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The Red Bulletin DE

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<strong>DE</strong>UTSCHLAND<br />

JAN. / FEBR. 2022<br />

€ 2,50<br />

ABSEITS <strong>DE</strong>S ALLTÄGLICHEN<br />

MA<strong>DE</strong><br />

Wonder<br />

Woman<br />

Freestyle-Ski-Profi,<br />

Model, Diplomatin:<br />

wie Eileen Gu<br />

die Sportwelt<br />

auf den Kopf stellt<br />

IN CHINA<br />

EILEEN GU<br />

Jesse Marsch sagt: „Neugier,<br />

Chaos und Verletzlichkeit<br />

sind Stärken.“<br />

JETZT ABONNIEREN: GETREDBULLETIN.COM<br />

BILLIE EILISH / VINZENZ GEIGER / STEFFEN FREUND / ANDREAS WELLINGER / CARRIE-ANNE MOSS


E D I T O R I A L<br />

WILLKOMMEN<br />

AUF <strong>DE</strong>R<br />

PISTE<br />

CHRISTIAN ANWAN<strong>DE</strong>R (COVER), MARKUS MORIANZ, CATWALKPICTURES<br />

AUF <strong>DE</strong>M<br />

SNOWBOARD …<br />

… steht Leon Vockensperger<br />

zurzeit fast in<br />

jeder freien Minute.<br />

Zum Glück legt er aber<br />

ab und zu einen Ruhetag<br />

ein. Da hat er dann<br />

Zeit für Gespräche wie<br />

dieses: auf Seite 50.<br />

Wie waren Sie eigentlich so mit achtzehn, liebe Leserinnen<br />

und Leser? Freestyle-Skifahrerin Eileen Gu, 18,<br />

hat in diesem Alter bereits die X Games gewonnen,<br />

modelt für Victoria’s Secret, studiert<br />

an der Elite-Universität Stanford –<br />

und vereint ganz nebenbei auch noch<br />

die Fans der Supermächte China und<br />

USA. Die ganze beeindruckende Geschichte:<br />

ab Seite 38. Und noch eine<br />

tolle Frau: Carrie-Anne Moss, 54. Auf<br />

Seite 32 erzählt die Schauspielerin,<br />

die als Trinity in der „Matrix“-Kinotrilogie<br />

berühmt wurde, warum sie<br />

Meditation der digitalen Welt vorzieht.<br />

Ruhig bleiben muss auch Dennis Zenz, 31. Der<br />

Co-Pilot will die Rallye Dakar gewinnen – zusammen<br />

mit dem erst 19 Jahren alten US-Fahrer Seth Quintero.<br />

Ab Seite 60 erklärt er uns, warum dabei<br />

gilt: Links lenkt, rechts denkt.<br />

Gute Unterhaltung<br />

mit der neuen Ausgabe<br />

von <strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong>!<br />

Die <strong>Red</strong>aktion<br />

FLORA MIRANDAS<br />

MO<strong>DE</strong>-VISIONEN<br />

Designerin Flora Miranda (hier<br />

eines ihrer Models) hat eine klare<br />

Vorstellung von der Zukunft<br />

der Mode. Science-Fiction ist<br />

nichts dagegen: Seite 52.<br />

GUTE<br />

UNTERHALTUNG<br />

Unsere Autorin Janina<br />

Lebisz czak sprach mit<br />

der Deutschrapperin<br />

badmómzjay. Das Interview:<br />

auf Seite 34.<br />

25<br />

Ringe von Cartier trug<br />

Billie Eilish bei der Met<br />

Gala 2021. Noch mehr<br />

Zahlen zum Pop-Superstar:<br />

auf Seite 12.<br />

THE RED BULLETIN 3


INHALT<br />

<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong><br />

im Januar / Februar 2022<br />

COVERSTORY<br />

38 DIE BOTSCHAFTERIN<br />

Freestyle-Skifahrerin Eileen<br />

Gu ist in den USA geboren<br />

und startet für China. Ihr Ziel:<br />

beide Welten zu vereinen.<br />

PORTFOLIO<br />

18 SIMPLY THE BEST<br />

Der Wettbewerb <strong>Red</strong> Bull<br />

Illume kürt die besten Action-<br />

Fotos der Welt. Die Sieger.<br />

FILM<br />

32 DIE KULTFIGUR<br />

Carrie-Anne Moss ist wieder<br />

Trinity – wir freuen uns auf<br />

Teil 4 der „Matrix“.<br />

<strong>DE</strong>UTSCHRAP<br />

34 GROSSE WORTE<br />

Wie die Rapperin badmómzjay<br />

mit erst 19 Jahren die<br />

Deutschrap- Szene erobert.<br />

FUSSBALL<br />

36 EIN GUTER FREUND<br />

Fußball-Legende Steffen<br />

Freund über harte Zweikämpfe<br />

und die Kunst der Kritik.<br />

WINTERSPORT<br />

46 UNSERE TOPSTARS<br />

Vier Wintersport-Größen<br />

verraten, was sie sich für diese<br />

Saison vorgenommen haben.<br />

6 GALLERY<br />

12 ZAHLEN, BITTE!<br />

14 FUNDSTÜCK<br />

15 DAS PHILOSOPHEN-INTERVIEW<br />

16 MEIN ERSTES MAL<br />

FASHION<br />

52 ZUKUNFT <strong>DE</strong>R MO<strong>DE</strong><br />

Eine 31-jährige Österreicherin<br />

als Mode-Visionärin:<br />

Flora Miranda verwandelt<br />

Fiktion in Realität.<br />

RALLYE DAKAR<br />

60 <strong>DE</strong>R BEIFAHRER<br />

Co-Pilot Dennis Zenz will<br />

die härteste Rallye der Welt<br />

gewinnen – mit dem erst<br />

19-jährigen Seth Quintero.<br />

GUI<strong>DE</strong><br />

Tipps für ein Leben<br />

abseits des Alltäglichen<br />

69 REISEN. Mit Rekordbergsteiger<br />

Nims Purja auf den Mont Blanc<br />

74 GAMING. Südkoreanische<br />

K-Fashion für die Sims und die<br />

Rückkehr eines Spiele-Klassikers<br />

76 LESESTOFF. Fünf Geschichten mit<br />

knallharten Helden – unsere Buchempfehlungen<br />

für die kalten Tage<br />

78 TIPPS & TRENDS. Richtig gutes<br />

Zeug – mit besten Empfehlungen<br />

der <strong>Red</strong>aktion<br />

82 FROHES FEST. Was unter den<br />

Christbaum passt – 14 Vorschläge<br />

92 BOULEVARD <strong>DE</strong>R HEL<strong>DE</strong>N.<br />

Ist der Literatur-Nobelpreisträger<br />

Michail Scholochow ein Betrüger?<br />

96 IMPRESSUM<br />

98 CARTOON<br />

38<br />

STARKE FRAU Die Leichtigkeit des Seins –<br />

Ski-Star Eileen Gu hebt als Luftakrobatin ab.<br />

52<br />

STARKE MO<strong>DE</strong> Flora Miranda zeigt eine Modewelt,<br />

in der Science-Fiction Realität wird.<br />

60<br />

STARKER MOTOR Rallye-Dakar-Beifahrer<br />

Dennis Zenz und sein Kampf in der Wüste<br />

MATT POWER, NORMAN KONRAD, MARCIN KIN/RED BULL CONTENT POOL, JAN KASL/RED BULL ILLUME<br />

4 THE RED BULLETIN


18<br />

STARKE BIL<strong>DE</strong>R<br />

Die Sieger des Fotowettbewerbs<br />

<strong>Red</strong> Bull Illume<br />

– hier ein Geniestreich<br />

des Tschechen Jan Kasl<br />

THE RED BULLETIN 5


6<br />

ANTONIN GRENIER


CAPBRETON,<br />

FRANKREICH<br />

Sie retten<br />

um die<br />

Wette<br />

Diese vier Damen sind Freiwillige der<br />

französischen Küstenwache, und der<br />

Grund ihrer Eile ist gottlob kein Notfall.<br />

Sie trainieren für einen Rettungsschwimmer-Wettkampf,<br />

der seit 2019<br />

im Südwesten Frankreichs ausgetragen<br />

wird. Bei dem Mehrkampf (u. a. Sprint,<br />

Schwimmen und Paddleboard) geht<br />

es um alle Fähigkeiten, die nötig sind,<br />

um im Ernstfall Leben zu retten.<br />

Instagram: @antoningrenier


MIAMI, FLORIDA, USA<br />

Breaking<br />

News<br />

Dürfen wir vorstellen? Das ist Logan Edra.<br />

Die Amerikanerin mit philippinischen<br />

Wurzeln ist erst achtzehn, hat aber<br />

unter ihrem Künstlernamen „Logistx“<br />

bereits eine beeindruckende Karriere<br />

als B-Girl hinter sich. Das kommt daher,<br />

dass sie schon mit sieben mit dem Tanzen<br />

und mit zehn mit Breaking an gefangen<br />

hat. Jetzt konzentriert sie sich ganz auf<br />

die Olympischen Spiele in Paris 2024.<br />

Da wird Breaking erstmals olympisch<br />

sein – und Logan eine ganz heiße<br />

Kandidatin auf eine Medaille.<br />

Instagram: @logistx_ugf<br />

8


YSA PEREZ, BRIAN LOWE<br />

HOUSTON, TEXAS, USA<br />

Volle Kraft<br />

voraus<br />

Wenn Weltklasse-Sprinter Elijah Hall<br />

eine Schwäche hat, dann ist es der<br />

Start. Darum übt er diese Phase auch<br />

entsprechend ausdauernd – wie hier auf<br />

dem Trainingsgelände der Universität<br />

Houston, Texas. „Diese Bewegungen<br />

müssen in Fleisch und Blut übergehen“,<br />

sagt der US-Athlet, „im Rennen muss<br />

das alles vollkommen automatisch<br />

funktionieren. Das Einzige, was mich<br />

aufhalten kann, bin ich selbst.“<br />

Instagram: @_elihall


RICK GUEST<br />

LONDON, ENGLAND<br />

Flyin’ high<br />

Morgan Lake, 24, gehört zu den besten<br />

Hochspringerinnen Großbritanniens,<br />

ihre Bestleistung liegt bei 1,97 Metern.<br />

Fotograf Rick Guest – seine Spezialität<br />

sind Bilder, die dynamische Bewegungen<br />

im exakt richtigen Moment einfangen –<br />

schwärmt von Lakes Körper als „perfektem<br />

Werkzeug zur Überwindung der<br />

Schwerkraft“. Bei diesem Sprung<br />

hat sie sich die Latte allerdings<br />

nicht besonders hoch gelegt –<br />

so locker, wie sie da drüberspringt.<br />

Der Fotograf: rg-e.com<br />

11


Z A H L E N , B I T T E !<br />

BILLIE EILISH<br />

Frau der Ringe<br />

Pop-Superstar Billie Eilish feiert im Dezember ihren 20. Geburtstag.<br />

In welcher Tonart sie James Bond auf Touren bringt, wie viele Cartier-Ringe<br />

sie bei der Met-Gala trug und was ihr erstes Auto kostete.<br />

13<br />

Jahre jung war die Sängerin, als<br />

sie ihre erste Single „Ocean Eyes“<br />

im November 2015 bei SoundCloud<br />

hochlud – exakt ein Jahr vor<br />

dem o∞ziellen Release des Songs.<br />

53.000.000<br />

Dollar verdiente Billie Eilish<br />

2020 – Rang 43 als Jüngste<br />

im Forbes-Ranking<br />

der Top-100-Celebritys.<br />

0<br />

Menschen folgt Billie Eilish<br />

auf Instagram – ihr Profil hingegen<br />

hatten bei <strong>Red</strong>aktionsschluss<br />

96,2 Millionen Fans abonniert.<br />

1.200.000<br />

Mal verkaufte sich 2019 ihr Debütalbum<br />

„When We All Fall Asleep,<br />

Where Do We Go?“.<br />

74<br />

Beats pro Minute tragen ihren<br />

James-Bond-Titelsong „No Time<br />

to Die“ in e-Moll voran.<br />

24<br />

Länder führten ihr aktuelles<br />

Album „Happier Than Ever“<br />

auf Rang 1 der Charts.<br />

25.000.000<br />

Dollar kassierte Billie Eilish<br />

von Apple TV+ für die Doku<br />

„<strong>The</strong> World’s a Little Blurry“.<br />

4<br />

Grammys in den vier Hauptkategorien<br />

Single, Song,<br />

Album und New Artist hat sie<br />

2020 gewonnen. Vor ihr<br />

schaffte das noch keine Frau.<br />

25<br />

Ringe aus dem Hause Cartier<br />

trug Billie Eilish am <strong>Red</strong><br />

Carpet der Met-Gala 2021.<br />

49.736.031<br />

Hörer pro Monat machten sie 2020 zur<br />

meistgestreamten Künstlerin auf Spotify.<br />

29.000<br />

Dollar kostete ihr erstes Auto, ein<br />

matt schwarzer Dodge Challenger –<br />

ein Geschenk ihrer Plattenfirma<br />

zum 17. Geburtstag.<br />

2<br />

ihrer vier Vornamen<br />

ergeben den Künstlernamen<br />

von Billie Eilish Pirate Baird<br />

O’Connell.<br />

GETTY IMAGES (2), ALAMY CLAUDIA MEITERT HANNES KROPIK<br />

12 THE RED BULLETIN


REACH YOUR SUMMIT<br />

Smartwatch mit Connected-Funktionen wie<br />

Herzfrequenz-Messung, integriertes GPS, Aktivitätsanalyse,<br />

Schlafanalyse.Wiederaufladbare Batterie. Wasserdicht 100M/300FT<br />

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OFFIZIELLE UHR


F U N D S T Ü C K<br />

Fabio Wibmer, 26,<br />

Bike-Artist,<br />

YouTube-King<br />

FABIO WIBMER<br />

Das 200-Millionen-Rad<br />

Das Bike, mit dem der Österreicher 2019 „Wibmer’s Law“ drehte.<br />

Jetzt durchbrach das Video auf YouTube eine magische Marke.<br />

Räder: abmontiert. Sattel: verschwunden. Pedale: perdu. Dieses Rad hat schon bessere Zeiten gesehen.<br />

Tatsächlich spielt es im Leben von Fabio Wibmer eine wichtige Rolle – hat er doch damit im September<br />

2019 den YouTube-Hit „Wibmer’s Law“ gedreht. Das 8 Minuten und 23 Sekunden lange Video mit<br />

Schauplätzen in Wien und Salzburg, Linz und Innsbruck hat auf YouTube vor kurzem die 200-Millionen-<br />

Zuschauer-Marke geknackt. Fabio weiß das zu würdigen: Demnächst wird er das Ding als Trophäe<br />

daheim an die Wand hängen. Mit Bike-Hersteller Canyon entwickelt er gerade ein neues Trial-Gerät.<br />

PHIL PHAM, PHILIP PLATZER/RED BULL CONTENT POOL<br />

14 THE RED BULLETIN


D A S F I K T I V E P H I L O S O P H E N - I N T E R V I E W<br />

NIETZSCHE SAGT:<br />

„Die Vernunft gehört<br />

in den Restmüll!“<br />

DR. CHRISTOPH QUARCH BENE ROHLMANN<br />

Gesundheit ist für viele Menschen das höchste Gut. Aber ist<br />

sie wirklich das Wichtigste im Leben? Friedrich Nietzsche<br />

war immer krank – und hat sich gerade deshalb viele Gedanken<br />

über die Gesundheit gemacht. Was dabei herausgekommen<br />

ist, erklärt er in unserem fiktiven Interview<br />

mit dem Philosophen Christoph Quarch.<br />

the red bulletin: Herr Nietzsche,<br />

wie geht es Ihnen?<br />

friedrich nietzsche: Danke, die<br />

Kopfschmerzen haben etwas nachgelassen.<br />

Obwohl ich mir nach wie<br />

vor den Kopf über Ihre Zeitgenossen<br />

zerbreche. Sehen Sie, es ist jetzt<br />

bald 150 Jahre her, dass ich über<br />

die Menschen der Moderne schrieb:<br />

„Man hat sein Lüstchen für den Tag<br />

und sein Lüstchen für die Nacht. Aber<br />

man ehrt die Gesundheit.“ Daran hat<br />

sich nichts geändert.<br />

Mit diesen Worten aus „Also sprach<br />

Zarathustra“ haben Sie diejenigen<br />

verspottet, die Sie „die letzten<br />

Menschen“ nannten. Was finden<br />

Sie so problematisch daran, dass<br />

Menschen die Gesundheit ehren?<br />

Wir alle wollen gesund sein. Ich auch.<br />

Meine Güte, Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr<br />

ich unter meinen Kopfschmerzen leide. Ich bin quer<br />

durch Europa gereist, um Orte zu finden, an denen ich<br />

es irgendwie aushalten konnte. Aber das heißt nicht,<br />

dass ich alles meiner Gesundheit untergeordnet hätte.<br />

Ich wollte gesund sein, um meine Arbeit machen zu<br />

können: um etwas zu schaffen. Denn das, mein Freund,<br />

ist es, worum es im Leben geht: schöpferisch sein und<br />

etwas Eigenes hinterlassen.<br />

Aber Sie sagen doch selbst, dass man dafür gesund<br />

sein muss.<br />

Sage ich nicht. Ich war nie gesund und habe trotzdem<br />

Großes geschaffen. Wahrscheinlich wäre mir das nie<br />

gelungen, wenn ich nicht meine Krankheit in eine<br />

Energiequelle verwandelt hätte. Es ging mir immerzu<br />

besch… bescheiden – ja, gerade deshalb habe ich wie<br />

wahnsinnig gearbeitet; gerade deshalb habe ich mein<br />

Bestes geben können. Ich wusste, was ich wollte – und<br />

das war viel mehr, als mich um meine Gesundheit zu<br />

kümmern, mir etwas Schönes zu gönnen oder im Spa<br />

rumzuhängen. Unter uns, mein Freund: Dass ihr so<br />

„Das ist es, worum<br />

es im Leben geht:<br />

schöpferisch sein<br />

und etwas Eigenes<br />

hinterlassen.“<br />

viel um eure Gesundheit kreist und so viel Aufhebens<br />

um eure Wehwehchen macht, verrät mir, dass ihr<br />

klein geworden seid: Zwerge, die keine Idee mehr<br />

davon haben, wofür sie leben wollen. Ihr lasst euch<br />

treiben und macht, was alle machen.<br />

Na ja, aber es können doch nicht alle<br />

so große Autoren werden wie Sie …<br />

Na und? Jeder kann in seinem Umfeld<br />

etwas Großes schaffen. Jeder kann<br />

seine verdammten Träume verwirklichen.<br />

Jeder kann tanzen, wenn<br />

er nur wollte. Aber ihr wollt nichts<br />

– außer ein bisschen Spaß haben<br />

und gesund sein! Und dann redet<br />

ihr euch auch noch ein, dass ihr<br />

vernünftig seid, wenn ihr alles diesen<br />

Zielen unterordnet. Ich aber sage euch:<br />

Genau diese „Vernunft“ könnt ihr getrost<br />

in eure Restmülltonnen schmeißen.<br />

Diese „Rationalität“ verhindert<br />

nämlich, dass ihr wachst und große<br />

Menschen werdet. Menschen, die<br />

sich dem Leben stellen, die sich<br />

dem Schmerz stellen – die ob ihrer<br />

Schwäche lachen und der Stimme<br />

ihres Herzens folgen.<br />

Hm, und was müsste man Ihrer Ansicht nach tun,<br />

um – wie Sie es ausdrücken – ein großer Mensch<br />

zu werden?<br />

Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden<br />

Stern gebären zu können. Besser kann ich es<br />

nicht sagen. Schluss mit der ewigen Nüchternheit und<br />

dem Schonwaschgang! Mut zum Rausch statt ängstlich<br />

herumdümpeln, wäre meine Devise. Was man dafür<br />

braucht? Ein leidenschaftliches Herz, sonst nichts.<br />

Und das wohnt sogar in deiner Brust, mein Freund.<br />

FRIEDRICH NIETZSCHE (1844 – 1900) gilt als einer der schärfsten<br />

Kritiker der technisch-rationalen Moderne. Mit seinem Werk<br />

„Also sprach Zarathustra“ inspirierte er Generationen von<br />

Künstlern und Denkern, neue Wege zu gehen. Dabei war Nietzsche<br />

häufig krank, er litt an immer wiederkehrenden Migräneschüben.<br />

Dennoch – oder gerade deshalb – schrieb er viel über<br />

die leibliche und geistige Gesundheit des Menschen.<br />

CHRISTOPH QUARCH, 57, ist Philosoph, Gründer der Neuen<br />

Platonischen Akademie (akademie-3.org) und Autor zahlreicher<br />

philosophischer Bücher, zuletzt: „Kann ich? Darf ich? Soll ich?<br />

Philosophische Antworten auf alltägliche Fragen“, legenda Q,<br />

2021.<br />

THE RED BULLETIN 15


M E I N E R S T E S M A L<br />

ANJA BLACHA<br />

„Mein Reise-Guide sagte:<br />

Anja, du bist verrückt!“<br />

Von 2015 bis 2017 stieg Anja Blacha – als bislang jüngste Deutsche – auf den höchsten Gipfel<br />

jedes Kontinents. Dabei hatte sie erst vier Jahre zuvor mit dem Bergsteigen an gefangen.<br />

Uns erzählt die Abenteurerin von dem Peru-Trip, der ihre Wanderlust weckte.<br />

Anja Blacha liebt die ganz großen Herausforderungen:<br />

Mit 27 war sie als jüngste deutsche Kletterin auf dem<br />

Mount Everest, bis heute ist sie die einzige Deutsche,<br />

die den K2 bezwungen hat. Voriges Jahr schaffte sie<br />

es als erste Frau auf Langlaufskiern<br />

von der Küste der Antarktis<br />

bis zum Südpol. 1400 Kilometer<br />

in 58 Tagen. Ihren 100-Kilo-<br />

Schlitten zog sie dabei selbst.<br />

Dabei ist ihr die Lust am<br />

Extremen nicht in die Wiege gelegt<br />

worden. Ihre erste Bergtour<br />

absolvierte sie 2013, nur vier<br />

Jahre bevor sie den höchsten Berg<br />

der Welt bestieg. Hier spricht die<br />

31-Jährige unter anderem von<br />

diesem Erweckungsmoment.<br />

„Meine ersten Bergschuhe waren<br />

eigentlich gar keine wirklichen<br />

Bergschuhe, das waren Multifunktionsstiefel<br />

der Marke Timberland,<br />

von denen ich beim<br />

Kaufen dachte: Damit kann ich<br />

durch die Altstadt schlendern,<br />

aber auch wandern gehen. Perfekt<br />

auch für die anstehende<br />

Peru-Reise mit meiner Schwester.<br />

Ich bin in Bielefeld aufgewachsen.<br />

Berge gibt es da nicht.<br />

Meine gesamte Jugend war von<br />

Strandurlauben und Städtetrips<br />

geprägt. In Peru hab ich dann<br />

zum ersten Mal einen Vulkan gesehen – mit 23. Auf<br />

einem Berg war ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie,<br />

aber ich wollte unbedingt rauf. Das Problem: Allein<br />

konnte man da nicht hoch, und das Ticket für unsere<br />

Weiterreise am nächsten Tag war schon gebucht. ‚Ihr<br />

seid verrückt, wenn ihr da jetzt in einer Nacht und<br />

in einem halben Tag raufwollt‘, sagten uns die Guides.<br />

Geklappt hat es am Ende doch: vom Meeresspiegel<br />

rauf auf 5800 Höhenmeter. Oben war ich so fertig, dass<br />

ich den Ausblick gar nicht richtig genießen konnte.<br />

Aber ich war so angefixt vom Spaß, den wir beim<br />

Aufstieg hatten, und vom Glück, das Ziel erreicht zu<br />

haben. Noch im gleichen Urlaub nahmen wir uns auch<br />

noch den Machu Picchu vor. Dieses erste Mal Trekking<br />

0:00–48:53<br />

Anja Blacha<br />

Mein erstes Mal – der Podcast<br />

„Ich habe das Klettern<br />

spät entdeckt, und das<br />

war vielleicht gut so.“<br />

Rekord-Frau Anja Blacha hat ihre erste<br />

Bergtour erst mit 23 gemacht.<br />

war so beeindruckend, dass ich mir damals schwor,<br />

die Timberlands nicht verstauben zu lassen.<br />

Vier Jahre später hatte ich dann die Seven Summits,<br />

den jeweils höchsten Berg jedes Kontinents, geschafft<br />

– als jüngste Deutsche überhaupt.<br />

Ob ich es bereue, nicht schon<br />

früher mit dem Bergsteigen begonnen<br />

zu haben?<br />

Nein. Denn mein Beispiel<br />

zeigt: Unsere Vergangenheit<br />

muss nicht bestimmen, was wir<br />

in unserer Zukunft erreichen<br />

können.<br />

Ich habe das Klettern spät entdeckt,<br />

und das war vielleicht<br />

sogar gut so. Ich lebe heute in<br />

der Schweiz, da gibt es Kletterer,<br />

die sind technisch unendlich<br />

versierter als ich, die kommen die<br />

Eiger-Nordwand in Rekordzeit<br />

hoch – und doch wagen sie sich<br />

nicht an die großen Berge heran.<br />

Weil sie ständig vor Augen haben,<br />

welche Skills ihnen vielleicht<br />

noch fehlen, anstatt das große<br />

Ziel anzugehen. Und so kann es<br />

sein, dass ich vielleicht auch<br />

stecken geblieben wäre in diesem<br />

‚Ich muss noch lernen‘-Zyklus,<br />

hätte ich früher oder in einem<br />

bestimmten Umfeld begonnen.<br />

Ich habe mit dem Bergsteigen<br />

aus Spaß angefangen, aus Neugier, etwas Neues für<br />

mich entdecken zu wollen. Es war einfach Teil meiner<br />

Reiselust. Und genau diese Ungezwungenheit war<br />

mein großer Vorteil.“<br />

„MEIN ERSTES MAL“ IST DIE RED BULLETIN-PODCAST-SERIE,<br />

in der Heldinnen über ihre Anfänge sprechen. Die Folge mit<br />

Anja Blacha, in der sie auch verrät, warum<br />

Excel- Tabellen für ihre Expeditionen<br />

wichtiger sind als Muskelberge, gibt’s im<br />

Podcast-Kanal von <strong>The</strong> <strong>Red</strong><br />

<strong>Bulletin</strong>. Zu finden auf<br />

allen gängigen Platt formen<br />

wie Spotify und auf<br />

redbulletin.com/podcast<br />

ANJA BLACHA<br />

16 THE RED BULLETIN


Das Besondere an einem<br />

Abenteuer ist nicht nur das Ziel,<br />

sondern auch der Weg dahin.<br />

Wir glauben fest an die Kraft von Träumen –<br />

und dass es sich lohnt, ihnen zu folgen. Dreamers. On.<br />

Mit Dominik Gührs, Corinna Schwiegershausen und Petra Klingler machen sich drei<br />

