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Wolfgang Sander: Europäische Identität (Leseprobe)

Was verbindet die Europäer? Von der Antwort auf diese Frage hängt die Zukunft der europäischen Einigung ab. Historisch ist Europa wesentlich durch die christliche Tradition geprägt. Zwar ist diese Tradition blasser geworden. Aber noch immer liegen hier entscheidende Ressourcen für eine ganz Europa verbindende europäische Identität. Europa braucht eine christliche Renaissance, die die christliche Tradition wiederentdeckt, um sie für heute weiterzudenken: Wie verhält sich der christliche Glaube zu den Wissenschaften, wie zu den sogenannten europäischen Werten, wie zu Diversität in modernen Gesellschaften? Wie lässt sich Freiheit anders denken denn als Narzissmus und Egoismus, wie ein Weltbezug jenseits des bloßen Verfügbarmachens? Und wie müssen die christlichen Kirchen sich selbst erneuern?

Was verbindet die Europäer? Von der Antwort auf diese Frage hängt die Zukunft der europäischen Einigung ab. Historisch ist Europa wesentlich durch die christliche Tradition geprägt. Zwar ist diese Tradition blasser geworden. Aber noch immer liegen hier entscheidende Ressourcen für eine ganz Europa verbindende europäische Identität. Europa braucht eine christliche Renaissance, die die christliche Tradition wiederentdeckt, um sie für heute weiterzudenken: Wie verhält sich der christliche Glaube zu den Wissenschaften, wie zu den sogenannten europäischen Werten, wie zu Diversität in modernen Gesellschaften? Wie lässt sich Freiheit anders denken denn als Narzissmus und Egoismus, wie ein Weltbezug jenseits des bloßen Verfügbarmachens? Und wie müssen die christlichen Kirchen sich selbst erneuern?

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1. Wir Europäer: Europäische <strong>Identität</strong> als Aufgabe und Problem<br />

Zugleich bietet diese Bedrohung dem Rechtspopulismus viele<br />

Gelegenheiten, sich selbst als Verteidiger der Freiheit gegen<br />

Rede- und Denkverbote zu inszenieren, seine eigenen Konzepte<br />

von kollektiver <strong>Identität</strong> ins Spiel zu bringen und durch<br />

polarisierende Abgrenzungen gegen ›politische Korrektheit‹<br />

Aufmerksamkeit und Unterstützung zu gewinnen. Fukuyama<br />

weist darauf hin, dass diese Strategie ein Faktor des Erfolgs von<br />

Donald Trump im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 war, den<br />

er trotz vieler Statements gewann, die »die Karriere jedes anderen<br />

Politikers beendet« hätten: »Obwohl vielen seiner Anhänger<br />

sicher nicht jedes dieser Statements gefallen hat, gefiel ihnen die<br />

Tatsache, dass er sich von dem Zwang, politisch korrekt aufzutreten,<br />

nicht einschüchtern ließ.« 32<br />

Versteht man kollektive <strong>Identität</strong> als einen Begriff für das,<br />

was eine kleinere oder größere Gruppe von Menschen in einer<br />

für diese Menschen bedeutsamen Weise miteinander verbindet,<br />

dann sind solche <strong>Identität</strong>en unvermeidlich. Problematisch und<br />

politisch gefährlich sind sie, wenn sie verabsolutiert werden und<br />

damit eine Dominanz im Weltverstehen von Menschen gewinnen,<br />

die unweigerlich nicht nur zu Unterscheidungen von anderen<br />

Gruppen, sondern zu moralisch und emotional aufgeladenen<br />

Ab- und Ausgrenzungen führt. Denn die ultima ratio konsequenter<br />

<strong>Identität</strong>spolitik ist nicht die Verständigung, sondern<br />

der Bürgerkrieg.<br />

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