „emerging Markets“ der asiatischen<br />

Länder China und Indien eine Mobilität wie in Europa oder<br />

USA, spitzen sich CO 2<br />

-Ausstoß und Klimasituation weiter<br />

zu. Wir sollten es zukünftig vermeiden, Rohstoffe mit<br />

vergleichbar niedrigen Wirkungsgraden im Pkw-Motor zu<br />

verbrennen, denn wir brauchen sie vielmehr zur Veredelung<br />

in andere Materialien wie z.B. Kunststoff. Autos, die „nur“<br />

Strom verbrauchen, scheinen für dieses Problem die Lösung<br />

zu sein. Doch wie hoch ist der Absatzmarkt für Elektrofahrzeuge<br />

überhaupt theoretisch? Wagen wir ein Rechenbeispiel.<br />

Die sehr grob betrachtete Anzahl von Fahrzeugen in<br />

Deutschland liegt bei mehr als 40 Millionen. Davon sind<br />

ca. 30 Prozent (12 Millionen) Zweitfahrzeuge. Von diesen<br />

fahren 80 Prozent stets unter 50 km weit, also ca. 9 bis 10<br />

Im Innotruck testen Wissenschaftler der Technischen Universität<br />

München wichtige Elemente für die Elektro mobilität der<br />

Zukunft: Systemarchitektur, Antriebsstrang/Energiemanagement<br />

und Mensch-Maschine-Schnittstellen.<br />

64 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong><br />

Foto: © Innotruck, TUM / Siemens


| MOBILITÄT & LOGISTIK | SPECIAL<br />

Millionen. Würden hiervon auch nur 50 Prozent als Käufer<br />

eines Elektrofahrzeuges gewonnen, so läge der mögliche<br />

Absatzmarkt bei annähernd dem Fünffachen des für das Jahr<br />

2<strong>02</strong>0 angestrebten Bestands von einer Million Elektroautos.<br />

Und da haben wir die Verteiler- und Flottenfahrzeuge noch<br />

gar nicht eingerechnet.<br />

Dennoch scheinen die Kunden – bis auf wenige Ausnahmen<br />

so genannter Early Adopters – gute Gründe zu haben, keine<br />

Nachfrage für Elektroautos zu zeigen. Hier ist zu vermuten,<br />

dass eine breite Kundschaft nur dann für einen neuen<br />

Artikel zu gewinnen ist, wenn dieser entweder günstiger<br />

als bisher vergleichbare, interessanter gestaltet oder mit<br />

erweiterter Funktionalität versehen ist. Die meisten heute<br />

angebotenen E-Fahrzeug-Konzepte widersprechen aber<br />

diesen Kriterien. Deshalb könnte man eine Nachfragesteigerung<br />

durch die Befriedigung folgender Punkte erreichen:<br />

Das E-Fahrzeug muss mindestens die gleichen Betriebskosten<br />

und bestenfalls bereits die gleichen Anschaffungskosten<br />

zu einem vergleichbaren Verbrennungsfahrzeug<br />

aufweisen. Außerdem richtet sich das Angebot zunächst<br />

nur an Kunden mit einem täglichen Pkw-Mobilitätsbedarf<br />

von unter 100 km.<br />

Aber selbst wenn diese Punkte erfüllt wären, bliebe immer<br />

noch eine Skepsis dem Neuen gegenüber, die den Kauf des<br />

bereits Bewährten weiter unterstützen würde. Deshalb<br />

braucht es einen weiteren Mehrwert in der Waagschale der<br />

Kaufentscheidung. Das E-Fahrzeug sollte einen funktionalen<br />

Mehrwert ohne Mehrkosten gegenüber dem Verbrennungsfahrzeug<br />

aufweisen. Kurzum: Ein Hightech-Produkt mit mehr<br />

Funktionalität zum gleichen Angebotspreis.<br />

Ein drei Jahre (2011-<strong>2014</strong>) währendes Projekt am Institute for<br />

Advanced Study (IAS) der Technischen Universität München<br />

(TUM) hat zur Beantwortung dieser Frage einen ganzheitlichen<br />

Ansatz zur breitflächigen Nutzung der Elektromobilität<br />

betrachtet. Das Konzept bezieht mögliche Lösungen für<br />

globale Megatrends wie Umweltbewusstsein, Urbanisierung<br />

und Demografischer Wandel ein.<br />

Drei Kriterien, um das Elektroauto attraktiv zu machen<br />

Kriterium 1: Preisparität<br />

Die Herstellkosten eines rein elektrischen Fahrzeugs sind<br />

(ohne die Kosten für die Batterie) niedriger als die eines<br />

Autos mit Verbrennungsmotor. Elektrofahrzeuge sind weniger<br />

komplex: Vergaser oder Einspritzanlage, Kupplung,<br />

Getriebe- und Abgasnachbehandlung brauchen sie nicht.<br />

Doch aufgrund der zunächst deutlich kleineren Stückzahlen<br />

liegen die Kosten eher auf gleichem Niveau. Hinzu kommen<br />

zurzeit auch die Mehrkosten für die Batterie. Hier muss man<br />

kurz- bis mittelfristig noch mit Preisen von ca. 300 Euro pro<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net 65


SPECIAL | MOBILITÄT & LOGISTIK |<br />

Test-Auto von RACE: Ziel des Forschungsprojektes ist die Entwicklung einer modernen IKT-Architektur. Sie vereint alle Funktionen – wie ABS,<br />

Einparkhilfe, Tempomat oder Spurassistenz – auf wenigen zentralen Rechnern. Dadurch soll es einfacher möglich sein, Funktionen auch nachträglich<br />

und vorwiegend per Software nachzuladen.<br />

kWh rechnen, was bei einer Batterie für ein E-Auto mit einer<br />

Reichweite von annähernd 150 km zu einer Kapazität von 25<br />

kWh und damit Mehrkosten von zusätzlich 7.500 Euro führen<br />

würde. Man braucht also ein passendes Geschäftsmodell für<br />

die Amortisation der Kosten des Energiespeichers. Dieses<br />

könnte darin bestehen, dass der Energiespeicher zusätzlichen<br />

Mehrwert generiert. Die Energiewende erfordert ohnehin<br />

einen Stromnetz- und Energiespeicher-Ausbau.<br />

Damit die Batterie sich amortisiert, gibt es zwei Möglichkeiten:<br />

Den Energiehandel und den Leistungsspitzenausgleich.<br />

Der Leistungsspitzenausgleich entspricht einem Pumpspeicherkraftwerk<br />

(viel Leistung, für eine kurze Zeit) und<br />

der Energietransfer entspricht einem virtuellen Kraftwerk<br />

(mäßiger Stromtransfer über einen längeren Zeitraum). Für<br />

beide Verfahren braucht das Fahrzeug einen bidirektionalen<br />

Anschluss an die Ladeinfrastruktur. Bidirektional heißt, dass<br />

sowohl die Batterie geladen, als auch Strom ins Netz zurückfließen<br />

kann. Beide Finanzierungsmodelle – Energiehandel<br />

und Leistungsspitzenausgleich – wären auch miteinander<br />

kombinierbar.<br />

Das Elektrofahrzeug kann dem Netz als Energiespeicher<br />

dienen und ihm bei Bedarf Energie zurückgeben. Wenn im<br />

Auto eine entsprechende Software integriert ist, kann es<br />

den momentan gehandelten Strompreis möglichst zeitnah<br />

vom Netzbetreiber oder Energieerzeuger erhalten. Mit Hilfe<br />

innovativer Ladeintelligenz ließe sich über den Gewinn aus<br />

der positiven Preisdifferenz von Einkaufs- und Verkaufspreis<br />

ein Teil der Batteriekosten refinanzieren.<br />

Selbstverständlich ist darauf zu achten, dass das Fahrzeug<br />

hierbei die Energieabgabe nur soweit zulassen darf, dass die<br />

gewünschte Reichweite des Besitzers nicht gefährdet wird.<br />

Auch darf eine zusätzliche Schädigung der Batterie durch<br />

diesen Betrieb zu keinen Mehrkosten führen, was aber<br />

in dem zugrundeliegenden Nutzungsverhalten aufgrund<br />

mittlerweile kommunizierter Zyklenfestigkeiten von 3.000<br />

bis 5.000 Lade-/Entladevorgängen nicht mehr der Fall sein<br />

wird. Die Batterie wird sich ohne diesen Energieaustausch<br />

vielmehr mit der Zeit „kaputtstehen“ und daher Wertschöpfung<br />

verschenken.<br />

Die zweite Variante für die Amortisation der Batteriekosten<br />

könnte der Leistungsspitzenausgleich darstellen. Um eventuell<br />

auftretende Leistungsspitzen abfangen zu können,<br />

kann der Energiespeicher des Fahrzeugs an das Netz angeschlossen<br />

werden. Dabei gibt es eine Vergütung für die<br />

Netzanschlusszeiten des Energiespeichers.<br />

Eine Kostenparität des Elektrofahrzeugs zum Verbrennungsfahrzeug<br />

wäre somit, wenn die verschiedenen Spieler<br />

entsprechend kooperieren, durchaus erreichbar. Wenn man<br />

E-Autos dann noch mit Erneuerbaren Energien betreibt und<br />

mit ihrer Kapazität das Energienetz stabilisiert, können sie<br />

einen großen Beitrag zum Umweltbewusstsein liefern.<br />

Kriterium 2: Reichweite<br />

Die Gesellschaft setzt aufgrund gelernter Verhaltensweisen<br />

hohe Erwartungen in die Höhe des Aktionsradius eines<br />

Pkw – im Gegensatz zu den tatsächlichen täglichen Mobilitätsbedürfnissen<br />

vieler. Für rund 10 Millionen Fahrzeuge in<br />

Deutschland ist die Reichweite heutiger Elektrofahrzeuge<br />

mit unter 150 km <strong>voll</strong>kommen ausreichend. Bei täglichen<br />

Kurzstrecken kann das E-Fahrzeug ohne Probleme an der<br />

Ladeinfrastruktur am Arbeitsplatz oder im Parkhaus des<br />

Einkaufszentrums Energie aufnehmen, statt wie bislang Zwischenstopps<br />

an der Tankstelle zu machen. Und zu Hause? Mit<br />

der Steckdose in der eigenen Garage oder dem Carport mit<br />

Solaranlage kann man eine „Tankstelle“ sein Eigen nennen.<br />

Erste Veränderungen lassen sich jedoch bereits erkennen.<br />

Junge Menschen in den Metropolen nutzen zunehmend<br />

Fortsetzung auf Seite 68 <br />

Foto: © Siemens AG<br />

66 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| MOBILITÄT & LOGISTIK | SPECIAL<br />

Lenkrad, Brems- und<br />

Gaspedal waren gestern<br />

Das Fahrzeug von morgen entscheidet selbst, ob es macht, was der Fahrer ihm sagt.<br />

Im Interview mit <strong>forum</strong> erklärt Prof. Dr. Gernot Spiegelberg von der TU München,<br />

warum zentral gesteuerte Systeme sicherer sind.<br />

Das Gespräch führte Tina Teucher<br />

Foto: © Siemens AG<br />

Das Auto der Zukunft fährt mit<br />

„Drive- by-Wire“. Was bedeutet das<br />

für die Passagiere, die Hersteller –<br />

und die Gesellschaft?<br />

Unter Drive-by-Wire versteht man<br />

die elektronische Steuerung eines<br />

Fahrzeugs. Das System überträgt<br />

dabei die Befehle des Fahrers nicht<br />

mechanisch, sondern nimmt sie<br />

mit Sensoren auf, verarbeitet sie<br />

elektronisch und führt sie durch sogenannte<br />

Aktuatoren aus. Ein Aktuator kann beispielsweise<br />

ein Stellmotor sein, der das Bremssystem oder die Lenkung<br />

bedient. Für den Fahrer ergeben sich dadurch Vorteile bei<br />

Komfort und Sicherheit: Die Reaktionen des Fahrzeugs lassen<br />

sich individuell auf die Bedürfnisse des Fahrers anpassen und<br />

das Fahrzeug kann den Wunsch des Fahrers überprüfen und<br />

abändern, sollte er das Fahrzeug in eine kritische Situation<br />

bringen.<br />

Hersteller können durch ein Drive-By-Wire System den Bauraum<br />

des Fahrzeuges besser ausnutzen, weil Bedienelemente<br />

und Steuerelemente mechanisch entkoppelt sind. So kann<br />

beispielsweise das Lenkgestänge komplett entfallen. Außerdem<br />

sind völlig neue Bedienkonzepte möglich. Das klassische<br />

Gespann aus Lenkrad, Brems- und Gaspedal lässt sich durch einen<br />

kombinierten Sidestick, eine Art Steuerknüppel, ersetzen.<br />

Das (teil-)autonome Fahren durch Drive-By-Wire ermöglicht<br />

der alternden Gesellschaft mehr Mobilität. Das Fahrzeug kann<br />

sich auch selbstständig auf Parkplatzsuche begeben, während<br />

die Fahrerin selbst schon zu ihrem Termin geht.<br />

Sie sagen: Um die Komplexität der zukünftigen Mobilität in<br />

Griff zu bekommen, sollte man alles zentral steuern. Macht<br />

das das System nicht anfälliger, das Fahren gefährlicher?<br />

Heutzutage verfügt ein Fahrzeug über eine Vielzahl von<br />

unterschiedlichen Rechen- und Kommunikationssystemen.<br />

Sie haben – insbesondere durch neue Fahrerassistenzfunktionen<br />

– einen immer höheren Bedarf an regem Datenaustausch.<br />

Die Systeme sind so abhängig voneinander,<br />

dass die kleinste Veränderung in einem System sich auf<br />

ganz andere Teile des Fahrzeugs auswirken kann. Das ist<br />

gefährlicher, als eine zentrale Steuerung, die intelligent<br />

reagieren kann.<br />

Trends in anderen Bereichen – wie der Energiewende oder<br />

der Nahrungsversorgung – sprechen eher für Dezentralisierung.<br />

Zentralisierung bedeutet ja nicht, dass es im Fahrzeug<br />

nur noch einen Rechner gibt, der die Kontrolle über das<br />

Gesamtfahrzeug innehält. Vielmehr existiert weiterhin ein<br />

Steuergeräteverbund, der aber in einer klaren Struktur<br />

angeordnet wird. Wir sprechen in diesem Zusammenhang<br />

auch gerne von einer logischen Zentralisierung. Im ersten<br />

Schritt können mehrere Funktionen auf demselben Rechner<br />

ausgeführt werden, wodurch die Kosten sinken. Da ein<br />

solcher Rechner immer irgendwann an seine Grenzen bzgl.<br />

seiner Performance kommt, ergänzt man weitere Rechner.<br />

Die logische Zentralisierung schafft jedoch ein Umfeld, in dem<br />

es so scheint, als ob nur ein Rechner existiert. Ein weiteres<br />

Problem stellt die Vielzahl an redundanten Berechnungen in<br />

heutige Fahrzeugarchitekturen dar. Das kann eine logische<br />

zentrale Datenverwaltung in einem modular aufgebauten<br />

RTE (Runtime Environment) lösen.<br />

Was passiert, wenn ein Defekt am Zentralrechner auftaucht?<br />

Heute müssen Hersteller in einem Fahrzeug jedes Teilsystem<br />

sowohl separat, als auch im Verbund testen. Hier hilft<br />

ebenfalls das logische Zentralrechnerkonzept, was Kosten<br />

und Zeit spart.<br />

Wichtig werden künftig Eigenschaften wie die Fehlertoleranz.<br />

Sollten Teile des Zentralrechners ausfallen, führt ein anderer<br />

Bereich des Zentralrechners sicherheitskritische Funktionen<br />

weiterhin sicher aus. Seine einzelnen Bestandteile sind so<br />

ausgelegt, dass die Ausfallwahrscheinlichkeit des Gesamtsystems<br />

geringer ist als die heutige Wahrscheinlichkeit, dass das<br />

Lenkgestänge bricht oder alle Bremsen auf einmal ausfallen.<br />

Das Konzept ist somit als sicher zu betrachten.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

67


SPECIAL | MOBILITÄT & LOGISTIK |<br />

Fortsetzung von Seite 66<br />

den ÖPNV. Sie stehen weniger im Stau und sparen sich die<br />

Parkplatzsuche. Das Fahrzeug als Prestigeobjekt tritt für sie in<br />

den Hintergrund, sie machen es zu einem reinen Werkzeug der<br />

Mobilität. Speziell im urbanen Bereich entwickelt sich das Auto<br />

zu einem Teil der Mobilitätskette. Bahn, Fluggesellschaften,<br />

Autovermietungen und vor allem Reisebüros organisieren<br />

den gesamten Service von zu Hause bis zum Reiseziel mit<br />

Mietwagen vor Ort aus einer Hand. Neu sind auch innovative<br />

Kommunikationstechnologien: Fahrzeuge „reden“ mit<br />

Fahrzeugen oder mit der Umgebung. Dadurch lässt sich der<br />

Verkehr optimal steuern. Mit der elektronischen Beobachtung<br />

passieren weniger Unfälle, man kann Parkplätze reservieren<br />

und die eigenen Schritte in der Mobilitätskette komfortabel<br />

abrechnen. Verschiedene Fahrzeughersteller und Dienstleistungsanbieter<br />

testen solche Konzepte bereits. Und das ist nur<br />

der Anfang: Bald lässt sich auch der eigene Privat-Parkplatz im<br />

Tagesverlauf flexibel vermieten und die Batteriekapazität aller<br />

stehenden Fahrzeuge zur Netzstabilisierung prognostizieren.<br />

Mobilität wird über das Smartphone aus der Cloud angefragt<br />

und gebucht. Eine vernetztere Welt – und in der Hoffnung der<br />

Planer auch sicherer und komfortabler.<br />

Kriterium 3: Mehr Funktionalität<br />

Die meisten Ansätze für Elektrofahrzeuge wollen einfach den<br />

Verbrennungs- durch einen Elektromotor ersetzen und dabei<br />

die restlichen Komponenten weitgehend beibehalten. Doch<br />

ein eigener elektromotorischer Antriebsstrang macht ganz<br />

andersartig gestaltbare Fahrzeuge möglich. Wenn man etwa<br />

den Antriebsmotor in die Antriebsräder integriert entfallen<br />

weitere Komponenten und man gewinnt mehr Innenraum<br />

– bei kleinerer Abmessung. Nicht nur ältere Menschen<br />

können leichter ein- und aussteigen – ein weiterer Vorteil<br />

des E-Fahrzeugs im demografischen Wandel. Wenn man<br />

zusätzlich jedes Rad einzeln ansteuert wird das mechanische<br />

Differenzial überflüssig. Dieses muss bisher das Drehmoment<br />

des Motors passiv auf die Räder verteilen. Wenn ein Elektroauto<br />

in die Kurve fährt, ordnet nun eine Software aktiv<br />

und präzise das jeweils optimale Drehmoment zu („Torque<br />

Vectoring“), was zur verbesserten Fahrdynamik beiträgt und<br />

damit auch die Sicherheit erhöht.<br />

Mit einem zentralisierten Ansatz für die Informations- und<br />

Kommunikationstechnik hat schließlich auch der Hersteller<br />

weniger Aufwand, denn er lädt einfach den Algorithmus<br />

für die Motorenansteuerung in das System und bestimmt<br />

so das Verhalten des Fahrzeuges, ohne die Mechanik modifizieren<br />

zu müssen. Außerdem kann er die Reibbremse<br />

an der Hinterachse weglassen, wenn die dort verbauten<br />

Radnabenmotoren die Bremswirkung durch reine Rekuperation<br />

ausreichend stark gewährleisten. Dann kommen in 70<br />

Prozent aller Bremsfälle bis zu 80 Prozent der Bewegungsenergie<br />

elektrisch zurück in die Batterie. Der Fahrer spart<br />

so besonders bei dynamischer Fahrweise im Stadtbereich<br />

oder gebirgigem Gelände. Ein Fahrzeug mit diesem Konzept<br />

präsentierte die Siemens AG bereits auf der eCarTec 2012.<br />

Autos mit zwei Rädern, die Gepäck selber abholen – was<br />

kommt als nächstes?<br />

Manche Konzeptautos fahren mit nur zwei in Reihe oder auch<br />

parallel angeordneten Rädern. Bei letzterem entfiel sogar die<br />

Lenkungsachse mit Lenkgeometrie: Wenn das Auto Kurven<br />

fahren soll, geben die beiden Elektromotoren kurzerhand<br />

unterschiedliche Geschwindigkeiten auf die Räder. Damit<br />

das Fahrzeug ohne drittes oder viertes Rad nicht umkippt,<br />

haben die Hersteller eine Stabilitätsregelung eingebaut.<br />

Ob so das Fahrzeug der Zukunft aussieht, muss sich zeigen.<br />

Aber alle Konzepte sind sehr einfach bedienbar und dürften<br />

in Massenproduktion kostengünstig sein. Ein zusätzlicher<br />

Vorteil des Elektroantriebs: Jede einzelne Bewegung lässt sich<br />

von den elektromotorischen Systemen präzise ansteuern.<br />

So werden Einparken, Rangieren und andere Bewegungsabläufe<br />

einfacher, genauer, billiger. Was, wenn man die Koffer<br />

nicht zum Fahrzeug tragen müsste, sondern das Fahrzeug<br />

selbst das Gepäck und die Passagiere abholt? Ist es zu weit<br />

gedacht, wenn sich das Fahrzeug dann schon optimal auf<br />

die Bedürfnisse des Passagiers eingestellt hat – es spielt<br />

seine Lieblingsmusik, plant seine Route und zeigt ihm die<br />

Bedienungsoberfläche, die er mag?<br />

Mit all diesen neuen Funktionen und Softwarebausteinen<br />

steigt aber auch die Komplexität. Sie ist kaum noch zu bewältigen,<br />

wenn dann auch noch das Ziel autonomen Fahrens<br />

hinzukommt. Forschung und Industrie arbeiten daher an<br />

neuen Konzepten, um die elektronische Systemarchitektur<br />

zu zentralisieren. Sie vereinen dafür viele Funktionen auf<br />

einer elektronischen Integrationsplattform.<br />

Alle vorgeschlagenen Maßnahmen bieten verschiedensten<br />

technischen Innovationen eine Plattform und versprechen<br />

gewinnbringende Geschäftsmodelle. Bausteine für den Erfolg<br />

der Elektromobilität sind Ressourcenschonung, Komfort und<br />

Sicherheit sowie weniger Kosten. So wird die neu entdeckte<br />

Antriebsform gesellschaftlichen Entwicklungen wie Umweltbewusstsein,<br />

Urbanisierung und demografischem Wandel<br />

gerecht. Ein ganzheitlicher Ansatz wird aber erst durch die<br />

Kooperation von Partnern in neuen Geschäftskonstellationen<br />

möglich.<br />

PROF. DR. GERNOT SPIEGELBERG<br />

ist Leiter Elektromobilität bei Siemens Corporate Technology und<br />

Rudolf Diesel Senior Fellow an der TUM/IAS.<br />

HAUKE STÄHLE (Dipl.-Ing. Elektrotechnik)<br />

ist Doktorand auf dem Gebiet der Systemarchitektur am Lehrstuhl<br />

für Robotik und Eingebettete Systeme an der TUM.<br />

LJUBO MERCEP (M.Sc. Informatik)<br />

ist Doktorand auf dem Gebiet der Mensch-Maschine-Schnittstelle<br />

am Lehrstuhl für Robotik und Eingebettete Systeme an der TUM.<br />

CLAUDIA MEIS (Dipl.-Ing. Maschinenbau)<br />

ist Doktorandin auf dem Gebiet Antriebsstrangdesign / Energieoptimierung<br />

am Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik an der TUM.<br />

68 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| MOBILITÄT & LOGISTIK | SPECIAL<br />

Wann kommt die<br />

Stromer-Flotte?<br />

Ob Elektrofahrzeuge im Wirtschaftsverkehr ökonomisch sinn<strong>voll</strong> sind, untersucht<br />

das Projekt Get eReady. Fazit bisher: Bei häufiger und regelmäßiger Nutzung<br />

können sich Elektrofahrzeuge in Unternehmen heute schon rechnen.<br />

Von Patrick Plötz und Till Gnann<br />

Elektrofahrzeuge bieten langfristig große Potenziale, die<br />

lokalen und globalen Emissionen des Verkehrs deutlich zu<br />

senken. Der Strom für die zukünftige Elektrofahrzeugflotte<br />

muss dafür aus erneuerbaren Energien kommen. In der<br />

derzeitigen Markteinführungsphase von Elektrofahrzeugen<br />

stellt sich jedoch vor allem die Frage, ob dieser ökologische<br />

Antrieb auch wirtschaftlich sinn<strong>voll</strong> ist.<br />

Um die Kosten von Kauf und Betrieb von Fahrzeugen<br />

vergleichen zu können, betrachtet man meist die Gesamtnutzungskosten.<br />

Sie bilden die Summe der auf das Jahr<br />

umgerechneten Anfangsinvestitionen plus der jährlichen<br />

laufenden Kosten. Elektrofahrzeuge sind dabei teurer in der<br />

Anschaffung, aber günstiger im Betrieb als konventionelle<br />

Diesel- oder Benzinfahrzeuge. Daher können Elektrofahrzeuge<br />

bei intensiver Nutzung von mindestens 25.000 km<br />

Jahresfahrleistung die höheren Anschaffungsausgaben<br />

durch geringere laufende Kosten amortisieren und prinzipiell<br />

günsti ger sein als konventionelle Pkw.<br />

Im Wirtschaftsverkehr fahren Pkw im Mittel ca. 25.000<br />

km und damit mehr als im Privatverkehr (durchschnittlich<br />

ca. 14.000 km pro Jahr). Gewerbliche Autos sind daher als<br />

Erstmarkt besonders interessant – auch weil innerhalb einer<br />

Unternehmensflotte mit vielen Fahrzeugen weiterhin konventionelle<br />

Pkw für längere Fahrten zur Verfügung stehen.<br />

Das Projekt GET eReady im Schaufenster Baden-Württemberg<br />

(livinglab BWe mobil) untersucht derzeit die Wirtschaftlichkeit<br />

von Elektrofahrzeugen in Flotten. Erste Ergebnisse<br />

zeigen, dass bereits heute die Lücke zum wirtschaftlichen Einsatz<br />

von Elektrofahrzeugen nicht besonders groß ist und für<br />

einen Teil der Unternehmen unter 50 Euro pro Monat liegt.<br />

Diese Lücke lässt sich bereits mit einer geringen staatlichen<br />

Förderung auf die monatliche Leasingrate ausgleichen – wie<br />

innerhalb des Projektes Get eReady getestet. Gleichzeitig verringern<br />

die Unternehmen den Ausstoß von Treibhausgasen<br />

ihrer Fahrzeugflotte und werden mit dem Einsatz innovativer<br />

Elektrofahrzeuge attraktiver für neue Mitarbeiter.<br />

Aus einer ganzheitlichen Perspektive betrachtet ist ein eingespartes<br />

Fahrzeug stets günstiger und<br />

umweltfreundlicher als jedes noch so<br />

effiziente Elektrofahrzeug. Daher wird<br />

im weiteren Verlauf des Projektes und<br />

für die zukünftige Bewertung von<br />

Fahrzeugflotten auch die Einsparung<br />

ganzer Fahrzeuge sowie die Optimierung<br />

der Fahrzeugnutzung innerhalb<br />

der Flotte wichtig sein und untersucht<br />

werden.<br />

PATRICK PLÖTZ<br />

ist Senior Scientist am Fraunhofer ISI und<br />

beschäftigt sich hauptsächlich mit Energieeffizienz<br />

und Elektromobilität.<br />

TILL GNANN<br />

arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

am Fraunhofer ISI mit dem Schwerpunkt<br />

Elektromobilität.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

69


SPECIAL | MOBILITÄT & LOGISTIK |<br />

Damit fahren Sie gut<br />

Eine Checkliste für Entscheidungen im Alltag<br />

Mitfahren<br />

Warum selbst ans Steuer setzen, wenn man sich woanders nur<br />

reinzusetzen braucht? Diese Plattformen vermitteln kostenlos:<br />

www.fahrtfinder.net (Meta-Seite, die Angebote von acht Mitfahr-<br />

Plattformen durchsucht)<br />

www.fahrgemeinschaft.de www.flinc.de<br />

www.blablacar.de<br />

www.mitfahr-monster.de<br />

www.mitfahren.de<br />

„Social Transport“ – Mitfahrgelegenheiten für Päckchen<br />

Bei diesen Portalen kann man sein Päckchen günstig auf die Reise<br />

schicken – oder mit dem Auto die Päckchen anderer User mitnehmen<br />

und eine kleine Prämie verdienen:<br />

www.carpoolcargo.com/cpc www.sharedload.com<br />

www.bring-buddy.com bzw. www.mitpackgelegenheit.de<br />

für Österreich: www.checkrobin.com<br />

Kompensationsanbieter für CO 2<br />

-Emissionen<br />

Achten Sie bei Ausgleichsprojekten durch Erneuerbare Energien<br />

und Aufforstung auf den Gold-Standard!<br />

Arktik<br />

Atmosfair<br />

www.arktik.de<br />

www.atmosfair.de<br />

ClimatePartner<br />

goClimate<br />

www.climatepartner.com www.goclimate.de<br />

KlimaKollekte<br />

myclimate<br />

www.klima-kollekte.de www.myclimate.org<br />

nserve<br />

The Compensators<br />

www.nserve.net<br />

www.thecompensators.org<br />

Carsharing<br />

Zu den bekanntesten in Deutschland zählen:<br />

www.citeecar.com<br />

www.teilauto.net<br />

www.flinkster.de<br />

www.drive-now.com<br />

www.drive-carsharing.com www.stadtmobil.de<br />

Teilen von Privatautos: www.carzapp.net<br />

Jetzt auch in Österreich:<br />

www.carsharing247.com<br />

Grüne Fuhrpark-Beratung<br />

Wie „wirtschaftlich“ und „klimafreundlich“ in der Firmenflotte<br />

zusammenpassen und worauf man bei Fahrzeugauswahl, Spritspartrainings<br />

und Routenplanung achten muss, beschreibt project<br />

climate-Geschäftsführer Felix von Zwehl in seinem Artikel auf www.<br />

<strong>forum</strong>-csr.net. Er berät Unternehmen, damit sie Kosten sparen und<br />

ihre Flotte effizienter wird. B.A.U.M.-Mitglieder erhalten bei project<br />

climate Vergünstigungen auf die Fuhrpark-Beratung.<br />

www.project-climate.de<br />

Soziales Netzwerk für Mobilität<br />

Mit einer neuen App können Nutzer ihre geplanten Wege mit öffentlichen<br />

Verkehrsmitteln, dem eigenen Auto, auf<br />

dem Rad oder zu Fuß durch die Stadt miteinander<br />

teilen. Die Idee dazu hatte ein Schüler-Team namens<br />

„CO2Idee“ aus Turin, Italien, das den erstmals<br />

ausgerichteten Wettbewerb „e-gomotion<br />

Challenge“ für nachhaltige Mobilität gewonnen hat. Im Frühling<br />

<strong>2014</strong> geht das erste soziale Netzwerk für Mobilität an verschiedenen<br />

euro päischen Schulen in die Testphase.<br />

www.e-gomotion.eu<br />

Die effizientesten Airlines<br />

Je nach Fluglänge, Umstiegen und Auslastung sind<br />

Airlines verschieden effizient. Die besten hat der<br />

mehrfach ausgezeichnete Kompensationsanbieter<br />

atmosfair in seinem Airline Index 2012 zusammengestellt.<br />

TUIFly, United Airlines und Emirates<br />

schneiden verhältnismäßig gut ab.<br />

www.atmosfair.de<br />

Leitfäden für Logistiker und Spediteure<br />

Der Deutsche Speditions- und Logistikverband e.V.<br />

(DSLV) bietet einen Leitfaden zur „Berechnung von<br />

Treibhausgasemissionen in Spedition und Logistik“.<br />

www.dslv.org<br />

Auf der Seite des Umweltbundesamts sind die Forschungsergebnisse<br />

des Projekts „Carbon Footprint<br />

– Teilgutachten. Monitoring für den CO 2<br />

-Ausstoß in<br />

der Logistikkette“ als Download verfügbar.<br />

www.uba.de<br />

Im VCD-Leitfaden „Effizienter Fuhrpark - kostengünstig,<br />

umweltschonend, zukunftssicher“ finden<br />

sich zahlreiche Tipps vom Autokauf bis zu Effizienzmaßnahmen<br />

und Alternativen wie Carsharing für<br />

Betriebe.<br />

www.vcd.org/leitfaden_effizienter_fuhrpark.html<br />

Medien und Informationsportale<br />

Portal rund um die Nutzfahrzeugbranche<br />

www.eurotransport.de<br />

Portal rund um Geschäftswagen, Flottenmanagement, Ecofleet:<br />

www.firmenauto.de/ecofleet-472144.html<br />

Umfangreicher Blog, u.a. zu nachhaltiger Verkehrspolitik, Elektromobilität<br />

und Hochgeschwindigkeitszügen von Martin Randelhoff<br />

www.zukunft-mobilitaet.net<br />

Portal rund um die grüne Flotte (englisch)<br />

www.greenfleetmagazine.com<br />

Events<br />

6. E-Motive Experten<strong>forum</strong> Elektrische Fahrzeugantriebe<br />

Wolfsburg<br />

15. bis 16. Mai <strong>2014</strong><br />

www.fva-net.de/veranstaltungen/e-motive/<br />

65. IAA Nutzfahrzeuge<br />

Hannover<br />

25. September bis 2. Oktober <strong>2014</strong><br />

www.iaa.de<br />

6. eCarTec<br />

München<br />

Leitmesse für Elektro- & Hybrid-Mobilität<br />

21. bis 23.Oktober <strong>2014</strong><br />

www.ecartec.de<br />

70 Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. <strong>forum</strong> Ein Produkt <strong>Nachhaltig</strong> der Steinbeis <strong>Wirtschaften</strong><br />

Papier GmbH.