Topathleten auf den Weg, einen lang bestehenden Traum wahr werden zu lassen.<br />

Weitere spannende Träumer und ihre Geschichten finden Sie auf porsche.de/dreamerson<br />

Taycan Cross Turismo Modelle: Stromverbrauch kombiniert in kWh/100 km: 29,4–28,1 (NEFZ); 26,4–22,4 (WLTP); CO₂-Emissionen<br />

kombiniert in g/km: 0 (NEFZ); 0 (WLTP); elektrische Reichweite in km: 388–456 (WLTP) · 438–541 (WLTP innerorts); Stand 11/2021


P O R T F O L I O<br />

Simply<br />

the<br />

Best<br />

<strong>Red</strong> Bull Illume ist der<br />

weltweit größte Wettbewerb<br />

für Abenteuer- und Actionsportfotografie.<br />

Vorhang auf<br />

für die diesjährigen Sieger!<br />

Text ANDREAS WOLLINGER<br />

Rod Hill, 48<br />

Plötzlich war das Licht perfekt<br />

Sieger in der Kategorie<br />

„Energy by <strong>Red</strong> Bull Photography“<br />

Rod Hill hatte schon eingepackt. Doch dann<br />

entschied sich Kanute River Mutton spontan für<br />

eine letzte Fahrt über die Huka Falls des Waikato<br />

River, Neuseeland. Also: Kamera wieder raus.<br />

„Plötzlich war das Licht so, wie ich es noch nie<br />

gesehen hatte“, sagt Hill. Glück des Tüchtigen.<br />

Instagram: @rod_coffee<br />

18 THE RED BULLETIN


THE RED BULLETIN 19


P O R T F O L I O<br />

Will<br />

Saunders, 27<br />

Schöner fallen<br />

Sieger in der Kategorie „Masterpiece by SanDisk Professional“<br />

Einerseits: die majestätische Ruhe der Wüstenlandschaft des Indian Creek<br />

im US-Bundesstaat Utah. Anderseits: die Dynamik eines Kletterers im freien Fall.<br />

Ergibt: grandiose Spannung. Richtig, normalerweise fallen Kletterer anders. Aber<br />

Fotograf Will Saunders bat Jake Talley um eine „kraftvolle Bewegung“ beim Sturz.<br />

Check! Und den Gesamtsieg sicherte er sich mit diesem Genieblitz auch.<br />

willsaundersphoto.com, Instagram: @willsaundersphoto<br />

20 THE RED BULLETIN


„Jedes Mal, wenn ich rausgehe,<br />

überwinde ich mich, etwas zu tun,<br />

was ich noch nie versucht habe.“<br />

Will Saunders<br />

THE RED BULLETIN 21


P O R T F O L I O<br />

22 THE RED BULLETIN


„Ich will, dass<br />

die Betrachter tief<br />

in Welten eintauchen,<br />

in denen sie noch nie<br />

zuvor waren.“<br />

Carolin Unrath<br />

Carolin<br />

Unrath, 25<br />

Wo geht’s hier zur Welle?<br />

Siegerin in der Kategorie<br />

„Lifestyle by COOPH“<br />

In München lässt es sich mit der U-Bahn<br />

zum Surfen fahren. Hier sehen wir Andi<br />

Müllner auf dem Weg zur berühmten<br />

Eisbachwelle, die sich im Englischen<br />

Garten aufbaut. Die Vorfreude ist in<br />

diesem Fall besonders groß: An dem<br />

Tag öffnete die Eisbachwelle das<br />

erste Mal nach dem Lockdown 2020.<br />

carolinunrath.com<br />

Instagram: @carounrath<br />

THE RED BULLETIN 23


P O R T F O L I O<br />

Thomas<br />

Monsorno, 36<br />

Es ist nicht,<br />

wie es scheint<br />

Sieger in der<br />

Kategorie<br />

„Innovation<br />

by EyeEm“<br />

Das ist der Schweizer<br />

Eiskletterer Dani Arnold.<br />

Er ist hier am Baikalsee<br />

in Sibirien unterwegs,<br />

dem tiefsten See der Erde.<br />

Allerdings nicht von unten<br />

nach oben, sondern in der<br />

Horizontalen. Eine Illusion<br />

vom Feinsten, erdacht<br />

vom Südtiroler Fotografen<br />

Thomas Monsorno.<br />

thomasmonsorno.com<br />

Instagram:<br />

@ thomas.monsorno<br />

24 THE RED BULLETIN


THE RED BULLETIN 25


P O R T F O L I O<br />

„Mir macht es Spaß,<br />

Menschen in Momenten der<br />

Verletzlichkeit festzuhalten<br />

– in oder vor einer Wand.“<br />

Victoria Kohner-Flanagan<br />

Bruno Long, 42<br />

Phönix aus dem Staub<br />

Sieger in der Kategorie „RAW by Leica“<br />

Auf einer supersteilen Passage auf einem Trail in Fernie, British<br />

Columbia, Kanada: Mountainbiker Dylan Siggers taucht aus dem<br />

Staub auf wie Phönix aus der Asche. „Ich liebe es, mit Staub<br />

und Licht zu spielen“, sagt Fotograf Long, „weil es so ein zufallsgesteuerter<br />

Prozess ist.“ brunolong.com, Instagram: @eye_b_long<br />

26 THE RED BULLETIN


Victoria Kohner-<br />

Flanagan, 23<br />

Und jetzt: Hände hoch!<br />

Siegerin in der Kategorie „Emerging by Black Diamond“<br />

Diese beängstigend glatte, 39 Meter hohe Wand im kalifornischen<br />

Pine Creek Canyon heißt „Queen of Heartbreaks“ – Königin des Herzschmerzes.<br />

Zu Recht: Fotografin Victoria Kohner-Flanagan blieb<br />

schleierhaft, wo genau hier die nächsten Griffe sein sollten. Hier<br />

gönnt Kletterer Jack Nugent seinen Händen eine kleine Pause.<br />

victoriakohnerflanagan.com, Instagram: @vickyvicti<br />

THE RED BULLETIN 27


P O R T F O L I O<br />

„In einer Welt, die mit<br />

Bildern überflutet wird,<br />

musst du den Dingen<br />

einen persönlichen Touch<br />

geben. Dann werden sie<br />

interessant.“<br />

Markus Berger<br />

Markus<br />

Berger, 40<br />

Im Bauch des Gletschers<br />

Sieger in der Kategorie<br />

„Playground by WhiteWall“<br />

Tief im Berg, unter dem Hintertuxer<br />

Gletscher im Tiroler Zillertal, befindet<br />

sich ein märchenhafter Ort: der Natur<br />

Eis Palast. Dort kann man schwimmen,<br />

Kajak oder Schlauchboot fahren oder<br />

eisklettern. Und: wakeboarden, wie Dominik<br />

Hernler hier zeigt. Markus Berger<br />

hat das für die Nachwelt festgehalten.<br />

markusbergerphotography.com<br />

Instagram:<br />

@markus_berger_photography<br />

28 THE RED BULLETIN


THE RED BULLETIN 29


P O R T F O L I O<br />

Jan Kasl, 27<br />

Yhabril<br />

Moro, 42<br />

Die wahren Abenteuer sind im Kopf<br />

Sieger in der Kategorie „Creative by Skylum“<br />

Sieht so aus, als hätte Skateboarder Fanda Šesták einen fabelhaften<br />

Spielplatz gefunden: eine spiralförmige Bahn. Ist aber eine optische<br />

Täuschung, die in der Welt der Fotografie „erzwungene Perspektive“<br />

heißt. Der Trick ist, Dinge nahe der Kamera weiter weg erscheinen<br />

zu lassen. Und umgekehrt. Der Tscheche Jan Kasl hat das hier perfekt<br />

umgesetzt. jankaslphoto.com, Instagram: @jankaslphoto<br />

Männer im Mond<br />

Sieger in der Kategorie „Best of Instagram by Lenovo“<br />

Was es für dieses Bild alles braucht: zwei Kicker, aufgebaut an<br />

der richtigen Stelle am Pico Malacara, Spanien; einen perfekt synchronisierten<br />

Sprung der beiden Freeskier Jaime Rico und Javi Diaz;<br />

den Vollmond; natürlich klaren Himmel – und einen genialen Fotografen<br />

wie Yhabril Moro. yhabril.com, Instagram: @yhabril<br />

<strong>DE</strong>R WETTBEWERB<br />

RED BULL<br />

ILLUME<br />

Zwei Beobachtungen brachten<br />

den Ex-<strong>Red</strong> Bull-Athleten und Fotografen<br />

Ulrich Grill 2006 ins Grübeln.<br />

Erstens: Der technologische<br />

Fortschritt in der Lichtbildnerei<br />

er öffnete Actionfotografen völlig<br />

neue Möglichkeiten. Zweitens: Es<br />

gab keinen Wettbewerb, der dieses<br />

junge Genre entsprechend zelebrierte.<br />

Also erfand Ulrich schlicht<br />

einen solchen: <strong>Red</strong> Bull Illume.<br />

Heute ist der Contest mit Zehntausenden<br />

Einsendungen der weltweit<br />

größte seiner Art. Die Sieger<br />

werden von einer 50-köpfigen Fachjury<br />

gekürt. Ein aufwendiger Prozess<br />

mit hohem Qualitätsanspruch.<br />

Daher findet der Wettbewerb ganz<br />

bewusst nur alle zwei Jahre statt.<br />

redbullillume.com<br />

30 THE RED BULLETIN


EGAL, WIE HART <strong>DE</strong>IN<br />

TAG AUCH WIRD.<br />

Das Baustellenradio GML 50 von<br />

Bosch Professional ist härter.<br />

It’s in your hands. Bosch Professional.


Film<br />

Carrie-Anne<br />

Moss<br />

bekämpft als Trinity die Matrix in schwarzem Latex.<br />

Privat verbannt die Schauspielerin Smartphones aus<br />

ihrem Alltag – und besiegt Algorithmen mit Meditation.<br />

Interview RÜDIGER STURM<br />

1999 sorgte der Kinohit „Matrix“<br />

für eine Revolution des Actionkinos.<br />

Carrie-Anne Moss zeigte Keanu<br />

Reeves damals, dass alle Menschen<br />

in einer gigantischen Computersimulation<br />

gefangen sind – der<br />

Matrix. 18 Jahre nach dem dritten<br />

Teil geht der Kampf gegen die Illusion<br />

in „<strong>The</strong> Matrix Resurrections“<br />

weiter. Die heute 54-Jährige erläutert<br />

exklusiv für <strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong>, wie<br />

