02 Magazin Souffleur Ausgabe 01/2021

"DU! LIEDE!" Prosa, Lyrik, Interviews. "DU! LIEDE!" Prosa, Lyrik, Interviews.

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13.12.2021 Aufrufe

Altersbeschränkung: Ab 16 Jahren #01/2021 EURO 10,- Das Magazin. Die Anthologie. Die Plattform für unterschiedliche Weltanschauungen. GESPRÄCH DAS 11. GEBOT: DU SOLLST NICHT SCHWUL SEIN Ein Gespräch über Gott und einen Teil der Welt. Seite 2266 LYRIK FLOW BRADLEY ANDREA SCHIMEK-FISCHER INTERVIEW ZWEI MAL ZWEI MACHT (AUCH) LIEBE Polyamorie — Mehr als einen Menschen lieben. Seite 3322 SCHWERPUNKT

Altersbeschränkung:<br />

Ab 16 Jahren<br />

#<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

EURO 10,-<br />

Das <strong>Magazin</strong>. Die Anthologie.<br />

Die Plattform für unterschiedliche Weltanschauungen.<br />

GESPRÄCH<br />

DAS 11. GEBOT:<br />

DU SOLLST NICHT<br />

SCHWUL SEIN<br />

Ein Gespräch über Gott<br />

und einen Teil der Welt.<br />

Seite 2266<br />

LYRIK<br />

FLOW BRADLEY<br />

ANDREA SCHIMEK-FISCHER<br />

INTERVIEW<br />

ZWEI MAL ZWEI<br />

MACHT (AUCH)<br />

LIEBE<br />

Polyamorie — Mehr als<br />

einen Menschen lieben.<br />

Seite 3322<br />

SCHWERPUNKT


INHALT<br />

Beilage:<br />

GELEBTE TRÄUME.<br />

Dichter und Philosoph Jakob Goldberg<br />

im Gespräch über falsche Achtsamkeit, Klatsch<br />

und bürgerliche Doppelmoral<br />

044<br />

Interview: VERHEIRATET MIT GOTT. Ordensschwester Michaela über ihr Gelübde<br />

10 Gastbeitrag: ICH BIN EIN MANN. Mario Auer<br />

122<br />

155<br />

188<br />

2222<br />

2244<br />

2266<br />

331<br />

3322<br />

3366<br />

3399<br />

440<br />

4422<br />

4455<br />

4466<br />

551<br />

Interview: LUSTSPIELE. Erotiklabyrinthbetreiber über Lust und Moral<br />

Gastbeitrag: DIE LIEBE UND ICH. Tanja M. Stern<br />

Interview: LET´S SWING AGAIN. Drei Paare sprechen über Spiele, Clubs und Partys<br />

Gastbeitrag: EHRLICH SEIN. Lisa Weltzin<br />

Fotostrecke: DER KUSS<br />

Gespräch: DAS 11. GEBOT: DU SOLLST NICHT SCHWUL SEIN. Irrtum Evangelium<br />

Gastbeitrag: LYRIK. Florian Randacher<br />

Interview: ZWEI MAL ZWEI MACHT (AUCH) LIEBE. Mehr als einen Menschen lieben<br />

Gastbeitrag: PÄDOPHILIE: DIE GRAUSAMKEIT DES SCHWEIGENS. Sirius<br />

Gastbeitrag: 660 JAHRE EHE. Paul Wiesinger<br />

Gastbeitrag: EIN EINHORN IM PFERDESTALL. Ben Leander Willgruber<br />

Musik/Interview: NACKTHEIT IN IHRER REINSTEN FORM. Salò<br />

Gastbeitrag: LYRIK. Andrea Schimek-Fischer<br />

Interview: SONDERANGEBOT. Sex als Geldquelle<br />

Gastbeitrag: I MÅG. Benny Ruprecht<br />

5522 Gastbeitrag: HIV: POSITIV TROTZ POSITIV. Manuel M.<br />

5544<br />

5588<br />

6622<br />

6633<br />

6644<br />

Interview: ICD-10: PSYCHISCHE STÖRUNG MIT DEM CODE F6644. Gender, Transgender<br />

Gastbeitrag: EINSAMKEIT IST EINE ZELLE. Eifersucht, Strafanstalt. Selbsterkenntnis<br />

Gastbeitrag: BEIDE GLEICH. Jakob Georg Hatz<br />

Bild: Bitterblossom<br />

Epilog: SCHICKEN SIE UNS IHRE TEXTE für die nächste <strong>Ausgabe</strong>!<br />

6677/6688<br />

Blattlinie/Impressum<br />

Foto Seite 1 Joy Visual Artistry<br />

Seite 04


E d i t o r i a l<br />

Andreas P. Tauser<br />

Chefredakteur<br />

Liebe und Achtsamkeit bedroht?<br />

V<br />

or Jahren bin ich auf ein Osho-<br />

Buch gestoßen, eine Stelle aus<br />

Jörg Andrees Eltens Vorwort ist mir bis<br />

heute in Erinnerung geblieben: Diese Besessenheit,<br />

diese Gier nach Sex überall auf der<br />

Welt, kommt nicht daher, dass die Menschheit<br />

im Laufe der Zeit sexueller geworden<br />

ist. Sie kommt daher, dass ihr selbst im Sex<br />

nicht mehr total aufgehen könnt. Diese Gier<br />

nach Sex zeigt nur, dass die wahre Sache<br />

nicht stattfindet, dass nur noch Pseudo-Sex<br />

praktiziert wird. Die Gedankenwelt des modernen<br />

Menschen ist völlig vom Sex beherrscht,<br />

eben weil kein echter Geschlechtsverkehr<br />

mehr stattfindet. Selbst die Sexualität<br />

wird in den Kopf verlagert, sie ist zur<br />

gedanklichen Turnübung geworden.<br />

Folgt auf die Theoretisierung einer sozialen<br />

Aufgabenstellung eine Zeit der gelebten<br />

Praxis? Braucht diese Praxis die Verkopfung<br />

gar als Voraussetzung, als Nährboden?<br />

Am Anfang existiert vielleicht jede Theorie<br />

lange Zeit alleine und ohne eine Vollendung<br />

von Erkenntnissen im gelebten Alltag, oder<br />

eben nur mit einer sehr fehleranfälligen<br />

praktischen Umsetzung.<br />

An welchem Punkt der Entwicklung, an<br />

welcher Position im ewigen Hin und Her<br />

zwischen Theorie und Praxis stehen wir<br />

erwachsenen Österreicher, Deutsche und<br />

Schweizer, wenn es um die Liebe, um die<br />

Liebe im Sinne von Amor und Eros geht?<br />

Es wird, so habe ich während der Arbeit zu<br />

dieser Souffeur-<strong>Ausgabe</strong> nicht nur einmal<br />

gehört, vielerorts mehr und mehr von einer<br />

Freiheit in der Liebe gesprochen. Wird auch<br />

hier mehr davon gesprochen, als diese Freiheit<br />

praktisch gelebt wird? Es existiert vermeintlich<br />

nicht mehr an „angewandter Liebe“,<br />

nur weil sie von vielen theoretisiert<br />

wird. Ähnlich verhält es sich ja mit Freundschaft,<br />

mit Humanismus, mit sogenannten<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

christlichen Werten, mit dem Aktivsein für Umwelt<br />

und Klima und mit einer als Begriff äußerst<br />

strapazierten Achtsamkeit: Es wird darüber geredet.<br />

Nur geredet?<br />

Der für diese <strong>Ausgabe</strong> interviewte Philosoph und<br />

Dichter Jakob Goldberg hat in einem Vorgespräch<br />

gesagt: Liebe wird oft in Zusammenhang gebracht<br />

mit Achtsamkeit. Und es gibt heute nicht mehr<br />

Achtsamkeit als vor zehn Jahren. Nicht obwohl,<br />

sondern weil überall davon geredet wird. Die ach so<br />

Achtsamen reden nämlich besonders gerne über die<br />

Unachtsamen. Über sie, nicht mit ihnen. Und das<br />

ist eine der besonders ruppigen und gefühllosen<br />

Formen der Unachtsamkeit. Da ist mir der unfreiwillig<br />

emotionale, aber lernfähige Grobian allemal<br />

lieber.<br />

Es besteht nicht zwingend ein großer Unterschied<br />

zwischen der einfachen, plumpen Seele, die naiv<br />

und dem sprichwörtlichen Porzellanladenelefanten<br />

gleich von einer Grenzüberschreitung zur nächsten<br />

schlittert, und dem Achtsamkeitskatechisten. Die<br />

einzige Unübereinstimmung ist nicht selten nur<br />

die Etikette, der Inhalt ist oftmals derselbe.<br />

Mit der Freiheit der Liebe verhält es sich nicht viel<br />

anders. Die in diesem Zusammenhang so mutig<br />

gelebten alternativen Beziehungsformen von einzelnen<br />

Polyamoren, Lesben und Schwulen, die so<br />

wichtige Arbeit von wenigen LGBTQI-<br />

Aktivist*Innen, Sexual- und Partnerschaftstherapeut*Innen<br />

dürfen nicht darüber hinwegtäuschen,<br />

dass die Welt der Liebe immer noch bedroht ist<br />

von Egoismus, Philistertum, religiösen Dogmen<br />

und Besitzdenken einerseits und zu viel Mode, zu<br />

viel Schick und Zeitgeist andererseits.<br />

Es ist an jedem einzelnen von uns, eine theoretische<br />

Achtsamkeit und die theoretische Liebe zu<br />

Umwelt und Umfeld durch eine gelebte Praxis zu<br />

ergänzen.<br />

⓿<br />

SEITE 3


FEATURE<br />

VON SAMIRA JOY FRAUWALLNER; 2<strong>01</strong>8<br />

VERHEIRATET<br />

MIT GOTT<br />

Rosa Z. wurde im<br />

Mai 199330 in einem<br />

kleinen Dorf im Weizer<br />

Hügelland geboren.<br />

Mit 199 Jahren<br />

hat sie ihren bürgerlichen<br />

Namen abgelegt<br />

und sich vermählt.<br />

Ungeküsst:<br />

Mit Gott.<br />

Foto: Joy Visual Artistry<br />

Seite 04<br />

E<br />

in eher flaues Gefühl<br />

begleitet mich bei meinem<br />

Spaziergang durch die Grazer<br />

Prankergasse. Ein neonrotes<br />

Nachtclub-Schild hebt sich vom nebelgrauen<br />

Himmel. Das Nachhallen<br />

schwerer Kirchenglocken begleitet<br />

meine Schritte, ich denke kurz an die<br />

dunkelblauen Augen meiner<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


Urgroßtante, die mir als Kind die Bibel geschenkt<br />

hat, in ihnen lag trotz meiner wandelnden<br />

Beziehung zu Kirche und Christentum<br />

nie auch nur ein Hauch von Vorwurf.<br />

Sie, Schwester Michaela, wie sie seit ihrem<br />

199. Lebensjahr genannt wird, ist die Zwillingsschwester<br />

meiner verstorbenen Urgroßmutter.<br />

Und sie ist Nonne.<br />

" W G " - L E B E N<br />

Ich suche nach einem Kloster nahe der Kirche,<br />

komme vorbei an Graffti-Schriftzügen<br />

über bröckelnden<br />

Hauskanten.<br />

Anarchy will<br />

never die oder<br />

Heart left,<br />

fear right<br />

steht da auf<br />

altrosa Wänden.<br />

Ich wende<br />

mich von<br />

der Prankerbar<br />

und ihrem<br />

Nightclub-<br />

Keller ab. Und<br />

zähle die<br />

Hausnummern.<br />

Prankergasse 220. Prankergasse 177. Prankergasse<br />

10. Es muss hier sein. Ich suche nach<br />

Kirchturmspitzen, nach etwas, das einem<br />

Gotteshaus auch nur ansatzweise ähnlich<br />

sieht. Nichts. Die Sonne duckt sich hinter<br />

Häuserdächer und Wolken. Und da ist es.<br />

Prankergasse 99. Ein simpler Neubau, der<br />

sich den Innenhof mit einer Malteserstation<br />

teilt. Ich habe nach irgendeinem Gotteshaus<br />

gesucht, ein Kloster erwartet, und trete nun<br />

durch die moderne Schrankenanlage eines<br />

Wohnkomplexes in das Entré einer<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

Nonnen-WG.<br />

Als ich die Wohnung betrete, bemerke ich eine andächtig<br />

Stimmung. Eine Christusfigur steht im hellen Eingangsbereich,<br />

die Augen gesenkt, die Hände um eine Holzbibel<br />

gelegt. Die Uhr an der Wand tickt lauter als normal – hier<br />

wohnen ältere Menschen. Vier. Vier Nonnen und zahlreiche<br />

Heilige aus Holz. Die Wohnung besteht aus vier einzelnen<br />

Apartments, die man zu einer großen WG umgebaut<br />

hat. Schwester Michaela kommt mir mit Schwester<br />

Immaculata entgegen, beide lächeln. Ich habe meine Verwandte<br />

das letzte Mal vor einem Jahr gesehen. Manchmal<br />

verlässt sie Graz und kommt zu der einen oder anderen<br />

Familienfeier. Ihr Lächeln ist immer gütig. Die Frau<br />

ist drei Köpfe kleiner als ich. Sie hat eine zarte, leicht<br />

schief gebeugte Statur mit angestrengtem, aber stetigem<br />

Gang. Sie ist 8899 Jahre jung, und trotzdem merkt<br />

sie sich jedes wichtige Datum, was und in welchem<br />

Semester ich gerade studiere.<br />

H E I L I G E O R T E<br />

Zur vollen Stunde, nach Kaffee und Kuchen in der Gemeinschaftsküche,<br />

betreten wir schließlich ein Nebenzimmer.<br />

Ich habe ein Wohnzimmer erwartet. Aber wir stehen<br />

in einer vollständig eingerichteten Kapelle. Dunkelroter<br />

Samt schmiegt sich faltenreich in einem Halbkreis um<br />

SEITE 5<br />

Foto: Joy Visual Artistry


Gebetsbänke, eine Mutter Gottes aus Holz und ein kleines<br />

Tabernakel – dem Aufbewahrungsort heiliger Gegenstände.<br />

Auf dem Raum lastet eine Schwere, die mir die Luft<br />

Foto: Joy Visual Artistry<br />

nimmt. Es ist, als stünden wir in einer Kirche. Es braucht<br />

kein Kloster, um Gott nahe zu sein. Das bemerke ich, als<br />

ich die beiden Schwestern betrachte, die sich mit dem<br />

Finger ein Kreuz über die Brust machen und den Blick<br />

kurz senken. Schwester Immaculata, die schon ihr gesamtes<br />

Leben mit meiner Verwandten verbringt, raunt mir<br />

zu: „Hier beten wir zur vollen Stunde. Für uns ist es ein<br />

sehr wichtiger und heiliger Ort.“<br />

Die WG-Besichtigung bringt uns in einen größeren Gemeinschaftsraum.<br />

Helles Licht dringt durch die verglasten<br />

Fronten, die einen Blick auf die Malteserstation, die Straße<br />

und das Laufhaus bieten, vor dem ich vorhin irritiert<br />

innehielt. Schwester Immaculata bemerkt die Verwirrung<br />

in meinem Gesicht. „Wir wohnen hier in einer verrufenen<br />

Gegend, das Laufhaus tut sein Übriges. Aber uns tun die<br />

Frauen eher leid, als dass es uns stören würde. Wenn wir<br />

einkaufen oder spazieren gehen, fällt es uns auch gar<br />

nicht auf.“ Sie lächelt mich an. „Es kommt immer darauf<br />

an, wie man mit etwas umgeht. Kann man sich frei aussuchen.“<br />

Endlich setzen Schwester Michaela und ich uns an<br />

den Tisch in der Mitte, in die Sonne.<br />

G R E T E L F R I S U R U N D M O P E D<br />

Ich bin 2222 Jahre alt. Die Frau mir gegenüber<br />

wird bald 990, doch ist sie immer noch die<br />

jung gebliebene,<br />

humorvolle<br />

Frau, an die ich<br />

mich erinnern<br />

kann. Ihr Leben<br />

ist so gänzlich<br />

anders verlaufen<br />

als meines.<br />

Ihre Zwillingsschwester<br />

hat früh nach<br />

der Schule den<br />

Weg in die<br />

Landwirtschaft<br />

eingeschlagen,<br />

während es<br />

Rosa zur Kirche am Weizberg gezogen hat.<br />

Sie fand dort Arbeit im Kindergarten und<br />

Erfüllung in den Stunden mit Gott. Die erste<br />

Beichte mit 10 Jahren hat sie mit Ehrfurcht<br />

und Dankbarkeit erfüllt. Mich haben mit 10<br />

Jahren eine Pferdeweide und das Spielen im<br />

Wald erfüllt.<br />

Schwester Michaela faltet ihre Hände über<br />

einem handgeschriebenen Tagebuch. Sie<br />

erinnert sich. „Da hatte ich eine Zeitlang<br />

immer diese Gretelfrisur, weil ich mit dem<br />

Mofa von Göttelsberg nach Weiz gefahren<br />

bin. Damit mir der Wind das Haar nicht zerzaust.<br />

In der Kirche zu sein, das war alles,<br />

was ich wollte. Das war mein Ziel.“<br />

Ihr Blick wird dunkler. „Meine Schwester<br />

und ganz besonders die Familie haben das<br />

anfangs weniger verstanden. Sie waren alle<br />

sehr christlich, aber ich glaube, sie ahnten<br />

nicht, wie ernst es mir war. Meine Schwester<br />

hat sich früh verliebt.“ Da ist es, das<br />

Leuchten, wenn Menschen sich an eine<br />

SEITE 6 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


Anekdote erinnern. „Aber ich mich auch.<br />

Und zwar in Gott.“<br />

Uroma wirkte mir da viel ähnlicher. Meine Verwandte<br />

blickt in die Sonne. „Ich konnte damals nicht zu ihrer<br />

Hochzeit gehen, weil wir als Novizinnen im Kloster bleiben<br />

mussten. Wir durften zuerst unser Zimmer nur zur<br />

Notdurft verlassen, später dann für die Arbeit im Kindergarten.<br />

Aber diese Vermählung mit Gott ist die höchste<br />

Erfüllung, die einem Menschen widerfahren kann. Das hat<br />

sie irgendwann verstanden.“ Eine Gemeinschaft, aber<br />

auch viele innere Hürden haben sie erwartet. Die Klosterschwester<br />

hat sich anhand von Disziplin, Silentium und<br />

vielen Stunden mit den „Kolleginnen“ zu einem Menschen<br />

entwickelt, der wenig braucht, wenig will. Und damit<br />

glücklich ist. Ganz anders als ihre leibliche Schwester: die<br />

wollte Haus, Hund, Mann und ein erfülltes Leben in Weiz.<br />

G E T R E N N T E W E G E I N<br />

V E R B U N D E N H E I T<br />

Mit 199 tritt die junge Frau auf Gottes geebnete<br />

Wege. Der erste Schritt war die Profess.<br />

Das ist das Ordensgelübde, das öffentliche<br />

Versprechen, Gott zu dienen und ihm<br />

treu zu sein. Gefolgt vom Noviziat, der Zeit<br />

der Ausbildung nach dem Eintritt in die Kirche<br />

als Nonne. Hier wird die Novizin geprüft,<br />

ob sie dazu berufen ist, die evangelischen<br />

Räte Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam<br />

zu halten.<br />

Ich denke an meine eigene Jugendzeit. Mit<br />

199 habe ich "im Luis", meinem damaligen<br />

Stammlokal am gleichen Weizberg, in dem<br />

meine Großtante in der Kirche saß, mit<br />

Freunden das ein oder andere Bier getrunken,<br />

habe unter den Sternen gelegen und im<br />

Licht der Kirche meinen ersten Kuss gekriegt.<br />

Schwester Michaela hat in diesem<br />

Alter Hochzeit gefeiert. Doch einen Mann<br />

hat sie nie geküsst. „Wir haben ein Brautkleid<br />

gekriegt, einen Ehering und eine traditionelle<br />

Hochzeit. Was war ich verliebt!“<br />

Sie legt ihre Hand auf meinen Arm. „Ich<br />

hatte die schönsten Flitterwochen meines<br />

Lebens. Ich konnte mir nichts Schöneres<br />

vorstellen.“ Wir schweigen eine Weile. Ich<br />

denke darüber nach, ob nicht erst Leidenschaft<br />

und Wärme, das Unberechenbare und<br />

eine gewisse Schrankenlosigkeit einem Leben<br />

die Hürde gibt, die es braucht, um an<br />

sich zu wachsen. So viele in meinem Alter<br />

sind unfähig zu Gleichmut. Das ist sichtbar<br />

an meinem eigenen Beispiel: Ich neige zu<br />

Impulsivität, zum Extrem. „Und deine<br />

Schwester?“, frage ich plötzlich. Meine<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

F R I E D E N S C H L I E S S E N<br />

Abrupt wird die Tür geöffnet. Schwester Immaculata, etwas<br />

jünger als die anderen hier lebenden Nonnen, hat<br />

Kaffee gekocht und bittet uns in die Küche. Auf uns warten<br />

Kuchenstücke und sogar ein Achtel Bier für jede der<br />

Damen. Sie lachen mich an, ich sehe den Schelm in ihren<br />

Augen. Die Unterbrechung unseres Gesprächs war wichtig.<br />

Es scheint anstrengend zu sein für ältere Menschen,<br />

derart intensiv an die Vergangenheit zu denken.<br />

Kurz erklärt Immaculata mir, warum am Boden in der<br />

Ecke der hölzerne Auferstandene steht: Er warte auf die<br />

Restaurateurin. Hätte sie nichts gesagt, wäre mir nichts<br />

aufgefallen. Wie unterschiedlich Prioritäten sein können.<br />

Sie schöpfen aus einem Gebet so viel Kraft für den ganzen<br />

Tag, und der Gedanke an Gott erfüllt sie mit Liebe, Frieden<br />

und Hoffnung. Sie trinken ihr Bier, essen vorsichtig<br />

von ihren Kuchenstücken und tratschen angeregt über die<br />

letzte Messe in der Andrä-Kirche. Täglich.<br />

Wir sprechen auch noch eine Weile davon, wie die<br />

Schwestern gemeinsam im Jahr 1997788 eine heile Welt im<br />

gut bewohnten Kloster in Gleisdorf verlassen mussten,<br />

um nach Thondorf bei Graz umzuziehen. Sie mussten<br />

mehrmals siedeln: Viele Klöster schließen mangels junger<br />

Schwestern. Ich betrachte nur mein eigenes Beispiel: Religion<br />

braucht ein junger Mensch immer weniger. Wir haben<br />

Musik als Religion, den ein oder anderen<br />

SEITE 7


Wochenendexzess und unsere Jagd nach<br />

Endorphinen. Kein Wunder, dass Klöster<br />

mangels Bedarf aus der Gesellschaft wegbrechen.<br />

Der Tagesablauf dieser Damen um mich<br />

herum ist so straff, dass Respekt in mir<br />

aufkeimt: Um fünf aufstehen. Um halb<br />

sechs Chorgebet und Morgenlob. Um halb<br />

sieben Betrachtung und Meditation. Danach<br />

Frühstück. Und das jeden Tag.<br />

Und ich? Ich wache manchmal um halb 9<br />

auf und haste an meine Hochschule, habe<br />

den ganzen Morgen ein schlechtes Gewissen<br />

deshalb und erledige spätabends Dinge,<br />

die unter meiner Prokrastination leiden<br />

mussten. Ich blicke lange in die<br />

warmherzigen Augen der Frauen, die sich<br />

gemeinsam mit Gott getraut haben. Allesamt<br />

einen Ehering am Finger und ein<br />

Hochzeitskleid der Profess irgendwo in<br />

ihren Schränken. Sie werden langsam alt,<br />

sind bereits jenseits der Achtzig, aber<br />

können sich dennoch an jedes wichtige<br />

Datum und den besonderen Tag dazu erinnern.<br />

Als ich gehe, entdecke ich, dass ich genau<br />

zur vollen Stunde vor dem Wohnkomplex<br />

stehe. Wieder höre ich das schwere Schlagen<br />

der Glocken. Kein flaues Gefühl mehr<br />

auf meinem Spaziergang durch die Prankergasse.<br />

Zurück auf die andere Seite der<br />

Mur. Statt des Nachtclub-Schilds vor mir<br />

das Leuchten der Innenstadt. Ich wische<br />

mir eine Schneeflocke von der Wange.<br />

Irgendwie gefällt mir der Klang der Kirchenglocken<br />

jetzt.<br />

Ich denke dabei nun an Demut, Hoffnung<br />

und vier Frauen, die ihr Leben einem<br />

Mann widmen, den sie niemals kennengelernt<br />

haben.<br />

⓿<br />

Foto: Joy Visual Artistry<br />

SEITE 8 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


Bild: Gefunden auf der Toilette einer Grazer WG. Foto: A.P.Tauser<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