Editorial / Inhalt<br />

Menschen im Wandel<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

»Wir darf nicht sterben.« Die Worte von Fritz Lietsch ließen an<br />

Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Als Chefredakteur und<br />

Herausgeber von »<strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>« wollte er<br />

nicht tatenlos mitansehen, dass unser im Sommer 2011 gegründetes<br />

Magazin »Wir – Menschen im Wandel« sang- und klanglos<br />

von der Bildfläche verschwinden würde. Also schlug er uns<br />

vor, künftig zusammenzuarbeiten: Die Redaktion von »Wir«<br />

könne im »<strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>« eine Seitenstrecke<br />

gestalten und auf diese Weise etwas von ihrem publizistischen<br />

Anliegen in diese Zeitschrift einfließen lassen. Die Idee elektrisierte<br />

uns, und wir schlugen ein: Die Zusammenarbeit von<br />

»Wir« und »<strong>forum</strong>« war geboren. Auf den folgenden Seiten<br />

stellen wir Ihnen die erste Frucht dieser Kooperation vor.<br />

Uns Blattmachern von »Wir« war immer daran gelegen, visionären<br />

Ideen und Menschen eine Plattform zu schaffen. Hinter<br />

jeder guten Idee und hinter jedem guten Projekt steckt ein<br />

Mensch, ist unsere Überzeugung; und deshalb haben wir uns<br />

in immer darauf konzentriert, Change-Maker – Menschen<br />

im Wandel – vorzustellen, von denen wir glauben, dass ihre<br />

Arbeit unseren Leserinnen und Lesern eine Quelle der Inspi-<br />

ration sein könne. Dieses Erbe wollen wir fortan ins »<strong>forum</strong>«<br />

einfließen lassen. Den Auftakt macht in dieser Ausgabe ein<br />

Porträt des Agrar-Pioniers Sepp Holzer, der mit seiner autodidaktisch<br />

entwickelten Holzer’schen Permakultur eine<br />

visionäre Methode des Landbaus entwickelt hat, die <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />

und Effizienz auf eindrucks<strong>voll</strong>e Weise verbindet.<br />

Außerdem stellen wir Ihnen in einem Interview den Wir-<br />

Gründer und –Verantwortlichen Christoph Quarch vor; um Sie<br />

auch hier mit dem Menschen hinter der Idee bekannt zu machen.<br />

Des weiteren erinnern wir an die Finanzexpertin Margrit<br />

Kennedy, eine große Unterstützerin unseres Projektes, die<br />

Ende 2013 überraschend verstorben ist.<br />

Wir freuen uns sehr, im »<strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>«<br />

eine neue Heimat gefunden zu haben. Unser Dank gilt allem<br />

voran Fritz Lietsch, dessen spontanem Entgegenkommen<br />

sich dieses vielversprechende publizistische Projekt verdankt.<br />

Und wir hoffen, dass die folgenden Seiten Ihr Interesse finden.<br />

Viel Spaß bei der Lektüre wünschen<br />

Christoph Quarch, Sven Nieder und Björn Pollmeyer<br />

Inhalt<br />

72 Der Agrarpionier<br />

Er erntet Zitrusfrüchte in über 1000<br />

Metern Höhe und verwandelt Brachland<br />

zu blühenden Landschaften.<br />

Sepp Holzer hat schon als Bub die<br />

Natur beobachtet und auf dieser<br />

Grundlage eine innovative Form der<br />

Permakultur entwickelt, die den<br />

Landbau revolutionieren könnte.<br />

80 Der Andersdenker<br />

Sein Anliegen ist es, Menschen auf<br />

andere Gedanken zu bringen und zu<br />

inspirieren. Der Philosoph und Wir-<br />

Gründer Christoph Quarch wirbt in seinen<br />

Arbeiten für ein neues Denken in<br />

Unternehmen und Gesellschaft.<br />

84 Die Geldreformerin<br />

Als Vorkämpferin für ein neues Finanzsystem<br />

hat Margrit Kennedy viele<br />

Menschen begeistert. Ende 2013 ist sie<br />

an einer Krebskrankheit verstorben.<br />

Wir gedenken einer visionären Frau<br />

und Freundin.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

71


Visionär<br />

72<br />

<strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


Visionär<br />

Die Natur<br />

lehrt<br />

dich alles<br />

Weil er unermüdlich gegen die Machenschaften<br />

der Agrarindustrie und unsinnige<br />

EU-Richtlinien kämpft, hat man<br />

ihn einen »Agrar-Rebellen« genannt. Dabei<br />

ist der österreichische Bergbauer<br />

Sepp Holzer ein zutiefst feinfühliger<br />

Mensch, der nichts lieber tut, als der<br />

Natur zu lauschen. Dieser Leidenschaft<br />

verdankt er tiefe Einsichten in die<br />

Grundprinzipien des Lebens, die er in<br />

der von ihm entwickelten Holzer’schen<br />

Permakultur zu einer zukunftsweisenden<br />

Agro-Ökologie verbunden hat.<br />

Text: Christoph Quarch | Fotos: www.seppholzer.at<br />

Irgendwie schien der Mann fehl am Platze. In seiner Trachtenjacke<br />

und seinen groben Schuhen fügte er sich schlecht<br />

in das Bild all der jungen und eleganten Menschen, die sich<br />

zum Eröffnungsdinner des Kongresses in Füssen fein gemacht<br />

hatten. Er stand mit seiner Frau etwas abseits und<br />

musterte mit leicht verkniffenen Augen das bunte Treiben.<br />

Ein komischer Kauz, dachte ich und konnte meine Augen<br />

doch nicht von ihm lassen. Zuletzt sprach ich ihn an – und<br />

erschrak fast ob der donnernden Antwort: »Wos i hier soll,<br />

weuß i oach net« oder so ähnlich kam es daher; und es dauerte<br />

eine Weile, bis ich herausfand, dass es sich bei diesem<br />

kernigen Mannsbild um einen der Referenten handelte; und<br />

dass er am nächsten Morgen über sein Sternchenthema reden<br />

würde: die Vision einer naturgemäßen Landwirtschaft<br />

namens Permakultur.<br />

So lernte ich vor knapp zehn Jahren Sepp Holzer kennen –<br />

ihn, den sie den »Agrar-Rebellen« nennen, weil er sich mit<br />

zahlreichen Bürokraten und Technokraten angelegt hat; ihn,<br />

der nie ein Blatt vor den Mund genommen hat und keinem<br />

Hindernis ausgewichen ist, wenn es darum ging, seiner Vision<br />

einer anderen Landwirtschaft zu folgen – einer besseren<br />

Landwirtschaft, die mit der Natur arbeitet, statt sie auszubeuten;<br />

die dem Leben dient und nicht dem Profit.<br />

Ein Energiebündel<br />

Nun sitzen wir uns wieder gegenüber. Inzwischen ist er älter<br />

geworden, aber von seinem Elan ist nichts verloren gegangen.<br />

Er sprüht vor Energie und Tatkraft; so sehr, dass ich<br />

unwillkürlich ein Stück von ihm wegrücke – aus Sorge, von<br />

einem Funken versengt zu werden, der dem feurigen Geist<br />

dieses Mannes entspringt. Einen neuen Hof hat er unlängst<br />

bezogen, dessen neun Hektar er nun nach seinen Vorstellungen<br />

bewirtschaftet. Terrassen und kleine Teiche hat er<br />

angelegt, neue Mischkulturen gepflanzt und eingesät: all<br />

das, was er in den vergangenen Jahrzehnten gelernt, studiert,<br />

erprobt und unter dem Label »Holzer‘sche Permakultur«<br />

in vielen Ländern der Welt erfolgreich zur Anwendung<br />

gebracht hat.<br />

So auch auf seinem neuen Holzerhof im südlichen Burgenland.<br />

Nachdem dort das gemeinsam mit der früheren<br />

Eignerin begonnene Projekt eines Erlebnisbauernhofes<br />

gescheitert war, hat Holzer im März 2013 mit seiner Frau<br />

Veronika den Hof bezogen und genießt nun die etwas milderen<br />

Temperaturen als auf dem heimischen Krameterhof<br />

im Lungau, wo die Jahresdurchschnittstemperatur bei gerade<br />

mal 4,5 Grad liegt. Vor fünf Jahren schon hat Holzer<br />

den väterlichen Hof seinem Sohn Andreas übergeben und<br />

dem Ort seiner Kindheit den Rücken gekehrt. Das ist ihm<br />

nicht leicht gefallen, denn dort oben in den Bergen hat er<br />

seine Ausbildung erhalten. Dort ging er zur Schule – in seine<br />

Schule, die ihn alles lehrte und die er heute noch gerne<br />

»meine Universität« nennt: die Natur. »Wenn man sich die<br />

Zeit nimmt, die Natur zu beobachten«, verrät er in vertraulichem<br />

Ton, »dann bekommt man von ihr auf alle Fragen<br />

eine Antwort«.<br />

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73


Visionär<br />

Sepp Holzer ///////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////<br />

ist von Geburt an in der Natur zuhause. Das Licht der Welt erblickte er im Sommer 1942 auf dem 1300 Meter über dem Meeresspiegel<br />

gelegenen Krameterhof seiner Eltern, weit oberhalb der Ortschaft Ramingstein im Lungau (bei Salzburg). Er war<br />

der jüngste von drei Söhnen und musste schon als Bub kräftig mit anfassen, denn seine Eltern waren konservativ und verwahrten<br />

sich gegen technische Innovationen. Erreichbar war der elterliche Hof nur über einen unbefestigten Weg, über den<br />

der junge Sepp allmorgendlich zwei Stunden hinab ins Tal zur Schule steigen musste – und nachmittags wiederum zwei<br />

Stunden zurück zum Hof. Doch blieb ihm genügend Zeit, seine ersten Keim- und Pflanzexperimente durchzuführen, die ihm<br />

frühe Einblicke in die ökologischen Zusammenhänge der Natur offenbarten. Nach der Volksschule besuchte er die landwirtschaftliche<br />

Fortbildungsschule und machte die Obstbaumwärter Ausbildung. 1962 übernahm er den elterlichen Hof und<br />

machte sich bald daran, die althergebrachten Bewirtschaftungsmethoden umzustellen. Sein Schulwissen half ihm dabei<br />

wenig, wohl aber seine Kindheitserfahrungen, die er nun systematisch anwandte und zu seiner später von ihm so bezeichneten<br />

Holzer’schen Permakultur fortentwickelte. Darin verbindet er innovative Ideen mit alten Methoden, wie Terrassenbau,<br />

Hügel- und Hochbeeten, dem Halten gefährdeter Nutztierrassen und dem Schutz bedrohter Alpen- und Kulturpflanzen. Die<br />

Erfolge waren beachtlich und wurden von Holzer in zahlreichen Publikationen festgehalten. 2009 übergab er den nunmehr<br />

zu einem viel besuchten Naturparadies gewordenen Krameterhof an seinen Sohn Andreas und wohnt seit 2013 in dem von<br />

ihm neu bewirtschafteten Holzerhof im Südburgenland, wo er auch Seminare und Lehrgänge anbietet. Dieser Umzug war<br />

mit einigen Turbulenzen begleitet, da die frühere Eigentümerin des Hofes Gertrud Barradas ein Gerichtsverfahren gegen<br />

Holzer anstrengte, das jedoch durch eine außergerichtliche Einigung zum Erliegen kam. Die Vorwürfe von Frau Barradas bezogen<br />

sich auf das ursprünglich von ihr mit Holzer gemeinsam verfolgte Projekt eines »Naturerlebnis-Kinderbauernlandes«,<br />

für dessen Scheitern sie Holzer verantwortlich macht. www.seppholzer.at<br />

///////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////<br />

»Ich hab genau hingeschaut«<br />

Und dann erzählt er: »Als Kind war ich oft allein weit oben<br />

in den Bergen. Da musste ich mir meine Beschäftigung selber<br />

suchen. Und da habe ich dann angefangen, zwischen den<br />

Steinen und den Felsen etwas auszusäen – einfach so, aufs<br />

Geratewohl.« Fünf Jahre war er damals alt, aber die Neugier,<br />

die ihn bis heute nicht verlassen hat, war schon in ihm rege.<br />

Ganz wie sein Ehrgeiz: »Oh ja, ich wollte Erfolg mit meinen<br />

kleinen Experimenten haben«, erinnert er sich, »und ich hab<br />

sehr genau hingeschaut. Du siehst ja jeden Fehler, den du<br />

machst: ob etwas wächst, oder nicht. Wächst es nicht, versuchst<br />

du etwas zu ändern. So kommt eines zum anderen.«<br />

Auf diese Weise entdeckte Sepp Holzer die Prinzipien einer<br />

Anbauweise, die – wie er sagt – »auf einem Denken in Zusammenhängen<br />

und Wechselwirkungen beruht«: auf einem<br />

naturgemäßen Denken, dessen wichtigsten Aspekt er klar<br />

benennt: »Lerne, mit der Natur zu reden, lerne sie richtig einzuschätzen.«<br />

Denn: »Wer lernt zu beobachten, wird Nischen<br />

in der Produktion und in jedem Bereich der Landwirtschaft<br />

finden, die es ermöglichen, davon zu leben!«<br />

Als der junge Sepp mit 19 Jahren damit begann, getreu diesen<br />

Maximen den elterlichen Hof umzukrempeln, hatte er<br />

freilich keine Ahnung davon, dass am anderen Ende der Welt<br />

ein australischer Ökologe namens Bill Mollison ähnliche Erfahrungen<br />

machte und diese seit Ende der 1970er Jahre unter<br />

der Überschrift Permakultur bekannt machte. Dieses Wort<br />

hörte Sepp Holzer erst später, als junge Wissenschaftler<br />

aus Wien seinen Hof begutachteten, um zu verstehen, was<br />

dieser Sonderling unter den Bergbauern eigentlich anstellt.<br />

Denn längst war der Ruf Sepp Holzers ins Flachland vorgedrungen,<br />

gab es doch Wunderbares vom Krameterhof zu berichten:<br />

von Südfrüchten, die dort oben im »österreichischen<br />

Sibirien« gediehen, von blühenden Obstbäumen auf über<br />

1100 Meter Höhe, von üppigen Terrassenkulturen <strong>voll</strong>er Beeren,<br />

Gemüse, Heilkräuter, Getreide und Blumen, von kleinen<br />

Teichen, die dazwischen im Sonnenlicht schimmern und in<br />

denen Fische, Krebse und Wasserpflanzen kultiviert werden;<br />

kurz: von einem allen Bewirtschaftungsplänen und landwirtschaftlichen<br />

Doktrinen spottenden Paradies, das nicht zufällig<br />

im Rahmen der EXPO 2000 in Hannover als vorbildliches<br />

Exponat vorgestellt wurde.<br />

Fühlen, riechen, spüren<br />

Mit Hexerei hat das alles nichts zu tun, wohl aber mit Achtsamkeit<br />

und Intuition. »Du spürst es«, antwortet Sepp Holzer<br />

lapidar auf meine Frage, wie es ihm gelungen ist, die Prinzipien<br />

der Permakultur auch ohne Lehrbuch oder Studium der<br />

Agrarwissenschaft zu entdecken und anzuwenden. »Fühlen,<br />

riechen, spüren: darauf kommt es an«, sagt er, denn »wenn<br />

du von der Natur lernen willst, musst du dich ihr mit dem<br />

ganzen Körper zuwenden; dann enthüllt sie dir etwas, dann<br />

fällt dir etwas ein, dann probierst du etwas Neues aus, worauf<br />

du sonst nicht gekommen wärst«.<br />

So redet einer, der einen vertraulichen Umgang mit der Welt<br />

pflegt – der sich der Natur hingibt und ihr ausliefert, der die<br />

Kunst der Konversation mit Pflanzen und Steinen, mit Tieren<br />

und Bächen beherrscht. Ist das sein Geheimnis? »Du musst<br />

dich in dein Gegenüber hineinversetzen«, antwortet er,<br />

74 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong> im <strong>forum</strong>


Visionär<br />

»musst spüren, was ein Kraut, ein Strauch oder auch ein ganzer<br />

Garten braucht, damit er im Gleichgewicht ist. Die Natur<br />

will immer Balance, das ist ihr Wesen.«<br />

Ich bitte ihn um ein Beispiel, und schon sprudelt es aus ihm<br />

hervor: »Nimm nur das Wasser«, sagt er, »du musst lernen,<br />

mit dem Wasser hauszuhalten. Das ist das Wichtigste. Zu<br />

viel ist nicht gut, zu<br />

wenig ist auch nicht<br />

»Die Natur will<br />

immer Balance,<br />

das ist ihr Wesen.«<br />

gut. Du brauchst einen<br />

ausgewogenen<br />

Feuchtigkeitshaushalt,<br />

und den bekommst du durch einen entsprechenden<br />

Bewuchs, durch angemessene Humusbildung, Beschattung,<br />

Bewässerung.« Ganz klar: Der richtige Umgang mit Wasser<br />

ist für ihn der Schlüssel zum Erfolg. »Wenn du das Wasser<br />

verstehst und intelligent mit ihm umgehst, gedeiht alles besser.<br />

Und wenn alles besser gedeiht, hast du weniger Arbeit!«<br />

Auf das Umfeld komme es an: darauf, alles so zu arrangieren,<br />

dass es einander unterstützt und stärkt, ohne dabei Abhängigkeiten<br />

zu erzeugen. »Ich versuche, die Pflanzen selbständig<br />

zu machen«, sagt er. »Es soll alles selbständig sein – und<br />

zwar so, dass es dem Ganzen zugute kommt.«<br />

Eins greift ins andere<br />

Unwillkürlich kommt mir da eine Assoziation in den Sinn: »Das<br />

ist ja wie in einem Unternehmen«, erwidere ich, »bei dem der<br />

Chef sein Team so organisiert, dass jeder den anderen unterstützt<br />

und der Laden mehr oder weniger von alleine läuft.« Das<br />

Bild gefällt ihm. »Ja, so ist es«, sagt er und erklärt: »Permakultur<br />

heißt: Eines greift ins andere, eines hilft dem anderen, ein<br />

lebendiges Netzwerk, bei dem alles mit allem verbunden ist.«<br />

Genau wie eine Führungskraft müsse sich deshalb auch der<br />

Landwirt im Klaren darüber sein, dass es absolut kontraproduktiv<br />

ist, ein lebendiges System dauernd mit Energie von<br />

außen zu versorgen: »Wenn ich zusätzlich Nährstoffe gebe<br />

und meine Pflanzen dünge, läuft alles aus dem Ruder«, erklärt<br />

er. »Dann mache ich sie süchtig und von mir abhängig.<br />

Dann verlieren sie ihre Widerstandskraft. Genau das ist verkehrt.<br />

Sie müssen selbständig sein.« Erstaunlich, denke ich<br />

mir: Auch hier können Unternehmer einiges von der Permakultur<br />

lernen: nämlich dass es eine funktionierende, Selbständigkeit<br />

und Kooperation fördernde Unternehmenskultur<br />

braucht, wenn reiche Erträge erzielt werden sollen.<br />

Aber das ist noch nicht alles. Sepp Holzer kommt jetzt in<br />

Schwung: »Damit meine Pflanzen selbständig sind, muss ich<br />

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Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. Ein Produkt der Steinbeis Papier GmbH.<br />

75


Visionär<br />

dafür sorgen, dass sie sich wohlfühlen«, fährt er fort. Wie das<br />

geht? Ganz einfach: durch Empathie. »Wenn dir den ganzen<br />

Tag die Sonne auf den Pelz brennt, geht es dir nicht gut. Warum<br />

sollte es da einer Pflanze anders gehen? Die leidet genauso,<br />

das kannst du spüren. Dafür musst du kein Hellseher<br />

sein. Du musst nur hinschauen und dich in die Pflanze hineinversetzen,<br />

musst dir sagen: Ich bin dieser Klee, ich bin diese<br />

Sonnenblume. Und dich fragen: Wie würde es mir an ihrer<br />

Stelle gehen? Oder: Was würde mir jetzt gut tun?«<br />

Immer gibt es etwas Neues<br />

Einfühlungsvermögen, ein Sich-hinein-Denken in die Situation<br />

anderer Wesen: Das ist es, was in Sepp Holzers Augen<br />

die wichtigsten Tugenden des <strong>Wirtschaften</strong>s sind. Und der<br />

Garant für dessen Erfolg. Aber es scheint auch etwas zu sein,<br />

das weitgehend verloren gegangen ist. Wer bringt heute<br />

noch die Bereitschaft auf, sich in die Natur einzufühlen, sie<br />

als Partner ernst zu nehmen. »Haben wir uns nicht vielmehr<br />

die Sichtweise eines René Descartes zu eigen gemacht, der<br />

schon im 17. Jahrhundert die Forderung erhob, der Mensch<br />

solle Herr und Meister der Natur sein?«, frage ich ihn, doch<br />

noch bevor mein Satz zu Ende ist, braust mein Gegenüber<br />

auf: »Also, das weise ich entschieden zurück! Wenn ich sowas<br />

höre, dann packt’s mich. Was für eine Dummheit!«<br />

Jetzt blitzt ein heiliger Zorn in seinen Augen und ich verstehe,<br />

warum sich manche vor ihm fürchten. Ja, es spricht eine<br />

macht<strong>voll</strong>e Stimme aus ihm: »Die Natur ist perfekt«, sagt<br />

sie, »der Mensch soll auf die Natur hören, nicht umgekehrt!<br />

In tausend Jahren kann der Mensch nicht auslernen. So viel<br />

hält die Natur für ihn bereit. Immer gibt es etwas Neues. Das<br />

aufgeschlagene Buch der Natur ist unerschöpflich.«<br />

Mein bescheidener Versuch, auf die Errungenschaften der<br />

neuzeitlichen Technik zu verweisen, geht ins Leere. »Der<br />

Mensch, der sich von<br />

der Natur abwendet<br />

und glaubt, gescheiter<br />

zu sein als sie,<br />

betrügt sich selbst«,<br />

»Der Mensch soll auf<br />

die Natur hören,<br />

nicht umgekehrt!«<br />

hält er mir entgegen: »Die Natur besteht seit Jahrmillionen.<br />

Sie ist so gigantisch, dass ein menschliches Hirn sie gar nicht<br />

fassen kann. Alles, was der Mensch tun kann, ist die Natur<br />

wahrnehmen; um ihr zu entsprechen und gerade nicht um sie<br />

zu beherrschen oder gar zu bekämpfen.«<br />

Dafür aber sei ein gründliches Umdenken nötig. Von der Geburt<br />

an, meint er, müsse man die Kinder zu einem respekt<strong>voll</strong>en<br />

und achtsamen Umgang mit der Natur erziehen. Auf<br />

die Errungenschaften der Pädagogik gibt er dabei freilich<br />

wenig: »Wenn ich an unser Schulsystem denk’, da stellt‘s<br />

76 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong> im <strong>forum</strong>


Visionär<br />

mir die Haar auf«, stöhnt er und erzählt davon, wie glücklich<br />

seine Ausbildungsteilnehmer sind, wenn sie bei ihm endlich<br />

einmal die Erde riechen und Pflanzen fühlen dürfen. »Erwachsene<br />

Leut’, die noch nie ihre Hände im Humus hatten!«<br />

So etwas den Kindern vorzuenthalten, ist in seinen Augen<br />

ein Skandal. »Kinder müssen mit der Natur erzogen werden,<br />

nicht von ihr weg.«<br />

Dickschädel von großem Format<br />

Und Erwachsene ebenso. Das ist wohl der Grund dafür, dass<br />

Sepp Holzer seit einigen Jahren viel Zeit und Energie darauf<br />

verwendet, sein Wissen in Ausbildungsgruppen weiterzugeben.<br />

Der Andrang ist groß und schon längst kommen die<br />

Teilnehmer aus aller Herren Länder. Kein Wunder, denn Sepp<br />

Holzer hat seine Aktivitäten über die Jahre immer weiter<br />

ausgedehnt. Spanien, Russland, Portugal, Kolumbien, Ecuador,<br />

Thailand, Kenia – kaum eine Region, in der er nicht mit<br />

Hilfe der Holzer‘schen Permakultur das scheinbar Unmögliche<br />

möglich gemacht hätte: verstepptes Land rekultivieren,<br />

Trockengebiete neu beleben, verbrannte Erde in Ackerland<br />

verwandeln.<br />

Doch so erfolgreich er ist, so viel Gegenwind bläst ihm auch<br />

entgegen. Schon als er auf dem Krameterhof seine Obstbäume<br />

pflanzte, stand die Obrigkeit bei ihm auf der Matte, um<br />

seinen unkonventionellen Bewirtschaftungsmethoden den<br />

Garaus zu bereiten: Obstplantagen statt der vorgeschriebenen<br />

Fichten-Monokulturen? Nein, so etwas geht doch<br />

nicht. – Es ging doch. »Zivilcourage und nicht Lemmingverhalten<br />

ist notwendig, um sich gegen diesen praxisfremden,<br />

aufgeblähten Verwaltungsapparat zur Wehr zu setzen«,<br />

schrieb er später in einem Offenen Brief, den man auf seiner<br />

Internetseite nachlesen kann. Für ihn die Lektion aus<br />

zahlreichen Rechtsstreitigkeiten, die ihm den Ruf einbrachten,<br />

ein »Dickschädel und Querdenker von großem Format«<br />

(Bernd Lötsch) zu sein.<br />

Verbrechen der Agrarindustrie<br />

Diese Qualitäten scheinen wohl auch nötig zu sein, wenn<br />

man sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts erkühnt, den guten,<br />

alten Stand des Landwirts gegen die Übermacht einer aggressiven<br />

globalen Agrarindustrie zu verteidigen. »Die Verschmutzung<br />

der Luft, die Verseuchung des Wassers und der<br />

Erde durch Einsatz von Chemie und Kunstdünger in der Monokulturlandwirtschaft<br />

beraubt uns einer gesunden Lebensgrundlage«,<br />

klagt er in seinem Offenen Brief. Und ich spüre<br />

förmlich den Ekel, der den alten Bergbauern übermannt, sobald<br />

er auf Massentierhaltung und Schlachthöfe zu sprechen<br />

kommt. »Sehen’s, das sind Menschen, die sich verirrt haben«,<br />

seufzt er, »Menschen, die nicht mit der Natur groß geworden<br />

sind und nun mit ihrer Gentechnik Herrgott spielen.« Ein Verbrechen<br />

sei das. Geldgier und nichts anderes. »Das wird uns<br />

noch schwer zu schaffen machen.«<br />

Vor allem die Kurzsichtigkeit der Agrarindustrie bringt Sepp<br />

Holzer auf die Palme. »Früher pflanzte man einen Baum<br />

für die Urenkel. Das war eine Investition auf lange Zeit. Du<br />

schautest zu und hattest deine Freude daran, wie der Baum<br />

langsam wächst. Du freutest dich, wenn deine Kinder die<br />

Früchte des Baums ernten konnten. Und wenn deine Zeit<br />

’rum war, wusstest<br />

du, dass deine<br />

»Jeder hat Erfolg,<br />

wenn er die Natur<br />

und die Zeit<br />

für sich arbeiten lässt.«<br />

Nachkommen von<br />

deiner Investition<br />

würden leben können.<br />

»Jeder«, sagt er<br />

mit seiner unvergleichlich festen Stimme, »jeder hat Erfolg,<br />

wenn er die Natur und die Zeit für sich arbeiten lässt. Alles<br />

andere ist Selbstbetrug, Raubbau und Diebstahl an unseren<br />

Nachkommen.«<br />

Von der Politik erwartet er keine Rettung für die Bauern. Im<br />

Gegenteil: »Alte und seit Jahrhunderten bewährte Veredelungs-<br />

und Verarbeitungsmethoden werden per EU-Verordnung<br />

verhindert bzw. verboten«, klagt er. »Zentrale, riesige<br />

Verarbeitungsstätten wie Schlachthöfe, Großbäckereien,<br />

Brennereien, Molkereien und Käsereien usw. werden mit der<br />

Verarbeitung beauftragt und hoch gefördert. Damit diese jedoch<br />

ausgelastet sind, hat man den Bauern die Möglichkeiten<br />

der Selbstverarbeitung und Veredlung ihrer eigenen Produkte<br />

erschwert bzw. entzogen. … Der Bauer als Sklave auf seinem<br />

eigenen Hof, meist hoch verschuldet durch die Übermechanisierung<br />

und Spezialisierung, abgerackert, bevormundet und<br />

von all den administrativen Aufgaben und Schikanen unseres<br />

aufgeblähten Verwaltungsapparates überfordert, fristet er<br />

sein Leben in der totalen Abhängigkeit.«<br />

Die große Natur sorgt für uns<br />

Dass es auch anders geht, hat Sepp Holzer in den über 50<br />

Jahren seines aktiven Lebens als Landwirt eindrucks<strong>voll</strong> bewiesen.<br />

Dafür, dass es anders werden muss, kämpft er ohne<br />

Unterlass. Und ohne Angst. Die hat er längst verloren. Schon<br />

damals, als der kleine Bub droben in den Bergen im Gras lag<br />

und den Grillen lauschte. Da lernte er, dass die große Natur<br />

für ihn sorgt. Und nicht nur für ihn.<br />

Ob ich das auch lernen könne, möchte ich wissen. Er hält<br />

kurz inne. Und als ob eine Erinnerung ihn von innen erhellte,<br />

leuchten seine Augen, da er spricht: »Red‘ doch mal mit<br />

einem Baum! Da musst dich nicht schämen. Da umarmst du<br />

ihn und erzählst ihm deine Sorgen. Da wirst du feststellen,<br />

dass es dir leicht ums Herz wird. Dann lernst du der Natur<br />

vertrauen.« //<br />

buchtipp //////////////////////<br />

Sepp Holzer: Wüste oder Paradies:<br />

Holzer’sche Permakultur jetzt!<br />

Von der Renaturierung bedrohter<br />

Landschaften über Aqua-Kultur<br />

und Biotop-Aufbau bis zum Urban<br />

Gardening, Stocker Verlag, 207 Seiten,<br />

21,90 €; auch als DVD, 19,90 €.<br />

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77


Unter uns<br />

Projekte für den Wandel<br />

///////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////<br />

Die WIR-Community wächst und immer mehr Aktivitäten tragen den Geist des WIR in die Welt. In der Rubrik<br />

»Unter uns« stellen wir Ihnen Menschen und Projekte vor, die sich zu Vorreitern des Wandels machen.<br />

///////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////<br />

Goethe goes business<br />

Die Management Akademie Weimar<br />

will Menschen in Verantwortung<br />

neue Horizonte öffnen<br />

»Schärfe des Verstandes, bewegliche,<br />

sehnsuchts<strong>voll</strong>e Phantasie, liebe<strong>voll</strong>e<br />

Freude am Sinnlichen, nichts kann entbehrt<br />

werden …«, sagte einst Goethe,<br />

wenn Großes gelingen soll. Und so ist es<br />

wohl kein Zufall, dass nun just in Weimar<br />

eine neue Akademie für Manager ihren<br />

Betrieb aufgenommen hat, die einem<br />

ganzheitlichen Bildungsansatz im Goetheschen<br />

Sinne folgt. Die Management<br />

Akademie Weimar, erläutert Gründer<br />

Norman Heydenreich das Projekt, will<br />

Führungskräfte in Wirtschaft, Politik und<br />

Gesellschaft dabei unterstützen, »sich<br />

selbst und ihr Team verantwortlich und<br />

inspirierend zu führen, neu entstehende<br />

Zukunftspotenziale wahrzunehmen,<br />

Wandel und Innovationen zu gestalten<br />

und die dazu erforderlichen Management-Kompetenzen<br />

zu entwickeln«.<br />

Und ganz im Sinne des großen Goethe<br />

ist es dem früheren Microsoft-Manager<br />

ein Anliegen, dabei mit seinem Team<br />

Impulse aus Wissenschaft und Philosophie<br />

einzubringen, um unter »Rückgriff<br />

auf den kulturellen Erfahrungsschatz<br />

der Menschheit und die Anwendung<br />

künstlerischer Methoden« unternehmerischem<br />

Handeln Orientierung zu geben<br />

und Kreativität zu fördern. Dafür bietet<br />

die Akademie unterschiedliche Formate,<br />

die von der Entwicklung passgenauer<br />

Curricula für Firmen bis zu Retreats für<br />

Führungskräfte reichen. Einen würde<strong>voll</strong>en<br />

Rahmen dafür bieten die liebe<strong>voll</strong><br />

restaurierten Konferenzräume der Villa<br />

Ingrid unweit des Weimarer Zentrums.<br />

Die schöne Jugendstilvilla verspricht inspirierende<br />

Begegnungen und neue Ausblicke.<br />

Über das Programm informiert<br />

die Web-Seite der Akademie. (cq)<br />

www.managementakademieweimar.de<br />

Kleines Medienwunder<br />

Jubiläumsbuch von dm räumt<br />

Design-Preise ab<br />

Dass ein Unternehmen sein 40-jähriges<br />

Firmenjubiläum damit begeht, seinen<br />

Mitarbeitern und Premiumkunden ein<br />

Buch zu schenken, ist ungewöhnlich genug.<br />

Dass dieses Buch dann aber auch<br />

noch einen Design-Preis nach dem anderen<br />

abräumt, grenzt an eine kleine<br />

Sensation. Möglich gemacht hat dieses<br />

kleine deutsche Medienwunder die<br />

Firma dm-drogerie markt mit Hilfe des<br />

von uns im letzten Wir-Magazin vorgestellten<br />

Cultural Capital Producer Jan<br />

Teunen. Gemeinsam mit dem Stuttgarter<br />

Projekttriangle Design Studio und<br />

dessen Direktorin Danijela Djokic ist im<br />

vergangenen Jahr ein 260 Seiten starkes<br />

Kunstwerk namens »Zeit – Wert – Geben«<br />

entstanden, das inzwischen weit<br />

über dm hinaus Aufsehen erregt. Den<br />

Reigen der Ehrungen eröffnete der renommierte<br />

Deutsche Designer Club ddc,<br />

der im November 2013 seinen Grand Prix<br />

für Gute Gestaltung an dm-Chef Götz<br />

Werner überreichte. Am 28. Februar<br />

folgte in München die Verleihung des<br />

iF gold award der International Forum<br />

Design GmbH an die Buchgestalter. (cq)<br />

www.zeit-wert-geben.de<br />

Auf der Suche nach Sinn<br />

Hochkarätiges Symposium im Seminarzentrum<br />

Benediktushof<br />

»Ohne Sinn«, notierte einst Albert<br />

Einstein, »ist der Mensch nicht nur unglücklich,<br />

sondern auch kaum lebensfähig«.<br />

Was jedoch »Sinn« eigentlich ist,<br />

hat er nicht gesagt. Wohl auch deshalb,<br />

weil diese Frage nicht einfach und schon<br />

gar nicht eindeutig zu beantworten ist.<br />

Bei Fragen von diesem Kaliber ist es hilfreich,<br />

verschiedene Antwortversuche<br />

miteinander ins Gespräch zu bringen<br />

– und eben das wird vom 4. bis 6. April<br />

<strong>2014</strong> beim Symposium »Sinn – was uns<br />

das Leben bejahen lässt« im Seminarzentrum<br />

Benediktushof bei Würzburg<br />

geschehen. Auf Einladung von Wir-<br />

Gründer Christoph Quarch werden dort<br />

der Biologe und Autor Andreas Weber,<br />

die Philosophin Natalie Knapp, die Roman-Autorin<br />

Liane Dirks, die Logotherapeutin<br />

Inge Patsch und der Theologe<br />

Joachim Kunstmann in Vorträgen und<br />

Workshops dem Geheimnis des Sinns<br />

nachspüren. Das Symposium ist öffentlich<br />

zugänglich und beginnt am Freitagabend,<br />

4. April, um 18 Uhr. Anmelden<br />

kann man sich auf der Internet-Seite<br />

des Benediktushofes. (cq)<br />

www.benediktushof-holzkirchen.de<br />

78 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong> im <strong>forum</strong>


B.A.U.M. e. V.<br />

Jahrbuch<br />

<strong>2014</strong><br />

© Rainer Kant<br />

1984 – <strong>2014</strong> – 2044<br />

30 Jahre nachhaltig <strong>Wirtschaften</strong> – Rückblick und Ausblick<br />

1984 – <strong>2014</strong> – 2044<br />

30 Jahre nachhaltig <strong>Wirtschaften</strong><br />

Sie erhalten das Jahrbuch <strong>2014</strong> von B.A.U.M. e. V. zum Preis von<br />

19,90 EUR im Buchhandel oder direkt beim ALTOP Verlag:<br />

E-Mail an: baum-jahrbuch@<strong>forum</strong>-csr.net<br />

oder unter +49 (0)89 / 74 66 11 - 13<br />

ISBN 978-3-925646-62-1<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

30 Jahre nachhaltig <strong>Wirtschaften</strong> – Rückblick und Ausblick.<br />

Sein 30. Jubiläum nimmt B.A.U.M. zum Anlass, in seinem Jahrbuch<br />

<strong>2014</strong> zurückzublicken auf die eigene Arbeit der letzten drei Jahrzehnte,<br />

aber auch auf die Entwicklung in Wirtschaft und Gesellschaft in<br />

diesem Zeitraum. Zugleich geht der Blick in die Zukunft: Vor welchen<br />

Herausforderungen stehen wir, welche Chancen bieten sich? Pioniere<br />

des Umweltmanagements berichten von ihren ersten Schritten in<br />

diesem Bereich zu einer Zeit, als Ökologie und Ökonomie noch als<br />

unvereinbar galten. Die Autoren zeichnen die Entwicklung vom<br />

Umwelt- zum <strong>Nachhaltig</strong>keitsmanagement nach und identifizieren<br />

Zukunftsthemen für nachhaltig wirtschaftende Unternehmen.<br />

Unternehmensvertreter beschreiben, was sie persönlich antreibt<br />

beim Einsatz für eine nachhaltige Entwicklung von Wirtschaft und<br />

Gesellschaft.<br />

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80 Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. <strong>forum</strong> Ein Produkt <strong>Nachhaltig</strong> der Steinbeis <strong>Wirtschaften</strong><br />

Papier im <strong>forum</strong> GmbH.


