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knw journal

Das knw journal ist die barrierefreie digitale Zeitschrift des knw Kindernetzwerk e.V. Das knw ist der Dachverband der Selbsthilfe von Familien mit Kindern und jungen Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen. Im ersten knw journal erwarten Sie Artikel zu krankheitsbezogenen Themen, zur Stärkung der Betroffenen, Artikel für Kinder und vieles mehr - schauen Sie doch mal hinein!

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Aus dem Gesundheitswesen<br />

Neue Medikamente<br />

– neue Herausforderungen<br />

Prof. Dr. med. Hans Michael Straßburg<br />

Der Begründer des Kindernetzwerks Raimund<br />

Schmid hat mit seinem 2020 erschienenen Buch<br />

„Viel zu Viel und doch zu wenig – Über- und Unterversorgung<br />

in der Medizin“ auf ein immer größer<br />

werdendes Problem hingewiesen. In der Ausgabe<br />

der American Academy of Neurology vom Oktober<br />

2021 wird dies an Hand neuer Zahlen aus den USA<br />

noch weiter ausgeführt: Die zunehmende Kostensteigerung<br />

von Medikamenten im Gesundheitswesen<br />

(„Ethical Perspectives on Costly Drugs and<br />

Health Care“ von A. Tsou, W. Graf u.a.).<br />

Zwischen 2004 und 2016 sind die Kosten für die<br />

Medikamentenbehandlung häufiger chronischer<br />

Erkrankungen wie eines insulinpflichtigen Diabetes<br />

mellitus oder einer mittelschweren Multiple<br />

Sklerose auf das 10- bis 20fache angestiegen. In<br />

den vergangenen Jahren wurden zusätzliche Medikamentengruppen<br />

eingeführt, die z.B. bei chronischen<br />

Immunerkrankungen signifikante Verbesserungen<br />

bewirken. Bei vielen Patienten konnten so<br />

eine vorzeitige Invalidisierung vermieden und eine<br />

früher nicht für möglich gehaltene Verbesserung<br />

der Lebensqualität erreicht werden.<br />

Ganz aktuell ist hierbei die spinale Muskelatrophie<br />

in den Fokus der Diskussionen geraten: Sie ist nach<br />

der Mukoviszidose die zweithäufigste schwere rezessiv<br />

erbliche Erkrankung. Bis vor wenigen Jahren<br />

haben die Kinder mit der schwersten Ausprägung<br />

in der Regel das 2. Lebensjahr nicht überlebt, jetzt<br />

kann die Krankheit durch Eingriffe am genetischen<br />

System so beeinflusst werden, dass die betroffenen<br />

Kinder zumindest die ersten Jahre überleben. Das<br />

zuerst eingeführte Medikament, das Antisense-<br />

Oligonukleotid (ASO) Nusinersen (SpinrazaR) hatte<br />

den Nachteil, dass es im Abstand von mehreren<br />

Wochen in das Nervenwasser eingeführt werden<br />

musste z.B. durch wiederholte Punktionen oder die<br />

Anlage eines Dauerkatheters in das Liquorsystem<br />

und bereits im ersten Jahr mehrere 100 000 € kostete.<br />

Dann wurde eine neue spezifische Gentherapie<br />

eingeführt, bei der mit einer einzigen Infusion<br />

von Onasemnogen (ZolgensmaR) eine genetische<br />

Veränderung im Körper herbeigeführt wurde – für<br />

Kosten von knapp 2 Million €! Es ist damit das aktuell<br />

teuerste Medikament der Welt. Die ersten damit<br />

behandelten Patienten wurden per Los weltweit<br />

ausgesucht – angeblich sollen die Kosten im Falle<br />

einer unzureichenden Wirksamkeit wieder zurückgezahlt<br />

werden. Da die Effektivität dieser neuen<br />

Behandlungen umso höher ist, je früher sie zur Anwendung<br />

kommt, wird seit dem 1. Oktober 2021 in<br />

Deutschland die genetische Untersuchung auf das<br />

Vorliegen einer spinalen Muskelatrophie bei jedem<br />

Neugeborenen angeboten. Schließlich ist Anfang<br />

2021 das Medikament Risdiplam (EvrysdiR) auf den<br />

Markt gekommen, das ebenfalls die genetische Veränderung<br />

auslösen kann, aber in Form eines Saftes,<br />

der täglich eingenommen wird. Auch hier belaufen<br />

sich die Kosten bereits im 1. Lebensjahr auf knapp<br />

100.000 €, es muss aber auch danach weiter regelmäßig<br />

gegeben werden.<br />

Mittlerweile ist bei einer Vielzahl weiterer seltener<br />

angeborener oder chronischer Krankheiten, die<br />

bisher nicht heilbar waren, die Einführung neuer<br />

Medikamente bereits erfolgt oder in Vorbereitung,<br />

sie alle sind in der Regel ebenfalls mit extrem hohen<br />

Kosten verbunden.

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