sie der künstlichen Welt der Matrix<br />

entkommt, mit welchen Methoden<br />

sie ihre Stunts übt und welche Rolle<br />

Meditation dabei spielt.<br />

THE RED BULLETIN: Frau Moss,<br />

hatten Sie jemals selbst das Gefühl,<br />

dass wir nicht in der realen<br />

Welt, sondern in der Matrix leben?<br />

carrie-anne moss: Das habe ich<br />

jeden Tag.<br />

Wow. Wann hat das angefangen?<br />

Zum ersten Mal brachte mich ein<br />

Lehrer in der 10. Klasse auf den<br />

Gedanken. Er fragte uns, ob es nicht<br />

sein könnte, dass wir alle in einem<br />

Traum leben. Damals dachte ich:<br />

„Wie bitte?!“ Ich kann mich nicht an<br />

viel aus meiner Schulzeit erinnern,<br />

aber diese Frage ist mir präsent geblieben.<br />

Sie hat eine Tür in meinem<br />

Geist aufgestoßen. Ich habe viele<br />

Jahre darüber nachgedacht, denn<br />

der Lehrer gab uns keine Antwort.<br />

Was ist denn Ihre Antwort?<br />

Dass jeder Mensch in seiner eigenen<br />

Realität lebt – abhängig von Algorithmen<br />

in sozialen Medien oder<br />

einfach nur von seinen persönlichen<br />

Interessen. Du kannst dich in einem<br />

Zimmer mit vier Personen aufhalten,<br />

und jede davon bewegt sich in einer<br />

komplett anderen Welt.<br />

In den „Matrix“-Filmen geht es darum,<br />

dass wir zur wahren Realität<br />

vordringen. Gelingt Ihnen das?<br />

Ich versuche auf jeden Fall, diese<br />

Matrix aufzulösen. Ein ganz wichtiges<br />

Werkzeug dabei ist für mich<br />

Meditation. Sie gibt mir die Möglichkeit,<br />

meinen Geist zu beruhigen.<br />

Egal ob ich das nun drei Minuten<br />

oder drei Stunden mache. Oder<br />

meinetwegen auch nur ein paar<br />

Atemzüge. Wenn ich meditiere, bin<br />

ich komplett bei mir – ohne den<br />

ganzen Lärm der Außenwelt. In der<br />

Meditation trete ich sozusagen in<br />

einen Raum voller Ruhe ein, darin<br />

erlebe ich so etwas wie echte Realität,<br />

und das beschert mir ein pures<br />

Glücksgefühl.<br />

Welche Techniken setzen Sie da<br />

genau ein?<br />

Ich habe lange Zeit Transzendentale<br />

Meditation gemacht, jetzt ist es eine<br />

Art Hybridform, die ich selbst entwickelt<br />

habe und die ich auch anderen<br />

Leuten beibringe. Wichtig dabei<br />

ist, dass man das nicht wie eine lästige<br />

Pflicht empfindet. Ich persönlich<br />

freue mich auf jede Meditation.<br />

Das heißt, im Grunde haben Sie<br />

die illusionäre Welt der Matrix<br />

schon hinter sich gelassen?<br />

Einerseits ja, andererseits ist der<br />

Weg aus der Matrix endlos. Sobald<br />

du denkst, du hast sie entwirrt und<br />

bist frei davon, denkst du dir: Moment,<br />

vielleicht bin ich einfach nur<br />

in der nächsten Matrix gelandet.<br />

Wir werden auch durch die Algorithmen<br />

der digitalen Welt manipuliert.<br />

Wie schütteln Sie die ab?<br />

Ich war nie von der digitalen Welt<br />

begeistert. Ich habe eher eine Aversion<br />

entwickelt, weil sie sich nicht<br />

gut für mich anfühlt. Natürlich hänge<br />

ich wie alle anderen am Smartphone,<br />

aber ich sehe zu, dass ich<br />

mich, sooft es geht, ausstöpsle. Und<br />

ich habe diese Haltung auch meinen<br />

Kindern zu vermitteln versucht. Sie<br />

gingen auf eine Waldorfschule, wir<br />

hatten keinen Fernseher. Irgendwann<br />

kamen sie jedoch in ein Alter,<br />

in dem sie aufs Smartphone nicht<br />

verzichten wollten. Also habe ich<br />

ihnen gesagt: „Der Technik ist euer<br />

Wohlergehen egal, aber für mich<br />

seid ihr das Wichtigste überhaupt.“<br />

Zu einem freien Geist gehört auch<br />

ein gesunder Körper. Was tun Sie<br />

für den Ihren – etwa um die Stunts<br />

in „Matrix“ zu meistern?<br />

Das war eine große Herausforderung.<br />

Ich war ja nicht mehr Anfang<br />

dreißig wie bei den ersten Filmen.<br />

Dazu gehört Training, gesundes<br />

Essen mit Nahrungsergänzungen,<br />

aber letztlich ist das auch eine<br />

mentale Frage. Für die schwierigsten<br />

Stunts half mir die Technik der<br />

Visualisierung. Das Training des<br />

Geistes ist das Wichtigste überhaupt.<br />

„Matrix Resurrections“ läuft<br />

ab 23. Dezember in den Kinos.<br />

JSQUARED PHOTOGRAPHY/CONTOUR BY GETTY IMAGES<br />

32 THE RED BULLETIN


„Ich habe<br />

eine Aversion<br />

gegen die<br />

digitale Welt<br />

entwickelt.“<br />

Sci-Fi-Ikone Carrie-Anne Moss, 54,<br />

schaltet gern ihr Handy ab.<br />

THE RED BULLETIN 33


Deutschrap<br />

badmómzjay<br />

mischt mit 19 Deutschlands Rap-Szene auf, trägt gern<br />

Goth-Outfit und steht offen zu ihrer Bisexualität. Wie sie<br />

als junge Frau Hass im Netz kontert? Erzählt sie hier.<br />

Interview JANINA LEBISZCZAK<br />

Foto JESKO GORGAS<br />

Früher hat mich das traurig gemacht.<br />

Später habe ich gelernt, dass<br />

ich lieber allein bin als mit Menschen,<br />

die es nicht gut meinen mit<br />

mir. Ich habe dadurch schnell verstanden,<br />

wie die Menschen ticken<br />

und die Welt funktioniert. Man muss<br />

stark sein. Wenn man so aufgewachsen<br />

ist, kratzt dich gar nichts mehr.<br />

Es war doch alles nur ein Spaß!<br />

2018 schrieb badmómzjay, die<br />

Jordan Napieray heisst, auf dem<br />

Handy ihren ersten Rap-Text und lud<br />

ihn zu einem Beat von Nicki Minaj<br />

auf Instagram hoch. Aus dem Spaß<br />

wurde Ernst und der Song ein Hit.<br />

Rapstars gratulierten, Plattenlabels<br />

meldeten sich. Da war sie gerade<br />

einmal 15 Jahre alt. Ihre erste EP<br />

landete 2020 auf Platz 12 der Charts.<br />

Bei den Hiphop.de Awards wurde<br />

die bei Berlin lebende Rapperin als<br />

„Beste New comerin national“ ausgezeichnet,<br />

auf Spotify folgen ihr<br />

über zwei Millionen Menschen, und<br />

die Zeitschrift „Bunte“ verlieh ihr ein<br />

paar Tage vor unserem Gespräch den<br />

New Faces Award. Die Laune beim<br />

Interview ist entsprechend prächtig.<br />

THE RED BULLETIN: Erzähl mal,<br />

wie fühlt sich die Wolke an,<br />

auf der du gerade schwebst?<br />

badmómzjay: Man hat gar nicht<br />

die Zeit, um zu reflektieren. Natürlich<br />

bin ich sehr glücklich und stolz.<br />

Trotzdem würde ich mir einen<br />

Moment wünschen, um das Ganze<br />

einmal zu begreifen.<br />

Wie ist es, Rapstar zu sein?<br />

Ich kann tun, was ich liebe, ich bin<br />

umgeben von talentierten Leuten, die<br />

ähnlich ticken wie ich. Und ich würde<br />

lügen, wenn ich sage, dass mich das<br />

Geld nicht interessiert. Es macht<br />

mich unabhängig. Ich kann meine<br />

Familie unterstützen und muss nicht<br />

mehr mit Sorgen einschlafen wie<br />

früher. Was ich nicht mag, ist, dass<br />

mich manche nicht mehr mit Respekt<br />

behandeln, nur weil ich in der<br />

Öffent lichkeit stehe. Man kann nichts<br />

machen, ohne dass es beurteilt wird.<br />

Ich bin noch ein Kind – für mich ist<br />

das manchmal anstrengend.<br />

In einer männerdominierten<br />

Branche: Gibt es da einen weiblichen<br />

Zugang zum Rap?<br />

Ja, das Positive. Leute zu animieren,<br />

dass sie machen können, was sie<br />

wollen – egal wie sie aussehen, egal<br />

wen sie lieben. Dieses Empowern<br />

kommt in den Texten männlicher<br />

Rapper selten vor.<br />

Du bist ohne Vater aufgewachsen.<br />

Wie hat dich das geprägt?<br />

Sagen wir so: Ich lege mein prinzipielles<br />

Misstrauen erst ab, wenn<br />

ich vom Gegenteil überzeugt werde.<br />

<strong>Red</strong>en kann man schnell viel, besonders<br />

in meiner Branche.<br />

Was hast du von deiner Mutter<br />

lernen können?<br />

Meine Mutter und ich sind ein Team.<br />

Dass man Männer zum Überleben<br />

braucht, den Gedanken gab es nie.<br />

Ich kenne nur starke Frauen, die<br />

alles selbst erledigen. Meine Mama<br />

hat mir auch beigebracht, immer zu<br />

sagen, was ich denke. In der Schule<br />

waren die meisten von diesem Verhalten<br />

eher abgeschreckt. Deshalb<br />

hatte ich nicht viele Freunde.<br />

Du wurdest wegen deiner Art und<br />

dem finanziellen Hintergrund<br />

deiner Familie in der Schule gemobbt.<br />

Wie hat dich das geformt?<br />

Heute setzt du dich für andere<br />

ein. Du engagierst dich für die<br />

LGBTQ-Community und stehst zu<br />

deiner Bisexualität. Wie sind die<br />

Reaktionen?<br />

Hauptsächlich sehr positiv. Manchmal<br />

gibt es auch Kommentare wie<br />

„scheiß Lesbe“. Solche Leute ignoriere<br />

ich. Sobald man sich äußert,<br />

wird die Welle noch größer. Die<br />

haben ein Problem mit sich selbst.<br />

Ich kämpfe seit meinem 13. Lebensjahr<br />

darum, dass Sexualität frei ausgelebt<br />

werden kann, und gefühlt sind<br />

wir keinen Schritt weiter. Wir haben<br />

noch einen langen Weg vor uns.<br />

Mal trägst du knallrote Haare und<br />

gefühlt meterlange Fingernägel,<br />

mal sieht man dich komplett ohne<br />

Make-up. Was hat es mit deinem<br />

Style auf sich?<br />

Darüber denke ich nicht nach. Ich<br />

bin ein sehr wandelbarer Mensch,<br />

vom Girly zum Jogger-Style zu Goth<br />

und zurück. Ich zeige mich auch oft<br />

ungeschminkt. Ich mag so aussehen,<br />

wie ich mich gerade fühle.<br />

Welchen Rat hast du an die Nachwuchskünstlerinnen<br />

da draußen?<br />

Macht es wie ich: einfach anfangen!<br />

Klar ist es schwierig. Aber lasst euch<br />

von niemandem einreden, ihr würdet<br />

das nicht schaffen.<br />

Seit dem 26. November ist ihr Album<br />

erhältlich: „badmómz“. badmómzjay auf<br />

Instagram folgen: @badmomzjay<br />

34 THE RED BULLETIN


„Ich mag<br />

so aussehen,<br />

wie ich mich<br />

gerade fühle.“<br />

Rapperin badmómzjay, 19,<br />

steht zu ihrem Style.<br />

THE RED BULLETIN 35


Fußball<br />

Steffen Freund<br />

war früher als aktiver Fußballer gefürchtet für seine<br />

defensive Härte. Als Kommentator auf ServusTV<br />

bevorzugt die Dortmund-Legende die Offensive.<br />

Hier erklärt er, was Sieger auszeichnet.<br />

Interview HANNES KROPIK<br />

Als TV-Experte nehmen Sie sich<br />

heute kein Blatt vor den Mund …<br />

… ich verliere aber nie den Respekt<br />

vor Spielern oder Trainern. Ich setze<br />

bei den Zuschauern kein Basiswissen<br />

voraus. Meine Aufgabe als Experte<br />

ist es, das Gesehene so zu erklären,<br />

dass man es als Laie nachvollziehen<br />

kann und es am Ende einen Mehrwert<br />

für alle gibt. Gleichzeitig will<br />

ich die Zuschauer aber nicht mit<br />

theoretischem Wissen zuschütten.<br />

Als Fußballer war Steffen Freund<br />

defensiver Mittelfeldspieler. Da hatte<br />

er die Aufgabe, die Spielgestaltung<br />

des Gegners möglichst effektiv zu<br />

stören. 1996 wurde er mit Deutschland<br />

Europameister. Mit Borussia<br />

Dortmund gewann der nunmehr<br />

51-Jährige zwei deutsche Meistertitel<br />

sowie 1997 die Champions<br />

League und den Weltpokal. Seine<br />

viereinhalb Jahre bei Tottenham<br />

Hotspur führten ihn in die Hall of<br />

Fame des Londoner Spitzenklubs.<br />

Heute ist Steffen Freund, der mit<br />

seiner Familie außerhalb von Berlin<br />

lebt, ein gefragter TV-Analytiker.<br />

Auf ServusTV bildet er – gemeinsam<br />

mit dem Norweger Jan Åge Fjørtoft<br />

– ein internationales Experten-<br />

Duo, das den Zuschauern die UEFA<br />

Champions League näherbringt.<br />

THE RED BULLETIN: Was nimmt<br />

man für sein weiteres Leben mit,<br />

wenn auf der Visitenkarte „Champions-League-Sieger“<br />

steht?<br />

steffen freund: Man spürt,<br />

dass die eigene Karriere weit oben<br />

angekommen ist. Dass ich nach<br />

dem EM-Titel auch die Champions<br />

League gewinnen konnte, hat mich<br />

sehr glücklich gemacht – aber ich<br />

war nie der Typ Mensch, der nach<br />

Erfolgen zufrieden wurde. Zufriedenheit<br />

kann hinderlich sein. Das<br />

Schwierige ist, errungene Erfolge<br />

durch nachfolgende Leistungen<br />

zu bestätigen.<br />

Die UEFA Champions League ist<br />

für jeden Fußballer das höchste<br />

Ziel auf Vereinsebene. Blöde<br />

Frage: Wie gewinnt man sie?<br />

Unser Finalgegner Juventus Turin<br />

war 1997 die beste Mannschaft der<br />

Welt. Ich erinnere mich, wie mein<br />

Kollege Jürgen Kohler vor dem Spiel<br />

trotzdem gesagt hat: „Kommt, wir<br />

holen uns den Pokal!“ Ich dachte:<br />

Was ist denn mit dem los? Aber er<br />

hatte natürlich recht: Du musst an<br />

dich selbst die höchsten Ansprüche<br />

stellen. Denn in einem Spiel kannst<br />

du jeden schlagen.<br />

Heute sind Sie gefragter TV-<br />

Experte. Inwiefern hilft Ihnen<br />

Ihre Vergangenheit als ehemaliger<br />

Weltklasse-Fußballer?<br />

„Weltklasse“ haben jetzt Sie gesagt!<br />

Aber klar, das ist ein kleiner Vorteil<br />

für mich: Ich habe es selbst wirklich<br />

erlebt und kann meine Emotionen<br />

wahrhaftig wiedergeben. Ich bin<br />

sehr dankbar, dass ich in 17 Jahren<br />

als Profi so viel erleben durfte.<br />

Trotzdem habe ich nicht vergessen,<br />

woher ich komme: aus dem Osten,<br />

der armen Seite Deutschlands.<br />

Als Aktiver galten Sie als<br />

unangenehmer Gegenspieler …<br />

… aber ich war meist fair! Ich habe<br />

brenzlige Situationen sportlich<br />

zu lösen versucht. Meine Aufgabe<br />

war in der Regel, den gegnerischen<br />

Spielmacher auszuschalten, also<br />

Legenden wie Zinédine Zidane, Roberto<br />

Baggio oder Andreas Herzog.<br />

Ich habe es genossen, wenn ich dabei<br />

an meine Grenzen gehen musste.<br />

Wie sind Sie als Aktiver mit Kritik<br />

umgegangen?<br />

Ich habe sie mir am Anfang zu Herzen<br />

genommen – manchmal vielleicht<br />

sogar zu sehr. Aber letztendlich<br />

war berechtigte Kritik immer<br />

ein Schlüssel zum Erfolg. Aus Kritik<br />

entsteht Ehrgeiz. Und Energie!<br />

Worum geht es im modernen<br />

Fußball – in einem Satz zusammen<br />

gefasst?<br />

Es geht um Flexibilität. Egal ob du<br />

als Mannschaft mehr in Ballbesitz<br />

bist oder nicht, egal ob in der Offensive<br />

oder in der Defensive: Du musst<br />

taktisch rasch reagieren können.<br />

Manche Entscheidungen musst du<br />

blitzschnell aus dem Bauch heraus<br />

treffen. Aber es müssen Entscheidungen<br />

sein, die du im Kopf schon<br />

längst vorbereitet hast.<br />

Sie haben mit Ihrem Kollegen Jan<br />

Åge Fjørtoft eine Wette laufen:<br />

Sie behaupten, Manchester City<br />

gewinnt die aktuelle UEFA Champions<br />

League. Warum?<br />

Ihre Ausgangssituation erinnert mich<br />

an unsere mit Borussia Dortmund:<br />

Wir waren – wie jetzt Manchester<br />

City – in den Jahren davor immer<br />

knapp dran am großen Erfolg. Du<br />

kommst dem Triumph immer näher<br />

– und wirst schlussendlich für deine<br />

Beharrlichkeit belohnt.<br />

Weitere Infos: servustv.com<br />

SERVUS TV/LEO NEUMAYR<br />

36 THE RED BULLETIN


„Kritik ist<br />

ein Schlüssel<br />

zum Erfolg.<br />

Daraus entsteht<br />

Ehrgeiz.“<br />

Steffen Freund, 51, über Ärger<br />

als mögliche Energiequelle<br />

THE RED BULLETIN 37


MULTITALENT<br />

Eileen Gu beim <strong>Red</strong><br />

<strong>Bulletin</strong>-Fotoshooting<br />

in Saas-Fee: Im Freestyle-Skifahren<br />

zählt<br />

sie in drei Disziplinen<br />

zur Weltspitze.<br />

Die<br />

Beste<br />

EILEEN GU, 18, ist der nächste<br />

Wintersport‐Weltstar: Freestyle‐Ski‐<br />

Kanone, Stanford‐Studentin,<br />

gefragtes Model. Als in den USA<br />

geborene Chinesin will sie die Fans<br />

beider Supermächte vereinen.<br />

Text EVELYN SPENCE<br />

Fotos CHRISTIAN ANWAN<strong>DE</strong>R


Freestyle-Ski<br />

zweier<br />

Welten<br />

39


Freestyle-Ski<br />

E<br />

ihre<br />

ileen Gu ist 18 Jahre alt, dafür hat sie es ordentlich<br />

weit gebracht: Sie ist Freestyle-Olympiahoffnung<br />

für Peking, zweifache Goldmedaillen-Gewinnerin<br />

bei den X Games, gehört in allen drei Freestyle-Disziplinen<br />

– Halfpipe, Slopestyle und Big Air – zur Weltklasse,<br />

sie ist Langstreckenläuferin, dazu gefragtes<br />

Model, Feministin und angehende Diplomatin.<br />

Es ist Ende Oktober, Gu hat einen Monat Halfpipe-Training<br />

in Saas-Fee in der Schweiz absolviert<br />

und ein Camp am Stubaier Gletscher in Österreich<br />

vor sich. Im Herbst erwarten sie Kurse in Mikro- und<br />

Makroökonomie.<br />

Die Zeit zwischen den Trainingseinheiten verbringt<br />

sie mit Vorträgen über Astrophysik und Fachbüchern<br />

über Quantenmechanik. „Als ich vorigen<br />

Winter das erste Mal bei den X Games war, wurden<br />

mir die anderen vor gestellt als ‚… hat das und das<br />

gewonnen‘, als ‚… ist so und so oft Olympiasieger<br />

geworden‘ oder ‚… ist der erste Mensch, dem dieser<br />

und jener Trick gelungen ist‘. Bei mir hieß es immer<br />

nur: Das ist Eileen Gu, sie hat 1580 Punkte beim<br />

SAT-Test (einem standardisierten US-Schulleistungstest;<br />

das Durchschnittsergebnis liegt bei knapp über<br />

1000 Punkten; Anm.) und wurde auf der Universität<br />

von Stanford aufgenommen.“<br />

Man könnte Eileen Gu als Ausnahmeerscheinung<br />

abtun, als begnadetes Multitalent. Man täte ihr damit<br />

Unrecht. Denn was Gu wirklich zu etwas Be sonderem<br />

macht, ist ihre enorme Leidenschaft fürs Lernen. Sie<br />

ist eine Musterschülerin des Lebens – im Sport genauso<br />

wie in der Wissenschaft. „Sie geht an jeden einzelnen<br />

Trick mit extremer Sorgfalt heran, visualisiert<br />

ihn wieder und wieder, in jedem Detail, und sie weiß<br />

Fähigkeiten unglaublich gut einzuschätzen“,<br />

sagt ihr Trainer Misra Noto. Kaya Turski, acht fache<br />

X Games-Gewinnerin im Slopestyle, beschreibt Gus<br />

Art, Ski zu fahren, mit dem Attribut „kalkuliert“ –<br />

nicht, weil ihr die Leidenschaft fehlen würde, sondern<br />

weil sie so überlegt und so präzise vorgeht.<br />

Dasselbe gilt für das Training abseits der Piste.<br />

„Eileen versucht, jede einzelne Wiederholung einer<br />

Übung noch perfekter zu machen als die davor“,<br />

sagt Alex Bunt, Strength- & Conditioning-Coach bei<br />

<strong>Red</strong> Bull. „Die meisten von uns finden zum Beispiel<br />

Dehnübungen langweilig. Sie nicht. Sie möchte jede<br />

Dehnung besser machen als die davor.“<br />

In Saas-Fee trainierte Gu eine neue Pipe-Sequenz<br />

mit drei neuen Tricks und einer neuen Kombination,<br />

sie war jeden Tag von 10 bis 15 Uhr auf dem Berg –<br />

konzentriert, effizient, keine Minute wurde verschwendet.<br />

Misra Noto, ein ehemaliger Profi und<br />

erfahrener Trainer, der früher das Schweizer Slopestyle-Team<br />

coachte, sagt: „Von allen Riderinnen, die<br />

ich kenne, arbeitet Eileen am härtesten.“<br />

Dass Gu manchmal als ein wenig kompliziert gilt,<br />

hat einen einfachen Grund: Ihr Leben ist kompliziert.<br />

Manchmal besteht es aus zwei Leben (Profisportlerin<br />

und Studentin), manchmal aus vier (zusätzlich<br />

noch Läuferin und Model). Außerdem fühlt sie sich<br />

sowohl als Amerikanerin wie auch als Chinesin.<br />

Eileen Gu wurde in San Francisco geboren und<br />

stand auf den Hängen des Skigebiets Northstar am<br />

Lake Tahoe zum ersten Mal auf Skiern. Trotzdem<br />

entschied sie sich im Alter von 15 Jahren, bei der<br />

„Ich muss die Dinge<br />

gut machen, sonst<br />

würde ich ja meine<br />

Zeit verschwenden.“<br />

MATT POWER<br />

40 THE RED BULLETIN


AIR CHINA<br />

Gu beim Training<br />

in der Halfpipe von<br />

Copper Mountain,<br />

Colorado. In Peking<br />

startet sie für China.<br />

THE RED BULLETIN 41


„Fashion ist<br />

eine kreative Art,<br />

der Welt zu zeigen,<br />

wer du bist.“<br />

Eileen Gu über die Vorzüge<br />

ihrer Zweitkarriere als Model


Freestyle-Ski<br />

Olympiade 2022 für China anzutreten. Ihre Mutter<br />

Yan stammt aus Peking. Seit Gu zwei Jahre alt ist,<br />

verbringt sie jeden Sommer dort. Sie spricht akzentfrei<br />

Mandarin, ging in Peking zur Schule, hat dort<br />

Freunde und ein Haus. „Wenn ich in Amerika bin,<br />

bin ich Ame rikanerin“, sagt sie ganz oft, sodass es<br />

wirkt wie ein Man tra, „in China bin ich Chinesin.“<br />

Als Gu zehn Jahre alt war, überredete sie den<br />

Betreiber eines Ski-Resorts in China dazu, den ersten<br />

Freestyle-Ski-Contest des Landes zu veranstalten.<br />

„Die Community war damals noch winzig, wir sind<br />

gemeinsam gewachsen“, sagt sie. Seit Gu bekannt<br />

gegeben hat, in Peking für China zu starten, sind<br />

mehr als zwei Jahre vergangen. Heute wird Gu<br />

in China auf der Straße erkannt. Aus dem kleinen<br />

Mädchen wurde die bekannteste Skifahrerin im<br />

bevölkerungsreichsten Land der Welt; sie wird als<br />

„Schneeprinzessin“ oder „Ski-Genie“ bezeichnet.<br />

„Eileen ist die perfekte Kombination aus Alter,<br />

Talent und Charisma“, sagt Szene-Insiderin Kaya<br />

Turski. „Sie hat das Zeug, die nächste Lindsey Vonn<br />

oder Chloe Kim zu werden.“<br />

Genau hundert Tage vor der Eröffnungszeremonie<br />

veröffentlichte das Pekinger Organisationskomitee<br />

einen aufwendigen Kurzfilm: „A Date with Snow<br />

and Ice“. Darin trifft ein junger Mann (Megastar<br />

Jackson Yee, einer der beliebtesten Sänger Chinas)<br />

ein junges Mädchen (Gu). Die beiden besuchen<br />

gemeinsam die Pekinger Sportstätten; es ist eine<br />

Mischung aus Pop-Kultur und Sport. Am Ende des<br />

Films ist wieder Gu zu sehen: Eine Fackel in der<br />

Hand, läuft sie, begleitet von dramatischer Musik,<br />

in Zeitlupe die Chinesische Mauer entlang.<br />

Es ist schwer zu sagen, wann genau Gu den<br />

Durchbruch geschafft hat. Aber ein Wettkampf<br />

sticht heraus: Innerhalb von 36 Stunden<br />

gewann sie im Januar 2021 drei Medaillen<br />

bei den X Games, zwei in Gold und eine in<br />

Bronze. Sie war die erste Debütantin, die Medaillen<br />

in drei Wettbewerben gewann, und die erste chinesische<br />

Athletin der Geschichte mit einer Goldmedaille.<br />

Zu dem Zeitpunkt war sie keine Unbekannte mehr;<br />

sie hatte bereits 2020 in Calgary, Kanada, und auf<br />

der Seiser Alm in den Südtiroler Dolomiten Weltcup-Wettbewerbe<br />

gewonnen. Bei den Jugend-<br />

Winterspielen 2020 in Lausanne, Schweiz, gewann<br />

sie zweimal Gold und einmal Silber.<br />

Der Weg bis dahin verlief alles andere als gewöhnlich.<br />

Gus Mutter kam in ihren Zwanzigern als<br />

Migrantin in die USA, studierte Biochemie an der<br />

Rockefeller-Universität in New York und stand das<br />

erste Mal am Hunter Mountain im Osten der USA auf<br />

Skiern. Dann zog sie in die Bay Area, in die Gegend<br />

von San Francisco, und erwarb an der Stanford-Universität<br />

den Titel Master of Business Administration.<br />

Als Eileen drei Jahre alt war, meldete Yan sie bei<br />

einem Skikurs in Tahoe an. Mit acht Jahren wurde<br />

sie Teil des Freeskiing-Teams im Northstar California<br />

Ski Resort – als einziges Mädchen –, weil Yan fand,<br />

Skirennen seien zu gefährlich. Bald gewann Eileen<br />

COVERSTAR<br />

Eileen Gu auf den<br />

Titel seiten der Modemagazine<br />

„Vogue“,<br />

„In Style“, und „Elle“<br />

(alle China) sowie des<br />

„V Magazine“ (US)<br />

„Wenn ich in Amerika bin,<br />

bin ich Ameri kanerin.<br />

In China bin ich Chinesin.“<br />

Contests der USASA (United States of America<br />

Snowboard and Freeski Association), darunter einen<br />

nationalen Wettbewerb für Neunjährige.<br />

Egal wo sie hinging, ihre Mutter war immer<br />

an ihrer Seite. Kaya Turski begegnete Gu zum ersten<br />

Mal in Neuseeland, „als eine kleine Frau zu mir kam<br />

und sagte: ‚Das ist meine Tochter.‘ Das war Eileen,<br />

1,20 Meter pure Energie“, erinnert sie sich.<br />

Daheim in San Francisco wohnte Gu mit ihrer<br />

mittlerweile 86-jährigen Großmutter, Guo Zhenseng<br />

– hier kommt sie manchmal immer noch vorbei.<br />

„Meine Großmutter ist leidenschaftlich, sie ist die<br />

ehrgeizigste Person, die ich kenne. Und das heißt<br />

viel, wenn ich es sage“, sagt sie. Sie war vier, als ihre<br />

Großmutter ihr beibrachte, dreistellige Zahlen miteinander<br />

zu multiplizieren.<br />

„Meine Mutter ist nicht so ehrgeizig wie meine<br />

Oma“, sagt sie. „Ihr war wichtig, mir viele Möglichkeiten<br />

zu eröffnen, meinem Leben ein breites Spektrum<br />

zu geben: Klavier, Ballett, Fußball, Basketball,<br />

Reiten, Bogenschießen, Klettern, Volleyball, Tennis.<br />

Ich machte alles.“ Aber: Druck, besonders erfolgreich<br />

zu sein, gab es nie. „Das war keine Eislaufmutti-<br />

Situation“, sagt Gu. „Mein Ehrgeiz kommt<br />

eher aus meiner Unfähigkeit, zu versagen. Wenn ich<br />

etwas mache, dann mache ich das gut, dann muss<br />

ich das gut machen, sonst würde ich ja meine Zeit<br />

verschwenden. Das ist die Art meiner Großmutter,<br />

die Dinge zu sehen, und indirekt auch meine Art.“<br />

Was Gus Durchbruch bei den X Games auf<br />

den ersten Blick besonders überraschend macht:<br />

2020/21 war die erste Saison, in der sie nicht Vollzeit<br />

zur Schule ging. Bis zu ihrem Schulabschluss<br />

2020 – sie war die erste Schülerin in der Geschichte<br />

ihrer Highschool, die in drei Jahren den Abschluss<br />

schaffte statt in vier – fuhr sie höchstens 65 Tage<br />

im Jahr Ski. Jedes Wochenende fuhr sie mit Yan nach<br />

Tahoe; während der vierstündigen Fahrt lernte sie<br />

im Auto für die Schule.<br />

Andere Talente in ihrem Alter brachten es auf<br />

250 Skitage pro Jahr.<br />

Die Umstände zwangen sie zu einem beinharten<br />

