MinD-Mag 145
Die Zeitschrift von Mensa in Deutschland (MinD), des deutschen Ablegers der weltweiten Hochbegabten-Organisation Mensa.
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SCHEER WARE<br />
Zugehörigkeit ist<br />
allein unmöglich<br />
Oder: Resonanz entsteht erst durch Interaktion.<br />
Von Heinz-Detlef Scheer<br />
F<br />
rank erzählt: „Warum merkt<br />
eigentlich niemand, wie gut<br />
ich bin? Die Kollegen schielen<br />
auf meine Arbeit. Ich habe den<br />
Eindruck, die kapieren gar nicht,<br />
was ich mache. Aber es spricht<br />
mich auch keiner an. Mein Chef<br />
ist da ganz ähnlich. Der redet<br />
sowieso kaum. Nur wenn er<br />
mit seinem eigenen Chef Ärger<br />
kriegt, weil wir irgendwelche<br />
Termine nicht einhalten, dann<br />
gibt es richtig Stunk. Der weiß<br />
kaum, woran ich gerade im Detail<br />
arbeite. Aber warum soll ich<br />
ihm das erklären? Er ist schließlich<br />
der Chef und sollte das ja<br />
wohl wissen. Wenn ich dann<br />
ein Projekt richtig rausgerissen<br />
habe und den ganzen Laden vor<br />
Problemen bewahrt habe, dann<br />
stellt er sich im Meeting hin und<br />
mich als Musterknaben dar. Das<br />
kann ich gar nicht ab. Da hat er<br />
dann wohl in einem Management-Buch<br />
gelesen, dass man<br />
seine Mitarbeiter loben muss.<br />
Danach ignoriert er mich wieder.<br />
Ich glaube, ich suche mir einen<br />
anderen Job. Das wäre der<br />
vierte in drei Jahren, aber so<br />
geht es auch nicht weiter. Das<br />
Problem: Der Job an sich ist<br />
o.k., die Aufgaben sind herausfordernd,<br />
aber ich kriege null<br />
Anerkennung und die anderen<br />
meiden den Kontakt zu mir.<br />
Aber das war schon immer so.<br />
Ich esse eben nicht in der Kantine<br />
(das hat sich ja Gott sei Dank<br />
seit Corona erledigt), den Fraß<br />
kriegt ja keiner runter. Und Geburtstagsfeiern,<br />
Kegelabende<br />
oder was weiß ich, was die alles<br />
unternehmen, das hängt mir alles<br />
zum Hals raus. Das langweilt<br />
mich zu Tode.“<br />
Die ’Investitionʻ<br />
hat sich gelohnt!<br />
Martin erzählt: „Ich habe ja<br />
jetzt, nachdem meine letzte Firma<br />
sich (vorhersehbar) in Wohlgefallen<br />
aufgelöst hat, einen<br />
neuen Job. Und diesmal war es<br />
echt kurios. Nach nur zwei Jahren<br />
einen neuen Job, und dann<br />
kennst du wieder keinen. Meine<br />
Frau, die gerade eine neue Stelle<br />
in der Chirurgie angetreten<br />
hatte, sagte: ’Wozu haben wir<br />
eigentlich das Haus jetzt fertig<br />
und die große Terrasse? – Lad´<br />
doch deine Kollegen und Kolleginnen<br />
zum Grillabend ein, das<br />
geht doch jetzt wieder bei den<br />
Corona-Zahlen, und unser Garten<br />
ist groß.ʻ<br />
Ich gebe ja zu, ich hatte da<br />
meine Zweifel, aber ich sagte<br />
mir: ’Einen Abend lang hältst du<br />
das wohl aus.ʻ Außerdem grille<br />
ich aus Leidenschaft. Und was<br />
soll ich sagen: Die ’Investitionʻ<br />
hat sich gelohnt! Mit dem einen<br />
und der anderen werde ich wohl<br />
nicht warm, aber der Peter hat<br />
sich als Doppelkopf-Fan herausgestellt<br />
und die Ute liebt Brettspiele.<br />
Wir sind schon verabredet.<br />
Die haben regelmäßige Termine.<br />
Und der Chef hat sich angenehm<br />
zurückgehalten.<br />
Als der Klaus das <strong>MinD</strong>-<strong>Mag</strong><br />
auf meinem Schreibtisch entdeckt<br />
hatte, hat er gleich nachgefragt.<br />
Er schaute fast schon<br />
ehrfürchtig, als ich ihm von<br />
Mensa erzählte, meinte aber,<br />
zum nächsten Stammtisch würde<br />
er auch mal vorbeischauen,<br />
wenn das ginge. Natürlich geht<br />
das, wir sind ja offen für Gäste!<br />
Meine Frau mit einem letzten<br />
Glas Rotwein in der Hand<br />
auf der Terrasse: ’Siehste, das<br />
wird anders als beim letzten<br />
Job-Wechsel! Allein kann man<br />
eben kein Zugehörigkeitsgefühl<br />
entwickeln!ʻ Wo sie das wohl<br />
wieder gelesen hat?“<br />
54 | mind magazin <strong>145</strong>/dezember 2021