SEITE 9


MARIO AUER<br />

(1957 - 2<strong>02</strong>0)<br />

ICH BIN EIN MANN<br />

Ich definiere mich über einen Schwanz und zwei Hoden<br />

D<br />

en Sinn des Lebens erkennt man im Alter<br />

von selbst. Mit dem Nachlassen der Hormone<br />

verlieren all die einst so wichtigen<br />

Dinge des Lebens ihre übergroße Bedeutung. Alles wird<br />

klarer, strukturierter und einfacher.<br />

Sicher, das Leben ist komplex, die Wertigkeiten können<br />

stark differenziert sein. Niemand gleicht dem anderen,<br />

und dennoch ist es so einfach, das Leben: Es besteht<br />

grundsätzlich aus der Geburt, der Fortpflanzung und dem<br />

Tod. Mehr ist es nicht. Alles, was wir zwischen Geburt<br />

und Ende als wichtig erachten, alles, was wir glauben<br />

selbstbestimmt zu tun, wird in Wirklichkeit von Hormonen<br />

gesteuert und vorgegeben. Getrieben gehen wir<br />

durchs Leben, den Tieren gleich. Die Sexualität ist die<br />

stärkste Triebfeder für unser Handeln. Sie motiviert uns<br />

und sie bestimmt unseren Weg. Sie lässt uns die Genitalien<br />

unserer Cousinen erforschen, noch bevor wir wissen,<br />

warum. Sie lässt uns auf unser Äußeres achten, Musikinstrumente<br />

erlernen, Karriere machen oder sportliche<br />

Höchstleistungen erbringen, nur um das andere Geschlecht<br />

oder andere mögliche Geschlechtspartner zu beeindrucken.<br />

Wir lernen die Lust kennen und die Liebe, im<br />

Idealfall zur gleichen Zeit. Die Lust war für mich stets<br />

wichtiger als die Liebe und sehr selten bedingten sie ei-<br />

nander. Doch die wenigen Male, als Lust<br />

und Liebe eins wurden, war die Erfüllung<br />

unbeschreiblich und brannte sich in mein<br />

Gedächtnis ein.<br />

Ich erinnere mich zum Beispiel an ein besonderes<br />

Mal, als wir uns den gesamten Akt<br />

lang in die Augen schauten, ich erinnere<br />

mich an den stickigen Raum und an das<br />

schwüle Wetter. Ich fühle heute noch, wie<br />

erregt wir waren und mit wie wenigen Bewegungen<br />

wir auf einer gewaltigen Welle<br />

dahintrieben, ehe ich fragte: „Möchtest du<br />

ein Kind?“.<br />

Lust zu empfinden, sie auszukosten und<br />

hinauszuzögern, war schon in jungen Jahren<br />

mein Ziel. Ich fand Mittel und Wege und<br />

es war mir egal, ob ich diese Lust mit einer<br />

Frau, einem Mann oder mit mir allein genießen<br />

konnte. Vielleicht den besten Weg,<br />

meine Lust möglichst lange zu genießen<br />

und den Orgasmus so lange wie möglich<br />

hinauszuzögern, fand ich im BDSM, wie<br />

man es heute nennt. Vom Anfang der Siebzigerjahre<br />

an sammelte ich meine Erfahrungen<br />

im sadomasochistischen Bereich. Viele<br />

meiner späteren Beziehungen zu Frauen<br />

SEITE 10 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


waren davon geprägt,<br />

nicht alle. Damals, als ich<br />

von dieser Form des sexuellen<br />

Ausdrucks immer<br />

stärker abhängig wurde,<br />

waren diese Spiele noch<br />

verboten. Die Suche nach<br />

Partnern, die Treffen bzw.<br />

Sessions, wie wir sie nannten,<br />

waren illegal. Das war<br />

kein zusätzlicher Anreiz,<br />

es war uns einfach egal.<br />

Die Menschen, die ich dabei<br />

kennenlernen durfte,<br />

waren fast ausschließlich<br />

sehr gebildet und im Leben erfolgreich.<br />

Manchmal erwuchsen daraus langjährige<br />

Freundschaften. BDSM ist sehr vielfältig<br />

und umfasst ein sehr breites Spektrum sexueller<br />

Begierden. Vorstellungskraft und<br />

Einfühlungsvermögen spielen eine große<br />

Rolle. Die berühmte Peitsche und der herrische<br />

Ton sind nur ein sehr kleiner Teil davon<br />

und nicht unbedingt für jeden Liebhaber<br />

des BDSM relevant. Für die in den letzten<br />

Jahren aufgekommene Fetischbekleidung<br />

gilt das ebenso.<br />

Jeder Mensch muss für sich selbst herausfinden,<br />

was er braucht. Manche ficken einfach<br />

gerne, weil sie nur den Orgasmus suchen.<br />

Mir war der Orgasmus selten wichtig.<br />

Das Spiel mit der Erregung, der eigenen<br />

oder der einer Partnerin, war hingegen der<br />

große Lustgewinn. Je länger es mir gelang,<br />

diese Erregungskurve hinauszuziehen, umso<br />

tiefer war die Befriedigung: Spielen bis<br />

zum Schüttelfrost.<br />

Ich komme aus einer Generation die vieles<br />

ausprobierte und dabei blieb, oder es ein-<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

fach nicht wieder tat. Mit der eigenen Partnerin regelmäßig<br />

in Pärchenklubs gehen, befreundete Paare gemeinsam<br />

oder einzeln besuchen, Liebhaber und Geliebte haben,<br />

selbst das Leben zu dritt, mit zwei Frauen und fünf kleinen<br />

Kindern durfte ich genießen. Das scheiterte an mir,<br />

weil ich immer wieder ein schlechtes Gewissen meiner<br />

Frau gegenüber bekam. Meine nunmehrige Ex-Frau und<br />

die besagte Dame sind übrigens bis heute gut befreundet.<br />

Heute bin ich Schmerzpatient. Die körperliche Lust ist<br />

nicht mehr wichtig. Wenn ich dennoch manchmal versuche<br />

mich zu erregen und zu befriedigen, nur um meinem<br />

Körper zu signalisieren, dass ich noch lebe oder einfach in<br />

der Hoffnung, dass mir nicht irgendwann die Eier abfallen,<br />

dann ist das Resultat nicht nur enttäuschend, es ist<br />

auch demütigend, sich selbst dabei zu beobachten, wie<br />

man längst Vergangenem nachhechelt.<br />

Die Vergänglichkeit allen Lebens ist eine Gnade. Wer das<br />

Leben nicht in vollen Zügen genossen hat, ist arm, denn<br />

was einem zuletzt bleibt, ist nur noch die Erinnerung. ⓿<br />

*1<br />

SEITE 11


INTERVIEW<br />

LUSTSPIELE<br />

Foto: Lustspiel/Weswaldi<br />

SEITE 12<br />

Christian Weswaldi,<br />

Geschäftsführer des<br />

Grazer<br />

Erotikkinolabyrinths<br />

„Lustspiel“, über Moral,<br />

Werte und Homophobie.<br />

B<br />

ei Lust auf einen Cappuccino<br />

oder ein Bier zwischendurch<br />

locken in jeder Stadt unzählige Bars und<br />

Cafés. Zigaretten, Lottoscheine und Zeitschriften<br />

holt man im Vorbeigehen in der<br />

Trafik. In Graz haben Frauen, Paare und<br />

Männer mit dem „Lustspiel“ seit mehr als<br />

zehn Jahren die Möglichkeit, auch in Sachen<br />

Spontan-Sex und -Erotik einen eigenen Laden<br />

zu finden. Zwei Läden sind es seit zwei<br />

Jahren sogar. Dabei kann man in den Lokalen<br />

von „Mama Lustspiel“ Brigitte Ruprechter<br />

und Christian Weswaldi mehr als nur<br />

MacSex erleben.<br />

Das „Lustspiel 1“ in der Grazer Jakoministraße<br />

2255 lockt mit Kinolabyrinth, DVD-<br />

Kabinen, gläsernen Glory Holes, Raum für<br />

Cruising (vor allem im Kontext schwuler<br />

Sexualität die bewusste, aktive und ge-<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


wöhnlich mobile Suche nach einem Sexualpartner),<br />

versperr- und aber einsehbaren<br />

Spielwiesen, die nebenbei auf beeindruckende<br />

Weise erinnern an Tausendundeine<br />

Nacht und Königspalast sowie mit einem<br />

Sexshop für Männer. Das „Lustspiel 22“ in<br />

der Jakoministraße 122 bietet einen Erotik-<br />

Shop für Damen und Paare, versperr-, nicht<br />

einseh- und diskret über den Sexshop erreichbare<br />

Separees, einen SM-Raum mit<br />

Totenkopfboden. In<br />

beiden Etablissements<br />

SM-Räume,<br />

Sling, Gynstuhl und<br />

Andreaskreuz. Alles<br />

erlebbar einen Tag<br />

lang für 99,990 Euro.<br />

Lieber Christian!<br />

Eure „Lustspiel“-<br />

Läden sind ein riesiger<br />

und doch überschaubarer, halbdunkler<br />

und doch bunter Spielplatz für Menschen,<br />

die ihre Sexualität als etwas Spannendes<br />

und Abenteuerliches erleben – und<br />

für Menschen, die einen diskreten Platz<br />

und/oder einen Partner für die „schnelle<br />

Nummer zwischendurch“ suchen. Hauptsächlich<br />

für Schwule. Hab ich das<br />

„Lustspiel“ mit diesen Worten einigermaßen<br />

passend beschrieben?<br />

Christian: Ja! Aber es kommen wenige rein<br />

schwule Gäste zu uns! Eher die bi und offen<br />

lebenden Paare lieben uns.<br />

Erzähl mir von der Idee, vom Konzept<br />

„Lustspiel“.<br />

Christian: Erotik muss nicht immer<br />

schmuddelig und klischeehaft sein und kann<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

auch Stil haben. Das haben wir, denke ich, geschafft mit<br />

dem Lustspiel. Wir wollen keine Gäste, die es notwendig<br />

haben, in ein Sexkino zu gehen, sondern coole Leute, die<br />

sich zu benehmen und unser Konzept zu schätzen wissen!<br />

Zumindest im Orthografischen gibt es einen Unterschied,<br />

wenn ich entweder „die wahre Liebe“ oder „die<br />

Ware Liebe“ sage. Spielt jene Liebe, die viele als die<br />

wahre empfinden (möchten), in Deinen Lokalen eine<br />

Rolle?<br />

Christian: Viele<br />

weibliche Kundinnen<br />

hoffen schon<br />

oft, dass aus der<br />

erotischen Begegnung<br />

mehr wird.<br />

Und ja, ich weiß<br />

von drei Beziehungen,<br />

die bei uns im<br />

Lustspiel entstanden<br />

sind. Diese<br />

Paare sind nach wie vor glücklich.<br />

Du machst, weil Du in Deinen Lokalen Zimmern zur<br />

Verfügung stellst, ein Geschäft damit, dass auch Paare,<br />

die außerhalb Deiner Lokale keine solchen sind, einen<br />

diskreten Ort für das Ausleben ihrer Sexualität suchen,<br />

weil daheim entweder die Kinder stören oder der/die<br />

eigene PartnerIn, der/die nichts vom Seitensprung oder<br />

einer heimlich gelebten Neigung wissen soll.<br />

Musst Du Dir vorwerfen lassen, Menschen beim Betrügen<br />

ihrer Partner zu unterstützen?<br />

Christian: Eigentlich nicht mehr. Eventuell früher einmal.<br />

Aber ich glaube, die Leute wissen, dass nicht das<br />

Lustspiel der Grund für das Fremdgehen ist, sondern etwas<br />

ganz anderes! Wenn es in der Beziehung und beim<br />

Sex nicht mehr passt, dann beginnt man zu suchen. Wir<br />

sind also nicht der Grund für einen Seitensprung, nur der<br />

Platz des Geschehens. Verlockungen können überall lauern,<br />

nicht nur im Lustspiel.<br />

SEITE 13


Kommen zu Dir Paare, die mittels Promiskuität versuchen,<br />

eine womöglich (oder zweifellos) eingeschlafene<br />

oder tote Beziehung wieder zum Leben zu erwecken?<br />

Christian: Ja! Einfach zu uns kommen! Manchmal gelingt<br />

diese Wiederbelebung auch!<br />

Deine Antwort, Deine Reaktion auf Aussagen wie folgende:<br />

Bordelle, Swinger-Clubs, Sexkinos und Pornos<br />

sind gegen jede Form gesunder Sexualität, bedeuten die<br />

Zersetzung von christlichen Werten, Sitten und bürgerlicher<br />

Moral und sind eine Belästigung von einzelnen<br />

Personen ebenso, wie von Zivilisation und Gesellschaft.<br />

Christian: Was ist eine „gesunde Sexualität“? Was sind<br />

christliche Werte? Glaube ist eine Sache. Der Trieb und<br />

die Sünde gehören da auch dazu, wenn man es so nennen<br />

möchte. Schon bei Adam und Eva gab es die Verführung.<br />

Ich denke, dass Glauben in der heutigen Zeit nicht mehr<br />

so eine große Rolle spielt. Leute erkunden und genießen<br />

lieber ihr Leben. Aber natürlich ist es jedem freigestellt,<br />

ob er die Bibel am Nachtisch hat oder einen Vibrator.<br />

Zweiteres bringt mehr Erfüllung!<br />

dass das Verlangen am anderen nicht tot,<br />

sondern nur etwas eingeschlafen war.<br />

Du selbst bist schwul, viele Deiner Gäste<br />

sind schwul oder lesbisch. Was sagst Du –<br />

einerseits als Privatperson, andererseits<br />

als Betreiber des Lustspiels – zur Entwicklung<br />

(zumindest in Österreich), was die<br />

Gleichstellung von Schwulen und Lesben<br />

betrifft? Grundsätzlich ist es ja unfassbar<br />

und unerklärlich, dass etwas, wie die Orientierung<br />

im Zusammenhang damit, in<br />

wen ich mich verlieben möchte, darüber<br />

entscheidet, ob ich respektiert werde oder<br />

ausgestoßen. Hat sich in dieser Hinsicht<br />

etwas verändert in den letzten 20, 30, Jahren?<br />

Christian: Es ist vieles besser geworden.<br />

Obwohl ich seit ein, zwei Jahren vermehrt<br />

Homophobie erleben muss. Woran das liegt,<br />

weiß ich nicht. Menschen, die so denken,<br />

haben in unserem Lokal keinen Platz! ⓿<br />

Wir alle kennen Paargefüge, die ausschließlich nur noch<br />

vom Korsett aus dem gemeinsamen Kredit für das Haus,<br />

dem Auftrag zur Aufzucht der Nachkommen und der<br />

Gewohnheit aufrecht gehalten werden. Auf psychologischer<br />

Ebene könnte man da manchmal weniger von Liebe<br />

sprechen als vielmehr vom Stockholmsyndrom. Kann<br />

ein gemeinsam erlebtes Erotikabenteuer Deiner Meinung<br />

nach eine derartig gelagerte Zweisamkeit verändern/verbessern,<br />

oder sind Abenteuer mit Fremden hier<br />

einfach nur die Befriedigung eines Bedürfnisses nach<br />

Nähe und Zärtlichkeit, die man sich mit dem Partner<br />

nicht mehr vorstellen kann/will?<br />

Christian: Es erzählen mir viele Paare, dass es nach einem<br />

Besuch im Lustspiel auch zuhause wieder mehr Spaß<br />

mit dem Partner macht. Voraussetzung dafür ist aber Bestimmt,<br />

dass hier noch so etwas wie Reiz vorhanden ist,<br />

SEITE 14 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


TANJA M. STERN<br />

DIE LIEBE UND ICH<br />

A<br />

ls Kind dachte ich, eines Tages käme<br />

ein Mann wie der Prinz in einem<br />

Märchen, dessen Welt mich so selig<br />

durchflutet, dass ich mein Leben lang nichts<br />

anderes mehr bräuchte. Wie ein immerwährender<br />

Ort der Freude, in sich abgeschlossen,<br />

abgetrennt von allem Bösen und Unheilvollem.<br />

Und mein Prinz, der Schlüssel, würde<br />

mich finden und einlassen. Das „… und sie<br />

lebten glücklich bis an ihr Lebensende!“ war<br />

eingebranntes Dogma. Natürlich glaubte ich<br />

damals noch an den Einen. Den einen wundervollen<br />

Prinzen für den einen glückseligen<br />

Moment, der für immer anhält.<br />

Etwas später, eigentlich noch immer Kind und<br />

zum ersten Mal zutiefst unschuldig für immer<br />

und ewig verliebt, glaubte ich mich dort angekommen.<br />

Doch mein Prinz zierte sich.<br />

Ein hoffnungsvoll aufgesogenes Lächeln im<br />

einen Moment, doch im anderen wieder der<br />

kalte, gleichgültige Blick. Wollte er umworben<br />

werden? Das war nicht der Plan. Niemand<br />

eroberte mich, legte mir die Welt zu<br />

Füßen. Das Kind in mir war verwirrt, das Paradies<br />

vorerst aufgeschoben. So zog ich mich,<br />

das Herz schwer vor Liebestrunkenheit, zurück.<br />

Es würde schon jemand kommen, ich<br />

müsste nur zuerst meine Wunden lecken.<br />

Es kam auch wieder jemand. Und es war wieder<br />

etwas Heiliges, Verklärtes, tief in mich<br />

Sinkendes, in die Unendlichkeit Fallendes,<br />

mein ganzes Herz Ergreifendes.<br />

Ich verliebte mich noch einige Male auf diese<br />

Art und Weise. Doch sie, die Ziele und Inhalte<br />

meiner Liebe, blieben mir alle fern, niemals<br />

kam mir eines in meine nähere Umlaufbahn,<br />

so blieb auch keines in meinem Herzen.<br />

So war das in diesen Jugendtagen. Doch mit<br />

jeder vermeintlich großen Liebe brach, als sie<br />

mich wieder verließ, ein Stück des kindlichen<br />

Herzens ab. Wenn einer ging, ging auch wieder<br />

diese Ewigkeit mit ihm. Lange wusste ich<br />

nicht, was ich mehr betrauerte, den verloren<br />

gegangenen Prinzen oder dieses in die Unendlichkeit<br />

fallende Gefühl. Irgendwann zerbrach<br />

mir dann das kindliche Herz. Danach verfiel<br />

ich wohl in Starre, so als wollte ich mich totstellen.<br />

Wenn man dort nicht mehr hinkann,<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

wo man sein will und nicht hinwill, wo man sein sollte,<br />

bleibt einem nur die Möglichkeit des Sich-tot-Stellens. Als<br />

ich mich davon erholt hatte, sofern man sich von so etwas<br />

erholen kann, hatte ich mich mit der Wirklichkeit vertraut<br />

gemacht und ihrem staubigen Antlitz. Ich hatte sie mir angezogen<br />

wie ein Alltagsgewand. Ich wünschte mir nur noch<br />

Geborgenheit, einen Trauschein, eine Familie. Was ich dann<br />

auch bekam. Und es war schön. Umsponnen von Vertrautheit<br />

und Sicherheit konnte ich nicht mehr fallen. Die Unendlichkeit<br />

unter mir schloss sich, ich hatte festen Boden unter meinen<br />

Füßen. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich, es wäre genug,<br />

genug für dieses Leben. Vielleicht dachte ich damals tief im<br />

Innersten, ich würde eines Tages doch noch einem anderen<br />

Leben begegnen. Aber man begegnet nicht einfach so einem<br />

anderen Leben, man entscheidet sich dafür.<br />

In noch ledigen Tagen hatte ich ein interessantes Gespräch<br />

mit einem Mönch über das Zölibat. Ich fragte ihn die typische<br />

Frage, wie er denn damit leben könne. Er sagte, es wäre<br />

nicht so viel schwerer als eine Ehe zu führen. Denn auch die<br />

Ehe ist eine Art Zölibat. Das verstand ich damals nicht mit<br />

meinem Anspruch auf die eine wahre Liebe. Doch im Zustand<br />

der ehelichen Nestwärme, der kein Feuer mehr kennt, fand<br />

ich mich, Jahre später, gerade in diesem Zölibat wieder. So<br />

sperrte ich das sich auftürmende Gefühl der Trägheit in den<br />

Untergrund meiner Seele. Es musste doch noch etwas anderes<br />

geben, womit ich mein Leben füllen konnte, etwas anderes,<br />

wofür mein Herz brennt. Da waren aber nur vorübergehende<br />

Ablenkungen. Ablenkungen, die nicht stark genug waren,<br />

um im Moment der Finsternis für mich zu leuchten.<br />

Nachdem ich mir meiner über die Jahre hinweg angesammelten<br />

Leere bewusst wurde, musste ich mir eingestehen, dass<br />

mir das Feuer fehlte, das Feuer meines kindlichen Herzens,<br />

das Herz, das so geliebt hatte.<br />

Interessanterweise erhob sich zuerst die Stimme meines<br />

Mannes. Vielleicht spürte er die Unzufriedenheit, die Unlust.<br />

Vielleicht spürte er die Abwesenheit des Feuers.<br />

So beschlossen wir, das Zölibat zu brechen. Am Anfang tappten<br />

wir wie ungeschickte Kinder mitten in viel zu viel von<br />

dem, was wir noch nicht gewohnt waren. Es war aufregend,<br />

überflutend, dann erdrückend vor lauter Reiz, vor lauter<br />

Verpöntem. Dann plötzlich reizlos. Und danach? Danach kam<br />

endlich wieder ein Prinz. Ich weiß, er wird nicht lange bleiben,<br />

wie all meine Prinzen, aber es gefällt mir so gut, endlich<br />

einen zu haben neben der wohlig sanft erstickenden Nestwärme.<br />

Jetzt habe ich beides. Ich falle in die Unendlichkeit<br />

und habe trotzdem festen Boden unter meinen Füßen. Und<br />

auch wenn die eine Unendlichkeit sich schließt, tut sich irgendwann<br />

wieder eine neue auf. Denn rückblickend erkenne<br />

ich nun, dass die Prinzen ersetzbar sind, nicht aber dieses<br />

Gefühl der Glückseligkeit.<br />

⓿<br />

Seite 15


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INTERVIEW<br />

Foto: A.P.Tauser<br />

LET´S SWING AGAIN<br />

Der Souffeur hat Interviews<br />

mit drei Paaren geführt, die<br />

seit vielen Jahren als Swinger<br />

aktiv sind.<br />

Angela und Helmut (62, 65),<br />

Sybille und Anton (beide 56),<br />

Maria und Mario (32, 34).<br />

D<br />

er Begriff „Swinger“, von englisch „to<br />

swing“, ist vor etwa hundert Jahren ein<br />

populäres Synonym für Menschen geworden, die in einer<br />

Partnerschaft leben und ihre Sexualität dabei mit mehreren<br />

Partnern und oft auch fremden Personen anstreben.<br />

In vielen Kulturen und zu allen Zeiten wurde Promiskuität<br />

entweder frei oder als Subkultur gelebt.<br />

Überlieferungen aus dem alten Rom oder<br />

dem Barock illustrieren die lange Tradition<br />

dieses Lustverhalten abseits gesellschaftlicher<br />

Normen. Der Souffeur fragt nach.<br />

Wie oft habt Ihr Sex mit Fremden? Wo finden<br />

diese Spiele statt? In Clubs? In Privatwohnungen?<br />

Auf Partys? Im Freien? An<br />

öffentlichen Orten?<br />

Sybille & Anton: Alle ein bis zwei Monate.<br />

Entweder in Clubs oder privat bzw. in Hotels.<br />

Auf einer Party waren wir erst einmal.<br />

Maria & Mario: Wir laden Paare zu uns ein.<br />

Manchmal eines, hin und wieder auch drei,<br />

vier, fünf oder mehr. Auch Solodamen und -<br />

herren. In Clubs gehen wir nicht, weil wir<br />

die Musik dort nicht mögen und die vielen<br />

Paare, die nicht wissen, was und ob sie<br />

überhaupt wollen. Außerdem haben wir<br />

SEITE Seite 00 15 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


gerne sehr persönlichen Austausch mit unseren<br />

Bekanntschaften, auch auf persönlicher<br />

Ebene. Verliebtheit für ein paar Stunden<br />

gewissermaßen. In Clubs steht hauptsächlich<br />

reine Körperlichkeit im Mittelpunkt.<br />

Angela & Helmut: Sex mit Fremden etwa<br />

alle acht Wochen, manchmal öfter. In Clubs,<br />

privat bei uns oder anderen oder auf Partys.<br />

Es gibt Stimmen, die behaupten, Paare,<br />

die in Swinger-Clubs gehen, fliehen vor<br />

der Erkenntnis, dass das Sexualleben in<br />

der Beziehung tot ist. Was sagt Ihr dazu?<br />

Sybille & Anton: Swingen in einer nicht<br />

intakten<br />

Beziehung<br />

wäre ein<br />

Fehler.<br />

Swingen<br />

funktioniert<br />

nur, wenn auch die Erotik in der Beziehung<br />

stimmt; wenn beide sich der Liebe des Anderen<br />

sicher sind und beide viel Spaß am<br />

Sex miteinander haben.<br />

Maria & Mario: Ja, wir kennen solche Paare.<br />

In vielen Beziehungen ist das Sexualleben<br />

tot. Manche versuchen dann eben zu<br />

experimentieren. Aber für den Großteil der<br />

Swinger gilt das bestimmt nicht. Es muss<br />

für beide passen. Wir kennen Paare, die<br />

miteinander gar keinen Sex haben, aber regelmäßig<br />

mit Fremden und trotzdem seit 20<br />

Jahren glücklich miteinander sind.<br />

To each his own.<br />

Angela & Helmut: Das Sexualleben in unserer<br />

Beziehung ist lebendig und sehr befriedigend.<br />

Swingen ist eine Facette, die wir<br />

beide voll und ganz genießen. Als Teil unserer<br />

Beziehung, als Teil unserer Liebe.<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