Arbeitseinsatz auf und abseits der Piste. Gleichzeitig<br />

führte sie ein ganz normales Teenager-Leben. „Viele<br />

meiner Ski-Kolleginnen waren Außenseiter, durften<br />

nicht zum Abschlussball gehen und all das. Bei mir<br />

war das anders. Niemand wusste, dass ich Ski fahre,<br />

und es hat auch niemanden interessiert.“<br />

Außerdem war Gu beim Geländelauf derart<br />

schnell, dass sie sich fast dafür statt für das Ski fahren<br />

entschieden hätte – unter anderem weil sie als Läuferin<br />

an Colleges aufgenommen werden hätte können.<br />

THE RED BULLETIN 43


Freestyle-Ski<br />

Aber als ein Ski-Contest in Österreich und ein Rennen<br />

für die nationalen Crosslauf-Meisterschaften<br />

zur gleichen Zeit stattfanden, kaufte sie ein Last-<br />

Minute-Ticket nach Europa.<br />

Auf die Frage, was Gu von anderen unterscheidet,<br />

hört man oft ähnliche Antworten. US-Freestyle-<br />

Skifahrer Bobby Brown, der acht Medaillen bei den<br />

X Games gewann, sagt: „Ich kenne sie, seit sie zehn<br />

oder elf war und ihren lila Helm trug. Was sie auf<br />

den Rails aufführte, war schon damals verrückt.“<br />

Für Trainer Noto ist am beeindruckendsten, wie<br />

hoch Gu bei ihren Tricks in der Pipe springt – bei den<br />

X Games waren es im Schnitt 3,35 Meter. Für Freestyle-Kollegin<br />

Turski ist es schlicht ihre Vielseitigkeit.<br />

Egal wen man fragt: Eileen Gu verfügt schon jetzt<br />

über eine gigantische Bandbreite an Fähigkeiten –<br />

und immer noch ist jede Menge Potenzial für Verbesserungen<br />

da. „Noch kann ich nicht sagen, dass sie<br />

die erfolgreichste Skifahrerin aller Zeiten wird“, sagt<br />

Noto, „aber sie hat alles, was man dazu braucht.“<br />

China hat, was den Skisport angeht, überaus<br />

ehr geizige Pläne: Tausend neue Ski-Resorts<br />

sind bis zum Jahr 2030 geplant, fünfzig<br />

Millionen Skifahrer sollen China zum größten<br />

Ski-Markt der Welt machen.<br />

„Ich erinnere mich noch an die Anfänge. Ich<br />

kannte jede einzelne Person im Snowpark, weil es<br />

im ganzen Land gerade zehn oder zwanzig gab“,<br />

sagt Gu. „Jetzt ist ein Funpark der trendigste Ort,<br />

an dem man sich in China aufhalten kann.“<br />

Das enorme Wachstum der Ski-Branche verläuft<br />

parallel zu Gus eigener Entwicklung. Sie ist ein<br />

Symbol für den chinesischen Ski-Boom. Dennoch<br />

fiel ihr die Entscheidung, für China anzutreten und<br />

nicht für die USA, sehr schwer.<br />

Also: Warum China? „In den USA bin ich mit all<br />

diesen Vorbildern aufgewachsen. So ein Vorbild<br />

wollte ich für jemand anderen sein“, sagt sie. Übersetzt:<br />

In China, sagt sie, könne sie ein nationales<br />

Bewusstsein für Freestyle schaffen und eine neue<br />

Generation von Mädchen inspirieren.<br />

„Wenn ich in Amerika bin, bin ich Amerikanerin“,<br />

wiederholt sie ihr Mantra, „wenn ich in China bin,<br />

bin ich Chinesin.“ Gu verfügt über die erstaunliche<br />

Fähigkeit, sich unterschiedlichen Umständen nahtlos<br />

anzupassen, die Stimmung im Raum intuitiv<br />

zu erfassen, selbstverständlich zwischen Sprachen<br />

„Ich spreche<br />

fließend Englisch und<br />

Mandarin, somit kann<br />

ich beide Kulturen<br />

in mich aufnehmen.“<br />

zu wechseln. „Da ich fließend Englisch und Mandarin<br />

spreche, hatte ich von klein auf die Möglichkeit,<br />

Nuancen von beiden Kulturen in mich aufzunehmen“,<br />

sagt sie. „Ich kann nicht nur in beiden Sprachen<br />

sprechen, ich kann auch in beiden leben.“<br />

Natürlich entspricht das auch dem, was man<br />

den „olympischen Geist“ nennt – speziell wenn es<br />

darum geht, eine Verbindung zwischen den beiden<br />

großen Weltrivalen China und USA zu schaffen.<br />

„Ich habe erkannt, welche Auswirkungen Sport<br />

auf die Diplomatie haben kann“, sagt sie. „Sport ist<br />

etwas Gemeinsames, unabhängig von Sprache, unabhängig<br />

von Kultur, unabhängig von politischer<br />

Zugehörigkeit.“<br />

Vergangenen Sommer reiste Gu für eine Tour<br />

voller Sponsoring-Verpflichtungen nach China. Die<br />

Tournee begann pandemiebedingt mit Quarantäne:<br />

fünf Wochen allein in einem Hotelzimmer, mit nicht<br />

mehr als einem Laufband, einer Yogamatte und ein<br />

paar leichten Gewichten. Gu sah es als Chance, sich<br />

auf ihre Fitness und nur auf ihre Fitness zu konzentrieren,<br />

bei täglichen drei- bis vierstündigen Zoom-<br />

ÜBERFLIEGER<br />

Eine von Gus Stärken<br />

ist der Luftstand, den<br />

sie, hier in den USA,<br />

bei ihren Sprüngen<br />

erreicht – im Schnitt<br />

über drei Meter.<br />

MATT POWER<br />

44 THE RED BULLETIN


MENTAL STARK<br />

Gu beim Equipment-<br />

Check. Die Achtzehnjährige<br />

steht oft unter<br />

Druck. Aber sie geht<br />

extrem souverän<br />

damit um.<br />

Meetings mit Trainer Alex Bunt, der sich darauf konzentrierte,<br />

an ihrer Explosivität und Sprungkraft zu<br />

arbeiten, an ihrer Beweglichkeit und Flexibilität sowie<br />

an ihrer Verletzungsresistenz. Sogar tausende<br />

Kilometer entfernt war er überwältigt von ihren<br />

motorischen und athletischen Fähigkeiten. „Ich<br />

könnte Eileen sagen, sie soll die Haltung ihrer linken<br />

kleinen Zehe korrigieren, und sie würde es gleich<br />

schaffen“, sagt er. „Sie ist ein Bewegungsgenie.“<br />

Als Gus geheime größte Stärke sieht Bunt ihre<br />

Grundlagenausdauer. „Sie hat einen wirklich großen<br />

Tank. Das heißt vor allem, dass sie mit den Schmerzen<br />

und Belastungen eines hohen Trainingsvolumens<br />

umgehen kann, physisch, aber auch mental. Fünf<br />

Wochen allein im Hotelzimmer? Stell dir das vor.<br />

Das ist irre. Ein unglaublicher Charakter.“<br />

Nach der Quarantäne reiste Gu alle paar Tage<br />

in unterschiedliche Städte. Skifahren, Schule, Klavier<br />

und Laufen im Tag unterbringen zu müssen – so wie<br />

früher – wirkt jetzt fast wie ein Kinderspiel. „Die vergangenen<br />

zwei Jahre waren vom normalen Leben<br />

eines Teenagers so weit weg, wie es überhaupt nur<br />

weg sein kann“, sagt sie.<br />

„Beim Tagebuchschreiben<br />

finde ich<br />

heraus, wie mein<br />

Verstand funktioniert.“<br />

Skifahren hat Gu bekannt gemacht, nun ist<br />

das Modeln dazugekommen, das sie von<br />

einer Nischen-Berühmtheit in einen Star<br />

verwandelt hat. Mit fünfzehn wurde sie von<br />

einer chinesischen Marke zur Paris Fashion Week eingeladen;<br />

seither war sie mehrfach in den chinesischen<br />

Editionen von „Elle“ und „Vogue“ zu sehen, wurde<br />

von Luxusmarken wie Tiffany und Louis Vuitton<br />

gebucht und nahm am Rebranding von Victoria’s<br />

Secret teil – gemeinsam mit Megan Rapinoe, Valentina<br />

Sampaio und Priyanka Chopra Jonas. „Ich stehe<br />

für die Verbindung von zwei unterschiedlichen ethnischen<br />

Gruppen, für eine Verbindung von Sport<br />

und Kunst und für Körperbewusstsein“, sagt sie.<br />

Für Gu ist das Modeln sowohl eine Ergänzung<br />

zum Skifahren als auch eine Atempause davon.<br />

„Fashion ist eine kreative Art, der Welt zu zeigen,<br />

wer du bist“, sagt sie. „Es ist fast so wie beim Skifahren.<br />

Erst wenn du deinen individuellen Style in<br />

deine Tricks einbringst, wird es was Besonderes.“<br />

Es gibt nicht nur diese Parallele zwischen Mode<br />

und Wettkampf: Ein Fotoshooting erzeugt genauso<br />

viel Adrenalin wie ein Run in der Halfpipe – die<br />

Konzentration, das Im-Mittelpunkt-Stehen, das<br />

Streben nach Perfektion.<br />

All das klingt, als stünde Gu unter hohem Druck<br />

– und der Eindruck stimmt natürlich. Der Druck<br />

kommt von Sponsoren, von ihrem Land, von ihr<br />

selbst. Aber sie geht souverän damit um. Sie weiß,<br />

dass ihr niemand wegnehmen kann, was sie erreicht<br />

hat. Sie weiß aber auch, dass sie sehr genau beobachtet<br />

wird, vor allem in China, und dass sie im<br />

Februar noch viel mehr Menschen noch viel genauer<br />

beobachten werden. „Aber ich glaube nicht, dass<br />

das meine Art, Ski zu fahren, beeinflusst hat“, sagt<br />

sie. „Und wenn, dann hat es mich besser gemacht.“<br />

Vielleicht ist es das, was Gu wirklich herausstechen<br />

lässt: ihre mentalen Fähigkeiten. Wenn man<br />

sie fragt, wie sie das macht, erwähnt sie Mutter und<br />

Oma – und ihr Tagebuch. „Damit kann ich zurückblicken<br />

und sehen, wie ich gewachsen bin. Mit dem<br />

Tagebuch finde ich heraus, wie mein Verstand funktioniert.“<br />

Eines Tages will sie ihre Aufzeichnungen<br />

veröffentlichen. Dann könnte man, erste Reihe fußfrei,<br />

miterleben, wie ein Star geboren wird.<br />

Doch die Geschichte ist noch lange nicht fertig<br />

erzählt, meint Kaya Turski. „Ich freue mich nicht nur<br />

darauf, zu sehen, was sie im Skisport macht, sondern<br />

auch, was sie für den Skisport macht. Wenn in China<br />

alles für sie läuft, dann zündet die Rakete.“<br />

THE RED BULLETIN 45


„Das Tempo<br />

meines Körpers<br />

zu akzeptieren<br />

ist enorm wichtig.“<br />

Andreas Wellinger<br />

SKISPRINGEN<br />

Diese Worte<br />

sind Gold wert<br />

„Ich habe auf<br />

mein Herz<br />

gehört, und es<br />

funktioniert.“<br />

Leon Vockensperger<br />

SNOWBOARD<br />

STEFAN HOBMAIER/RED BULL CONTENT POOL,HELGE ROESKE/RED BULL CONTENT POOL,<br />

LORENZ RICHARD/RED BULL CONTENT POOL, HANS HERBIG/RED BULL CONTENT POOL<br />

46 THE RED BULLETIN


Wintersport<br />

„Angst um meinen Ruf?<br />

Nein! Ich habe<br />

nichts zu verlieren.“<br />

Johanna Holzmann<br />

SKI CROSS<br />

Ein Angriff auf die Spitze, ein lang ersehntes<br />

Comeback, ein junger Hoffnungsträger und ein<br />

kompletter Neustart in einer anderen Disziplin:<br />

vier radikal ehrliche Athleten-Gespräche<br />

zum Start einer wilden Wintersport-Saison.<br />

„Man will dem<br />

anderen zeigen,<br />

dass man<br />

stärker ist.“<br />

Vinzenz Geiger<br />

NORDISCHE KOMBINATION<br />

THE RED BULLETIN 47


Wintersport<br />

„Seniorensport?<br />

Auf der Loipe geht’s<br />

Mann gegen Mann!“<br />

In der vorigen Saison erreichte der Kombinierer<br />

den sensationellen zweiten Platz im Gesamtweltcup.<br />

Jetzt zählt er zu den Favoriten auf den Titel.<br />

VINZENZ<br />

GEIGER, 24<br />

landete seit seinem<br />

Debüt im Weltcup 2015<br />

ganze 32 Mal auf dem<br />

Podest (Einzel- und<br />

Team-Wettbewerbe).<br />

Die vorige Saison war<br />

seine erfolgreichste:<br />

Der Oberstdorfer überraschte<br />

mit einem<br />

sensationellen zweiten<br />

Platz im Gesamtweltcup<br />

hinter dem Norweger<br />

Jarl Magnus Riiber.<br />

NORDISCHE<br />

KOMBINATION<br />

Der Begriff Kombination<br />

bezieht sich auf zwei<br />

Disziplinen: Skispringen<br />

und Langlaufen. Beim<br />

Springen erhalten<br />

die Athleten Punkte<br />

für jeden Meter. Diese<br />

werden in Zeitabstände<br />

umgerechnet, mit<br />

denen die Sportler<br />

anschließend in den<br />

10-Kilometer-Langlauf<br />

starten.<br />

THE RED BULLETIN: Von einer 100-Meter-<br />

Schanze springen oder langlaufen,<br />

bis die Beine brennen. Was macht mehr<br />

Spaß?<br />

Vinzenz Geiger: Mir macht beides Spaß.<br />

Wenn es im Springen nicht läuft, kann das<br />

ziemlich frustrierend sein. Dafür musst<br />

du beim Langlaufen auch bei schlechtem<br />

Wetter raus (lacht).<br />

Was muss ein Athlet bei der Nordischen<br />

Kombination mitbringen, um so erfolgreich<br />

zu sein wie du?<br />

Man muss aus beiden Disziplinen, dem Skispringen<br />

und dem Langlaufen, das Beste<br />

herausholen. Dafür braucht man eine gute<br />

Ausdauer, Koordination und Spritzigkeit.<br />

Die meisten in deinem Alter halten<br />

Langlaufen eher für einen Seniorensport.<br />

Worin liegt der Reiz für dich?<br />

Als Kind habe ich es auch nicht gemocht<br />

(lacht). Aber eigentlich ist Langlaufen<br />

genial. Es ist eine der härtesten Sportarten,<br />

für die du Kraft, Technik und Ausdauer<br />

brauchst. Und ich mag die Mann-gegen-<br />

Mann-Situationen. Zehn Kilometer, auf<br />

denen es voll zur Sache geht. Da muss man<br />

schon ordentlich leiden und denkt sich:<br />

Wieso mach ich das?<br />

Nordische Kombination, Teil 1: Vinzenz Geiger<br />

beim Skisprung-Training in Oberstdorf 2020<br />

Und? Wieso machst du das?<br />

Ich will meinen Konkurrenten schlagen.<br />

Man will dem anderen zeigen, dass man<br />

der Stärkere ist.<br />

Du bist letztes Jahr Zweiter im Weltcup<br />

geworden. Zählst du dich diese Saison<br />

zu den Favoriten?<br />

Klar – es wäre ja komisch, wenn man<br />

als Zweiter im Gesamtweltcup nicht<br />

zu den Favoriten gehörte.<br />

Spürst du Druck?<br />

Nein. Aber wenn man so eine gute Vorsaison<br />

hatte, will man das natürlich wiederholen.<br />

Ein Erfolgsrezept von dir ist deine<br />

Gelassenheit. Wie bleibst du so cool?<br />

Ich nehme nicht alles so ernst wie andere.<br />

Es ist ja nur ein Sport.<br />

Worüber kannst du dich aufregen?<br />

Wenn Schleicher auf der Autobahn<br />

die linke Spur blockieren (lacht).<br />

Nordische Kombination, Teil 2: Vinzenz Geiger<br />

beim Langlaufen in Oberstdorf. Im Training laufen<br />

die Sportler zum Teil 50 Kilometer.<br />

HANS HERBIG/RED BULL CONTENT POOL (2), DOMINIK BERCHTOLD/RED BULL CONTENT POOL<br />

48 THE RED BULLETIN


„Meine Mama fand<br />

Ski Cross zuerst<br />

gar nicht cool“<br />

Im Telemark hat die Allgäuerin alles gewonnen. Nun will sie<br />

in einer zweiten Disziplin voll angreifen: im Ski Cross.<br />

JOHANNA<br />

HOLZMANN, 26<br />

musste als Kind wegen<br />

Knieproblemen von Ski<br />

Alpin zu Telemark wechseln.<br />

Dort gewann sie<br />

2018 den Gesamtweltcup<br />

und zwölf Mal Gold bei<br />

Junioren-Weltmeisterschaften.<br />

In dieser Saison<br />

wechselt sie wieder<br />

in eine andere Disziplin:<br />

zum Ski Cross.<br />

Johanna Holzmann<br />

(Mitte) beim Mannschaftstraining<br />

am<br />

Pitztaler Gletscher<br />

in Österreich<br />

HELGE ROESKE/RED BULL CONTENT POOL, RICHARD WALCH/RED BULL CONTENT POOL<br />

SKI CROSS<br />

ist eine noch junge<br />

Wintersport-Disziplin.<br />

Der erste Weltcup fand<br />

erst 1998 statt. Dabei<br />

brettern vier Fahrer<br />

oder Fahrerinnen auf Ski<br />

gleichzeitig einen Kurs<br />

hinunter, der mit größeren<br />

und kleineren Kickern<br />

gespickt ist. Die ersten<br />

zwei, die im Ziel ankommen,<br />

qualifizieren sich<br />

für die nächste Runde.<br />

THE RED BULLETIN: Du willst dich jetzt<br />

auf völlig neues Terrain begeben. Warum?<br />

Johanna Holzmann: Das erste Mal kam<br />

mir der Gedanke im vorigen Winter, als<br />

ich wegen der Corona-Situation viel Zeit<br />

hatte. Normalerweise betreibe ich dann<br />

Alpin- Skifahren. Das war aber nicht möglich,<br />

weil die Lifte für Privatpersonen nicht<br />

offen waren. Deshalb habe ich mich den<br />

Ski- Crossern angeschlossen. Das hat mir viel<br />

Spaß gemacht (lacht).<br />

Was reizt dich daran?<br />

Es ist eine neue Disziplin und eine neue<br />

Challenge. Da kann ich noch eine Menge<br />

lernen.<br />

Hast du keine Angst, zu verlieren und<br />

deinen Ruf zu ruinieren?<br />

Nein, überhaupt nicht. Ich komme als<br />

Newcomerin in diese Sportart und habe<br />

nichts zu verlieren.<br />

Ist der Umstieg von Telemark auf<br />

Ski Cross schwierig?<br />

Ich habe schon als Kind viele Wintersportarten<br />

ausgeübt, das ist auf jeden Fall ein<br />

Vorteil. Und was das Wettkampfformat angeht,<br />

profitiere ich von meinen Erfahrungen<br />

beim Telemark. Der größte Unterschied<br />

ist auf jeden Fall das Bindungssystem.<br />

Beim Ski Cross ist der komplette Schuh<br />

fest in der Bindung, beim Telemark ist<br />

die Ferse hinten frei. Wie hast du dich<br />

auf die Umstellung vorbereitet?<br />

Im April habe ich mich mit den Trainern<br />

zusammengesetzt und einen Plan ausgearbeitet,<br />

wie das Ganze klappen könnte.<br />

Dann ging es los mit viel Krafttraining. Im<br />

Sommer bin ich dann auf den Gletscher<br />

und in die Skihalle, um mich an das neue<br />

Material zu gewöhnen.<br />

Worauf kommt es bei Ski Cross an?<br />

Auf Selbstvertrauen. Man darf nicht zurückziehen,<br />

wenn man auf größere Sprünge<br />

zufährt – erst recht nicht, wenn rechts und<br />

links neben dir einer fährt.<br />

Ski Cross gilt als eine der gefährlichsten<br />

Disziplinen. Wie hat dein Umfeld<br />

auf den Wechsel reagiert?<br />

Meine Mama fand’s zuerst nicht so cool.<br />

Aber als wir darüber gesprochen haben,<br />

war sie dann beruhigt. Ich hatte schon<br />

genug Verletzungen. Die Gesundheit ist<br />

mein oberstes Ziel.<br />

Und das Kniegelenk macht heute<br />

keine Probleme mehr?<br />

Nein. Mittlerweile sind beide Kniegelenke<br />

durch je eine Operation stabilisiert.<br />

THE RED BULLETIN 49


„Snowboarder können<br />

mehr Spaß haben<br />

als andere Athleten“<br />

Vor neun Jahren sagten sie ihm, er sei zu schlecht. Heute ist<br />

der Bayer einer der besten Snow boarder Deutschlands.<br />

LEON VOCKENS­<br />

PERGER, 22<br />

stand schon als Dreijähriger<br />

auf dem Snowboard.<br />

Im Januar 2021<br />

erreichte er beim Slopestyle-Finale<br />

im Schweizer<br />

Laax den zweiten Rang.<br />

Es war bei den Herren<br />

der erste Podestplatz<br />

eines Deutschen in dieser<br />

Disziplin überhaupt.<br />

SNOWBOARD<br />

FREESTYLE<br />

Diese Sportart kennt<br />

drei Disziplinen: Beim<br />

Big Air springen die<br />

Cracks über eine Rampe<br />

und zeigen ihre besten<br />

Tricks. Beim Slopestyle<br />

müssen sie einen Hindernisparcours<br />

bewältigen,<br />

und in der Halfpipe-<br />

Kategorie fahren und<br />

springen sie möglichst<br />

trickreich durch eine<br />

nach oben offene<br />

Schneeröhre.<br />

THE RED BULLETIN: Du fährst Big Air und<br />

Slopestyle. Welche Disziplin ist dir lieber?<br />

Leon Vockensperger: Slopestyle, da ist<br />

jeder Parcours anders. Ich habe keinen Bock,<br />

jeden Tag vor demselben zu stehen. Ich bin<br />

froh, dass ich nicht darauf gehört habe, dass<br />

ich in anderen Disziplinen höhere Chancen<br />

auf Erfolg hätte. Ich habe stattdessen auf<br />

mein Herz gehört, und es funktioniert.<br />

Wie übst du deine Tricks?<br />

Früher habe ich mir einfach gedacht: Probieren<br />

wir es mal. Das war nicht das beste<br />

Risikomanagement. Heute baue ich meine<br />

Tricks nach und nach auf und versuche mich<br />

Umdrehung für Umdrehung hochzuarbeiten.<br />

Wenn der 1080 im Schlaf funktioniert, dann<br />

probiere ich den 1260 – und muss nur noch<br />

einen 180 dranhängen.<br />

Welchen Trick würdest du gerne mal<br />

landen können?<br />

Einen Cap Triple 18. Das sind 1800 Grad,<br />

also eine fünffache Drehung. Der Trick ist bis<br />

jetzt erst ganz wenigen Sportlern geglückt.<br />

Dein Vater war früher selbst ein Spitzen-<br />

Snowboarder. Hast du überhaupt je darüber<br />

nachgedacht, lieber Ski zu fahren?<br />

Nein, nie. Profi wollte ich zwar immer schon<br />

werden, aber dass ich es auch schaffe, war<br />

nicht immer klar. Als ich dreizehn war, hat<br />

mein Trainer mir gesagt, dass ich zu alt und<br />

zu schlecht sei. Erster Gedanke: alles fürn<br />

Arsch. Aber ich hatte ein gutes Umfeld, das<br />

mir Hoffnung gegeben hat. Ich habe außerdem<br />

gelernt: Oft wirken Ziele weiter weg,<br />

als sie eigentlich sind. Man muss nur einen<br />

Schritt nach dem anderen machen.<br />

Anfang 2021 gelang dir bei einem Weltcupbewerb<br />

der erste Podestplatz eines<br />

deutschen Slopestyle-Fahrers überhaupt.<br />

Wie feierst du solche Erfolge?<br />

Mit guten Leuten, viel tanzen und ab und<br />

zu ein paar Drinks. Ich trainiere hart, aber<br />

ich will mein Leben auch genießen. Deshalb<br />

bin ich Snowboarder geworden und nicht<br />

Leichtathlet.<br />

Ist es also wahr, dass Snowboarder<br />

die coolsten Sportler von allen sind?<br />

Nicht cooler, aber Kraft spielt bei uns nur<br />

eine Nebenrolle. Deshalb können wir es uns<br />

erlauben, ein bisschen mehr Spaß zu haben.<br />

Ich gehe sehr bewusst mit mir um, aber<br />

ich kann auch mal feiern bis in die Puppen.<br />

Wenn ein Leichtathlet Alkohol trinkt,<br />

dann ist er nicht mehr konkurrenzfähig.<br />

Wann hast du gemerkt, dass du das Zeug<br />

hast, mit den Besten mitzuhalten?<br />

Eigentlich erst jetzt. Selbst nach der vorigen<br />

Saison hatte ich noch den Gedanken: was,<br />

wenn das nur ein One-Hit-Wonder war?<br />

Deswegen war der erste Wettkampf in dieser<br />

Saison so wichtig für mich.<br />

Worauf freust du dich in dieser Saison<br />

am meisten?<br />

Darauf, für den Weltcup nach Kanada und<br />

in die USA zu fliegen.<br />

Wann fängt der Winter für dich an?<br />

Wenn ich das erste Mal wieder richtigen<br />

Schnee unter den Füßen habe. Ende August<br />

gehe ich zum ersten Mal snowboarden.<br />

Und die Saison ist vorbei, wenn ich zum<br />

ersten Mal wieder surfen gehe.<br />

Leon Vockensperger beim Posen auf der Rail<br />

in Saas-Fee in der Schweiz 2021<br />

LORENZ RICHARD/RED BULL CONTENT POOL<br />

50 THE RED BULLETIN


Wintersport<br />

Höhenflug: Andreas<br />

Wellinger bei der<br />

Qualifikation für die<br />

Vierschanzentournee<br />

in Garmisch 2020<br />

ANDREAS<br />

WELLINGER, 26<br />

gab mit 17 sein Debüt<br />

im Weltcup. 2016 bei der<br />

Skiflug-WM und 2017 bei<br />

der Nordischen Ski-WM<br />

gewann er jeweils Silber.<br />

Wegen schwerer Verletzungen<br />

ab 2019 konnte<br />

er über ein Jahr keine<br />

Wettkämpfe bestreiten.<br />

„Ich trug die Mütze<br />

meines Sport-Idols<br />

beim Schlafen“<br />

STEFAN HOBMAIER/RED BULL CONTENT POOL, GETTY IMAGES<br />

SKISPRINGEN<br />

Nichts für Menschen<br />

mit Höhenangst: Auf<br />

einer fast 150 Meter<br />

hohen Schanze nehmen<br />

Skispringer mit etwa<br />

90 km/h Anlauf, um<br />

nach dem Absprung<br />

bis zu 130 Meter weit<br />

zu segeln. Punktrichter<br />

vergeben eine Gesamtpunktzahl,<br />

die sich aus<br />

der erzielten Weite und<br />

Haltungsnoten ergibt.<br />

Nach langer Leidenszeit will sich<br />

der Skiflug-Vizeweltmeister<br />

von 2016 jetzt endlich wieder<br />

zurückmelden.<br />

THE RED BULLETIN: Wie kamst du<br />

zum Skispringen?<br />

Andreas Wellinger: Anfangs hab ich mich<br />

als Kombinierer versucht, war aber immer<br />

schon der bessere Skispringer. Also habe<br />

ich mich 2011 aufs Springen konzentriert.<br />

Mit 17 Jahren bin ich das erste Mal im Weltcup<br />

gesprungen.<br />

Wer waren deine Jugend-Idole?<br />

2005 hat mir der Kombinierer Bernhard<br />

Gruber seine Mütze geschenkt, mit der<br />

habe ich als Kind lange Zeit geschlafen.<br />

In meiner Anfangszeit als Skispringer<br />

hat mich auch mein Teamkollege Severin<br />

Freund extrem inspiriert.<br />

Hinter dir liegen turbulente Jahre.<br />

Was war dein Tiefpunkt?<br />

Nach einer MRT im Jahr 2019, als der<br />

Doktor mit Blick auf das Bild sagte, dass<br />

neben dem gerissenen Kreuzband auch<br />

der Knorpel kaputt ist und der ein viel<br />

größeres Problem sei. Ein Kreuzbandriss<br />

dauert ungefähr sechs Monate, bis man<br />

wieder antreten kann – und der interessierte<br />

den Arzt nicht mal …<br />

Haben dich diese herben Rückschläge<br />

verändert?<br />

Ich musste 2020 anerkennen, dass ich<br />

noch nicht die Performance liefern kann,<br />

um ganz oben mitzumischen. Das Tempo<br />

des eigenen Körpers zu akzeptieren ist<br />

ein enorm wichtiger Schritt.<br />

Du hast dich mit einem fünften Platz<br />

beim Sommer-Grand-Prix in Hinzenbach<br />

an der Spitze zurückgemeldet. Genau<br />

dort, wo du dich 2019 so schwer verletzt<br />

hattest. Wie hat sich das angefühlt?<br />

Extrem gut! Jetzt gilt es, diese Leistung auf<br />

Eis zu bringen. Bei meinen ersten Trainingssprüngen<br />

in Hinzenbach im Juli saß ich<br />

oben am Balken und hatte die Bilder vom<br />

Sturz noch mal vor Augen. Aber nach ein<br />

paar Sprüngen waren die alten Daten überschrieben,<br />

und ich hatte das aus dem Kopf.<br />

Welche Ziele hast du für dieses Jahr?<br />

In der vorigen Saison waren auf meinem<br />

Konto null Weltcuppunkte. Das gilt es<br />

zu überbieten (lacht).<br />

THE RED BULLETIN 51


AVANTGAR<strong>DE</strong><br />

Designerin Flora<br />

Miranda, 31, in ihrem<br />

Modell „Avatar“. Das<br />

Gitter dieser Kreation<br />

aus Merinowolle lässt<br />

sich auf Wunsch<br />

verändern.


Fashion<br />

Für ihre Kreationen<br />

schreibt die österreichische<br />

Designerin FLORA MIRANDA<br />

Computer-Codes, lässt<br />

Kleider aus Silikon wachsen<br />

und malt Kunst auf Netze.<br />

Hier erzählt die Visionärin,<br />

warum wir bald alle Science-<br />

Fiction auf der Haut tragen.<br />

Text WOLFGANG WIESER<br />

Fotos NORMAN KONRAD<br />

ICH HABE DIE<br />

ZUKUNFT<br />

<strong>DE</strong>R MO<strong>DE</strong><br />

GESEHEN<br />

ERINNERUNG<br />

Auf diesem Bild trägt<br />

Flora das Kleid „Memory“<br />

aus der Kollektion<br />

„Hyper real“. Es ist aus<br />

schwarzem Baum wollsatin<br />

geschneidert. Das<br />

mit Silikon be strichene<br />

Netzmaterial ist schleierartig<br />

eingearbeitet.<br />

53


NETZWERK<br />

Flora Miranda bemalt<br />

Netze mit Silikonfarbe.<br />

„Diese Technik<br />

habe ich selbst entwickelt“,<br />

sagt sie.