Interview<br />

Der<br />

Begeisterer<br />

Was den Menschen heute am meisten<br />

fehlt, sind Visionen – etwas, das sie<br />

begeistert und ihnen Sinn gibt. Der<br />

Philosoph und Buchautor Christoph<br />

Quarch hat es sich deshalb zur Aufgabe<br />

gemacht, von inspirierenden Menschen,<br />

Ideen und Projekten zu erzählen. Aus<br />

diesem Impuls gründete er vor drei<br />

Jahren die Zeitschrift »Wir – Menschen<br />

im Wandel«, die fortan unter dem Dach<br />

von »<strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>«<br />

erscheinen Wird – ein Projekt, für das<br />

er sich selbst begeistert, weil er sich<br />

davon verspricht, Verantwortungsträger<br />

und Führungskräfte auf zukunftsweisende<br />

Gedanken zu bringen.<br />

Text: Julia Herz-el Hanbli | Fotos: Nomi Baumgartl<br />

Wir: Herr Quarch, Sie haben Philosophie und Religionswissenschaften<br />

studiert, arbeiten als freier Philosoph. Aber Sie sind<br />

auch als Journalist und Publizist tätig und haben vor ein paar<br />

Jahren mit Kollegen das Magazin »Wir – Menschen im Wandel«<br />

gegründet. Was treibt einen Philosophen zu so einem Projekt?<br />

Christoph Quarch: Ich habe einige Jahre als Redakteur und<br />

später Chefredakteur in der kirchennahen Presse gearbeitet.<br />

Dabei ist mir wiederholt aufgestoßen, dass der Journalismus<br />

in Deutschland von einem ideologischen und moralischen<br />

Geist geprägt ist, der seine Freude daran hat, Dinge und<br />

Menschen in die Kritik zu nehmen. Mir gefiel das nicht. Mich<br />

bewegte die Idee, ein Blatt zu machen, das anders ist: das<br />

Menschen ermutigt, das sie begeistert und beflügelt, das ihnen<br />

Lust auf die Zukunft macht; ein Blatt, das von Projekten<br />

und Menschen berichtet, die Vorbildcharakter haben.<br />

Wir: Was verbirgt sich hinter der Überschrift »Wir – Menschen<br />

im Wandel«?<br />

Quarch: Das Wir-Magazin ist eine Plattform, ein Sammelbecken<br />

für Menschen mit Visionen: Menschen, die etwas in dieser<br />

Welt bewegen wollen und auch schon bewegt haben, die<br />

aber oft gar nichts voneinander wissen. Mein Eindruck war<br />

immer, dass unsere Gesellschaft einer Gebirgslandschaft<br />

ähnelt, in der hoch oben viele kreative Quellen sprudeln. Die<br />

nebeneinander herfließen, ohne sich zu einem großen Strom<br />

– zum Mainstream – zu vereinen. Die Idee hinter Wir ist, solche<br />

kreativen Impulse aufzugreifen und zusammenzuführen.<br />

Wir: Warum brauchen wir solche Visionäre?<br />

Quarch: Weil die Welt, in der wir leben an einigen Pathologien<br />

leidet. Der vorherrschende globale Ökonomismus ist nach<br />

meinem Dafürhalten in eine Richtung entwickelt worden, die<br />

sich gegen die Lebendigkeit kehrt, so dass er die Menschen<br />

um ihr Leben betrügt, ja sogar das Leben auf dem Planeten<br />

gefährdet. Wir haben nach wie vor ein unglaubliches soziales<br />

Ungleichgewicht auf Erden, wir haben ökologische Krisen,<br />

die ihresgleichen suchen. Gleichzeitig sehe ich, dass der gegenwärtigen<br />

Politik und Wirtschaft nicht allein die Mittel,<br />

sondern vor allem die geistigen Voraussetzungen fehlen, um<br />

diesen Krisen auch nur angemessen begegnen zu können.<br />

Wir: Worin sehen Sie den Ausweg für die gegenwärtige Situation?<br />

Quarch: Es gibt keine leichten Auswege. Alles, was an Lösungsvorschlägen<br />

von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft<br />

entwickelt wird, ist von eben dem Denken und der Logik infiziert,<br />

die unsere Probleme hervorgerufen haben. Eine Transformation<br />

ist notwendig. Nicht nur eine Transformation des<br />

wirtschaftlichen und politischen Systems. Was wir brauchen,<br />

ist nicht mehr und nicht weniger als eine Revolution in den<br />

Köpfen, vor allem aber in den Herzen der Menschen.<br />

Wir: Das Wir-Magazin startet dieses Jahr die Kooperation mit<br />

»<strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>«, auf dem Markt existiert es<br />

aber schon drei Jahre. Welche Erwartungen verknüpfen Sie mit<br />

dieser Zusammenarbeit?<br />

Quarch: Ich meine, dass Wir gerade für Menschen in Verantwortung<br />

eine Inspirationsquelle sein kann; und dass wir mit<br />

den von uns gestalteten Seiten einen Ton in das »<strong>forum</strong>« einbringen,<br />

der dort noch fehlt. Denn unsere Idee ist ja, Texte<br />

zu schreiben, die nicht nur Informationen vermitteln, sondern<br />

die Menschen berühren und sie in ihrer Begeisterungsfähigkeit<br />

ansprechen – die alten Griechen nannten dies den<br />

»Eros«. Mir geht es um einen »Journalismus des Herzens«<br />

oder einen »beseelten Journalismus«. Deshalb erzähle ich<br />

gerne von Menschen, die mit Leidenschaft ihre Projekte verfolgen.<br />

Und ich versuche, etwas von dieser Leidenschaft und<br />

Begeisterung an unsere Leser zu vermitteln. Ich glaube, das<br />

ist etwas, das in der ganzen Businesswelt fehlt.<br />

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Julia Herz-el Hanbli studierte Ethnologie, Kulturanthropologie<br />

und Indologie in Mainz. Das<br />

Interesse an indigenen Weltanschauungen und<br />

Gesundheitssystemen hat sie auch nach dem Studium<br />

beibehalten. Sie lebt und arbeitet als Journalistin,<br />

Autorin und Bloggerin in Mainz.<br />

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Interview<br />

Wir: Warum ist dieser Mangel an Leidenschaft ein Problem?<br />

Quarch: Ich sehe, dass immer mehr Menschen in unserem<br />

Land unter ihrer Arbeit leiden. Burnout, Depressionen, psychische<br />

Erkrankungen nehmen in der Arbeitswelt rasant zu.<br />

Aus Gesprächen mit Medizinern höre ich immer wieder, dass<br />

das, was diese Menschen krank macht, der Mangel an Sinn<br />

ist. Die Menschen wissen nicht mehr, warum sie sich eigentlich<br />

abrackern. Die Energiequelle »Sinn« ist ihnen verschlossen.<br />

Sie können sich nicht mehr für eine Idee oder eine Vision<br />

begeistern. Ihnen fehlt das Feuer, denn wenn man sich nur<br />

noch routinemäßig abarbeitet, ohne zu wissen, was einen<br />

dazu bewegt, ist man sehr schnell ausgebrannt.<br />

Wir: Wie kommt es, dass vielen Menschen der Sinn ihrer Arbeit<br />

nicht mehr erkennbar ist?<br />

Quarch: Ich glaube, es liegt daran, dass sie in einer seelenlosen<br />

Welt arbeiten müssen. Die Businesswelt verführt dazu,<br />

sich nur an der Oberfläche zu bewegen. Es ist eine Welt der<br />

Informationen und Zahlen, in der Effizienz und Geschwindigkeit<br />

als Qualitäten geschätzt werden. Was Unternehmen<br />

nach meinem Dafürhalten heute am meisten fehlt, ist Tiefe.<br />

Ihnen fehlt eine Ausrichtung an Sinn, an Werten. Als Folge<br />

davon beobachte ich zunehmend Prozesse der Desidentifikation:<br />

Menschen können sich mit ihrer Arbeit nicht mehr identifizieren.<br />

Sie haben innerlich gekündigt, machen den Job nur<br />

noch, um Geld zu verdienen, bleiben dabei in der Tiefe ihrer<br />

Seele aber unbefriedigt.<br />

Wir: Und was kann ein Philosoph in der Wirtschaft bewirken?<br />

Quarch: Unternehmen können Philosophen gut gebrauchen,<br />

weil sie dabei helfen können, eine fruchtbare »Unternehmenskultur«<br />

zu entwickeln. Genau das aber scheint mir bei<br />

vielen Unternehmen dringend geboten zu sein. Das Problem<br />

»Unternehmen zu beseelen und<br />

zu einem beherzten Handeln zu inspirieren,<br />

das ist es, was mir als Philosoph<br />

am Herzen liegt.«<br />

liegt freilich darin, dass man eine solche sinn- und wertorientierte<br />

Unternehmenskultur nicht einfach »machen« kann.<br />

Auch wenn andere es behaupten: Es ist nicht möglich, durch<br />

Schulung oder Consulting den Menschen Werte anzuerziehen.<br />

Um mit der Dimension von Sinn und Wert in Beziehung<br />

zu treten, müssen Menschen in ihrer Seele, in ihrem Herzen<br />

berührt werden. Unternehmen zu beseelen und zu einem beherzten<br />

Handeln zu inspirieren, das ist es, was mir als Philosoph<br />

am Herzen liegt. Und das umso mehr, als dieses für uns<br />

alle so lebenswichtige Bedürfnis nach Sinn auch außerhalb<br />

der Arbeit keine Befriedigung mehr findet.<br />

Christoph Quarch ////////////<br />

ist Philosoph aus Leidenschaft. Als Autor, Publizist und Berater<br />

greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophen<br />

zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst<br />

und Weltdeutung zu übersetzen. Unternehmen unterstützt<br />

und begleitet er bei der Entwicklung wertorientierter und<br />

sinnstiftender Unternehmenskulturen. Vor drei Jahren gründete<br />

er mit zwei Kollegen das Magazin »Wir – Menschen im<br />

Wandel«. www.christophquarch.de<br />

/////////////////////////////////////////////////<br />

Wir: … weil Religion nicht mehr diese Sinnstiftung gibt, wie es<br />

früher mal der Fall war?<br />

Quarch: Genau. Wir leben in einer säkularen Gesellschaft<br />

und auch die Medien tragen wenig dazu bei, Sinn zu vermitteln.<br />

Wir haben eine Unterhaltungs- und Zerstreuungsindustrie,<br />

die Menschen nicht inspiriert, sondern gerade davon<br />

abbringt, sich über die Fragen ihres Lebens Gedanken zu<br />

machen. Da sehe ich ein riesiges Problem. Denn so wird die<br />

urmenschliche Sehnsucht nach Sinn immer mehr auf die Arbeit<br />

verlagert. Doch in unserer Arbeitswelt gibt es nur wenige<br />

Berufe, die es noch ermöglichen, so etwas wie Sinnerfahrung<br />

zu machen. Eben deshalb braucht es in Unternehmen eine<br />

gesunde und inspirierende Unternehmenskultur, die es den<br />

Beschäftigten ermöglicht, sich mit ihrer Arbeit oder ihrer Firma<br />

zu identifizieren – über deren Werte, über deren Klima,<br />

über deren Sinnorientierung.<br />

Wir: Ist eine gesunde Unternehmenskultur einfach nur schön<br />

oder bringt sie auch ökonomischen Profit?<br />

Quarch: Ich bin davon überzeugt, dass es ohne eine wert- und<br />

sinnorientierte Unternehmenskultur künftig nicht mehr gehen<br />

wird. Schauen Sie: Hochqualifizierte Arbeitskräfte sind<br />

rar gesät. Und schon heute lassen sie sich oft nicht mehr<br />

allein durch monetäre Anreize an ein Unternehmen binden.<br />

Kompetente und kreative Leute wollen mehr: Sie wollen sich<br />

mit ihrer Arbeit identifizieren können. Sie wollen ihre Arbeit<br />

als sinn<strong>voll</strong> erleben. Das erfordert ein günstiges Klima, und<br />

dieses Klima immer neu zu erzeugen – das ist die Aufgabe<br />

einer guten Unternehmenskultur. Es ist noch gar nicht so<br />

lange her, da gab es so etwas noch. Ein Beispiel: Mein Vater<br />

war im mittleren Management bei der Firma Henkel, damals<br />

der größte Arbeitgeber im Düsseldorfer Süden. Hätten Sie in<br />

der 80er Jahren einen der Beschäftigten gefragt: »Wer sind<br />

Sie?«, hätten Sie todsicher die Antwort bekommen: »Ich bin<br />

ein Henkelaner.« Vom Manager bis zum Arbeiter: Alle haben<br />

sich total mit ihrer Firma identifiziert! Kein Wunder, denn die<br />

Firma hat ihrer Belegschaft damals eine komplette Welt zur<br />

Verfügung gestellt: Schwimmbad, Sporthalle, Bibliothek,<br />

Kulturprogramm, monatliches Waschmittelpaket. Die Firma<br />

war mehr als ein Arbeitgeber. Sie war ein Zuhause.<br />

Wir: Warum hat sich die Unternehmenskultur in Deutschland<br />

verändert?<br />

Quarch: In den 1990ern kamen die amerikanischen Managementmethoden<br />

hier auf. An allem, was nicht unmittelbar<br />

82 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong> im <strong>forum</strong>


Interview<br />

Profit abwirft, wurde gespart. Heute findet man in Düsseldorf<br />

kaum noch jemanden, der sich als Henkelaner bezeichnet.<br />

Da ist kein Feuer, da ist keine Zugehörigkeit mehr in den<br />

Leuten. Man macht da seinen Job. Vielleicht kann man mit so<br />

einer Belegschaft über zehn oder zwanzig Jahre höhere Renditen<br />

erwirtschaften, aber man höhlt gleichzeitig das Unternehmen<br />

von innen aus, wenn man nichts dafür tut, dass die<br />

»Wer Zukunft gewinnen möchte,<br />

muss hier und heute sein Augenmerk auf<br />

die Unternehmenskultur richten.«<br />

Beschäftigten ihre Arbeit als sinn<strong>voll</strong> erleben. Deshalb bin<br />

ich zutiefst davon überzeugt: Wer Zukunft gewinnen möchte,<br />

muss hier und heute sein Augenmerk auf die Unternehmenskultur<br />

richten.<br />

Wir: Wird es möglich sein, in der modernen Business-Welt das<br />

Bewusstsein für eine beherzte Unternehmenskultur wecken?<br />

Quarch: Das Problem liegt darin, dass in dem herrschenden<br />

ökonomischen System das Gute nicht auf die Weise belohnt<br />

wird, wie es eigentlich belohnt zu werden verdient – und zwar<br />

deshalb, weil das Gute und Wahre, das Menschliche und Lebendige<br />

in anderen Zyklen funktioniert, als diese unglaub-<br />

lich schnell getaktete, an kurzfristigem Profit orientierte<br />

Wirtschaft. Ich meine, es wird darauf ankommen, Inseln<br />

des Wahren und Lebendigen zu schaffen, die zeigen, dass es<br />

auch in dieser »irrsinnigen« Business-Welt möglich ist, nach<br />

herkömmlichen Maßstäben erfolgreich zu <strong>Wirtschaften</strong> und<br />

dabei zugleich der Menschlichkeit und Lebendigkeit dienlich<br />

zu sein.<br />

Wir: Wäre das dann – aus philosophischer Sicht – das Kriterium<br />

für erfolgreiches <strong>Wirtschaften</strong>?<br />

Quarch: Der Erfolg des <strong>Wirtschaften</strong>s bemisst sich an der<br />

Wertschöpfung. Allerdings an einer Wertschöpfung, die weit<br />

mehr ist als eine reine materielle oder gar monetäre Wertschöpfung.<br />

Erfolgreich ist ein Unternehmen, wenn es einen<br />

kulturellen Zugewinn erwirtschaftet. Jedes Unternehmen,<br />

jeder wirtschaftende Mensch nimmt etwas aus der Welt. Er<br />

verbraucht etwas – und es ist seine verdammte Pflicht, dieser<br />

Welt dann etwas zurückzugeben und so einen Mehrwert<br />

zu erzeugen – einen Mehrwert an Lebendigkeit, an Lebensqualität,<br />

und ich würde sogar hinzufügen: an Schönheit. Das<br />

ist es, was einem Unternehmen wirkliche Wertigkeit verleiht<br />

und für mich das entscheidende Kriterium für wirtschaftlichen<br />

Erfolg sein sollte. Dafür Bewusstsein zu wecken: Das<br />

ist es, was mich als Philosophen umtreibt. //<br />

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83


Nachruf<br />

Die Finanzvisionärin<br />

Margrit Kennedy war von der ersten<br />

Stunde an eine glühende Unterstützerin<br />

des Magazins »Wir – Menschen im<br />

Wandel«. Damals war sie <strong>voll</strong>er brillanter<br />

Ideen und Energie. Niemand konnte<br />

ahnen, wie schnell das lodernde Feuer in<br />

ihr verlöschen würde. Am 28. Dezember<br />

2013 ist Margrit Kennedy im Alter von 74<br />

Jahren an Krebs verstorben.<br />

Ein Nachruf von Christoph Quarch | Foto: Sven Nieder<br />

Sie hatte keine Angst. Auch nicht vor ihrer letzten Reise.<br />

Selbst als der Krebs schon in ihr wuchs und der nahe Tod eine<br />

Gewissheit war, sprach sie ihren Liebsten und Nächsten noch<br />

Zuversicht zu. So sicher war sie, dass ihre Seele auch dann<br />

noch fortleben werde, wenn die Asche ihres Körpers in der<br />

Familiengruft in Kassel beigesetzt sein würde. Davon sprach<br />

ihr Mann Declan an jenem Tag der Beisetzung zur Trauergemeinde<br />

– und davon sprachen die gut 200 Gäste, die sich an<br />

diesem Tag zusammengefunden hatten, um sich von einer<br />

Frau zu verabschieden, die sie inspiriert, motiviert, fasziniert<br />

und ermutigt hatte – oder die sie einfach nur geliebt hatten.<br />

Und wer hätte Margrit Kennedy nicht geliebt? Gewiss hatte<br />

sie Ecken und Kanten; gewiss konnte sie austeilen, wenn es<br />

darum ging, für eine bessere Welt zu streiten. Doch wo immer<br />

sie das tat – und wann tat sie es nicht? – war ihr Geist durchdrungen<br />

und erfüllt von einer unbändigen Liebe zum Leben,<br />

von einer liebenswerten Leidenschaft für den Menschen:<br />

»Ich habe einen unbändigen Freiheitswillen – für mich und<br />

für andere«, hatte sie mir bei dem langen Interview gesagt,<br />

das ich mit ihr im Frühjahr 2011 führen durfte. Und: »Die Welt,<br />

die ich mir wünsche, ist eine, in der jeder Mensch sein Potenzial<br />

entfalten kann.«<br />

Sie selbst hat das getan – wenn man ihr auch einige Jahre<br />

mehr gewünscht hätte, um das begonnene Werk weiter voranzubringen.<br />

Dabei hat sie einige Jahre gebraucht, bis sie ihr<br />

Lebensthema fand: die notwendige Transformation der Geldwirtschaft.<br />

Sie verdankte diese Entdeckung einer Begegnung<br />

mit dem Wirtschaftsanalytiker Helmuth Creutz, der ihr die<br />

Augen dafür öffnete, was in unserer Welt eigentlich schiefläuft<br />

– und wo den Hebel ansetzen muss, wer wie sie für eine<br />

gerechtere und lebendigere Welt zu kämpfen gewillt ist.<br />

»Ich begriff«, erzählte mir Margrit damals, »dass die Idee<br />

des exponentiellen Wachstums, die dem ganzen zinsbasierten<br />

Geldsystem zugrunde liegt, gegen ein fundamentales<br />

Gesetz des Lebens verstößt: nämlich dass nichts in der Natur<br />

ungebremst, exponentiell wächst – nichts, (und man höre die<br />

Tragik, die aus diesen Worten spricht) außer Krebszellen …;<br />

und ich begriff zugleich, dass dieses System dringend geändert<br />

werden muss: dass es in der Finanzwirtschaft eine andere<br />

Umlaufsicherung geben muss als den Zins.«<br />

Mit dieser Einsicht war zugleich die Frage geboren, der Margrit<br />

Kennedy in den ihr verbleibenden Lebensjahren nachgehen<br />

sollte: Wie könnte eine Geldwirtschaft aussehen, die sich<br />

von der fatalen Dynamik des Zins- und Zinseszins-Systems<br />

freimachen könnte. Sie studierte alternative Banksysteme<br />

und entwickelte mit dem belgischen Finanzexperten Bernard<br />

Lietaer Modelle für komplementäre Regionalwährungen.<br />

Ihre Forschungsergebnisse trug sie zusammen in ihrem 1991<br />

erschienenen ersten Buch »Geld ohne Zinsen und Inflation<br />

– ein Tauschmittel, das jedem dient«. Nach der Veröffentlichung<br />

begann eine enge Zusammenarbeit mit vielen Gruppen<br />

auf internationaler und nationaler Ebene. 2003 gründete sie<br />

den gemeinnützigen Verein MonNetA mit dem Ziel, zu erforschen<br />

und darüber zu informieren, inwieweit komplementäre<br />

Zahlungsmittel zur Lösung von sozialen, wirtschaftlichen<br />

und ökologischen Problemen beitragen können.<br />

Unter dem Einfluss des großen Börsencrashs 2008 und der<br />

weltweit aufbegehrenden Occupy-Bewegung schrieb Margrit<br />

Kennedy in Windeseile ihr letztes Werk – ein schmales<br />

Büchlein mit dem Titel »Occupy Money« (J. Kamphausen<br />

Verlag 2011). In ihm erklärt sie auf beeindruckend kompakte<br />

und verständliche Weise ihre Kerngedanken und die ihr einleuchtenden<br />

Lösungsvorschläge für ein neues Paradigma der<br />

Geldwirtschaft. Wer dieses Büchlein liest, wird nicht länger<br />

mitansehen wollen, wie ein marodes Geldsystem unsere Zivilisation<br />

weiterhin vor sich hertreibt, sondern dafür eintreten,<br />

dass Margrit Kennedys Lebenswerk mit ihrem Tod nicht zum<br />

Erliegen kommt. Denn wie schon Albert Einstein in einem von<br />

ihr am Ende von »Occupy Money« zitierten Wort sagt: »Die<br />

reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen<br />

und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.«<br />

Diesem Wahnsinn ist Margrit Kennedy nicht erlegen. Dafür<br />

verdient sie unseren Dank. //<br />

84 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong> im <strong>forum</strong>


Mein Eco-Ego<br />

Mein Eco-Ego<br />

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In »Mein Eco-Ego« schreibt Wir-Autorin Christine Teufel über die Tücken und Fallstricke, denen begegnet,<br />

wer ökologisch bewusst leben und konsumieren möchte. Illustriert von Florian Geppert.<br />

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Ins Netz gegangen<br />

Bücher online kaufen und<br />

dabei Zeit und Nerven sparen<br />

– oder doch lieber im<br />

lokalen Buchhandel erwerben?<br />

Wer bewusst konsumieren<br />

will, steht hier<br />

vor einem Dilemma. So auch<br />

unsere Autorin, die zwar<br />

bekennende amazon-Kundin<br />

ist, aber den heimischen<br />

Buchhandel doch<br />

nicht sang- und klanglos<br />

untergehen lassen will.<br />

Zuerst: Ich bekenne ganz offen und<br />

ehrlich, dass ich eine amazon-Kundin<br />

bin. Ja, und ich gehe noch weiter: Ich<br />

schäme mich nicht dafür. Angefangen<br />

hat der rasante Aufstieg des Versandhandels<br />

in meinem Leben zu der Zeit,<br />

als ich mit zwei kleinen Kindern froh<br />

über jeden Gang war, den ich nicht<br />

noch zusätzlich zu erledigen hatte. Die<br />

Buchläden, die es bei uns in Fulda gab,<br />

waren mitten in der Stadt, umgeben<br />

von teuersten Parkmöglichkeiten, die<br />

ohnehin nicht genutzt werden konnten,<br />

da die Option, Babys oder Kleinkinder<br />

im Auto zu lassen, um schnell in den<br />

Laden zu hecheln und dort an der Kasse<br />

die Zeit totzuschlagen, vergleichsweise<br />

unattraktiv war. Zumal dann, wenn<br />

man auch noch schlecht beraten wurde.<br />

Warum sollte ich mir das antun, wenn<br />

es doch auch anders geht.<br />

Das war mein Einstieg in die Welt des<br />

Internet-Versandhandels. Das ging viel<br />

bequemer: Wunderbar, mit ein paar<br />

Klicks die Bücher zu finden, auf die mich<br />

Freundinnen aufmerksam gemacht hatten;<br />

wunderbar, sich Bücher »zur Ansicht«<br />

kommen zu lassen und nicht wie<br />

im ortsansässigen Buchhandel verbindlich<br />

bestellen und kaufen zu müssen. Es<br />

war einfach extrem kundenfreundlich –<br />

und für mich in meiner Lebenssituation<br />

außerdem ökonomisch und ökologisch<br />

sinn<strong>voll</strong>, denn ich brauchte keinen Sprit<br />

zu verfahren, keinen Babysitter zu finanzieren,<br />

keine Zeit totzuschlagen.<br />

Nun, die Kinder wurden größer und<br />

wollten selber lesen – und klar, jetzt<br />

hätte es sich angeboten, wieder zum lokalen<br />

Buchhändler zurückzukehren und<br />

als bewusste Konsumentin ein bisschen<br />

was für den heimischen Einzelhandel<br />

zu tun. Schließlich hatte ich selbst mal<br />

ein kleines Ladengeschäft und weiß,<br />

wie mühsam es ist, sich in der Branche<br />

über Wasser zu halten. Und ich fände<br />

es furchtbar, wenn es irgendwann keine<br />

netten kleinen Buchläden mehr geben<br />

sollte. Aber, ach: Erneut haben mich die<br />

Vorzüge des Versandhandels geködert.<br />

Denn bei amazon kann ich sogar Bücher,<br />

die bei uns keiner mehr liest, gegen<br />

Gutschrift zurücksenden. Die Gutschrift<br />

ist zwar wirklich nicht hoch, doch wenn<br />

ich bedenke, wie oft meine Kinder auf<br />

die Nachfrage »Kann das weg?« antworten,<br />

»Ja, es war wirklich ein blödes<br />

Buch«, dann sind diese Gutschriften<br />

allemal besser, als die Bücher direkt ins<br />

Altpapier zu werfen. Immerhin habe ich<br />

so noch die Möglichkeit, mir für das Guthaben<br />

ein Buch zu kaufen, das die Seele<br />

erfreut und den Geist weiterbringt.<br />

Natürlich sehe ich auch all die Kritikpunkte<br />

von Bestellungen im Internet:<br />

etwa dass man schleichend zum gläsernen<br />

Kunden mutiert, der mit seinen<br />

Klicks unbemerkt definiert, was er als<br />

weitere Werbe-Icons künftig auf seinem<br />

Rechner findet … Mag sein, aber<br />

dagegen bin ich resistent; vielleicht,<br />

weil ich den Internet-Versandhandel<br />

sehr gezielt nutze.<br />

Beispiel: Mein Sohn braucht neue<br />

Schlittschuhe. Im ortsansässigen Sport -<br />

geschäft ist seine Größe ausverkauft.<br />

Was tun? Klar, ich schaue im Netz nach<br />

den passenden Schlittschuhen und<br />

finde sie bei … amazon. Schwupps, da<br />

tausche ich mein Bücher-Zurücksenden-<br />

Guthaben gegen Sohnemanns neue Skater<br />

ein. An so etwas freue ich mich dann.<br />

Und was machen wir nun mit unserem<br />

guten alten Buchhändler? Klar, Sohnemanns<br />

Schlittschuh werde ich bei dem<br />

nie gegen ein neues Buch eintauschen<br />

können – da kommt er nicht gegen an.<br />

Aber ich glaube, es gibt doch noch ungenutzte<br />

Möglichkeiten, um dem schleichenden<br />

Schwinden der Buchläden<br />

etwas entgegenzusetzen. Statt wie das<br />

Kaninchen auf die böse amazon-Schlange<br />

zu starren, könnten Buchhändler mal<br />

darüber nachdenken, wie sie sich die<br />

Stärken des Versandbuchhandels zu<br />

eigen machen können – etwa, indem<br />

sie – ähnlich wie lokale Apotheken (vielleicht<br />

sogar mit denen zusammen) einen<br />

Bringdienst einrichten und so ein Angebot<br />

gezielt auf die Käufergruppe der<br />

Mütter und älteren Menschen abstimmen;<br />

die freuen sich bestimmt, wenn der<br />

Buchhändler zweimal klingelt. //<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. Ein Produkt der Steinbeis Papier GmbH.<br />

85


Der große Einkaufsratgeber für nachhaltigen und ethischen Konsum.<br />

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Was bedeutet<br />

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86 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


<strong>forum</strong> Themen<br />

Wunder der Zusammenarbeit<br />

Die Entstehung eines Menschen grenzt an ein Wunder, das<br />

nur durch Zusammenarbeit von Muskelkraft, Spermien und<br />

Eizelle Früchte trägt. Für <strong>forum</strong>-Autor Christoph Santner<br />

ein geniales System von Co-Creation. Auch Wirtschaftsprozesse<br />

beruhen auf Kooperation. Entdecken Sie in unserer<br />

Innovationsreihe, wo die Ursprünge des <strong>Wirtschaften</strong>s neu<br />

gelebt werden und Kreative rund um die Uhr auf engstem<br />

Raum außergewöhnliche Ideen realisieren. Gemeinsam<br />

stark machen sich auch Annette und Rüdiger Nehberg und<br />

setzen sich gegen die Genitalverstümmelung von Mädchen<br />

ein. Mit einer groß angelegten Aufklärungsaktion tragen sie<br />

die Botschaft in alle Ecken der Welt.<br />

Lesen Sie außerdem, wie groß das Marktpotenzial von<br />

Bio diversitäts-Offsets ist und was Schafe mit nachhaltigem<br />

Bauen zu tun haben.<br />

Foto: © ReedYoungFabrica<br />

Serie Innovationsschmieden, diesmal: Co-Creation | 88<br />

Kein Blackout in Japan | 92<br />

LEDs als Einsparpotenzial | 96<br />

Der T(h)urmblick: Ab ins Netz | 98<br />

Serie „Der CSR-Manager“: Die richtige Strategie | 99<br />

Warum Biodiversitäts-Offsets umstritten sind | 1<strong>02</strong><br />

Sir Vival: Im Kampf gegen grausame Rituale | 108<br />

Warum Produktqualität alleine nicht mehr genügt | 112<br />

<strong>Nachhaltig</strong> bauen: Biodämmung auf dem Vormarsch | 114<br />

Social Business: Die Macht der Crowd | 118<br />

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88 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong><br />

Foto: © ReedYoungFabrica


| INNOVATIONSSCHMIEDEN | THEMEN<br />

Es heißt Wir-tschaft<br />

und nicht Ich-schaft<br />

Wie geht Erfinden? Welche Zukunftsschmieden arbeiten an der Welt von morgen?<br />

Für diese 3-teilige Serie hat unser Autor in acht Ländern 18 Future Labs, Co-Creation-<br />

Centers und Think Tanks besucht. Diesmal: Co-Creation.<br />

Von Christoph Santner<br />

Starten wir mit einem Ausflug an den Beginn unseres eigenen<br />

Lebens: Bereits hier zeigt sich, dass sich in der Natur<br />

ein geniales System von Co-Creation entwickelt hat, vom<br />

gemeinsamen Erschaffen. Denn der Mythos vom schnellsten<br />

Spermium ist falsch. Da findet kein Wettlauf zur Eizelle<br />

statt. Zusammenarbeit und Teamarbeit sind angesagt. Hier<br />

geht es nicht um Wettschwimmen. In Wirklichkeit zieht<br />

eine Art Shuttle-Service durch Muskelkontraktionen der<br />

Gebärmutter die vielen Spermien nach oben. Schließlich<br />

kommt ihnen das Ei selbst entgegen. Und die Geißel jedes<br />

Spermiums wird nicht zum Schwimmen verwendet, sondern<br />

für gezielte Schläge, um die Außenschicht des Eis aufzulösen.<br />

Eine Samenzelle alleine wäre mit dieser Aufgabe heillos<br />

überfordert. Nur gemeinsam, im Team, ist sie zu lösen.<br />

Welches Spermium schließlich hineinflutscht, ist purer Zufall.<br />

Co-Creation at work! 1<br />

Ein Wunder an Zusammenarbeit begründet also unser Leben.<br />

So beruhen auch Wirtschaftsprozesse ursprünglich auf<br />

Kooperation. Sichtbar ist dies noch im Wort Company. Es<br />

leitet sich aus dem Lateinischen ab: Cum panis. „Mit denen<br />

ich das Brot teile“. Mit meinen Kompagnons, mit meinen<br />

Kumpeln, Kumpanen. Heute entdecken viele Menschen<br />

diesen ursprünglichen Aspekt des <strong>Wirtschaften</strong>s neu: Dass<br />

nämlich die grundlegende Basis einer Wir-tschaft in Zusammenarbeit<br />

und Vertrauen besteht. Doch wo wird dieses<br />

Co-Kreieren vorgelebt?<br />

Reise ins Unbekannte<br />

Treviso, Oberitalien. Hier, 30 km von Venedig entfernt, liegt<br />

nicht nur der Stammsitz der Benetton Group mit einem Umsatz<br />

von gut 2 Mrd. Euro und fast 10.000 Mitarbeitern. Hier<br />

hat Luciane Benetton vor 20 Jahren auch Fabrica gegründet,<br />

eine Art Kreativlabor, in dem Co-Creation radikal praktiziert<br />

wird. Jedes Jahr bekommen 50 junge Kreative aus der ganzen<br />

Welt ein einjähriges Stipendium, um außergewöhnliche<br />

Ideen zu realisieren. Niemand ist älter als 25 Jahre. Das<br />

Co-Creation-Center ist in einem alten Gutshaus beheimatet,<br />

das der japanische Architekt Tadao Ando erweitert hat. In<br />

verschiedenen Laboren für Video, Musik, Design, Grafik<br />

und Interaktivität treiben die Stipendiaten ihre Projekte<br />

voran. Fabrica-CEO Dan Hill geht es darum, neue Räume für<br />

Möglichkeiten zu schaffen: „Wir suchen aktiv das Neue, das<br />

Unbekannte, das Entstehende.“<br />

Die Stipendiaten leben in WGs zusammen und so sprudeln<br />

Ideen und Kreativität rund um die Uhr, 24/7. In der Fabrica<br />

wird regelmäßig das preisgekrönte Magazin COLORS produziert,<br />

teils mit Absolventen. Denn das Netzwerk von 600<br />

Alumni aus der ganzen Welt wächst und bringt Früchte. Auch<br />

bei COLORS sieht man die Leser nicht als Konsumenten,<br />

sondern als Mitgestalter. Zur Jahrtausendwende etwa wurde<br />

ein leeres Magazin nur mit dem Logo auf der Titelseite<br />

verschickt, mit der Aufforderung, selbst aktiv zu werden.<br />

Hunderte Meisterwerke aus der ganzen Welt kamen zurück.<br />

Sie stehen heute in der ovalen Bibliothek, dem Herzstück<br />

des Kreativlabors. Die jungen Wilden entwickeln aber auch<br />

Werbekampagnen für die UNO und für NGOs, sowie Projekte<br />

mit Kultureinrichtungen wie der Biennale Venedig, der<br />

Biennale Seoul, führenden Museen und Galerien in London<br />

oder dem Centre Pompidou in Paris. Und Fabrica setzt auch<br />

im Internet starke Impulse. Etwa mit dem Partner Telecom<br />

Kreativität auf engstem Raum: Die Stipendiaten des Kreativlabors<br />

Fabrica leben in WGs zusammen, damit die Ideen rund um die Uhr<br />

sprudeln können.<br />

1 Quelle: http://www1.wdr.de/fernsehen/wissen/quarks/sendungen/spermien1<strong>02</strong>.html<br />

Fortsetzung auf Seite 91 <br />

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THEMEN | INNOVATIONSSCHMIEDEN |<br />

Do or die: Co-Creation ist das<br />

Gebot der Stunde<br />

Prof. Dr. Christine Woesler de Panafieu ist Gründerin und Eigentümerin von<br />

Cosight, Paris. Die Wissenschaftlerin und Pionierin zum Thema Co-Creation<br />

erklärt in <strong>forum</strong>, wie Unternehmen die Methode für sich nutzen können.<br />

Von Christoph Santner<br />

an den Universitäten gelernt haben, können wir die Zukunft<br />

nicht vorbereiten. Dann gibt es den Collaboration Hub. Hier<br />

kommen primär verschiedene Abteilungen eines Unternehmens<br />

miteinander ins Gespräch und ins Co-Kreieren, die bisher<br />

kaum miteinander kommunizierten. Hinzu kommen dann<br />

etwa wichtige Lieferanten und Co-Creatoren. Gemeinsam<br />

bilden sie ein neues Öko-System, um innovative Strategien,<br />

Produkte und Business-Modelle zu entwickeln. Die dritte Art<br />

ist der Business Innovator. Hier geht es darum – besonders<br />

in schnelllebigen Branchen – sich Start-ups und junge Leute<br />

mit frischen Ideen zu holen. Sie investieren also in eine völlig<br />

neue Art zu denken und Business zu entwickeln.<br />

Das Co-Creation-Center von Unilever in London heißt<br />

„Pitch“. Sie haben es mit entwickelt. Woher kommt der<br />

Name?<br />

Am Abend muss jede Idee, die tagsüber entwickelt wurde,<br />

in zwei Minuten gepitcht werden. Von diesem Pitch hängt es<br />

ab, ob eine Idee weiter vorfolgt wird. Doch das Wort pitch<br />

bedeutet ja auch Spielfeld.<br />

Warum beschäftigen Sie sich wissenschaftlich und in der<br />

Praxis so intensiv mit Co-Creation?<br />

Unternehmen brauchen Inspiration von außen. Wenn man<br />

nur intern arbeitet, reicht das nicht aus. So habe ich vor 15<br />

Jahren peu a peu damit begonnen, in interne Workshops externe<br />

Experten hineinzubringen und damit Unternehmen aus<br />

ihren trägen Alltagsprozessen rauszubekommen. Seit zehn<br />

Jahren nehme ich auch Verbraucher verstärkt mit hinein.<br />

Heute erleben wir eine Konkretisierung und Spezialisierung<br />

von Co-Creation. Es gibt ja nicht nur ein Modell, wie man<br />

arbeiten kann.<br />

Welche Grundtypen haben Sie wissenschaftlich herausgearbeitet?<br />

Da ist einmal das Skills Village. Hier geht es darum, neue<br />

Kompetenzen zu erwerben, funktionaler und emotionaler<br />

Art. Auch Teambuilding-Prozesse müssen hier durchgeführt<br />

werden. Es geht um neues Wissen – denn mit dem, was wir<br />

Um welche Grundprinzipien geht es im Prozess der Co-Creation?<br />

Ich habe folgende Prinzipien definiert: Connecting. Die Kunst,<br />

Beziehungen aufzubauen und neu zu bilden. Contributing:<br />

Jeder muss mit seiner Expertise und seinem Wissen an den<br />

Tisch kommen. Wir brauchen nicht nur Teil-Nehmer, sondern<br />

Teil-Geber an diesen Prozessen. Confronting ist von zentraler<br />

Wichtigkeit. Es geht hier nämlich nicht um Friede – Freude<br />

– Eierkuchen. Hier ist nicht alles „lieb“. Denn wenn man<br />

aus seiner Komfort-Zone heraustritt und Überzeugungen in<br />

Frage stellt, kommt man in eine unkomfortable Zone. Denn<br />

man muss fremde Ideen akzeptieren. Crafting bedeutet<br />

schließlich, handwerklich zu arbeiten, auch mit den Händen,<br />

Modelle zu bauen und vermehrt die Intuition zu akzeptieren.<br />

Aus dem Bauch heraus zu handeln. Und Constraining,<br />

einschränken, heißt schließlich, sehr klar die eine Frage zu<br />

stellen, für die nun Lösungen gefunden werden. Es geht also<br />

um die Formulierung von zentralen Leitfragen.<br />

Wie wollen Sie ganz persönlich dieses Thema weiter vorantreiben?<br />

Mir geht es um die Professionalisierung und Durchsetzung<br />

von Co-Creation. Dabei müssen Firmen zum Beispiel lernen,<br />

dass dieser Prozess ein Geben und Nehmen ist. Das muss<br />

sich die Waage halten. Es gilt einen Added Value für jeden<br />

zu entwickeln, der mitarbeitet – nicht nur monetärer Art.<br />

Foto: © Christoph Santner<br />

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| INNOVATIONSSCHMIEDEN | THEMEN<br />