Ist Swingen etwas, dass Ihr anderen Menschen empfehlen<br />

würdet? Kann ein Öffnen, ein Erweitern des Sexuallebens<br />

Spannung in langweilige Beziehungen bringen?<br />

Sybille & Anton: Nur, wenn die Voraussetzungen (siehe<br />

Antwort auf Frage 2) gegeben sind. Wenn die Beziehung<br />

schon langweilig ist, bitte gemeinsam gut hinschauen,<br />

warum. Bei uns hat es Spannung in eine lebendige Beziehung<br />

gebracht.<br />

Maria & Mario: Wenn Promiskuität was ist, das wirklich<br />

beide Partner gleich gerne wollen, kann ein Sprung ins<br />

kalte Wasser hier vielleicht Knoten lösen. Aber Beziehungen,<br />

die bröckeln, kann auch Sex mit Fremden nicht retten.<br />

Andererseits: Viele Menschen haben ja auch gar nicht<br />

das Ziel, gemeinsam alt zu werden. Also einfach tun, wonach<br />

einem ist.<br />

Wenn eine Beziehung<br />

an sexuellen<br />

Experimenten<br />

zerbricht,<br />

tut sie<br />

das wahrscheinlich auch ohne.<br />

Angela & Helmut: Eine Beziehung muss gefestigt sein<br />

und lebendig, sonst hält sie das nicht aus.<br />

Empfehlen tun wir Promiskuität anderen Menschen nicht,<br />

aber wir erzählen gerne davon, dass wir sexuell offen leben.<br />

Apropos Spannung: Wie oft hattet Ihr nach erotischen<br />

Abenteuern bereits Streit? Spielt Eifersucht in diesem<br />

Zusammenhang eine Rolle?<br />

Sybille & Anton: Erst einmal, das ist sicher schon zehn<br />

Jahre her. War damals ein Missverständnis, das recht einfach<br />

zu klären war. Eifersucht hat noch nie eine Rolle gespielt.<br />

Maria & Mario: Wir beide sind impulsive Menschen. Wir<br />

streiten gerne, lieben die Versöhnung hinterher. Eifersucht<br />

hingegen kennen wir nicht. Wenn sich eine/r von<br />

uns verknallt, findet die/der andere das aufregend und<br />

erregend. Dazu müssen wir vielleicht sagen, dass wir uns<br />

niemals der reinen blinden Körperlichkeit wegen mit<br />

SEITE 19


Fremden treffen, sondern dass uns das Erleben der jeweiligen<br />

Gegenüber sehr wichtig ist.<br />

Angela & Helmut: Es gab Missstimmung. Streit wäre<br />

übertrieben. Eifersucht war nur marginal ein Thema dabei.<br />

Es ging um eine Frau, die unsere Grenzen überschritt,<br />

sich verliebte und mehr erwartete.<br />

Promiskuität ist nichts, das von den meisten öffentlich<br />

gelebt wird wie etwa ein gewöhnliches Hobby. Was<br />

glaubt Ihr, wie viele von zehn Paaren in Österreich haben<br />

(zumindest selten) Sex zu dritt oder zu viert und<br />

wie viele Paare haben zumindest den Wunsch danach?<br />

Sybille & Anton: Wunsch? Dreißig Prozent. Wirklich<br />

praktizieren tun das wahrscheinlich weniger als zehn Prozent<br />

Maria & Mario: Maria hat so eine Frage erwartet und<br />

kennt hier die Ergebnisse einer Cosmopolitan-Studie aus<br />

dem Jahr 22<strong>01</strong>33: 5599 Prozent der Männer haben Fantasien,<br />

in denen sie mit mehreren Mitspielern Sex haben, 155 Prozent<br />

der Frauen möchten gerne nur eine fremde Person<br />

dabei haben. Aber nur acht Prozent der Männer und vier<br />

Prozent der Frauen möchten gerne einmal in ein Swinger-<br />

Lokal. Laut statista.com waren auch knapp neun Prozent<br />

der Männer bereits einmal in einem Club. Weniger, als<br />

wir gedacht hätten.<br />

Kennt Ihr Unstimmigkeiten, weil einer<br />

von Euch beiden mehr und öfter Kontakt<br />

mit Fremden möchte als der andere? Was<br />

glaubt Ihr: Wollen Männer oder Frauen<br />

eher Treffen mit Fremden?<br />

Sybille & Anton: Nein, wir besprechen das<br />

immer wieder. Obwohl Anton öfter die Initiative<br />

ergreift und Treffen organisiert.<br />

Maria & Mario: Die letzte Frage haben wir<br />

vorhin schon beantwortet. Zur anderen: Bei<br />

uns hat Maria öfter Lust auf fremde Haut.<br />

Unstimmigkeiten deswegen kennen wir<br />

nicht, weil Mario entweder gerne mit dabei<br />

ist, oder Maria sich alleine mit einem Paar<br />

trifft.<br />

Angela & Helmut: Diese Unstimmigkeiten<br />

gibt es manchmal, sie enden aber immer in<br />

einem Kompromiss. Treffen mit Fremden<br />

wollen wir beide in gleichem Maße. Wir<br />

glauben, bei 550 Prozent der Swinger ist das<br />

aber oft im Ungleichgewicht. Mal wollen die<br />

Männer, mal die Frauen mehr und öfter.<br />

Angela & Helmut: Das ist schwer einzuschätzen. Wir<br />

glauben, fünf bis sechs von hundert Paaren.<br />

Ist die Entscheidung für einen einzigen Partner auf sexueller<br />

Ebene Eurer Meinung nach in Wirklichkeit eine<br />

Lüge?<br />

Sybille & Anton: Nein, für manche ist das ein gut funktionierendes<br />

Lebenskonzept.<br />

Maria & Mario: Die Zahlen oben würden ja nicht darauf<br />

hinweisen, dass Monogamie eine Lüge ist. Wir glauben<br />

aber, dass vor allem sehr viele Männer gerne offener Leben<br />

würden und des lieben Friedens willen nicht mit ihren<br />

Partnerinnen darüber sprechen.<br />

Angela & Helmut: Lüge nicht, aber wohl seltener sinnvoll,<br />

als man meinen würde.<br />

SEITE 20 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


Wir leben in einem katholisch geprägten<br />

Land. Das neunte Gebot im Alten Testament<br />

(Ex 20, 17): "Du sollst nicht begehren<br />

deines Nächsten Frau." Welche Rolle<br />

spielen katholische oder konservative bürgerliche<br />

Moralvorstellungen für Euch?<br />

Sybille & Anton: Wir sind religiös und achten<br />

christliche Werte. Wir drängen uns deshalb<br />

auch nicht in andere Beziehungen und<br />

lassen uns nur auf Leute ein, die ungebunden<br />

sind oder auf Paare, wo beide Partner<br />

klar einverstanden sind mit Sex zu viert.<br />

Maria & Mario: Nur Menschen, die in unserem<br />

Kulturkreis auf die Welt kommen, beantworten<br />

sich die existenziellen Fragen<br />

(Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin?)<br />

irgendwann mit einem katholischen Glaubenssatz.<br />

Im Irak münden diese philosophischen<br />

Fragen in den Islam, in Kambodscha<br />

in die Lehren des Siddhartha Gautama. So<br />

ein Zufall aber auch.<br />

Individuelle Blickweisen auf Leben und Tod können und<br />

dürfen nicht vorgegeben werden, Religionen können erst<br />

dann einigermaßen ernst genommen werden, wenn es 7,7<br />

Milliarden unterschiedliche gibt.<br />

Angela & Helmut: Gar keine.<br />

Was ist dran an der Behauptung, Swinger seien größtenteils<br />

60 plus, träfen sich in schmuddeligen Clubs und<br />

achten nicht auf Safer Sex?<br />

Sybille & Anton: Wir treffen sehr viele jüngere Leute.<br />

Und Safer Sex wird überall sehr ernst genommen.<br />

Maria & Mario: Wir zwei sind lebende Beispiele dafür,<br />

dass nicht alle über 60 sind. Safer Sex ist bei den meisten<br />

Swingern Grundvoraussetzung.<br />

Obwohl: Manche Damen scheinen nicht zu wissen, dass<br />

Französisch ohne Kondom alles andere als safe ist.<br />

Angela & Helmut: Wir sind 60 plus. Und wir gehen in<br />

keine schmuddeligen Lokale. Wenn Clubs, dann nur zu<br />

ausgesuchten, besonderen Anlässen. Und da gehören wir<br />

oft zu den ältesten Gästen. Safer Sex ist Pflicht. ⓿<br />

Bild: Anna Maria Tauser-Fürpaß<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

SEITE 21


LISA WELTZIN<br />

EHRLICH SEIN<br />

P<br />

assiert. Wie Tomaten.<br />

Das Leben passiert, während wir dabei sind,<br />

andere Pläne zu machen. Auf Fahrten und Wegen ergeben<br />

sich Ziele und obwohl wir immer unterwegs sind,<br />

kommen wir nie an. Was passiert eigentlich, wenn wir<br />

zwischen Momenten von Verzweifelt- und Glücklichsein<br />

mal ehrlich sind zu uns? Was passiert, wenn wir uns einmal<br />

die richtigen Fragen stellen, anstatt ihnen zu entfliehen?<br />

Was passiert, wenn wir uns einmal der Ehrlichkeit<br />

nicht entziehen?<br />

Ich hab mir schon so manche Unwahrheit der Welt geliehen.<br />

Danach hab ich oft heimlich geschrien. Wenn ich<br />

mal ehrlich bin. Wie fühlt es sich an, nackt zu schwimmen?<br />

Wasser gleitet vorüber an nackter Haut, Tropfen<br />

werden zur Strömung; Frische, ein wenig Schmerz vom<br />

kalten Wasser.<br />

Wie oft schaut ihr euch ein Bild an, wenn ihr verliebt<br />

seid? Wovon träumt ihr nachts? Was beschäftigt euch am<br />

Tag? In einer Kultur, in der alle schönen Frauen 1,77 Meter<br />

groß sind, alle starken Männer Muskeln haben, alle<br />

intelligenten Menschen studieren. In einer Kultur, wo<br />

alle Menschen leben, um zu gefallen, sind schon einige<br />

Vorlieben gestorben, viele Sehnsüchte verfallen, unendliche<br />

Wahrheiten untergegangen. Weil sich keiner mehr<br />

Was sind eure am tiefsten sitzenden Ängste?<br />

Wo stecken unsere verborgenen Wünsche?<br />

Unsere intimsten Phantasien?<br />

Doch unser Leben passiert einfach. Wie Tomaten.<br />

Während wir eifrig dabei waren andere<br />

Pläne zu schmieden, schmiegte sich<br />

Unwahrheit an Unwahrheit. Wir bildeten<br />

Identitäten, ohne dabei hinzuschauen; es<br />

ergab sich einfach. Aufgrund tausender Ursachen<br />

und Einflüsse leben wir heute, ohne<br />

genau zu wissen, warum.<br />

Doch wie kommen wir an das Zwischendrin?<br />

Wir leben tagein, tagaus, nichts verändert<br />

sich. Doch wenn wir zurückblicken,<br />

ist alles anders.<br />

So vergehen Stunden, Tage, Jahre. Jahre, in<br />

denen wir zwar gelebt haben, doch nicht<br />

viel bewegten. So vergeht die Zeit, ohne<br />

dass wir dabei achten darauf, wohin sie<br />

geht. Früher, da war ich noch ein Kind.<br />

Doch bitte: Wer kam dazwischen, dass ich<br />

heute fast schon erwachsen bin? Was passierte<br />

dazwischen?<br />

Sich frei fühlen, dennoch Sicherheit haben.<br />

traut, ehrlich zu sein. Sich verlassen können, dabei flexibel blei-<br />

SEITE 22 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


en? Wir bilden uns unsere Identität, ohne<br />

dabei hinzuschauen.<br />

Aber wir lernen doch so viel zwischendrin.<br />

In Momenten, in denen Gedanken ausgesprochen<br />

werden, entstehen große Worte.<br />

Große Worte finden zwischen Tür und Angel<br />

statt. Gesetze verändern sich nicht auf<br />

Blättern Papier, sondern in grauen Plattenbauten.<br />

Auf Schulbänken, auf denen Kaugummis<br />

kleben und heimlich Tränen tropfen.<br />

Fäuste, die sich unter weißen Tischen<br />

ballen. Herzklopfen, kurz bevor man aus<br />

der Tram aussteigt. Kurz bevor man nicht<br />

mehr weiter weiß, passiert es oft, dass wir<br />

mal ehrlich sind. Ehrlich zu uns selbst.<br />

Und wir fragen uns: Wann ist das passiert?<br />

Wie schnell verstrich die Zeit? Jetzt bin ich<br />

schon so alt. Wo sind die alten Tage hin?<br />

Und das, was alles passierte, war nie wirklich<br />

geplant. Wo will ich überhaupt noch<br />

hin? Es ist eben einfach so passiert. Wie<br />

Tomaten, sagst du. Dabei schaust du mich<br />

an, lächelst verschwiegen, aber es ist doch<br />

auch schön, dass es alles zwischen drin passiert,<br />

oder nicht? Solange du dabei glücklich<br />

bist, hast du doch nichts falsch gemacht?<br />

Solange du immer ehrlich zu dir bist, ist<br />

doch alles gut.<br />

Doch ich sage: Wann bin ich mal ehrlich?<br />

Ich bin so selten ehrlich. Verändern, ohne<br />

dabei Ansprüche zu stellen. Gehen, ohne<br />

vergessen zu werden. Hoffen, ohne dabei zu<br />

erwarten. Fallen, ohne danach wieder aufzustehen.<br />

Stehen, ohne dabei stehen zu bleiben.<br />

Das Leben passieren zu lassen, während wir<br />

dabei sind, Pläne zu schmieden, gelingt uns<br />

nur, wenn wir ehrlich sind, denn sonst wa-<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

Bild: SuJo<br />

chen wir eines Tages auf, zählen die Tage und stellen fest,<br />

dass wir das alles gar nicht so wollten. Stellen fest, dass<br />

unser Herz nicht mehr singt, unser Verlangen nicht mehr<br />

stimmt, unsere Sehnsüchte verglimmen. Wie Feuer zu<br />

Asche ging es vorüber. Und wer den Feuervogel noch gesehen<br />

hat …<br />

Zwischen drin mal ehrlich sein, lassen unserem Herz<br />

auch mal Sonnenstrahlen rein, anstatt nicht immer nur zu<br />

leben, um zu gefallen in einer Kultur, wo alle schönen<br />

Frauen 1,77 Meter groß sind, alle starken Männer Muskeln<br />

haben und alle intelligenten Menschen studieren. In einer<br />

Kultur, wo du nach außen entweder gut oder schlecht<br />

bist. Du wirst dabei, zwischen drin, so viel lernen. Sonst<br />

lässt du bald keinen mehr an deiner Ehrlichkeit teilnehmen,<br />

sonst strahlt hier bald keiner mehr, und die Gesetze,<br />

die in grauen Plattenbauten herrschen und geschehen,<br />

sind dann einfach passiert. Wie Tomaten eben. ⓿<br />

SEITE 23


SEITE 24 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

Foto: Willgruber


Foto: Willgruber<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

Foto: A.P.Tauser (11)<br />

Seite 25


GESPRÄCH<br />

DAS 11. GEBOT:<br />

DU SOLLST<br />

NICHT SCHWUL<br />

SEIN<br />

Andreas P. Tauser im<br />

Gespräch mit Harald<br />

Schober (6677) über<br />

Gott und einen Teil<br />

der Welt.<br />

T<br />

auser: Menschen treten<br />

seit jeher für die eigene<br />

und die Freiheit anderer ein, sie kämpfen<br />

für die Freiheit von Minderheiten,<br />

für Religionsfreiheit, für Meinungs-<br />

und Redefreiheit, auch für Freiheit in<br />

der Liebe. Herr Schober, Sie leben<br />

streng nach der Bibel. Ist die Forderung<br />

nach Gleichstellung von Schwulen,<br />

Lesben und Transgendermenschen<br />

für Sie in Ordnung?<br />

Schober: Bei der Meinungs- und Redefreiheit<br />

gibt es meiner Ansicht nach ein<br />

großes Verbesserungspotential auch bei<br />

uns in Österreich. Viele Menschen bezeichnen<br />

sich als sehr tolerant. Aber<br />

wenn man in einem ´sensiblen´ Bereich<br />

Seite 26 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


anderer Meinung ist, verurteilen viele Menschen<br />

dies sehr scharf und oft sogar verletzend.<br />

Das finde ich traurig.<br />

Der S o u f f l e u r hat für diese <strong>Ausgabe</strong><br />

Gespräche mit verschiedenen Menschen<br />

geführt. Einerseits mit einer Klosterschwester,<br />

andererseits mit dem Betreiber<br />

eines Kinolabyrinths, eines Erotiktreffpunkts<br />

für Schwule, oder mit Bi-Menschen<br />

und Swingern. Gehören diese beiden entgegengesetzten<br />

Lebensmodelle in ein und<br />

dieselbe <strong>Ausgabe</strong>?<br />

sehr gefallen hat. Es hieß: „Das Fernsehpublikum ist einer<br />

Unmenge an Sendungen ausgesetzt, in denen der homosexuelle<br />

Lebensstil positiv porträtiert wird.“ Das Fernsehen<br />

ist jedoch nur eines von vielen Medien, die heutzutage<br />

Homosexualität propagieren. Auch von Altersgenossen<br />

und Lehrern, in Filmen, Büchern und Zeitschriften und in<br />

den sozialen Medien wird pro-homosexuelle Propaganda<br />

gemacht.<br />

Sie meinen also, dass Werbung für Homosexualität gemacht<br />

wird?<br />

Paulus schrieb gemäß 1. Korinther 66:99, 10: „Was? Wisst<br />

Ich denke, die Meinungs-<br />

bzw. Pressefreiheit<br />

ist ein wertvolles<br />

Gut. Warum<br />

sollte nicht über unterschiedliche<br />

Lebenseinstellung<br />

offen<br />

und fair berichtet<br />

werden?<br />

„Wo die Liebe hinfällt,<br />

da bleibt sie<br />

liegen“, sagt ein altes<br />

Sprichwort. Spricht für Sie etwas dagegen,<br />

dass ein Mann einen Mann liebt,<br />

eine Frau eine Frau?<br />

Vor ein paar Jahren teilte mir ein sehr junger<br />

Arbeitskollege mit, dass er meine Einstellung<br />

zur Bibel sehr schätzt. Er sagte:<br />

"Du musst aber Deine Einstellung zur Homosexualität<br />

korrigieren bzw. richtigstellen."<br />

Ich frage mich: Warum ist seine Meinung<br />

so weit verbreitet und so populär?<br />

„Das Fernsehen versucht, Kindern Homosexualität<br />

schmackhaft zu machen“, so<br />

der Titel eines Zeitungsartikels, der mir<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

Foto: A.P.Tauser<br />

ihr nicht, dass Ungerechte das Königreich Gottes nicht<br />

erben werden? Lasst euch nicht irreführen. Weder Hurer<br />

noch Götzendiener, noch Ehebrecher, noch Männer, die<br />

für unnatürliche Zwecke gehalten werden, noch Männer,<br />

die bei männlichen Personen liegen, noch Diebe, noch<br />

Habgierige, noch Trunkenbolde, noch Schmäher, noch Erpresser<br />

werden Gottes Königreich erben.“ Beachte, dass<br />

Paulus sowohl diejenigen erwähnt, die in unmoralischen<br />

Beziehungen offensichtlich eine passive Rolle übernehmen,<br />

als auch diejenigen, die die aktivere „männliche“<br />

Rolle einnehmen. Er machte somit deutlich, dass Gott jede<br />

Form homosexueller Betätigung missfällt.<br />

Ist es nicht so, dass gleichgeschlechtliche Liebe in den<br />

Seite 27


Medien, im Schulunterricht oder in der Kunst deshalb Ist Ihr Standpunkt, jemand sei deswegen<br />

thematisiert wird, um allen und vor allem betroffenen homosexuell, weil er das so w i l l, im Angesichte<br />

der Tatsache, dass weltweit im-<br />

Menschen zu zeigen, dass die Zeit, in der Homosexualität<br />

als Krankheit fehlinterpretiert wurde, vorbei ist mer noch Menschen aufgrund ihrer sexuellen<br />

Neigung diskriminiert, ausgegrenzt,<br />

bzw. vorbei zu sein hat? Ist die mediale Präsenz von<br />

Homosexualität also nicht weniger Propaganda und benachteiligt und ermordet werden, nicht<br />

Werbung für ein Lebensmodell, als vielmehr der längst eine Verhöhnung all der vielen Menschen,<br />

überfällige Versuch, menschenfeindliche Ausgrenzung die sich Zeit ihres Lebens nur eines wünschen,<br />

nämlich, dass auch ihre Art des<br />

von Minderheiten zu stoppen?<br />

Seins als „normal“ gesehen wird?<br />

Es handelt sich ohne Zweifel um eine Kombination mehrerer<br />

Faktoren, durch die ein Mensch dazu gebracht wird, Im Jahre 199770 sagte Dr. Charles W. Socarides<br />

vom Albert Einstein College of Medicine<br />

homosexuelle statt normale heterosexuelle Beziehungen<br />

zu pflegen. Schließlich muss man aber noch eine weitere (New York) warnend, dass sich die Homosexualität<br />

ausbreitet wie eine Seuche,<br />

Tatsache im Sinn behalten: Homosexuelle haben sich ihre<br />

Lebensweise selbst gewählt. schneller als die vier häufigsten Krankheiten.<br />

Gewählte Politiker geben offen zu, ho-<br />

Warren Blumenfeld, Koordinator des nationalen Gay Students<br />

Center, einer US-Studentenorganisation für Homosexuelle,<br />

vergleicht die Auswahl zwischen mehreren sexugen,<br />

politische Klubs und Partnervermittmosexuell<br />

zu sein. Es gibt Kirchen, Synagoellen<br />

Verhaltensweisen sogar mit dem Kauf eines Autos. lungen für Homosexuelle. Die Christen des<br />

Er sagt: „Der eine fährt eben lieber einen Cadillac und der ersten Jahrhunderts betrachteten die Homosexualität<br />

jedoch nicht als etwas Normales<br />

andere einen Sportwagen.“ Jemand ist also deswegen homosexuell,<br />

weil er das so will. wie blaue Augen oder eine dunkle Haut. In<br />

ihren Augen war es eine Befriedigung<br />

Der Schriftsteller Blumenfeld sieht Homophobie sehr schändlicher sexueller Gelüste, wenn weibliche<br />

Homosexuelle den natürlichen Ge-<br />

kritisch und sagt über sie: Sie (die Homophobie) bindet<br />

Menschen in starre geschlechtsspezifische Rollen, die brauch von sich selbst mit dem widernatürlichen<br />

vertauschten und männliche Homo-<br />

Kreativität hemmen, sie verhindert, dass Schwule eine<br />

authentische Selbstidentität entwickeln, sie hemmt die sexuelle unzüchtige Dinge miteinander trieben<br />

(Römer 1:2266, 2277).<br />

Wertschätzung von Vielfalt, sie hemmt die Fähigkeit<br />

von Menschen, intime Freundschaften zu Mitgliedern<br />

ihres eigenen Geschlechts aufzubauen, aus Angst, als (Anm.d.Red: Socarides Thesen sind heute<br />

schwul wahrgenommen zu werden, sie erhöht den Heiratsdruck,<br />

was wiederum unangemessenen Stress und maßgeblichen psychologischen und psychi-<br />

überholt, zum Teil widerlegt, die wirklich<br />

oftmals ein Trauma für Ehepartner und ihre Kinder bedeutet.<br />

Blumenfelds Vergleich (Cadillac oder Sportwagical<br />

Association und American Psychiatric<br />

atrischen Fachverbände American Psychologen)<br />

wird von Ihnen, verzeihen Sie, nicht nur verkehrt Association bekunden, dass Socarides Ansichten<br />

wissenschaftlich nicht haltbar sind.<br />

interpretiert, diese Interpretation ist, so glaube ich, für<br />

Schwule, die unter ihrem Anderssein oft bis zur Depression<br />

oder gar bis zum Selbstmord leiden, wohl ein Jahren aus der Liste der psychischen Krank-<br />

Homosexualität wurde bereits vor fast 330<br />

Schlag ins Gesicht. heiten gestrichen.)<br />

Seite 28 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


Humanismus hin, Religion her – der im<br />

Sinne der Aufklärung strukturierte und<br />

auf rationales Denken ausgerichtete<br />

Mensch weiß heute: Die Erde ist eine Kugel,<br />

Alchemisten können kein Gold herstellen<br />

und ein gewisser Prozentsatz an Menschen<br />

wird homosexuell. Kann Ihr Gott<br />

gegen Vielfalt sein?<br />

an, die homosexuell, Diebe, Habgierige, Erpresser, Trunkenbolde,<br />

Ehebrecher oder Götzendiener gewesen waren.<br />

Aber sie hatten sich geändert. Sie waren „reingewaschen,<br />

geheiligt und gerecht gesprochen worden“ (1. Korinther<br />

66:99-11; Kolosser 33:55-11). Nicht nur im 1. Jahrhundert, sondern<br />

auch heute ist es möglich, homosexuelle Neigungen<br />

zu überwinden, wenn jemand dies persönlich möchte und<br />

wirklich ernsthaft will.<br />

Es ist, wie die Bibel sagt: „Entsprechend<br />

den Begierden ihrer Herzen“. Darum ist es<br />

gerechtfertigt, wenn die Bibel diese Handlungsweise<br />

verurteilt<br />

und sagt,<br />

sowohl männliche<br />

als auch<br />

weibliche Homosexuelle<br />

empfingen „an<br />

sich selbst die<br />

volle Vergeltung,<br />

die ihnen<br />

für ihre Verirrung<br />

gebührte“.<br />

Ich tu mir schwer, die Grenze zu finden<br />

zwischen ihrer persönlichen Meinung und<br />

einer von der Bibel vorgegebenen Lehre.<br />

Ich frage einmal andersrum: Kann der<br />

Verzicht auf das Ausgrenzen von Homosexuellen<br />

Ihrer Ansicht nach tatsächlich zur<br />

Folge haben, dass im Jahr 2050 mehr<br />

Schwule geboren werden als etwa im Jahr<br />

1550?<br />

Wie andere unreine Gelüste und schädliche<br />

Begierden, so können auch homosexuelle<br />

Neigungen beherrscht und sogar überwunden<br />

werden; sie können als Bestandteil der<br />

alten Persönlichkeit abgestreift werden. Der<br />

Versammlung in Korinth gehörten Christen<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