Fashion<br />

P<br />

Prolog<br />

Flora Miranda macht einen Schritt zurück. Noch einen.<br />

Sie braucht Distanz, um sich näherzukommen. Sie betrachtet<br />

das feinmaschige Netz, das in ihrem Atelier<br />

hängt. Zweieinhalb Meter ist es hoch, eineinhalb breit.<br />

Jetzt neigt sie den Kopf leicht nach links, tritt wieder<br />

näher. Mit einer Spachtel streicht sie über die Fläche,<br />

trägt mit Farbe vermischtes Silikon auf. „Diese Technik<br />

habe ich selbst entwickelt“, sagt Flora.<br />

Flora Miranda ist Modedesignerin von Beruf, aber<br />

eigentlich ist sie Visionärin, zu Hause an der Schnittstelle<br />

von Mode und Kunst. Sie ist 1990 in Salzburg in<br />

eine Künstlerfamilie geboren worden, lebt aber jetzt im<br />

belgischen Antwerpen. 2016 wurde sie bei den Austrian<br />

Fashion Awards von einer internationalen Jury mit<br />

dem „Outstandig Artist Award“ ausgezeichnet: „Sie<br />

erschafft“, befand die Jury, „eine gänzlich neue, vom<br />

Experiment mit Materialien, Produktionstechniken<br />

und Verfahren inspirierte Mode-Utopie.“<br />

Ihr Zugang sei eine Art interdisziplinäre künstlerische<br />

Grundlagenforschung für die Zukunft der Mode:<br />

„So bringt sie eine gänzlich neue Ästhetik mit überraschender<br />

visueller Wirkung hervor, die in der vom<br />

Zitat dominierten Modewelt eine originäre, eigenständige<br />

Position einnimmt.“<br />

Das Silikon tropft für einige Stunden. Alles fließt.<br />

Sackt ein paar Zentimeter nach unten, findet seinen<br />

Weg auf dem Netz, „ziemlich unkontrolliert“, sagt die<br />

Künstlerin. Jetzt spachtelt sie ihr Gesicht, ein Selbst­<br />

porträt. Sie sieht ernst aus. Noch aber ist sie nicht fertig.<br />

„Den Mund musste ich dreimal malen. Weil alles fließt,<br />

war er anfangs zehn Zentimeter unterhalb der Stelle, an<br />

der er eigentlich sein sollte.“<br />

Die Arbeit an dem Bild streamt Flora über Instagram.<br />

„Es ist ein Ausdruck dieser Zeit, in der man mit sich<br />

selbst konfrontiert ist wie niemals zuvor. Man sieht nur<br />

sich selbst, gleichzeitig ist es eine Erinnerung an die<br />

Außenwelt.“<br />

Wochen später postet Flora ein Bild aus der arabischen<br />

Ausgabe der Modezeitschrift „Harper’s Bazaar“.<br />

Ihr Selbstporträt ist dort Teil einer sonnenuntergangsorangen<br />

Fashion-Inszenierung, und Flora sieht darauf<br />

aus wie eine selbstbewusste Fee aus einem futuristischen<br />

Märchen.<br />

Außerdem vereint das Bild alles, was der 31-jährigen<br />

Designerin für ihre Arbeit wichtig ist: Mode und Kunst,<br />

Vergangenheit und Zukunft, Kontinuität und Veränderung<br />

– vor allem Veränderung oder präziser: Transformation,<br />

Verwandlung. Wobei jeder dieser Begriffe die<br />

anderen braucht, weil sie alle Floras Welt ausmachen.<br />

Oder wie sie selbst sagt: „Meine Kleider sind die Sammlung<br />

meiner Gedanken.“<br />

Hier erzählt sie selbst ihre Geschichte; erklärt, warum<br />

sie sich intensiv mit Programmieren beschäftigt,<br />

und teilt eine Mode-Vision, die dermaßen Science­<br />

Fiction zu sein scheint, dass man sie erst mit einem<br />

ungläubigen Lächeln vernimmt, bevor man sich fasziniert<br />

in Floras Fantasien wiederfindet.<br />

Kapitel 1: Jeder ist ein Alien<br />

„Ich habe schon mit vier Jahren bei Ausstellungen geholfen,<br />

Keilrahmen für Bilder zusammenzuhämmern.<br />

Später bin ich mit meinem Vater zu Künstlerresidenzen<br />

(Plätze für kreatives Arbeiten; Anm.) gereist. Wir haben<br />

dort gemeinsam viel Zeit verbracht. Aufgewachsen bin<br />

ich in Salzburg – in einer Familie, in der Kunst ganz<br />

wichtig ist. Ich bin sehr froh über diesen Reichtum,<br />

den ich da mitbekommen habe.<br />

Mein Vater (Wolfgang Seierl; Anm.) hat Gitarre und<br />

Malerei studiert und organisiert seit Jahren das KomponistInnenforum<br />

Mittersill – ein Festival, das dem<br />

Komponisten Anton Webern gewidmet ist. Als Kind<br />

habe ich dort Kabel getragen, als Jugendliche das Essen<br />

„Meine Kleider sind die<br />

Sammlung meiner Gedanken.“<br />

THE RED BULLETIN 55


Fashion<br />

„Ich stecke mein gesamtes Geld<br />

in meine Mode-Kreationen.“<br />

PRESS RESET<br />

So heißt die Debüt-Kollektion<br />

von Flora Miranda aus dem<br />

Jahr 2016 – hier der Hosenanzug<br />

„Delete Yourself“<br />

und das Kleid „Spectral“,<br />

beides aus Silikon.<br />

serviert. Erst später bin ich draufgekommen, welch<br />

wichtige Künstler da oft anwesend waren. Wahrscheinlich<br />

fällt es mir deshalb noch heute leicht, mit Menschen<br />

„aus der Kunst“ zu arbeiten. Zu der Zeit bin ich schon<br />

ins Musische Gymnasium gegangen. Da gab es Zwölfjährige,<br />

die am Mozarteum studiert haben. Ich habe gemalt,<br />

ich war begabt, und ich wurde gefördert. Jeder<br />

von uns Schülerinnen und Schülern war ein Charakter.<br />

Die Kreativität hat uns einander aber nicht nähergebracht.<br />

Man fühlt sich trotzdem wie ein Alien, wenn<br />

man nicht die Dinge tut, die Zwölfjährige normalerweise<br />

machen.<br />

Ich bin immer noch sehr kontrolliert, aber ich versuche,<br />

das aufzubrechen. Man wird in diesem künstlerischen<br />

Bereich zum Individualisten geformt. Das ist<br />

etwas, wo ich gemerkt habe, dass es nicht in jeder Situation<br />

guttut. Um gemein sam mit anderen Leuten zu arbeiten,<br />

ist es notwendig, sich einzugliedern. Beides ist<br />

wichtig für mich. Aber es ist eine Herausforderung,<br />

zu erkennen, dass man nicht immer der sein muss,<br />

der speziell ist.<br />

Heute besteht mein Alltag nur daraus, mit Menschen<br />

zu arbeiten, deswegen ist diese Fähigkeit für mich ganz<br />

entscheidend. Der Individualismus ist wichtig, um ein<br />

stilistisches Alleinstellungsmerkmal zu entwickeln und<br />

sich so von anderen Designern weltweit abzuheben.<br />

Es ist andererseits aber schon auch wichtig, dass<br />

man das weiß, dass am Ende das Zusammensein am<br />

schönsten ist. Ich mag in meiner Art eigen sein. Aber ich<br />

bin sehr gerne mit Menschen zusammen.“<br />

Flora Miranda geht zum Studium nach Antwerpen,<br />

Belgien. Die Königliche Akademie der schönen Künste<br />

gilt als Avantgarde-Hochburg. Deren bekannteste Absolventen<br />

sind die „Antwerp Six“, allesamt weltberühmte<br />

Modedesigner: Dries van Noten, Ann Demeulemeester,<br />

Walter van Beirendonck, Dirk Bikkembergs, Marina Yee<br />

und Dirk van Saene. Aber auch Martin Margiela, Haider<br />

Ackermann und Kris Van Assche haben hier studiert.<br />

Nach ihrem Abschluss arbeitet Flora für die niederländische<br />

Designerin Iris van Herpen, später gründet<br />

sie ihr eigenes Label.<br />

56 THE RED BULLETIN


KREATIVER<br />

KOPF<br />

Flora Miranda mit<br />

Selbstporträt<br />

„Memories“:<br />

daheim zwischen<br />

Mode und Kunst<br />

„Ich bin immer noch sehr kontrolliert,<br />

aber ich versuche, das aufzubrechen.“


„Kunst regt dich an, dein<br />

Leben zu hinterfragen.“<br />

HEISSER STOFF<br />

Flora experimentiert gern<br />

mit Materialien (hier: ein<br />

Silikonkleid), was ihren<br />

Entwürfen anziehende<br />

Sinnlichkeit verleiht.<br />

Kapitel 2: Ins Extrem gehen<br />

„Für mich hat die Kunst eine wichtige Rolle in der Gesellschaft.<br />

Ihre Aufgabe ist es, Freiräume zu schaffen,<br />

wo unsere Realität reflektiert wird. Wo man Zeit hat,<br />

zu schauen, zu denken und seine eigenen Ansichten zu<br />

entwickeln. Dafür darf der Künstler ins Extrem gehen,<br />

das Gewohnte reizen, damit er mir die Gelegenheit gibt,<br />

mein Leben zu hinterfragen.<br />

Ich möchte solch einen Raum in der Mode schaffen.<br />

Natürlich nicht immer. Mode kann auch sehr angewandt<br />

sein, also einfach nur die Haut schützen. Es kommt<br />

immer darauf an, wofür sie gedacht ist. Ich verfolge<br />

verschiedene Richtungen. Einerseits will ich eben Freiräume<br />

schaffen, und da denke ich schon, dass meine<br />

Kreationen der Kunst nahe sind.<br />

Andererseits habe ich auch Stücke, die einfach tragbar<br />

sind. Für spezielle Gelegenheiten schlüpfe ich auch<br />

in Couture-Stücke, nur meine skulpturalen Stücke trage<br />

ich eher nicht, ich bin ja keine Performance-Künstlerin.<br />

Ich trage übrigens sehr viel Kleidung, die mir gegeben<br />

wurde. Wenn anderen Leuten ihre Kleidung nicht mehr<br />

passt, finde ich es gut, sie zu tragen. Mein Fokus liegt<br />

woanders. Ich stecke mein gesamtes Geld in meine Kreationen.<br />

Mein Label habe ich gegründet, weil ich erkannt<br />

habe, dass kaum jemand für die Avantgarde der Mode<br />

steht. Deshalb habe ich auch in Antwerpen studiert,<br />

weil ich mit meinem künstlerischen Hintergrund die<br />

Kreativität in der Mode hochhalten wollte.<br />

Ich arbeite sehr eklektisch, ich habe nicht diese eine<br />

Arbeitsweise. Ausgangspunkt ist bei meinen Kreationen<br />

immer ein <strong>The</strong>ma, ein Konzept. Das hat immer mit dem<br />

digitalen Dasein des Menschen zu tun, gepaart mit<br />

Materialstudien. Ich habe ständig Ideen, um die herum<br />

sich Menschen, Bücher, Musik, visuelle Formen akkumulieren,<br />

bis sie so etwas wie eine Traube bilden – und<br />

auf einmal ist ein <strong>The</strong>ma bereit, umgesetzt zu werden.“<br />

Das Ergebnis sind Kleider, die oft wie Skulpturen wirken.<br />

Kreationen, die aus langwieriger Denkarbeit entstehen,<br />

aus der Beschäftigung mit Mathematik und ihrer Übersetzung<br />

in Computer-Codes. Sie sind aber keineswegs<br />

ein ausschließlich intellektuelles Vergnügen, im Gegenteil:<br />

Viele ihrer Arbeiten bergen eine anziehende Sinnlichkeit.<br />

Flora Miranda zeigt sie seit 2018 bei den Haute-<br />

Couture-Schauen in Paris, manche haben den Weg<br />

in Museen gefunden, internationale Künstler-Stylisten<br />

(etwa von Lady Gaga, Miley Cyrus, Sita Abellan, M.I.A.)<br />

lieben ihre aufregenden Looks.<br />

Kapitel 3: Wer programmieren kann,<br />

gewinnt Freiheit<br />

„Ich bin insgesamt eher chaotisch, deshalb versuche ich,<br />

strukturiert zu arbeiten. Ich fange jeden Tag spätestens<br />

um neun Uhr an. Ich arbeite den Großteil meines Lebens.<br />

Erst während des Lockdowns habe ich herausgefunden,<br />

dass ich auch etwas anderes kann als arbeiten. Vorher<br />

gab es in meinem Hirn nicht die Möglichkeit, etwas<br />

anderes zu tun.<br />

Schon seit vielen Jahren frage ich mich, wo sich<br />

unsere Gesellschaft hinbewegt mit all dem Produzieren,<br />

Analysieren und dem Nutzen von Daten. Und ich finde,<br />

um kreativ damit umzugehen, muss man die Sprache,<br />

mit der diese Daten gemanagt werden, beherrschen.<br />

Ich fühle mich machtlos, wenn ich nicht programmieren<br />

kann. Indem man programmiert, gewinnt man<br />

58 THE RED BULLETIN


Fashion<br />

MUSEUMSREIF<br />

Flora im Modemuseum Hasselt,<br />

Belgien. Sie trägt ihre Kreation<br />

„Memory“ und hält das Kleid<br />

„Radiation“ im Arm. Im Hintergrund:<br />

Museumsstücke<br />

anderer Designer<br />

„Mich fasziniert der Gedanke, dass etwas fluide ist,<br />

dass ich ein Kleidungsstück morphen kann.“<br />

MAKE-UP: LAURA NOBEN<br />

Freiheit. Ich bin deshalb auch an Datenvisualisierung<br />

interessiert, weil ich mir gerne vorstelle, dass der Körper<br />

aus Daten besteht. Es erweitert die Fantasie, das Immaterielle<br />

ist etwas, was den Menschen auf viele Arten<br />

fasziniert. Wir sehnen uns danach, die Last des Körpers<br />

hinter uns zu lassen.<br />

Der Gedanke ist nichts Neues, das hat nichts mit Spiritualität<br />

zu tun, sondern mit Wissenschaft. Mich interessiert,<br />

was man mit den Daten anfangen kann.<br />

Meine ‚IT Pieces‘ sind ein erster großer Schritt. Das<br />

hat nichts mit It-Girls zu tun, sondern steht für Information<br />

Technology. Es sind veränderbare Kleidungs stücke,<br />

die auf persönliche Daten reagieren.<br />

Konkretes Beispiel: Ich könnte beispielsweise diesen<br />

Text analysieren und aus den Gefühlen, die darin vorkommen,<br />

aus Tausenden von Liedern eine Songzeile für<br />

ein T-Shirt destillieren.<br />

Meine Kreation ‚Avatar‘, die es als Pullover, als Kleid<br />

und als Abendkleid gibt, ist von den Avataren in ‚Second<br />

Life‘ (einer virtuellen Welt, in der echte Menschen als<br />

künstliche Figuren auftreten; Anm.) inspiriert. In meinem<br />

Online-Shop lässt sich das Design, eine Gitterstruktur,<br />

verändern. Diese veränderte Gitterstruktur wiederum<br />

lässt den Körper anders aussehen – üppiger oder weniger<br />

kurvig, ganz nach Belieben.<br />

Ich habe eine ganz bestimmte Idee von der Zukunft<br />

der Mode. Meine Vision ist, dass sich datengetriebene<br />

Kleidungsstücke abhängig von Trägerin und Träger<br />

ändern und dass es auch am Betrachter liegt, was er zu<br />

sehen bekommt. Mich fasziniert, wenn etwas fluide ist<br />

– dass ich ein Kleidungsstück morphen, es also fließend<br />

verändern kann. Ich glaube, dass die digitale Welt uns<br />

diesen Wunsch erfüllen kann.“<br />

Epilog<br />

Frage: Wirst du das noch erleben?<br />

„Das kommt darauf an, wie hart ich arbeite.“<br />

Mehr Flora Miranda in allen Lagen auf Instagram: @floramirandaofficial<br />

oder auf ihrer Webseite: floramiranda.com<br />

THE RED BULLETIN 59


Rallye Dakar


„Der Beifahrer hat<br />

immer das Sagen“<br />

Der Deutsche Co-Pilot <strong>DE</strong>NNIS ZENZ, 31, will die Rallye Dakar<br />

mit Seth Quintero, 19, gewinnen – dem jüngsten Fahrer im Feld.<br />

Ein Gespräch über die Psychologie im Auto, gemeinsames<br />

Weinen und Teamwork bei 180 km/h. Text WERNER JESSNER<br />

ARIEL WOJCIECHOWSKI/RED BULL CONTENT POOL<br />

ARBEITSPLATZ WÜSTE<br />

Der Side-by-Side-Buggy von<br />

Seth Quintero und Co-Pilot<br />

Dennis Zenz in Marokko<br />

61


Rallye Dakar<br />

November 2021, eine Lagerhalle in Dubai.<br />

Dieser Tage wird hier allerdings nicht gelagert,<br />

sondern geschraubt. Die Crew des<br />

<strong>Red</strong> Bull Offroad Junior Teams bereitet<br />

Side-by-Side-Rennwagen (eine Art Dünen-<br />

Buggy; Anm.) für die Piloten Cristina<br />

Gutiérrez und Seth Quintero vor, Letzterer<br />

ist der jüngste Etappensieger in der<br />

Geschichte der Rallye Dakar. 2002 in<br />

Kalifornien geboren, verbrachte der US-<br />

Boy nahezu sein ganzes Leben auf vier<br />

Rädern in der Wüste. Im Alter von zehn<br />

Jahren fuhr er sein erstes Rennen, mit elf<br />

war er Junioren-Weltmeister. Mit sechzehn<br />

hatte er so gut wie alles gewonnen,<br />

was es im amerikanischen Offroad-Sport<br />

zu gewinnen gibt. Ab diesem Moment<br />

gab es nur noch eine Steigerung: die<br />

Dakar, die härteste Rallye der Welt, ausgetragen<br />

in Saudi-Arabien. Gleich bei<br />

seinem ersten Start im Januar 2021 gewann<br />

der Teenager zwei Etappen und verpasste<br />

den Gesamtsieg nur wegen eines<br />

Getriebeschadens.<br />

An der Seite von Seth sitzt einer, der<br />

dafür zuständig ist, den Jungstar behutsam<br />

zu lenken, einzubremsen oder anzutreiben:<br />

der Deutsche Dennis Zenz. Er<br />

hat 16 Jahre Erfahrung als Beifahrer. Die<br />

Stimmung während unseres Interviews<br />

ist blendend – was auch daran liegt, dass<br />

Wirbelwind Seth durch die Halle tobt<br />

und im Hintergrund allerhand Schabernack<br />

treibt. „So ist er“, sagt Dennis grinsend,<br />

bevor wir das Gespräch beginnen.<br />

THE RED BULLETIN: Die meisten Motorsportler<br />

wollen hinters Lenkrad. Warum<br />

bist du Beifahrer geworden?<br />

dennis zenz: Ich habe mit acht Jahren<br />

begonnen, Kartrennen zu fahren. Ich<br />

komme aus keinem reichen Elternhaus.<br />

Meine Eltern haben getan, was ihnen<br />

möglich war, aber für eine Profi-Karriere<br />

hätte es nie gereicht. Ein Freund betrieb<br />

neben einem Formel- auch ein Rallye-<br />

Team. Er hat mich mit dreizehn auf den<br />

Beifahrersitz gesetzt, damit ich lernen<br />

konnte – um mit achtzehn dann nicht<br />

von null starten zu müssen, falls ich es<br />

selbst als Fahrer probieren wollte. Mit<br />

fünfzehn darf man in Deutschland ganz<br />

offiziell Rallye-Beifahrer sein. Das habe<br />

ich gemacht, und weil es von Anfang an<br />

gut geklappt hat, bin ich dabei geblieben.<br />

Ab wann konntest du vom Beifahrer-<br />

Sein leben?<br />

Ende 2015 habe ich mich selbständig gemacht.<br />

Zuvor habe ich meine Ausbildung<br />

als Kfz-Mechatroniker abgeschlossen,<br />

um Kompetenz ins Auto mitzubringen.<br />

Meine Lehrer haben mich damals angefleht,<br />

doch das Abi zu machen, aber<br />

ich wollte die Technik der Rennautos verstehen.<br />

Heute würde ich Abi und Studium<br />

durchziehen, aber ich war damals so<br />

beseelt vom Sport, dass nur die Lehre in<br />

Frage kam. Ich hatte immer einen Plan,<br />

von dem ich mich nie abbringen ließ.<br />

Sieht man deine Karriere-Statistik an,<br />

fällt auf, dass du selten mit Crash-<br />

Piloten unterwegs warst, eventuell mit<br />

Ausnahme der Saison 2017 in der deutschen<br />

Rallye-Meisterschaft. Zufall?<br />

In der Tat sehe ich den Job des Beifahrers<br />

auch als den eines Psychologen. Ich kann<br />

einem Fahrer aggressiv vorlesen und<br />

ihn anstacheln oder aber ihn beruhigen.<br />

Die Zwischentöne zu erspüren, das ist<br />

Erfahrungssache; und etwas, was gutes<br />

Teamwork ausmacht. Vermutlich ist es<br />

auch das, was mich die letzten fünfzehn,<br />

sechzehn Jahre hat weitestgehend unfallfrei<br />

überstehen lassen.<br />

Suchst du dir deine Fahrer danach aus,<br />

wie gut sie sich lenken lassen?<br />

Nein, in der Regel wird man zusammengesetzt<br />

und baut danach eine Beziehung<br />

zueinander auf. So war es auch mit Seth.<br />

Man verbringt viel Zeit gemeinsam und<br />

lernt einander kennen. So lernt man<br />

Stärken wie Schwächen kennen und<br />

weiß, wie man miteinander umgeht und<br />

wo man den Partner piksen muss.<br />

„Unsere Rollen<br />

im Auto: Links lenkt,<br />

rechts denkt.“<br />

Vorbereitung auf die Rallye Marokko: Pilot Seth Quintero (im Auto) und Co-Pilot Dennis Zenz<br />