Fortsetzung von Seite 89<br />

Italia. Außerdem forscht das Kreativlabor an der Zukunft der<br />

Wirtschaft, an neuen Shop- und Handelskonzepten. Und<br />

renommierte Partner wie das MIT in Bosten oder die Ars<br />

Electronica in Linz inspirieren in gemeinsamen Projekten<br />

zu durchschlagenden Innovationen. „So haben wir eine<br />

20-jährige Erfahrung mit Themen wie ethischer Konsum,<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit, sozialer Wandel. Unternehmen können sich<br />

vor diesen Themen nicht mehr drücken“, ist Dan Hill überzeugt.<br />

Ihm ist bewusst, dass hier Pionierarbeit geleistet wird:<br />

„Co-Creation-Centers werden dafür berühmt sein, dass sie<br />

außergewöhnliche Plätze für außergewöhnliche Resultate<br />

sind. Ja, sie sind ein fundamentaler Beitrag dafür, das 21.<br />

Jahrhundert zu gestalten.“<br />

Der Mensch im Zentrum der Wertschöpfung<br />

Prof. Venkat Ramaswamy hätte seine Freude an Fabrica.<br />

Denn der Professor für Marketing und Electronic Business<br />

an der Universität von Michigan ist es, der als erster im Jahr<br />

2000 den Begriff Co-Creation in der Harvard Business Review<br />

prägte, gemeinsam mit seinem Kollegen, dem Businss-Guru<br />

C.K. Prahalad. Ich treffe Ramaswamy auf einer Konferenz zu<br />

seinem Thema in Dublin. Sie wird von der EU veranstaltet,<br />

die mit Co-Creation und Open Innovation die europäische<br />

Wirtschaft retten will, die gegen die asiatische Konkurrenz<br />

immer mehr zurückfällt. Ramaswamy geht es nicht nur um<br />

das „co-creative Unternehmen“, sondern um eine ebensolche<br />

Wirtschaft und Gesellschaft. Er spricht mittlerweile von einem<br />

neuen Paradigma, also einer neuen Weltanschauung, die gerade<br />

in unsere Zeit kommt. „Es ist wie damals die Entdeckung,<br />

dass die Sonne nicht um die Erde kreist, sondern umgekehrt.<br />

Lange Zeit kreisten die Menschen ja um Unternehmen und<br />

Institutionen. Doch dies gilt nicht länger. Wir sehen heute<br />

ganz klar, dass es die Individuen sind, die im Zentrum der<br />

Wertschöpfung stehen“. So wollen immer mehr Menschen<br />

nicht länger für die Wirtschaft leben und da sein. Sie wollen,<br />

dass die Wirtschaft für sie da ist. Seine Theorien entwickelt<br />

Ramaswamy nicht nur im Elfenbeinturm der Wissenschaft,<br />

sondern im aktiven Dialog mit Firmen, die zu Pionieren von<br />

Co-Creation wurden. Etwa Lego, ABB, Infosys, Orange oder<br />

Ideo. Aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung empfiehlt er den<br />

Firmen: „Was immer Du heute und morgen erzeugst: Mach<br />

es zusammen mit den Menschen, nicht für die Menschen“.<br />

Viele Firmen haben immer noch eine Vorstellung von<br />

Wirtschaft, die dem Haifisch-Becken ähnelt: Fressen oder<br />

gefressen werden. Die Konsumenten: willkommene Beute.<br />

Mit ihnen nun in einen ernst gemeinten Dialog zu treten<br />

ist für viele Neuland. Es funktioniert nicht, sich als Hai mit<br />

einer Delphin-Maske zu tarnen. Ein radikales Umdenken ist<br />

erforderlich, genauso wie Mut und eine klare Entscheidung<br />

der Unternehmensführung.<br />

Provokation für Veränderung<br />

Unilever in London hat sich auf die Reise gemacht, Co-Creation<br />

zu implementieren. Doch ein Out-of-the-Box-Denken<br />

machte es auch nötig, Out-of-the-Headquarter zu arbeiten.<br />

Deshalb baute der Konzern im Londoner Szene-Viertel<br />

Clerkenwell ein eigenes Co-Creation-Center auf. In diesem<br />

Labor entwickelt Unilever gemeinsam mit Kunden, Experten,<br />

Kreativen und Wissenschaftlern neue Projekte. Alles, was<br />

diesen Prozess unterstützen kann, steht zur Verfügung: Ein<br />

„Sensory-Lab“, in dem Prototypen schnell entwickelt und<br />

mit allen Sinnen getestet werden. Modernste Kommunikations-Technologie.<br />

Und eine Cafeteria als Umschlagplatz von<br />

Ideen, die die jeweiligen Themen kulinarisch reflektiert. „Hier<br />

beginnt die Zukunft“, sagt Dave Lewis, President Personal<br />

Care Unilever, der dieses Center initiierte. „Menschen, die<br />

die Welt verändern wollen, entwickeln hier unwiderstehliche<br />

Ideen und Breakthrough-Innovations. Hier sprühen die<br />

Funken und jeder der hier arbeitet, will ein Game-Changer<br />

von morgen werden. Dieses Center transformiert die Art,<br />

wie wir arbeiten und provoziert Veränderung.“<br />

In der Konzeption dieses Projektes holte sich Unilever<br />

Unterstützung in Person von Prof. Christine Woesler de<br />

Panafieu. Die Grand Dame der französischen Trendforschung<br />

beschäftigt sich sei zwei Jahrzehnten mit diesem<br />

Thema (siehe Interview). Ich treffe sie in Paris, wo sie nach<br />

Jahren als Soziologie-Professorin und Pionierin zu Frauenund<br />

Umwelt-Themen ihr eigenes Unternehmen „Cosight“<br />

aufgebaut hat. In Interviews mit Cutting-Edgern, also mit<br />

der weltweit verteilten Avantgarde, erforscht sie die sich<br />

wandelnden Wertvorstellungen der Menschen. Sie kommt zu<br />

dem Ergebnis, dass wir es weltweit verstärkt mit mündigen<br />

Konsumenten zu tun haben, die mitgestalten wollen. „Dies<br />

stellt Firmen vor die Aufgabe, dass sie sich neu erfinden und<br />

out of the box denken müssen. Mit Co-Creation gelingt dies<br />

am besten.“<br />

Etwas bewusst zu erschaffen – das ist es doch, was uns als<br />

menschliche Spezies einzigartig macht. Kreation liegt uns<br />

in den Genen. Mit dem Wunder der Co-Creation hat unser<br />

eigenes Leben begonnen. Seither spielen Milliarden Zellen<br />

in unserem Körper jede Sekunde auf perfekte Art zusammen.<br />

Wie nach einem geheimnis<strong>voll</strong>en Konstruktionsplan.<br />

Diese Erfolgsprinzipien der Natur zu erforschen und sie in<br />

Unternehmen und Gesellschaft anzuwenden, ist das Gebot<br />

der Stunde.<br />

Zum Weiterlesen<br />

www.fabrica.it<br />

www.venkatramaswamy.com<br />

CHRISTOPH SANTNER<br />

„Zukunft ist, was wir draus machen“, ist der Autor, Redner und Innovations-Berater<br />

überzeugt. Für <strong>forum</strong> schreibt er regelmäßig über<br />

Zukunftsfragen. Seit 25 Jahren ist er auf dieses Thema spezialisiert.<br />

c.santner@nachhaltigwirtschaften.net<br />

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THEMEN | ENERGIE & KLIMA |<br />

Atomkraft sayounara!<br />

Wie Japan ein Drittel seiner Stromproduktion verliert – und trotzdem funktioniert.<br />

Von Ingo Leipner<br />

Die Japaner fürchteten die Stromknappheit nach dem ersten<br />

Ausstieg aus der Atomkraft im Frühjahr 2012. Der Blackout blieb<br />

aus und Tokio leuchtet weiterhin bei Nacht.<br />

Foto: © shirophoto by istockphoto.com<br />

92<br />

<strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| ENERGIE & KLIMA | THEMEN<br />

Wären in den vergangenen 2 ½ Jahren in Tokio alle Lichter<br />

ausgegangen, hätte es dicke Schlagzeilen in deutschen<br />

Zeitungen gegeben. Doch es kam anders, obwohl rund ein<br />

Drittel der japanischen Stromerzeugung weggebrochen ist.<br />

Der Hintergrund: Vor Fukush2ima produzierten 54 Atomreaktoren<br />

einen erheblichen Teil des Stroms – landesweit<br />

genau 27 Prozent! Das Land lag bei der Atomkraft weltweit<br />

auf Platz 3, nur übertroffen von den Vereinigten Staaten mit<br />

104 Reaktoren und Frankreich mit 59 Reaktoren.<br />

März 2011: Katastrophe von Fukushima<br />

Dann traf der Tsnuami am 11. März 2011 das Atomkraftwerk<br />

in Fukushima, und schlagartig mussten die Energieversorger<br />

elf Reaktoren vom Netz nehmen, wodurch acht Prozent der<br />

japanischen Stromerzeugung ausfielen (12 GW). Im Laufe<br />

des Jahres kam es zu weiteren Abschaltungen: Schäden,<br />

Routine-Inspektionen und der Druck der Bevölkerung sorgten<br />

dafür, dass kurze Zeit nach Fukushima nur noch 13 Reaktoren<br />

Strom lieferten. Statt 49 GW standen Japan lediglich 11 GW<br />

aus Atomstrom zur Verfügung.<br />

Frühjahr 2012: Japan zum ersten Mal ohne Atomkraft<br />

In Tokio leuchtet die Lichtreklame<br />

Trotzdem keine Meldungen in Deutschland über Blackouts…<br />

und der Niedergang der Atomkraft in Japan ging weiter: Die<br />

verbliebenen Reaktoren stellten ihre Arbeit ein, und rund ein<br />

Jahr nach „Fukushima“ ging der letzte aktive Reaktor „Tomari<br />

3“ vom Netz. Er steht auf der Nordinsel Hokkaido und wurde<br />

zu Wartungszwecken mehrere Monate abgeschaltet. Damit<br />

war Japan frei von Atomenergie – und trotzdem leuchtete<br />

in Tokio die Lichtreklame.<br />

„Das zeigt, dass es auch ohne Atomkraft geht“, freute sich laut<br />

FAZ Taro Kono, ein Politiker der Liberaldemokratischen Partei.<br />

Diese hatte Japan bis 2009 regiert und die Atomenergie stets<br />

mit viel Geld gefördert. Denn es gab intensive Beziehungen<br />

zu den Atomkonzernen, Kritik an dieser Energieform war<br />

nicht gefragt. Trotzdem war Kono schon vor Fukushima ein<br />

Gegner der Atomenergie und sagte der FAZ: „Jetzt kommen<br />

viele meiner Abgeordnetenkollegen und sagen: Du hast wohl<br />

doch recht gehabt.“ Und die Fraktionsvorsitzende der Grünen<br />

im Europaparlament, Rebecca Harms, stellte fest, „dass<br />

das Land mit seiner energiehungrigen Industrie und seinen<br />

gigantischen Städten auch ohne Atomstrom funktioniert.“<br />

Sommer 2012: Japan wieder mit Atomkraft<br />

Doch dann stand 2012 ein heißer Sommer bevor – und japanische<br />

Energieversorger stimmten das Lied der Stromengpässe<br />

an. Ein Argument, das auch in der deutschen Debatte immer<br />

wieder zu hören ist. Das Unternehmen „Kansai Electric Power“<br />

(KEPCO) befürchtete: In den Großstädten Osaka, Kyoto<br />

und Kobe könnte der Bedarf das Angebot um 20 Prozent<br />

übersteigen. Der Grund: die hohe Stromnachfrage durch<br />

Klimaanlagen.<br />

Atomkraft zur Sicherung des Lebensstandards?<br />

Kein Wunder, dass das „Handelsblatt“ am 05.07.2012 meldet:<br />

„Japan steigt wieder in den Atomstrom ein“. Um 7.00 Uhr<br />

Ortszeit sei der Reaktor 3 im Atomkraftwerk Oi wieder ans<br />

Netz gegangen, betrieben von KEPCO. Der damalige Ministerpräsident<br />

Yoshihiko Noda erklärte, ohne Atomkraft wäre<br />

Japan nicht in der Lage, seinen Lebensstandard zu halten.<br />

Daher sollten auch die anderen Reaktoren in Oi folgen.<br />

September 2013: Japan zum zweiten Mal ohne Atomkraft<br />

Doch die befürchteten Engpässe blieben aus, und die<br />

„Renaissance“ der Atomenergie dauerte nur wenige Monate:<br />

Seit September 2013 läuft in Japan die Stromversorgung<br />

völlig ohne Atomkraft, KEPCO hat den letzten Reaktor 4 in Oi<br />

heruntergefahren. Für eine Routine-Inspektion, die mehrere<br />

Monate in Anspruch nimmt. Doch Japan probt nicht den<br />

sofortigen Atomausstieg: Der neue Ministerpräsident Shinzo<br />

Abe lässt gerade prüfen, welche Reaktoren <strong>2014</strong> wieder ans<br />

Netz gehen könnten. Dafür wurden neue Sicherheitsregeln<br />

eingeführt, die aber nicht für Ruhe in der Bevölkerung sorgen:<br />

Der Widerstand gegen die Atomkraft wächst, zumal immer<br />

wieder gravierende Pannen am Katastrophen-Reaktor in<br />

Fukushima passieren.<br />

Im Sommer 2013 wurde bekannt: Aus der zerstörten Anlage<br />

fließen große Mengen radioaktives Wasser ins Meer,<br />

im August 2013 waren es täglich 300 Tonnen, die aus den<br />

Speichertanks ausliefen. Wer sich nur eine Stunde neben<br />

diesem Wasser aufhält, spürt bereits erste Symptome der<br />

Strahlenkrankheit: Ihm wird übel, und die Zahl der roten<br />

Blutkörperchen geht messbar zurück.<br />

Das „Atomdorf“<br />

Angesichts solcher Nachrichten dürfte die Atomindustrie<br />

in Japan schlechte Karten haben. Aber das so genannte<br />

„Atomdorf“ hält zusammen: Der scheinbar harmlose Begriff<br />

steht für die Lobby hinter der Atomenergie, zu ihr gehören<br />

Vertreter aus Universitäten, Energieversorgern und Regierung.<br />

Wie diese<br />

„Dorfgemeinschaft“ arbeitet, zeigt eine Rückblende in den<br />

April 2011, kurz nach „Fukushima“. Damals sprach der „Der<br />

Spiegel“ mit einem Mitarbeiter der „Tokyo Electric Power<br />

Company“ (TEPCO), weltweit bekannt als Betreiber der<br />

Fukushima-Reaktoren.<br />

Der Mitarbeiter wollte anonym bleiben und sagte im Telefon-Interview:<br />

„Dieses geschlossene Dorf hat sich bisher<br />

erlaubt, Daten und Prüfberichte aus Atomkraftwerken zu<br />

verbergen, zu fälschen und zu erfinden.“ Einer der Gründe<br />

dafür sei, dass die „Nuclear and Industrial Safety Agency“<br />

(NISA) nicht unabhängig arbeite. Eigentlich hat sie die<br />

Atomkraftwerke zu kontrollieren, aber: „NISA untersteht<br />

dem Wirtschaftsministerium, und das Wirtschaftsministerium<br />

hat auch das Ziel, die Atomkraft zu fördern. Ist es nicht<br />

merkwürdig, dass ein und dieselbe Behörde die Kraftwerke<br />

kontrollieren und fördern soll?“, fragte sich der TEPCO-Mit-<br />

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93


THEMEN | ENERGIE & KLIMA |<br />

arbeiter. Atomkraft adieu? Das letzte Wort ist in Japan längst<br />

nicht gesprochen.<br />

September 2013: Japan kündigt Ausstieg aus Atomkraft an<br />

Trotzdem kündigt die japanische Regierung im September<br />

2013 an, bis 2040 schrittweise aus der Atomenergie auszusteigen.<br />

Es soll keine neuen Atomkraftwerke geben – vor<br />

Fukushima hatten noch zwölf Neubauten eine Genehmigung<br />

erhalten. Allerdings bindet diese Erklärung keine künftigen<br />

Regierungen, und laut stern.de machen Japans Atomlobbyisten<br />

bereits mobil: „Das können wir auf keinen Fall<br />

akzeptieren“, so der Vorsitzende des Wirtschaftsverbands<br />

„Keidanren“, Hiromasa Yonekura. „Ich glaube nicht, dass das<br />

technologisch möglich ist.“<br />

Ausstieg bis 2040<br />

Aber wie haben es die Japaner geschafft, ein Drittel ihrer<br />

Stromversorgung zu verlieren und trotzdem keine dramatischen<br />

Blackouts zu erleben? Da hilft ein Blick in den Energiemix<br />

bei der Stromerzeugung und zwar vor der Katastrophe<br />

von Fukushima:<br />

• Kohle: 28 Prozent<br />

• Atomkraft: 27 Prozent<br />

• Gas: 26 Prozent<br />

• Öl: 9 Prozent<br />

• Wasserkraft: 8 Prozent<br />

• andere: 2 Prozent.<br />

63 Prozent der Stromproduktion gingen auf das Konto von<br />

Gas-, Öl- und Kohlekraftwerken. Von ihnen gibt es 60 Anlagen,<br />

wobei rund 90 Prozent davon Kohle oder Gas verbrennen.<br />

Erneuerbare Energie spielte mit zehn Prozent keine<br />

große Rolle. 2009 war Japan der drittgrößte Stromproduzent<br />

der Welt, nach den USA und China. 1.046 Terrawattstunden<br />

Strom speisten japanische Kraftwerke ins Netz ein. Als die<br />

Atomkraft ausfiel, fuhren die Energieversorger längst eingemottete<br />

Kraftwerke wieder hoch, die zum Beispiel auch<br />

Erdöl als Brennstoff nutzen. Ihr Wirkungsgrad liegt zum Teil<br />

unter 30 Prozent: Sie verwandeln die fossilen Rohstoffe vor<br />

allem in heiße Luft.<br />

Gaskraftwerke an der Kapazitätsgrenze<br />

Gaskraftwerke waren vor Fukushima nicht ausgelastet, weil<br />

sie im Betrieb zu hohe Kosten verursachten. Daher erzeugten<br />

sie nur in Spitzenzeiten Strom. Ihre Leistung ließ sich aber<br />

bis an die Kapazitätsgrenze steigern und konnte so die Lücke<br />

in der Stromversorgung schließen. Im Januar 2012 soll auf<br />

diese Weise die Energieversorgung wieder ein Niveau erreicht<br />

haben, das dem durchschnittlichen Jahresverbrauch<br />

von 2010 entsprach. Die FAZ zitiert dazu Makoto Yagi, den<br />

Präsidenten von KEPCO: „Es ist nicht ganz so einfach, wie<br />

es aussieht“, denn die Öl- und Gaskraftwerke würden jetzt<br />

in <strong>Voll</strong>last laufen. „Aber auch die müssen mal gewartet und<br />

dafür vom Netz genommen werden“, so Yagi. Und schon<br />

drohten wieder Engpässe.<br />

Foto: © Mariocopa by pixelio.de<br />

94<br />

<strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| ENERGIE & KLIMA | THEMEN<br />

Aber auch auf der Nachfrageseite geschah etwas: Es gab eine<br />

landesweite Kampagne zum Energiesparen, bei der sich sogar<br />

der Ministerpräsident per SMS an seine Landsleute wandte.<br />

Es kam zu gezielten, kurzfristigen Stromabschaltungen; das<br />

Wetter war relativ mild, und die Industrieproduktion ging<br />

zurück. TEPCO stellte fest: Die Stromnachfrage blieb 20<br />

Prozent unter den erwarteten Werten.<br />

CO 2<br />

-Emissionen steigen um 17 Prozent<br />

Eine Erfolgsstory? Weit gefehlt. Die ökologischen und ökonomischen<br />

Konsequenzen sind gewaltig: Die Strompreise stiegen<br />

insgesamt um rund 30 Prozent, allein in den Präfekturen<br />

Hokkaido, Tohoku und Shikohu gingen sie zum 1. September<br />

2013 bis zu neun Prozent in die Höhe. KEPCO erhöhte seine<br />

Strompreise im Mai 2013 um zehn Prozent. Der hohe Gasverbrauch<br />

führte dazu, dass Japan zum größten Importeur von<br />

Erdgas wurde, das als Flüssiggas auf Tankern ins Land kommt.<br />

2011/2012 sind diese Importe um 18 Prozent gestiegen, so<br />

das japanische Finanzministerium.<br />

Klar, was dann bei den CO 2<br />

-Emissionen passiert: Um 17<br />

Prozent stiegen sie im Energiesektor 2012 – von 374 Millionen<br />

auf 439 Millionen Tonnen pro Jahr (im Vergleich zu<br />

2011). Das hat der Informationsdienstleister „Bloomberg“<br />

ausgerechnet. Insgesamt emittierte Japan 1,173 Milliarden<br />

Tonnen CO 2<br />

, das waren 4,4 Prozent mehr als 2011. Und das,<br />

obwohl der gesamte Stromverbrauch um 2,9 Prozent gesunken<br />

ist. Alarmierende Zahlen für den Klimaschutz! Das ist die<br />

andere Seite der Medaille, wenn Japan (ungeplant) aus der<br />

Atomenergie aussteigt.<br />

Chance für Erneuerbare Energien<br />

Doch Prof. Friedbert Pflüger sieht auch große Chancen. Er<br />

ist Direktor des „European Centre for Energy and Resource<br />

Security” (EUCERS), King’s College London. Seine Einschätzung:<br />

Japan sollte „seine Gas-Infrastruktur nicht zu einseitig<br />

ausbauen”. Diese Energieform erleichtere aber „den Übergang<br />

in eine nachhaltigere und grünere Energieerzeugung der<br />

Zukunft“. Wie in Deutschland sind Gaskraftwerke dank ihrer<br />

Flexibilität geeignet, Schwankungen bei der Stromproduktion<br />

auszugleichen – immer wenn die Sonne nicht scheint, oder<br />

der Wind ausbleibt.<br />

Das geschieht aber nicht häufig, weil Japan von Meer umgeben<br />

ist und an den Küsten ein kräftiger Wind weht. So<br />

gibt es ein großes Potenzial für Windkraftanlagen. Auch die<br />

Gebirgszüge auf der Inselgruppe sind interessant, weil sich<br />

dort wie in Norwegen Wasserkraftwerke betreiben lassen.<br />

Schließlich scheint die Sonne intensiver als in Mitteleuropa,<br />

was für eine Nutzung der Solarenergie spricht. Außerdem<br />

gibt es große Potenziale für Geothermie-Anlagen.<br />

Daher setzt Prof. Pflüger auf Strom aus Sonne, Wind und Wasser:<br />

„Ein dezentrales Energienetz schützt den Verbraucher<br />

vor konzentrierten Schocks, wie sie etwa durch Erdbeben<br />

oder Tsunamis ausgelöst werden können.“ Es verhindere<br />

„zentralisierte Energieriesen mit Monopolstellung“. Prof.<br />

Pflüger: „Dies beugt zu engen Verflechtungen zwischen<br />

der Politik und den Interessen der Großkonzerne vor – ein<br />

besonders in Japan sehr wichtiger Faktor.“<br />

Februar <strong>2014</strong>: Japan setzt wieder auf Atomkraft<br />

Doch die Argumente Prof. Pflügers scheinen im Moment nicht<br />

populär zu sein, im Land des Super-GAUs. Im Februar <strong>2014</strong><br />

wollte Morihiro Hosokawa Gouverneur von Tokio werden<br />

– und setzte im Wahlkampf ganz auf den Ausstieg aus der<br />

Atomenergie. Er scheiterte gegen Yoichi Masuzoe, der von<br />

Ministerpräsident Shinzo Abe unterstützt wurde. Abe steht<br />

für einen klaren Kurs pro Atomkraft, das Votum der Wähler<br />

in Tokio gilt als Befürwortung einer weiteren Nutzung der<br />

Atomenergie in Japan. Daher schreibt die FAZ zu dieser<br />

Wahl: „Es wird nun erwartet, dass Abe dem Kabinett noch<br />

in diesem Monat einen Energieplan vorlegen wird, nach<br />

dem die Atomkraft im Energiemix künftig rund 20 Prozent<br />

der Stromversorgung übernimmt. (…) Die ersten Reaktoren<br />

dürften dann im Frühjahr wieder ans Netz gehen.“<br />

Windig oder verstrahlt. Die Japaner haben die Wahl: Vor allem<br />

Küstengebiete, wie hier die Oki-Inseln, eignen sich hervorragend<br />

als Standorte für erneuerbare Energien. Doch die Mitglieder des<br />

„Atomdorfes“ sträuben sich gegen die Energiewende Japans.<br />

<strong>forum</strong>-Autor INGO LEIPNER ist mit seiner Textagentur EcoWords auf<br />

Themen der Green Economy spezialisiert (<strong>Nachhaltig</strong>keit, Ökologie/<br />

Ökonomie, Erneuerbare Energie). Die Meldungen aus Japan hat er<br />

mit Staunen und Kopfschütteln verfolgt – und sich schließlich selbst<br />

in die Recherche begeben.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

95


THEMEN | ENERGIE & KLIMA |<br />

LEDs machen Unternehmen<br />

grüner und reicher<br />

Licht sorgt nicht nur für helle Momente im Büro oder an der Produktionslinie.<br />

Effiziente Beleuchtung trägt auch zum Klimaschutz bei und eröffnet Unternehmen<br />

große und leicht realisierbare Einsparpotenziale.<br />

Martin Väterlein<br />

Wer verbraucht heute noch 10 oder 20 Watt pro m² für seine<br />

Beleuchtung? In den meisten Firmen ist das der Fall, dabei<br />

kann man hier innerhalb kurzer Zeit viel Geld sparen. Die<br />

Technik und die Finanzierungsmodelle stehen dafür bereit.<br />

Eine Umstellung auf moderne LED-Technologie senkt die<br />

Stromkosten um bis zu 80 Prozent, reduziert den Aufwand<br />

für Wartung erheblich und lässt sich einfach finanzieren<br />

und fördern.<br />

Rechnen sich LEDs? Ein Beispiel aus der Flugzeugbranche<br />

Wie in vielen anderen Branchen kommt es beim Flugzeugbau<br />

auf absolute Präzision an. Dafür ist eine gute Ausleuchtung<br />

der Arbeitsflächen entscheidend. Wenn Labors und Produktionshallen<br />

fachgerecht beleuchtet sind, lassen sich Fehler<br />

vermeiden und Mitarbeiter genießen ein angenehmeres<br />

Arbeitsumfeld.<br />

Ein bekannter Flugzeugproduzent ersetzt nun seine Beleuchtung<br />

auf 7.500 m² mit 304 Metallhalogen-Lampen vom Typ<br />

HIE mit 400 Watt durch 255 moderne ApoluxLED-Leuchten<br />

mit 234 Watt. Diese Leuchten haben eine Lebensdauer von<br />

50.000 Betriebsstunden, was in diesem Fall einer Lebenszeit<br />

von circa zehn Jahren entspricht.<br />

In diesem Zeitraum müssten die alten HIE-Lampen mindestens<br />

fünf Mal ersetzt werden – dafür müsste der<br />

Flugzeugproduzent zusätzliche Kosten in Höhe von 54.720<br />

Euro aufbringen. Mit LEDs entfallen diese Wartungskosten.<br />

Gleichzeitig sinkt der Stromverbrauch sofort um genau 50<br />

Die Fakten im Überblick<br />

HIE 400 W<br />

i-save Ideallösung<br />

Allgemein<br />

Anzahl der Leuchten 304 255<br />

Leuchte HIE 400 W, 31.000 lm ApoluxLED 234 W, 28.000 lm<br />

Gesamtleistung 132 kW 66 kW<br />

Gesamtleistung pro Fläche 17,38 W/m2 8,75 W/m2<br />

- 50,4%<br />

Beleuchtungsstärken<br />

Mittlere Beleuchtungsstärke Em 810 lx 804 lx<br />

Gleichmäßigkeit g1 0,46 0,5<br />

Stromkosten<br />

x 365 Tage 1.156.320 kWh 578.160 kWh<br />

x 0,15 € / kWh (+2% / Jahr) 204.714 € 103.110 €<br />

x 10 Jahre 2.047.140 € 1.031.096 €<br />

Wartungskosten (6 x 30 € / Leuchte) 54.720 € entfallen<br />

Investition 215.000 €<br />

Gesamtersparnis Netto<br />

801.044 € / 10 Jahre<br />

- 578 GW<br />

Sechsstellige Einsparungen pro Jahr: Die Industrie hat das Potenzial der LED-Technologie erkannt.<br />

96 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| ENERGIE & KLIMA | THEMEN<br />

Erhellte Produktion: Wer in seinen Fabrikhallen auf Leuchtdioden (kurz: LED) umstellt, verbessert nicht nur die Lichtqualität und -verteilung<br />

zum Vorteil der Mitarbeiterleistung. Es lassen sich je nach Sanierungsumfang durchaus sechsstellige Strom- und Wartungskosten und<br />

dreistellige CO 2<br />

-Emissionen einsparen – jedes Jahr.<br />

Foto: © iStockphoto.com/num_skyman<br />

Prozent. Dem gegenüber steht ein einmaliges Investment<br />

in die LED-Technologie in Höhe von 215.000 Euro. Diese<br />

Investition rechnet sich spätestens innerhalb von 26 Monaten.<br />

Mit anderen Worten: Der Produzent von Flugzeugen<br />

wird anschließend in einer einzigen seiner Fertigungshallen<br />

knapp acht Jahre lang mehr als 100.000 Euro an Strom- und<br />

Wartungskosten pro Jahr sparen.<br />

Ein großer Vorteil der LED-Leuchten: Sie lassen sich von<br />

0 bis 10 Volt dimmen und durch Sensoren aktivieren. Mit<br />

HIE-Metalldampfstrahlern ist das nur eingeschränkt möglich,<br />

da sie einige Zeit zum Anlaufen und Abkühlen benötigen.<br />

Intelligente Lichtsteuerung durch Bewegungsmelder oder<br />

tageslichtabhängige Sensoren verringert den Stromverbrauch<br />

zusätzlich.<br />

Die Lichtqualität steigt – und damit die Mitarbeiterleistung<br />

Auch die Lichtverteilung und die Lichtqualität der geforderten<br />

800 Lux in der Halle verbessern sich durch diese Maßnahme.<br />

Damit steigt die Sicherheit am Arbeitsplatz, die Fehlerquote<br />

bei Wartungsarbeiten sinkt, wie z.B. eine Studie der Universität<br />

Ilmenau bereits 2009 nachgewiesen hat.<br />

Ökologisch rentiert sich die Umstellung sowieso. In unserem<br />

Beispiel werden auf Basis des herkömmlichen deutschen<br />

Strommixes über 300 Tonnen CO 2<br />

jährlich eingespart.<br />

Neben der Neuinstallation von LEDs kann man alte Leuchten<br />

in einigen Fällen auch eins zu eins ersetzen. In vielen Büroräumen,<br />

Labors und Hallen sind nach wie vor T8 Leuchtstoffröhren<br />

im Einsatz. Ihre Effizienz ist längst überholt: Sie verbrauchen<br />

etwa 60 Watt und lassen sich leicht und wirtschaftlich<br />

durch 25 oder 30 Watt T8 LED-Leuchten austauschen. Zudem<br />

ist die Umstellung besonders einfach, weil man die bestehenden<br />

Leuchtenkörper weiterverwenden kann.<br />

Finanzierung und Förderung unterstützen den Austausch<br />

Verschiedene Programme unterstützen die LED-Umrüstung<br />

in Unternehmen. Entsprechende Angebote finden sich unter<br />

anderem bei der KfW und dem Bundesumweltministerium.<br />

Die Bandbreite der Maßnahmen reicht von einer direkten<br />

Förderung bis zu zinsverbilligten Darlehen.<br />

Gleichzeitig können LED-Projekte so finanziert werden, dass<br />

die Investitionskosten vom Hersteller der Lichtlösungen oder<br />

von Leasingpartnern übernommen werden. Auf diesem<br />

Weg profitieren Unternehmen sofort von den eingesparten<br />

Stromkosten und erhöhen direkt ihren Cashflow.<br />

Fazit: LED-Leuchten sind mittlerweile technisch und preislich<br />

auf marktgerechtem Niveau. Die Umstellung von veralteten<br />

Leuchten ist in den meisten Fällen sinn<strong>voll</strong> und finanziell<br />

rentabel.<br />

Nach wie vor muss man vor dem Kauf von LED-Billigprodukten<br />

warnen. Qualitätsanbieter liefern technisch ausgereifte<br />

Leuchten und bieten auch Services wie kostenlose Lichtplanung,<br />

Wirtschaftlichkeitsberechnungen, Garantieverlängerungen<br />

und Finanzierungsmöglichkeiten.<br />

MARTIN VÄTERLEIN<br />

ist Head of Communications bei der i-save energy GmbH. Er ist<br />

davon überzeugt, dass keine andere Möglichkeit so einfach und<br />

nachhaltig das Unternehmensbudget und die Umwelt schont, wie<br />

die Umstellung auf LEDs.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

97


THEMEN | UNTERNEHMENSFÜHRUNG |<br />

Der T(h)urmblick<br />

Ab ins Netz<br />

Die <strong>forum</strong>-Kolumne mit dem T(h)urmblick gibt es ab sofort im Netz –<br />

und regelmäßig im <strong>forum</strong>-Newsletter.<br />

Von Ralph Thurm<br />

Die nächsten Jahre sind die Schicksalsjahre der <strong>Nachhaltig</strong>keit.<br />