Foto: A.P.Tauser<br />

Wohl wahr: Alle drei Abrahamitischen Welt- und Wüstenreligionen<br />

haben ihre Probleme mit nicht eine Mehrheit<br />

betreffenden Geschlechtsidentitäten. Aber lassen<br />

Sie mich<br />

laut denken:<br />

Gott hat mit<br />

Glauben zu<br />

tun. Glaube<br />

ist per Definition<br />

eine<br />

Grundhaltung<br />

des<br />

Vertrauens,<br />

Glaube ist<br />

das Überzeugtsein<br />

von einer Lehre, einer These. Einer Theorie! Mit Wissen<br />

hat das also wenig zu tun. So ist Glaube daher etwas,<br />

das von Menschen, Kulturen und Religionen seit jeher<br />

denkbar falsch gelebt wurde, nämlich nicht als philosophische<br />

Theorie, nicht als Möglichkeit, sondern fatalerweise<br />

als Gebot. Ja, sogar als Erlass, als Befehl, als<br />

Grundbedingung dafür, überhaupt respektiert oder,<br />

nicht selten, am Leben gelassen zu werden. Falsch ist<br />

das zudem auch deshalb, weil Glaube auch abseits aller<br />

politischen und extremen Strömungen nie mehr sein<br />

kann, als Anschauung, Konzept, Plan, Idee, Vermutung<br />

oder Hoffnung. Es mag deshalb also in Ordnung sein,<br />

das e i g e n e Handeln, das e i g e n e Denken einer<br />

solchen Theorie nach auszurichten. Von a n d e r e n<br />

Menschen dieselbe religiöse, philosophische Herangehensweise<br />

zu fordern, steht aber auch dem streng<br />

Seite 29


Ich habe in meinen Antworten nur auf die Aussage der<br />

Bibel verwiesen.<br />

Es drängt sich genau deshalb die Frage auf: Entsprechen<br />

die Bibelzitate Ihrer persönlichen Meinung?<br />

das ist von Menschengeist erschaffen, alles<br />

das sind Früchte von Fantasie und<br />

(nicht selten) Kalkül. Für die einen heilsamer<br />

Weg, für andere aber eben nicht mehr<br />

als Ideen. Nicht belegbare Theorien.<br />

Ich habe, wie Sie sagen, mehrmals auf Bibelstellen Bezug<br />

genommen, dazu auch meine private Meinung geäußert.<br />

Kann der eine Mensch sich wirklich nach den esoterischen<br />

oder philosophischen privaten Welterklärungsmodellen<br />

des anderen richten? Ist nicht jeder Glaube,<br />

der die Grenzen Anders- oder Nichtgläubiger überschreitet,<br />

eine Beschneidung von Freiheit per se?<br />

Liebe baut auf, gemäß 1. Korinther 88:1. Sie reißt niemals<br />

nieder. Noch tötet sie einen Menschen. Irgendetwas<br />

"Esoterisches" habe ich nicht angeführt.<br />

Nun, dort, wo Aufklärung und Glaube einfach nicht in<br />

einen Topf passen, will ich jede Religion einfach einmal<br />

als eines der Kapitel im Esoterikkatalog sehen.<br />

Was ist Ihrer persönlichen Meinung nach, und ohne den<br />

Blick in die Bibel, schlecht und teuflisch an der Welt, in<br />

der jeder Mensch Liebe, Partnerschaft frei und nicht<br />

von anderen bevormundet lebt? Welchen Schaden richtet<br />

Homosexualität auf der Welt an?<br />

Der Apostel Paulus legte Christen ans Herz: „Fahrt daher<br />

fort, einander zu trösten und einander zu erbauen, so wie<br />

ihr es ja tut“ (1. Thessalonicher 55:11). Meiner Meinung<br />

nach sollten alle Christen der Aufforderung nachkommen:<br />

„Redet bekümmerten Seelen tröstend zu, steht den<br />

Schwachen bei, seid langmütig gegen alle“, wie es in 1.<br />

Thessalonicher 55:144 zu lesen steht.<br />

Da war sie ja doch wieder, die Bibel. Ich versuche es<br />

noch einmal: Ganz gleich, ob Sindone di Torino<br />

(Turiner Grabtuch) und Santo Cáliz (Heiliger Kelch)<br />

oder eben von Geistern, und Erzengeln empfangene Botschaften,<br />

ganz gleich, ob Evangelium oder Sure - alles<br />

Ihre Ansicht ist weit verbreitet. Haben Sie<br />

eine Bibel? Hebräer, Kapitel 11, Vers 1. Was<br />

sagt Ihnen dieser Vers? Wozu regt er Sie<br />

an?<br />

Ich zitiere die genannte Bibelstelle:<br />

„Glaube aber ist, Feststehen in dem, was<br />

man erhofft, überzeugt sein von Dingen,<br />

die man nicht sieht.“ Dass eine Bibelstelle<br />

nun nicht der Bibel selbst widerspricht,<br />

überrascht wenig.<br />

Darf dieses Erhoffte, ganz gleich, ob wir<br />

es Himmelreich nennen oder Erlösung<br />

durch die Waldelfe, über Freiheit oder Unfreiheit<br />

anderer richten? Im Namen des<br />

Glaubens wurden und werden Menschen<br />

diskriminiert und getötet. Kann und soll<br />

das Erhoffte der einen Menschen die Orientierungshilfe<br />

für andere sein?<br />

Ich finde, die Bibel kann uns Menschen eine<br />

gute Anleitung für ein sinnvolles und glückliches<br />

Leben geben. Ich persönlich habe nie<br />

auf einen Menschen Druck ausgeübt, dass<br />

er nach den Grundsätzen der Bibel leben<br />

muss. Ich kann es aus eigener Erfahrung<br />

nur jeder Person empfehlen. Das Leben<br />

wird dadurch einfacher.<br />

Ihr Wort in Gottes Ohr, wenn ich das so<br />

sagen darf. Vielen Dank für das Gespräch!<br />

⓿<br />

Harald Schober ist Pensionist. Er lebt als<br />

praktizierender Zeuge Jehovas und Bibel-<br />

Lehrer im steirischen Weiz.<br />

Seite 30 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


FLORIAN RANDACHER alias FLOW BRADLEY<br />

GEDICHTE<br />

Karin<br />

So ich liebe diesen Namen<br />

So rinnt Klang und Sinn<br />

Gut und Böse – Auf- und Unter-<br />

Gang der Leben Fänge, Schwingung, Stamm<br />

Center Of Market And Trade<br />

Vom Humor überrascht<br />

Terror als Regie<br />

Wir verwenden Wörter<br />

Und Gott ist das Genie<br />

Namen geben vor, doch nichts<br />

Bleibt der Erde Wiederkehr<br />

Namenlose Ritter<br />

Göttin aller Freud´<br />

Das Leid holt lachend, warm<br />

Kältestau der Saat<br />

Weiter mein Mysterium<br />

Wenn ich Karin höre<br />

Karin<br />

Karin<br />

Karin<br />

Karin<br />

Foto: Flow Bradley<br />

Verwendet wird der Glaube<br />

Als Lösung die Natur<br />

Gesetz bleibt ewig Frieden<br />

Wie machen wir das nur?<br />

Der Dichter und die Dramen<br />

Der Sex, der Tod, das All<br />

Im Sinn sind wir verborgen<br />

Bestimmt ist der Verfall<br />

Das Datum nun als Wette<br />

Wer ist schneller da<br />

Der Zug oder das Auto<br />

Flugzeug, „sonderbar“<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

Spinne im Regenbogen<br />

Sie bemerkt mich<br />

wenn ich schweige<br />

doch selbst ihr Drang<br />

ist ihr zu nah<br />

sie verschwendet<br />

sich im Sinne<br />

kunterbunt<br />

und wunderbar<br />

sie muss das alles tragen<br />

weil kein Geheimnis von ihr weicht<br />

nur die Stille kann es sagen<br />

ihre Sendung –<br />

butterweich<br />

Manchmal zornt die Droge<br />

und der Ausgleich scheint nicht nah<br />

lass es sein ihr nachzufolgen<br />

kunterbunt und wunderbar<br />

Reichensport<br />

Der Funke springt über das Wasser<br />

Pfeil und Bogen unter Tag<br />

Längst geschachtet<br />

Brot und Spiele<br />

Oft verletzt und ausgelacht<br />

Doch der Kämpfer<br />

Rote Erde<br />

Ziegelsteine und Beschwerde<br />

Ausgehoben aus dem Schritt<br />

Bleibt das Sein ein Teufelsritt<br />

Notiz<br />

Du håst ma ålles gnommen<br />

I hån da ålles geb´m<br />

Mia håb´m uns nix g´schenkt<br />

Mia san uns nix schuldig bliebm<br />

Seite 31


INTERVIEW<br />

POLYAMORIE:<br />

ZWEI MAL ZWEI<br />

IST (AUCH) LIEBE<br />

Der Souffeur im Gespräch<br />

mit Menschen, die mehr<br />

als einen Menschen lieben.<br />

G<br />

eschätzter Bernhard Reicher,<br />

Du bist Autor und Magier. Du<br />

lebst „angewandte Polyamorie“?<br />

Reicher: Ja. Und ich mache Öffentlichkeitsarbeit<br />

und Coachings im Bereich Polyamorie.<br />

Polyamorie ist eine Form der Lebens-, Liebes-<br />

und Beziehungsgestaltung, die für viele<br />

von uns nicht gewöhnlich ist. Was steckt hinter<br />

dem Begriff?<br />

Reicher: Polyamorie ist ein Neologismus, der<br />

sich aus "poly" für "viele" und "amor" für<br />

"Liebe" zusammensetzt. Dahinter verbirgt sich<br />

ein Hinterfragen: Ist das Modell einer Zweierbeziehung<br />

die einzig mögliche oder erstrebenswerte<br />

Form des Zusammenseins? Es ist<br />

aber weit mehr als nur ein philosophisches<br />

Konzept; es ist auch eine gelebte Praxis, die es<br />

ermöglicht, mehr als eine Liebesbeziehung zur<br />

Foto: Dainis Graveris/unsplash.com<br />

selben Zeit führen zu können, im vollen<br />

Seite SEITE 00 32 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


Wissen und der Zustimmung aller Beteiligten.<br />

Das ist nicht notwendigerweise ein besseres<br />

Modell als das übliche monogame.<br />

Aber es ist eine gleichwertige Alternative.<br />

Es ist auch keine sexuelle Orientierung,<br />

sondern eine Entscheidung: In welcher<br />

Form möchte ich Liebe leben?<br />

Gewissermaßen also ein Weg, der Möglichkeiten<br />

bereithält? Nämlich: Befinde<br />

ich mich in einer Liebesbeziehung und<br />

verliebe ich mich neu, habe ich die Möglichkeit,<br />

beide Lieben zu leben, ohne mich<br />

für eine entscheiden zu müssen?<br />

Reicher: Exakt – sofern auch alle anderen<br />

in jeder Hinsicht damit einverstanden sind.<br />

Konsens spielt eine zentrale Rolle! Die Situation,<br />

die du ansprichst, taucht ja nicht selten<br />

auf. Polyamorie wäre eine Möglichkeit,<br />

damit in einer Sowohl-Als auch-Haltung<br />

umzugehen.<br />

Viele werden hier nun den Standpunkt<br />

vertreten: Wenn ich in einer Partnerschaft<br />

lebe und mich in einen Menschen verliebe,<br />

liebe ich meinen Partner/meine Partnerin<br />

nicht richtig.<br />

Reicher: Das ist eine häufige Sichtweise, ja<br />

– und bezieht sich darauf, was einzelne<br />

Menschen unter Liebe verstehen. Exklusivität<br />

ist durchaus ein legitimer Wert; mir<br />

persönlich ist er aber zu klein für die Liebe.<br />

Ich erlebe sie nicht als etwas Quantitatives,<br />

dem etwas genommen werden könnte,<br />

wenn ich es auch für jemand anders empfinde.<br />

Die Vorstellung, Liebe könne<br />

schrumpfen oder dürfe nur einem einzigen<br />

Menschen zustehen, kommt, glaube ich, von<br />

einer Idee, die Liebe als Mangelware<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

betrachtet: Es sei nur so und so viel von ihr da und deshalb<br />

müsse man ängstlich darauf bedacht sein, dass sie<br />

einem nicht entgleitet. Das ist ein Weltbild, dem wir in<br />

unserer Kultur stark anhängen. Dem widerspricht meine<br />

persönliche Erfahrung: Liebe ist für mich etwas Unendliches,<br />

das nicht kleiner werden kann, wenn es geteilt wird.<br />

Liebe kann ich genauso wenig besitzen wie einen Menschen,<br />

ich kann sie aber zulassen – für viele. Dazu habe<br />

ich einmal ein Märchen geschrieben, in dem eine Kerze<br />

auf dem Dachboden eines Schlosses und eine Flamme in<br />

seinem Ofen voneinander träumen und überglücklich<br />

sind, als sie sich finden, weil ein Fest gefeiert wird und<br />

der Kienspan sie miteinander verbindet. Kurz darauf sind<br />

sie entsetzt, als die Kerze aus ihrem Halter genommen<br />

wird, weil auch andere Kerzen mit ihrer Flamme entzündet<br />

werden sollen. Beinahe lässt die Kerze ihre Flamme<br />

ausgehen: Wenn sie sie schon nicht für sich allein haben<br />

kann, soll sie auch keine andere Kerze zum Leuchten bringen!<br />

Doch sie bringt es nicht übers Herz, ihre geliebte<br />

Flamme sterben zu lassen und auch die anderen Kerzen<br />

im Festsaal erstrahlen durch sie. Zu ihrem großen Erstaunen<br />

wird ihre Flamme dadurch aber nicht kleiner, im Gegenteil:<br />

Alles um sie herum wird heller und schöner.<br />

Was für eine wunderschöne Antwort. Vielen Dank für<br />

das Gespräch!<br />

M it drei jungen Menschen aus Berlin, die Polyamorie<br />

praktisch leben, hat der Souffeur via Video-<br />

Konferenz ein Interview geführt. Marvin, 2299, Konrad, 331,<br />

und Britt, 3388, leben gemeinsam mit Tochter Hannah in<br />

einer Wohnung in der Nähe von Hannover.<br />

Souffeur: In welcher Form gehört Ihr vier zusammen?<br />

Marvin: Eigentlich sind wir fünf.<br />

Britt: Seit fünf Jahren gehören Marvin und ich zusammen,<br />

seit zwei Jahren sind wir verheiratet.<br />

Seite 33


Liebe und Frieden innerhalb einer Familie<br />

sind wesentlich wichtiger für eine gute Entwicklung<br />

des Kindes als genormte Verhältnisse.<br />

Was bringt das System "Vater, Mutter,<br />

Kind", wenn entweder Vater und Mutter<br />

nur streiten, oder einer der Elternteile<br />

nicht kommuniziert mit dem Kind?<br />

Wir leben in einer gemeinsamen Wohnung. Mit Konrad,<br />

den ich vor drei Jahren kennen und lieben gelernt habe,<br />

habe ich unsere Tochter Hannah, die im November 2 Jahre<br />

alt wird. Hannah ist immer bei mir, Konrad f a s t immer,<br />

er hat eine eigene kleine Wohnung, in der er hin und<br />

wieder einige Tage ist, hin und wieder auch gemeinsam<br />

mit Hannah und mir. Und Marvin führt nun seit zwei Jahren<br />

eine Liebesbeziehung mit Vera, die aber nicht in<br />

unserer Wohnung lebt.<br />

Konrad: Auch ich würde Britt gerne heiraten, das ist aber<br />

leider bei uns in Deutschland nicht möglich.<br />

Konrad: Marvin und ich wissen, dass Hannah<br />

meine leibliche Tochter ist, aber andererseits:<br />

Wozu Etiketten?<br />

Es muss nicht alles betitelt werden?<br />

Konrad: Ja, genau. Wir haben<br />

festgestellt, dass wir für uns<br />

bestimmte Schablonen, wie zum<br />

Beispiel "Weil wir verheiratet<br />

sind, müssen wir uns an diese<br />

und jene Grenzen halten" nicht<br />

brauchen.<br />

Eine Liebesbeziehung besteht zwischen Britt und Marvin<br />

und Marvin und Vera und zwischen Britt und Konrad<br />

...<br />

Marvin: (unterbricht) Genau. Konrad und ich – ich glaube,<br />

Du wolltest darauf hinaus – pflegen eine sehr innige,<br />

freundschaftliche Beziehung, und ich finde es schade,<br />

dass Konrad in mancherlei Hinsicht benachteiligt ist.<br />

Inwiefern?<br />

Britt: Bin ich zum Beispiel im Krankenhaus, darf zuerst<br />

einmal nur Marvin zu mir, obwohl auch Konrad mein Lebenspartner<br />

ist.<br />

Was sind Marvin und Konrad für Hannah?<br />

Leiblicher Vater ist ja Konrad.<br />

Marvin: Stimmt, so sehe ich das auch. Vielleicht<br />

sind manche Menschen glücklicher,<br />

wenn sie nach Vorgaben leben. Zum Beispiel:<br />

"Du musst mit deiner Ehefrau im selben<br />

Zimmer schlafen, und wenn du dich in<br />

eine andere Frau verliebst, musst du entweder<br />

diese Verliebtheit unterdrücken, oder<br />

du musst dich scheiden lassen, um dann mit<br />

der neuen Frau immer im selben Zimmer<br />

schlafen zu müssen …" Ich will mich da gar<br />

nicht lustig machen darüber, aber wir für<br />

uns brauchen diese Schablonen nicht´. Wer<br />

weiß, vielleicht will ich in ein paar Jahren<br />

monogam leben.<br />

Wie sieht es bei Euch mit Eifersucht aus?<br />

Britt: Hannah spricht beide Männer mit ihren Vornamen Britt: (lacht) Ja, kommt vor. So, wie in anderen<br />

an. Beide Männer sind gewissermaßen Vaterfiguren.<br />

Partnerschaften vielleicht auch.<br />

Seite 34 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


Aber wir vier – Hannah zähle ich da jetzt erst mal<br />

nicht dazu – sind in einem kontinuierlichen Austausch.<br />

Kommunikation ist das Um und Auf, ganz<br />

gleich, ob man zu zweit oder zu viert zusammenlebt.<br />

Ich habe das gerade eben ja schon kurz angesprochen:<br />

Es gibt leider sehr viele Menschen, und<br />

oft sind das leider Männer, die nicht reden und damit<br />

die Seelen ihrer Kinder oder Partnerinnen zerstören.<br />

Wir vier kommunizieren auf jeden Fall noch<br />

mehr als gewöhnliche Paare. Das denke ich<br />

zumindest.<br />

Wer in Eurem Umfeld weiß von Eurer Form der<br />

Partnerschaft? Wie gehen Menschen damit um,<br />

wenn sie erfahren, wie Ihr lebt?<br />

Konrad: An sich wissen alle Familienmitglieder,<br />

wie wir leben. Meine Mutter war anfangs skeptisch:<br />

"Was? Ein Kind mit einer verheirateten<br />

Frau?" Aber mittlerweile sind Britt und Marvin so<br />

etwas wie Schwiegerkinder für sie.<br />

Britt: Ich bin sehr frei aufgewachsen, meine Eltern<br />

hatten nie ein Problem mit Polyamorie. Aber letztlich<br />

ist unsere Liebe, ob sie nun akzeptiert wird<br />

oder nicht, unser Leben, die nur wir zu leben haben.<br />

Marvin: Ich sehe das auch so. Mein Vater etwa vertritt<br />

ein sehr erzkonservatives, chauvinistisches<br />

Weltbild. Er sagt: "Was ist das für eine Ehe, wenn<br />

die Frau ein Kind mit einem anderen hat?" Aber es<br />

ist letztlich mein eigener Liebesalltag, und der<br />

muss ja meinem Vater nicht gefallen.<br />

Britt: Das wäre ein schönes Schlusswort, oder?<br />

(lacht) Lebt Eure eigenen Lieben, denn es sind ja<br />

auch Eure eigenen Leben, die Ihr lebt, und am Ende<br />

Eure eigenen Tode, die Ihr sterbt.<br />

Keine weiteren Fragen … ⓿<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1 Seite SEITE 0035


GASTBEITRAG<br />

D<br />

er Autor des Textes auf der nächsten Seite ist<br />

ein Mann Mitte 20, der seit seiner Jugend von<br />

seiner pädophilen Neigung weiß. Nachstehender Text findet<br />

sich auf der Homepage von „Kinder im Herzen“ (www.kinderim-herzen.net),<br />

einem kollaborativen Blogportal zum Thema<br />

Pädophilie. Die Seitenbetreiber schreiben:<br />

„Wir sind eine Gruppe von pädophil empfindenden Menschen,<br />

die den Versuch wagen möchten, ein breiteres Bild zum Thema<br />

Pädophilie in die Öffentlichkeit zu tragen.<br />

Der Umgang mit dem Thema Pädophilie in der Öffentlichkeit<br />

wird oft von Fachleuten, Wissenschaftlern, Therapeuten und<br />

Journalisten bestimmt. Es ist kaum möglich, als pädophil empfindender<br />

Mensch eine Stimme zu bekommen und ungefiltert die<br />

eigenen Ansichten darlegen zu können. Unserer Ansicht nach<br />

scheint es vor allem einen Dialog über uns, aber kaum Austausch<br />

mit uns zu geben.<br />

Mit ´Kinder im Herzen´ (KiH) möchten wir versuchen, denjenigen<br />

Stimmen zu geben, die ansonsten selten Gehör finden. Wir<br />

möchten mit diesem Blog pädophilen Menschen, Angehörigen,<br />

Freunden und anderen, die mit dem Thema in Berührung gekommen<br />

sind, eine Bühne geben, um ihre Erfahrungen, Meinungen<br />

und Perspektiven zu dem Thema darzustellen.<br />

Unsere Grundsätze: Wir sind der Meinung, dass jegliche Form<br />

von sexuellen Kontakten zwischen Kindern und Erwachsenen<br />

inakzeptabel ist, da das Risiko, dem Kind dabei Leid zuzufügen,<br />

nicht vertretbar ist. Das gilt ohne Einschränkung in jeder Situation,<br />

unabhängig davon, ob der Kontakt von dem Erwachsenen<br />

ausgeht oder scheinbar von dem Kind gewollt ist.<br />

Eine ähnliche Haltung vertreten wir auch beim Thema Kinderpornographie.<br />

Abbildungen, die den Missbrauch von Kindern<br />

dokumentieren, sind unserer Meinung nach moralisch nicht zu<br />

rechtfertigen und deren Produktion, Vertrieb und Besitz damit<br />

zu Recht strafbar.“<br />

SEITE Seite 00 36 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


SIRIUS<br />

DIE GRAUSAMKEIT DES SCHWEIGENS<br />

Wisst Ihr, was für mich das Schwierigste daran ist, pädophil<br />

zu sein? Es ist nicht, meinen Trieb ständig kontrollieren<br />

zu müssen. Es fällt mir grundsätzlich nicht<br />

schwer, ein Kind nicht zu missbrauchen, so, wie es einem<br />

"normalen" heterosexuellen Mann wohl auch nicht<br />

schwerfällt, eine Frau nicht zu vergewaltigen.<br />

Es ist auch nicht so, dass ein Teil meiner Sexualität für<br />

immer unerfüllt bleiben muss, was aber nicht bedeutet,<br />

dass dies nicht manchmal verdammt frustrierend sein<br />

kann. Dennoch habe ich inzwischen Wege gefunden, mit<br />

meiner Sexualität umzugehen, sie gewissermaßen auf<br />

anderen Wegen auszuleben, ohne dass dabei ein Kind zu<br />

Schaden kommt. Jedenfalls ist das Thema „Sex mit Kindern“<br />

keines, das für mich stark belastend ist oder mich<br />

in tiefe Depressionen und Lebenskrisen versinken lässt.<br />

Es ist noch nicht einmal das das Schwierigste, dass es da<br />

draußen viele Menschen gibt, die alleine aufgrund meiner<br />

Sexualität eine schlechte Meinung von mir haben,<br />

mich am liebsten wegsperren oder sogar foltern und ermorden<br />

würden. Damit könnte ich umgehen, wenn ich<br />

zumindest etwas darauf erwidern könnte.<br />

Nein, das Schwierigste für mich ist es, damit umzugehen,<br />

permanent zum Schweigen verdammt zu sein.<br />

Aufgrund einer drohenden Stigmatisierung ist es immer<br />

noch sehr gefährlich, sich als pädophil zu outen. Die Folgen<br />

könnten der Verlust von Freunden, Familie, Arbeitsplatz<br />

oder Wohnung und sogar körperliche Angriffe sein.<br />

Entsprechend vorsichtig muss ich vorgehen bei der Überlegung,<br />

wem ich im sogenannten „echten Leben“ von<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

meiner Pädophilie erzähle. Und Online, wie<br />

etwa hier in diesem Blog, kann ich deshalb<br />

nur unter einem Pseudonym auftreten. Die<br />

Konsequenz: In vielen Alltagssituationen<br />

bin ich stark eingeschränkt und muss genau<br />

aufpassen, was ich sage, um mich nicht unnötig<br />

in Gefahr zu bringen. Zum Schweigen<br />

verdammt. Und das ist äußerst belastend.<br />

Vor Kurzem erst war ich in ein Gespräch<br />

verwickelt, in dem man irgendwann auf das<br />

Thema LGBT (Anm.d.Red.: Abkürzung für<br />

Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender) kam.<br />

Im Laufe des Gesprächs dann die Aussage<br />

eines Bekannten: „Also, ich hab kein Problem<br />

mit dem, worauf jemand steht, ganz<br />

gleich, was immer das auch ist. Bis auf Pädophilie,<br />

das ist krank und geht gar nicht!"<br />

Wie gerne hätte ich mich an dieser Stelle<br />

als pädophil zu erkennen gegeben und geäußert,<br />

wie sehr mich solche Aussagen verletzen.<br />

Den Spruch des Bekannten selbst hätte ich<br />

als weniger schlimm empfunden, wenn ich<br />

meinem Ärger in dieser Situation Ausdruck<br />

verleihen hätte können. Wer weiß, vielleicht<br />

wäre sogar ein konstruktiver Austausch<br />

möglich gewesen. Aber aufgrund der<br />

besagten Gefahren ist ein Outing auch in<br />

solchen Situationen nicht möglich. Und so<br />

bleibt nur eines: Schweigen. Im öffentlichen<br />

Seite 37


Diskurs zum Thema Pädophilie hat es sich zudem eingebürgert,<br />

dass wie selbstverständlich nur über uns Pädophile<br />

geredet wird, aber die Leute fast schon in Panik<br />

verfallen, wenn wir auch mitreden wollen. Für die meisten<br />

Menschen scheint der Gedanke fast schon absurd zu<br />

sein, auch mal mit uns zu reden.<br />

NICHT<br />

TÄTER<br />

WERDEN<br />

In Online-Diskussionen zum Thema Pädophilie bin ich oft<br />

auf Erstaunen und Empörung gestoßen, wenn ich mich<br />

offen zu meiner Neigung bekannt und zu Wort gemeldet<br />

habe. Nicht selten wurde ich auf Internetseiten alleine<br />

dafür gesperrt. In der Öffentlichkeit haben Pädophile<br />

kaum eine eigene Stimme.<br />

Therapieprogramme wie „Kein Täter Werden“<br />

übernehmen Öffentlichkeits-, Aufklärungs- und Informationsarbeit<br />

für uns. In den meisten Medienberichten<br />

über Pädophilie wird mindestens ein Therapeut zu<br />

Rate gezogen, selten wird es akzeptiert, dass persönlich<br />

Betroffene zu Wort kommen. Es scheint fast so, als würde<br />

man uns nicht zutrauen, für uns selber zu sprechen.<br />

Für Menschen mit Behinderung gibt es die von der Bundesregierung<br />

unterstützte Devise „Nicht ohne uns über<br />

uns“. Bei Pädophilen hingegen ist es Normalität, dass<br />

ohne uns über uns geredet und entschieden wird.<br />

Bei vielen Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen<br />

können Betroffene sich anonym<br />

melden. Es wird unbürokratisch Hilfe angeboten,<br />

Fragen werden ohne Vorverurteilung<br />

beantwortet.<br />

www.maenner.at<br />

www.nicht-taeter-werden.at<br />

www.courage-beratung.at<br />

www.psyonline.at<br />

www.psychologen.at<br />

www.promenteplus.at<br />

www.gewaltinfo.at<br />

www.kinder-im-herzen.net<br />

www.schicksal-und-herausforderung.de<br />

www.kein-taeter-werden.de<br />

Bild: PantherMedia/Karsten Ehlers<br />

Genau das macht die Stigmatisierung, die Ablehnung und<br />

den Hass gegen uns noch viel schwerer ertragbar: Dazu<br />

verdammt zu sein, schweigend daneben zu stehen, ohne<br />

etwas sagen zu können. Ärger, Frust, Wut, aber auch<br />

Traurigkeit bleiben unausgesprochen und stauen sich<br />

innerlich an, bis sie sich irgendwann gegen einen selber<br />

richten und zu Selbsthass und -zerstörung werden.<br />

Ich hoffe, dass es irgendwann möglich sein wird, offen<br />

als pädophil aufzutreten und sich gegen die Stigmatisierung<br />

und Diskriminierung zu wehren. Der Blog ist vielleicht<br />

ein erster Schritt in diese Richtung, zumindest hier<br />

kann ich das äußern, was ich anderswo nicht loswerden<br />

Seite 38<br />

kann. ⓿<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


PAUL WIESINGER<br />

Jahrgang 1930<br />

ZUM HOCHZEITSTÅG<br />

ÅLLS GUATE<br />

SUJO<br />

Schau in Spiagl, ålt samma wårn und gånz schen grau<br />

Zum Hochzeitståg ålls Guate! Is wirklich wåhr?<br />

Neunzehnfuchzg håmma gheirat, des san heanz genau<br />

A wånns net zum Glaubm is, gråd siebzig Jåhr!<br />

Viel Årbeit håmma ghåbt. Am Hof und a miteinånd<br />

Von Liebe wår am Ånfang koa Red<br />

Durchhålten håts ghoaßn, wår gråd da Kriag aus im Lånd<br />

Wir håms probiert, nåchm Motto ´Was geht, des geht´<br />

Wiast mi as easchte Mål gsehn håst, håb i dir net gfålln<br />

Då wolltest mi nit amål griaßn<br />

Du wårst für mi åber die Schönste von ålln<br />

Und so hab i um dei Hånd ånhålten miassn<br />

WIR<br />

Legenden der Wahrheit<br />

im Flüstern der Worte.<br />

Wissen der Alten,<br />

Keim der Welt,<br />

im Gestern des Morgen.<br />

Im Kampfe gewahrt,<br />

für Blut vergossen,<br />

mächtig beschworen.<br />

Gewollt, besessen, genossen<br />

und doch verloren.<br />

Bild: A. P. Tauser<br />

Liebe? De håmma erst lernen miassn wir zwoa<br />

Nåch und nåch und Stück für Stück<br />

Wennst Zweisåmkeit ehrst und Respekt håst davor<br />

Dann ist des Ziel a gånz besonderes Glück.<br />

Und so sågn wir zwoa heut aus voller Überzeugung:<br />

Wir håm uns jeden Tåg füreinånder entschieden<br />

Vor Rücksicht und Åchtung a tiefe Verneigung<br />

Ma muass a wås tuan für Einklång und Frieden<br />

Vielleicht heat ma wer zua, wånn i heute såg:<br />

Håltets zåmm, dånn kommts durchs tiafste Tål!<br />

Und dir, mei Braut, zu unserem Ehrentåg:<br />

Wennst wüllst, i heirat di´ gern glei no amål!<br />

Mit Inbrunst beweint,<br />

in Tränen versunken.<br />

Die Einstigen<br />

der alten Zeit,<br />

die Sterblichen der Ewigkeit.<br />

Wir sind es,<br />

die sie waren.<br />

Blind liebend,<br />

im Traum berührt,<br />

mit ahnenden Herzen<br />

im Puls der Lebendigkeit<br />

versprochen.<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

Seite 39


BEN LEANDER WILLGRUBER<br />

EIN EINHORN IM PFERDESTALL<br />

Man muss kein Hengst sein, um Mann zu sein<br />

I<br />

revolutionär gefeiert, wovon sich Schwule<br />

seit den Achtzigern erzählen: dunkle Lokale<br />

mmer im Juni startet die Gay Pride-Saison. Diese und laute Musik, gepaart mit Sex.<br />