62 THE RED BULLETIN


„Ein Beifahrer ist<br />

immer auch Psychologe,<br />

der seinen<br />

Fahrer anstachelt<br />

oder bremst.“<br />

Im Rallye-Auto hast du sogenannte<br />

Pace-Notes, in denen jede Kurve auf<br />

der Strecke präzise vermerkt ist. Diese<br />

Pace-Notes erstellst du selbst, indem du<br />

die Strecke mit deinem Fahrer vorher<br />

abfährst. Auf der Dakar bekommt du<br />

15 Minuten vor dem Start eine grobe<br />

Orientierung. Da kann durchaus auch<br />

mal drinstehen: „20 Kilometer geradeaus“.<br />

Wie geradeaus „geradeaus“ dann<br />

wirklich ist, kannst du dir vor Ort mit<br />

dem Kompass überlegen. Hier hat mir<br />

Dirk Tricks und Kniffe beigebracht,<br />

wie man das in der Praxis umsetzt.<br />

ARIEL WOJCIECHOWSKI/RED BULL CONTENT POOL, MARCIN KIN/RED BULLL CONTENT POOL<br />

Das heißt, du bist derjenige mit der<br />

Kontrolle im Auto?<br />

Der Beifahrer hat immer das Sagen.<br />

Idealerweise konzentriert sich der Fahrer<br />

nur aufs Fahren, um alles andere kümmere<br />

ich mich. Links lenkt, rechts denkt.<br />

Gilt das in jedem Fall? Du bist ja zum<br />

Beispiel auch mit der deutschen Rallye-<br />

Legende Armin Schwarz gefahren,<br />

und dem muss man in diesem Sport<br />

ja wirklich nichts mehr erklären.<br />

Stimmt genau! Mit Armin habe ich seit<br />

2016 zusammengearbeitet, da durfte ich<br />

viel lernen. In Stress-Situationen denke<br />

ich noch heute an ihn: wie er cool und auf<br />

das Wesentliche fokussiert bleibt. Aber<br />

auch er hat seine heißblütigen Momente.<br />

Sobald er den Helm aufhat, wird er zum<br />

Rennfahrer, für den es nur Vollgas gibt.<br />

GUTER GUI<strong>DE</strong><br />

Dennis Zenz, Jahr gang 1990,<br />

steht 2022 am Start seiner erst<br />

zweiten Rallye Dakar – und ge hört<br />

doch schon zu den Favoriten.<br />

Gerade auf der Rallye Dakar hat<br />

Deutschland eine schöne Tradition<br />

erfolgreicher Beifahrer von Siegern,<br />

von Dirk von Zitzewitz über Timo<br />

Gottschalk bis zu dir. Gibt es da ein<br />

geheimes Netzwerk?<br />

Mein erster Kontakt war tatsächlich Dirk.<br />

Bis voriges Jahr hatte ich keine Berührungspunkte<br />

mit der Dakar oder dem<br />

Rallye-Raid-Sport (Offroad-Langstreckenrennen;<br />

Anm.) generell. Er hat mich als<br />

Mentor an der Hand genommen und mir<br />

erklärt, worauf es ankommt. Er wohnt<br />

hinter Hamburg, da haben wir ein Sideby-Side-Buggy<br />

geschnappt, und ich habe<br />

von ihm in der Praxis gelernt.<br />

Kannst du erklären, wie sich die Arbeit<br />

eines Beifahrers auf der Dakar von<br />

jener im Rallye-Auto unterscheidet?<br />

Wie schaltet man um zwischen<br />

180 km/h im Wald auf präzise Orientierung<br />

zwischen Geröllbrocken und<br />

in Dünenfeldern?<br />

Der Umstieg vom Rallye- ins Dakar-Auto<br />

ist leichter, weil die Geschwindigkeit<br />

geringer ist. In der anderen Richtung<br />

braucht es ein paar Kilometer, um sich<br />

an den Speed zu gewöhnen.<br />

Du bist 2021 deine erste Dakar gefahren.<br />

Wie viel Erfahrung mit Navigation<br />

im offenen Gelände hattest du?<br />

Null.<br />

Wie „null“?<br />

Die Rallye Dakar 2021 war mein zweiter<br />

Rallye Raid überhaupt. Und da wir in der<br />

Vorbereitung technische Probleme hatten,<br />

war mein tatsächlicher Erfahrungsschatz<br />

minimal. Ende September kam der Anruf<br />

mit der Anfrage, eine Woche später saß<br />

ich mit Seth im Auto und fuhr meinen<br />

ersten Rallye Raid in Andalusien. Danach<br />

kam schon die Dakar. Ich wusste<br />

nicht, wie Dünen aussehen, ich kannte<br />

die Organisation nicht, und ich musste<br />

erst lernen, wie die ganzen Instrumente<br />

funktionieren.<br />

Und trotzdem habt ihr dann<br />

zwei Etappen gewonnen.<br />

THE RED BULLETIN 63


Rallye Dakar<br />

Ich erinnere mich an den ersten Tag. Ich<br />

war so überfordert, dass ich Seth einfach<br />

gesagt habe, er soll den Spuren der vor<br />

uns Gestarteten folgen. Aber am Ende<br />

haben wir das gut gemeistert.<br />

Moment mal: Gerade hast du gesagt,<br />

der Beifahrer ist der Chef im Auto.<br />

Und wenn der Chef keine Ahnung hat?<br />

Seth hatte ja auch keine Ahnung, darum<br />

ist das nicht aufgefallen (grinst). Wir sind<br />

gemeinsam gewachsen und haben uns gut<br />

reingearbeitet. Bis zu unserem Getriebeschaden<br />

lagen wir solide in den Top drei<br />

– der gerade erst 18 Jahre alt gewordene<br />

US-Boy und das Beifahrer-Greenhorn.<br />

Musstest du eigentlich schlucken,<br />

als sich herausgestellt hat, dass Seth<br />

Quintero dein Fahrer ist? Ein offensichtlich<br />

völlig durchgeknallter Teenager,<br />

und du neben ihm?<br />

Ich bin schon neben dem 13 Jahre alten<br />

Fabio Schwarz im R5-Rallye-Auto gefahren.<br />

Ich habe immer viel mit Jungen<br />

gearbeitet. Ich bin zwar mittlerweile<br />

31 Jahre alt, fühle mich aber wie Anfang<br />

20. Ich sehe den Altersunterschied nicht<br />

so dramatisch. Junge Leute lernen rasch<br />

und setzen es direkt um. Insofern musste<br />

ich nicht lang überlegen, als das Angebot<br />

mit Seth kam. Er ist schnell, wahnsinnig<br />

talentiert und die große Hoffnung in den<br />

Staaten. Insofern ist es eine Ehre, mit<br />

ihm arbeiten zu dürfen.<br />

Wie ist er außerhalb des Autos?<br />

Er albert ständig rum und kann keine<br />

Sekunde stillsitzen.<br />

Wie zur Bestätigung Jubel im Hintergrund:<br />

Seth hat es geschafft, eine volle<br />

Wasserflasche so auf einen Balken in der<br />

Halle zu werfen, dass sie oben stehen<br />

bleibt. Im Stil eines Football-Spielers,<br />

der einen Touchdown geschafft hat, lässt<br />

er sich von imaginären Massen feiern.<br />

Genau so ist er. Genau so. Ein verrückter<br />

Hund. Lässt sich nicht verbiegen. Ein<br />

super Typ durch und durch.<br />

Hast du keine Angst am Beifahrersitz?<br />

Nein, gar nicht. Bei Rallye Raids in<br />

der Wüste fühle ich mich sehr sicher.<br />

Bei normalen Rallyes fahren wir mit<br />

180 km/h auf Asphalt oder Schotter<br />

zwischen Bäumen. Das halte ich für<br />

deutlich gefährlicher.<br />

„In der Wüste fühle<br />

ich mich sicher.<br />

180 km/h zwischen<br />

Bäumen sind deutlich<br />

gefährlicher.“<br />

Der Mann mit dem Plan: Dennis ist<br />

schon sein halbes Leben lang Beifahrer.<br />

Gerade bei der Dakar sind es aber<br />

doch oft Beifahrer, die sich verletzen<br />

– wie zum Beispiel Daniel Elena<br />

am heißen Sitz der Rallye-Legende<br />

Sébastien Loeb.<br />

Wir Beifahrer sind in der Wüste so mit<br />

unseren Instrumenten beschäftigt, dass<br />

wir viele Gefahrenmomente gar nicht<br />

erkennen und den Körper im Ernstfall<br />

nicht auf den Einschlag vorbereiten können.<br />

Das ist in der Tat ein Problem. Wir<br />

Beifahrer sind die potenziellen Schwachstellen.<br />

Aber jeder, der ins Auto steigt,<br />

weiß und akzeptiert das.<br />

Warum machst du das?<br />

Jeden Tag sterben mehr Menschen im<br />

Bett als im Auto. Und trotzdem legen wir<br />

uns jeden Tag wieder in die Kiste.<br />

Neben der reinen Navigation sollst du<br />

also auch noch Psychologe sein und<br />

den Fahrer kontrollieren. Das stelle<br />

ich mir anstrengend vor.<br />

Tatsächlich kontrollieren muss ich Seth<br />

selten. In der Praxis ist es eher so, dass<br />

ich nach vier, fünf Stunden im Auto bemerke,<br />

dass sich Routine einschleicht,<br />

MARCIN KIN/RED BULLL CONTENT POOL<br />

64 THE RED BULLETIN


SHAKEDOWN<br />

In der Wüste Marokkos fahren<br />

Seth und Dennis die entscheiden<br />

den Material-Tests für die<br />

Rallye Dakar im Januar 2022.<br />

THE RED BULLETIN 65


Rallye Dakar<br />

und ich ihn auffordere, für die letzten<br />

70, 80 Kilometer besonders achtzugeben.<br />

Konzentriert zu fahren, keinen<br />

Reifenschaden zu riskieren. Ich drücke<br />

quasi auf den Reset-Knopf und signalisiere<br />

ihm, dass der Tag gerade neu<br />

begonnen hat. Dakar ist kein Rennen, es<br />

ist ein Abenteuer. Zuallererst geht es ums<br />

Durchkommen. Je weniger Probleme du<br />

unterwegs hast, desto weiter vorne wirst<br />

du sein.<br />

Bei Problemen: Wer wirft zuerst die<br />

Nerven weg?<br />

Wir hatten bei der letzten Dakar leider<br />

viele technische Probleme, die in diesem<br />

Jahr hoffentlich aussortiert sein sollten.<br />

Nach jeder schlechten Zeit kommt eine<br />

gute. Wir verlieren als Team, und wir gewinnen<br />

als Team. Nerven wegschmeißen<br />

bringt nix.<br />

Als voriges Jahr, in Führung liegend,<br />

bei euch das Getriebe eingegangen ist:<br />

Was habt ihr gemacht?<br />

Geweint (lacht). Wir hatten gerade<br />

unseren härtesten Gegner überholt, der<br />

mit einem Reifenschaden in der Wüste<br />

stand. Zehn Kilometer später gab es<br />

einen riesigen Knall im Fahrzeug, und<br />

wir standen. Der Traum war geplatzt.<br />

Nach der ersten Frustration haben wir<br />

uns daran gemacht, alles vorzubereiten,<br />

bis der Lkw kam, der uns abschleppte.<br />

Wie waren 14 Stunden hinterm Lkw?<br />

Schweigsam. Trotzdem haben wir uns<br />

auf den nächsten Tag vorbereitet und<br />

unsere Ziele neu definiert. Der Druck<br />

des Gesamtsieges war weg. In dieser<br />

Nacht hatten wir zwei Stunden Schlaf.<br />

Wir starteten dann ganz hinten, mitten<br />

in den Staubfahnen der anderen. Es war<br />

eine wunderschöne Etappe mit Steinformationen<br />

wie Pilzen. Wir konnten das<br />

wirklich genießen. Am Tag darauf haben<br />

wir beschlossen, volle Attacke zu gehen.<br />

Es war die härteste Etappe der Rallye,<br />

und wir haben sie überlegen gewonnen.<br />

„Wir haben die<br />

härteste Etappe<br />

überlegen gewon nen.<br />

Das war psychologisch<br />

wichtig.“<br />

Das war psychologisch wichtig: Wir<br />

können es, wir sind die Schnellsten,<br />

auch wenn wir in der Gesamtwertung<br />

nirgendwo liegen.<br />

Spürt man als Beifahrer, wenn der<br />

Fahrer im Flow ist?<br />

Du bist gemeinsam im Flow, als Team.<br />

Ja, das spürst du. Im Auto herrscht eine<br />

innere Ruhe. Jede Ansage von mir, jede<br />

Bewegung von Seth sitzt. Härter ist es,<br />

wenn du spürst, dass wenig zusammenpasst.<br />

An diesen Tagen wenig Fehler<br />

zu machen ist oft entscheidender, als es<br />

an den guten Tagen fliegen zu lassen.<br />

Welche Sorte von Tag es wird, spüre ich<br />

schon auf den ersten Metern.<br />

Sagen wir, dir unterläuft ein Fehler,<br />

und ihr habt euch um fünf Kilometer<br />

verirrt …<br />

Dann musst du ruhig bleiben. Schauen,<br />

wo der Fehler passiert ist und wie wir<br />

wieder auf die richtige Route zurückkommen,<br />

ohne zu viel Zeit liegen zu<br />

lassen. Panik bringt da gar nix. Positiv<br />

bleiben, weitermachen.<br />

Wie reagiert Seth da?<br />

Der bleibt ganz cool. Rallye Raid ist<br />

ein klassischer Teamsport. Mal macht<br />

der eine einen Fehler, mal der andere.<br />

Wir gewinnen und verlieren als Team.<br />

Vorwürfe wären kontraproduktiv. In der<br />

Rallye heißt es: Der Fahrer gewinnt, der<br />

Beifahrer verliert. Im Rallye Raid ist klar,<br />

dass vier Augen mehr sehen als zwei.<br />

Im Unterschied zu den Motorradfahrern,<br />

die bei der Dakar als Erste<br />

starten und sich in der unverspurten<br />

Wüste zurechtfinden müssen, ist euer<br />

Problem wohl eher die Vielzahl an<br />

Fährten. Wie unterscheidet man die<br />

guten von den weniger guten?<br />

Zu 80 Prozent stimmen die Spuren.<br />

Zu 20 Prozent musst du hart an der<br />

Navi gation bleiben und dich auf das<br />

verlassen, was im Aufschrieb steht. Gerade<br />

wenn wir hinter den Lkw starten,<br />

wird es schwierig, weil die über alles<br />

drüber fahren und der Sand völlig zerwühlt<br />

ist. Die Navigation ist eher dort<br />

ein <strong>The</strong>ma, wo es weniger Reifenspuren<br />

gibt, zum Beispiel im Geröll.<br />

ARIEL WOJCIECHOWSKI/RED BULL CONTENT POOL<br />

66 THE RED BULLETIN


Seth Quintero steht mittlerweile hinter<br />

Dennis und schneidet Grimassen. Das<br />

bleibt dem nicht verborgen: „Wie soll man<br />

sich neben so einem konzentrieren?“,<br />

fragt er rhetorisch und schneidet eine<br />

Grimasse zurück. Die beiden verstehen<br />

einander offenbar blendend.<br />

Wie entsteht der Plan für den<br />

jeweiligen Tag?<br />

Der kommt in der Regel von mir, weil<br />

ich weiß, welches Gelände uns erwartet.<br />

Seth hat einen Mega-Speed in den<br />

Dünen, auf Sand ist er extraklasse. Das<br />

ver suchen wir natürlich auszunutzen.<br />

Ich sage dann zum Beispiel: Lass uns bei<br />

Kilometer 80 etwas langsamer machen,<br />

denn da ist die Navigation besonders<br />

schwierig. Wenn es die Möglichkeit<br />

gibt, zu pushen, dann macht er das<br />

ganz von selbst. Mein Job ist eher, ihn<br />

taktisch zu zügeln, wenn ich meinen<br />

Pace-Notes entnehme, dass eine potenzielle<br />

Gefahr droht.<br />

Wie leitet er dich?<br />

Gar nicht. Er fährt einfach.<br />

„An schlechten<br />

Tagen wenig Fehler<br />

zu machen ist<br />

oft entscheidender,<br />

als an guten<br />

zu brillieren.“<br />

GASFUSS<br />

Dennis (li.) und Seth<br />

entspannt vor dem<br />

Start zur Rallye<br />

Marokko in Zaghura<br />

Kannst du die Emotionen nach eurem<br />

ersten Etappensieg beschreiben?<br />

Seth Quintero war immerhin jüngster<br />

Sieger der Dakar-Geschichte …<br />

Kann ich in der Tat. Wir sind auf Khalifa<br />

al-Attiyah aufgelaufen, den Bruder des<br />

Dakar-Siegers Nasser. Der ist immer flott,<br />

darum wussten wir, dass unsere Pace<br />

gut war. Beim Tankstopp bemerkten wir,<br />

dass wir einen schleichenden Plattfuß<br />

hatten. So haben wir die gewonnene<br />

Zeit wieder verloren. Dann haben wir<br />

das Loch abermals zugefahren und ihn<br />

ein zweites Mal überholt. Schließlich<br />

haben wir mit 23 Sekunden Vorsprung<br />

gewonnen. Da war schon auch ein bisschen<br />

Wut im Bauch dabei. Seth wollte<br />

auf seiner ersten Dakar unbedingt einen<br />

Etappensieg, und das war dann entfesselte<br />

Freude.<br />

War es der Höhepunkt eurer gemeinsamen<br />

Karriere?<br />

Nein, unseren zweiten Etappensieg<br />

am Tag elf schätze ich noch höher ein,<br />

weil er so dominant ausfiel.<br />

Wie populär ist Seth in Amerika?<br />

Ich war noch nicht mit ihm in den USA,<br />

aber was man so mitkriegt und liest, ist<br />

er schon ein kleiner Star. Er hat in seinen<br />

Kategorien sämtliche Titel gewonnen,<br />

die er gewinnen konnte. Was ich am Beifahrersitz<br />

sehe: dass er ein unglaubliches<br />

Talent ist, mit einem Mega-Grundspeed.<br />

So chaotisch er außerhalb des Cockpits<br />

ist, so fokussiert ist er drinnen.<br />

Mittlerweile albert Seth offensiv rund<br />

um Dennis rum, was der mit der Drohung<br />

quittiert, ihm das Handy wegzunehmen.<br />

Später an diesem Tag beginnt der abschließende<br />

Test mit dem neuen, sequenziellen<br />

Getriebe, das deutlich haltbarer<br />

sein sollte als das bisher verwendete. Seth<br />

Quintero kann es offensichtlich kaum<br />

erwarten, hinter das Lenkrad zu dürfen,<br />

und lässt seine Umwelt das spüren.<br />

Das heißt, das Ziel für die Saison 2022<br />

ist eindeutig.<br />

Gewinnen, ja.<br />

Der nächste Schritt liegt ja ebenfalls<br />

auf der Hand.<br />

Klar, der Aufstieg in die T1-Klasse – zu<br />

den richtigen Autos. Das muss das Ziel<br />

sein. Ich staple gern tief, aber schon<br />

im ersten Jahr so knapp am Sieg dran<br />

ge wesen zu sein, das zeigt unser großes<br />

Potenzial.<br />

Manche Fahrer – auch Legenden wie<br />

Sébastien Loeb – rennen jahrelang<br />

vergebens gegen die Dakar an, während<br />

es bei anderen anscheinend wie<br />

von selbst funktioniert. Hast du eine<br />

Erklärung dafür?<br />

Nein, habe ich nicht. Es muss so viel<br />

zusammenpassen, um eine Chance zu<br />

haben. Und dann braucht es auch noch<br />

Glück. Sébastien habe ich bei der letzten<br />

Dakar auf der gesamten Rallye dreimal<br />

gesehen. Dreimal sind wir an ihm<br />

vorbeigefahren, weil er mit technischen<br />

Problemen im Sand steckte. Die Dakar<br />

ist ein Überlebenskampf, jeden Tag<br />

aufs Neue.<br />

Beschreibe bitte die Rallye Dakar<br />

in einem Satz.<br />

Ein Wort reicht: „alles“. Die Dakar ist<br />

alles. Ich hätte zuvor nie gedacht, welche<br />

Ausmaße das hat, aber es ist tatsächlich<br />

so, dass du nach der Zieldurchfahrt<br />

gleich an den nächsten Start denkst. Hier<br />

einmal – oder natürlich auch mehrmals<br />

– zu gewinnen wäre das Allergrößte für<br />

mich. Schon die Zielankunft bei der letzten<br />

Dakar hat sich wie ein kleiner Sieg<br />

angefühlt. Die Dakar zu gewinnen würde<br />

mir alles bedeuten. Wirklich alles.<br />

Die Rallye Dakar 2022 findet von 2. bis 14. Januar<br />

in Saudi-Arabien statt. Alle Infos: Instagram:<br />

#redbulldesertwings oder: dakar.com<br />

THE RED BULLETIN 67


Spitz<br />

die Ohren<br />

<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong> gibt’s nun auch zum<br />

Anhören: inspirierende Interviews, scharfe<br />

Porträts, abenteuerliche Reportagen.<br />

Jeden Mittwoch –<br />

überall, wo es Podcasts gibt.<br />

Jetzt reinhören<br />

und gleich abonnieren.<br />

Plus:<br />

MICHAEL KÖHLMEIERS<br />

Kolumne<br />

Boulevard der Helden<br />

als Podcast-Serie


GUI<strong>DE</strong><br />

Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen<br />

NIMM NIMS!<br />

Mit dem nepalesischen<br />

Rekordbergsteiger<br />

Nirmal „Nims“ Purja<br />

auf den Mont Blanc<br />

SANDRO BAEBLER<br />

69


GUI<strong>DE</strong><br />

Reisen<br />

„Ich liebe das,<br />

was ich tue, aus<br />

tiefstem Herzen.“<br />

Der nepalesische Alpinist Nims Purja, 38, hat die<br />

vierzehn Achttausender in Rekordzeit bestiegen – und<br />

sich die Gipfel auf seinen Rücken tätowieren lassen.<br />

Bei seiner Destination <strong>Red</strong> Bull-Reise begleitet er dich<br />

auf den Mont Blanc.<br />

N<br />

etflix hat ihm eine eigene Doku<br />

gewidmet („14 Peaks: Nothing Is<br />

Impossible“), unter Kollegen der Extrembergsteiger-Szene<br />

ist er aktuell der unbestritten<br />

Größte, und sein Rekord wird<br />

wohl noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte<br />

halten: In unfassbaren sechs Monaten<br />

und sechs Tagen bestieg der 1983 im<br />

nepalesischen Flachland geborene Nirmal<br />

„Nims“ Purja alle 14 Achttausender auf<br />

diesem Planeten und unterbot den damals<br />

gültigen Rekord dabei um sieben Jahre<br />

und vier Monate. Was für andere eine<br />

Lebensaufgabe ist, ist für Nims ein besserer<br />

Wochenendausflug: Mount Everest<br />

(8848 m), Lhotse (8516 m) und Makalu<br />

(8463 m) bezwang der mittlerweile von<br />

der Queen zum Ritter geschlagene ehemalige<br />

Elitesoldat der britischen Royal<br />

Navy in 48 Stunden und 30 Minuten.<br />

„Project Possible“ taufte er das Projekt,<br />

das für jeden anderen wohl eine Mission<br />

Impossible gewesen wäre.<br />

Die Frau an Nims’ Seite<br />

Isabelle Santoire kam vor über 20 Jahren<br />

aus dem kanadischen Montréal in die<br />

Schweiz. Ihr damaliger Freund, ein Eishockeyspieler,<br />

hatte in Genf einen Vertrag<br />

bekommen, und sie folgte ihm. Selbst als<br />

er weiterzog, blieb sie da. Sie hatte sich<br />

erneut verliebt, und zwar in die Schweizer<br />

Berge. „Ich beendete mein Studium und<br />

ließ mich zur Bergführerin ausbilden.<br />

Heute bin ich eine von nur 16 Profi-<br />

Bergführerinnen in ganz Frankreich.“<br />

Rekord-Bergsteiger Purja, hier bei einem Besuch am Großglockner, bereist mit dir die Alpen.<br />

Nims Purja beim Aufstieg<br />

auf den Großglocker:<br />

Der Nepalese<br />

ist ein wahres Wunder<br />

in Sachen Ausdauer und<br />

gibt seine Tipps gern<br />

an seine Gäste weiter.<br />

70 THE RED BULLETIN


Anreise<br />

Chamonix, korrekt:<br />

Chamonix-Mont-Blanc,<br />

liegt im Dreiländereck Frankreich<br />

– Schweiz – Italien auf<br />

der französischen Seite.<br />

Mit dem Flugzeug: Der<br />

nächstgelegene Flughafen<br />

ist Genf, danach sind es<br />

über die A40 und N205 noch<br />

rund 90 Minuten mit dem<br />

Auto. Wahlweise gibt es auch<br />

einen direkten Bus ab dem<br />

Flug hafen Genf.<br />

Mit dem Auto: Aus Österreich<br />

oder Deutschland kommend<br />

über die Schweizer<br />

Autobahnen 1 und 12 bis nach<br />

Montreux, danach über die<br />

Chamonix<br />

Genf<br />

Frankreich<br />

A9 bis Martigny. Dann wird<br />

es spektakulär: Der weitere<br />

Weg führt über die Route de<br />

la Forclaz bei Châtelard über<br />

die französische Grenze und<br />

weiter nach Chamonix.<br />

destination.redbull.com<br />

Schweiz<br />

Mont Blanc<br />

Italien<br />

Zwischenziel: Refuge du Goûter, die höchstgelegene Hütte im Mont-Blanc-Massiv<br />

STEFAN VOITL/RED BULL CONTENT POOL, SHUTTERSTOCK, ADOBE STOCK<br />

WERNER JESSNER<br />

Isabelle hat Expeditionen auf der ganzen<br />

Welt geleitet und Chamonix am Fuß des<br />

Mont Blanc zu ihrer Heimat gemacht.<br />

Wie oft sie schon auf dem Gipfel war? Die<br />

zweifache Mutter lacht: „Keine Ahnung.<br />

Ich zähle da nicht mehr mit.“ Der höchste<br />

Berg der Alpen ist ihr Hausberg: „Er mag<br />

zwar technisch nicht sonderlich schwierig<br />

sein, aber jedes Mal, wenn ich nach Hause<br />

komme und ihn sehe, bin ich von seiner<br />

Schönheit fasziniert.“<br />

Für eine exklusive Destination <strong>Red</strong> Bull-<br />

Reise arbeiten Nims und Isabelle erstmals<br />

zusammen. Hier die perfekt organisierte –<br />

ja, doch – Einheimische, da jener Mann,<br />

der das Bergsteigen auf ein neues Level gehoben<br />

hat. Welche Fragen hat Isabelle an<br />

Nims Purja? „Viele! Doch am allermeisten<br />

Beim Aufstieg wird Nims die Seilschaften<br />

wechseln. So kommt jeder in den Genuss,<br />

mit dieser Legende geklettert zu sein.<br />

Gut zu wissen<br />

Ob man den 1786 erstbestiegenen<br />

Mont Blanc den höchsten Berg<br />

Europas nennen kann, ist Interpretationssache<br />

und tatsächlich<br />

nicht ausgemacht. Zählt man nämlich<br />

den Kaukasus noch zu Europa,<br />

wäre der 5642 Meter hohe Elbrus<br />

in Russland Europas höchster Berg.<br />

Unbestritten ist der Mont Blanc<br />

immerhin der höchste Berg Frankreichs.<br />

Allerdings reklamieren ihn<br />

die Italiener ebenfalls als ihren<br />

höchsten Berg, denn sie ziehen die<br />

Grenze genau über den Gipfel (was<br />

die Franzosen wiederum nicht so<br />

stehen lassen wollen). Auf gesichertem<br />

Terrain bewegen wir uns, wenn<br />

wir sagen: Der Mont Blanc ist der<br />

höchste Berg der Alpen.<br />

THE RED BULLETIN 71


TRAVEL EDITION<br />

DANIEL<br />

BÆKKEGÅRD<br />

Mit Dänemarks Ironman<br />

ins Gute-Laune-<br />

Triathlon-Camp auf<br />

Fuerteventura<br />

AUSGABE 4<br />

SAISON 2022/23<br />

TRAILRUNNING | SURFEN | MOUNTAINBIKEN | SEGELN<br />

FREERI<strong>DE</strong> SKIING | KAJAK | FOTOGRAFIE | FORMEL 1 | FOILING<br />

001_TRB01-TRB- 1 18.10.2021 15:31:35<br />

GUI<strong>DE</strong><br />

Reisen<br />

Das Ziel: Der Mont Blanc liegt an der Grenze zwischen Italien und Frankreich und ist mit seinen 4810 Metern der höchste Berg der Alpen.<br />

interessiert mich, wie er sich so schnell<br />

regeneriert. Gerade gestern habe ich an<br />

einem Berglauf teilgenommen, heute bin<br />

ich völlig zerstört. Nims scheint dieses<br />

Problem nicht zu kennen – wie sonst kann<br />

man drei Achttausender innerhalb von<br />

zwei Tagen schaffen?“<br />

Das Gipfel-Rezept<br />

Damit es bei der Destination <strong>Red</strong> Bull-<br />

Reise auf den Mont Blanc zu keinen Anpassungsschwierigkeiten<br />

kommt, werden<br />

die Gäste von Isabelle und Nims Tritt für<br />

Tritt an die Höhe herangeführt – etwa mit<br />

einer Wanderung auf die 3540 Meter hohe<br />

Aiguille du Tour. Am Arête des Cosmiques<br />

üben die Gipfelstürmer in spe den Umgang<br />

mit Pickel und Steigeisen in Fels und<br />

Eis, außerdem frischen sie Wissen über<br />

Berge- und Seiltechnik auf.<br />

Eben weil der Mont Blanc keine besonderen<br />

technischen Schwierigkeiten<br />

aufweist, ist er auch für Sportler machbar,<br />

die keine ausgewiesenen Alpinisten sind.<br />

Santoire: „Fehlende Bergroutine kann<br />

man auf diesem Berg durch exzellente<br />

Kondition ausgleichen. Geübte, trittsichere<br />

Bergläufer haben auf dem Mont Blanc<br />

ebenso eine Chance auf einen Gipfelsieg<br />

wie klassische Bergsteiger.“<br />

„Wann hat man<br />

schon die<br />

Gelegenheit, mit<br />

einer echten Berg-<br />

Legende eine<br />

Seilschaft zu bilden?“<br />

Isabelle Santoire, 53,<br />

Bergführerin in Chamonix, begleitet mit<br />

Nims Purja die Gäste auf der Reise.<br />

Die Tour wird den Teilnehmern unvergesslich<br />

bleiben, ist sich Isabelle Santoire<br />

sicher: „Wann hat man schon die Gelegenheit,<br />

mit einer echten Berg- Legende eine<br />

Seilschaft zu bilden?“ Nims Purja wird<br />

während des Aufstiegs Seilschaften wechseln.<br />

So kommt jeder der fünf Teilnehmer<br />

in den Genuss, mit Nims persönlich aufzusteigen.<br />

Übernachtet wird dabei auf<br />

Hütten, etwa der höchstgelegenen bewirtschafteten<br />

im Mont-Blanc-Massiv,<br />

dem Refuge du Goûter auf 3835 Metern.<br />

Was auf der für August 2022 geplanten<br />

Tour sicher nicht passieren wird: „Selbst<br />

wenn wir mit dem schnellsten Bergsteiger<br />

von allen unterwegs sind, werden wir nicht<br />

auf den Mont Blanc rennen“, sagt Santoire.<br />

„Die Reise ist als Naturaben teuer<br />

angelegt, nicht als Wettbewerb.“<br />

KOMM,<br />

FAHR MIT!<br />

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Infos zum Programm:<br />

destination.redbull.com<br />

GETTY IMAGES, ANGELA PERCIVAL<br />

72 THE RED BULLETIN


Das Tirol Gefühl<br />

www.tirol.at


GUI<strong>DE</strong><br />

Gaming<br />

GAMING & STYLE<br />

Digitaler<br />

Runway<br />

Fashion-Guru Jazzy Cho<br />

erklärt die Mode-Trends<br />

im Spielerfolg „Die Sims 4“.<br />

Flughäfen sind nicht gerade<br />

für ihre Modeszene bekannt.<br />

Eine Ausnahme ist der<br />

Incheon International Airport<br />

in Südkorea. Der futuristische<br />

Umschlagplatz mit Casino<br />

und Golfplatz entspricht dem<br />

Ruf eines Landes mit vollvernetzten<br />

Smart Citys und<br />

einer welt bekannten Popkultur.<br />

Von der K-Fashion, also<br />

der koreanischen Mode, ganz<br />

zu schweigen. Kein Wunder<br />

also, dass dieser Flughafen<br />

seine eigene Modelinie hervorgebracht<br />

hat: die „gonghang<br />

fashion“, deutsch: Flughafen-<br />

Mode. Entstanden ist sie aus<br />

den Schnappschüssen der<br />

Paparazzi, die aus Übersee<br />

ankommende top gestylte<br />

Prominente ablichteten.<br />

„Die Südkoreaner sind stolz<br />

auf ihren Incheon Airport,<br />

weil hier die Touristen einen<br />

ersten Eindruck vom Land<br />

gewinnen“, erklärt Jazzy Cho,<br />

US-Mode-Influencerin mit<br />

koreanischen Wurzeln. Ihre<br />

Mission: der Welt die Kultur<br />

ihres Ursprungslands zu vermitteln.<br />

Deshalb kuratiert Cho<br />

das „Incheon Arrivals Kit“,<br />

eine Zusammenstellung von<br />

gonghang-Outfits für das<br />

Social-Simulation-Spiel „Die<br />

Sims 4“. Hier erklärt sie, was<br />

es mit K-Fashion auf sich hat.<br />

Spielfiguren aus dem Gaming-Hit „Die Sims 4“: koreanische Airport-Mode in digitaler Form<br />