Immer mehr angestammte Geschäftsmodelle<br />

funktio nieren nicht mehr, und die Anzahl an<br />

Alternativen nimmt zu. Dezentrale und lokale,<br />

nicht zwangsläufig gewinnorientierte und auf<br />

Zusammenarbeit ausgerichtete Geschäftsmodelle<br />

sind für viele von uns immer attraktiver.<br />

Sie stärken das Gemeinwohl und den<br />

lokalen Zusammenhalt. Das Internet<br />

sorgt für die Verbreitung der besten<br />

Lösungen. <strong>Nachhaltig</strong>keitsberichterstattung<br />

wird integriert in „normale“<br />

Geschäftsberichte – und sie ist ihren<br />

Sonderstatus der Rechenschaft<br />

gegenüber Stakeholdern, die nicht<br />

nur an Gewinnen orientiert sind,<br />

längst los. Das Interesse an der Art<br />

und Weise, wie Gewinn gemacht<br />

wird, nimmt auf breiter Front zu.<br />

Entgleisungen kann sich kaum noch<br />

jemand leisten. Transparenz wird<br />

aktiver Teil der Geschäftsstrategie.<br />

Sie hilft, Neues zu entdecken, Zusammenarbeit<br />

zu fördern und das<br />

Geschäftsmodell zu festigen.<br />

Nach sechs Jahren mit jeweils vier<br />

Ausgaben pro Jahr wechselt der<br />

T(h)urmblick nun auf die Webseite<br />

von <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong><br />

(www.<strong>forum</strong>-csr.net). Damit<br />

verändert sich auch der Stil der<br />

Kolumnen: mehr schlaglichtartige<br />

Betrachtungen und Beobachtungen<br />

der sich verändernden Welt. <strong>Nachhaltig</strong>keit und<br />

Innovation, neue Geschäftsmodelle, die sich entwickelnde<br />

„Sharing and circular economy“, aber auch die Veränderung<br />

der Umfeldbedingungen hin zu einer nachhaltigen Ökonomie.<br />

Und vor allem: immer mehr gute Beispiele, Projekte und<br />

Initiativen. Nach 25 Essays in der Printversion, die sich mehr<br />

auf die großen Linien konzentrierten, werden die Beiträge<br />

schneller und praktischer.<br />

Ich möchte mich an dieser Stelle für eine treue Leserschaft<br />

bedanken. Nach jeder Kolumne konnte ich mir vieler Zuschriften<br />

und Mails sicher sein, nicht immer habe ich alle<br />

beantworten können. Aber insbesondere diejenigen, die<br />

sich kritisch mit einer der Kolumnen auseinandersetzten,<br />

sind alle von mir beantwortet worden.<br />

Viele Leser des T(h)urmblicks haben sich auf meiner Webseite<br />

www.aheadahead.wordpress.com einge schrieben. Die<br />

Beiträge auf der Seite von <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong><br />

in deutscher Sprache stellen dazu eine gute Ergänzung dar.<br />

Ich hoffe, Sie auch dort genauso zahlreich wiederfinden zu<br />

können, und dann vielleicht öfter und auch interaktiver, das<br />

ist ja der Vorteil der neuen Medien. Bis bald also?<br />

RALPH THURM<br />

ist Gründer und Managing Director von<br />

A|HEAD|ahead.<br />

Lesen Sie die Kolumne „Der T(h)urm blick“<br />

künftig auf www.<strong>forum</strong>-csr.net.<br />

ralph.thurm@kpnmail.nl<br />

Blog: www.aheadahead.wordpress.com<br />

Foto: © freshidea, Fotolia.com<br />

98<br />

<strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| STRATEGIE & UNTERNEHMENSFÜHRUNG | THEMEN<br />

Erfolgreiches CSR-Management<br />

Stufe 2: Die richtige Strategie<br />

Der fünfte Teil der <strong>forum</strong>-Serie „Der CSR-Manager“ zeigt, wie Sie zur richtigen<br />

CSR-Strategie gelangen. Welche Methoden helfen und wo bilden gesellschaftliche<br />

Interessen eine gemeinsame Schnittmenge mit meinem Unternehmen?<br />

Serie: Der CSR-Manager<br />

Bestandsaufnahmkatiokontrolle<br />

Kommuni-<br />

Erfolgs-<br />

Strategie Umsetzung<br />

1<br />

2 3 4 5<br />

In fünf Stufen zum professionellen CSR-Management: Zweite Stufe – die Strategie<br />

In der vergangenen <strong>forum</strong>-Ausgabe haben wir erfahren, wie<br />

wichtig eine erste Bestandsaufnahme ist, um eine effektive<br />

CSR-Strategie abzuleiten. Stufe zwei zeigt, wie man seine<br />

strategischen Leitthemen findet.<br />

Strategische Leitthemen sind CSR-Themen, die eine enge<br />

Verbindung zum Kerngeschäft aufweisen und die im Idealfall<br />

gleichzeitig Chancen und Risiken im gesellschaftlichen<br />

Umfeld des Unternehmens betreffen. Jedes Unternehmen<br />

hat eigene Leitthemen. Wie finden Sie die CSR-Leitthemen<br />

für Ihr Unternehmen?<br />

Tools aus dem klassischen Management der strategischen<br />

Unternehmensführung sind hilfreich. Sie identifizieren die<br />

strategischen Leitthemen anhand der Berührungspunkte<br />

von Unternehmen und Gesellschaft. Man unterscheidet zwischen<br />

dem Einfluss des Unternehmens auf Gesellschaft und<br />

Stakeholder (die sog. Von-innen-nach-außen-Verbindung)<br />

und dem Einfluss gesellschaftlicher Rahmenbedingungen<br />

und des Wettbewerbsumfeldes auf das Unternehmen (sog.<br />

Von-außen-nach-innen-Verbindung).<br />

Wie beeinflusst mein Unternehmen die Gesellschaft?<br />

Die „Von-innen-nach-außen-Verbindung“ kann anhand des<br />

Wertekette-Tools untersucht werden (S. 70 im CSR-Manager).<br />

Grundsätzlich sollten Sie sich auf dieser Stufe darüber Gedanken<br />

machen, was die elementaren Prozessschritte in<br />

Ihrem Unternehmen sind und diese ähnlich der Wertekette<br />

(ebd.) in ihrem gegenseitigen Zusammenhang aufzeichnen.<br />

Betrachten Sie die Elemente Ihrer Wertschöpfungskette und<br />

überlegen Sie, welchen Einfluss sie auf Gesellschaft und<br />

Umwelt haben. Wird die Gesellschaft positiv oder negativ<br />

beeinflusst? Welche Möglichkeiten gibt es, positive Aktivitäten<br />

zu verstärken und negative Aktivitäten zu verringern<br />

oder zu ersetzen?<br />

So können in der Eingangslogistik durch die Reduktion von<br />

Transporten Emissionen verringert werden. In der Produkti<br />

o n kann man den Wasser- und Energieverbrauch senken,<br />

Müll vermeiden, die Artenvielfalt erhalten oder die Arbeitssicherheit<br />

verbessern. In der Ausgangslogistik ist es möglich,<br />

auf umweltfreundliches Verpackungsmaterial zu achten und<br />

negative Folgen durch Transporte zu verringern.<br />

Einen klaren Fokus setzen<br />

Es sollte aber nicht Ziel sein, zu möglichst vielen Berührungspunkten<br />

Einzelprojekte zu starten. Es geht darum, sich der<br />

Schnittpunkte bewusst zu werden und daraus Leitthemen<br />

zu entwickeln, die für das eigene Unternehmen gelten und<br />

ihm somit im Idealfall Einzigartigkeit verschaffen können.<br />

Stellen Sie sich also die Frage: Gibt es entlang der Wertekette<br />

Potenziale, die Gesellschaft positiv zu beeinflussen, die unsere<br />

Wettbewerber nicht haben? Und wie können wir uns<br />

dadurch am besten von unseren Wettbewerbern abheben?<br />

Wie beeinflusst die Gesellschaft mein Unternehmen?<br />

Im nächsten Schritt geht es darum, externe Herausforderungen<br />

abzusehen, die die Zukunft Ihres Unternehmens beeinflussen.<br />

Die Auswirkungen gesellschaftlicher Veränderungen<br />

auf die Entwicklung eines Unternehmens sind enorm. Sie<br />

können darüber entscheiden, ob Ihr Unternehmen seine Strategie<br />

überhaupt langfristig verfolgen kann. Die Schnittpunkte<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

99


THEMEN | STRATEGIE & UNTERNEHMENSFÜHRUNG |<br />

Serie: Der CSR-Manager<br />

stellen die „Von-außen-nach-innen-Verbindung“ dar und<br />

können mit Hilfe des Diamanten-Modells ermittelt werden<br />

(S. 77 im CSR-Manager). Stellen Sie sich folgende Fragen:<br />

Welche gesellschaftlichen Trends können unser Unternehmen<br />

jetzt und in Zukunft beeinflussen? Wie können wir diese<br />

und die damit verbundenen Chancen besser nutzen? Wie<br />

können wir den gesellschaftlichen Veränderungen entgegentreten,<br />

die Risiken für unser Unternehmen sind?<br />

Für einen Hersteller von Fast Food wäre das sicherlich die<br />

zunehmende Fettleibigkeit von Kindern. Führen Sie ein<br />

Fitness-Studio, so ist diese Entwicklung auch für Sie von<br />

Bedeutung.<br />

Im Idealfall minimieren die Leitthemen nicht nur negative<br />

Auswirkungen Ihrer Geschäftstätigkeit auf die Gesellschaft.<br />

Sondern Sie finden Themen, die sowohl einen Bezug zur<br />

Wertschöpfungskette wie auch zum gesellschaftlichen<br />

Umfeld aufweisen. So könnten Sie durch verstärkte Akquise<br />

und interne Aus- und Weiterbildung dem Fachkräftemangel<br />

entgegenwirken. Durch die Bearbeitung „beidseitiger“<br />

Leitthemen wird aus reaktivem Krisenmanagement zukunftsgerichtetes<br />

Handeln.<br />

Strategisch-konsequente CSR bei Henkel<br />

Das Unternehmen Henkel verknüpft seine CSR-Aktivitäten<br />

strategisch mit dem Kerngeschäft. Die relevanten ökologischen<br />

und sozialen Herausforderungen entlang der Wertschöpfungskette<br />

und im gesellschaftlichen Umfeld werden<br />

systematisch identifiziert und in fünf strategische Leitthemen<br />

(bei Henkel „Fokusfelder“) gegliedert: „Energie und Klima“,<br />

„Wasser und Abwasser“, „Materialien und Abfall“, „Gesundheit<br />

und Sicherheit“ sowie „gesellschaftlicher und sozialer<br />

Fortschritt“. Für alle Fokusfelder hat sich das Unternehmen<br />

konkrete Zielvorgaben gesetzt, das es mit einem systematischen<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keitsprogramm realisiert.<br />

Die strategisch- konsequente CSR trägt zur langfristigen<br />

Wertsteigerung des Unternehmens und zur Umsetzung der<br />

strategischen Prioritäten von Henkel bei. Verantwortliches<br />

<strong>Wirtschaften</strong> fördert die Motivation der Mitarbeiter sowie<br />

ihre Identifikation mit dem Unternehmen – und schafft damit<br />

die Grundlage für ein starkes, globales Team. Der Anspruch<br />

von Henkel, dass jedes neue Produkt in mindestens einem der<br />

Fokusfelder einen wesentlichen Beitrag leisten muss, führt<br />

zu immer effizienteren Produkten und besseren technischen<br />

Lösungen. CSR ist damit wichtiger Innovationstreiber und bedeutend<br />

für das Ausschöpfen des <strong>voll</strong>en Geschäftspotenzials.<br />

CSR darf kein Feigenblatt sein<br />

CSR darf keinesfalls missbraucht werden, um maßloses<br />

Gewinnstreben zu legitimieren oder um Imagepflege zu<br />

betreiben. Hochglanz-Publikationen dokumentieren nicht<br />

selten oberflächliche Projekte, in denen sich Unternehmen<br />

mit ihren Wohltaten schmücken. Spenden nach dem Gießkannenprinzip<br />

sind noch lange keine CSR. Eine erfolgreiche<br />

CSR-Strategie, die sowohl der Gesellschaft, wie auch dem<br />

Unternehmen Nutzen bringt, fokussiert auf unternehmensindividuelle<br />

Leitthemen. Pflicht ist hierbei die Verknüpfung<br />

zwischen Engagement und Kerngeschäft! Zudem müssen<br />

die CSR-Aktivitäten die Unternehmenskultur glaubwürdig<br />

widerspiegeln. CSR von der Stange gibt es nicht – jedes Unternehmen<br />

muss seine individuellen Leitthemen finden, mit<br />

denen es gesellschaftlichen Risiken und Chancen in seinem<br />

Wettbewerbsumfeld begegnen kann.<br />

Die richtige CSR-Strategie ist gefunden. Wie Sie diese steuern<br />

und umsetzen, erfahren Sie in der nächsten Ausgabe<br />

von <strong>forum</strong>. Darin lernen Sie auch wichtige CSR-Maßnahmen<br />

kennen und wie Sie Kooperationen professionell<br />

gestalten.<br />

Das Fachbuch „Der CSR-Manager“<br />

Das Fachbuch „Der CSR-<br />

Manager – Unternehmensverantwortung<br />

in<br />

der Praxis“ hilft Unternehmen,<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit<br />

als neue Denkhaltung<br />

und ganzheitlichen<br />

Ma na gementansatz zu<br />

gestalten und davon zu<br />

profitieren. Der Praxisbezug, die anschaulichen<br />

Tipps und der kompakte Inhalt mit<br />

zahlreichen Checklisten erleichtern den Einstieg<br />

in das Thema. Nicht zuletzt deshalb ist<br />

das Buch bereits in einer zweiten, aktualisierten<br />

Auflage erschienen.<br />

Sie können „Der CSR-Manager. Unternehmensverantwortung<br />

in der Praxis“, 2. Auflage, ALTOP<br />

Verlag 2011, 236 Seiten, EUR 24,90, ISBN 978-<br />

3-925646-53-9 im Buchhandel oder direkt unter<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net/csr-manager bestellen.<br />

Das <strong>forum</strong>-Praxisseminar<br />

Wegen vielfacher Anfrage bietet <strong>forum</strong><br />

nunmehr auch ein Praxisseminar „Der CSR-<br />

Mana ger – Unternehmensverantwortung professionell<br />

gestalten“ an.<br />

Das Seminar ist modular nach verschiedenen<br />

Schwerpunktthemen aufgebaut. Pro Quartal<br />

findet ein Modul (ein Tag) jeweils bei einem<br />

Gastgeber–Unternehmen statt. Die Module<br />

können einzeln oder als Gesamtpaket gebucht<br />

werden. Modul vier schließt mit einer<br />

Prüfung zum „Zertifizierten CSR-Manager“<br />

ab.<br />

Referenten:<br />

Dr. Dennis Lotter, Jerome Braun,<br />

Jana Hepperle, Fritz Lietsch, Tina Teucher<br />

Anfragen dazu bitte direkt an<br />

f.lietsch@<strong>forum</strong>-csr.net<br />

oder buchen Sie Ihre Teilnahme direkt online<br />

unter www.<strong>forum</strong>-csr.net/events<br />

Die Autoren<br />

DR. DENNIS LOTTER und JEROME BRAUN<br />

begleiten mit ihrer Agentur Benefit Identity<br />

Unternehmen und Organisationen seit mehr<br />

als zehn Jahren bei der Gestaltung ihrer<br />

Marken integrität durch eine verantwortliche<br />

Betriebsführung. Darüber hinaus sind sie<br />

gefragte Fachautoren und Vortragsredner.<br />

www.benefitidentity.com<br />

100 Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. <strong>forum</strong> Ein Produkt <strong>Nachhaltig</strong> der Steinbeis <strong>Wirtschaften</strong><br />

Papier GmbH.


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Öko-Wälder für Faber-Castell: Die Bauern übernehmen die Pflege der Wälder und lassen hier auch ihre Cebu-Rinder grasen.<br />

Öko-Holz von Faber-Castell<br />

Es ist eine beispiellose Umwelt-Kampagne<br />

zur Rettung zerstörter Natur: Mit riesigen<br />

Öko-Wäldern kämpfen Staat und Förderer<br />

gegen die voranschreitende Erosion im<br />

ländlichen Norden Kolumbiens. Auch<br />

Faber-Castell unterstützt die Bauern: Auf<br />

ihrem einst kargen Boden wächst nun<br />

Bleistift-Holz.<br />

Im strukturschwachen Norden Kolumbiens<br />

bewirtschaften 67 Bauern für Faber-Castell<br />

1.876 Hektar Wald zur Rohstoffversorgung.<br />

Hierzu stellen sie einen Teil ihrer eigenen,<br />

bis dato hauptsächlich für das Weidevieh<br />

genutzten Agrarflächen zur Verfügung. Für<br />

die neu entstehenden Waldareale wird die<br />

schnellwachsende Spezies Gmelina arborea<br />

eingesetzt, deren Bewirtschaftung und Pflege<br />

den Bauern erstmalig eine monatliche<br />

Grundsicherung einbringt. Auch an den<br />

Verkaufserlösen des Holzes werden die<br />

Landwirte beteiligt. Faber-Castell will die<br />

Waldfläche mittelfristig auf 3.000 Hektar<br />

ausdehnen.<br />

Das Forstprojekt ist die Folge eines großflächigen,<br />

staatlich geförderten Restrukturierungsprogramms,<br />

das die von Überweidung<br />

und Erosion stark betroffenen Gemeinden<br />

entlang des Rio Magdalena umfasst. Das<br />

Projekt soll die durch Überschwemmungen<br />

und Missernten geschundene Region nicht<br />

nur ökologisch retten, sondern sie auch<br />

wirtschaftlich und politisch stabilisieren.<br />

Der Investor Faber-Castell bietet den Bauern<br />

eine Zukunftsperspektive und sichert<br />

gleichzeitig die eigene Rohstoffversorgung<br />

aus ökologisch einwandfreien Quellen.<br />

Holz als nachwachsender Rohstoff ist das Umweltfreundlichste,<br />

das die Erde für die Holzstiftproduktion<br />

(z.B. Colour Grip Farbstift aus<br />

zertifiziertem Gmelina-Holz) zu bieten hat. Kein<br />

Kunststoff kann seine Ökobilanz toppen.<br />

Das Projekt findet höchste Anerkennung:<br />

Die Vereinten Nationen zertifizierten es für<br />

das Programm „Mechanismus für umweltverträgliche<br />

Entwicklung“. Faber-Castell<br />

darf somit als erstes Privatunternehmen<br />

weltweit Emissions-Zertifikate aus Forsten<br />

verkaufen, wie sie im Kyoto-Protokoll zur<br />

Verringerung des weltweiten Treibgas-Ausstoßes<br />

vorgesehen sind. Dieser wird mit<br />

33,5 Milliarden Tonnen pro Jahr beziffert,<br />

was langfristig zu einer Erderwärmung um<br />

mindestens 6 Grad Celsius führen würde –<br />

mit verheerenden Folgen für den Planeten.<br />

Faber-Castell weist schon seit den 80er Jahren<br />

eine positive Klimabilanz auf. Zusammen<br />

mit den 10.000 Hektar eigenen Pinienforsten<br />

in Brasilien stammen 99 Prozent der<br />

von Faber-Castell eingesetzten Hölzer aus<br />

zertifizierten Quellen.<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.faber-castell.de.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

101


THEMEN | BIODIVERSITÄT |<br />

Ausgleich für die Natur<br />

Meist zähneknirschend und gesetzestreu, doch nur selten freiwillig zahlen Unternehmen<br />

für Natur-Ausgleichsmaßnahmen. Diese sogenannten Biodiversitäts-Offsets<br />

bergen ein riesiges Marktpotenzial, sind aber auch umstritten.<br />

Von Sven Stöbener, Suleika Suntken und Joost Bakker<br />

1<strong>02</strong> <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| BIODIVERSITÄT | THEMEN<br />

Jedes Unternehmen wirkt mit seinen Aktivitäten auf die<br />

Biodiversität, also die Vielfalt von Arten und Ökosystemen<br />

ein. Diese Auswirkungen kann man mit Hilfe von marktbasierten<br />

Instrumenten 1 bewerten. Je nachdem, ob sie positiv<br />

oder negativ sind, lassen sie sich als Guthaben oder Kredit<br />

darstellen. Solche Gewinne oder Verluste fließen schließlich<br />

in die wirtschaftliche Entscheidungsfindung ein. Biodiversitäts-Offsets<br />

(Kompensationsmaßnahmen) sind messbare<br />

Naturschutz- und Wiederherstellungsmaßnahmen, die i.d.R.<br />

als Kompensation für unvermeidbare und nicht-reduzierbare<br />

Eingriffe in die Biodiversität gelten. Biodiversitäts-Offsets<br />

kann man in „Punkten“ bewerten und an Vorhabenträger<br />

(z.B. Unternehmen) verkaufen, die auf diese Weise ihrer<br />

gesetzlichen Pflicht zum Ausgleich nachkommen (verpflichtende<br />

Biodiversitäts-Offsets) oder zusätzliche Naturschutzmaßnahmen<br />

(freiwillige Biodiversitäts-Offsets) unterstützen.<br />

Ein effizientes Biodiversitäts-Offset sollte zum Beispiel garantieren,<br />

dass Bauvorhaben einen Gewinn, zumindest aber<br />

keinen Verlust von Biodiversität mit sich bringen. Erst wenn<br />

alle Vermeidungs- und Minimierungsoptionen ausgeschöpft<br />

sind, sollten Manager den Erwerb von Biodiversitäts-Offsets<br />

in Betracht ziehen (siehe Infokasten).<br />

Rechtliche Vorgaben und freiwillige Biodiversitäts- Offset-<br />

Systeme<br />

Über 30 Länder schreiben bereits gesetzliche Biodiversitäts-Offsets<br />

vor. Nordamerika, Europa und Australien sind<br />

die Hauptbefürworter von regulierten Biodiversitäts-Offsets,<br />

die sich aus der jeweiligen Habitat- und Artenschutzgesetzgebung<br />

ableiten. Wenn ein Land keine gesetzlichen Vorgaben<br />

hat, oder die Gesetzgebung schwammig ist, können<br />

Unternehmen freiwillig Ausgleichsmaßnahmen, wie z.B. im<br />

Rahmen des Business and Biodiversity Offset Programms<br />

(BBOP) (siehe Infokasten) vornehmen. Unternehmen, die<br />

sich dafür entscheiden, freiwillige Kompensationsmaßnahmen<br />

durchzuführen, sind meist stark von Biodiversität<br />

Die Minderungshierarchie in Deutschland<br />

Kompensationsmaßnahmen sind in Deutschland durch die Eingriffs-Ausgleichsregelung<br />

seit 1976 gesetzlich verankert. So müssen<br />

gemäß §§ 14ff. des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG)<br />

Eingriffe in Natur und Landschaft vermieden, minimiert und nicht<br />

vermeidbare Eingriffe durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen<br />

kompensiert werden, bzw. es muss ein Ersatzgeld gezahlt werden.<br />

Grundsätzlich sind Eingriffe in die Natur möglichst zu vermeiden. Ist<br />

dies nicht möglich, wird der Wert der Natur erfasst und bewertet.<br />

Wenn ein Unternehmen Biotope oder andere Schutzgüter – Tiere,<br />

Pflanzen, Boden, Wasser, Luft und Klima – erheblich beeinträchtigt,<br />

muss es dies ausgleichen. Die Höhe des Ausgleichs wird i.d.R. anhand<br />

eines Biotopwertverfahrens ermittelt.<br />

Seit der Novellierung des BNatSchG im Jahre 2009 sind Ausgleichund<br />

Ersatzmaßnahmen gleichgestellt. Das erleichtert die Umsetzung<br />

der Kompensationsverpflichtung für Bauvorhabenträger.<br />

Außerdem hat es die bundesweite Etablierung von Ökokonten<br />

ermöglicht. Die neue bundeseinheitliche Regelung bekräftigt die<br />

im §16 Abs. 2 BNatSchG geregelte Inanspruchnahme von Flächenpools<br />

und Ökokonten.<br />

Foto: © Martin Gebhardt, pixelio.de<br />

1 Hierzu gehören Abgaben, Subventionen oder handelbare Zertifikate<br />

Seltener Anblick: Moore gelten als besonders wert<strong>voll</strong>e und empfindliche<br />

Ökosysteme. Sie sind gefährdet durch großflächige Trockenlegungen.<br />

Biodiversitäts-Offsets, für die Unternehmen zahlen,<br />

sollen einen Ausgleich für „verbrauchte“ Natur bieten.<br />

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103


THEMEN | BIODIVERSITÄT |<br />

abhängig und greifen stark in Ökosysteme ein. Dazu gehören<br />

Firmen der Branchen Bergbau, Öl und Gas, Bau, Tourismus,<br />

Agrarwirtschaft sowie Wasserkraftwerke und Windenergie.<br />

Die Öffentlichkeit und zum Teil auch Finanzinstitute (wie z.B.<br />

im Rahmen der Equator Principles 2 oder des Performance<br />

Standard 6 der International Finance Corporation (IFC) 3 erwarten<br />

von diesen Industrien, dass sie die Verantwortung für<br />

ihre Eingriffe in die Biodiversität übernehmen. Sie sollen den<br />

Schaden ausgleichen bzw. ersetzen, auch wenn sie in Ländern<br />

tätig sind, die keine gesetzlichen Kompensationsmaßnahmen<br />

vorschreiben. Durch freiwillige Biodiversitäts-Offsets<br />

demonstrieren Unternehmen ihre Verantwortung und<br />

erlangen eine Einfluss- und Steuerungsmöglichkeit auf die<br />

gesetzgebenden Prozesse sowie die Entwicklung von neuen<br />

Geschäftsmodellen im Bereich Biodiversitäts-Offsets.<br />

Die Informationsplattform Ecosystem Marketplace schätzt,<br />

dass das „jährliche, weltweite Marktvolumen für Biodiversitäts-Offsets<br />

mindestens 2,4 bis 4,0 Milliarden US-Dollar<br />

beträgt, aber wahrscheinlich mehr als 80 Prozent der Programme<br />

nicht <strong>transparent</strong> genug sind, um ihr Marktvolumen<br />

abschätzen zu können”. 4 Im Jahr 2<strong>02</strong>0 könnten Biodiversitäts-Offsets<br />

laut des „Little Biodiversity Finance Book“<br />

der NGO Global Canopy Programme 5 5,2 bis 9,8 Milliarden<br />

US-Dollar erwirtschaften. Allerdings schätzen die Experten<br />

das Potenzial von freiwilligen Offsets ohne gesetzliche Regelungen<br />

als eher gering ein. Dies verdeutlicht, dass eine<br />

Regulierung dringend notwendig ist, um den Umfang und die<br />

Wirkung des durch Offsets gewonnenen Kapitals zu lenken.<br />

Das Business und Biodiversität Offset Programm<br />

(BBOP)<br />

BBOP ist ein internationaler Zusammenschluss von mehr als 75<br />

Unternehmen, Regierungen, Finanzinstituten und zivilgesellschaftlichen<br />

Organisationen. Sie zeigen durch Best Practice-Beispiele,<br />

wie die Minderungshierarchie am besten anzuwenden ist. BBOP<br />

soll Vorhabenträgern helfen, zumindest das Ziel kein-Netto-Verlust<br />

(No-Net-Loss) und am besten einen Zugewinn an Biodiversität<br />

(Net-Gain) zu erreichen. 2012 publizierte BBOP einen Standard für<br />

Biodiversitäts-Offsets. Damit können Auditoren und Gutachter die<br />

Qualität der Minderungsmaßnahmen (Biodiversitäts-Offsets inbegriffen)<br />

beurteilen. Unternehmen erhalten durch den Standard<br />

Best Practice-Empfehlungen für die Planung, das Design, die Umsetzung<br />

und das Monitoring der Biodiversitäts-Offsets. BBOP wird<br />

den Standard über die nächsten Jahre testen und kontinuierlich<br />

anpassen.<br />

Quelle: http://bbop.forest-trends.org<br />

Die Transparenz fehlt, weil Schaden und Verbesserungen<br />

schwer zu messen sind<br />

Immer mehr Unternehmen führen freiwillig Biodiversitäts-Offsets<br />

als Teil ihrer Umwelt- und Risikomanagement-Strategie<br />

durch. Der UNEP FI-Bericht 6 stellt die Schwierigkeiten<br />

zusammen, die dabei auftreten können:<br />

1. Schlechter Ruf durch dürftige Ergebnisse und Leistungen:<br />

Biodiversität ist komplex. Sie zu bewerten und zu<br />

messen, ebenfalls. Solche methodischen Schwierigkeiten<br />

machen ausgleichswillige Unternehmen angreifbar. Jede<br />

Offset-Entscheidung braucht einen <strong>transparent</strong>en, partizipativen<br />

Prozess, der auf nach<strong>voll</strong>ziehbaren Standards<br />

und Prinzipien aufbaut.<br />

2. Ausgestaltung: Welches ist das passende Messsystem?<br />

Wann ist ein Offset angemessen? Wo verläuft die Grenze<br />

zwischen Minderung und Ausgleich bei Eingriffen? Wie<br />

gehen wir mit Verlagerungseffekten um, wenn sich die<br />

Biodiversitätsverluste also nur geographisch verschieben?<br />

Solche Gestaltungsfragen stellen sich bei jedem<br />

Offset neu.<br />

3. Kosten und zeitliche Koordination: Da Offsets auf Dauer<br />

angelegt sind, lassen sich die Maßnahmen schwer langfristig<br />

finanzieren. Auch die Verwaltung und die Klärung<br />

der Eigentumsrechte werden dadurch erschwert.<br />

4. Umsetzung: Wie beziehen wir die Betroffenen ein?<br />

Wie gehen wir damit um, dass wir keine einheitlichen<br />

Messmethoden haben? Wie reagieren wir auf Landnutzungskonflikte?<br />

5. Transparenz und Monitoring: Es gibt zu wenig zentralisierte<br />

Informationen, etwa über die einzelnen verbuchten<br />

und verkauften Kompensationsmaßnahmen aus den<br />

so genannten Habitat oder Species Banks (siehe Infokasten)<br />

in den USA. Das macht das Monitoring schwierig und<br />

sorgt für hohe Transaktionskosten. Außerdem steigt das<br />

Risiko, dass Gutschriften (sog. Credits) mehrfach verkauft<br />

werden. Laut einer Studie vom National Research Council<br />

werden 63 Prozent der Habitat oder Species Banks nur<br />

unzureichend überprüft.<br />

Können Biodiversitäts-Offsets Naturzerstörung tatsächlich<br />

ausgleichen? Die meisten Ökologen sagen: nein. Es gibt nur<br />

wenige Gebiete, bei denen mit hoher Gewissheit die Eingriffe<br />

in die Biodiversität auch tatsächlich gleichartig und gleichwertig<br />

ausgeglichen werden können. Es hängt insbesondere vom<br />

Ausgleichsgebiet ab, ob Biodiversitäts-Offsets tatsächlich ein<br />

No-Net-Loss (d.h. kein Verlust an Naturwerten) und vorzugsweise<br />

sogar ein Net-Gain (d.h. ein Zuwachs an Naturwerten)<br />

2 Die Equator Principles sind Kreditrisikomanagementstrategien zur Bestimmung, Bewertung und Steuerung der Umwelt-und Sozialrisiken bei Projektfinanzierungsgeschäften. Finanzinstitute<br />

führen sie freiwillig durch, wenn das Gesamtprojektkapital über 10 Millionen US-Dollar beträgt. Siehe: www.equator-principles.com<br />

3 Der Performance Standard 6 der International Finance Corporation der Weltbank befasst sich mit der Einhaltung der Minderungshierarchie (siehe Infokasten).<br />

4 Madsen, B., Carroll, N., Brands, K. and G. Bennett. 2011 Update: State of Biodiversity Markets. Washington D.C. : Forest Trends, 2011.<br />

5 Parker, C., Cranford, M., Oakes, N., Leggett, M. ed., 2012. The Little Biodiversity Finance Book, Global Canopy Programme; Oxford, http://www.globalcanopy.org/sites/default/files/LittleBiod<br />

iversityFinanceBook_3rd%20edition.pdf<br />

6 Doswald, N., Barcellos Harris, M., Jones, M., Pilla, E., and Mulder, I. (2012) Biodiversity offsets: voluntary and compliance regimes. A review of existing schemes, initiatives and guidance for<br />

financial institutions. UNEP-WCMC, Cambridge, UK. UNEP FI, Geneva, Switzerland. pp. 16-17.<br />

104 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| BIODIVERSITÄT | THEMEN<br />

Unternehmen müssen jedoch anerkennen, dass Biodiversitäts-Offsets<br />

ihre Eingriffe nicht legitimieren. Es gibt keine<br />

gesellschaftlich anerkannte „Licence to trash“ für sie. Sie<br />

sollten stets der Minderungs-Hierarchie folgen (siehe Infokasten)<br />

und Biodiversitäts-Offsets nur als letztes Mittel wählen.<br />

Dies schließt Eingriffe in sensible Ökosysteme grundsätzlich<br />

aus (z.B. Schutzgebiete, wie Natura 2000 Gebiete). Solche<br />

sollte die Politik als „No-Go“-Zonen anerkennen. Wenn<br />

Unternehmen dies berücksichtigen und die Regulierungen<br />

einhalten, kann ein Biodiversitäts-Offset-Markt Umweltschäden<br />

reduzieren.<br />

Foto: © Petra Bork, pixelio.de<br />

Moorbewohner: Die Heidschnucke wird vor allem in den norddeutschen<br />

Heide- und Moorlandschaften der Lüneburger Heide<br />

gezüchtet. Die Europäische Union subventioniert ihre Haltung. Biodiversitäts-Offsets<br />

sollten dagegen nicht bereits bestehende Naturschutzflächen<br />

finanzieren.<br />

bewirken können. Beispielsweise sind Eingriffe in Feucht- und<br />

Waldgebiete kaum vertretbar, da diese Habitate über mehrere<br />

Jahrhunderte entstanden sind. Einige Arten brauchen<br />

zudem lange, um sich zu erholen. Kritiker argumentieren,<br />

dass Offsets falsche Anreize setzen und Eingriffe dadurch<br />

mehr Akzeptanz erfahren. Auch kritisieren sie die Umsetzung<br />

von Biodiversitäts-Offsets aufgrund des unzureichenden<br />

Monitorings. Des Weiteren sollten Biodiversitäts-Offsets<br />

nicht bereits bestehende Naturschutzflächen finanzieren.<br />

Diese Forderung ist bekannt als das „Zusätzlichkeitskriterium“.<br />

Auf der anderen Seite argumentieren Befürworter von<br />

Biodiversitäts-Offsets, dass sie die Möglichkeit bieten, Werte<br />

der Natur aufzuzeigen, die Wahrnehmung von Naturschutz<br />

zu verbessern und Naturschutzpartnerschaften zu stärken.<br />

Habitat Banks<br />

Habitat Banks sind Flächen, auf denen Biodiversitäts-Offset-Anbieter<br />

zusammenhängende Kompensationsmaßnahmen durchführen.<br />

Sie halten Flächen auf Vorrat für zukünftige Maßnahmen (Flächenpools)<br />

und bieten auch bereits durchgeführte Maßnahmen<br />

- bewertet in Ökopunkten – zum Verkauf. Abnehmer dafür sind<br />

„kompensationsverpflichtete Vorhabenträger“, also meist Unternehmen<br />

aus Branchen wie dem Bergbau. So entsteht ein Markt für<br />

Biodiversitäts-Offsets, mit dem die Unternehmen leichter planen<br />

können. Die zusammenhängenden Flächen steigern zudem die<br />

Kosten-Effizienz für die Anbieter von Ökopunkten. Zudem kann<br />

sich auf einer zusammenhängenden Fläche widerstandsfähigere<br />

Biodiversität bilden.<br />

Informationsplattform für Biodiversitäts-<br />

Instrumente<br />

Die Nichtregierungsorganisation (NGO) Global Canopy Programme<br />

schätzt, dass im Jahr 2<strong>02</strong>0 direkte Marktmechanismen, (z.B. Biodiversitäts-Offsets<br />

und Cap and Trade-Märkte) zwischen 7 und 23<br />

Milliarden US-Dollar pro Jahr für Naturschutz generieren könnten.<br />

Dafür müssen aber nicht nur NGOs, sondern vor allem auch Unternehmen<br />

und die Finanzindustrie verstehen, welche Investmentchancen<br />

der Naturschutz bietet.<br />

Das Projekt naturalcapitalmarkets.org des Global Nature Fund<br />

und der Deutschen Umwelthilfe e.V. setzt hier an und bietet einen<br />

Überblick über die bestehenden Biodiversitätsmärkte wie<br />

Payments for Ecosystem Services (PES) und Biodiversitäts-Offsets.<br />

Biodiversitäts-Offsets (Kompensationsmaßnahmen) sind messbare<br />

Naturschutz- und Wiederherstellungsmaßnahmen, die i.d.R.<br />

als Kompensation für unvermeidbare und nicht-reduzierbare Eingriffe<br />

in die Biodiversität durchgeführt werden. Die grundlegende<br />

Idee der Honorierung von Ökosystemleistungen (engl. Payments<br />

for Ecosystem Services oder PES) ist, dass deren Nutznießer eine<br />

direkte, vertragsmäßige Zahlung an die „Bereitsteller“ der Ökosystemleistung<br />

(z.B. Landbesitzer) zahlen. Diese wenden im Gegenzug<br />

Praktiken an, die den Schutz bzw. die Wiederherstellung von Ökosystemleistungen<br />

gewährleisten. Dabei stehen die Probleme der beiden<br />

Instrumente genauso im Vordergrund wie deren theoretische<br />

Vorteile. Man sollte sie aber vor allem danach bewerten, ob sie<br />

einen Mehrwert für die Natur liefern oder nicht.<br />

Die Webseite www.naturalcapitalmarkets.org ist das Kernstück des<br />

Projekts. Hier finden sich aktuelle Nachrichten zu Biodiversitätsmärkten,<br />

konkrete Fallstudien und ein monatlicher Newsletter. Zudem<br />

gibt es kostenlose Webinare zu Biodiversitäts-Offsets und PES.<br />

Eine kürzlich veröffentlichte Informationsbroschüre beleuchtet den<br />

Status Quo der oben genannten zwei marktbasierten Instrumente,<br />

ihre Unterschiede sowie Auswirkungen auf die Biodiversität. Zudem<br />

können Unternehmen, die Finanzindustrie und NGOs eigens<br />

entwickelte Toolkits nutzen, um sich an Biodiversitätsmärkten zu<br />

beteiligen, Chancen und Risiken zu ermitteln und Entwicklungen zu<br />

prognostizieren.<br />

Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Umwelt,<br />

Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und dem Bundesamt<br />

für Naturschutz (BfN).<br />

Alle Informationen und der Download der Broschüre und der Toolkits<br />

unter: www.naturalcapitalmarkets.org<br />

Die Sonderveröffentlichung „Märkte für Naturkapital“ wurde im Rahmen des Projekts naturalcapitalmarkets.org erstellt. Das Projekt<br />

wird durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) aus Mitteln des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit<br />