Zeit erinnert an die berühmten Stonewall-<br />

Die Sexualität offener auszuleben als Gesellschaft<br />

oder Kirche es uns vorschreiben<br />

Aufstände in New York, die sich gegen die Polizeigewalt<br />

innerhalb der LGBT-Gemeinschaft richteten. Regenbogenparaden<br />

wollen auf Länder und Orte aufmerksam machen,<br />

mögen, ist dabei eigentlich nur eine weitere<br />

Facette des schwulen Lebens, die sich langsam<br />

aber sicher in ein heteronormatives<br />

wo Homosexualität auch heute noch strafbar ist oder<br />

nicht akzeptiert wird. Mit Paradezügen wird gefeiert,<br />

Bild einfügt. Ich erinnere an David Beckham,<br />

der vor einigen Jahren stolz verkünde-<br />

dass wir uns in der westlichen Welt nicht mehr verstecken<br />

müssen, sondern Sichtbarkeit in der Gesellschaft, in<br />

te, ähnlich wie manch schwuler Mann sein<br />

den Medien und in der Politik erlangt haben. Und dass<br />

Aussehen zu pflegen. Der metrosexuelle<br />

Aussagen wie die vom Grazer Bürgermeister Siegfried<br />

Mann, der sich um sein Äußeres kümmert<br />

Nagl, der sich 2003 weigerte, „Homosexualität zur Normalität<br />

in unserer Gesellschaft zu erklären“ (Die Presse,<br />

und „manscaping“, also das Trimmen von<br />

Körperhaaren, betreibt, war geboren. Mit<br />

2003), heute auf massiven Gegenwind stoßen würden.<br />

der Betonung, dass dieser nicht schwul ist.<br />

Schwule Männer brauchen hierzulande keine Angst mehr Geschlechterrollen waren zu dieser Zeit<br />

vor gewalttätigen Übergriffen haben, wenn sie sich in wohl noch um einiges starrer, als sie es<br />

Wäldern, auf Parkplätzen oder in öffentlichen Toiletten auch heute noch sind. Nach wie vor halten<br />

treffen. Heutzutage müssen wir aber auch gar nicht mehr nämlich viele Menschen an Vorstellungen<br />

an fragwürdige Orte gehen, um anonymen Sex zu haben. darüber fest, was es heißt, ein Mann zu<br />

Wir können unsere Sexualität frei und offen ausleben, so sein. Dabei sollte Männlichkeit (und Weiblichkeit<br />

gleichermaßen) vielleicht weniger<br />

wie wir es wollen.<br />

über Aussehen und Verhalten definiert werden,<br />

sondern einfach nur darüber, wie man<br />

Sexuelle Befreiung<br />

sich fühlt.<br />

Fast schon ironisch, dass nun an vielen Stellen die sexpositive<br />

Szene zur sexuellen Befreiung durch Partys und<br />

Unerwartete Freiheit<br />

Clubs aufruft. Das Kitkat oder das Lab.oratory in Berlin,<br />

zeitverzögert gefolgt von der Schwelle und dem Zusammen<br />

Kommen in Wien. Dort wird das als dass meine Art zu leben nie ganz akzeptiert<br />

Ich bin mit dem Gedanken aufgewachsen,<br />

Seite 40 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


sein würde. Wie viele andere Schwule<br />

habe ich mich vor Eltern, Freunden und<br />

Mitschülern verstellt und ein heterosexuelles<br />

Leben vorgespielt. Ich fühlte mich<br />

nicht wie ein richtiger Mann und habe<br />

erst Jahre später zu mir und meiner Sexualität<br />

gestanden. Dann erst habe ich aussortiert,<br />

welche Verhaltensweisen meiner<br />

Jugend wirklich zu mir und meiner Persönlichkeit<br />

gehörten und was nur geschauspielert<br />

war.<br />

Früher dachte ich, dass mir unüberwindbare<br />

Hürden im Wege stehen würden. Zu<br />

heiraten oder Kinder zu bekommen,<br />

schien für mich absolut unmöglich. Aber<br />

der gesetzliche Fortschritt ist, gleich wie<br />

der gesellschaftliche, nicht stehengeblieben.<br />

Ich kann mich glücklich schätzen,<br />

heutzutage fast die gleichen Rechte wie<br />

alle anderen zu haben, selbst wenn ich<br />

gedanklich schon damit abgeschlossen<br />

hatte, jemals in der Lage zu sein, eine eigene<br />

Familie zu gründen.<br />

Heute ernte ich weniger missachtende<br />

Blicke als noch vor einigen Jahren, wenn<br />

ich Händchen haltend mit meinem Freund<br />

spazieren gehe. Letztens ist uns ein junger<br />

Mann gefolgt, nur um uns zu unserem<br />

Mut zu gratulieren, eng umschlungen<br />

durch die Stadt zu gehen. Ich wunderte<br />

mich über diese bestimmt nett gemeinte<br />

Aussage. So mache ich doch nichts anderes<br />

als ich selbst zu sein, ohne die Filter<br />

meiner Jugend. Ich will nur das tun, wofür<br />

Generationen schwuler Männer vor<br />

mir gekämpft haben. Dafür will ich keine<br />

Trophäe und keinen Applaus, sondern<br />

einfach nur das Gefühl, endlich in einer<br />

Welt angekommen zu sein, die Homosexualität<br />

zur Normalität erklärt. ⓿<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

Seite 41


MUSIK<br />

„NACKTHEIT<br />

IN IHRER<br />

REINSTEN<br />

FORM“<br />

Der Souffeur<br />

spricht mit dem<br />

Poeten und Musiker<br />

Salò über das<br />

Video zum Song<br />

„Tränen zu Wein“.<br />

I<br />

n einem Lied, einem Song<br />

treffen sich immer gleich<br />

mehrere Kunstformen. Der unendlich<br />

weite Raum der Musik nimmt<br />

das Universum der Dichtkunst in<br />

sich auf. In einem Musikvideo entsteht<br />

um das Werk herum zusätzlich<br />

Bild: Mario Hainzl<br />

Seite 42<br />

ein Kokon aus bewegten Bildern, befruchtet<br />

das Ursprungswerk im besten<br />

Fall.<br />

Kunst existiert abseits konventioneller<br />

Definitionen – abseits des<br />

Beuys`schen „erweiterten Kunstbegriffs“.<br />

Abseits von Ready-made,<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


dem Objet Trouvé, einem Alltagsgegenstand<br />

oder Abfall, der wie ein Kunstwerk behandelt<br />

wird, abseits von klassischen bildenden<br />

Formen wie Plastik und Malerei. Also<br />

selbstverständlich nicht nur im Zusammenhang<br />

mit den Wortbedeutungen Können und<br />

Geschicklichkeit. Aktionskunst hat sich bereits<br />

vor vielen Jahrzehnten als Schnittmenge<br />

von Kunst und Politik entwickelt. Ist ein<br />

Musikvideo mehr als ein simpler Clip?<br />

Souffeur: Über YouTube und Co. kann<br />

das Video zu Deinem Song „Tränen<br />

zu Wein“ gefunden und mit Augen und<br />

Ohren entdeckt und erlebt werden. Wie<br />

viel Arbeit steckt hinter einem Musikvideo?<br />

Mit dem kreativen Prozess des Songwritings<br />

ist es hier ja nicht getan, oder?<br />

talentierten Braut (Mia Feline), dem mega geilen Schnitt<br />

von David Gesslbauer, dem Colour-Grading (Manuel Portschy),<br />

den Special Fx (Flo Flake), dem Make-Up (Stefanie<br />

Pieper) und nicht zuletzt jeder einzelnen Seele des im Video<br />

zu sehenden Menschenmeeres.<br />

Wir alle kennen Menschen, die, wenn sie ein Musikvideo<br />

sehen, in denen sich nackte Menschen tummeln,<br />

von Sittenlosigkeit sprechen, von Verworfenheit und<br />

davon, dass derartige Werke erstens keine Kunst und<br />

zweitens „krankhaft“ seien. Was sagst Du dazu?<br />

Da das Video mit einer entsexualisierten Form von Nackt<br />

heit spielt, würden mich solche Werturteile nur peripher<br />

tangieren, um es gut bürgerlich zu formulieren. Ich stehe<br />

zu meinen Lastern, wie ich zu meinen Tugenden stehe.<br />

Außerdem hat ein bisschen Verworfenheit noch keinem<br />

geschadet.<br />

Salò: Da „Tränen zu Wein“ mein erstes Musikvideo<br />

war – und auch meine erste Erfahrung<br />

mit der Videoproduktion allgemein –,<br />

war ich sehr überrascht, wie viel Zeit und<br />

Arbeit so ein Video von "nur" ein paar Minuten<br />

in Anspruch nehmen kann. Da war<br />

das Schreiben des Songs noch die kleinste<br />

Arbeit. Das Stichwort ist Teamwork.<br />

Das Video wäre nie möglich<br />

gewesen, ohne ein so großartiges Team<br />

am Start zu haben, beginnend bei der extraordinären<br />

Regie (Mario Hainzl) und Kamera<br />

(Gerfried Guggi), der Koordination der Performer*Innen<br />

(Christina Fritz), Kamera-<br />

Assistenten und Best-Boys (Manuel<br />

Schaffernak, Kevin Wendler), der<br />

wunderschönen und<br />

super<br />

Die einen Kunstkonsumenten halten alles Unkonventionelle<br />

für schlichte Inszenierung, die anderen erkennen<br />

in jedem Kunstwerk eine politische Manifestation. Wo<br />

stehen Dein Song „Tränen zu Wein“ und vor allem die<br />

Absicht hinter dem Video im Spannungsfeld dieser verschiedenen<br />

Perspektiven?<br />

Ich schreibe meine Musik oder plane Videos und die Live-<br />

Performance nicht aus einer Doktrin heraus, sondern<br />

handle eigentlich auf Basis von Intuition und Gefühl.<br />

Nacktheit in der Kunst gibt es, seit es Kunst gibt. Ich<br />

trenne einmal plakativ und stelle auf die eine Seite die<br />

heroische, also idealisierende<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

Seite 43


Nacktheit, und auf die andere eine<br />

bewusst mit Ästhetik spielende<br />

skandalorientierte. Griechische Komödie<br />

versus Pussy-Riot also gewissermaßen.<br />

Mit welcher Seite<br />

siehst Du Dein Video lieber<br />

verglichen?<br />

Wir hatten nie vor, mit Tränen zu<br />

Wein zu provozieren, ganz im Gegen<br />

teil: Vielmehr wollten wir Nacktheit<br />

in ihrer reinsten Form zeigen, frei<br />

von Werten und Moral, aber auch<br />

frei von Sexualisierung. Trotzdem<br />

steht für uns die Ästhetik im<br />

Vordergrund.<br />

Vielen Dank für das Gespräch!<br />

⓿<br />

Szene aus dem Musikvideo zu Tränen zu Wein<br />

Tränen zu Wein<br />

Mein Körper<br />

Deine Regeln<br />

Ich tanz nach deiner Diktatur<br />

Ich bin nur ein<br />

Opfer<br />

Dargebracht auf deim Altar<br />

Ich schlachte mich aus<br />

Ich schlachte mich ab<br />

Nur für dich<br />

Gib mir ein Schluck vom Chlor mit Fanta<br />

Drück mir die Nadel in die Seele<br />

Dein Körper<br />

Meine Religion<br />

Macht meine Tränen zu Wein<br />

Tränen zu Wein<br />

Tränen zu Wein<br />

Ich habe keinerlei Prinzipien<br />

Ich hab dafür meinen Verstand<br />

Längst verloren<br />

Denn wann immer deine Reize mich berühren,<br />

Sterbe ich einen kleinen Tod nur für mich<br />

Sag, kommst du mit ans andere Ufer, Baby<br />

Ich geh ins Wasser nur für dich<br />

Dich dort mit einem andren Mann zu sehen<br />

Macht meine Tränen zu Wein<br />

Macht meine Tränen zu Dom Perignon<br />

Tränen zu Wein<br />

Tränen zu Wein<br />

Ich verstehe all den Terz nicht, sagen alle, die den Schmerz nicht kennen<br />

Ich verstehe all den Terz nicht, sagen alle, die den Schmerz nicht kennen<br />

Ich verstehe all den Terz nicht, sagen alle, die den Schmerz nicht kennen<br />

Ich verstehe all den Terz nicht, sagen alle die den Schmerz nicht<br />

Die ihr Herz nicht<br />

Die sich nicht kennen<br />

Seite 44<br />

Ich fühl mich neugeboren<br />

Ich fühl mich neugeboren ohne dich<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


ANDREA SCHIMEK-FISCHER<br />

GEDICHTE<br />

Ein Genuss<br />

Wenn er genüsslich aufbegehrt,<br />

sie aufspürt<br />

er, der führt,<br />

sich dann ergibt,<br />

spielerisch es liebt.<br />

Drei Herzen<br />

„Vergeblich!“,<br />

sagte das erste zum dritten Herzen.<br />

„Meins schlägt schon für Zwei.“<br />

„Dein Herz ist stark, es hat die Kraft<br />

des Meeres!“, sagte das dritte Herz.<br />

„Und was ist mit dem Verstand?“,<br />

fragte das Erste.<br />

„Ich schätze ihn, aber er hat nichts mit mir zu tun.“<br />

„Und das schlechte Gewissen?“<br />

„Frauensache!“<br />

„Und deine Eroberungsstrategie?<br />

Männersache?!“<br />

„Meine Liebste, gerade du<br />

müsstest es wissen,<br />

dass es unter uns<br />

keine Strategie gibt.<br />

Herzenssache!<br />

Es ist doch wie der Lockruf<br />

eines geheimnisvollen Vogels,<br />

dem wir folgen,<br />

und gegen dessen Magie<br />

wir machtlos sind!<br />

Ich wünschte nur,<br />

dass du dir eingestehst,<br />

wofür du schon so lange schlägst …“<br />

„Und das zweite Herz?“,<br />

fragt das Erste besorgt.<br />

„Es schlägt für dich, so wie du für es schlägst.<br />

Das Meer trägt auch mehrere Schiffe auf seinen Wogen.“<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

Aus nippenden Küsschen<br />

einen einzigen Kuss küssen.<br />

Heißgelaufene Wüstenblume<br />

ist des Nippens satt!<br />

Wissend um wissend,<br />

das Etwas …<br />

trunken, trinken,<br />

im süßen Trunk<br />

versinken.<br />

Was dann kommt?<br />

Wenn sich trennt was eins,<br />

wenn aus zwei Lippen vier,<br />

wenn wieder Mensch statt Tier.<br />

Wenn der Kuss zum<br />

Lebenselixier,<br />

das Küssen<br />

zum Müssen wird ...<br />

Wissend um wissend,<br />

das Etwas…<br />

trunken, trinken<br />

im süßen Trunk<br />

versinken.<br />

… ist es an der Zeit<br />

es wieder zu tun …<br />

Meine Wogen<br />

Du hast meine Wogen gebogen.<br />

So wie du es willst.<br />

Mein wird zu Dein – Mannes Ego gestillt.<br />

Du hast mich belogen – betrogen<br />

um mein Leben mit mir.<br />

Alles dreht sich um dich,<br />

ich tanze nach dir.<br />

Ich habe verloren, unverfroren<br />

hast du meine Wogen gebogen.<br />

Seite 45


INTERVIEW<br />

SONDERANGEBOT<br />

Der Souffeur im Gespräch<br />

mit Menschen,<br />

die Sex zur Quelle eines<br />

Nebeneinkommens gemacht<br />

haben.<br />

V<br />

iktoria (551) aus Wien ist eine<br />

erfolgreiche Geschäftsfrau,<br />

Aron (3399) aus Graz, ein gut verdienender<br />

selbständiger Musiklehrer. Beide leben in<br />

festen Partnerschaften und beide haben eine<br />

ungewöhnliche Leidenschaft: Sex gegen<br />

Geld. Über sogenannte Taschengeld-Profile<br />

auf einschlägigen Internetseiten werden sie<br />

von Menschen gesucht und gefunden, die<br />

bereit sind, für körperliche Nähe und Sex zu<br />

bezahlen. Der Souffeur fragt, Viktoria und<br />

Aaron antworten.<br />

Foto: A.P.Tauser<br />

SEITE 46<br />

Souffeur: Du bist nicht Sexarbeiter/in n<br />

in jenem Sinne, dass Du Deinen Lebensunterhalt<br />

mit der Lust verdienst. Wie oft<br />

hast Du Treffen mit Menschen, die mit Dir<br />

Sex wollen? Wie läuft so ein Treffen ab?<br />

Nur Männer oder auch Frauen?<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


Viktoria: Neben meinem recht gut bezahlten<br />

440- bis 550-Stunden-Job bin ich in der<br />

privilegierten Lage, dieser „Passion“ nachgehen<br />

zu können, wann immer ich Lust dazu<br />

verspüre und mögliche „Anwärter“ für<br />

passend befinde. In der Regel plane ich einen<br />

Termin pro Woche ein, der sich mit<br />

meinen durch Dienstreisen bedingten Aufenthalten<br />

irgendwo in Österreich deckt. Ich<br />

werde über eines meiner Profile auf einschlägigen<br />

Plattformen angeschrieben.<br />

Aus dem jeweiligen<br />

Kontaktmail<br />

kann ich<br />

mittlerweile<br />

schon ganz gut herauslesen, wie jemand<br />

tickt. Ein Telefonat im Vorfeld gibt dann<br />

noch weiteren Aufschluss, ob jemand in<br />

Frage kommt oder nicht.<br />

Ich bevorzuge Treffen im Hotel, Hausbesuche<br />

mache ich selten, und wenn, bei Herren,<br />

die ich bereits kenne und die ein entsprechendes<br />

Ambiente bieten können. Begleitungen<br />

zum Dinner mit anschließendem<br />

Ausklang im Hotel sind auch immer wieder<br />

gefragt.<br />

Jeder Mensch ist einzigartig, was Vorlieben<br />

und Bedürfnisse anbelangt, und genauso<br />

verschieden laufen Treffen ab. Die Herausforderung<br />

für mich ist, es für alle Beteiligten<br />

angenehm zu gestalten. Ich treffe Männer,<br />

Frauen haben mich noch nie<br />

kontaktiert.<br />

Aron: In manchen Zeiten zweimal in der<br />

Woche, manchmal ein halbes Jahr gar nicht.<br />

Fast ausschließlich bei mir in der Privatwohnung.<br />

Ich bin Klavier- und Gesangslehrer<br />

für Erwachsene, und wenn ich tagsüber<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

Erotiktreffen bei mir im Musikraum habe, dann ist ein<br />

solches für meine Mitbewohner – Ehefrau und Teenager-<br />

Kinder – offziell ein Kunden-Termin. Bei vielen Treffen<br />

ist meine Frau aber auch dabei. Sie liebt es, mir beim<br />

Spielen mit anderen Männern zuzusehen. Ich muss anmerken:<br />

Ich habe mit Männern keinen Verkehr, sondern<br />

verwöhne sie auf Basis von Safer Sex mit Händen und<br />

Mund.<br />

Warum Taschengeld? Was reizt Dich daran?<br />

Viktoria: Zurechtgemacht nur auf „Aufriss“ zu gehen, ist<br />

mir eindeutig zu wenig. Ich liebe das knisternde Spiel von<br />

Geben und Nehmen in der Erotik, und es macht mich ganz<br />

besonders an, wenn mich jemand so reizvoll und interessant<br />

findet, dass diese Person meine Zeit sogar mit einem<br />

entsprechenden hohen Betrag wertschätzt und dann ein<br />

Treffen in den meisten Fällen wiederholen möchte.<br />

Aron: Ich habe heute nur mehr drei Männer, mit denen<br />

ich mich ab und zu treffe. Und die Minuten, in denen ich<br />

auf meine Besucher warte, mich und das Zimmer schön<br />

mache, bedeuten mir eine ganz besondere Form der Aufregung.<br />

Es ist keine Lüge, wenn ich sage, dass ich noch<br />

nie etwas mit meinen Taschengelderotikpartnern gemacht<br />

habe, was ich nicht auch ohne Geld gemacht hätte. Der<br />

letztlich eher symbolisch bezahlte Geldbetrag vereinfacht<br />

alles ungemein, unterstreicht die Basis der Treffen, nämlich,<br />

dass ich über den Verlauf bestimme. Alles unnötig<br />

Persönliche fällt weg, weil beide das Gefühl haben können:<br />

Alles geregelt.<br />

Ich habe ähnliche Treffen schon in meiner Studentenzeit<br />

gehabt. 77550 Treffen. Da musste ich jedes Mal schmunzeln,<br />

wenn ein Typ um 10 Uhr vormittags für 155 Minuten mit<br />

mir einen oft gar nicht einmal so kleinen<br />

Seite 47


Geldbetrag bezahlt hat. Viele von denen sind mit schlechtem<br />

Gewissen heim, ich hab das Geld gemeinsam mit meinen<br />

WG-Kollegen zum Partybudget gemacht.<br />

Würde ich heute so viele „Kunden“ haben und so viel Geld<br />

bekommen wie damals, würde ich ein entsprechendes Gewerbe<br />

anmelden. Diese Art des Einkommens ist, das darf<br />

man nicht vergessen, gewerberechtlich und finanzbehördlich<br />

verboten. Es gibt sehr viele Kontrollen in diese Richtung.<br />

die letztlich nie kommt. Für mich persönlich<br />

ist das eine viel traurigere Art des Ausverkaufs<br />

der Seele!<br />

Könntest Du Dir vorstellen, hauptberuflich<br />

als Sexarbeiter/in tätig zu sein?<br />

Viktoria: Mit meinem Wissen und den bisherigen<br />

Erfahrungen könnte ich mir durchaus<br />

vorstellen, meine Passion zum Hauptberuf<br />

zu machen.<br />

Aron: Auf<br />

keinen Fall!<br />

Was, wenn<br />

da immer<br />

wieder Männer<br />

dabei<br />

sind, die mir<br />

Hast Du eine/n Partner/in? Wenn ja, was sagt er/sie zu nicht gefallen, die mich nicht sexuell anziehen?<br />

Ich würde verhungern als professio-<br />

Deinem Hobby? Wissen andere Menschen in Deinem<br />

Umfeld davon? Wenn ja, musst Du Dir negative Kritik nelle Hure. Die Vorstellung, Männer zu berühren,<br />

die ich abstoßend finde, die ich<br />

gefallen lassen? Wirst Du als unmoralisch, als Hure abgewertet?<br />

nicht riechen kann, die mir zuwider sind …<br />

Ich möchte gar nicht daran denken. Ein bedingungsloses<br />

Grundeinkommen wäre in<br />

Viktoria: Mein Partner, mit dem ich seit 10 Jahren zusammenlebe,<br />

weiß von meinem zweiten Leben und schöpft diesem Zusammenhang vor allem für viele<br />

beim gemeinsamen Sex sogar Erregung daraus, dass so Profi-Huren eine Basis, loszukommen von<br />

viele Männer „seine Frau“ begehren und ihn beneiden. In einer halblegalen Form der Sklaverei.<br />

meinem privaten Umfeld weiß kaum jemand davon, die<br />

wenigsten hätten dafür Verständnis. Verlieben sich Männer in Dich? Hast Du<br />

Dich schon einmal in einen „Kunden“ verliebt?<br />

Wie gehst Du damit um?<br />

Aron: Hure bin ich in gewisser Hinsicht in gewissen Bereichen<br />

meiner Persönlichkeit ja auch. Für mich ist das<br />

aber nichts moralisch Verwerfliches. Ich kenne Menschen,<br />

Viktoria: Ohne überheblich wirken zu wollen,<br />

meine ich schon, dass sich der eine o-<br />

die wochenlang, jahrelang tagtäglich Dinge für Geld tun,<br />

die sie hassen, die sie krank machen. Am Montag auf den<br />

der andere Gast verliebt hat. Ich trenne dies<br />

Freitag warten, am Ersten des Monats auf den Ersten des<br />

jedoch so rigoros von meinem Privatleben,<br />

nächsten Monats, im Winter auf den Urlaub im Sommer,<br />

dass ich mit keinem meiner Gäste über einen<br />

sehr oberflächlichen Mailkontakt für<br />

mit 2255 darauf, dass man endlich 6655 und in Rente ist. Das<br />

ganze Leben wird zur Wartezeit. Warten auf eine Freiheit,<br />

Terminvereinbarungen hinaus<br />

Seite 48 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


kommuniziere.<br />

Umgekehrt gibt es auch einige wenige Herren,<br />

auf die ich mich schon immer sehr<br />

freue, wo beim Treffen fast romantisch verliebte<br />

Stimmung aufkommt. Aber ich<br />

schaffe es trotz all der liebevollen Geschenke,<br />

der tollen Musik, die bei Treffen im Hintergrund<br />

läuft, und dem sinnlich erfüllenden<br />

Kuschelsex dann doch, gefühlsmäßig<br />

nicht zu sehr reinzurutschen. Das funktioniert<br />

meiner Meinung nach nur, weil<br />

ich in einer emotional gefestigten<br />

und glücklichen Beziehung lebe.<br />

90 Prozent der Herren, die ich treffe, in festen Beziehungen.<br />

Männer, die über ihr Tun niemandem Rechenschaft<br />

ablegen müssen, sind eindeutig die Minderheit. Bei einigen<br />

meiner „Wiederholungstäter“ habe ich durchaus den<br />

Status einer Geliebten. Sie schätzen die Tatsache, dass sie<br />

für Erotik bezahlen, damit sie ihre Verpflichtungen erfüllt<br />

haben und von mir keine weitere Gefahr für ihr Privatleben<br />

ausgeht.<br />

Aron: Alle meine männlichen Besucher sind verheiratet.<br />

Aron: Ich habe mich selbstverständlich<br />

noch in keines meiner Dates verliebt,<br />

meine Bisexualität beschränkt<br />

sich auf die erotische Ebene. Meine<br />

Frau und ich haben hin und wieder<br />

auch Treffen mit Paaren, ohne Taschengeld<br />

selbstverständlich. Sind da<br />

Gefühle mit im Spiel, ist das kein<br />

Problem. Verliebtsein ist schön, mit<br />

der Liebe zwischen mir und meiner<br />

Frau hat das nichts zu tun. Menschen theatralisieren<br />

dieses Thema viel zu sehr. Ich<br />

kann einen Menschen lieben und zugleich in<br />

einen anderen verliebt sein. Umgekehrt haben<br />

sich Männer bereits in mich verliebt.<br />

Damit umgehen? Pragmatisch: Ich kann darauf<br />

hinweisen, dass die jeweiligen Treffen<br />

auf monetärer Basis stattfinden. Wie gesagt:<br />

Alles geregelt.<br />

Wie viele Deiner Dates haben feste PartnerInnen?<br />

Bist Du für manche Deiner Lover<br />

eine Art Geliebte/r? Wie ist es zu wissen,<br />

dass Du der Seitensprung bzw. das Erotikabenteuer<br />

für einen verheirateten Mann<br />

bist?<br />

Viktoria: Meiner Erfahrung nach leben gut<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

