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Wolfgang Sander: Europäische Identität (Leseprobe)

Was verbindet die Europäer? Von der Antwort auf diese Frage hängt die Zukunft der europäischen Einigung ab. Historisch ist Europa wesentlich durch die christliche Tradition geprägt. Zwar ist diese Tradition blasser geworden. Aber noch immer liegen hier entscheidende Ressourcen für eine ganz Europa verbindende europäische Identität. Europa braucht eine christliche Renaissance, die die christliche Tradition wiederentdeckt, um sie für heute weiterzudenken: Wie verhält sich der christliche Glaube zu den Wissenschaften, wie zu den sogenannten europäischen Werten, wie zu Diversität in modernen Gesellschaften? Wie lässt sich Freiheit anders denken denn als Narzissmus und Egoismus, wie ein Weltbezug jenseits des bloßen Verfügbarmachens? Und wie müssen die christlichen Kirchen sich selbst erneuern?

Was verbindet die Europäer? Von der Antwort auf diese Frage hängt die Zukunft der europäischen Einigung ab. Historisch ist Europa wesentlich durch die christliche Tradition geprägt. Zwar ist diese Tradition blasser geworden. Aber noch immer liegen hier entscheidende Ressourcen für eine ganz Europa verbindende europäische Identität. Europa braucht eine christliche Renaissance, die die christliche Tradition wiederentdeckt, um sie für heute weiterzudenken: Wie verhält sich der christliche Glaube zu den Wissenschaften, wie zu den sogenannten europäischen Werten, wie zu Diversität in modernen Gesellschaften? Wie lässt sich Freiheit anders denken denn als Narzissmus und Egoismus, wie ein Weltbezug jenseits des bloßen Verfügbarmachens? Und wie müssen die christlichen Kirchen sich selbst erneuern?

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1. Wir Europäer: Europäische <strong>Identität</strong> als Aufgabe und Problem<br />

gen ist, als desto problematischer muss die gefühlte Benachteiligung<br />

angesichts von einer Mehrheit als ›normal‹ empfundenen<br />

Heterosexualität wahrgenommen werden, und sei die Zahl<br />

der konkret Betroffenen auch noch so klein (Facebook bot zeitweise<br />

die Möglichkeit, im Nutzerprofil zwischen 60 Geschlechtern<br />

zu wählen). Und je stärker der Rassismusbegriff sich vom<br />

Ressentiment gegenüber Menschen mit bestimmten erblichen<br />

körperlichen Merkmalen wie Hautfarbe löst und auf ›Kulturrassismus‹<br />

oder gar ›antimuslimischen Rassismus‹ (eine besonders<br />

abwegige Konstruktion, weil Muslime ganz offensichtlich<br />

äußerst unterschiedlichen Ethnien angehören) ausweitet,<br />

desto größer wird scheinbar das Rassismusproblem. 27 Das geht<br />

bis zu der in diesem Diskurs verbreiteten Annahme, »dass jede<br />

Person, egal welcher sozialen Herkunft und ungeachtet ihrer<br />

Intention, nicht rassistisch sein zu wollen, rassismusrelevantes<br />

Wissen qua Sozialisation besitzt und sich ein Leben lang<br />

damit auseinandersetzen muss, um dieses Wissen zu dekonstruieren«,<br />

weshalb es zwar »rassismussensible, aber keine rassismusfreien<br />

Räume in unserer Gesellschaft geben kann«. 28 In<br />

puren Rassismus schlägt antirassistische <strong>Identität</strong>spolitik freilich<br />

um, wenn unter dem Slogan ›Critical Whiteness‹ gefordert<br />

wird, Menschen mit weißer Hautfarbe dürften sich zu einem<br />

bestimmten Thema nicht äußern, weil sie wegen ihrer Hautfarbe<br />

zu den Privilegierten gehörten, oder wenn die Hautfarbe<br />

von Autoren zum Grund dafür wird, ihre Texte nicht mehr zu<br />

lesen. 29<br />

Deutlich wird auch hier ein essenzialistischer Zug im Verständnis<br />

von <strong>Identität</strong>. Bestimmte Bedürfnisse, Eigenschaften<br />

und Verhaltensweisen von Menschen werden hier nicht mehr<br />

als persönlicher Lebensstil verstanden, sondern von Minderheiten<br />

als Ausdruck einer besonderen und unveränderbaren<br />

kollektiven <strong>Identität</strong> postuliert, für die in Abgrenzung zur<br />

Mehrheitsgesellschaft Anerkennung und Einfluss gefordert<br />

wird. Dies bedroht nun aber den öffentlichen Raum, der gera-<br />

28

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