(BMUB) gefördert und durch den Global Nature Fund (GNF) und die Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) durchgeführt.<br />

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105


THEMEN | ANZEIGE |<br />

SWM Öko-Förderprogramm<br />

Eine nachhaltige Investition in die Wasserqualität<br />

Das Trinkwasser für München stammt aus<br />

dem Alpenvorland im Süden und Südosten<br />

der bayerischen Landeshauptstadt. Das<br />

Münchner Trinkwasser ist eines der besten<br />

in Europa – glasklar und quellfrisch ohne<br />

jegliche Aufbereitung. Zur langfristigen<br />

Sicherung dieser herausragenden Qualität,<br />

die die Anforderungen der Trinkwasserverordnung<br />

weit übertrifft, engagieren sich<br />

die Stadt München bzw. die SWM seit über<br />

125 Jahren für großräumigen Umwelt- und<br />

Grundwasserschutz in den Wassergewinnungsgebieten.<br />

Eine der bedeutendsten<br />

und effektivsten Maßnahmen ist die<br />

Förderung des ökologischen Landbaus im<br />

Mangfalltal, von wo 80 bis 85 Prozent des<br />

täglichen Wasserbedarfs von ca. 300 Mio.<br />

Litern stammen.<br />

Aufforstung und Schutzgebiete<br />

Die SWM haben im engeren Einzugsbereich<br />

der Trinkwassergewinnung von jeher möglichst<br />

viele Grundstücke aufgekauft, um sie<br />

gewässerschonend aufzuforsten oder unter<br />

strengsten Auflagen zu verpachten. Zudem<br />

wurden um die Standorte aller Gewinnungsanlagen<br />

Wasserschutzgebiete ausgewiesen.<br />

Trotz dieser Schutzmaßnahmen zeichnete<br />

sich seit Mitte der 1960er-Jahre mit zunehmender<br />

Intensivierung der Landwirtschaft<br />

ein steigender Trend der Nitratkonzentration<br />

ab. Als eine der Anstiegsursachen war<br />

schnell die konventionelle Landwirtschaft<br />

ausgemacht: Stickstoff gilt im Pflanzenbau<br />

als der wichtigste Limitierungsfaktor.<br />

Konventionelle Landwirte, die ihre Erträge<br />

maximieren wollen, führen den Böden<br />

Stickstoff im Überschuss zu. Nehmen die<br />

Pflanzen den Nährstoff nicht <strong>voll</strong>ständig<br />

auf, kann der Überschuss mit dem Regen<br />

ins Grundwasser ausgewaschen werden. In<br />

sauerstoffreichem Grundwasser tritt Stickstoff<br />

als Nitrat auf.<br />

Trinkwasser darf in Europa nicht mehr als 50<br />

mg/l Nitrat enthalten. Liegen die Konzentrationen<br />

niedriger, so gilt dies als Qualitätsmerkmal.<br />

Für Säuglinge wird empfohlen, nur<br />

Wässer mit einem Nitratgehalt von maximal<br />

10 mg/l zu verwenden.<br />

Obwohl die Messwerte einer Hangquellgruppe<br />

im Mangfalltal mit maximal 14<br />

mg/l Nitrat (1994) nur 28 Prozent des<br />

Nitrat-Grenzwertes der Trinkwasserverordnung<br />

erreichten, beschloss der Münchner<br />

Stadtrat 1991, in die Trinkwasserqualität der<br />

Zukunft zu investieren. Daraufhin riefen die<br />

SWM die Initiative „Öko-Bauern“ ins Leben,<br />

ein Förderprogramm für Landwirte, die auf<br />

ökologischen Landbau umstellen. Nach 20<br />

Jahren extensiver Bewirtschaftungsweise<br />

pendelte sich der Nitratwert im Mühlthal<br />

auf einen Wert zwischen 10 mg/l und 13<br />

mg/l ein. Durch Mischung der Wässer aus<br />

weiteren SWM-Gewinnungsgebieten mit<br />

Nitratgehalten von unter 7 mg/l wird im<br />

Münchner Stadtnetz stets ein Gesamtnitratwert<br />

unter 9 mg/l erreicht.<br />

Förderprogramm für den ökologischen<br />

Landbau<br />

Ökologischer Landbau setzt auf einen in sich<br />

geschlossenen biologischen Kreislauf: Auf<br />

den Nutzflächen sollen nur die Nährstoffmengen<br />

ersetzt werden, die dem Boden<br />

mit der vorangegangenen Ernte entzogen<br />

wurden. Die SWM unterstützen ökologisch<br />

arbeitende Landwirte im Umstellungsgebiet<br />

(wassersensible Flächen im Einzugsgebiet)<br />

mit einer „Umstellungshilfe“, die ihren Beitrag<br />

zum Gewässerschutz honoriert und<br />

Ertragsminderungen sowie notwendige<br />

Investitionen auszugleichen hilft. Landwirte,<br />

die in der Tierhaltung und in der Flächenbe-<br />

Foto: © SWM 2008<br />

106 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| ANZEIGE | THEMEN<br />

Foto: © SWM 2010<br />

wirtschaftung die Kriterien des ökologischen<br />

Landbaus erfüllen und Mitglied in einem<br />

Bio-Verband sind, können diese Förderung<br />

in Anspruch nehmen (max. 310 Euro pro<br />

Hektar und Jahr im Wasserschutzgebiet<br />

Mangfalltal). Die SWM übernehmen auch<br />

die Kosten für die Erstberatung interessierter<br />

Landwirte durch die Öko-Verbände.<br />

Landwirte stellen auf „Bio“ um<br />

In enger Zusammenarbeit mit den Öko-Verbänden<br />

Naturland, Bioland, Demeter und<br />

Biokreis konnten die SWM bis heute über<br />

150 Landwirte aus der Region für eine<br />

boden- und gewässerschonende Landbewirtschaftung<br />

sowie für eine artgerechte<br />

Tierhaltung gewinnen. Die finanzielle Beihilfe<br />

unterstützt gerade die im Oberland<br />

verbreiteten kleinen Betriebe, die seit<br />

Generationen das typische Landschaftsbild<br />

prägen. Heute bewirtschaften die Vertragslandwirte<br />

eine Fläche von insgesamt<br />

ca. 3.500 ha – das größte zusammenhängend<br />

ökologisch bewirtschaftete Gebiet in<br />

Deutschland.<br />

Auswirkungen auf die Trinkwasserqualität<br />

Dank der Einführung des ökologischen Landbaus<br />

im Mangfalltal wurde der Nitratanstieg<br />

gestoppt. Pestizide sind im Mangfalltal seit<br />

20<strong>02</strong> auch mit modernsten, hochempfindlichen<br />

Messgeräten nicht mehr nachweisbar.<br />

Nitrat und Pestizide stehen exemplarisch für<br />

eine Vielzahl schädlicher Substanzen, die<br />

durch intensive Landwirtschaft in Böden<br />

und Grundwasser eingetragen, durch ökologische<br />

Bewirtschaftung aber vermindert<br />

oder verhindert werden können. Inzwischen<br />

ist Münchner Trinkwasser durch so hervorragende<br />

Qualitätsdaten charakterisiert, dass<br />

es – wie sehr gute Mineralwässer – zur Zubereitung<br />

von Säuglingsnahrung empfohlen<br />

werden kann.<br />

Mit lediglich rund 0,5 Ct/m³ Trinkwasser<br />

schlägt sich das Förderprogramm derzeit<br />

auf den Wasserpreis nieder. Als Alternative<br />

bliebe früher oder später nur die Wasseraufbereitung,<br />

die allerdings mit weitaus<br />

höheren Kosten verbunden wäre.<br />

Das Trinkwassereinzugsgebiet bleibt als<br />

ökologisch intakte Region erhalten. Ist die<br />

Natur im Gleichgewicht, sammelt sich darunter<br />

natürlich unbelastetes Grundwasser<br />

für München – heute und für kommende<br />

Generationen.<br />

Buchtipp<br />

Ude, C.: Quellen für München - Lebensart<br />

im Einklang mit Technologie und Ökologie,<br />

Carl Hanser – Verlag München 2008<br />

Kontakt<br />

Rainer List ist seit 20<strong>02</strong> Leiter der Münchner<br />

Wassergewinnung. Er verantwortet die<br />

gesamte Wassergewinnung, einschließlich<br />

der Zubringerleitungen und der drei Hochbehälter.<br />

Unter seiner Leitung wurde das<br />

Mangfalltal zum größten zusammenhängend<br />

ökologisch bewirtschafteten Gebiet<br />

Deutschlands ausgebaut.<br />

Die promovierte Lebensmittelchemikerin<br />

Beate Burkert ist als Fachexpertin im Trinkwasser-Qualitätsmanagement<br />

maßgeblich<br />

an den täglichen Trinkwasser-Qualitätskontrollen<br />

sowie am Grundwasserschutz im<br />

Vorfeld beteiligt.<br />

wassergewinnung@swm.de<br />

Die Sonderveröffentlichung „Märkte für Naturkapital“ wurde im Rahmen des Projekts naturalcapitalmarkets.org erstellt. Das Projekt wird durch das<br />

Bundesamt für Naturschutz (BfN) aus Mitteln des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) gefördert und<br />

durch den Global Nature Fund (GNF) und die Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) durchgeführt.<br />

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107


THEMEN | WELTVERÄNDERER |<br />

Sir Vival<br />

Auf so eine Idee kann nur ein Abenteurer kommen. Einer, der die Herausforderung<br />

sucht. Rüdiger Nehberg will das Recht der Frauen nach Mekka tragen und eine<br />

leidbringende Tradition aus der Welt schaffen.<br />

Von Karin Burger<br />

Rüdiger Nehberg? Das ist doch der Typ mit der Spinne als<br />

Haarersatz auf dem Kopf. Der, der sich dauernd dem Überlebenskampf<br />

aussetzt, der sich nackt vom Hubschrauber im<br />

Regenwald aussetzen lässt und sich ohne Nahrung 1.000<br />

Kilometer durch Deutschland quält, nur von seiner Körpersubstanz<br />

lebend, um... Ja, warum macht einer so was?<br />

„Ich habe eine angeborene Freude am Abenteuer, bin neugierig<br />

auf die Welt und bereit zum Risiko“, sagt Nehberg,<br />

„Ich habe aber auch eine gewisse Leidensfähigkeit und<br />

Anspruchslosigkeit. Ich wollte schon immer lieber kurz und<br />

knackig leben, als lang und langweilig.“<br />

Dabei hatte eigentlich alles ganz vernünftig begonnen. Nehberg,<br />

Jahrgang 1935, ist ein Kriegskind. Er hat den Hunger<br />

kennengelernt. Und weil im Deutschland der Nachkriegszeit<br />

vieles pragmatisch war, machte er eine Bäcker- und Konditorlehre.<br />

„Bäcker verhungern nicht“, erinnert sich Nehberg<br />

an seine Motivation.<br />

Weil Pragmatismus oft wenig mit dem Sinn des Lebens zu<br />

tun hat, wurde der Bäcker früh zum Reisenden. Da, wo er<br />

Grenzen erfahren konnte, wollte er hin. Mit 17 Jahren fuhr<br />

er mit dem Fahrrad nach Marokko, um die Kunst der Schlangenbeschwörung<br />

zu lernen.<br />

Was dann kam, kennen Sie: Vorträge, Survivalkurse und<br />

Bücher mit Titeln wie Überleben ums Verrecken, um nur<br />

eines von 28 nennen. In den verträumten bundesdeutschen<br />

1980er-Jahren traf er damit den Geschmack der Massen. Und<br />

aus den Abenteuern wurde ein Geschäft. 1990 verkaufte<br />

Nehberg seine Konditorei und verlegte sich ganz aufs eigene<br />

Überleben.<br />

Doch auch die hauptberufliche Suche nach dem Abenteuer<br />

war noch nicht das Richtige. „Ich war auf der Suche<br />

nach einer echten Lebenserfüllung“, erzählt Nehberg. Als<br />

er 1980 zum Augenzeugen des Bürgerkrieges bei den Yanomami-Indianern<br />

in Brasilien wurde, bekam seine Arbeit<br />

langsam einen tieferen Sinn. „Ich fühlte mich verpflichtet,<br />

zu helfen, als ich spürte, dass die Betroffenen nicht in der<br />

Lage waren, sich selbst zu helfen“, beschreibt er das Gefühl<br />

von damals. „Hilfe konnte nur von außen kommen. So, wie<br />

es der Hilfe der Alliierten bedurfte, um die Deutschen von<br />

den Nazis zu befreien.“<br />

„Der Islam ist nicht dialogfähig“, hörte Nehberg immer<br />

wieder<br />

Aus Mister Survival war Sir Vival geworden. Er kämpfte nicht<br />

mehr nur ums eigene Überleben, sondern für das Recht<br />

auf Leben anderer. Seitdem geht das, was er tut, über den<br />

Abenteurer Rüdiger Nehberg hinaus. In Brasilien hat er sein<br />

Ziel schon erreicht. Er nennt es einen „annehmbaren Frieden<br />

zwischen den Yanomami-Indianern und der brasilianischen<br />

Regierung“.<br />

Das ändert nichts daran, dass manche ihn für einen Verrückten<br />

halten. Denn es gibt längst eine neue Mission für den<br />

78-Jährigen. Nehberg will die Verstümmelung von Mädchen<br />

und jungen Frauen beenden.<br />

Es ist ein Tabuthema, vielleicht weil es so schrecklich ist, dass<br />

sich viele lieber abwenden. Vor allem in Afrika, aber auch im<br />

Jemen oder etwa in Indonesien, ist diese alte Tradition weit<br />

verbreitet. Es passiert alle elf Sekunden, obwohl an vielen<br />

Ecken und Enden von Nichtregierungsorganisationen und<br />

Regierungen dagegen angekämpft wird.<br />

Bei der weiblichen Genitalverstümmelung (Female Genital<br />

Mutilation, kurz: FGM) werden Frauen und Mädchen die<br />

äußeren Geschlechtsorgane entfernt. Meist wird der alte<br />

Brauch vor Beginn der Pubertät durchgeführt. Es kommen<br />

aber auch Verstümmelungen im Säuglings- oder Erwachsenenalter<br />

vor. Betäubungen sind nicht üblich und die<br />

hygienischen Bedingungen katastrophal. Die Mädchen und<br />

jungen Frauen leiden oft lebenslang an den körperlichen und<br />

seelischen Schäden, wenn sie die Beschneidung überleben.<br />

Rechts: Vom Überlebenskünstler zum Aktivisten: Rüdiger Nehberg<br />

mit einem Afar-Mädchen. Bis zu Rüdiger Nehbergs großangelegter<br />

Aufklärungsaktion wurde bei dem äthiopischen Volk jedes Mädchen<br />

genital verstümmelt.<br />

Foto: © Rüdiger Afar<br />

108 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| WELTVERÄNDERER | THEMEN<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net 109


THEMEN | WELTVERÄNDERER |<br />

Mit spektakulären Aktionen kämpft Rüdiger Nehberg für die Menschenrechte. Im Einbaum überquerte er den Atlantik, um auf die Bedrohung der<br />

Amazonas-Indianer hinzuweisen (links). Heute setzt sich Sir Vival mit all seiner Kraft und mit der großen Unterstützung seiner Frau Annette (rechts,<br />

mit afrikanischen Mädchen) für die Beendigung eines grausamen Rituals ein. Das Ziel der beiden: Die Botschaft in alle Ecken der Welt zu tragen.<br />

Nächste Projekte<br />

Wofür braucht TARGET jetzt<br />

konkrete Unterstützung?<br />

Die Organisation benötigt jetzt<br />

Unterstützung für ihre Arbeit,<br />

besonders für eine Geburtshilfeklinik,<br />

die ein Paradies für die<br />

genitalverstümmelten Frauen wird:<br />

Helfen Sie als Privatperson oder<br />

mit Ihrem Unternehmen, mit<br />

Geld, Fachwissen, Material und<br />

Lohnpatenschaften für Krankenschwestern.<br />

Welche Projekte werden aktuell (seit Januar) verfolgt?<br />

Annette Nehberg will DAS GOLDENE BUCH mit eigener Website<br />

und über Social Media-Kanäle um den gesamten Erdball verbreiten.<br />

Nach und nach in allen Sprachen. Bisher sind es sieben. Die<br />

Verteilung der Bücher vor Ort, bis in die kleinsten Dörfer hinein, ist<br />

jedoch zeit- und kostenaufwändig.<br />

Bitte spenden Sie:<br />

Spendenkonto Deutschland & International<br />

IBAN: DE16 2135 2240 0000 0505 00<br />

BIC: NOLADE21HOL<br />

Bis Februar 2016 auch noch möglich:<br />

Sparkasse Holstein<br />

Konto: 50500<br />

BLZ: 213 522 40<br />

Spendenkonto Schweiz<br />

Kontoinhaber: TARGET – Ruediger Nehberg<br />

Geldinstitut: PostFinance<br />

Konto: 40-622117-1<br />

BIC / SWIFT: POFICHBEXXX<br />

IBAN: CH29 0900 0000 4062 2117 1<br />

Warum Genitalverstümmelung auch in<br />

Deutschland ein Thema ist und wie Sie helfen<br />

können unter www.target-nehberg.de<br />

Bereits in den 1970er-Jahren bereiste Nehberg zweimal<br />

Äthiopien. Die Danakilwüste und der Blaue Nil haben sich<br />

ihm ins Gedächtnis eingeschrieben. „Das sind unauslöschliche<br />

Bilder“, erinnert er sich. „Monatelang allein durch ein<br />

ursprüngliches Afrika, die archaische Lebensweise, aktive<br />

Vulkane, Blutrache und Überfälle. Und genau dort engagieren<br />

wir uns heute mit unserer Organisation TARGET. Manchmal<br />

frage ich mich schon selbst: Hab ich sie noch alle?“<br />

Sir Vival glaubt an eine schöpferische Kraft, vor allem aber<br />

daran, dass sich Visionen realisieren lassen. „Niemand hatte<br />

mir und Annette zuvor eine Chance eingeräumt. ‚Der Islam<br />

ist doch gar nicht dialogfähig‘, mussten wir uns anhören“,<br />

berichtet er von den Reaktionen auf den Plan, den er und<br />

seine Frau gefasst haben.<br />

FGM gibt es nicht nur in islamisch geprägten Gebieten.<br />

Auch in den christlichen Regionen Äthiopiens etwa ist sie<br />

verbreitet. Doch gerade Moslems begründen die Tradition<br />

häufig mit dem Koran.<br />

Darin sah Rüdiger Nehberg eine Chance. Und er startete ein<br />

ungewöhnliches Projekt: Er holte die Religionsführer Afrikas<br />

an einen Tisch, um über das Thema zu beraten. Sie wurden<br />

zu Fürsprechern seiner Sache. Eine internationale Gelehrtenkonferenz<br />

in der Al Azhar-Universität in Kairo brachte<br />

den Durchbruch. Die höchsten islamischen Glaubensführer<br />

der Welt erklärten den Brauch der Verstümmelung zu einem<br />

„strafbaren Verbrechen gegen höchste Werte des Islam“<br />

und erließen eine Fatwa, ein islamisches Rechtsgutachten.<br />

Seitdem ist die schreckliche Tradition eine verbriefte Sünde.<br />

Transparente aufhängen mit dem saudischen König<br />

Diese Fatwa soll FGM aus der Welt schaffen. Ihre Botschaft<br />

muss nun in die Köpfe der FGM-Befürworter. Um das zu erreichen,<br />

ist DAS GOLDENE BUCH entstanden: eine Dokumentation<br />

der Ergebnisse der Gelehrtenkonferenz. Es soll Imamen<br />

auf der ganzen Welt als Predigtvorlage dienen und existiert<br />

bereits in mehreren Sprachen. „Das Buch wird uns aus den<br />

Fotos: © TARGET-Nehberg<br />

110 Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. <strong>forum</strong> Ein Produkt <strong>Nachhaltig</strong> der Steinbeis <strong>Wirtschaften</strong><br />

Papier GmbH.


| WELTVERÄNDERER | THEMEN<br />

Auch das Baby Aisha konnte 2010 durch das Engagement des Abenteurers geschützt werden (links). Damit das Leiden endet, musste Rüdiger<br />

Nehberg zunächst die Religionsführer überzeugen. Die Imame in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba studierten auf Nehbergs Konferenz<br />

2009 „DAS GOLDENE BUCH für Ostafrika“ (rechts). Die Schrift verdeutlicht: Der Koran und die Ethik des Islams sind mit weiblicher Genitalverstümmelung<br />

unvereinbar.<br />

Fotos: © TARGET-Nehberg<br />

Händen gerissen“, erzählt Nehberg, „aber vielen Imamen<br />

fehlt der Mut, das Thema in den Moscheen anzusprechen.<br />

Die, die es tun, erleben großen positiven Widerhall.“<br />

Target, die Hilfsorganisation der Nehbergs, verteilt das Buch<br />

in den verschiedensten Ländern und immer wieder sucht das<br />

Paar die Chance zu Gesprächen mit möglichen Mitstreitern<br />

vor Ort. Und sie stoßen auf viele offene Ohren. Nehberg wäre<br />

nicht er selbst, wollte er nicht noch viel höher hinaus: „Die<br />

größte Hilfe wäre ein Kontakt zum saudischen König, um<br />

ihm in aller Demut Vorschläge zu unterbreiten. Mit seinem<br />

Engagement ließe sich FGM sehr schnell beenden. Und das<br />

würde dem Islam ein neues Ansehen in der Welt verleihen“,<br />

sagt Nehberg.<br />

Er meint das sehr ernst. Und mit seinen Visionen ist er schon<br />

ziemlich weit gekommen. So ein Abenteurer lässt sich nicht<br />

so leicht kleinkriegen.<br />

Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie eines Tages Rüdiger<br />

Nehberg sehen, wie er auf dem Heiligen Platz in Mekka<br />

zusammen mit dem saudischen König und vier Millionen<br />

Pilgern aus aller Welt ein Transparent aufhängt: „Weibliche<br />

Genitalverstümmelung ist mit dem Koran und der Ethik des<br />

Islam unvereinbar. Sie ist Sünde.“ Vielleicht sitzt ihm dabei<br />

sogar eine Spinne auf dem Kopf.<br />

KARIN BURGER<br />

ist seit 10 Jahren Inhaberin der Redner-Agentur „team karin burger“<br />

in München.<br />

Als freie Journalistin <strong>engagiert</strong> sie sich leidenschaftlich für die<br />

Themen <strong>Nachhaltig</strong>keit, Soziales Engagement und Bildung.<br />

DENKEN SIE HEUTE SCHON AN MORGEN.<br />

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111


THEMEN | BERICHTERSTATTUNG UND KOMMUNIKATION |<br />

Warum Produktqualität<br />

nicht mehr genügt<br />

Aus der Reihe „Integritätsmarketing“ – Qualität, Preis-Leistung und Service: Die<br />

Klassiker des Produktmarketings reichen nicht mehr aus, um Kunden langfristig<br />

an die Marke zu binden. Denn Verbraucher hinterfragen zunehmend das Produktumfeld.<br />

Von Dr. Dennis Lotter und Jerome Braun<br />

Die ganzheitliche Betrachtung der Herstellungsbedingungen<br />

und des Unternehmens hinter dem Produkt spielt eine immer<br />

größere Rolle. Noch vor der Qualität der Produkte und<br />

Dienstleistungen rangieren laut dem bekannten Edelmann<br />

Trust Barometer <strong>transparent</strong>e und ehrliche Geschäftspraktiken<br />

und der gute Umgang mit den Mitarbeitern als zentrale<br />

Reputationsfaktoren von Unternehmen. 1 An der Spitze steht<br />

das Vertrauen zum Unternehmen, das 69 Prozent der Befragten<br />

als wichtigsten Reputationsfaktor benennen. Angesichts<br />

der heutigen Informationsflut – 5.000 Markenbotschaften<br />

soll ein durchschnittlicher Konsument pro Tag ausgesetzt sein<br />

– wird das Vertrauen der Kunden in die Marke und das Unternehmen<br />

zu einem Differenzierungsmerkmal erster Güte.<br />

Ursula Wilms aus der Unternehmenskommunikation von<br />

Miele berichtet im Kurzinterview über die Arbeit an einer<br />

Marke, die weltweit Spitzenpositionen in puncto Markenvertrauen<br />

belegt.<br />

Was leistet Miele, um das Vertrauen der Anspruchsgruppen<br />

in die Produkte und Marke sicher zu stellen?<br />

Wilms: Miele hat schon seit jeher den gesamten Produktlebenszyklus<br />

im Blick: von der Entwicklung und der Produktion<br />

über den Gebrauch der Geräte in Haushalt und Gewerbe bis<br />

hin zu Transport und Logistik und schließlich der Entsorgung.<br />

Dabei gilt die Maxime, langlebige und qualitäts<strong>voll</strong>e Produkte<br />

zu produzieren, unter Bedingungen, die Umwelt und Menschen<br />

gerecht werden. Das versuchen wir auch in unserem<br />

aktuellen <strong>Nachhaltig</strong>keitsbericht „Denken in Generationen“<br />

deutlich zu machen.<br />

Genügt es als vertrauenswürdige Marke, die eigenen Prozesse<br />

nachhaltig zu gestalten?<br />

Um die Prozesse allein geht es nicht, sondern vor allem<br />

um die Ergebnisse dieser Prozesse. Bei Miele sind dies<br />

letztendlich die Haus- und Gewerbegeräte. Wir gestalten<br />

sie so energieeffizient, langlebig, sicher, komfortabel und<br />

zukunftsfähig wie möglich. Mit Zusatzfunktionen vieler<br />

Modelle können die Benutzer selbst Einfluss nehmen auf<br />

den Energie-, Wasser- und Waschmittelverbrauch. Geräte<br />

mit Smart Grid-Anbindung gehen noch einen Schritt weiter,<br />

ebenso Wärmepumpentrockner oder Solartrockner. Unsere<br />

Kunden befassen sich also vielfach zwangsläufig mit dem<br />

Themenkomplex <strong>Nachhaltig</strong>keit.<br />

So zentral die Produktqualität bei der Kaufentscheidung auch<br />

ist: Die Erwartungen der Verbraucher gehen längst darüber<br />

hinaus. Es ist die Lebensqualität, die wir für uns und andere<br />

erhöhen wollen, wenn wir Produkte und Dienstleistungen<br />

konsumieren. Ein Produkt, das die Lebensqualität erhöht,<br />

berücksichtigt laut aktueller Trendstudie der Otto Group<br />

soziale und ökologische Kriterien wie menschenwürdige<br />

Arbeitsbedingungen, regionale Herkunft oder umweltfreundliche<br />

Herstellungsmethoden. Doch neben dem Nutzen für<br />

Umwelt und Gesellschaft darf der individuelle Nutzen nicht<br />

zu kurz kommen z.B. durch eingesparte Zeit und Kosten oder<br />

die aktive Mitgestaltung von Produkten.<br />

Die Marke mymuesli baut auf ein Geschäftskonzept auf, das<br />

diese Faktoren vereint. Mitgründer und Geschäftsführer<br />

Max Wittrock gibt im Kurzinterview einen Einblick hinter<br />

die Kulissen.<br />

1 http://www.edelman-newsroom.de/images/2011TrustBarometer_Germany.pdf<br />

112 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| BERICHTERSTATTUNG UND KOMMUNIKATION | THEMEN<br />

Ein Beispiel für authentische Kommunikation? Mit dem Werbevideo für die grüne Bahncard will die Deutsche Bahn Verantwortungsbewusstsein<br />

signalisieren. Das Produkt ist grün, doch der Konzern noch lange nicht: „In Wirklichkeit hat die<br />

Bahn einen dreckigen Strom-Mix: 45 Prozent Kohle und 20 Prozent Atom“, so Gerald Neubauer von Greenpeace.<br />

Welche Anforderungen stellen Konsumenten heute – neben<br />

klassischen Aspekten wie Preis und Qualität? Wie gehen<br />

Sie darauf ein?<br />

Wittrock: Für uns ist es immer schwierig, hier für unsere<br />

Kunden zu antworten, denn Kern unseres Modells sind die<br />

unterschiedlichen Wünsche der Kunden, ihre unterschiedliche<br />

Motivation, ein Produkt zu kaufen bzw. sich ihr Müsli<br />

anders als jeder andere zusammenzustellen. Aber man kann<br />

versuchen, Cluster zu bilden. Da gibt es dann z.B. eine Gruppe<br />

von Kunden, denen gerade der regionale Aspekt wichtig<br />

ist, oder diejenigen, die auf die 100 Prozent Bio-Qualität<br />

fokussieren. All diese unterschiedlichen Aspekte versuchen<br />

wir zu berücksichtigen: Durch Mass-Customization 2 oder<br />

breite Auswahl der fertigen Müslis, durch <strong>transparent</strong>e<br />

Wertschöpfungsketten, Regionalität und Offenheit gegenüber<br />

den Kunden.<br />

Wie wichtig ist es für eine Marke, „Position zu beziehen“,<br />

sich also zu bestimmten Werten und Überzeugungen zu<br />

bekennen?<br />

Während der Kunde bei uns selbst festlegt, was ihm wichtig<br />

ist und den Innovationsprozess zum individuellen Endprodukt<br />

selbst übernimmt, stellen wir als Unternehmer an alle<br />

Produkte den gleichen Wertanspruch: Immer bio, immer<br />

möglichst regional, bewährte Lieferantenbeziehungen, ein<br />

schneller, direkter Kontakt und Kundenservice, um mal ein<br />

paar zu nennen. Das ist auch für viele Kunden wichtig, doch<br />

persönlich legen wir großen Wert darauf. Allgemein geht es<br />

um Stringenz und um Glaubwürdigkeit. Wenn ich nach<strong>voll</strong>ziehbar<br />

und aus meinen inneren Werten heraus Position<br />

beziehe, dann ist das sicher ein wichtiges Differenzierungsmerkmal<br />

für die Marke.<br />

Die Herausforderung zukunftsfähiger Produkte besteht<br />

darin, den individuellen Bedürfnissen der informierten und<br />

vernetzten Kunden gerecht zu werden und gleichzeitig eine<br />

kontinuierliche, gefestigte Werthaltung zu vermitteln, die<br />

Vertrauen und Bindung schafft. Diese Werthaltung muss sich<br />

in den Produkten, aber ebenso im Produktumfeld und den<br />

Herstellungsbedingungen wiederfinden. Einzelne Abteilungen<br />

können diese Herausforderung nicht bewältigen. Stattdessen<br />

ist eine ganzheitliche, integre Unternehmensführung<br />

die Basis für den langfristigen Erfolg.<br />

Die kompletten Interviews finden Sie unter:<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net, Stichworte „Miele“ und „mymuesli“.<br />

Zu den Autoren<br />

DR. DENNIS LOTTER und JEROME BRAUN<br />

begleiten mit ihrer Agentur Benefit Identity Unternehmen und<br />

Organisationen seit mehr als zehn Jahren bei der Gestaltung ihrer<br />

Markenintegrität durch eine verantwortliche Betriebsführung.<br />

Darüber hinaus sind sie gefragte Fachautoren und Vortragsredner.<br />

Dr. Dennis Lotter ist Studiengangleiter für Sustainable Marketing &<br />

Leadership, Fresenius Hochschule Idstein.<br />

www.benefitidentity.com<br />

Foto: © DB<br />

2 Prinzip der kundenindividuellen Massenproduktion. Die Grundlage bildet ein Basisangebot, darauf aufbauend lassen sich Produkte und Dienstleistungen in einer großen individuellen<br />

Vielfalt zusammenstellen. Der Ansatz ermöglicht eine kundenspezifische Problemlösung, ohne dabei auf die Kostenvorteile einer prozessorientierten Massenfertigung zu verzichten.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