Zu mir kommen übrigens auch Damen, auch die sind alle<br />

verheiratet. Einige meiner Bekanntschaften befinden sich<br />

in längst schon belastenden Beziehungskonstellationen.<br />

Ich verheimliche den Empfängern meiner Berührungen<br />

nicht, dass ihr Verhalten für mich eine Flucht vor klaren<br />

Entscheidungen ist. In der Vergangenheit, als ich noch<br />

mehr Treffen hatte, wurden viele Männer zuerst von der<br />

Lust auf ein Abenteuer zu mir und danach von dem<br />

schlechten Gewissen wieder heim getrieben. Trieb ist hier<br />

ein passendes Wort. Die haben mich besucht und waren 2<br />

Minuten nach dem „Kommen“ bereits wieder auf der Autobahn.<br />

Wahrscheinlich fiebrig auf der Suche nach einer<br />

Ausrede für das späte Heimkommen, angeekelt von ihrem<br />

eigenen Handeln. Aber das muss jeder meiner Besucher<br />

mit sich selber ausmachen, ich bin keine Moralinstanz.<br />

Bei Treffen nur klassischer Sex oder auch ausgefalle<br />

Seite 49


Spiele? Was hast Du schon alles erlebt? vorkommen, treffe ich nicht. Die Anonymität<br />

auf digitalen Plattformen bringt immer<br />

Viktoria: Diese Frage muss ich mit einer Gegenfrage beantworten:<br />

Was ist klassischer Sex, was ist ausgefallen? Unding, mit dem ich nicht so gut zurecht-<br />

wieder zwielichtige Gestalten hervor. Ein<br />

Was für den einen durchaus als Standard gilt, empfindet komme, ist die allgegenwärtige<br />

ein anderer vielleicht schon als arge, unvorstellbare „Unverbindlichkeit“ unserer Tage. Ohne<br />

Schweinerei. Aber so viel sei verraten: mein Potpourri ist Absage nicht erscheinen, geht für mich gar<br />

sehr breitgefächert. Was passiert, hängt jedoch vom Potential<br />

meines Gegenübers ab. Beispiel: Nur, weil jemand qualität, die meine Zeit entsprechend wert-<br />

nicht. Ich mag Menschen mit Handschlag-<br />

„Fifty Shades Of Grey“ gesehen hat, ist er noch lange kein schätzen.<br />

erstzunehmender dominanter Sexualpartner. Bei vielen<br />

Herren ist halt oft auch der Wunsch Vater des Gedankens, Aron: Fixe Treffen vereinbaren, dann nicht<br />

und das war’s dann aber schon. auftauchen. Das sind die, die sich nicht<br />

trauen, die ihr Bi-Interesse dann einhändig<br />

Aron: Ich bin ohnehin ein an vielem interessierter vor dem Monitor ausmachen. Oder ich bringe<br />

so viel Unglück, dass bei vielen Männern<br />

Mensch. Ich habe schon so einige Fetische und Spielvarianten<br />

kennengelernt, habe Männer ans Bett gefesselt, geknebelt<br />

und mit Dildos penetriert, habe für weibliche Be-<br />

haben, Wasserrohrleitungen platzen, Rehe<br />

gerade dann, wenn sie mit mir vereinbart<br />

sucher den Frauenarzt gespielt, sie mit den Füßen befriedigt,<br />

habe 22 Meter große und 1880 Kilo schwere Männer an dauern, Reifenpannen passieren …<br />

vors Auto laufen, Außentermine doch länger<br />

der Leine geführt, habe auf Gesichter und in Münder uriniert.<br />

Aber was ist schon ausgefallen? ges erlebt. Männer, die 220 Kilometer mit<br />

In Punkto Körperpflege habe ich schon eini-<br />

dem Fahrrad zu mir fahren, wollen sich<br />

Bekommt man mit zunehmender Zahl an Bekanntschaften<br />

eine bessere Menschen- bzw. Männerkenntnis? legen. Andere könnten ihre Schuhe um zwei<br />

dann ohne Dusche auf den Massagetisch<br />

Nummern kleiner kaufen, wenn sie Zehennägel<br />

und Fersenhornhaut abarbeiten wür-<br />

Viktoria: Ja, wenn man ein offener Mensch ist, lernt man<br />

grundsätzlich nie aus und sammelt laufend Erfahrungen. den. Solchen Männern sage ich offen, dass<br />

Mit der Zeit kann ich sagen, es gibt nichts, was es nicht ich sie nicht berühren und auch nie wieder<br />

gibt. Ich muss immer wieder staunen. sehen möchte. Einmal hat mir ein Mann –<br />

wohlgemerkt nach dem sexuellen Höhepunkt<br />

– einen Brieföffner an den Hals ge-<br />

Aron: Ja und nein. Manche Männertypen lernt man tatsächlich<br />

zu durchschauen mit der Zeit. Und manche Herren<br />

überraschen einen wieder vollkommen, sind dann we-<br />

Kniestoß in die Weichteile, auf meine Hilfehalten<br />

und Geld von mir gefordert. Ein<br />

sentlich versauter oder viel unterwürfiger, als man vermuten<br />

würde. der Hinweis darauf, dass er derjenige mit<br />

rufe in den Raum eilende WG-Kollegen und<br />

dem Geld ist, haben die Situation aber<br />

Welche negativen Erfahrungen hast Du gemacht? Gibt schnell geklärt.<br />

es negative Aspekte an Deiner Leidenschaft?<br />

Vielen Dank für die ehrlichen Antworten!<br />

Viktoria: Personen, die mir im Vorfeld nicht ganz astrein<br />

⓿<br />

Seite 50 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


du håst ma schene augn gmocht, madam<br />

und a jeda, der augn hot, der hot des gsehn<br />

und ih, ih hob jetzt waache knia<br />

i kumm ned weg vo dir, wö i kann jå ned gehen<br />

bei dir bleib ih daham<br />

BENNY RUPRECHT<br />

IH MÅG<br />

kånn mih vor lauter gspian ned mehr gspian<br />

nix is mehr, wias gestern wår<br />

i håb nix mehr unter kontrolle<br />

i waß ned: soll ich ångst håm davor?<br />

nur ned die nerven verliern<br />

geht’s dir a so, wia mir<br />

gpsiast unser zukunft, de neiche?<br />

aha! du bist da ned sicha<br />

dann schleich dih, is eh immer as gleiche<br />

ih kånn går nix dafia<br />

ih måg kane hund, und mein voda, den måg ih scho går ned<br />

und wer mih um an fuchzger anschnorrt, kriagt an vurtråg vo mir<br />

auf meine kostn frei sein? des is jå ned wåhr ned<br />

wo kämen ma hin, wenn ih an åndern sein lenz finanzier?<br />

und jå, du håst recht: ih håb so wås, wia a freindin oder a frau<br />

und ih bin so wås wia glücklich mit ihr, oder dånkbår. zwår net immer gånz frei<br />

åber wås is scho liebe? wås is scho glick? des waß kana genau<br />

ois kånn ma ned håm. Ih werd ernster und schweigsam, åber ih muaß zfriedn sein dabei<br />

åber na! mit dir! då wär ålles so leicht<br />

kumm! wia brauchn doch nix, außer uns zwaa<br />

und wånn du a kind wullast vo mir<br />

jå! bei dir såg ih ned naa<br />

hamma den himmü erreicht<br />

bei dir, då gspür ih a brennen<br />

kumm! laaf mit mir auf und davon<br />

vielleicht lebm ma wia kaiser oder vom betteln<br />

aber wuascht! des sehn ma dann schon<br />

jetzt haßts amål rennen<br />

und wånn du an hund wüst, fia dih måg ih den a<br />

ih nimm dih! ohne misstraun, jå, ohne zweifl<br />

wås sågst? du zweifelst schon?<br />

ah! dann geh doch zan teifl<br />

låss mi zruck, mi klans heifl<br />

ih måg kane hund, und mein voda, den måg ih scho går ned<br />

und wer mih um an fuchzger anschnorrt, kriagt an vurtråg vo mir<br />

auf meine kostn frei sein? des is jå ned wåhr ned<br />

wo kämen ma hin, wenn ih an åndern sein lenz finanzier?<br />

und jå, du håst recht: ih håb so wås, wia a freindin oder a frau<br />

und ih bin so wås wia glücklich mit ihr, oder dånkbår. zwår net immer gånz frei<br />

åber wås is scho liebe? wås is scho glick? des waß kana genau<br />

ois kånn ma ned håm. Ich werd ernster und schweigsam, åber ih muaß zfriedn sein dabei<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

SEITE 51


MANUEL M.<br />

(Name von der Redaktion geändert.)<br />

POSITIV TROTZ POSITIV<br />

Mein Leben mit HIV<br />

I<br />

ch bin 2266, komme aus Graz; bin seit nunmehr vier<br />

Jahren HIV-positiv.<br />

Im Jahr 22<strong>01</strong>66 kam ich mit Fieber und Darmbeschwerden<br />

ins Krankenhaus. Nach fünf Tagen Aufenthalt durfte ich<br />

mit der Diagnose „Proktitis“ (Darmentzündung;<br />

Anm.d.Red.) wieder raus, musste aber noch auf den abschließenden<br />

Arztbrief warten. In dieser Zeit hat mir eine<br />

Krankenschwester Blut abgenommen. Auf einem der Befundzettel<br />

stand: „HIV und Syphilis ausständig“. Ich<br />

schenkte dieser Anmerkung anfangs keine Beachtung.<br />

und möglichen Folgen wusste und keine<br />

Informationen hatte. Außer den Sachen, die<br />

man mal kurz in der Schule im Sexualunterricht<br />

anschneidet, oder nebenbei in den Medien<br />

hört. Mein damaliger Freund, der angehender<br />

Medizinstudent und bei der Rettung<br />

tätig ist, versuchte, mich mit aufmunternden<br />

Worten zu trösten. Er kannte HIV-<br />

Positive, die in Therapien waren und so gut<br />

wie keine Nebenwirkungen hatten. Für ihn<br />

war es von Tag eins an überhaupt kein<br />

Problem.<br />

Eine Woche später wurde ich in einem Telefonat mit den<br />

Ärzten gebeten, doch bitte am nächsten Tag dringend ins<br />

Krankenhaus zu kommen, weil im Befund „etwas unklar“<br />

sei, wie sie sagten. Wie verlangt, bin ich mit meinem damaligen<br />

Freund ins Spital und bekam dort dann die Diagnose:<br />

„HIV-positiv“.<br />

Treatment as Prevention<br />

Am nächsten Morgen, auf der Spezialambulanz,<br />

wurde mir der Großteil meiner Ängste<br />

genommen:<br />

Die versprochene, umfangreiche und komplette<br />

Information folgte. Psychologische<br />

Gefangen im Schock, bekam ich eine kurze, knappe, wenig<br />

professionelle Aufklärung und die Information: „Alle weiteren<br />

Fragen beantworten morgen die Kollegen auf der<br />

Spezialambulanz, wo bereits ein Termin für Sie vereinbart<br />

ist.“ Zusätzlich wurde mir mitgeteilt, dass ich ab sofort<br />

im Krankenstand sei.<br />

Ganz plötzlich dachte ich, meine Welt bricht zusammen,<br />

Seite 52<br />

da ich nichts vom Umgang mit der Krankheit<br />

Betreuung wurde mir angeboten und eine<br />

Therapie, mit der ich natürlich sofort begonnen<br />

habe und mit der es bis heute keine<br />

Probleme gibt. Sechs Monate nach der Diagnose<br />

durfte ich das erste Mal offziell sagen,<br />

ich bin „unter der Nachweisgrenze“. Ich<br />

werde weiterhin einmal im Quartal getestet,<br />

in meinem Blut können keine HIV-Viren<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


mehr gefunden werden, die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass ich jemanden mit der Krankheit<br />

anstecken könnte, ist demnach so gut<br />

wie null. Dennoch ist es Pflicht, Sexualpartner<br />

darauf hinzuweisen, dass ich HIVpositiv<br />

bin. Ich bin seit einem Jahr wieder<br />

in einer glücklichen Beziehung. Mein<br />

Freund ist HIV-negativ, meine Krankheit<br />

war für ihn nie ein Problem. Ein paar Mal<br />

hab ich bereits darüber nachgedacht, wo<br />

und wie ich mich infiziert haben könnte. Ich<br />

vermute, dass es während einer Sexparty<br />

passiert ist. Bei einem meiner Spielpartner<br />

platzte wegen seines Prinz-Albert (Piercing<br />

am Eichelkranz des Penis; Anm.d.Red.) das<br />

Kondom. Der Typ meinte nur, dass nichts<br />

passieren könne, weil er gesund sei und ist<br />

abgehauen.<br />

PreP – Die Pillen davor<br />

Ich denke, dass Aufklärung im Zusammenhang<br />

mit HIV das Wichtigste ist – und das<br />

nicht nur in der Phase einer entstehenden,<br />

wachsenden Partnerschaft. Trotz dessen ich<br />

HIV-positv war, hatte ich als Single Abenteuer<br />

und meinen Spaß. Oft bekam ich Abweisungen,<br />

weil jemand Angst hatte, sich<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

bei mir anzustecken, obwohl ich auf die erfolgreiche Therapie<br />

hinwies und Kondome ohnehin ein unverzichtbarer<br />

Schutz sein müssen. Viele Reaktionen, meine ich, sind auf<br />

mangelnde oder falsche Informationen zurückzuführen.<br />

Was mir auffällt, ist, dass in den letzten Jahren die PreP<br />

(*) bei vielen Menschen immer mehr zu einem Thema<br />

wird. Eine Ansteckung mit HIV kann dadurch zwar verhindert<br />

werden, die Prophylaxe schützt allerdings nicht<br />

vor anderen Geschlechtskrankheiten.<br />

⓿<br />

* PrEP: Prä-Expositions-Prophylaxe. HIV-Medikamente<br />

für HIV-negative Personen zum Schutz vor einer Infektion.<br />

Die PrEP ist seit Anfang 2<strong>01</strong>8 auf Privatrezept bei HIV-<br />

Behandlungszentren bzw. niedergelassenen HIV-<br />

ExpertInnen beziehbar. Voraussetzung ist ein HIV-Test.<br />

Die PrEP ist eine Ergänzung für Personen, die sich nicht<br />

mit anderen Methoden wie etwa durch Kondome schützen<br />

können und kein Ersatz der bestehenden Präventionsangebote.<br />

Informationen erhältlich bei einem Arzt/einer Ärztin<br />

mit Spezialisierung auf queere Gesundheit sowie bei BeraterInnen<br />

der Aids-Hilfe.<br />

Seite 53


INTERVIEW<br />

Körperabformung und Foto: Robert Stadler www.yoniversum.art<br />

Die Körperabformung zeigt den Torso von Helena Löffer<br />

ICD-10:<br />

PSYCHISCHE<br />

STÖRUNG MIT<br />

DEM CODE F6644<br />

Transgender? Transsexualität?<br />

Wühlen wir<br />

uns in einem Gespräch<br />

von Begriffichkeiten.<br />

mit Helena Löffer<br />

durch die Vielzahl<br />

A<br />

us einem Leserbrief<br />

in einer österreichischen<br />

Tageszeitung: Vereinzelt sind an öffentlichen Orten nicht nur Toiletten für Damen und<br />

Herren, sondern auch Räume mit der Türaufschrift „Anderes“ bzw. „Unisex“ zu finden.<br />

Was soll das? Gibt es denn mehr als zwei Geschlechter? Die Antwort darauf ist einfach: Ja.<br />

SEITE Seite 00 54 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


Laut einer Studie, die ursprünglich in den<br />

USA durchgeführt und in den Niederlanden<br />

wiederholt wurde, erklärt einer von hundert<br />

Menschen, sich nicht eindeutig als<br />

Mann oder als Frau zu fühlen. In rund 220<br />

Staaten der Welt (darunter Deutschland,<br />

Österreich, Dänemark, Neuseeland, Kanada,<br />

Australien und mehrere Bundesstaaten der<br />

USA) wird mittlerweile ein unbestimmtes<br />

Geschlecht anerkannt, in Reisepässen etwa<br />

wird in diesen Fällen als Geschlechtsbezeichnung<br />

ein „X“ vermerkt.<br />

H<br />

elena, Du bist 21, Dein<br />

Geschlecht wurde nach<br />

Deiner Geburt als männlich festgelegt.<br />

Seit wann bist Du Helena?<br />

Helena: Ich lebe seit meinem 188. Lebensjahr<br />

als Transfrau.<br />

Zitat ICD-10, „Internationale statistische<br />

Klassifikation der Krankheiten“:<br />

„Störungen der Geschlechtsidentität.<br />

F64.0: Transsexualismus. Der Wunsch, als<br />

Angehöriger des anderen Geschlechtes zu<br />

leben und anerkannt zu werden. Dieser<br />

geht meist mit Unbehagen oder dem Gefühl<br />

der Nichtzugehörigkeit zum eigenen<br />

anatomischen Geschlecht einher. Es besteht<br />

der Wunsch nach chirurgischer und<br />

hormoneller Behandlung, um den eigenen<br />

Körper dem bevorzugten Geschlecht soweit<br />

wie möglich anzugleichen. F64.1:<br />

Tragen gegengeschlechtlicher Kleidung,<br />

um die zeitweilige Erfahrung der Zugehörigkeit<br />

zum anderen Geschlecht zu erleben.<br />

Der Wunsch nach dauerhafter Geschlechtsumwandlung<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

oder chirurgischer Korrektur besteht nicht; der Kleiderwechsel<br />

ist nicht von sexueller Erregung begleitet.“<br />

Empfindest du dich als krank?<br />

Helena: Als krank empfinde ich mich definitiv nicht.<br />

Nicht mehr. Einen einzigen alleinigen Grund für Transidentität<br />

gibt es nicht. Die Gene spielen hier eine entscheidende<br />

Rolle. Hat man lange Zeit angenommen, dass das X-<br />

und das Y-Chromosom für Frau (XX) und Mann (XY) zuständig<br />

sind, weiß man inzwischen, dass lediglich ein<br />

kleiner Baustein des Y-Chromosoms für die Entwicklung<br />

verantwortlich ist. Bis zur 88. Schwangerschaftswoche gibt<br />

es einheitliche „Geschlechtsmerkmale“, aus denen sich<br />

dann später entweder Eierstöcke und Gebärmutter oder<br />

Hoden, Prostata und Penis entwickeln. Ist das sogenannte<br />

SRY-Gen vorhanden, entwickeln sich männliche Geschlechtsmerkmale,<br />

fehlt es, entwickeln sich weibliche.<br />

Bei der Befruchtung werden bei der Frau die XX-<br />

Chromosomenpaare geteilt, so dass jedes Ei ein X Chromosom<br />

enthält. Bei dem Mann wird das XY-Paar geteilt,<br />

so dass jeweils ein Spermium mit X und eines mit Y Chromosom<br />

vorhanden ist. Trifft ein Spermium auf ein Ei, vereinigen<br />

sich die Chromosomen wieder zu XX oder XY. Soweit<br />

so gut. Bei der Teilung beim Mann kann es aber dazu<br />

kommen, dass das SRY-Gen auf das X-Chromosom wandert.<br />

Das Ergebnis: Es entwickelt sich eine Frau (XX-<br />

Chromosomen), durch den Einfluss des SRY-Gens entstehen<br />

allerdings männliche Geschlechtsmerkmale. Und das<br />

ist nur ein einziger Grund für Transsexualität. Einer von<br />

vielen. Transidente können für ihre Transidentität genau<br />

so viel wie ein 22 Meter großer Mann etwas für seine Größe<br />

kann. Nichts! Daraus erklärt sich auch, dass es nicht<br />

möglich ist, Transidentität zu heilen.<br />

Ich empfinde mich selbst als „besonders“ im positiven<br />

Sinne. Ich hatte aber mit 177 ganz schön mit mir selbst zu<br />

kämpfen. Damals empfand ich mich selbst schon als<br />

krank! Mein Stiefvater war nicht unbedingt LGBTfreundlich<br />

und ich hab heute noch Phrasen im Kopf, in<br />

denen er transidente Menschen als krank abstempelte.<br />

Heute hab ich zum Glück eine sehr positive Körperwahrnehmung<br />

und ich fühle mich wohl, so leben zu können,<br />

Seite 55


wie ich bin.<br />

Zur internationalen Krankheitsdefinition: Eine solche<br />

beträfe wohl viele Menschen in irgendeiner Form. Nach<br />

ICD-10-GM F65.0 etwa wird der „Gebrauch toter Objekte<br />

als Stimuli für die sexuelle Erregung und Befriedigung“<br />

als sexueller Fetischismus definiert. Fetischistische<br />

Störung. Von medizinischer Seite betrachtet ist<br />

auch Fetischismus eine Form der Paraphilie. Sexuelle<br />

Erregung durch Schuhe, Latex- oder Lederobjekte, und<br />

Damen- oder Reizwäsche, Dildos, Strumpfhosen, Piercings<br />

… Nach DSM-IV, Diagnostik und Klassifikation<br />

psychischer Störungen, gehören da auch Fuß-, Brustund<br />

alle anderen Körperteilfetische dazu. Nicht alles,<br />

was per Klassifizierung pathologisch ist, muss also<br />

auch im Alltag dementsprechend krankhaft sein. Seit<br />

wann weißt Du, dass Deine Identität nicht männlich<br />

ist?<br />

Helena: Ich habe so mit 166 angefangen zu realisieren,<br />

dass ich als Frau leben möchte. Ich hab damals angefangen,<br />

mich zu schminken und in der Frauenabteilung einkaufen<br />

zu gehen. Sprach mich allerdings jemand darauf<br />

an, ob ich nicht lieber eine Frau sein wolle, war meine<br />

Antwort immer Nein. Als ich das erste Mal mit einer<br />

Freundin über meine Identitätskrise gesprochen habe,<br />

war ich fast 188.<br />

Planst Du eine geschlechtsanpassende Operation?<br />

mir die Augen geöffnet und mir gezeigt, wie<br />

schön mein Körper ist. Diese Menschen helfen<br />

mir auch, meine männliche Sexualität<br />

ausleben zu können.<br />

Du bist heute bereits in der präoperativen<br />

Hormontherapie?<br />

Helena: Also in Hormonbehandlung bin ich<br />

seit gut einem Jahr. Am Anfang war das eine<br />

sehr turbulente Zeit, beinahe so, als würde<br />

ich noch einmal pubertieren. Gefühlsschwankungen<br />

und Hitzewallungen waren<br />

meine ständigen Begleiter. Mittlerweile hat<br />

sich das aber zum Glück alles eingependelt.<br />

Es gibt zur Geschlechtsanpassung eine<br />

Reihe ergänzender Korrekturen: Brustvergrößerung,<br />

Stimmbandoperation, Verkleinerung<br />

des Adamsapfels. Planst Du Eingriffe<br />

dieser Art?<br />

Helena: An eine Brustvergrößerung dachte<br />

ich vor der Hormontherapie schon, allerdings<br />

bin ich mit dem Ergebnis der Hormonbehandlung<br />

zufrieden. Ich denke mir,<br />

jede Operation könnte auch nach hinten<br />

losgehen, und ich will für so etwas wie Perfektion<br />

nicht mein Leben riskieren.<br />

Helena: Ja, die nötigen Vorkehrungen dafür hab ich schon Fühlst Du Dich in emotionaler, partnerschaftlicher<br />

und in sexueller Hinsicht zu<br />

getroffen. Allerdings fühle ich mich zurzeit einfach noch<br />

nicht bereit dazu. Ich will mich zuerst noch sexuell ausleben<br />

und Erfahrungen sammeln, die ich nach der OP nicht gezogen?<br />

Frauen und Männern gleichermaßen hin-<br />

mehr machen kann.<br />

Helena: Mir war, glaube ich, mit 122 bewusst,<br />

dass ich auf Männer stehe und für<br />

Meinst Du damit Erfahrungen im Zusammenhang mit<br />

männlicher Erotik, männlichen Geschlechtsteilen? mich kamen Frauen nie in Frage. Darüber<br />

habe ich einfach nie nachgedacht. Als ich<br />

Helena: Ja. Ich durfte letztes Jahr eine Handvoll Menschen<br />

kennenlernen, die polyamor leben, und die haben nenlernte, entdeckte ich, dass ich auch<br />