Lockere Klassik<br />

„Die K-Fashion ist geprägt von<br />

Stickereien, kräftigen Farben<br />

und fließenden Stoffen, die<br />

beim hanbok, der traditionellen<br />

koreanischen Kleidung,<br />

üblich sind“, sagt Cho. Heute<br />

erlebt hanbok eine Neuinterpretation<br />

im modernen Street-<br />

Style. „Lockere baji-Hosen<br />

„Die Modestile in<br />

Korea entwickeln<br />

sich permanent.“<br />

US-Mode-Expertin Jazzy Cho<br />

(traditionell für Männer; Anm.)<br />

werden von Frauen in maßgeschneiderter<br />

Form getragen,<br />

und das bodenlange<br />

chima-Hemd gibt es in einem<br />

kürzeren, leichteren Stil, aber<br />

immer noch mit Volumen.<br />

Früher galt: Je mehr, desto<br />

angesehener war man.“ Das<br />

Incheon Arrivals Kit zelebriert<br />

dies mit einer modernen Version<br />

des „durumagi“, eines<br />

Herren mantels. Die für hanbok<br />

typische Liebe zum Detail<br />

erstreckt sich auf alle Aspekte<br />

des Lebens: „Es gibt Restaurants,<br />

die bieten Schürzen für<br />

ihre Gäste!“<br />

Fast Fashion<br />

Südkoreas Modewelt hält<br />

Schritt mit dem rasenden<br />

Fortschritt des Landes. „Die<br />

Stile entwickeln sich permanent“,<br />

so Cho. „Seine eigene<br />

Farbe zu haben ist gerade<br />

total angesagt. Es gibt Läden,<br />

die schauen sich deinen Hautton<br />

an und suchen dann die<br />

passenden Farbnuancen<br />

dazu. Diese Mode hat also<br />

einen Wiedererkennungswert,<br />

ist aber nie homogen.“<br />

Mehr Romantik, bitte!<br />

Der Airport-Style mit seiner<br />

kosmopolitischen Sichtweise<br />

passt perfekt zu Chos Hintergrund.<br />

„Ich sehe mich als<br />

Koreanerin, betrachte diese<br />

Kultur aber durch die amerikanische<br />

Brille. Was mir als<br />

US-Bürgerin zum Beispiel aufgefallen<br />

ist: Die koreanische<br />

Kultur – vom K-Pop bis hin zur<br />

Küche – ist äußerst romantisch.<br />

Die Liebe und Glücksgefühle<br />

rund um eine funktionierende<br />

Beziehung werden<br />

unglaublich gefeiert. Viele<br />

Marken verkaufen Mode im<br />

Paket für Paare, sodass sie<br />

zusammenpasst. Wir spielen<br />

darauf auch im Incheon<br />

Arrivals Kit an: Einige Teile<br />

ergänzen einander.“<br />

Das „Incheon Arrivals Kit“ für<br />

„Sims 4“ ist jetzt auf PlayStation,<br />

Xbox, PC und macOS verfügbar;<br />

ea.com. Mehr zu Jazzy Cho auf<br />

youtube.com/jazzycho und TikTok:<br />

@thejazzycho<br />

ELECTRONIC ARTS ALEXANDRA ZAGALSKY<br />

74 THE RED BULLETIN


KONSOLE<br />

Ping-Pong<br />

Zwei Striche als Schläger, ein hinund<br />

hersausender Punkt als Ball:<br />

„Pong“, Mitte der 1970er die Mutter<br />

aller Videospiele, ist zurück: als<br />

witzige Retro-Version für unterwegs.<br />

Premiere feierte „Pong“ am 29. November<br />

1972 in der Kneipe „Andy Capp’s Tavern“<br />

im kalifornischen Sunnyvale: Ein gelber<br />

Kasten mit der Aufschrift „Pong“ und<br />

einem Bildschirm, aufgestellt neben dem<br />

Flipperautomaten, erregte die Aufmerksamkeit<br />

der mehrheitlich Bier trinkenden<br />

und Billard spielenden Gäste.<br />

Die schlichte Grafik und den simplen<br />

Spielablauf – ein Punkt springt zwischen<br />

zwei Linien hin und her und simuliert ein<br />

Tennis- oder Tischtennismatch – hatte<br />

Allan Alcorn von der Firma Atari entwickelt.<br />

Das Spiel sollte ein derartiges<br />

Suchtpotenzial entwickeln, dass in den<br />

USA bald mehr als 35.000 Automaten<br />

aufgestellt waren. Eine Version für daheim<br />

– eine der ältesten Spielkonsolen überhaupt<br />

– kam 1975 auf den Markt.<br />

Jetzt, fast ein halbes Jahrhundert<br />

später, lässt sich das Originalspiel wiederentdecken<br />

– in Form der Handheld-<br />

Konsole Atari Mini PONG Jr. Zu spielen<br />

allein oder zu zweit, aufgepeppt mit<br />

Retro-Sound effekten und kultiger Grafik<br />

auf 30-Zentimeter-Flüssigkristallbildschirmen.<br />

arcade1up.com<br />

Genau wie der ursprüngliche<br />

Spiel-Automat hat<br />

der Atari Mini PONG Jr.<br />

drehbare Steuerköpfe, um<br />

den „Schläger“ nach links<br />

und rechts zu steuern.<br />

TOM GUISE<br />

THE RED BULLETIN 75


GUI<strong>DE</strong><br />

Lesestoff<br />

ACTION-THRILLER<br />

Der unbarmherzige<br />

Samariter<br />

US-Thrillerautor Gregg Hurwitz hat mit Evan Smoak einen Helden erschaffen,<br />

der es gnadenlos krachen lässt. Doch das ist gar nicht so einfach, wie es klingt.<br />

Text JAKOB HÜBNER<br />

An den richtig harten<br />

Typen haben sich<br />

schon viele Autoren<br />

die Zähne ausgebissen.<br />

Dabei möchte man<br />

ja meinen, es wäre eine vergleichsweise<br />

leichte Übung,<br />

einen Helden für einen Actionthriller<br />

zu erschaffen. Man<br />

nehme einen kantigen Kerl,<br />

tunke ihn tief in eine elitäre<br />

militärische Vergangenheit,<br />

füge eine großkalibrige Knarre<br />

hinzu, einmal durchladen,<br />

und los geht’s! Aber so funktioniert<br />

das nicht.<br />

Tatsächlich sind sogenannte<br />

„One Man Army“­<br />

Thriller eine ziemlich heikle<br />

Herausforderung, da sie sich<br />

formal auf einem extrem<br />

schmalen Grat bewegen.<br />

Anders gesagt: Die Lächerlichkeit<br />

ist dabei immer nur<br />

einen Schritt weit entfernt.<br />

Die Kunst besteht darin,<br />

eine notwendigerweise überzeichnete<br />

Figur mit genügend<br />

Tiefgang auszustatten, um sie<br />

in einem realistischen Setting<br />

zu verankern. Gelingt das<br />

nicht, wird sie zur Karikatur.<br />

Auf der anderen Seite lauert<br />

der heimtückische Psycho-<br />

Treibsand. Denn kaum eine<br />

Romanfigur ist nervtötender<br />

als ein Actionheld, der ständig<br />

erklärt werden muss. Das<br />

geht gar nicht. Man nimmt so<br />

ein Buch ja schließlich nicht<br />

aus dem Regal, weil gerade<br />

kein Dostojewski zur Hand ist.<br />

Nein, ein guter Thrillerheld<br />

ist wie ein gutes Steak, nur<br />

umgekehrt: innen scharf angebraten<br />

und außen blutig.<br />

Evan Smoak ist so ein Typ.<br />

Er war einst Teil eines streng<br />

geheimen US-Regierungsprogramms,<br />

in dem Waisenkinder<br />

rekrutiert und zu hocheffizienten<br />

Killermaschinen<br />

ausgebildet wurden. Ausgestattet<br />

mit wasserdichten<br />

Identitäten und nahezu grenzenlosen<br />

finanziellen Mitteln,<br />

räumen die „Orphans“ dort<br />

auf, wo dem Staat die eigenen<br />

VINZ SCHWARZBAUER<br />

76 THE RED BULLETIN


Erster Absatz<br />

aus „Rache der Orphans“<br />

Das RoamZone ans Ohr gepresst, trat Evan rasch durch<br />

die Tür seiner Penthousewohnung im Apartmenthochhaus<br />

Castle Heights. Das Handy mit dem Gehäuse aus gehärtetem<br />

Gummi und dem Display aus Gorilla Glass war so widerstandsfähig<br />

wie ein Hockeypuck und im Prinzip nicht zurückzuverfolgen.<br />

Jeder Anruf auf 1-855-2-NOWHERE wurde digitalisiert<br />

und über ein Labyrinth von verschlüsselten VPN-Tunneln<br />

über das Internet verschickt. Erst nachdem er per Software<br />

von Vermittlungsstelle zu Vermittlungsstelle einmal rund<br />

um den Globus geleitet worden war, kam er auf dem Roam­<br />

Zone an. Evan meldete sich immer mit demselben Satz.<br />

Brauchen Sie meine Hilfe?<br />

BUCHTIPPS<br />

Helden in Serie<br />

Vier Thriller-Autoren, die keine Gefangenen<br />

machen – außer bei den Lesern.<br />

Gesetze im Weg stehen.<br />

Als jedoch sein ehemaliger<br />

Ausbildner und Mentor in Ungnade<br />

fällt, steigt Evan aus<br />

und verschwindet vom Radar.<br />

Er leidet unter schlechtem Gewissen<br />

und sehnt sich nach<br />

Buße. Er wird zum „Nowhere<br />

Man“, einer Art unsichtbarem<br />

Schutzengel für Menschen,<br />

die in Not geraten sind, sich<br />

aber – aus welchen Gründen<br />

auch immer – nicht an die Polizei<br />

wenden können. Aus dem<br />

Sünder wird ein Samariter –<br />

allerdings einer ohne jede<br />

Barmherzigkeit, dafür aber<br />

mit einer spezialangefertigten<br />

Wilson Combat im Kydex-<br />

Hüftholster.<br />

In der „Orphan“-Zentrale<br />

haben sie freilich wenig Freude<br />

mit einem freischaffenden<br />

Profikiller aus den eigenen<br />

Reihen und blasen zum großen<br />

Halali – allen voran die<br />

emotional nahe am Gefrierpunkt<br />

angesiedelte Candy<br />

McClure, die mit Evan noch<br />

eine ganz persönliche Rechnung<br />

offen hat …<br />

Der US-Amerikaner Gregg<br />

Hurwitz, 48, ist nicht nur als<br />

Romanautor und Comictexter<br />

(Marvel, DC) sehr erfolgreich,<br />

sondern auch als Drehbuchschreiber.<br />

Das merkt man.<br />

Seine Evan-Smoak-Reihe –<br />

„Orphan X“ (2016), „Projekt<br />

Orphan“ (2017), „Die Rache<br />

der Orphans“ (2018), „Die<br />

Spur der Orphans“ (2019)<br />

und „Das Vermächtnis der<br />

Orphans“ (2021) – kommt wie<br />

ein Hollywood­ Blockbuster<br />

daher und überzeugt mit<br />

einem wirklich guten Spannungsbogen.<br />

Hurwitz hat ein<br />

feines Gespür dafür, wann er<br />

das Visier runterklappen und<br />

Vollgas geben muss und wann<br />

er Tempo rausnimmt, um den<br />

Leser mit ein paar Hintergrundhappen<br />

zu füttern.<br />

Das ist umso bemerkenswerter,<br />

als der Autor quer<br />

durch alle fünf Bände mit<br />

zwei parallel laufenden Storys<br />

jongliert – auf der einen Seite<br />

der jeweilige Auftrag des<br />

„Nowhere Man“ und die<br />

in terne Jagd gesellschaft der<br />

„ Orphans“ auf der anderen.<br />

Die beiden Handlungsstränge<br />

kommen einander zwar nur<br />

selten in die Quere, aber wenn,<br />

dann mit mächtig Zunder.<br />

Stilistische Brillanz darf<br />

man sich von einer Romanserie<br />

dieser Gattung natürlich<br />

nicht erwarten, wohl aber eine<br />

präzise sprachliche Fokussierung<br />

auf das Wesentliche:<br />

Spannung bis zum Abwinken.<br />

GREGG HURWITZ<br />

„Evan Smoak“-Reihe<br />

Deutsch von Mirga Nekvedavicius<br />

HarperCollins<br />

LEE CHILD<br />

Der alljährliche Feiertag<br />

für Thriller-Fans fiel 2021<br />

auf den 26. Juli. Da erschien<br />

der 23. Band der unwiderstehlichen<br />

Jack-Reacher-<br />

Reihe des britischen<br />

Bestseller autors Lee Child.<br />

Diesmal nimmt der härteste<br />

Bluthund des Genres die<br />

Fährte seines verstorbenen<br />

Vaters auf, die ihn direkt<br />

ins Fadenkreuz skrupelloser<br />

Männer führt, die nicht<br />

nur sprichwörtlich<br />

über Leichen gehen …<br />

„Der Spezialist“<br />

(Blanvalet)<br />

CHRIS LANDOW<br />

Die bisher dreiteilige Romanreihe<br />

rund um den Ex-Bundespolizisten<br />

Ralf Parceval ist<br />

eine echte Rarität. Denn hinter<br />

dem Pseudonym Chris<br />

Landow versteckt sich ein<br />

deutscher Autor, der es offensichtlich<br />

darauf anlegt, mit<br />

voller Härte in ein englischsprachiges<br />

Hoheitsgebiet<br />

der Unterhaltungsliteratur<br />

zu grätschen: den kompromisslosen<br />

Action-Thriller.<br />

Band 4 ist für Februar 2022<br />

angekündigt.<br />

„Ralf Parceval“-Serie<br />

(Blanvalet)<br />

STEPHEN HUNTER<br />

Trotz erfolgreicher Hollywood-Verfilmung<br />

von Teil 1<br />

der Buchserie („Shooter“ mit<br />

Mark Wahlberg in der Hauptrolle)<br />

fristet Bob Lee Swagger<br />

hierzulande ein Schattendasein<br />

unter den Helden<br />

der Hochspannungsliteratur.<br />

Völlig zu Unrecht. Insgesamt<br />

brachte US-Autor und<br />

Pulitzer-Preisträger Stephen<br />

Hunter den ehemaligen<br />

Scharfschützen neunmal<br />

in Stellung – und traf dabei<br />

stets ins Schwarze.<br />

„Bob Lee Swagger“-Serie<br />

(Festa)<br />

DAVID BALDACCI<br />

Wenn es um knallharte<br />

Einzelkämpfer geht, darf<br />

David Baldacci nicht fehlen.<br />

Mit einer Gesamtauflage<br />

von über 40 Millionen<br />

platzierte der Vielschreiber<br />

aus Richmond, Virginia,<br />

gleich mehrere einschlägige<br />

Romanfiguren in den internationalen<br />

Bestsellercharts.<br />

Als Einstieg bietet sich<br />

die „Will Robie“-Reihe an,<br />

deren erster Teil den<br />

nahe liegenden Titel<br />

„Der Killer“ trägt.<br />

„Will Robie“-Serie<br />

(Bastei Lübbe)<br />

THE RED BULLETIN 77


BACK TO BLACK<br />

FABER-CASTELL PITT GRAPHITE MATT<br />

Schwarzsehen als Innovation: Anders als andere<br />

Blei stifte, die bei genauer Betrachtung nur graue Farbe<br />

liefern, kann dieser Stift von Faber-Castell so richtig<br />

schwarz, so richtig matt und so richtig hart<br />

(von HB bis 14 B). faber-castell.de<br />

VIELSEITIG<br />

LENOVO YOGA 9i<br />

Dieses Notebook von Lenovo lässt sich so falten,<br />

dass es wie ein Tablet verwendet werden kann. Mit<br />

IntelCore-Prozessoren der 10. Generation lässt es sich<br />

nicht nur gut streamen, das Gerät ist auch für Fotound<br />

Videobearbeitung geeignet. lenovo.com<br />

Richtig gutes Zeug<br />

Wie duftet die Nacht deines Lebens, kannst du zeichnen,<br />

und wie viel Schwarz ist nötig? Hier sind die Antworten.<br />

CLUB-STIL<br />

Flakon im Art-déco-<br />

Stil: Er soll Ralph’s<br />

Club in Manhattan<br />

widerspiegeln.<br />

PROBIEREN, NICHT STUDIEREN<br />

ZEICHEN-ANLEITUNG VON CARTOONIST PENG<br />

Was du schon immer übers Zeichnen wissen wolltest,<br />

aber nicht zu fragen wagtest. Peng, preisgekrönter<br />

Cartoonist aus Österreich, zeigt vor, wie’s geht.<br />

Ungewöhnlich, witzig und ungeheuer ansteckend!<br />

dumont-buchverlag.de<br />

NIGHT FEVER<br />

RALPH’S CLUB<br />

So könnte die Nacht deines<br />

Lebens duften, meint Ralph<br />

Lauren – nach Lavandin (einer<br />

speziellen Lavendel-Kreuzung),<br />

Muskatellersalbei und dem<br />

Süßgras Vetiver.<br />

ralphlauren.de<br />

78 THE RED BULLETIN


GUI<strong>DE</strong><br />

Tipps & Trends<br />

SEELE INKLUSIVE<br />

LEICA SL2<br />

In ihrem Metallgehäuse (aus<br />

Magnesium und Aluminium)<br />

steckt alles, was das Fotografenherz<br />

begehrt – sogar<br />

eine Seele, wie Leica uns wissen<br />

lässt. Abgesehen davon<br />

wird die spiegellose Vollformat-<br />

Systemkamera hierzulande<br />

hergestellt.<br />

de.leica-camera.com<br />

DURCHBLICK<br />

Ergebniszentriert:<br />

lichtstarkes<br />

Leica-Objektiv<br />

„Mir ist, als sei mein Leib<br />

dort stehengeblieben, wo er ihn<br />

zum letzten Mal umarmte.“<br />

Ein Satz zum Auf-der-Zunge-zergehen-Lassen von Botho Strauß.<br />

Aus seinem neuen Buch „Nicht mehr. Mehr nicht“. hanser.de<br />

BAUKASTEN<br />

Datenspeicher in<br />

jeder Größe und<br />

für jeden Bedarf<br />

FABER CASTELL, LENOVO, DUMONT, LEICA, COS, SANDISK<br />

HERE COMES<br />

THE SUN<br />

COS WOOL TEDDY COAT<br />

Wer dem grauen Winter ein<br />

Schnippchen schlagen will –<br />

in diesem zitronenfaltergelben<br />

Kuschelmantel aus weichem<br />

Wolle-Baumwolle-Gemisch<br />

kriegt auch der trübste Tag<br />

genug Farbe zum Flattern.<br />

cosstores.com<br />

FÜR ALLE FÄLLE<br />

SANDISK PROFESSIONAL<br />

Sie sind langlebig, leistungsstark und auch noch schön<br />

anzusehen. Die professionellen Speicherlösungen von<br />

SanDisk lassen sich außerdem blitzschnell an alle<br />

Bedürfnisse anpassen, soll heißen: Sie wachsen mit,<br />

wenn’s sein muss. sandiskprofessional.com<br />

THE RED BULLETIN 79


„Anzeige“<br />

Adrenalinkick in den Dolomiten<br />

Nicht nur imposante Naturkulisse: Die Dolomiten<br />

UNESCO Welterbe sorgen mit sportlichen<br />

Abenteuern für einen Anstieg des Adrenalinspiegels.<br />

Frischer Schnee, schroffe Felswände<br />

und blauer Himmel – was<br />

wie die Beschreibung einer Postkarte<br />

klingt, ist in den Südtiroler<br />

Dolomiten Realität. Ein Naturparadies,<br />

das für ruhigen, sanften und<br />

einfühlsamen Tourismus weltweit<br />

bekannt ist. Die imposanten Berggipfel<br />

haben aber noch viel mehr zu<br />

bieten – vor allem Adrenalinjunkies<br />

und Skifans kommen hier auf ihre<br />

Kosten: Skitourengeher können<br />

sich in der Dolomitenregion Drei<br />

Zinnen verausgaben, Skifahrer- und<br />

Freestyleherzen schlagen hingegen<br />

in der Dolomitenregion Seiser Alm<br />

höher.<br />

DOLOMITENREGION SEISER ALM<br />

Sport, Spaß und Adrenalin gibt es im<br />

westlicheren Part der Südtiroler Dolomiten<br />

– genauer gesagt in der Dolomitenregion<br />

Seiser Alm. Dieses Hochplateau<br />

wird als Freestyle-Paradies in den Alpen<br />

bezeichnet. Was wie ein Werbeslogan<br />

klingt, kann mit knallharten Fakten belegt<br />

werden: Kein anderer Snowpark in den<br />

Dolomiten kann nämlich mit einer 1,5 Kilometer<br />

langen Parkline und 70 Obstacles<br />

punkten. Zudem ist der Snowpark einer<br />

der größten in Europa.<br />

Die Seiser Alm hat sich mit Rails, Kicker,<br />

Boxen und Whoops den Freestylern verschrieben<br />

– egal ob Anfänger oder Profis.<br />

Letztere treffen sich im Seiser Alm Snowpark<br />

regelmäßig zu Contests und Shows,<br />

die mittlerweile internationale Bekanntheit<br />

erlangt haben – ebenso wie das gesamte<br />

Skigebiet. An Superlativen ist auch dieses<br />

kaum zu übertreffen: Das Skigebiet Seiser<br />

Alm/Val Gardena wurde mehrfach preisgekrönt<br />

und zählt zu den familienfreundlichsten<br />

in den Alpen. Ganz abgesehen vom<br />

atemberaubenden Ausblick auf die Dolomiten<br />

samt Schlern, Langkofel, Plattkofel und<br />

Rosengarten, hat das Skigebiet auch ganze<br />

175 Pistenkilometer zu bieten. Wer den Kick<br />

sucht, wird hier fündig: Auf der Goldknopf<br />

Piste befindet sich eine Geschwindigkeitsmessanlage,<br />

die sogenannte Speedtrap.<br />

Auf 260 Metern und einem Höhenunterschied<br />

von 73 Metern wird die Geschwindigkeit<br />

der Abfahrer mittels Lichtschranken<br />

gemessen. 116,41 Stundenkilometer wurden<br />

dabei bereits als Rekord angeschrieben.<br />

Wer mit seiner Leistung auf der Speedtrap<br />

nicht zufrieden sein sollte, kann der Ursache<br />

mittels Videoanalyse auf den Grund<br />

gehen. Auf der Skimovie-Strecke hat jeder<br />

die Möglichkeit, sein ganz persönliches<br />

Rennvideo zu drehen. Einfach anmelden,<br />

online abrufen, analysieren und mit weiteren<br />

Versuchen den Wettkampfhunger<br />

stillen.<br />

Nur Piste herunter wedeln war gestern, in<br />

der Dolomitenregion Seiser Alm ist ganz<br />

klar Action geboten! Egal ob Skifahrer,<br />

Snowboarder, Freestyler oder Wanderer –<br />

jeder Einzelne kommt in dieser atemberaubenden<br />

Bergkulisse auf seine Kosten.<br />

Nach einem abwechslungsreichen Skitag<br />

werden in den Ruhepolen der Dolomitenregion,<br />

nämlich in den Dörfern Kastelruth,<br />

Seis am Schlern, Völs am Schlern und Tiers<br />

am Rosengarten, die Batterien wieder aufgeladen.<br />

Und schon hat man Energie für<br />

einen weiteren adrenalingeladenen Skitag<br />

auf der Seiser Alm.<br />

3 ZINNEN DOLOMITEN<br />

Markante Gipfel, schneebedeckte Weiten.