113


THEMEN | NACHHALTIG BAUEN |<br />

Ein Wollmantel fürs Haus: Schafe liefern<br />

den Rohstoff für das Bio-Dämmmaterial,<br />

das als Vlies, Filz oder Ballen verbaut wird.<br />

Das Haus im Schafspelz<br />

Bio-Dämmung von der Weide, vom Acker oder vom Strand? Das ist gar nicht mehr<br />

so selten. Denn nachhaltige Alternativen zu konventionellen Lösungen wie Polystyrol<br />

oder Mineralwolle sind auf dem Vormarsch.<br />

Von Sara Höweler<br />

„Wer Umwelt und Klima schonen will, sollte über den Einsatz<br />

pflanzlicher Dämmmaterialien nachdenken“, sagt Christian<br />

Silberhorn. Der Geschäftsführer des Norddeutschen Zentrums<br />

für <strong>Nachhaltig</strong>es Bauen weiß: Laut Fachagentur für<br />

nachwachsende Rohstoffe verbraucht die Herstellung von<br />

Dämmstoffen aus Mineralwolle zehnmal mehr Energie als<br />

die von Hanf- oder Flachs-Dämmplatten. Die aus Pflanzen<br />

hergestellten Dämmstoffe sind konventionellen Materialien<br />

in einigen Bereichen überlegen und häufig leichter zu entsorgen.<br />

Im Sommer etwa braucht die Hitze deutlich länger,<br />

bis sie in ein natürlich gedämmtes Haus dringt.<br />

Das „grüne Gold“: Hanf und Co.<br />

Pflanzen sind ideale Wärmespeicher. Selbst in feuchtem Zustand<br />

verliert Hanf seine Dämmwirkung nicht. „Es dauert sehr<br />

lange, bis die Pflanzen einmal gespeicherte Wärme wieder<br />

abgeben“, erklärt Andreas Skrypietz, Leiter der Klimaschutzkampagne<br />

„Haus sanieren – profitieren!“ der Deutschen<br />

Bundesstiftung Umwelt (DBU). Pflanzliche Dämmstoffe wie<br />

Hanf oder Flachs kommen vorwiegend in Holzkonstruktionen<br />

wie Steildächern oder als Dämmung in Leichtelementen<br />

wie abgehängten Decken zum Einsatz. Hanfplatten eignen<br />

sich auch für sogenannte Wärmedämmverbundsysteme,<br />

die als nachträgliche Dämmung vor der Fassade angebracht<br />

und verputzt werden. Ob als Matten, Einblasdämmstoff,<br />

Schüttung oder Ballen – natürliche Materialien aus Pflanzen<br />

können sowohl Dächer als auch Wände und Böden dämmen.<br />

Ein Vorteil des „grünen Golds“: Die Verarbeitung ist einfach,<br />

sauber und angenehm für die Haut.<br />

Seegras: Wärme aus Neptuns Garten<br />

Auch das Meer bietet wesentlich mehr als Erfrischung für<br />

Badefreudige: Seegras von den Stränden der Ostsee und<br />

des Mittelmeeres kommt immer häufiger als Dämmstoff<br />

zum Einsatz. Das zerkleinerte und gereinigte Fasermaterial<br />

wird als Dämmung entweder geschüttet, gestopft oder eingeblasen.<br />

Der natürliche Silikatgehalt im Seegras sorgt dafür,<br />

dass das Material nicht schimmelt und sehr haltbar ist. Die<br />

Wärmedämmeigenschaften sind mit denen herkömmlicher<br />

Dämmstoffe identisch und übertreffen diese sogar beim<br />

sommerlichen Wärmeschutz. Seegras wächst quasi unendlich<br />

nach und verbraucht weder Anbauflächen noch Frischwasser<br />

oder Dünger. Die „Ernte“ vom Strand ist umweltschonend<br />

und die Zerkleinerung und Reinigung erfordert nur wenig<br />

Energie.<br />

Wärmelieferant Wald: Dämmen mit Holz<br />

Ob als Faser, Platte oder Zellulose – Holz ist ein regelrechter<br />

Klassiker und zuverlässiger Schallschützer. Thomas Isselhard,<br />

Vorsitzender des Netzwerkes <strong>Nachhaltig</strong>es Bauen: „Natürli-<br />

Foto: © DBU/Haus sanieren – profitieren!<br />

114 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| NACHHALTIG BAUEN | THEMEN<br />

che Materialien aus Holz haben den Vorteil, dass sie weniger<br />

Schadstoffe enthalten, die beim Einbau und über die gesamte<br />

Lebensdauer ausgestoßen werden können. Aufgrund der Eigenschaften<br />

von Holz bekommen die Räume eine behagliche<br />

Wärme“. Nicht nur im Winter ist die Dämmwirkung gut: „Da<br />

Holz nur sehr langsam die Umgebungstemperatur annimmt,<br />

schützt es im Sommer vor Überhitzung in den Räumen“, so<br />

der Architekt. Für Heimwerker ist die Holzweichfaserplatte<br />

ein idealer Werkstoff, der sich gut bearbeiten lässt. Wegen<br />

seiner Offenporigkeit bietet der Dämmstoff außerdem einen<br />

verbesserten Schallschutz. Er eignet sich daher gut als Bodenplattendämmung,<br />

um den Trittschall zu verringern. Laut<br />

der Initiative HolzProKlima ist Holz als stabiler Dämmstoff<br />

auch gut für die Unterdeckung im Dach geeignet. Die feuchteregulierenden<br />

Eigenschaften von Holz sowie die geringe<br />

chemische Belastung eignen sich für eine Dämmung im<br />

Innenraum. Ausgangsstoff ist Restholz aus heimischen und<br />

schnell nachwachsenden Weichhölzern wie Fichte, Tanne<br />

oder Kiefer. Einziges Manko: Beim Herstellungsprozess ist<br />

der Energieverbrauch im Vergleich zu anderen natürlichen<br />

Dämmstoffen überdurchschnittlich hoch.<br />

Zeitung an der Wand: Dämmen mit Zellulose<br />

Auch recyceltes Papier kehrt immer häufiger als Dämmmaterial<br />

in die Häuser zurück. „Damit entscheiden sich die<br />

Bauherren für einen ökologischen Baustoff, der die Umwelt<br />

und das Portemonnaie schont“, sagt Andreas Skrypietz. Zelluloseflocken<br />

lassen sich in der Regel aus altem Zeitungspapier<br />

gewinnen. Sie können fugenfrei in Hohlräume oder als Dachund<br />

Fassadendämmung eingeblasen werden Diese Methode<br />

ist in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden:<br />

Zellulose hat unter den nachwachsenden Dämmstoffen den<br />

größten Marktanteil. Ein weiterer Vorteil: Steht der Abriss<br />

des Hauses an, kann man die Flocken erneut als Dämmstoff<br />

in einem anderen Haus einsetzen.<br />

Schafwolle: Bio-Dämmung von der Weide<br />

Was für den Menschen wohlig warm ist, tut auch dem Haus<br />

gut. Wolle, aus der sonst junge Leute Jugendliche und Großmütter<br />

Pullover und Mützen stricken, kommt auch in der<br />

Hausdämmung zum Einsatz: „Schafwolle ist als Dämmung<br />

deshalb so gut, weil sie sich kräuselt und damit unzählige<br />

Hohlräume bildet, in denen sich die Wärme hält. Ähnlich<br />

Systemlösung SolarGrünDach.<br />

• Ertragssteigerung der Photovoltaikanlage<br />

• Dachbegrünung schützt die Dachabdichtung<br />

und verlängert ihre Lebensdauer<br />

• Auflastgehaltene Systeme benötigen keine<br />

Befestigungspunkte und sind kostengünstig<br />

• Brandschutz durch Dachbegrünung<br />

• Regenwasserrückhalt und Minderung der<br />

Niederschlagswassergebühr<br />

• Lagesicherheit gegen Wind<br />

• Erfüllung von Umweltauflagen und Imagegewinn<br />

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115


THEMEN | NACHHALTIG BAUEN |<br />

Zelluloseflocken haben mittlerweile unter den nachwachsenden<br />

Dämmstoffen den größten Marktanteil. Wie hier werden sie häufig<br />

als Dachdämmung eingeblasen.<br />

Strohballenhäuser kann man wie jedes andere Haus bauen – wenn<br />

zuvor ein Handwerker den Wandaufbau testet und zulässt. Es ist<br />

aber nach wie vor schwer, Handwerksbetriebe zu finden, die diese<br />

Bauweise anbieten.<br />

wie andere faserige ökologische Dämmstoffe kann Wolle<br />

Feuchtigkeit aufnehmen, ohne dass ihre Dämmwirkung nachlässt“,<br />

sagt Christian Silberhorn. Jedes Schaf „produziert“ im<br />

Jahr etwa sieben Kilogramm Wolle. Bei rund 1,65 Millionen<br />

Schafen in Deutschland wird der Dämmstoff nie über sein<br />

Dasein als Nischenprodukt hinauswachsen – aber als interessante<br />

Alternative kann er dennoch gelten. Schon heute<br />

dämmen Vliese, Filze und Wollballen die Wände, Dächer<br />

und Böden vieler Häuser. Insbesondere bei der Sanierung<br />

von schadstoffbelasteten Räumen findet Schafwolle Anwendung.<br />

Ihre Fasern binden Schadstoffe wie Formaldehyd und<br />

verwandeln sie in ungefährliche Stoffe. Schafwolle hält nicht<br />

nur die Wärme im Haus, sondern auch Lautstärke fern. Die<br />

vielen haarigen Hohlräume „saugen“ die Schallschwingungen<br />

förmlich ein. Die Wolle eignet sich so gut zum Fugenstopfen<br />

und Ausfüllen von Hohlräumen. Ein weiterer Vorteil: Schafwolle<br />

entzündet sich erst bei 560 Grad Celsius.<br />

Geballte Dämmung: Stroh in der Wand<br />

Noch ist Stroh am Bau ein Exot – doch der „goldene Baustoff“<br />

nimmt rasant Fahrt auf: Das Norddeutsche Zentrum<br />

für <strong>Nachhaltig</strong>es Bauen in Verden baut gerade das größte<br />

mehrstöckige mit Strohballen gedämmte Holzhaus Europas.<br />

„Das Haus in Verden zeigt, dass auch anspruchs<strong>voll</strong>e Gebäude<br />

in dieser Technik gebaut und mit Kalk verputzt werden<br />

können“, sagt Dirk Fanslau-Görlitz, Regionalbetreuer von<br />

„Haus sanieren – profitieren“. In Deutschland nimmt der<br />

Getreideanbau eine Fläche von rund sechs Millionen Hektar<br />

ein. Thomas Isselhard: „Stroh wird in einer nachhaltigen<br />

Landnutzung für den Humuserhalt auf den Feldern und damit<br />

als Wertstoff eingesetzt. Den nicht verwendeten Teil kann<br />

man zu Ballen pressen und anschließend als hochwertigen<br />

Dämmstoff nutzen. Für die Herstellung ist kaum zusätzlicher<br />

Energieaufwand notwendig.“<br />

Lohnt sich Dämmen? – Ein Energie-Check gibt Aufschluss<br />

Hausbesitzer, die wissen möchten, ob eine nachträgliche<br />

Dämmung an ihrem Haus sinn<strong>voll</strong> ist, können den kostenlosen<br />

Energie-Check der DBU-Kampagne in Anspruch nehmen.<br />

Bei der Erstberatung nimmt ein eigens geschulter Handwerker,<br />

Architekt oder Energieberater die verschiedenen<br />

Gebäudeteile „unter die Lupe“ und bewertet sie nach ihrer<br />

Energieeffizienz. Eine Broschüre gibt Aufschluss über die<br />

weiteren Schritte zum sanierten Eigenheim. Eine Liste mit<br />

Energie-Checkern in ganz Deutschland finden Hausbesitzer<br />

auf www.sanieren-profitieren.de. Grundsätzlich gilt: Wer<br />

mit natürlichen Materialien dämmt, sollte auch hier auf<br />

Siegel wie den Blauen Engel, Natureplus oder FSC (Forest<br />

Stewardship Council) achten.<br />

SARA HÖWELER<br />

ist Volontärin der Kampagne „Haus sanieren – profitieren!“ der<br />

Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Ihre Empfehlung für mehr<br />

Klimaschutz: Ziehen Sie Ihr Haus warm an!<br />

Zum Weiterlesen<br />

• DBU-Kampagne „Haus sanieren – profitieren!“ - www.sanierenprofitieren.de<br />

• Norddeutsches Zentrum für <strong>Nachhaltig</strong>es Bauen - www.nznb.de<br />

• Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. : „Dämmstoffe aus<br />

nachwachsenden Rohstoffen“ - mediathek.fnr.de/dammstoffeaus-nachwachsenden-rohstoffen.html<br />

• www.carmen-ev.de<br />

Fotos: © DBU/Haus sanieren – profitieren!<br />

116 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


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sich <strong>engagiert</strong> für ein global verantwortungs<strong>voll</strong>es<br />

und nachhaltiges Handeln einsetzen. Sie<br />

stellt einen Marktplatz dar für Fachbesucher und<br />

Endverbraucher und zeigt das Spektrum von fair<br />

gehandelten Produkten, Nahrungsmitteln bis<br />

hin zu Textilien, Kosmetik und Kunst. Mit ihren<br />

zahlreichen Bildungsveranstaltungen, Forumsbeiträgen<br />

und Podiumsdiskussionen ist sie die<br />

Leitmesse für den Fairen Handel in Deutschland.<br />

Ausstellungsbereiche:<br />

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das Umweltmagazin117


THEMEN | SOCIAL BUSINESS |<br />

Mrs Social und Mr Business –<br />

Mit der Crowd CO 2<br />

sparen<br />

und Geld verdienen<br />

Wo können Unternehmen Geld für ihre Energieeffizienzmaßnahmen einsammeln?<br />

Wo können Kleinanleger zugleich Geld investieren und damit das<br />

Klima schützen? All das geht auf der Crowdinvesting-Plattform „bettervest“.<br />

Mr Business ist aufgeregt. Crowdinvesting-Plattformen<br />

sind der<br />

letzte Schrei, überall liest er<br />

davon. Auch sein Kollege hat<br />

als Kleininvestor schon Geld in<br />

Start-ups gesteckt. Jetzt will er<br />

es auch versuchen und erzählt Mrs Social davon.<br />

Die hat nichts dagegen, Geld zu verdienen. Aber<br />

nachhaltig soll die Investition sein. Warum also<br />

nicht Geld in Projekte stecken, die gleichzeitig<br />

dem Klima guttun? Mr Business ist einverstanden, solange<br />

die Rendite stimmt. Gemeinsam surfen Sie im Netz. Das perfekte<br />

Portal ist schnell gefunden: Mit „bettervest“ helfen sie<br />

öffentlichen und privaten Einrichtungen, ihren Energiebedarf<br />

zu reduzieren. Das Geld, das so eingespart wird, fließt als Zins<br />

zurück zu Mr Business und Mrs Social.<br />

Mitgründer Torsten Schreiber erzählt in <strong>forum</strong>, warum und<br />

wie bettervest entstanden ist.<br />

Juni 2012, Frankfurt am Main: Das Team findet sich<br />

Beim „Startup Weekend Rhein-Main“, bei dem fremde<br />

Menschen an Geschäftsideen arbeiten, lernen sich die drei<br />

bettervest-Gründer Patrick Mijnals, Evgenij Terehov und<br />

Torsten Schreiber kennen. Dort entwickeln sie mit anderen<br />

das Grundkonzept von bettervest. Ein <strong>Voll</strong>treffer – denn<br />

bettervest gewinnt (damals noch als Projekt „sinnvest“) das<br />

StartupWeekend und wird in der Szene bundesweit bekannt.<br />

Juli 2012, Hamburg: Wir wachsen<br />

Ingo Birkenfeld kümmert sich ab jetzt um Finanzen, Marilyn<br />

Heib ist unsere Expertin für Energieeffizienz und Vertrieb.<br />

Wir haben nun in allen wichtigen Bereichen Kernkompetenzen<br />

und beginnen ohne Aufnahme von Fremdkapital ein<br />

Geschäftsmodell auszuarbeiten. Bis wir bewiesen haben,<br />

dass unser Konzept funktioniert, können wir keine Investoren<br />

gewinnen. Also arbeiten wir alle weiter in unseren festen Jobs<br />

und entwickeln das Projekt abends und am Wochenende<br />

weiter. Neben dem Job ist das oft eine Belastung, doch gerade<br />

Familienpapa Torsten will etwas für seine Kinder schaffen,<br />

das nachhaltig ist.<br />

August 2012, Wiesbaden: Wir heißen jetzt bettervest<br />

Wir tüfteln am Namen, am Design und der Aufgabenverteilung<br />

im Team. Wir legen fest, was unsere Plattform für den<br />

Start braucht, welche Daten wir unregistrierten Nutzern zur<br />

Verfügung stellen. Mit unserem Namen „bettervest“ wachsen<br />

wir als Team stärker zusammen, denn wir haben etwas,<br />

womit wir uns identifizieren. Nun wollen wir unsere Zielgruppe<br />

ansprechen. Zuerst mit <strong>Nachhaltig</strong>keit, mit Effizienz<br />

oder mit dem Ausblick, Profit zu machen? Wir entscheiden<br />

einstimmig, dass bettervest als Erstes nachhaltig, dann effizient<br />

und am Ende rentabel sein soll.<br />

September 2012, Frankfurt: Wir brauchen Verträge<br />

Die Marke „bettervest“ ist angemeldet, das Geschäftsmodell<br />

juristisch ausgearbeitet. Wir entwickeln Verträge für die<br />

Crowd und für die Projektinhaber. Zunächst starten wir mit<br />

einem Genussrechte-Modell. Wir lernen, wie wichtig ein<br />

guter Anwalt ist und dass wir hier echte Profis brauchen.<br />

Die Welt retten und nachhaltig Geld verdienen<br />

... so lässt sich die Vision von bettervest zusammenfassen. Die<br />

Gründer des Frankfurter Start-ups bettervest haben mit ihrem Social<br />

Start-up ein Perpetuum Mobile der Energiewende geschaffen.<br />

Denn bettervest ist die weltweit erste Crowdfunding-Plattform,<br />

bei der jeder ab einem Betrag von 50 Euro, gemeinsam mit anderen,<br />

Energieeffizienzmaßnahmen finanzieren kann und im Gegenzug<br />

von den Einsparungen profitiert: Gemeinsam mit einer<br />

Energieberaterin ermittelt die Plattform den Bedarf für Sanierungsmaßnahmen<br />

bei Unternehmen, Sozialträgern, Vereinen und<br />

Kommunen. Anschließend sammelt sie öffentlich den Kapitalbedarf<br />

für den Projektinhaber ein. Der Projektinhaber setzt mit dem<br />

eingesammelten Geld die Maßnahme um, bezahlt die Tilgung und<br />

den Zins aus den eingesparten Energiekosten. Doch nicht nur der<br />

einzelne Investor, auch die Gesellschaft insgesamt gewinnt daran,<br />

wenn weniger CO 2<br />

emittiert wird.<br />

https://bettervest.de<br />

Illustration: © Norbert Stanczak<br />

118 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


ÜbeRRaSchung<br />

im<br />

Kein Wunder, dass anderen Crowdfunding-Plattformen <strong>Voll</strong>juristen im Gründerteam<br />

haben.<br />

November 2012, Hamburg: bettervest wird ausgezeichnet<br />

Unser Konzept gewinnt zahlreiche Preise, darunter eine Auszeichnung vom Rat für<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit und ein Stipendium des Social Impact Lab in Hamburg.<br />

Dezember 2012: Weihnachten vor dem Computer<br />

Eine Plattform selbst entwickeln oder eine aufkaufen? bettervest entscheidet sich<br />

für eine Eigenentwicklung, auch wenn das heißt, erst später an den Start zu gehen.<br />

Denn wir müssen aufgrund unseres sehr speziellen Geschäftsmodells flexibel und<br />

dynamisch bleiben. Entwickler Evgenij verbringt Weihnachten damit, zu programmieren.<br />

Über Marilyns gute Kontakte in die Szene gewinnen wir unseren Beirat Prof.<br />

Leprich und als Schirmherren Prof. Ernst-Ulrich von Weizsäcker.<br />

Januar 2013: Poloshirts von bettervest<br />

Die erste Version der Website geht online. Torsten und Patrick verstärken ihr zeitliches<br />

Engagement und bauen die Facebook-Präsenz und das Netzwerk massiv aus. Wir<br />

recherchieren alle relevanten Gründerwettbewerbe und bewerben uns. Unser erster<br />

Flyer wird gedruckt. Das Team bekommt „bettervest“–Poloshirts für Veranstaltungen.<br />

Februar 2013: Patrick wird CEO<br />

Die bettervest GmbH ist gegründet und das Start-up ein richtiges Unternehmen.<br />

Geschäftsführer wird Trend- und Zukunftsforscher Patrick Mijnals. Gemeinsam macht<br />

das Team ein Fotoshooting vor der Kulisse der neuen Europäischen Zentralbank in<br />

Frankfurt, denn wir glauben, dass Crowdfunding unser Finanzsystem nachhaltig<br />

verändern wird.<br />

Riegel<br />

SoRtiment<br />

neu Dabei:<br />

VieR Vegane<br />

VaRianten!<br />

März 2013: Besuch von Peter Altmaier<br />

Torstens Social Media-Netzwerk zahlt sich aus. Als bettervest am Vormittag den „IKT<br />

Innovativ“, eine Auszeichnung des Bundeswirtschaftsministeriums erhält und im<br />

Rahmen des CODE_n Gründerwettbewerbs einen Stand auf der CeBIT bekommt, twittert<br />

@tschreiber nachts an den Bundesumweltminister. Der antwortet um 1.15 Uhr<br />

und besucht am nächsten Tag auf der Messe unseren Stand. Wir sind mächtig stolz.<br />

April 2013: Die FAZ widmet uns eine ganze Seite!<br />

Seit den ersten Folien arbeiten wir an unserem Business- und Finanzplan. Wir bewerben<br />

uns jetzt bei verschiedenen Investoren und einer großen deutschen Crowdfunding-Plattform<br />

für eine Finanzierung. Wir stellen auf dem „IKT Innovativ Kongress“<br />

in Berlin erstmalig einen Kapitalbedarf vor. Die FAZ berichtet auf einer ganzen Seite<br />

über Patrick und Torsten. Der kauft alle Sonntagszeitungen im Umkreis auf.<br />

Fotos: © links: bettervest | rechts: © Iris Klöpper<br />

Mai 2013: Wo soll das Geld herkommen?<br />

Finanzierung ist jetzt unser zentrales Thema: Sollen wir bettervest <strong>Voll</strong>zeit und ohne<br />

Geld weitermachen? Sollen wir die Plattform etwa bei Crowdfundern wie Seedmatch<br />

bewerben, sollen wir Business Angels an Bord nehmen? Wir treffen uns mit einem<br />

Business Angel aus Frankfurt, der auf der CeBIT mit den Worten „braucht ihr Geld“<br />

auf uns zugekommen ist. Wir reichen unseren Businessplan zudem bei unterschiedlichen<br />

VCs (Venture Capitalists) ein.<br />

Juni 2013: unser schwarzer Monat<br />

Wir bekommen Finanzierungsabsagen von der Crowdfunding-Plattform, klassischen<br />

Business Angels und VC-Fonds. Zu wenige Exit-Optionen, geringe Skalierbarkeit, zu<br />

komplexes Geschäftsmodell, lauten die Begründungen. Überraschend sagt uns auch<br />

der Frankfurter Investor ab. Er hat sich zwischenzeitlich für ein Projekt entschieden,<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

119<br />

W W W.ViVani.De


THEMEN | SOCIAL BUSINESS |<br />

bettervest mit seinem Schirmherrn Ernst Ulrich von Weizsäcker.<br />

bei dem Rendite an Platz 1 steht, statt wie bei uns an Platz 3.<br />

Dann sagt auch noch unser Pilotprojekt, ein Zweiradhändler,<br />

ab. Keine Finanzierung, kein Projekt, ist das unser Ende?<br />

Nein! wir lassen uns nicht unterkriegen! Dann machen wir<br />

eben ohne Geld weiter. Unseren Unterstützern schenken wir<br />

reinen Wein ein, denn Transparenz ist uns wichtig.<br />

Juli 2013: Wir ziehen das erste Projekt an Land<br />

Wir sind seit einem Jahr weltweit die einzige Plattform, die<br />

sich um die Energieeffizienz kümmert. Das ist unser USP, das<br />

treibt uns an. Mit unserem Pitch beim „Climate_KIC Award“<br />

in Kassel und dem Crowdfunding-Branchentreffen werden<br />

wir belohnt. Wir unterschreiben in Frankfurt unseren ersten<br />

Crowdfunding-Vertrag und haben unser erstes Projekt, die<br />

Fitnesskette „Bodystreet“.<br />

August 2013: „Bodystreet“ macht den Anfang<br />

bettervest führt das weltweit erste Crowdfunding für eine<br />

Energieeffizienzmaßnahme in Frankfurt durch. Zwei Filialen<br />

von „Bodystreet“ rüsten die komplette Beleuchtung von Halogen<br />

auf LED um. Dadurch sparen sie künftig 63 (!) Prozent<br />

ihrer Energiekosten. In einer Pressekonferenz mit unserem<br />

Schirmherren Prof. Ernst Ulrich von Weizsäcker geben wir<br />

den Start der Plattform bekannt. Leider ist das Interesse der<br />

Journalisten gering, was uns enttäuscht, aber auch zeigt, dass<br />

Crowdfunding noch nicht wirklich angekommen ist.<br />

September 2013: Pitches, Pitches, Pitches<br />

In nur 52 Stunden werden beide Pilotprojekte gefundet. Wir<br />

haben unser „Proof-of-Concept“, konnten beweisen, dass<br />

unser Geschäftsmodell funktioniert. Das Wirtschaftsmagazin<br />

Enorm verleiht uns die Auszeichnung „Sozialunternehmen<br />

2013“. Nun geht es los mit Messen, wir wollen Projekte und<br />

Anleger akquirieren. bettervest stellt auf der Energieeffi zienz-<br />

Messe aus, Patrick pitcht auf der TedX Rhein-Main und bettervest<br />

erhält die Auszeichnung „Land der Ideen“.<br />

Oktober 2013: Das erste „dicke Brett“ wird gebohrt<br />

Nach den beiden Piloten veröffentlichen wir das erste<br />

größere Energieeffizienzprojekt auf der Plattform. Ein<br />

Hoher Besuch: Patrick Mijnals begrüßt den damaligen Umweltminister<br />

Peter Altmaier am Infostand von bettervest auf der Cebit.<br />

Heimtierfachmarkt aus dem Saarland erhält über bettervest<br />

23.500 Euro für seine energieeffiziente Sanierung. Etwas<br />

schockiert sind wir, dass eine Crowdfunding-Plattform, bei<br />

der wir uns um eine Finanzierung bemüht hatten, nun mit<br />

einer „Schwesterplattform“ online geht, die unserer sehr<br />

ähnlich ist.<br />

November 2013: bettervest bekommt ein gemeinsames Büro<br />

Wir haben einen Notartermin mit Business Angels, die uns<br />

ermöglichen, <strong>Voll</strong>zeit zu arbeiten. Wir beziehen das erste gemeinsame<br />

Büro in Frankfurt – bislang haben wir von Zuhause<br />

aus gearbeitet. Bei der Münchener „CrowdDialog“-Konferenz<br />

kommen viele Besucher und alle deutschsprachigen Plattformen.<br />

Torsten lernt die Redakteurin von <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong><br />

<strong>Wirtschaften</strong> kennen. Die Idee für diesen Artikel entsteht.<br />

Dezember 2013: Funding in sechs Stunden!<br />

Der Intendant des Gallus-Theaters ist zu Besuch. Für uns<br />

sind außergewöhnliche Projekte wichtig, denn sie zeigen das<br />

enorme Potenzial. Allerdings ist „Theaterbeleuchtung“ auch<br />

eine Herausforderung. Es gelingt uns, im Dezember in nur<br />

sechs Stunden das neue Social Impact Lab zu funden. Das<br />

Projekt bietet den Investoren eine Rendite von zehn Prozent<br />

bei einer Laufzeit von drei Jahren.<br />

Januar <strong>2014</strong>: Folgt ein GreenTec Award?<br />

Das neue Jahr geht super los! bettervest ist für die GreenTec<br />

Awards, Europas größten Umweltpreis, nominiert und zieht<br />

mit einem eigenen Büro in das neue Frankfurter Social Impact<br />

Lab. Nach den guten Erfahrungen mit den Fundings von<br />

bodystreet in Frankfurt entscheidet sich der Franchisegeber,<br />

bettervest nun auch bundesweit als „<strong>Nachhaltig</strong>keitsmaßnahme“<br />

für seine Fitnessstudios anzubieten.<br />

Wie geht es weiter?<br />

<strong>2014</strong> wird ein energieeffizientes Jahr für bettervest und für<br />

die Umwelt. Wir möchten immer ein bis zwei Projekte gleichzeitig<br />

online haben und eine Million Euro für spannende<br />

Projekte einsammeln, denn das sind ca. 1.000 Tonnen CO 2<br />

weniger. Gerne auch mit Ihrer Hilfe!<br />

120 Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. <strong>forum</strong> Ein Produkt <strong>Nachhaltig</strong> der Steinbeis <strong>Wirtschaften</strong><br />

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<strong>forum</strong> Service<br />

Medientipps | 122<br />

Kleinanzeigen | 123<br />

B.A.U.M. informiert | 124<br />

Events im Rückblick | 126<br />

Events in der Vorschau | 127<br />

Vorschau & Impressum | 129<br />

Shelina Moredas geteilte Meinung | 130<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

121


MAX SCHÖN<br />

PRÄSIDENT DER DEUTSCHEN GESELLSCHAFT CLUB OF ROME<br />

UND VORSTAND DER STIFTUNG 2°<br />

Gut, dass die Geschichte des <strong>Nachhaltig</strong>en Designs aufgeschrieben wurde. In einer Zeit, in der<br />

sich insbesondere Politiker darin überbieten, den Begriff der <strong>Nachhaltig</strong>keit zu weiten, zu<br />

verfremden, zu verbiegen – ja regelrecht zu verfälschen – ist es mehr als wichtig für Klarheit<br />

zu sorgen. Gerade Designerinnen und Designer müssen im Bereich der <strong>Nachhaltig</strong>keit wissen,<br />

worüber sie reden und was genau sie entscheiden, wenn sie ein Produkt, ein Bild, einen Text<br />

gestalten.<br />

Sehr viele politische Menschen sprechen in unserem Alltag schon von nachhaltig wenn sie<br />

eigentlich nur über die Finanzen des zweiten Halbjahres sprechen. Glauben sie tatsächlich<br />

selbst an das, was sie da sagen?<br />

Viele Produzenten sprechen von nachhaltigen Produkten, wenn nur das Produktionsmaterial<br />

physikalisch wieder verwertbar ist. Denken sie wirklich, dass es so einfach ist?<br />

Viele Bürger verwenden gerne Bio-Produkte und essen weniger Fleisch, sammeln Papier<br />

und fahren etwas mehr Bahn. Ist das genug, oder erst ein kleiner Anfang, um von einem<br />

<strong>Nachhaltig</strong>en Lebensstil sprechen zu können?<br />

Es ist gar nicht so einfach. Dabei ist es bei allen Entscheidungen, im Privatleben, wie auch<br />

in Wirtschaft, Politik, Bildung u.v.a., das Wichtigste, aktiv etwas zu ändern, hin zu einem<br />

Mehr an <strong>Nachhaltig</strong>keit. Es geht in unserem Leben vor allem darum, sich auf den Weg zu<br />

machen. Die im Buch genannten Persönlichkeiten und ihre Biografien sind gute Beispiele,<br />

wie schwierig diese Entscheidungen und Auseinandersetzungsprozesse im <strong>Nachhaltig</strong>keitsbereich<br />

sind. Sie zeigen aber auch, wie faszinierend und großartig die Aufgaben sind, denen sie<br />

sich auf ihren Wegen gestellt haben.<br />

Für Designerinnen und Designer vermittelt dieses Buch ganz sicher eine Vielzahl von Erkenntnissen<br />

und Anregungen, um die eigene Arbeit und die eigenen Entwürfe zu verbessern<br />

und nachhaltiger zu gestalten. Auf die Leserinnen und Leser wartet nach dem Lesen also eine<br />

Menge Gedanken- und Gestaltungsarbeit.<br />

Doch man kann das Buch ja auch Kapitel für Kapitel lesen.<br />

Es ist wirklich gut, dass es jetzt dieses Buch gibt …<br />

gedruckt<br />

ISBN 978-3-88864-521-1<br />

9 783888 645211<br />

DIE<br />

GESCHICHTE<br />

DES<br />

NACHHALTIGEN<br />

DESIGNS<br />

KARIN-SIMONE FUHS<br />

DAVIDE BROCCHI<br />

MICHAEL MAXEIN<br />

BERND DRASER<br />

(HERAUSGEBER)<br />

KARIN-SIMONE FUHS, DAVIDE BROCCHI,<br />

MICHAEL MAXEIN & BERND DRASER (HRSG.)<br />

Welche Haltung<br />

braucht Gestaltung?<br />

SERVICE | MEDIENTIPPS |<br />

Nur gut, dass es jetzt<br />

dieses Buch gibt …<br />

klimaneutral<br />

natureOffice.com | DE-179-976936<br />

Karin-Simone Fuhs et al. (Hgg.)<br />

Die Geschichte des nachhaltigen Designs<br />

<strong>Nachhaltig</strong>es Design verlangt nach einem<br />

Bewusstwerden der eigenen Kommunikationsund<br />

Gestaltungsleistung – und ihrer Wirkung<br />

auf Gesellschaft und Umwelt. <strong>Nachhaltig</strong>es<br />

Design unterscheidet sich von konventionellem<br />

durch die Tatsache, dass es den ökologischen,<br />

sozialen, kulturellen und emotionalen Kontext in<br />

die Designkonzeption und -planung einbezieht<br />

und sich nicht allein auf die Objektgestaltung<br />

konzentriert. Es vermittelt zwischen Menschen<br />

und Umwelt und betrachtet das Subjekt der<br />

Gestaltung nicht als übergeordnet. Mit diesem<br />

Buch wird ein trans- und interdisziplinärer Ansatz<br />

verfolgt. Unter den Autoren sind nicht nur<br />

Designerinnen, Designhistoriker, -theoretiker<br />

und -kritikerinnen, sondern auch Sozial- und<br />

Kulturwissenschaftler, Künstlerinnen, Ethnologen,<br />

Biologinnen und Ingenieure.<br />

2013, 384 Seiten, EUR 59,00<br />

ISBN: 978-3-88864-521-1<br />

www.vas-verlag.de<br />

Michael Pollan<br />

Meine zweite Natur<br />

Vom Glück, ein Gärtner zu sein<br />

Für die einen sind sie Orte der Entspannung, für<br />

andere Orte, an denen Tomaten wachsen oder<br />

Rosen blühen. Für den Bestseller-Autor Michael<br />

Pollan sind Gärten eine herrliche Passion; sie<br />

sind Orte der Inspiration, in denen Natur und<br />

Kultur sich begegnen. Doch manchmal droht<br />

auch dem bestgepflegten Garten Ungemach,<br />

etwa wenn kleine Nager das so sorgsam geschaffene<br />

Idyll durchpflügen, der Giersch seinen<br />

Weg ins Blumenbeet findet oder der Frost schon<br />

im September vorbeischaut. Mit viel Humor<br />

erzählt Michael Pollan aus seinem Leben als<br />

Gärtner, von den vielen kleinen Erfolgen und<br />

Misserfolgen, von der politischen Dimension<br />

des Bäumepflanzens oder Sinn und Unsinn des<br />

Rasenmähens. »Meine zweite Natur« ist ein<br />

Grenzgänger, eine wunderbare Mischung aus<br />

Belletristik, Autobiografie und Kulturgeschichte.<br />

<strong>2014</strong>, 368 Seiten, EUR 19,95<br />

ISBN-13: 978-3-86581-457-9<br />

www.oekomverlag.de<br />

Wolfgang Hafenmayer, Joanna Hafenmayer<br />

Die Zukunftsmacher<br />

Eine Reise zu Menschen, die die Welt verändern<br />

– und was Sie von ihnen lernen können<br />

Wer möchte das nicht: Karriere machen<br />

und gleichzeitig einen Beitrag für eine bessere<br />

Welt leisten? Immer mehr Menschen<br />

wollen jenseits von Profitmaximierung und<br />

sinnentleerter Arbeitswelt bleibende Spuren<br />

hinterlassen. So auch die Autoren Joanna<br />

und Wolfgang Hafenmayer – beide jung und<br />

erfolgreich im „Big Business“. Sie nahmen<br />

eine Auszeit, gingen auf Weltreise und trafen<br />

erfolgreiche Menschen, die ihr Leben in den<br />

Dienst einer guten Sache stellen: amerikanische<br />

Finanzmarktspezialisten, japanische<br />

Umweltexperten, argentinische Tänzer und<br />

Baumpflanzerinnen aus Afrika. Dieses Buch<br />

stellt 23 faszinierende Persönlichkeiten vor, die<br />

ihre und unsere Zukunft gestalten: Was motiviert<br />

sie? Wie haben sie ihren Weg gefunden?<br />

2011, 256 Seiten, EUR 14,90<br />

ISBN-13: 978-3-86581-257-5<br />

www.oekom.de<br />

Nach Plastic Planet der<br />

neue Film von Werner<br />

Boote<br />

Population Boom<br />

Ein bekanntes Horrorszenario:<br />

sieben Milliarden<br />

Menschen auf der Erde.<br />

Schwindende Ressourcen,<br />

giftige Müllberge, Hunger<br />

und Klimawandel – Folgen<br />

der Überbevölkerung? Wer<br />

behauptet eigentlich, dass<br />

die Welt übervölkert ist?<br />

Und wer von uns ist zu viel?<br />

Nach dem großen Kinoerfolg<br />

von „Plastic Planet“ bereist der neugierige Dokumentarist<br />

Werner Boote unseren Planeten und untersucht für „Population<br />

Boom“ ein jahrzehntelang festgefahrenes Weltbild. Für ihn<br />

stellt sich eine völlig andere Frage: Wer oder was treibt dieses<br />

Katastrophenszenario an?<br />

Seit 27. März im Kino<br />

www.facebook.com/mindjazzpictures<br />

www.mindjazz-pictures.de<br />

George Langworthy und Maryam Henein<br />

Bienen: Himmelsvolk in Gefahr<br />

Ein eindrückliches Plädoyer für <strong>Nachhaltig</strong>keit:<br />

faszinierend, brandaktuell und meisterhaft erzählt.<br />

Weltweit verschwinden Honigbienen auf mysteriöse<br />

Weise. Dieses Phänomen, bekannt als „Colony<br />

Collapse Disorder“, hat die Imker in eine tiefe Krise<br />

gestürzt. Und damit die Branche, die verantwortlich<br />

ist für die Produktion von Äpfeln, Brokkoli, Kirschen<br />

und hunderten anderen Frucht- und Gemüsesorten.<br />

Die spannende Dokumentation über das<br />

Verschwinden der Bienen ist ein eindrückliches<br />

Plädoyer für <strong>Nachhaltig</strong>keit und den Schutz eines<br />

der wichtigsten Lebewesen unseres Ökosystems.<br />

Der Film war auf zahlreichen Festivals im Wettbewerb<br />

zu sehen, darunter auf dem Wildlife Film<br />

Festival und auf dem Environmental Colorado<br />

Film Festival. BIENEN: HIMMELSVOLK IN GEFAHR<br />

erscheint am 03. April <strong>2014</strong> auf DVD, Blu-ray und<br />

in 3D sowie als Video on Demand!<br />

2010, DVD EUR 12,99<br />

EAN: 4041658228923<br />

www.tiberiusfilm.de<br />

122 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| KLEINANZEIGEN | SERVICE<br />

Für 5 Euro im monat<br />

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Täglich Hintergründe, Debatten und Nachrichten:<br />

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Als Förderer erhalten Sie 3 Ausgaben kostenlos<br />

vom Freitag – der unabhängigen wochenzeitung<br />

für Politik, Kultur und Haltung.<br />

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3 Wochen<br />

gratis<br />

Oder spenden Sie einmalig an den Förderverein von klimaretter.info:<br />

Empfänger: Klimawissen e.V.<br />

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Und trotzdem nicht Spitzenreiter?<br />