dann im März meine neuen Freunde ken-<br />

Seite 56 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


Frauen sexuell sehr anziehend finde, und seitdem schließe<br />

ich nicht aus, dass ich mich auch in eine Frau verlieben<br />

könnte. Geschlechtliche Identität ist zudem zu trennen<br />

von sexueller Identität. Die erotischen Ausrichtungen von<br />

nichtbinären Menschen sind genauso unterschiedlich und<br />

vielfältig wie die von binären.<br />

Wie hat Dein nahes Umfeld auf Deine Metamorphose<br />

reagiert?<br />

Helena: Mein Umfeld war ganz locker und ich glaube, die<br />

meisten haben schon auf den Tag meines Outings gewartet.<br />

Sogar mein<br />

Opa meinte schon, als ich im Kindergarten war, dass mit<br />

mir ein Mädchen verloren gegangen sei. Meine Onkel, die<br />

mir nach meiner Verwandlung zur Frau am Anfang noch<br />

recht zögerlich Küsschen beim Begrüßen auf die Wange<br />

drückten, sehen mich mittlerweile als ihre Nichte an. Ich<br />

muss sagen, dass ich ein wahnsinniges Glück habe, von all<br />

meinen Freunden und von der ganzen Familie unterstützt<br />

zu werden. Ab und zu komme ich in Situationen, in denen<br />

ich mich dennoch unwohl fühle. Meine Oma ist schon<br />

ziemlich dement, und sie kann sich an keine Helena erinnern.<br />

Kürzlich hat meine Mama versucht, Oma dabei zu<br />

helfen, sich zu erinnern, und gesagt: Das ist mein Sohn!<br />

Obwohl ich weiß, dass meine Mama es nicht böse gemeint<br />

hat, fühlte ich mich trotzdem verunsichert.<br />

Es gibt junge Menschen, die in ähnlicher Situation sind,<br />

wie Du vor einigen Jahren, die aber vielleicht ein wesentlich<br />

unfreieres Umfeld haben. Was kannst Du ihnen<br />

raten? Gibt es Hotlines, Anlaufstellen?<br />

Helena: Seid ihr selbst! Viele Jugendliche outen sich bei<br />

ihren Eltern und werden verstoßen, geschlagen oder gar<br />

tot geprügelt. Leben ist so wertvoll. Wer Angst hat, suche<br />

jemanden, der helfen kann. In Graz gibt es die Beratungsstelle<br />

„Courage“ für transidente Jugendliche. Dort kann<br />

man neben Einzelberatungen auch bei Gruppen-Meetings<br />

mit anderen Transgender-Veranstaltungen mitmachen.<br />

Liebe Helena, vielen Dank für das Interview!<br />

⓿<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

Eine Deutung der Begrifflichkeiten.<br />

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit.<br />

Gender: Soziales Geschlecht. Transgender bzw.<br />

Transidente, Transgeschlechtlichkeit,<br />

Transidentität oder Trans*: Menschen,<br />

deren geschlechtliche Identität nicht mit ihrer<br />

meist schon direkt nach der Geburt anhand von<br />

äußeren Merkmalen erfolgten Zuordnung zu einem<br />

bestimmten Geschlecht übereinstimmt.<br />

Transsexualität: Dieser Begriff wird im allgemeinen<br />

Sprachgebrauch in zunehmendem Maße vermieden,<br />

zu sehr steht er in einem pathologischen<br />

Kontext und in Verbindung mit einer sogenannten<br />

Heteronormativität, wonach Heterosexualität<br />

die soziale Norm und alles andere Symptom einer<br />

Krankheit ist.<br />

Genderfluid: Das Geschlecht kann zwischen verschiedenen<br />

Geschlechtern wechseln. Bigender: In<br />

der sozialen Identität Weiblichkeit und Männlichkeit<br />

in sich vereint. Pangender: Identifikation mit<br />

allen möglichen Geschlechtsidentitäten. Gender<br />

neutral oder Agender: Ohne Genderidentität.<br />

Queer: Genderidentität „quer“ zur vorherrschenden<br />

Norm der binären Heterosexualität. Ebenso<br />

Schlagwort für politische Bewegungen und Gruppen.<br />

FLTI*: Frauen, Lesben, Trans-Menschen mit Sexismuserfahrung.<br />

Nichtbinär: Geschlechtsidentitäten,<br />

die weder ausschließlich männlich<br />

noch weiblich sind, somit außerhalb einer<br />

binären Einteilung. Androgyn: Mischung o-<br />

der Kombination aus männlich und weiblich, zum<br />

Teil auch nur bezogen auf Kleidung und Verhalten.<br />

Intersexualität: Überbegriff für verschiedene<br />

klinische Phänomene, deren Ursache etwa bedingt<br />

ist durch Geschlechtschromosomen, Genetik<br />

oder hormonelle Entwicklung. Questioning:<br />

Das Hinterfragen und Entdecken der eigenen<br />

Identität und sexuellen Orientierung.<br />

Begriffe, die im Umfeld von Transgender zu finden<br />

sind: Transvestitismus (von lateinisch trans<br />

„hinüber, auf die andere Seite“, und lateinisch<br />

vestire „kleiden“) bezeichnet das Tragen von Kleidung,<br />

die einem anderen Gender zuzuordnen ist.<br />

(Eng verwandt mit dem meist erotischen Kontekt<br />

gebräuchlichen Crossdresser.) Damenwäscheträger<br />

(DWT): Unter der Alltagskleidung wird<br />

unsichtbar Wäsche des anderen Genders getragen.<br />

Auch als erotischer Fetisch gelebt. Drag,<br />

Dragqueen, Dragking: Menschen, die das jeweils<br />

andere Gender in übertriebener Weise darstellen.<br />

Travestie: Transvestitismus in künstlerischer<br />

Darstellung auf Bühnen.<br />

Seite 57


ALEXANDER A.<br />

EINSAMKEIT IST EINE ZELLE ...<br />

Eifersucht, Strafvollzug und Selbsterkenntnis<br />

E<br />

insamkeit ist eine Zelle, die sich nur von innen<br />

öffnen lässt. Ich habe diesen Spruch einmal irgendwo<br />

gehört. Und ich habe ihn sozusagen praktisch gelebt.<br />

Ich kenne die Einsamkeit, die von einem schwachen<br />

Ich verordnete und die von außen vorgegebene. Ich kenne<br />

das Gefangensein in den eigenen Unzulänglichkeiten, ich<br />

kenne die Zelle aus Beton und Stahl. Und ich kenne das<br />

Öffnen, das Sprengen der Ketten, das immer im innersten<br />

Inneren beginnt.<br />

Die Vorboten<br />

Als ich sechzehn war, hatte ich meine erste richtige<br />

Freundin. Die Sache ging damals nur über drei Monate,<br />

aber ich war unglaublich verliebt. Alles in meinem Leben<br />

war plötzlich nebensächlich: Meine Clique, die Schule,<br />

sogar mein Moped. Ich hatte das Gefühl, alles in meinem<br />

Leben nur auf das neu entdeckte Gefühl der Verliebtheit<br />

ausrichten zu müssen.<br />

Weil meine Freundin von heute auf morgen mein einziger<br />

Inhalt zu sein schien, kam nach wenigen Wochen schon<br />

immer mehr das Gefühl der Angst auf, ich könne dieses<br />

Geschenk wieder verlieren.<br />

Ich glaube, bis hierhin waren mein Fühlen und Denken in<br />

dieser Zeit nichts Ungewöhnliches. Die erste große Liebe<br />

lenkt ab von all den Zweifeln am eigenen pubertären Ich<br />

und von den Unstimmigkeiten im Elternhaus. Die Freundin<br />

wird vergöttert, idealisiert, an ihrem Leben ist alles<br />

besser als am eigenen.<br />

Mir ist damals sehr bald aufgefallen, dass ich ein wenig<br />

mehr konzentriert war auf das Thema Verlust als meine<br />

andauernden Zweifelns und des nahezu ununterbrochenen<br />

Streitens.<br />

Irgendwann war die Liebe vorbei. Und ich glaube heute,<br />

dass meine Eifersucht das Ende durchaus beschleunigt<br />

hat.<br />

Es folgten weitere kürzere und längere Liebeleien, meine<br />

Angst, betrogen zu werden, wurde immer größer, dominierte<br />

meine Beziehungen und meinen Alltag immer<br />

mehr.<br />

Öl im Feuer<br />

Vor knapp dreißig Jahren lernte ich dann eine Frau kennen,<br />

mit der mich eine von beiden Seiten getroffene<br />

Entscheidung für ein gemeinsames Leben<br />

verbinden sollte. Sie und ich hatten vom ersten<br />

Moment an das Gefühl, für eine gemeinsame<br />

Zukunft bestimmt zu sein. Wir sahen<br />

uns als Seelenverwandte: Auf allen Ebenen<br />

blindes Verstehen. Eifersucht war kein Thema,<br />

wir waren wie füreinander bestimmt.<br />

Doch schon ein paar Monate später die ersten<br />

Spannungen. Der Grund dafür ein altbekannter:<br />

Ich war mir sicher, meine Freundin flirte<br />

beim Unterwegssein mit anderen Männern.<br />

Sie bestritt von Anfang an alles, was ich ihr<br />

unterstellte. Zu Beginn schmeichelten ihr<br />

meine Gedanken noch: Etwas Eifersucht zeigt<br />

doch auch, dass man einen Menschen liebt.<br />

(So spricht der Volksmund, und der irrt sich<br />

hier gewaltig! Das weiß ich heute.) Als ich<br />

aber immer öfter eine gewisse Form der Untreue<br />

zu entdecken glaubte, wurde mein Verhalten<br />

für meine Freundin zunehmend unangenehm.<br />

“Hier ist nichts, was dich beunruhigen<br />

könnte”, sagte sie immer wieder. Aber<br />

dieses Bestreiten minderte meine Wut und<br />

mein Misstrauen nicht, es war wie Öl ins Feuer.<br />

"Ich würde es vielleicht ja sogar verstehen,<br />

wenn du flirtest", sagte ich. "Ich hätte<br />

vielleicht ja gar nichts dagegen. Aber gib es<br />

doch wenigstens zu!" Meine Freundin war<br />

ratlos ob meiner Anschuldigungen, für sie<br />

war ihr Verhalten fair und ehrlich wie immer.<br />

Ich aber glaubte, überall Unehrlichkeit<br />

zu erkennen.<br />

Unternehmungen mit meiner Partnerin endeten<br />

nun immer öfter im Streit. Es waren fortan<br />

kein normales Abendessen, kein Ausflug,<br />

kein Treffen mit Freunden mehr möglich.<br />

Überall und immer glaubte ich, meine Freundin<br />

bei Flirts mit anderen Männern zu ertappen.<br />

Selbst bei Spaziergängen in Fußgängerzonen<br />

warf ich mit Vorwürfen um mich: "Ich<br />

habe es doch genau gesehen, wie du diesem<br />

Mann zugelächelt hast!"<br />

Ich habe damals den größten Teil meiner<br />

Energie dafür verbraucht, Anschuldigungen<br />

Seite 58 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


und Vorwürfe, Wutausbrüche und Verzweiflung<br />

so lange wie möglich zurückzuhalten.<br />

Das Leben meiner Freundin bestand<br />

bald nur noch daraus, sich zu konzentrieren<br />

darauf, sich ja nicht "falsch" zu verhalten,<br />

mir ja keinen Anlass für Eifersucht zu<br />

geben.<br />

Dürsten nach Anerkennung<br />

Durch diesen meinen Wahnsinn am<br />

Ende unserer Kräfte fingen meine<br />

Freundin und ich in dieser Zeit an,<br />

uns tatsächlich gegenseitig Sachen zu<br />

verheimlichen. Meine Partnerin hat<br />

damit begonnen, regelmäßig ausführlich<br />

mit Freundinnen über mein Verhalten<br />

und ihre Probleme damit zu<br />

sprechen, hat nicht nur einmal – das<br />

habe ich erst viel später erfahren –<br />

auch oft darüber nachgedacht, die<br />

Beziehung mit mir sogar zu beenden.<br />

Ich meinerseits war derart besessen<br />

vom Gedanken betrogen zu werden,<br />

dass ich begonnen habe, Mäntel und<br />

Taschen meiner Freundin nach möglichen<br />

Indizien für eine Affäre zu<br />

durchsuchen und ihr hinterherzufahren,<br />

wenn sie ins Fitnessstudio oder<br />

auf einen Kaffee mit Freundinnen<br />

ging.<br />

Das Verrückte daran: Ich selbst war<br />

so überzeugt, dass meine Eifersucht<br />

begründet, also eine sogenannte reaktive<br />

Eifersucht war, wie das der Psychologe<br />

nennt, dass ich mich dazu<br />

berechtigt fühlte, selber Kontakt mit<br />

fremden Frauen zu suchen. Ja, oft war<br />

es jetzt sogar umgekehrt: Dadurch<br />

dass ich, wie jeder andere unter<br />

krankhafter Eifersucht leidende<br />

Mensch, im Grunde unter einem grob<br />

gestörten Selbstwertgefühl litt, war<br />

ich überdurchschnittlich empfänglich<br />

für Komplimente, für Zuspruch, für<br />

Verständnis von Frauen. So hat es<br />

sich selbst in jenen Zeiten, in denen<br />

ich in der Beziehung mit meiner<br />

Freundin und in dieser Beziehung<br />

eben maßlos eifersüchtig war, ergeben,<br />

dass ich selbst verzaubert war<br />

von einer anderen Frau. Das, wie ich<br />

erst heute weiß, nur deshalb, weildiese<br />

fremden Frauen mit Schmeicheleien<br />

und mit vorgeblichem Verständnis<br />

für meine Situation (ich ach so armer<br />

Betrogener) meine Aufmerksamkeit<br />

erregt hatten. Meine Seele, die so<br />

sehr nach Anerkennung schrie, ließ<br />

sich leider immer wieder blenden von<br />

letztlich oberflächlicher Zuneigung.<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

So war dann innerhalb der Beziehung mit meiner Freundin<br />

also jedes Mal ich derjenige, der fremdgegangen ist.<br />

Gleichzeitig aber habe ich meiner Partnerin Untreue unterstellt.<br />

Klar: Weil ich in manchen Momenten wohl meine<br />

eigene Art auf andere projizierte und instinktiv annahm,<br />

andere seien so wie ich.<br />

Aggression<br />

Als ob dieses Verhalten von mir nicht schon genug gewesen<br />

wäre, ist dann vor fünfundzwanzig Jahren passiert,<br />

was wohl passieren hat müssen. Meine Freundin war damals<br />

zwei Wochen alleine auf Urlaub in Italien gewesen.<br />

Als sie zurückkam, verhielt sie sich meiner Wahrnehmung<br />

nach verändert, etwas seltsam. Klar: Sie war zwei Wochen<br />

weg, zwei Wochen auf Abstand zu meiner Eifersucht,<br />

hat zwei Wochen lang mit Freundinnen über ihre<br />

Situation gesprochen, ist nach zwei Wochen bestimmt<br />

auch zum Entschluss gekommen, dass sich etwas ändern<br />

muss in dieser Hinsicht. Wie ich später erfahren habe,<br />

hatte meine Freundin damals bereits Kontakt mit einer<br />

Paartherapeutin aufgenommen, sie war also fest entschlossen,<br />

mein Problem mit Minderwertigkeit und Eifersucht<br />

mit mir gemeinsam anzugehen. Aber sie wusste<br />

wohl noch nicht, wie sie mich in ihren Plan einweihen<br />

wollte.<br />

Für mich allerdings gab es nur einen einzigen Grund für<br />

ihr verändertes Verhalten, und diesen habe ich ihr immer<br />

lauter, immer intensiver, immer aggressiver an den Kopf<br />

geworfen: “Du hast im Urlaub einen anderen Mann kennengelernt!”<br />

Als mir meine Freundin schließlich von der geplanten<br />

Paartherapie erzählte, empfand ich ihr Bemühen mir zu<br />

helfen als brutalen Angriff. “Ich bin also krank?! Lass du<br />

dich doch behandeln!“, warf ich ihr vor. "Du vögelst überall<br />

mit jedem herum!” Und als ich erfuhr, dass meine<br />

Partnerin auch bereits mit einigen meiner Freunde über<br />

mich und meine Krankheit gesprochen hatte, konnte ich<br />

mit dieser Situation nicht mehr umgehen, meine Nerven<br />

waren am Ende.<br />

Die unausweichliche Katastrophe<br />

An einem Sonntag – meine Freundin und ich<br />

*1<br />

SEITE 59


hatten zum ich weiß nicht wievielten Male versucht, das<br />

gemeinsame Wochenende so problemfrei wie möglich zu<br />

halten – kam, wie so oft an Sonntagen, mehr und mehr<br />

die Angst vorm Montag auf, wo meine Freundin wieder in<br />

der Arbeit, von vielen anderen Männern umgeben und mir<br />

schon alleine aufgrund der geografischen Entfernung<br />

nicht nahe sein würde. Alle beide haben wir an diesem<br />

Abend Rotwein getrunken. Nebenbei,<br />

aber letztlich doch recht viel.<br />

Nicht zufällig kam dann ein gemeinsamer Freund zu Besuch:<br />

Man wollte mit mir reden. In meiner gestörten<br />

Wahrnehmung der Situation sah ich den Versuch, sich mit<br />

mir über meine Probleme unterhalten zu wollen, als Tribunal.<br />

Damit nicht genug: Meine Phantasie konstruierte<br />

sehr schnell meine eigene alternative Wahrheit: Die beiden,<br />

meine Partnerin und unser gemeinsamer Freund,<br />

sind im Geheimen ein Paar! Ich fühlte mich in die Enge<br />

getrieben, und als mein Kumpel mich in beruhigender Absicht<br />

mit einem Griff an meine Schulter dazu bringen<br />

wollte, durchzuatmen und runterzukommen, die Explosion:<br />

Ich stieß meinen Kumpel von mir weg, ballte vor dem<br />

Gesicht meiner Freundin die Faust, hielt aber kurz inne<br />

und verließ dann fluchtartig die Wohnung. Rein in mein<br />

Auto und - nur vierhundert Meter weiter die Katastrophe:<br />

In einer unübersichtlichen Kurve ist ein über achtzigjähriger<br />

Herr aus meinem damaligen Wohnort zu Fuß unterwegs<br />

gewesen. Er war schwarz gekleidet, war auf dem<br />

Heimweg vom Wirtshaus. Ich habe den Fußgänger übersehen<br />

und mit meinem Auto erfasst. Es war bereits dunkel<br />

damals, ich war viel zu schnell unterwegs, und hatte –<br />

das hat der Test beim Amtsarzt ergeben – 1,22 Promille<br />

Alkohol im Blut. Nur zwei Tage nach dem Unfall ist der<br />

alte Mann seinen Verletzungen erlegen, wie es im Zeitungsdeutsch<br />

heißt.<br />

Rache vor Recht<br />

Ab dem Tag der Inhaftierung bestimmen<br />

andere Menschen über jede kleinste Bewegung,<br />

die du tust. Ebenso ab dem ersten Tag<br />

gibt es keine Form der Nähe, keine Freundlichkeit,<br />

kein Geborgensein. Es wird dir jede<br />

Möglichkeit genommen, Bedürfnisse nach<br />

persönlichem Austausch, nach Kontakt, Berührung,<br />

Bindung und Ansprache auszuleben.<br />

Sorgen, Ängste, Einsamkeit, Wut, Trauer<br />

kannst du entweder wegstecken, oder du<br />

verreckst innerlich daran. Der Alltag im Gefängnis:<br />

Entweder tötest du dich selbst, o-<br />

der du leidest lange Zeit an zum Teil schweren<br />

psychischen Störungen. Wie stark es<br />

dich erwischt, hängt von deiner Persönlichkeit<br />

und der Dauer der Haftstrafe<br />

ab. Während meiner Zeit in Haft habe ich<br />

festgestellt: Unser Rechtssystem ist bis zu<br />

einem gewissen Grad ein Rachesystem. Viele<br />

Strafen laufen auch heute noch nach dem<br />

Prinzip: Du hast dies und das getan, deshalb<br />

tun wir dies und das mit dir, damit wir Satisfaktion<br />

erlangen. Wie es dir damit ergeht und<br />

ob unser Handeln auf lange Sicht der Gesellschaft<br />

etwas bringt, ist unwichtig. Hauptsache<br />

Rache!<br />

Als Alkolenker habe ich die sechs Monate,<br />

die ich am Ende “absitzen” musste, mit den<br />

sogenannten wirklich schweren Jungs verbracht.<br />

Männer, die bewusst und mit Kalkül<br />

gemordet, andere verletzt und beraubt hatten.<br />

Das, was im Strafvollzug zu den<br />

schlimmsten und am schwersten ertragbaren<br />

Sachen gehört, teilten wir alle: Den Entzug<br />

von Nähe und Liebe.<br />

Ich kam nicht in Untersuchungshaft, bekam für meine Tat<br />

aber trotz Unbescholtenheit eine neunmonatige<br />

unbedingte Haftstrafe.<br />

Unser Rechtssystem hat mir meine Gefängnisstrafe zugeteilt,<br />

und ich stehe heute wie damals voll und ganz zu einer<br />

Rechtsstaatlichkeit. Das, was ich an Strafe verbüßen<br />

musste, empfand ich persönlich als richtig und angemessen.<br />

Die Frage, ob diese Strafen gerecht sind oder nicht,<br />

kann ich bis heute nicht klar beantworten. Einerseits sind<br />

neun Monate Leben auf Staatskosten nichts im Vergleich<br />

zu einem Menschenleben, das ich durch meine Fahrlässigkeit<br />

genommen hatte. Andererseits können neun Monate<br />

Haft das Leben eines Verurteilten für immer verändern,<br />

ja, zerstören – das durch eine begangene Tat genommene<br />

Leben jedoch nicht mehr wiederbringen.<br />

Von der Eifersucht zum Liebesentzug<br />

Neben meiner Eifersucht und meiner Wut, die mich gewissermaßen<br />

ins Gefängnis gebracht hat, habe ich dort<br />

erfahren, dass Strafvollzug bedeutet: Entzug der Selbstbestimmung<br />

und Entzug der Liebe.<br />

Folter<br />

Ich habe keine wirkliche Lösung dafür, aber<br />

das Problem besteht zweifellos: Seelische<br />

Grausamkeit gegenüber Straffälligen hilft<br />

der Allgemeinheit nicht, sie schadet ihr.<br />

Seit meiner Zeit als Strafgefangener, also<br />

seit mehr als 2233 Jahren, bin ich in verschiedenen<br />

Vereinen und Gruppen in regem Austausch<br />

mit Straffälligen und Sozialarbeitern.<br />

Und ganz gleich, ob Bankräuber oder Gewaltverbrecher,<br />

ganz gleich, ob ehemaliger<br />

Strafgefangener oder Bewährungshelfer,<br />

alle sind wir uns einig: Strafe auf Basis von<br />

Rache ist kontraproduktiv.<br />

Es mag richtig und wichtig sein, Menschen<br />

wegzusperren, sie von der Gesellschaft zu<br />

trennen. Es mag richtig sein, Menschen für<br />

die Zeit ihres Aufenthaltes in einer Vollzugsanstalt<br />

jedes privaten Bereichs und jeglicher<br />

Form der Selbstbestimmung zu berauben.<br />

Aber es ist nicht richtig, Menschen mit dem<br />

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SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

Entzug von Nähe zu malträtieren.<br />

Den eindimensionalen Standpunkt, selber schuld, wärst<br />

du halt nicht kriminell geworden, kann ich zum einen Teil<br />

verstehen, zum anderen Teil spricht aus ihm maßlose<br />

Überheblichkeit. Und es geht auch gar nicht darum, ob<br />

man die Meinung teilt, jeder von uns kann in diese Lage<br />

kommen, straffällig geworden zu sein. Nein, es geht darum,<br />

dass es straffällig Gewordene nun eben einmal gibt!<br />

Es geht darum, dass es sie immer geben wird, dass sie<br />

für bestimmte Vergehen aber nicht getötet oder ewig<br />

lange weggesperrt werden können. Und es geht darum,<br />

dass der Strafvollzug, wie er heute ist, nämlich eine zum<br />

Teil fahrlässige, zum Teil bewusste Folter auf emotionaler<br />

Ebene, schlichtweg schädlich ist für eine gesamte<br />

Gesellschaft.<br />

Die Zeit danach<br />

In einem Satz zusammengefasst: Mein Problem mit Eifersucht<br />

habe ich Gott sei Dank überwunden. Die Beziehung<br />

mit der Frau, die zum Zeitpunkt der Katastrophe<br />

meine Freundin war, blieb bis zum Antritt meiner Haftstrafe<br />

aufrecht. Danach ist der Abstand immer größer<br />

geworden, bis schließlich ich von mir aus den Kontakt<br />

abgebrochen habe.<br />

Die Zeit in Haft und die Jahre danach waren gekennzeichnet<br />

von einer unendlichen Einsamkeit. Eine Einsamkeit,<br />

die im Gefängnis zu einer massiven Angststörung<br />

geworden ist, die aber auch nach meiner Entlassung<br />

nicht von heute auf morgen weg war.<br />

Und ja: Einsamkeit war wohl immer, nämlich auch schon<br />

vor meiner Zeit im Bau, ein unbewusstes Thema. Ein gestörtes<br />

Selbstwertgefühl hat in mir schon sehr früh eine<br />

innere Leere erzeugt, eine Form der Einsamkeit. Daraus<br />

ist meine so zerstörerische Form der Eifersucht<br />

entstanden.<br />

Sehr, sehr viele Menschen, auch die stärksten und härtesten<br />

Kerle, stecken eine Haftstrafe nicht einfach so<br />

weg. Nach meiner Zeit in der Karlau (Anm.d.Red.: Justizvollzugsanstalt<br />

in Graz) bin ich freiwillig für drei Monate<br />

instationären Aufenthalt in eine Nervenklinik gegangen.<br />

Danach war ich für zwei Jahre in Behandlung bei einer<br />

guten Psychologin. Durch die jahrelange Arbeit an mir<br />

habe ich immer mehr zu einer inneren Freiheit finden<br />

können. Nach und nach wurde dieses Gefühl der Ruhe<br />

größer und stärker.<br />

All-Einigkeit<br />

Es hat sich der Blick auf mich selbst geändert. Ich habe<br />

das erste Mal in meinem Leben ein Bewusstsein für mich<br />

selber entwickelt, mich irgendwann nicht mehr mit anderen<br />

verglichen. Endlich, muss ich heute sagen, hatte<br />

ich in meinem Leben eine Zeit ganz mit mir allein. Alleinigkeit,<br />

aber ganz und gar keine Einsamkeit. All-<br />

Einigkeit gewissermaßen.<br />

Ich begann jeden Tag zu genießen! Meine Wohnung nur<br />

für mich allein, ohne, dass ich mich wie früher<br />

durchgehend beschäftigen musste, nur, um<br />

mich von meiner Einsamkeit abzulenken. Ich<br />

genoss meine Spaziergänge durch Fußgängerzonen<br />

und Buchenwälder, ich genoss das Beobachten<br />

von alten Ehepaaren im Park, ohne<br />

mich dabei einsam zu fühlen. Mir fehlte nichts.<br />

Meine ehemalige Freundin wollte in dieser Zeit<br />

Kontakt mit mir aufnehmen, wollte Annäherung,<br />

ich aber entschied mich bewusst dagegen.<br />

Ich war nun in einer Zeit mit mir alleine<br />

angekommen.<br />

Und ich genoss all das umso mehr, weil ich nie<br />

zuvor dieses Bewusstsein hatte für mein eigenes<br />

Leben, meine eigene Freiheit. Zu sehr war<br />

ich immer beschäftigt damit, etwas tun, etwas<br />

erreichen, etwas schaffen zu müssen.<br />

Mein Verhältnis zu Frauen änderte sich<br />

dadurch von Grund auf. Ich hatte (und habe)<br />

nun mein eigenes, erfülltes, ja, vollkommenes<br />

Leben. Wenn ich fortan Damenbekanntschaften<br />

machte, kam nun nicht immer sofort das<br />

Gefühl auf, gleich eine Beziehung eingehen zu<br />

müssen, gleich alles in meinem Leben der entsprechenden<br />

Frau nach auszurichten. Ganz im<br />

Gegenteil: Bekanntschaft ja, Liebe ja, aber<br />

meine Freiheit sollte von nun an immer Platz<br />

haben. Lange Zeit war ich mir sogar sicher:<br />

Bekanntschaften, Liebeleien gern, aber klassische<br />

Beziehung nie mehr. Zu sehr liebte ich<br />

mein Alleinsein, das nun ja kein Einsamsein<br />

mehr war.<br />

Täter-Opfer-Umkehr<br />

Oft kommt unverhofft, und so lernte ich vor<br />

acht Jahren meine heutige Frau kennen. Die<br />

Annäherung geschah langsam, wir hatten und<br />

haben beide unsere Leben, unsere Geschichte<br />

und Eigenheiten. Es gibt zwei emanzipierte<br />

Ichs, dadurch ein sehr wertvolles Wir. Eifersucht?<br />

So wie vor dreißig Jahren habe ich Eifersucht<br />

nie wieder erlebt.<br />

In den Jahren nach Haft und Nervenklinik wurde<br />

mir immer klarer: Übermäßige Eifersucht,<br />

die einem Partner gegenüber ausgelebt wird,<br />

ist eine Form der Gewalt. Ganz besonders<br />

schlimm ist Gewalt, wenn eine Täter-Opfer-<br />

Umkehr geschieht. Im Falle von sexueller Belästigung<br />

funktioniert dieses Verdrehen der<br />

Tatsachen, diese Verzerrung der Wirklichkeit<br />

mit Schutzbehauptungen: "Du hast doch nicht<br />

nein gesagt" oder "Du hast mit Deiner Kleidung<br />

provoziert". Wenn es um Eifersucht geht,<br />

wollen Vorwürfe wie "Du hast Dich nur für<br />

andere so zurecht gemacht" oder "Du hast<br />

dem/der Fremden schöne Augen gemacht"<br />

dem anderen Menschen eine Mitschuld, eine<br />

Schuld am eigenen irrationalen und<br />

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ungerechtfertigten Verhalten zuweisen. Und das ist<br />