„Anzeige“<br />

© Seiser Alm Marketing/F-Tech, © Harald Wisthaler, © Dalpiaz Fabian<br />

Eine andere Art von Nervenkitzel können<br />

Skitourengeher in der Dolomitenregion 3<br />

Zinnen erleben: bei einer aufregenden Skitour<br />

auf einem der unzähligen Aufstiegshänge<br />

rund um die Drei Zinnen.<br />

Der berühmte Gebirgsstock, der im<br />

Westen Südtirols unweit der österreichischen<br />

Grenze in den Sextner Dolomiten<br />

liegt, gilt als markantes Wahrzeichen der<br />

gesamten Gebirgsgruppe. Hier haben<br />

Skitourengeher die Qual der Wahl – aber<br />

auch ein doppeltes Erlebnis. Während sich<br />

der Körper bei sportlicher Betätigung auspowert,<br />

freut sich der Geist mit allen Sinnen<br />

über paradiesische Rahmenbedingungen:<br />

knirschendes Schneegeräusch in den<br />

Ohren, den Duft von frischer Schneeluft<br />

in der Nase und vor seinen Augen atemberaubende<br />

Felswände zum Anfassen<br />

fernab vom Tal. Die Anstrengung rückt<br />

angesichts der imposanten Naturkulisse<br />

fast in den Hintergrund. Nach dem Aufstieg<br />

ist einem die Belohnung sicher: ein<br />

tiefes Gefühl der Zufriedenheit und eine<br />

Erinnerung, die sich im Inneren festhakt<br />

– und dort auch bleibt. Und die größte<br />

Belohnung ist wohl die Abfahrt durch den<br />

Pulverschnee.<br />

Die Dolomitenregion 3 Zinnen ist ein Ort,<br />

an dem Alpingeschichte geschrieben wurde<br />

und bis heute spürbar ist. Auch Bergsteiger-Legende<br />

Reinhold Messner hatte<br />

wohl die spektakulären Felsformationen<br />

im Kopf, als er die Südtiroler Bergwelt mit<br />

den Worten beschrieb: „Es sind nicht die<br />

höchsten Berge der Welt, auch nicht die<br />

gefährlichsten, aber bestimmt sind es die<br />

schönsten.“ Eine Aussage, die den Nagel<br />

auf den Kopf trifft – wer es nicht glaubt,<br />

der muss sich selbst davon überzeugen!<br />

Diese einzigartige Berglandschaft mit ihren<br />

Ortschaften Sexten, Innichen, Toblach,<br />

Niederdorf und Prags wurde 2009 nicht<br />

umsonst zum UNESCO Welterbe ernannt.<br />

Die Dolomitenregion 3 Zinnen ist schon<br />

allein deshalb eine (Ski-)Tour wert!<br />

Eines muss auch den erfahrensten Tourengehern<br />

hierbei aber bewusst sein: Respekt<br />

vor der Natur und ihren Kräften steht an<br />

erster Stelle. Wer in der eindrucksvollen<br />

Bergwelt unterwegs ist, benötigt eine gute<br />

Kondition, skifahrerisches Können und passende<br />

Ausrüstung. Kenntnisse über Wetter-<br />

und Schneeverhältnisse sind in den<br />

Bergen ebenfalls unabdingbar. Deshalb ist<br />

es wichtig, vor dem Start den Wetter- und<br />

Lawinenbericht zu konsultieren und nur<br />

mit entsprechendem Equipment zu starten<br />

– im besten Fall in Begleitung eines Bergführers.<br />

Und dann: Mitten hinein ins echte,<br />

unverfälschte Dolomitenerlebnis!<br />

Die Seiser Alm bietet ein<br />

einzigartiges Bergpanorama mit<br />

dem unverwechselbaren Profil<br />

des Schlerns und der größten<br />

Hochalm Europas.<br />

seiseralm.it<br />

Im Winter verwandelt sich<br />

die Gegend rund um die<br />

markanten Drei Zinnen in ein<br />

Skitourenparadies inmitten der<br />

Dolomiten UNESCO Welterbe.<br />

dreizinnen.com


GUI<strong>DE</strong><br />

Geschenke<br />

Kaffee wie vom Barista<br />

DeLonghi La Specialista Maestro<br />

Das richtige Mahlen, die optimale Dosierung, die ideale<br />

Temperatur: Die perfekte Tasse Kaffee gelingt auf Knopf ­<br />

druck – mit der Siebträgermaschine La Specialista Maestro.<br />

Die macht das alles nämlich selbst. Das Einzige, was Sie<br />

tun müssen, ist genießen. Preis: 1299 Euro, delonghi.com<br />

FESCH<br />

Das Stahlgehäuse<br />

misst 360 × 350<br />

× 450 mm (inkl.<br />

Bohnenbehälter)<br />

Frohes Fest!<br />

Eine Uhr mit Formel-1-Technologie, ein unverwüstliches Handy,<br />

ein flotter Roller: Hier sind 14 Geschenktipps für das Christkind in dir.<br />

82 THE RED BULLETIN


X-MAS<br />

LEICHTES GEPÄCK<br />

BROMPTON P-LINE<br />

Das Faltrad von Brompton ist Kult: Es<br />

bringt einen flott durch die Stadt (die neue<br />

P-Line wiegt nur 9,65 Kilo!), lässt sich<br />

rasch zu einem handlichen Paket falten<br />

und findet so auch in vollen Zügen Platz.<br />

Preis: ab 2550 Euro, de.brompton.com<br />

TRAGBAR<br />

Zusammengelegt<br />

passt das Rad<br />

auch in den kleinsten<br />

Kofferraum.<br />

HALLO, ABENTEUER!<br />

MOTOROLA <strong>DE</strong>FY OUTDOOR-HANDY<br />

Wenn sich Smartphone-Experte Motorola<br />

und Outdoor-Spezialist Bullitt zusammentun,<br />

kommt ein kleiner großer Abenteurer<br />

raus: Ob Stürze oder Wasser, Temperaturschwankungen<br />

oder extreme Luftfeuchtigkeit<br />

– dieses Smartphone hält alles aus.<br />

Preis: 329 Euro, motorolarugged.com<br />

HOCH HINAUS<br />

THE NORTH FACE HIMALAYAN PARKA<br />

Das Original unter den Kaltwetterjacken<br />

kehrt als Teil der „More Than a Jacket“-<br />

Kollektion zurück. Die übergroße Jacke<br />

wurde einst für die Erkundung des Hochgebirges<br />

entwickelt, ihre Stärke ist die<br />

kuschelige und winddichte Daunenfüllung.<br />

Preis: 360 Euro, thenorthface.de<br />

DIE BRILLE ZUM HÖREN<br />

FAUNA AUDIO<br />

Die neuen Brillen von Fauna verbinden Hightech<br />

mit schickem Design. Die getönten<br />

Gläser schützen die Augen vor Blaulicht,<br />

mit den Bügeln kann man Musik hören<br />

und Telefonate führen, alles ohne Kabel<br />

und mit freien Ohren. Preis: ab 199 Euro,<br />

wearfauna.com<br />

THE RED BULLETIN 83


X-MAS<br />

SMARTER GENIESSEN<br />

NESPRESSO VERTUO<br />

Die Maschine, die mitdenkt: Die Nespresso<br />

Vertuo liest den Barcode auf den Kapseln<br />

ab und passt die Maschineneinstellung<br />

dementsprechend punktgenau an. Egal<br />

ob Espresso oder Gran Lungo: Die exakt<br />

richtige Menge Wasser für jede Kapsel liefert<br />

Kaffee genuss auf höchstem Niveau.<br />

Preis: ab 149 Euro, nespresso.com<br />

TEMPO-LENKER<br />

Dank großer<br />

Anzeige weißt du<br />

immer, wie schnell<br />

du unterwegs bist.<br />

Rock ’n’ Roll<br />

Ultron Air EKFV E-Scooter<br />

Der Kick-Scooter verbindet die leise und elektrische Art<br />

der Fortbewegung mit jeder Menge Fahrspaß. Zugelassen<br />

für die Straße, bringt Sie der Scooter mit einer Reich weite<br />

von bis zu 25 Kilometern und einer Höchstgeschwindigkeit<br />

von 20 km/h ans Ziel. Preis: ab 499 Euro, a-to.com<br />

COOLER KÜHLEN<br />

LIEBHERR MYSTYLE KÜHLGERÄTE<br />

Puristischer Kühler, digitaler Frischeprofi<br />

oder doch lieber ein Alleskühler? Liebherr<br />

hat Kühlgeräte entwickelt, die auf den<br />

ganz persönlichen Geschmack abgestimmt<br />

werden können. Da ist alles möglich –<br />

egal welche Farbe, ob individuell bedruckt<br />

oder mit spezieller Ausstattung.<br />

Preis: ab 650 Euro, liebherr.com<br />

DIE BESTEN MOMENTE<br />

CEWE FOTOBUCH XL<br />

Wir alle haben tausende digitale Fotos,<br />

doch die wirklich wichtigen sind es wert,<br />

ausgedruckt zu werden. Das geht jetzt<br />

noch schöner: Das Fotobuch XL liefert<br />

Ihre besten Aufnahmen in bester Qualität.<br />

Preis: ab 42,90 Euro, cewe.de<br />

84 THE RED BULLETIN


GUI<strong>DE</strong><br />

Geschenke<br />

GESUND DURCH<br />

<strong>DE</strong>N WINTER<br />

SPERMIDINELIFE ® IMMUNITY KAPSELN<br />

Höchste Zeit, unserem Körper in der<br />

kalten Jahreszeit extra Unterstützung zu<br />

gönnen: Das Nahrungsergänzungsmittel<br />

Immunity+ stärkt das Immunsystem auf<br />

Basis von Vitamin C und Zink, Weizenkeimextrakt<br />

und Shiitake-Pilz-Pulver.<br />

Preis: 77 Euro, spermidinelife.com<br />

AB AUF DIE PISTE …<br />

HEAD KORE 111<br />

… und am besten mit dem richtigen Ski:<br />

Der neue Kore 111 von Head ist leicht und<br />

wendig. Seine Qualitäten basieren auf<br />

einer Konstruktion aus Graphen, Karubaholz<br />

und mehrfachen Carbonschichten.<br />

Preis: 800 Euro, head.com<br />

WO SIND DIE FISCHE?<br />

GARMIN STRIKER CAST<br />

Helfen Sie Ihrem Angelglück auf die<br />

Sprünge! Der Striker 4-Fishfinder ist ein<br />

Echolot zum Auswerfen (im Bild links),<br />

das sich via App mit dem Smartphone verbindet.<br />

Und verlässlich anzeigt, wo sich<br />

unter Wasser die dicken Fische verstecken.<br />

Preis: 149 Euro, garmin.com<br />

Wendig über Stock und Stein<br />

Canyon Signature Pro MTB Langarmtrikot<br />

Mit dem atmungsaktiven MTB-Herrentrikot ist man für<br />

jedes Trail-Abenteuer perfekt gerüstet: Der Polyester-<br />

Elasthan-Mix transportiert die Feuchtigkeit schnell vom<br />

Körper ab, die Mesh-Ärmel sorgen für Atmungsaktivität<br />

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Höchste Zeit<br />

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THE RED BULLETIN 85


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B O U L E V A R D D E R H E L D E N<br />

MICHAIL SCHOLOCHOW<br />

DAS VERSPRECHEN<br />

Serie: MICHAEL KÖHLMEIER erzählt die außergewöhnlichen Geschichten<br />

inspirierender Figuren – faktentreu, aber mit literarischer Freiheit.<br />

Folge 9: Ein Literatur-Nobelpreisträger und seine heldenhafte Lebenslüge.<br />

Es gibt einfaches Heldentum und kompliziertes;<br />

diese Geschichte berichtet<br />

von kompliziertem. Angenommen,<br />

es war so, wie ich es hier erzählen<br />

möchte, dann wäre der Schriftsteller<br />

Michail Alexandrowitsch Scholochow ein<br />

selbstloser und aufopferungsvoller Held<br />

gewesen. Seine Geschichte gehört allemal<br />

zu den spannendsten der Schriftstellerei<br />

im 20. Jahrhundert und er selbst zu jenen<br />

widersprüchlichen Persönlichkeiten, wie<br />

sie nur Diktaturen hervorbringen. Ich weiß,<br />

man kann die Geschichte dieses russischen<br />

Schriftstellers auch ganz anders erzählen,<br />

nämlich als die Geschichte eines abgefeimten<br />

Diebes von geistigem Eigentum, eines Plagiators,<br />

eines Mannes, der sich viel Ehre und Ruhm ergaunert<br />

hat, indem er das Werk eines anderen als das seine<br />

ausgab. Lange Zeit wurden die Vorkommnisse auf diese<br />

Weise dargestellt. Der Mann war immerhin ein Günstling<br />

Stalins; ihm etwas Gutes zu lassen wäre in den<br />

Augen vieler gewesen, als würde man ein mörderisches<br />

System gutheißen. Inzwischen ist sich die Wissenschaft<br />

ziemlich sicher, dass der Spott und die Verdammung,<br />

denen der Künstler lange Zeit, vor allem im Westen,<br />

ausgesetzt war, auf falschen Informationen beruhten.<br />

Ich nehme mir die Freiheit, die Geschichte als eine<br />

Heldengeschichte zu erzählen – was ist Wahrheit …<br />

Der Nobelpreis für Literatur 1965 wurde Michail<br />

Scholochow für seinen Roman „Der stille Don“ verliehen.<br />

In den meisten Fällen vergibt das Komitee<br />

den Preis für das Lebenswerk eines Autors, diesmal<br />

stand in der Urkunde, dass die Ehrung ausschließlich<br />

das genannte vierbändige Werk meine. Der Roman<br />

entstand zwischen 1927 und 1940, das Erscheinen des<br />

MICHAEL KÖHLMEIER<br />

Der Vorarlberger<br />

Bestsellerautor gilt<br />

als bester Erzähler<br />

deutscher Zunge.<br />

Zuletzt erschienen:<br />

der Roman „Matou“,<br />

960 Seiten,<br />

Hanser Verlag.<br />

letzten Bandes lag also schon fünfundzwanzig<br />

Jahre zurück. Auch den Mitgliedern des Komitees<br />

war die Diskussion über die Autorenschaft<br />

des Werkes bekannt. Noch bevor der<br />

Roman zur Gänze der Öffentlichkeit vorlag<br />

– entweder weil er noch nicht geschrieben<br />

oder noch nicht vollständig herausgegeben<br />

war –, kursierten Gerüchte, Scholochow<br />

sei nicht, könne nicht der Autor sein. In<br />

dem Buch wird auf unvergleichlich sinnliche<br />

Weise das Leben der Donkosaken beschrieben,<br />

besonders im ersten Teil, sodass<br />

alle Kritiker überzeugt waren, das könne,<br />

erstens, nur jemand schreiben, der selbst<br />

in diesem Teil der Welt lebte oder lange<br />

dort gelebt hatte; zweitens, einer, der ein<br />

lebenserfahre ner Mann ist, denn was beschrieben wird<br />

und wie es beschrieben wird, zeuge von großer Weisheit<br />

und gefestigter Lebenssicht.<br />

Scholochow war, als der erste Band erschien, ge rade<br />

einmal dreiundzwanzig Jahre alt, und unter den<br />

Donkosaken hatte er nie gelebt. Seine Mutter war<br />

die Witwe eines Kosaken, ja, aber ob das ausreichte,<br />

um ein solch breites Panorama zu entwerfen? Scholochow<br />

hatte kaum die Schule besucht, eine genügende<br />

literarische Bildung durfte also auch nicht vorausgesetzt<br />

werden. Mit dreizehn Jahren bereits schloss er sich den<br />

Bolschewiki an und zog in den Bürgerkrieg. Nach dem<br />

Krieg arbeitete er in verschiedenen Häfen und Steinbrüchen,<br />

vorübergehend als Buchhalter, was damals<br />

jeder werden konnte, der alle Buchstaben kannte. Mit<br />

einundzwanzig Jahren heiratete er die Tochter eines<br />

Kosakenführers. Viel Gelegenheit, sich mit dem Leben<br />

der Menschen zu beschäftigen, die in seinem Buch so<br />

plastisch beschrieben werden, hatte er also nicht.<br />

MICHAEL KÖHLMEIER BENE ROHLMANN, CLAUDIA MEITERT GETTY IMAGES (3)<br />

92 THE RED BULLETIN


THE RED BULLETIN 93


B O U L E V A R D D E R H E L D E N<br />

Die Heldengeschichte geht so: Im Jahr 1920 trifft<br />

der gerade einmal fünfzehnjährige Michail Scholochow<br />

in einem Lazarett Fjodor Dmitrijewitsch<br />

Krjukow. Der Mann ist schwer verwundet und hat<br />

zudem Typhus. Außerdem war er Offizier der Weißen<br />

Armee, die im Bürgerkrieg gegen die Bolschewiki, also<br />

die Rote Armee, gekämpft hatte. Um so einen sorgt man<br />

sich in einem roten Lazarett nicht. Im Zivilberuf ist<br />

Krjukow Schriftsteller. Die beiden unterhalten sich, sie<br />

sind sich sympathisch, Krjukow soll einen mächtigen<br />

Eindruck auf den jungen Scholochow ausgeübt haben,<br />

dieser habe zu ihm aufgeblickt wie zu einem Vater.<br />

Manche glauben, erst die Begegnung mit Krjukow habe<br />

in dem späteren Nobelpreisträger den Wunsch geweckt,<br />

selbst Schriftsteller zu werden.<br />

Andere gehen noch weiter: Fjodor Krjukow wusste,<br />

dass er bald sterben wird. Er hatte Vertrauen in den<br />

jungen Mann, mit dem er sich in den Nächten unterhielt.<br />

Krjukow hatte viele Jahre an einem Roman geschrieben,<br />

hatte ihn noch nicht beendet, er war glücklich über sein<br />

Werk, es war sein Lebenswerk. Aber er wusste, dass der<br />

Roman eines Weißen niemals der Öffentlichkeit übergeben<br />

würde, nicht in einem Land, in dem die Kommunisten<br />

regierten. Krjukow – so diese Version der<br />

Geschichte – übergab das Manuskript seinem jungen<br />

Freund, er vertraute ihm das Manuskript an mit der<br />

Bitte eines Sterbenden, dafür zu sorgen, dass es veröffentlicht<br />

wird. Ja, es wurde sogar spekuliert, es sei<br />

Krjukows Idee gewesen, dass Scholochow das Werk<br />

zu einem Ende führe, sie hatten ja intensiv darüber<br />

gesprochen, und dass er es dann unter seinem Namen,<br />

dem Namen eines Soldaten der Roten Armee, veröffentliche.<br />

Krjukow habe sein Werk über seinen Namen gestellt.<br />

Und Scholochow habe am Sterbebett des Dichters<br />

geschworen, dessen letzten Wunsch zu erfüllen.<br />

Bleiben wir bei dieser Version. Scholochow war zu<br />

jung und zu ungebildet, um die Qualität des Werkes<br />

beurteilen zu können. Er hatte auch keine Ahnung,<br />

wie das Verlagswesen funktionierte. Wahrscheinlich<br />

hatte er damals noch kein einziges Buch gelesen. Vielleicht<br />

sogar noch nie ein Buch in der Hand gehabt. Fjodor<br />

Krjukow starb. Sein Manuskript verwahrte Scholochow.<br />

Was sollte er tun? Krjukow hatte recht, niemand würde<br />

das Buch eines Weißen verlegen. Also gab er sich, wie<br />

ihm Krjukow geraten hatte, als der Autor aus.<br />

Er glaubte nicht, dass der Schummel irgendwelche<br />

Folgen haben würde. Wer interessierte sich in diesen<br />

Zeiten schon für einen Roman! Also trug er den ersten<br />

Teil des Manuskripts zu einem kleinen Provinzverlag<br />

und gab sich als der Autor aus. Er meinte, damit habe er<br />

Es war ihm klar, dass<br />

ein Leben, das auf einer<br />

Lüge aufbaut, jederzeit<br />

zusammenbrechen kann.<br />

sein Versprechen eingelöst. In dem Verlag aber war ein<br />

Lektor, der die Qualität des Romans erkannte. Dieser<br />

Lektor hatte selbst Ambitionen, eine kleine Provinzdruckerei<br />

war ihm nicht genug. Und er meinte auch,<br />

für diese Entdeckung sei nur ein großer, potenter Verlag<br />

in der Hauptstadt das Richtige. Er bewarb sich beim<br />

größten Verlag in Moskau um die Stelle des Leiters,<br />

bekam sie und verlegte als sein erstes Buch „Der stille<br />

Don“ von Michail Alexandrowitsch Scholochow. Das<br />

Buch wurde ein sensationeller Erfolg.<br />

Nun befand sich der junge Scholochow in einem<br />

seelischen und in einem öffentlichen Konflikt – worüber<br />

zu befinden viel Einfühlungsvermögen nötig<br />

ist, um nicht ein vorschnelles Urteil zu fällen. Er, Scholochow,<br />

war ein verdienstvoller Genosse, inzwischen<br />

nicht nur Mitglied der KPdSU, sondern auch ein Funktionär.<br />

Wenn einer wie er ein Buch schrieb, dann wurde<br />

es auch verlegt. Also war „Der stille Don“ veröffentlicht<br />

worden. Er hatte sein Versprechen eingelöst, er hatte<br />

dafür gesorgt, dass der Roman seines Freundes verlegt<br />

wurde. Dazu war es notwendig gewesen, zu lügen.<br />

Was hätte er weiter tun sollen? Was, nun, nach dem<br />

großen Erfolg? Sich stellen? Zugeben, dass nicht er der<br />

Autor ist, sondern ein ehemaliger Offizier der Weißen<br />

Garde, der gegen die Rote Armee gekämpft hatte?<br />

Damit hätte er nicht nur erreicht, dass die Auflage<br />

eingestampft worden und der Roman für alle Zeiten<br />

verschwunden wäre, sondern er hätte auch sein eigenes<br />

Leben in Gefahr gebracht, als unzuverlässiger Kollaborateur<br />

wäre er womöglich hingerichtet worden.<br />

Er spielte das Spiel weiter. Vielleicht glaubte er, ein<br />

zweiter Band würde nicht mehr so viel Aufsehen erregen,<br />

das ist ja oft der Fall. Das Gegenteil trat ein.<br />

Der zweite und dann auch der dritte Band waren noch<br />

größere literarische Sensationen. Und nicht nur das.<br />

Stalin und seine Funktionäre stilisierten Scholochow<br />

zum Idealbild des sozialistisch-realistischen Schriftstellers<br />

sowjetischer Prägung.<br />

Im vierten und letzten Band fand diese Tendenz<br />

ihren Ausdruck – und die Literaturkenner waren enttäuscht.<br />

Mehr als enttäuscht. Das Gerücht sagt, diesen<br />

Band habe Scholochow selbst geschrieben oder nach<br />

den inhaltlichen Maßgaben Krjukows vollendet, allerdings<br />

ohne dessen Genie.<br />

Was das Nobelkomitee in Stockholm trotz aller<br />

Gerüchte dazu veranlasste, den Preis an Michail<br />

Scholochow zu vergeben, auch darüber kann<br />

man nur spekulieren. 1965 war der Kalte Krieg an seinem<br />

Höhepunkt. Die Kubakrise lag gerade erst drei<br />

Jahre zurück, der Schrecken eines Atomkriegs zwischen<br />

den USA und der UdSSR saß noch tief. Vielleicht meinten<br />

die Mitglieder des Komitees, mit ihrem Entscheid zur<br />

Entspannung beitragen zu können. Wir wissen es nicht.<br />

Michail Scholochow hatte ein Versprechen gegeben,<br />

und er hatte das Versprechen gehalten. Sehr früh war ihm<br />

bewusst, dass dieses Versprechen sein ganzes eigenes<br />

Leben bestimmen wird. Und ihm wird auch klar<br />

gewesen sein, dass ein Leben, das auf einer Lüge auf­<br />

94 THE RED BULLETIN


Vielleicht bekam er den<br />

Nobelpreis nur, weil 1965<br />

der Kalte Krieg an seinem<br />

Höhepunkt war.<br />

baut, jederzeit in sich zusammenbrechen kann. Mit<br />

Fluch und Schmach. Zehn Jahre nach der Vergabe des<br />

Nobelpreises wurde Scholochow vor laufender Kamera<br />

hart mit dem Vorwurf des Plagiats konfrontiert. Da<br />

brach er zusammen, weinte und sagte: „Richten Sie<br />

bitte Ataman Glaskow aus, wie sehr ich mich schäme.<br />

Ich bitte die Kosaken, mir zu verzeihen.“<br />

Die Sache ist dennoch nicht eindeutig. Alles bleibt<br />

immer Gerücht. Die Aufnahmen könnten getürkt<br />

sein, den Frager sieht man nicht. Und so weiter.<br />

Die Wissenschaft der literarischen Stilanalyse kam zu<br />

konträren Urteilen. Die einen sagten, nein, Scholochow<br />

hat nicht gelogen, er ist der Autor von „Der stille Don“,<br />

seine späteren, spärlichen Werke sind zwar unvergleichlich<br />

schlechter, aber er ist nicht der einzige Autor, den<br />

das Talent schon in jungen Jahren verlassen hat. Andere<br />

Spezialisten glaubten zu wissen, dass Scholochow sich<br />

alles erschlichen hat: die Ehre, das Geld, den Preis.<br />

Wie auch immer. Den Roman gibt es. „Der stille Don“<br />

gehört zu den ganz großen literarischen Werken des<br />

20. Jahrhunderts. Gleich, wer ihn geschrieben hat,<br />

gleich, wie er gerettet wurde, er ist da, wir dürfen ihn<br />

lesen. Ich möchte sagen: Michail Alexandrowitsch<br />

Scholochow ist ein Held. Er hat uns etwas Schönes gegeben<br />

– oder an uns weitergegeben –, und er hat dafür<br />

sein Leben auf die Waage gelegt.<br />

Michael Köhlmeiers Geschichten gibt es auch zum Anhören<br />

im Podcast-Kanal von <strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong>. Zu finden auf allen<br />

gängigen Plattformen wie Spotify, auf redbulletin.com/podcast<br />

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Gesamtleitung<br />

Alexander Müller-Macheck, Sara Car-Varming (Stv.)<br />

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Erik Turek, Kasimir Reimann (Stv.)<br />

Art Direction<br />

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Grafik<br />

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Cornelia Gleichweit<br />

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Edtmayer, Simone Fischer, Andreea Gschwandtner, Lisa<br />

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Julia Schinzel, Florian Solly, Dominik Uhl, Sophie<br />

Weidinger, Stephan Zenz<br />

Abo & Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Marija Althajm,<br />

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Herstellung & Produktion Veronika Felder (Ltg.),<br />

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Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis,<br />

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Finanzen Mariia Gerutska (Ltg.),<br />

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MIT Christoph Kocsisek, Michael Thaler<br />

IT Service Desk Maximilian Auerbach<br />

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