Weiterbildung zu klimafreundlichen Mobilitäts kon zepten<br />

für Unternehmen // am 24. April in Bremen<br />

Klimafreundliche Mobilität ist die Verbindung aus Technik und<br />

einer neuen Unternehmenskultur. An der energiekonsens<br />

klima:akademie erfahren Führungskräfte dabei, wie sie ein<br />

authentisches und effizientes Mobilitätskonzept für ihr Unter -<br />

nehmen entwickeln.<br />

Informationen und Anmeldung unter<br />

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123<br />

Layout: www.kwiegestaltung.de // Foto: © olly – Fotolia.com


SERVICE | B.A.U.M. INFORMIERT |<br />

MobilProFit<br />

Regionale Netzwerke für nachhaltige Mobilität in<br />

Unternehmen und anderen Einrichtungen<br />

Der Einfluss des durch Mobilität verursachten CO 2<br />

-Ausstoßes<br />

ist erheblich: 19 Prozent der CO 2<br />

-Emissionen in Deutschland<br />

entfallen auf den Verkehrsbereich. Dabei spielt der betrieblich<br />

bedingte Verkehr (Mitarbeiter, Dienstreisen, Fuhrpark) eine<br />

entscheidende Rolle.<br />

Unternehmen haben vielfältige Möglichkeiten, um hierauf im<br />

Rahmen der eigenen Mobilitätsgestaltung direkt Einfluss zu<br />

nehmen. Das vom Bundesumweltministerium geförderte Aktionsprogramm<br />

zum Mobilitätsmanagement „effizient mobil“<br />

(dena, 2010) ermittelte, dass Unternehmen durch ein systematisches<br />

Mobilitätsmanagement ca. 200 kg CO 2<br />

pro Jahr und<br />

Beschäftigtem einsparen können. Pro Standort gibt es der Studie<br />

zufolge Einsparmöglichkeiten in Höhe von 250 t CO 2<br />

pro Jahr.<br />

Diese Vorteile des betrieblichen Mobilitätsmanagements nehmen<br />

die meisten Unternehmen jedoch nicht wahr. Da sie die<br />

Kosten der Mobilität nicht systematisch erfassen, spüren sie den<br />

Kostendruck – wenn überhaupt – nur in Teilbereichen. Zudem<br />

teilen die Firmen Mobilität innerbetrieblich auf verschiedene<br />

Funktionsbereiche auf, so dass sie eine Verknüpfung von betrieblichen<br />

Nutzenpotenzialen nicht erkennen können.<br />

Erforderlich ist deshalb ein Vorgehen, das die Unternehmen bei<br />

der Identifizierung von Nutzenpotenzialen unterstützt, damit sie<br />

Der Beirat des neuen Projekts MobilProFit: (v.l.n.r.) Prof. Dr.-Ing. Ulrike Reutter,<br />

TU Kaiserslautern; Gabriele Kuczmierczyk, BMUB; Michael Müller-Görnert,<br />

VCD; Niels Hartwig, BMVI; Michael Bölke, UBA; Mechtild Stiewe, Institut für<br />

Landes- und Stadtentwicklungsforschung; Matthias Knobloch, DEPOMM; Dr.<br />

Rodolf Neuroth, Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN; Stefan Peltzer,<br />

IHK Dortmund<br />

diese rasch und effektiv in Maßnahmen umsetzen können. Die<br />

innerbetriebliche Umsetzungsdynamik lässt sich außerdem – so<br />

zeigen z.B. die Erfahrungen aus dem bundesweit erfolgreichen<br />

Umweltmanagement-Ansatz ÖKOPROFIT® – durch regionale<br />

Netzwerke in Kombination mit kommunalen Strategien fördern.<br />

Das Konzept von MobilProFit<br />

Das neue Projekt MobilProFit von B.A.U.M. bietet genau diese<br />

Verbindung zwischen kommunalen Klimaschutzstrategien und<br />

betrieblichem Mobilitätsmanagement. Ziel des Projekts ist, innerhalb<br />

von drei Jahren in rund 160 Unternehmen ein betriebliches<br />

Mobilitätsmanagement einzuführen und dabei Maßnahmen für<br />

eine nachhaltige und klimafreundliche Mobilitätsgestaltung umzusetzen.<br />

B.A.U.M. greift bei der Durchführung des Projekts auf<br />

die Erfahrungen aus über 100 ÖKOPROFIT-Projekten mit mehr als<br />

1.200 Betrieben sowie auf Erfahrungen aus diversen Projekten<br />

für betriebliches Mobilitätsmanagement zurück.<br />

Auch bei den Mitarbeitern können Unternehmen klimafreundliche Mobilität<br />

fördern.<br />

In 10 Regionen führt B.A.U.M. jeweils zwei MobilProFit-Staffeln<br />

mit jeweils ca. acht Betrieben durch. Jede Staffel beinhaltet<br />

vier Workshops; erfahrene Mobilitätsberater unterstützen die<br />

Betriebe bei der Erstellung von betrieblichen Mobilitätskonzepten.<br />

Das Projekt mit einer Laufzeit von November 2013 bis<br />

Oktober 2016 ist ein Gemeinschaftsprojekt der B.A.U.M. Consult<br />

GmbH und des B.A.U.M. e.V. und wird vom Bundesministerium<br />

für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit aufgrund<br />

eines Beschlusses des Deutschen<br />

Bundestags im Rahmen der Nationalen<br />

Klimaschutzinitiative gefördert.<br />

www.mobilprofit.de<br />

Fotos: © B.A.U.M.<br />

124 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| B.A.U.M. INFORMIERT | SERVICE<br />

Foto: © B.A.U.M.<br />

Nachrichten<br />

B.A.U.M. proudly presents:<br />

„Meine persönliche Energiewende“<br />

Das vom B.A.U.M.-Vorsitzenden Prof.<br />

Dr. Maximilian Gege erstmals 2006<br />

herausgegebene „Große Energie- und<br />

CO 2<br />

-Sparbuch“ war mit ca. 130.000<br />

verkauften Exemplaren ein großer Erfolg.<br />

Nun haben Experten der B.A.U.M.<br />

Consult GmbH Hamm unter Leitung von<br />

Geschäftsführer Johannes Auge und in<br />

Zusammenarbeit mit Herausgeber Prof.<br />

Dr. Maximilian Gege das Werk komplett<br />

überarbeitet. Das neue Buch erschien Anfang <strong>2014</strong> unter dem<br />

Titel „Meine persönliche Energiewende. Tipps für eine nachhaltige<br />

Lebensführung“. Wie bei der Vorgängerpublikation bietet<br />

B.A.U.M. Unternehmen auch hier wieder die Möglichkeit einer<br />

gebrandeten Sonderausgabe zur Weitergabe an Mitarbeiter und/<br />

oder Kunden an.<br />

Wettbewerb „Büro & Umwelt“ <strong>2014</strong> gestartet<br />

Auf dem Green Office Day, dem<br />

Thementag zum nachhaltigen<br />

Büro, den B.A.U.M. in Kooperation<br />

mit der Messe Frankfurt jährlich<br />

durchführt, wurde am 28.1.<strong>2014</strong><br />

der Startschuss für den Wettbewerb<br />

„Büro & Umwelt“ <strong>2014</strong><br />

gegeben. Bis zum 30.6.<strong>2014</strong> können sich Unternehmen um<br />

eine Auszeichnung als eines der umweltfreundlichsten Büros<br />

Deutschlands bewerben. Fragebogen und weitere Informationen<br />

zum Wettbewerb unter www.buero-und-umwelt.de.<br />

Aachen, Norderstedt und Berchtesgadener Land<br />

bekommen regionale Zukunftsfonds<br />

Mit der Wahl der Städte Aachen und Norderstedt sowie des Landkreises<br />

Berchtesgadener Land als Pilotkommunen kann das Projekt<br />

„B.A.U.M. Zukunftsfonds regional“ zur Unterstützung der Energiewende<br />

in die praktische Umsetzung gehen. Über 30 Kommunen<br />

hatten im Vorfeld des Projekts ihr Interesse bekundet. Bei der<br />

Auswahl war entscheidend, dass die Pilotkommunen den Themen<br />

Energieeffizienz und Klimaschutz besonders große Aufmerksamkeit<br />

widmen und bereits ausgearbeitete<br />

Klimaschutzkonzepte vorliegen.<br />

„Durch einen regionalen Zukunftsfonds<br />

in ihrem Einzugsgebiet können<br />

die beteiligten Kommunen ihre<br />

Vorreiterstellung in Sachen Energieeffizienz<br />

weiter ausbauen, ein grünes Wachstum ankurbeln und<br />

Arbeitsplätze sichern und schaffen“, so der B.A.U.M.-Vorsitzende<br />

und Initiator des Pilotprojekts Prof. Dr. Maximilian Gege.<br />

Veranstaltungsvorschau<br />

B.A.U.M.-Praxiswissen <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />

(26.5.-27.5.<strong>2014</strong>, München)<br />

In diesem zweitägigen Praxis-Seminar erfahren Sie, was sich hinter<br />

dem Begriff der <strong>Nachhaltig</strong>keit verbirgt, wie Sie <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />

im Unternehmen implementieren, umsetzen und kommunizieren,<br />

wie <strong>Nachhaltig</strong>keit in unterschiedlichen Branchen lebendig<br />

wird, welche Herausforderungen diese Aufgabe mit sich bringt<br />

und wie Sie zu einem erfolgreichen <strong>Nachhaltig</strong>keitsmanager<br />

werden.<br />

B.A.U.M.-Jahrestagung und Preisverleihung <strong>2014</strong><br />

(29.9.-30.9.<strong>2014</strong>, Handelskammer Hamburg)<br />

<strong>2014</strong> kann B.A.U.M. gemeinsam mit seinen Mitgliedern sein<br />

30. Jubiläum feiern! Auch die Jahrestagung im September wird<br />

aus diesem Anlass ein großes Event. Zum Thema „Mehr als<br />

Effizienz: Herausforderungen und Chancen für Unternehmen,<br />

Konsumenten und Politik“ erwarten Sie anregende Vorträge und<br />

spannende Diskussionen. Programm, Anmeldung und weitere<br />

Informationen unter www.baumev.de/umweltpreis.<br />

Besuchen Sie uns auch im Internet! Unter www.baumev.de<br />

finden Sie aktuelle Nachrichten und Veranstaltungshinweise.<br />

Partner im Netzwerk<br />

Als neue Mitglieder des Förder kreises<br />

von B.A.U.M. e. V.* begrüßen wir:<br />

D+V Druck und Verpackung GmbH,<br />

Norderstedt | Ernst & Young GmbH,<br />

Stuttgart | GRENOL GmbH, Ratingen-Meiersberg | Gut Karlshöhe,<br />

Hamburg | Institut für Umwelt, Coaching & Training, Hamburg |<br />

Internationaler Verein für zukunftsfähiges Bauen und Wohnen,<br />

Neckargmünd | kaufhaus.com Deutschland GmbH, Gießen |<br />

LACON Electronic GmbH, Karlsfeld | Mar-Ko Fleischwaren GmbH<br />

& Co.KG, Blankenhain | MDS Raumsysteme, Engen-Welschingen<br />

| office-4-sale Büromöbel GmbH, Berlin | POLARSTERN GmbH,<br />

München | Reflex Verlag GmbH, Berlin | scheplast GmbH,<br />

Schwendi-Hörenhausen | Sonepar Deutschland GmbH, Düsseldorf<br />

| TÜV Rheinland Cert GmbH, Köln<br />

* Stand zum Redaktionsschluss am 5.2.<strong>2014</strong><br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. Ein Produkt der Steinbeis Papier GmbH.<br />

125


SERVICE | EVENTS IM RÜCKBLICK |<br />

Grüne Filme und Organic 3.0<br />

Green Me Filmfestival ehrt<br />

ökologische und soziale Filme<br />

25. Jubiläumsausgabe der<br />

BIOFACH ein <strong>voll</strong>er Erfolg<br />

Die schönsten Umweltund<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keitsfilme<br />

gab es Anfang<br />

Februar auf dem Green<br />

Me Filmfestival in Berlin<br />

– über dreißig Filme<br />

für mehr als 1.400 Zuschauer.<br />

Der Höhepunkt war die Gala im Tipi am Kanzleramt mit Verleihung<br />

der Green Me Awards. Das Festival ist ein gelungenes<br />

Beispiel für die gute Zusammenarbeit von Medienmachern,<br />

sponsernden Unternehmen und NGOs, um den Fokus auf Natur<br />

und <strong>Nachhaltig</strong>keit zu lenken und den Wandel in Köpfen und Gesellschaft<br />

voranzubringen. Auch der Wolf hat jetzt ein besseres<br />

Image und wir wissen alle, „Rotkäppchen lügt“.<br />

Mehr unter www.greenme.de<br />

42.445 Fachbesucher aus 135 Ländern konnten sich an vier Tagen<br />

von dem vielfältigen, innovativen Angebot auf der Weltleitmesse<br />

für Bio-Lebensmittel und der Internationalen Fachmesse für<br />

Naturkosmetik VIVANESS überzeugen. Eine beeindruckende<br />

Branche, die immer wieder mit ihrer ökologischen Haltung, aber<br />

auch wirtschaftlicher und innovativer Kraft inspiriert. Schirmherr<br />

IOFAM und ideeller Träger BÖWL waren sich einig: Der thematische<br />

Fokus „Organic 3.0“ hat den Nerv getroffen. Die starke<br />

Präsenz von Akteuren aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft<br />

unterstreicht die hohe Relevanz des Themas.<br />

Die Stimmung in den Hallen war absolut positiv, Aussteller und<br />

Besucher hochzufrieden. Rund 90 % der Facheinkäufer wissen<br />

laut Befragung eines unabhängigen Instituts schon jetzt, dass<br />

sie 2015 wieder zur BIOFACH reisen wollen.<br />

www.heldenmarkt.de<br />

Foto: © Christian Klant: www.eventfotografie-klant.de<br />

Messe für<br />

nachhaltigen<br />

Konsum<br />

14. / 15. Juni<br />

Hamburg | Alsterdorfer Sporthalle<br />

25. / 26. Oktober<br />

Stuttgart | Alte Kelter Fellbach<br />

4. / 5. Oktober<br />

Frankfurt am Main | Bockenheimer Depot<br />

15. / 16. November<br />

Berlin | Postbahnhof<br />

126 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| EVENTS IN DER VORSCHAU | SERVICE<br />

12. Juni <strong>2014</strong>, Hamburg / 25. September <strong>2014</strong>, München<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit erfolgreich managen –<br />

Praxis-Screening-Workshop<br />

Viele Unternehmen stehen aktuell vor der Herausforderung, wie<br />

sie ihre <strong>Nachhaltig</strong>keitsaktivitäten mithilfe spezifischer <strong>Nachhaltig</strong>keits-Management-Software<br />

(NMS) professioneller managen<br />

und reporten können. Aufgrund der Vielzahl von Produkten und<br />

Anbietern ist die bedürfnisorientierte Auswahl der „richtigen“<br />

Software zeitaufwendig. Im Rahmen eines „Screening-Workshops“<br />

wird <strong>Nachhaltig</strong>keitsverantwortlichen von Unternehmen<br />

die exklusive Chance geboten, sechs Systeme an nur einem Tag<br />

live zu erleben, sich direkt mit den Anbietern auszutauschen und<br />

damit der Auswahl des richtigen Systems einen wichtigen Schritt<br />

näherzukommen.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net/events<br />

Neue Termine aus der Reihe:<br />

<strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong> Events<br />

3. und 4. Juli, Wien / 26. und 27. September, Hamburg<br />

5. und 6. Dezember, München<br />

Storytelling – Reden, Präsentationen und Pitchings<br />

halten, die man nie vergisst<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit braucht Geschichten. Wer die<br />

Herzen der Menschen bewegt, kann auch<br />

gesellschaftlich und unternehmerisch viel bewegen.<br />

Wenn auch Sie bewegen wollen – für<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit, Ihre Ideen, Ihr Produkt – wird<br />

Storytelling den entscheidenden Unterschied<br />

Erfolgstrainer<br />

Ralph Willmann<br />

machen. Schauspieler und Coach Ralph Willmann<br />

vermittelt in seinem Seminar, wie Sie<br />

Geschichten so heiß stricken, dass Ihre Zuhörer<br />

sie miterleben. Ein Muss für Kommunikationsleute, eine Bereicherung<br />

für Vortragende und Führungskräfte.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net/events<br />

3. bis 9. April <strong>2014</strong>, München, Karlsruhe,<br />

Darmstadt und Zürich<br />

Cosmic Cine Filmfestival <strong>2014</strong><br />

Das Cosmic Cine Filmfestival für <strong>Nachhaltig</strong>keit,<br />

Bewusstsein und Kreativität findet<br />

vom 3. - 9. April <strong>2014</strong> in München, Karlsruhe,<br />

Darmstadt und Zürich statt. Unter<br />

dem Motto „BUILD A BRIDGE“ werden<br />

innerhalb einer Festivalwoche im Kino ausgewählte<br />

internationale Dokumentar- und<br />

Spielfilme aus dem Bereich nachhaltiges<br />

<strong>Wirtschaften</strong>, Lifestyle und Spiritualität<br />

gezeigt. Musik und Publikumsdiskussionen<br />

bilden das Rahmenprogramm zum Filmhighlight.<br />

Höhepunkt der Festivalwochen<br />

ist die Cosmic Angel Awardgala am 11.April<br />

im Mathäser Filmpalast in München.<br />

www.cosmic-cine.com<br />

24. April, Bremen<br />

Ökologische Mobilität: Expertise<br />

für Führungskräfte<br />

Technik + Kultur = klimafreundliche<br />

Mobilität in Unternehmen. Wie diese<br />

Gleichung aufgeht und ein ökologisch wie<br />

ökonomisch sinn<strong>voll</strong>es Mobilitätskonzept<br />

gestaltet wird, erfahren Führungskräfte<br />

am 24. April in der energiekonsens<br />

klima:akademie. Experten für intelligente<br />

Mobilität informieren über authentische<br />

und effiziente Konzepte. Als Best Practice<br />

ist die VAUDE Sport GmbH und Co. KG vor<br />

Ort. Informationen unter:<br />

www.klima-akademie.net<br />

7. und 8. Mai <strong>2014</strong>, Ludwigsburg<br />

10. Deutsches CSR-Forum – Internationales<br />

Forum für <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />

und Zukunftsfähigkeit<br />

Zukunftsfähigkeit – Compliance – Gesellschaftliche<br />

Verantwortung – <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />

sind die Themen des Jubiläums<strong>forum</strong>s.<br />

Über 15 Vorstandsvorsitzende von großen<br />

Unternehmen und KMU sowie viele Vorstände<br />

und Vertreter des Middle Managements<br />

und NGO-Chefs erklären, wie sie es<br />

damit halten und wie es weitergehen soll.<br />

Außerdem: Die Verleihung des Deutschen<br />

CSR-Preises <strong>2014</strong>. Ein Muss für jeden<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keits-Bewegten. Bei Angabe<br />

des Buchungs-Codes „14-01F“ erhalten<br />

<strong>forum</strong>-Abonnenten auf der Webseite<br />

www.dokeo.de/f4-teilnahme zehn Prozent<br />

Rabatt auf alle Buchungen.<br />

www.csr<strong>forum</strong>.eu<br />

22. bis 25. Mai <strong>2014</strong>, Bad Kissingen<br />

Burnout und Resilienz – Bewusstseinskompetenz<br />

für Wirtschaft<br />

und Gesellschaft<br />

Auf dem Kongress der Akademie Heiligenfeld<br />

werden in Vorträgen, Workshops und<br />

Symposien, in Foren und Großgruppenarbeiten<br />

sowohl Grundlagen als auch Praxisbeispiele<br />

betrachtet, um eine Inspiration<br />

für ein lebendiges Leben zu gewinnen.<br />

Themenfelder sind: Die individuelle und<br />

gesellschaftliche Dimension des Burnout-<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

127


SERVICE | EVENTS IN DER VORSCHAU |<br />

Prozesses, Selbstführung und Selbstmanagement,<br />

Beseelte Arbeit, Resilienztraining<br />

für Individuen und Organisationen,<br />

betriebliches Gesundheitsmanagement<br />

und die Bedeutung der Unternehmenskultur.<br />

Diskutieren Sie mit Top-Referenten wie<br />

Eugen Drewermann, Pater Anselm Grün,<br />

Niko Paech und vielen anderen.<br />

www.kongress-heiligenfeld.de<br />

23. bis 25. Mai <strong>2014</strong>, Friedrichshafen<br />

eMOBILITY WORLD – 6. Messe<br />

für nachhaltige Mobilität<br />

Elektromobilität muss erfahren werden!<br />

Deutschlands erste Messe für nachhaltige<br />

Mobilität bietet Herstellern und<br />

Marktteilnehmern zum sechsten Mal die<br />

optimierte B2C-Plattform zur Ansprache<br />

interessierter Endverbraucher. Die<br />

Besucher erfahren hier, was der Markt<br />

zur Elektro-, Hybrid- und Wasserstoffmobilität<br />

zu bieten hat und können das<br />

neue Fahrgefühl direkt vor Ort bei einer<br />

Testfahrt ausprobieren.<br />

www.e-mobility-world.de<br />

2. Juni <strong>2014</strong>, Berlin<br />

14. Jahreskonferenz des Rates für<br />

<strong>Nachhaltig</strong>e Entwicklung<br />

Unter dem Motto „Verstehen – Vermitteln<br />

– Verändern“ bietet der Rat für <strong>Nachhaltig</strong>e<br />

Entwicklung neben neuen Impulsen<br />

aus der <strong>Nachhaltig</strong>keits-Forschung nationalen<br />

und internationalen Gästen zwölf<br />

Themenforen zur <strong>Nachhaltig</strong>keit: über<br />

Bildung, Wachstum und nachhaltige Unternehmensführung,<br />

Recycling, Klimapolitik,<br />

globale <strong>Nachhaltig</strong>keitsziele, Mobilität,<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keitsstrategien, Bodenschutz<br />

und Energiewende. Außerdem spricht<br />

Bundeskanzlerin Angela Merkel über die<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keitspolitik Deutschlands.<br />

www.nachhaltigkeitsrat.de/konferenz<br />

4. Juni <strong>2014</strong>, Köln<br />

Fachmesse MEETINGPLACE<br />

Germany<br />

Geschäftskontakte knüpfen, Expertenwissen<br />

sammeln, präsent sein: Am 4. Juni<br />

kommen Meinungsbildner und Entscheidungsträger<br />

der MICE-Branche auf dem<br />

MEETINGPLACE Germany in Köln zusammen.<br />

Hotels, Kongresszentren, Eventlocations,<br />

Destinationen, Softwareanbieter,<br />

Verbände, Künstler und Dienstleister<br />

präsentieren Veranstaltungsplanern ihre<br />

Angebote für gelungene Veranstaltungen.<br />

Keynotes, Podiumsdiskussionen und<br />

Fachvorträge liefern Anregungen und informieren<br />

über aktuelle Branchentrends.<br />

Auch das Thema „Green Meetings“ spielt<br />

eine wichtige Rolle.<br />

www.koeln.meetingplace.de<br />

17. und 18. Juni <strong>2014</strong>, Wolfsburg<br />

13. Zukunftskongress des 2b<br />

AHEAD ThinkTanks<br />

„2<strong>02</strong>4: Neue Kunden? Neue Produkte?<br />

Neue Prozesse! Wie die neue Technologiekultur<br />

die Grundwerte Ihrer Geschäftsmodelle<br />

ändert.“<br />

Wie jedes Jahr treffen sich Top-Manager<br />

und Innovations-Köpfe der Wirtschaft mit<br />

Trendforschern, Extrem-Lead-Usern, aber<br />

auch Politikern, Künstlern und Bischöfen.<br />

Erleben Sie beim innovativsten Zukunftskongress<br />

Deutschlands kreative Diskussionsformen,<br />

Live-Prototyp-Entwicklungen,<br />

Pecha Kucha und Elevator Pitches! Der<br />

ThinkTank präsentiert Ihnen die Technologie-Roadmaps<br />

der wichtigsten Branchen.<br />

www.2bahead.com/zukunftskongress<br />

17. bis 19. Juni <strong>2014</strong>, Deauville / Frankreich<br />

Deauville Green Awards <strong>2014</strong><br />

Europas größtes Filmfestival für Ökologie<br />

und <strong>Nachhaltig</strong>keit Deauville Green<br />

Awards findet dieses Jahr unter Schirmherrschaft<br />

der Deutschen Botschaft statt.<br />

Auf dem internationalen Filmfestival in<br />

der französischen Normandie werden<br />

einmal jährlich Unternehmensfilme, TV-<br />

Dokumentationen und Werbekampagnen<br />

ausgezeichnet. Filmemacher und Auftraggeber<br />

können ihre Produktionen bis zum<br />

18. April <strong>2014</strong> einreichen.<br />

www.deauvillegreenawards.com<br />

1. und 2. Juli <strong>2014</strong>, Köln<br />

Energy Masters <strong>2014</strong><br />

Die Energy Masters für Energieeffizienz<br />

in energieintensiven Branchen finden<br />

am 1. und 2. Juli in Köln statt. Das Managernetzwerk<br />

econique legt in diesem<br />

Jahr noch mehr Wert auf Technologie<br />

und Networking mit gematchten Einzelgesprächen<br />

und Workshops. Neu ist<br />

die kostenfreie Teilnahme für leitende<br />

Manager, die Projekte und Interesse an<br />

Einzelgesprächen mit Lösungspartnern<br />

des Events haben.<br />

www.econique.com<br />

30. August bis 2. September <strong>2014</strong><br />

ecostyle <strong>2014</strong> – Der Branchentreff<br />

für nachhaltige Lifestyle-<br />

Produkte<br />

Die Fachmesse ecostyle ist die erste Informations-<br />

und Orderplattform für geprüft<br />

nachhaltige Konsumgüter im europäischen<br />

Einzelhandel. Auf dem Frankfurter Messegelände<br />

zeigen Hersteller aus dem In- und<br />

Ausland „grüne“ Lifestyle- und Designprodukte<br />

aus den Segmenten Wohnen &<br />

Design, Fashion & Accessoires, Haushalt<br />

& Garten, Kinder & Spiel, Freizeit & Sport,<br />

Schreibtisch & Büro sowie Beauty & Genuss.<br />

Ein Fachbeirat garantiert die hohe<br />

nachhaltige Qualität der ausgestellten<br />

Produkte.<br />

www.ecostyle.messefrankfurt.com<br />

128 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


| VORSCHAU & IMPRESSUM | SERVICE<br />

Fotos: links oben: © Lassedesignen, fotolia.com | rechts oben: © Katja Kraus | unten: © Friedrich Cubigsteltig, fotolia.com<br />

Vorschau<br />

Das erwartet Sie in Ausgabe 3/<strong>2014</strong> von<br />

<strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong> (erscheint am 1.7.<strong>2014</strong>):<br />

Schwerpunkt: Fußball und CSR<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit im Lieblingssport der Deutschen<br />

Pünktlich zur Weltmeisterschaft in Brasilien packt uns das Fußballfieber.<br />

Doch was macht eigentlich die Fifa, um den Regenwald zu schonen, und<br />

wie wichtig ist der Deutschen Nationalmannschaft der Umweltschutz? +++<br />

Ehemaliger HSV-Vorstand Katja Kraus im Porträt: Warum sie den ersten<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keitsbericht der Bundesliga veröffentlicht hat +++ Bildstrecke:<br />

So sehen <strong>engagiert</strong>e Fußballprofis aus +++ Kerngeschäft Nachwuchsförderung?<br />

Ein Kommentar von Dr. Hildebrandt +++ Bunt kickt gut: Wie Fußball<br />

Jugendkriminalität verhindert<br />

Themen:<br />

<strong>Nachhaltig</strong> Bauen und Sanieren – im<br />

Themenjahr <strong>2014</strong> +++ Biodiversität:<br />

Naturkapitalbilanzierung +++ Silver<br />

Workers: Wieviel Potenzial in der<br />

Special Gesundheitswesen<br />

Wie gesund sind Ärzte, Pfleger<br />

und Krankenschwestern?<br />

Operieren an der Belastungsgrenze?<br />

Ein Burnout-Arzt berichtet +++ Boom<br />

der alternativen Heilmethoden:<br />

Was ist wirklich drin in Globuli und<br />

Co? +++ Fitness und Gesundheit in<br />

Unternehmen: Wie Entscheider sich<br />

körperlich fit halten +++ CSR in der<br />

Gesundheitsbranche: Pharmaunternehmen,<br />

Kliniken, Kurorte und Krankenkassen<br />

im Visier<br />

Generation 50+ steckt +++ Rückgrat:<br />

Kosmetikindustrie ohne Tierversuche<br />

in China +++ Grüner Luxus: Sanfter<br />

Tourismus mit Bewusstsein und Stil<br />

Impressum<br />

Herausgeber: ECO-World by ALTOP in Kooperation<br />

mit dem Bundesdeutschen Arbeitskreis für<br />

Umweltbewusstes Management (B.A.U.M.) e.V.<br />

Redaktion: Tina Teucher, Fritz Lietsch, Kim<br />

Schumacher, Anna Gauto, Edda Langenmayr,<br />

Maja Tittlbach, Uta Dobler, Daniela Gschnaidner,<br />

Jennifer Staniulis<br />

Telefon +49 (0)89 / 74 66 11 - 0<br />

redaktion@<strong>forum</strong>-csr.net; www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Verlag: ALTOP Verlag GmbH, Gotzinger Str. 48,<br />

81371 München, Telefon +49 (0)89 / 74 66 11 - 0<br />

Fax +49 (0)89 / 74 66 11 - 60, info@altop.de;<br />

www.altop.de<br />

Geschäftsführer: Fritz Lietsch; Gerichtsort München;<br />

Handelsregister Nr. 749 25<br />

Anzeigenbetreuung: <strong>forum</strong> Büro Nord, Dagmar<br />

Hermann, Sonja Hermann, Hugo Quenzer und<br />

Maximilian Römer, d.hermann@oekototal.de,<br />

Telefon +49 (0)4532 / 2 14 <strong>02</strong><br />

Abonnentenbetreuung: <strong>forum</strong> Büro Süd, Jennifer<br />

Staniulis, abo@<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Telefon +49 (0)89 / 74 66 11 - 10<br />

Marketing: Maja Tittlbach, m.tittlbach@<strong>forum</strong>-csr.net,<br />

Telefon +49 (0)179 / 5 01 49 40<br />

Vertrieb: IPS Pressevertrieb GmbH Postfach 12 11<br />

53334 Meckenheim<br />

Telefon +49 (0)2225 / 88 01 - 0<br />

Fax +49 (0)2225 / 88 01 - 1 99<br />

info@ips-pressevertrieb.de<br />

Bezug auch direkt unter www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Layout und Satz: dtp/layout; www.dtp-layout.de<br />

Preis: 7,50 Euro<br />

Erscheinungsweise: vierteljährlich<br />

ISSN 1865-4266<br />

Printed in Germany <strong>2014</strong><br />

Für die redaktionellen Beiträge von Unternehmen<br />

sowie die Best Practice-Beispiele sind die Unternehmen<br />

selbst verantwortlich. Namentliche oder<br />

anders gekennzeichnete Beiträge geben nicht<br />

unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die<br />

durch die Herstellung des Magazins verursachten<br />

Treibhausgase werden durch Klimaschutzmaßnahmen<br />

kompensiert. Nachdruck, auch auszugsweise,<br />

nur mit Genehmigung des Verlages unter Angabe<br />

der Bezugsanschrift gestattet. Aus Gründen<br />

der besseren Lesbarkeit wurde in der Regel die<br />

männliche Schreibweise verwendet. Wir weisen an<br />

dieser Stelle ausdrücklich darauf hin, dass sowohl<br />

die männliche als auch die weibliche Schreibweise<br />

für die entsprechenden Beiträge gemeint ist.<br />

Kuratorium<br />

Energie Prof. Dr. Claudia Kemfert, DIW; Dr. Axel<br />

Berg, EUROSOLAR Ethischer Konsum Michael<br />

Kuhndt, CSCP Gesellschaft & Zukunft Prof. Dr.<br />

Rolf Kreibich, Institut für Zukunftsstudien und<br />

Technologiebewertung; Stefanie Wahl, Denkwerk<br />

Zukunft Globalisierung & Entwicklung Prof. Dr. Dr.<br />

Franz Josef Radermacher, Universität Ulm; Barbara<br />

Unmüßig, Heinrich-Böll-Stiftung Green Money<br />

Rolf D. Häßler, oekom research AG; Volker Weber,<br />

Forum <strong>Nachhaltig</strong>e Geldanlagen Landwirtschaft<br />

& Ernährung Bernward Geier, COLABORA Medien<br />

Prof. Dr. Torsten Schäfer, Hochschule Darmstadt<br />

Psychologie Prof. Dr. Lenelis Kruse, Universität Heidelberg<br />

Social Business Peter Spiegel, GENISIS Umwelt-<br />

& Ressourcenschutz Prof. Maximilian Gege,<br />

B.A.U.M. Klima & Ozeane Mojib Latif, Geomar<br />

CO 2<br />

-neutral gedruckt mit dem Projekt www.grünesklima.de – ein Produkt der Miller Forest Investment AG.<br />

Dauerhafte und ökologisch wert<strong>voll</strong>e Bindung von Kohlendioxid durch Mischwaldaufforstung in Südamerika.<br />

Inhalt gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk, hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. Ein Produkt der Steinbeis Papier GmbH. Umschlag<br />

gedruckt auf Satimat Green, hergestellt aus 60-prozentigem Anteil an Recyclingfasern sowie 40 Prozent FSC®-zertifizierten Fasern. Ein Produkt der Arjowiggins Graphic.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

129


Vom Cowgirl zur<br />

Rennfahrerin<br />

Jetzt wird es rasant: Diesmal teilt die US-amerikanische<br />

Motorradfahrerin Shelina Moreda ihre Meinung mit<br />

<strong>forum</strong>. Eine Dame, die sich nicht zu Hip-Hop-Beats<br />

halbnackt auf einer Harley räkelt, sondern diese selbst<br />

fährt, wäre schon außergewöhnlich genug. Moreda ist<br />

aber auch die erste Frau, die (gegen Männer) den historischen<br />

Indianapolis Motor Speedway fährt, die einzige<br />

Frau, die in der Pro Harley Class der AMA (American<br />

Motorcycle Association) startet und die erste Frau, die<br />

an internationalen E-Motorradrennen teilnimmt. Damit<br />

ist Moreda, die das Motorrad-Fahren auf der elterlichen<br />

Ranch beim Viehtreiben gelernt hat, auch im grünen<br />

Motorsport eine absolute Pionierin.<br />

Was teilen Sie gern?<br />

Meine Leidenschaft fürs Motorradfahren, Glück, schöne<br />

Erinne rungen und Zeit mit der Familie. Außerdem teile ich<br />

gern Tweets (@Shelina93...). Ich würde sogar mein E-Bike von<br />

„Brammo“ teilen, wenn sich dadurch Menschen für sauberen<br />

und grünen Motorsport begeistern ließen.<br />

Sie haben eine Schwäche für?<br />

Meine größte Schwäche ist Zeit – die ist einfach immer knapp.<br />

Ich habe so viele große Träume, Ziele und Pläne, von denen<br />

ich aber nur einige wenige verwirklichen kann. Wenn ich aber<br />

ein paar meiner größten Träume leben kann, ist mein Leben<br />

schon erfüllt, was mich glücklich macht. Ich schreibe gern<br />

„Verfolge Deine Träume“ auf Fan-Poster. Denn ich glaube fest<br />

daran, dass man im Leben das tun muss, was man liebt. Dann<br />

kann man alles schaffen.<br />

Was wollten Sie ändern, als Sie ein Kind waren?<br />

Ich war als Kind ziemlich zufrieden mit der Welt. Ich trug jede<br />

Menge Verantwortung und hatte viel zu tun. Ich bin auf einer<br />

Farm aufgewachsen und habe dort zusammen mit meinen<br />

Eltern gearbeitet. Ich bin auf Motorrädern herumgefahren,<br />

habe Burgen gebaut und viel draußen gespielt. Wenn ich<br />

etwas hätte ändern wollen, dann wohl anderen Kindern, die<br />

ihre Zeit mit Videospielen verbracht haben, dieselben Dinge<br />

zugänglich zu machen. Es ist wichtig, dass Kinder aktiv sind.<br />

Wer wäre Ihr Traumpartner, um über den Sinn des<br />

Lebens zu philosophieren?<br />

Das wären Menschen aus meinem engsten Familien- oder<br />

Freundeskreis, nicht eine bestimmte Person.<br />

Sie sind für 24 Stunden Weltpolitikerin und können<br />

alles ändern. Welches Gesetz bringen Sie durch?<br />

Sie wollen nicht wirklich die ganze Welt für 24 Stunden in<br />

meine Obhut geben, ha, ha! Jeder würde härter arbeiten,<br />

netter sein und dem Leben mehr Wertschätzung entgegenbringen.<br />

Ich würde folgendes Gesetz erlassen: Man muss für<br />

mindestens sechs Monate das Leben einer Person annehmen,<br />

die das komplette Gegenteil von einem selbst ist. Dann würden<br />

Menschen eine andere Perspektive auf die Welt bekommen<br />

und einander besser verstehen.<br />

www.ShezRacing.com<br />

Foto: © CRP-Racing<br />

130 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


Sparkassen-Finanzgruppe<br />

Jetzt Idee einreichen<br />

und Energiewendepreis<br />

gewinnen!<br />

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„Meine Energiewende<br />

hat Zukunft. Und Ihre?“<br />

Für saubere Energie und mehr Lebensqualität:<br />

Sparkassen fördern die Energiewende vor Ort.<br />

Eine erfolgreiche Energiewende braucht Energieeinsparung und neue Energiequellen. Die dazu<br />

notwendigen Investitionen schaffen Arbeitsplätze und verbessern die Lebensqualität. Sparkassen<br />

finanzieren Projekte rund um Energieeffizienz und saubere Energie vor Ort – unter Deutschlands<br />

Kreditinstituten sind sie die Nr. 1 bei der Finanzierung der Energiewende. Jetzt informieren und<br />

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