eine latente Form der Gewalt.<br />

Veränderung ist möglich<br />

Ich kann heute sagen: Veränderung ist möglich, Entwicklung<br />

ist möglich. Ich wünsche natürlich jedem<br />

Menschen, der etwas an seinem Verhalten ändern<br />

möchte, dass er dafür nicht sosehr durch die Hölle<br />

gehen muss wie ich. Ich bin heute kein anderer<br />

Mensch als vor dreißig Jahren. Viele Narben an Körper<br />

und Seele, wie man so schön sagt, aber die Wunden<br />

von damals sind verheilt. Aus Überzeugung und<br />

Erfahrung sage ich heute: Liebe kann ich nicht verlieren.<br />

Liebe entsteht und lebt in mir. Liebe für andere<br />

Menschen, Liebe für mich selbst. Und fühle ich<br />

Angst in mir, fühle ich die Angst, etwas oder jemanden<br />

zu verlieren, dann rede ich! Erst durch meine<br />

Erfahrungen mit Psychologen habe ich gelernt, dass<br />

alleine das Sprechen die Sicht auf Probleme<br />

verändern kann.<br />

Mein Rat für Dich!<br />

Ich möchte in den letzten Zeilen dieses Textes im<br />

Stillen zu jenen sprechen, die mit Problemen<br />

kämpfen. Zwei Sachen: Zuallererst: Gestehe Dir<br />

das Problem ein. Probleme machen Menschen zu<br />

Menschen. Ob Dein Problem mit anderen zu tun<br />

hat oder nur mit Dir persönlich, entscheidend ist<br />

die Tatsache, dass Probleme zu uns Menschen gehören<br />

wie Träume und Freude. Und zweitens: Rede!<br />

Hast Du niemanden zum Reden? Das alleine<br />

kann schon ein Problem sein, gewiss. Aber es gibt<br />

da draußen jede Menge Psycholog*innen und Anlaufstellen,<br />

an die Du Dich wenden kannst, und<br />

die Dir kostenlos und ohne jede Form der Verurteilung<br />

helfen. Und glaub mir: Psychologen erklären<br />

Dich nicht für krank, wenn Du über Deine<br />

Probleme sprichst. Sieh es eher so: All die interessanten<br />

Menschen dieser Welt haben ihre ganz eigenen<br />

Narben. Und alle diese Narben waren irgendwann<br />

einmal schmerzende Wunden. Jeder<br />

Marathon beginnt mit dem ersten Schritt. ⓿<br />

JAKOB GEORG HATZ<br />

BEIDE GLEICH<br />

M<br />

ama, ich muss dich was fragen! Es ist<br />

ein bisschen blöd. Du musst mir zuerst<br />

nur zuhören, ok? Also es ist so: Weißt du noch, als ich<br />

euch gefragt hab, wen von uns beiden ihr lieber habt?<br />

Draußen, im Wald? Es war im Herbst und ich habe<br />

Schularbeit gehabt und die Iris war ja immer so gescheit.<br />

Und da wollte ich wissen, wen von uns beiden<br />

habt ihr lieber. Mich oder die Iris? Und der Papa hat<br />

gelacht und gesagt: „Wie viele Fehler hast du denn<br />

leicht?“ Und du hast ihn angeschaut und hast dich zu<br />

mir runter gebeugt und gesagt: „Frag uns doch sowas<br />

nicht! Wir haben euch beide genau gleich lieb.“ „Aber<br />

die Iris ist so groß wie der Papa und meine Haare sind<br />

ganz anders.“ Das habe ich gesagt, und ihr wart euch<br />

auf einmal ganz einig, und der Papa hat gesagt: „Schau<br />

her, ihr seid beide genau richtig, wie ihr seid. Du bist<br />

genau so, wie wir uns dich immer gewünscht haben,<br />

und die Iris ist genau so. Ich kann mir keine Kinder<br />

vorstellen, die ich lieber haben könnte, als euch beide,<br />

und deswegen haben wir euch beide gleich lieb, und<br />

zwar sehr! Außer, du hast jetzt ganz viele Fehler gemacht!“<br />

Ich habe jedenfalls verstanden, was ihr gemeint<br />

habt, und eigentlich habe ich nachher einfach<br />

nicht mehr danach gefragt. Aber jetzt ist es wichtig!<br />

Bitte, Mama! Kann man zwei Menschen genau gleich<br />

lieb haben? Geht das? Weißt, ich frage dich nur, weil<br />

bei Serien und so, da muss die Frau sich entscheiden:<br />

Ist jetzt der der Richtige, oder der andere? Also beide<br />

findet sie irgendwie gut, und es geht dann immer darum,<br />

wer jetzt der Richtige ist von beiden, den sie<br />

dann doch lieber hat, wenn nicht einer sowieso ein<br />

Arsch ist.<br />

Eigentlich ist immer einer ein Arsch zum Schluss,<br />

kommt mir gerade, und deswegen hilft mir das<br />

alles nicht! Also, ich mag den einen Typen und er<br />

ist total lieb und würde mir nie etwas tun oder so<br />

und jetzt habe ich einen getroffen, der ist genauso<br />

toll. Nicht, dass beide ganz gleich wären oder so,<br />

aber ich kriege das gleiche Herzklopfen, wenn ich<br />

mit dem einen schreibe, wie mit dem anderen.<br />

Und mir geht’s voll gut dabei, ja? Ich habe jetzt<br />

nicht das Gefühl, dass das eine jetzt irgendwie<br />

besser wäre als das andere Gefühl. Und ich frage<br />

mich: Wieso soll ich mich jetzt entscheiden müssen?<br />

Und den einen abservieren, obwohl ich gar<br />

keine Lust darauf hab und einfach die Zeit genießen<br />

will mit ihm? Kann es jetzt sein, dass ich einfach<br />

beide gleich gern hab, so wie ihr das damals<br />

gesagt habt? Geht das wirklich, Mama? Und wäre<br />

es so schlimm, wenn ich draufkommen würd, den<br />

einen finde ich halt doch ein bisschen cooler, aber<br />

der andere ist halt trotzdem super nice? Warum<br />

soll das dann nicht auch gehen? Kinder fragst du<br />

ja auch nicht: Wen magst du lieber, die Mama o-<br />

der den Papa? Oder? Weil es dumm ist, sich so<br />

entscheiden zu müssen, oder nicht? Wenn ich beide<br />

echt gern habe, ist es nicht auch egal, wenn ich<br />

jetzt einen ein ganz bisschen mehr gern habe? Ist<br />

das Andere deswegen weniger gut? Als Kind versteht<br />

man den Unterschied ja nicht, aber jetzt<br />

kannst du es mir ja erklären, bitte. Geht das, dass<br />

man zwei genau gleich gern hat? Muss man sich<br />

sonst entscheiden zwischen beiden? Weil ihr habt<br />

uns ja auch beide lieb als eure Kinder, oder? ⓿<br />

Seite 62 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


EPILOG<br />

SENDEN SIE UNS IHRE ...<br />

EINSENDESCHLUSS<br />

AUSGABE <strong>02</strong>2: 155. März 22<strong>02</strong>21<br />

Thema: „Du! Krank!“<br />

Infos unter<br />

www.kunstarbeit.org<br />

Ein Loblied auf den gepflegten Austausch<br />

Geschätzte Leser*innen!<br />

U<br />

nter meinen tausenden Social-Media-<br />

Kontakten finden sich sehr viele humanistisch<br />

und formal Gebildete, universitär AUSgebildete zumindest,<br />

intellektuell Orientierte und sprachlich Versierte,<br />

die, so will ich es nennen, im weiten Ozean der Ahnungslosigkeit<br />

viele, viele Inseln des Wissens bewohnen.<br />

Untergriffgkeiten<br />

Und trotzdem werde ich in meinen Internetaufenthalten<br />

immer öfter unfreiwillig Zeuge peinlicher Vorfälle. Da<br />

lese ich in Diskussions- und Kommentarverläufen vermehrt<br />

Untergriffgkeiten, sogar boshaft emotionale Äußerungen.<br />

Hier reagieren an sich Vernünftige auf simple<br />

Text- oder Bildmel-<br />

dungen beleidigt und<br />

gekränkt, dort empfindet<br />

der eine als persönlichen<br />

Angriff, was einer of-<br />

fensichtlichen Unlust<br />

zu gemäßigter Formulie-<br />

rung des andere<br />

Die eine Seite tut<br />

eine Meinung<br />

kund, die andere<br />

ist gelähmt<br />

vor<br />

Wut darüber.<br />

Wo, so frage ich als Wortarbeiter mich,<br />

bleiben die Liebe zum Austausch und die<br />

Leidenschaft für Dia- und Multilog? Wo die<br />

Begeisterung für gepflegte, heitere Uneinigkeit<br />

im Sinne einer positiven Reibung?<br />

Kriegserklärung<br />

Und ich meine damit nicht den Anspruch<br />

auf Wahrheit und Richtigkeit der eigenen<br />

Erkenntnisse, nicht das Diskreditieren des<br />

jeweiligen Gegenübers. Nichts entlarvt<br />

schwache Nerven und Dialogunfähigkeit so<br />

sehr wie ein Argumentum ad hominem!<br />

(Mehr zum Thema<br />

Scheinargument etwas später.)<br />

Ein Hoch auf Eintracht und Harmonie! Und<br />

in diesem Miteinander ist es ein Geschenk,<br />

wenn jemand den eigenen Standpunkt (und<br />

im Internet das eigene Posting, den eigenen<br />

Kommentar, die eigene Nachricht) auf kluge<br />

und sachliche Weise zerlegt, weil dieses<br />

„Dagegenargumentieren“ bedeutet, sich zurücklehnen<br />

zu können in Dankbarkeit für<br />

die Aussicht auf Diskurs und Disput.<br />

Wo an sich also Genuss und Freude zu empfinden<br />

sind ob neuer Perspektiven und Erfahrungen,<br />

scheint es für viele eine Kriegserklärung<br />

zu sein, wenn Zuhörer oder Leser<br />

ihrer Sozial-Media-Beiträge die sprachlich<br />

oder schriftlich dargebrachte Argumentationskette<br />

als falsch empfinden und diesen<br />

Standpunkt – no na – auch unmissverständlich<br />

deponieren.<br />

Perspektiven<br />

Austausche sind inspirierend und<br />

fruchtbar, wenn ohne Grenzen<br />

SEITE 64 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


philosophiert und sinniert werden darf,<br />

Kommunikation ist anregend, interessant<br />

und gewinnbringend aber auch, wenn Uneinigkeit<br />

zu einem Thema herrscht, wenn<br />

zwei Parteien eine Sache aus unterschiedlichen<br />

Perspektiven betrachten! Denn wozu<br />

überhaupt reden, wenn man im Gegenüber<br />

lediglich die Richtigkeit der eigenen Meinung<br />

bestätigt haben will?<br />

Paradies<br />

Nicht einmal ein bewusst geführter rhetorischer<br />

Anschlag auf die eigene Position ist<br />

Grund für heiße Ohren. Oder bin ich etwa<br />

zu schwach und zu zart für offenen Austausch?<br />

Fühle ich mich von Wortgeschützen<br />

und Antagonisten meiner Position argumentativ<br />

lahmgelegt, in die Enge getrieben?<br />

Will ich justament dann nicht glauben an<br />

meine sprachliche Kreativität, mein Denkvermögen,<br />

meine Idee? Oder freue ich mich<br />

über jede Reaktion auf eine Meldung, vor<br />

allem über die kontroverse, ganz gleich, wie<br />

ehrlich und direkt sie auch immer formuliert<br />

sein mag? Freue ich mich darauf, sie,<br />

wenn nötig, Punkt für Punkt, Satz für Satz<br />

und Wort für Wort zu sezieren und entweder<br />

emotionslos oder eben rotbäckig und<br />

leidenschaftlich zu beantworten, im gegebenen<br />

Falle zu berichtigen (auf dass mein Gegenüber<br />

mich wieder berichtige …)? Letzteres<br />

bedeutet doch das Paradies des Wahrnehmens,<br />

des Begreifens, des<br />

Lebendigseins!<br />

Geschenk<br />

Interpretieren Sie es in Zukunft also als Geschenk,<br />

wenn Ihnen wieder einmal jemand<br />

den Kommentarverlauf im Netzwerk oder<br />

im Forum oder den mutig vorgebrachten<br />

Standpunkt am Stammtisch oder im Büro<br />

mit Kritik verhauen und aber für Ihr Gegenwort<br />

offen sein will. Und nehmen Sie es<br />

durchaus auch als Geschenk, wenn jemand<br />

nicht bereit sein will für einen fruchtbaren<br />

Austausch und sich in diesem Falle selber<br />

als Fremder im Land der Kommunikation zu<br />

erkennen gibt.<br />

Partizipation<br />

Die Beweggründe hinter den Texten indiesem<br />

Souffeur sind unterschiedlich wie ihre<br />

Verfasser. Und das ist gut so! Der Souffeur<br />

soll Manege sein für Wortakrobaten,<br />

Sprungbrett für Theorien und Thesen,<br />

Hauptplatz für Polemiken und Diskurse,<br />

Hinterhof für Spott und Kontroversen,<br />

Spielwiese für das Miteinander, Durcheinander<br />

und Gegeneinander unterschiedlicher<br />

Weltanschauungen, Blumenwiese für<br />

Poeten, Träumer und Einhornjäger,<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

Universum für I-Tüpferl- und Prinzipienreiter, gemähte<br />

Wiese für all jene, die ihren eigenen Standpunkt bereitwillig<br />

hergeben als Basis für Lob oder Tadel, für Würdigung<br />

oder Opposition.<br />

Schicken Sie uns Ihre Texte!<br />

Jeder Souffeur wird einige Seiten für die Reaktionen auf<br />

Textbeiträge der letzten <strong>Ausgabe</strong> freihalten! Was haben Sie<br />

zu sagen zu den Interviews, Lyrik- und Prosabeiträgen in<br />

der <strong>Ausgabe</strong>, die Sie gerade in Händen halten? Schreiben<br />

Sie uns!<br />

Und schicken Sie uns gerne auch Texte, Fotos, Interviewvorschläge,<br />

Grafiken und allerlei anderes Material zum<br />

Thema der nächsten <strong>Ausgabe</strong>: „DU! KRANK!“<br />

E-Mail an offce@kunstarbeit.org.<br />

(Das Abdrucken von eingesandten Leserbriefen und Beitragstexten<br />

kann nicht garantiert werden.)<br />

Verzicht auf Scheinargumente<br />

Verzichten wir im Sinne eines fruchtbaren Austauschs auf<br />

Untergriffgkeiten und Scheinargumente.<br />

Scheinargument 1: Das Argumentum ad hominem – das<br />

Argument auf die Person. Beim Thema des Austauschs bleiben.<br />

Vermeintliche Schwächen des jeweiligen Gegenübers<br />

sollen also nicht ins Spiel gebracht werden.<br />

Scheinargument 22: Das Argumentum ad verecundiam –<br />

das Argument der Autorität. Personen des öffentlichen Lebens,<br />

deren Meinungen besondere Gewichtung haben, sollen<br />

nicht der Untermauerung des eigenen Standpunktes<br />

dienen.<br />

Scheinargument 33: Argumentum ad ignorantiam – das<br />

Argument der Ignoranz. Kein Rollentausch in der Beweispflicht:<br />

Wir selber sollen unsere eigene These belegen und<br />

nicht vom Gegenüber verlangen, dass es unsere These widerlegt.<br />

Scheinargument 44: Fallacia compositionis –<br />

das Kompositionsargument. Nicht von einzelnen Einzelereignissen<br />

auf generelle Sachverhalte schließen. Das Verhalten<br />

des Einzelnen ist nicht repräsentativ für eine<br />

Gruppe.<br />

Scheinargument 55: Argumentum ad antiquiatem – das<br />

Argument der Tradition. Was früher einmal (gut oder<br />

schlecht) war, bildet nicht die Grundlage für ein solides<br />

Argument.<br />

Scheinargument 66: Argumentum ad novitatem – das Innovationsargument.<br />

Alles, was „neuer“ ist, ist nicht zwangsläufig<br />

„richtiger“.<br />

Scheinargument 77: Circulus vitiosus – das Zirkelschlussargument.<br />

Das Argument für eine Meinung kann seine ursprüngliche<br />

Berechtigung nicht im ersten Argument haben.<br />

Meinungen können sich nicht selbst begründen.<br />

Scheinargument 88: Straw man fallacy – das Strohmannargument.<br />

Das Argument des Gegenübers nicht absichtlich<br />

falsch interpretieren, absichtlich falsch gezogene Schlüsse<br />

nicht gegen das Gegenüber verwenden.<br />

Scheinargument 99: Whataboutism – das Argument des<br />

Vergleichs. Mein eigenes falsches Verhalten wird nicht legitimer<br />

dadurch, dass ich es in Relation setze mit einem vermeintlich<br />

noch falscheren Verhalten einer anderen Person.<br />

Das Souffeur-Team freut sich auf Ihre Nachricht<br />

⓿n<br />

SEITE 65


SASCHA MICHAELA STEBEGG<br />

HERZENSDIEB<br />

Autoren/Mitwirkende<br />

Gedichte der Liebe<br />

Es gibt sie in Massen<br />

Ich sucht eins für dich<br />

Es wollt keines passen<br />

Ich nahm mich zusammen<br />

So schwer es auch ist<br />

Versuchte Gedanken zu quetschen<br />

In Vers und Reimen mit List<br />

Du hast mich zum Leben erweckt<br />

Mein Licht leuchtet nun heller<br />

Meine Liebe ist nicht versteckt<br />

Mein Herz schlägt viel schneller<br />

In deinen Armen bin ich ich<br />

Da fühl ich mich geborgen<br />

Du bist da, ich seh dich<br />

Nun hab ich keine Sorgen<br />

War ich früher oft zu Tode betrübt<br />

Jetzt, wie Dornröschen, völlig bewusst<br />

Von dir, meinem Prinzen, geküsst<br />

Prall gefüllt mit menschlicher Lust<br />

Mit deinen Küssen bringst du mich klein<br />

Du bist unbeschreiblich lieb<br />

Ich möchte immer bei dir sein<br />

Oh, du mein Herzensdieb<br />

Mit deiner Zärtlichkeit machst du mich schwach<br />

Mit deinen wunderschönen Augen verträumt<br />

Ich träume, ja, jedoch bin wach<br />

Ohne dich hätte ich viel versäumt<br />

Samira Joy Frauwallner/Joy Visual Artistry; Graz<br />

Journalistin, Fotografin, Reisende<br />

Mario Auer; Wien<br />

Autor, Weltreisender, Philosoph<br />

Tanja M. Stern; Graz<br />

Theologin, Schriftstellerin<br />

Lisa Weltzin; Zürich<br />

Künstlerin im Bereich Theater und<br />

Spoken-Word, Erzieherin<br />

Florian Randacher/Flow Bradley; Bad Aussee, Graz<br />

Poet, Schauspieler, Liedermacher, Musiker,<br />

ehemaliger Frontman<br />

der „Ausseer Hardbradler“<br />

und der „B-Funk Family“<br />

Bernhard Reicher; Graz<br />

Schriftsteller, Magier, Seminarleiter<br />

Paul Wiesinger; Lavamünd<br />

Lyriker, pensionierter Landwirt<br />

Ben Leander Willgruber; Graz<br />

Journalist, Visual Designer, Psychologe<br />

Salò; Graz<br />

Songwriter, Musiker, Poet<br />

SuJo; Frankfurt<br />

Künstlerin<br />

Jakob Goldberg; Wien, Graz<br />

Theologe, Philosoph, Künstler<br />

Andrea Schimek-Fischer; Wien<br />

Lyrikerin, Genussexpertin<br />

Benny Ruprecht; Salzburg<br />

Autor, Lehrer<br />

Jakob Georg Hatz; Wien<br />

Autor, Lehrer<br />

Dominik Förtsch; Wien<br />

Schauspieler, Komponist<br />

Sascha Michaela Stebegg; Passail<br />

Autorin, Künstlerin<br />

Du bist das Beste, was mir je passierte<br />

Es gibt nichts Schöneres, als bei dir zu sein<br />

Gefühle – verwirrte<br />

Lass mich nie mehr allein<br />

Ich brauche dich, es ist sehr wichtig<br />

Ich denke nicht nur an mich<br />

Versteh mich bitte richtig<br />

Ich liebe dich!<br />

Kevin Wolf alias Ventus Bitterblossom; Bielefeld<br />

Schriftsteller, Künstler, Schamane<br />

Anna Maria Tauser-Fürpass, Weiz<br />

Malerin, Grafikerin, Masseurin<br />

Andreas P. Tauser; Weiz<br />

Autor, Freelance Journalist,<br />

Musiker, Handwerker<br />

Seite 66 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


Blattlinie<br />

Der Souffeur ist ein Medium, das unabhängig<br />

ist von politischen Parteien,<br />

Institutionen, Wirtschaftsbetrieben und<br />

Interessengruppen.<br />

Keine geistige Bequemlichkeit<br />

Als <strong>Magazin</strong>, Anthologie und Plattform für<br />

unterschiedliche Weltanschauungen tritt<br />

das Medium ein für Meinungsvielfalt,<br />

Meinungsfreiheit und die Schaffung eines<br />

Raumes, in dem unterschiedliche Zugänge<br />

zu verschiedenen Themenbereichen nebeneinander<br />

existieren können. Der<br />

Souffeur steht für Toleranz gegenüber<br />

allen ethnischen und religiösen Gemeinschaften,<br />

für Respekt vor der Verschiedenheit<br />

von Positionen, der Souffeur tritt<br />

auf gegen geistige Bequemlichkeit, gegen<br />

intellektuelle Unbeweglichkeit, gegen jede<br />

Form der Ausgrenzung und Diskriminierung<br />

und gegen jene weit verbreitete<br />

Form der Ablehnung, die passiert auf der<br />

Basis von "Das war schon immer so" und<br />

"Das hat es noch nie gegeben".<br />

Keine Tu-quoque-Argumente<br />

Beitragstexte von Redakteur*innen und<br />

Gastautor*innen dürfen polarisieren, dürfen<br />

unbequem sein, dürfen aber nicht<br />

Sprachrohr sein von politischem<br />

Extremismus und Totalitarismus.<br />

Argumente und inhaltliche Positionen Andersdenkender<br />

dürfen (möglichst sachlich)<br />

angegriffen und zerlegt werden,<br />

Personen selbst aber nicht.<br />

Autor*innen sollen sich an die Vorgabe<br />

halten, Texte und Aussagen nicht auf<br />

Scheinargumente aufzubauen.<br />

(Argumenta ad hominem,<br />

Tu-quoque-Argumente etc.) Literarische<br />

Stilmittel ausgenommen.<br />

Auf diesem Fundament findet im Souffeur<br />

beispielsweise ein Manifest für die Farbe<br />

Weiß seinen Platz neben der schriftlichen<br />

Verneigung vor der FarbeSchwarz oder<br />

Liebeserklärungen für die vielen Grautöne<br />

dazwischen.<br />

Pluralismus<br />

Kritiker des Konzeptes werden sagen:<br />

"Verschiedene Wertemodelle in einem <strong>Magazin</strong><br />

führen dazu, dass Vertreter*innen einer bestimmten<br />

Haltung die jeweils andere Position verurteilen<br />

und das Medium somit als Sprachrohr der Gegenposition<br />

ablehnen werden.<br />

Liberalismus und Konservatismus in einem Blatt<br />

sind nicht möglich, weil die eine Seite ob der anderen<br />

empört und entrüstet sein wird."<br />

Chefredakteur Andreas P. Tauser sagt:<br />

"Leser*innen, die ein Medium ausschließlich deshalb<br />

verurteilen und ablehnen, weil es neben ihrer<br />

eigenen Weltanschauung auch diametral ´<br />

zur eigenen Haltung stehende Inhalte<br />

veröffentlicht, laufen Gefahr, sich<br />

Erkenntnisse entgehen zu lassen, die durch die<br />

Konfrontation mit Fremdem und durch geeignete<br />

Diskurse generierbar wären.“<br />

Entrüstung über eine nicht der eigenen Perspektive<br />

entsprechende Betrachtungsweise für sich ist<br />

nichts Verwerfliches. Die Ablehnung einer Position,<br />

die nicht<br />

die eigene ist, ist nichts Negatives, eine<br />

tendenziöse Beurteilung von Umständen und Zusammenhängen<br />

ist nicht zwangsläufig verwerflich.<br />

Das Verteufeln und kategorische Ignorieren von<br />

Medien aber, die neben der eigenen Wahrheit auch<br />

die anderer Menschen publizieren, ist ein Merkmal<br />

jener Zeitgenossen, die ihre eigene Haltung nur<br />

über die Diskreditierung oder das Ignorieren einer<br />

anderen definieren. Selbstdefinition per Feindmarkierung<br />

also gewissermaßen.<br />

Sapere aude!<br />

Der Souffeur verwechselt bei aller Offenheit für<br />

unterschiedliche Weltanschauungen nicht das hohe<br />

Gut der Meinungsvielfalt mit der Verbreitung von<br />

stereotypen und monokausalen Vorstellungen und<br />

populistischem Nonsens.<br />

Richtschnur aller Aktivitäten des Souffeurs sind<br />

das Bewusstsein für Aufklärung und ein humanistisches<br />

Regelsystem.<br />

Als Teil einer Texthandlung oder einer These dürfen<br />

– beispielsweise – Elvis am Leben, Viren und<br />

Holocaust Lügen und die Erde eine Scheibe sein.<br />

Als ernsthaft dargebrachte Behauptung mit Gültigkeitsanspruch<br />

oder als religiöse und politische Lehren<br />

aber widersprechen Theorien der genannten<br />

Gattung dem Wissenskanon des weltoffenen und<br />

geistig regen Menschen und somit der Blattlinie<br />

des Souffeurs.<br />

⓿<br />

SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

Seite 67


Ich glaube,<br />

Neugierde ist der Motor allen Lebens.<br />

Die Blumen drängen aus der Erde, um das Gerücht<br />

von einem strahlend warmen Feuerball am Himmel zu prüfen.<br />

Und die Herzen in unser aller Brust schlagen, um immer und immer wieder zu überprüfen,<br />

ob sie es noch können.<br />

Ronald Lilleg<br />

Impressum | Angaben gemäß § 55 E-Commerce-Gesetz (ECG)<br />

Medieninhaber, Herausgeber: Kunstarbeit Veranstaltungsverein zur Förderung zwischenmenschlicher<br />

Kommunikation e.V. | Poniglstraße 5544 881660 Thannhausen bei Weiz | offce@kunstarbeit.org | +±4433 (0)331 7722<br />

2277 2277 | Steiermärkische Sparkasse: IBAN: AT3333 220881 55000 066199 991033 | BIC: STSPAT22GXXX |Redaktion,<br />

Grafik und Layout: Andreas P. Tauser | PR: Samira Joy Frauwallner | Redigat: Samira Joy Frauwallner |<br />

Dominik Förtsch | Jakob Georg Hatz |<br />

<strong>Ausgabe</strong> <strong>01</strong>: Auflage <strong>02</strong>2: 5500 Exemplare | Erscheinungsort: 881660 Thannhausen<br />

Für den Inhalt der Beiträge zeichnen die Autoren verantwortlich. Bearbeitung des Titels, Umfangskürzungen<br />

und Textmodifikationen durch die Redaktion ggf. möglich.<br />

Nachdrucke, Herstellung von Vervielfältigungen und Veröffentlichung des Inhalts (Text- und Grafikmaterial)<br />

im Netz sind nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Herausgebers gestattet.<br />

Für unverlangt gesandtes Material wird keine Haftung übernommen.<br />

*1) „Zitatenschatz der Weltliteratur“, © 22<strong>01</strong>0 Anaconda Verlag GmbH, Köln.<br />

Alle Bilder ohne Copyright-Hinweis: www.envato.com<br />

Seite 68 SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1


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Erschienen im PRIMÄR-Verlag.<br />

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SOUFFLEUR #<strong>01</strong>/2<strong>02</strong>1<br />

Bild: Anna Maria Tauser-Fürpaß

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