MinD-Mag 145

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MHN Alles fließt Auf der 19. Mind-Akademie in Mannheim. Von Christiane Zehrer W enn mir im Corona- Herbst 2020 jemand erzählt hätte, dass ich im Herbst 2021 mit 180 anderen Menschen zusammen in einer Jugendherberge (mit Mehrbettzimmern) übernachten, essen und bis in die Nacht zusammensitzen und diskutieren würde – ich hätte mich vorsichtig pessimistisch gezeigt. Wenn meinen Eltern in der 1980er-Jahren jemand erzählt hätte, dass ein Kind wie ich, ohne Akademikerinneneltern, das Äquivalent von zwei Schuljahren besser lesen muss als ein Kind von Akademikern – sie hätten mich eine Pessimistin geziehen mit dem Argument des sozialen Aufstiegs durch das öffentliche Bildungssystem. Und selbst wenn uns allen die Kunde vom Klimawandel schon länger aus allen Rohren entgegenschallt – hättet ihr gedacht, dass es bereits letzten Sommer möglich war, mit dem Schiff ganz nah an den Nordpol heranzufahren, weil es selbst dort kaum noch Meereis gibt? Diese drei Erlebnisse und Erkenntnisse von der diesjährigen Mind-Akademie zeigen, dass das Thema nicht treffender hätte gewählt sein können: „Wandel“. Er findet gerade überall statt, und wie die vier Akademietage zeigen sollten, treibt er intelligente und interessierte Menschen auch um – und zusammen. Ankunft mit Hindernissen Dabei begann die Konfrontation mit dem Akademiethema für mich wie wohl auch die meisten anderen bereits mit der Anreise. Denn der Hauptbahnhof Mannheim wandelt sich. Mit unmärchenhafter Mühsal und daher über einen längeren Zeitraum wird dort gebaut. Eine der Folgen: Der Hinterausgang, der noch direkter zur Jugendherberge führen würde, ist geschlossen, verrammelt mit kaum zu durchbrechenden Sperrholzplatten. Das Orgateam hatte sich zwar mit dem gutgemeinten Tipp gemeldet, wir sollten doch den Ausgang nahe Gleis 1 nehmen. Was ich nur mit halbem Auge las, ohnehin nicht verstand und so eine erste „Stadtbesichtigung“ mit Querung des gesamten Gleiskörpers auf einer Autobrücke durchmachte. Danach wurde es dann deutlich besser: Das Orgateam hatte bereits seit Mittwoch sichtbar viel Engagement investiert, um die Jugendherberge in ein Denkerinnendomizil zu verwandeln. Und die Freiwilligen am Empfang bereiteten allen neu Eintreffenden ein herzliches Willkommen. Sobald mensch Namensschild und die Zugangskarte zum zugeteilten Zimmer am Shirt beziehungsweise in der Hand hatte, konnte es losgehen. Und das bedeutete in erster Linie: Vorträge mit neuen Erkenntnissen und echten Take-Aways sowie daran anschließende Gespräche bis in die Nacht. Wie immer ein breites Angebot Das inhaltliche Spektrum der gebotenen Vorträge und Workshops reichte wie gewohnt von Acroyoga bis Tablequiz, vom Bunten Abend bis zur Spaziergangswissenschaft, und dieses Mal im wörtlichen Sinne vom Nord- bis zum Südpol. Der Nordpol – oder besser: der Vortrag über die Arktisexpedition MOSAiK – stellte aus meiner 36 | mind magazin <strong>145</strong>/dezember 2021
MHN Prof. Dr. Markus Rex referiert über die Arktisexpedition auf dem Forschungseisbrecher „Polarstern“. Alle Fotos: Tina Zejewski Sicht dann auch eins der Highlights der Akademie dar. Professor Dr. Markus Rex als Expeditionsleiter berichtete in lockerem Plauderton und untermalt von faszinierenden Fotos und Filmaufnahmen davon, wie der Forschungseisbrecher „Polarstern“ sich auf die Suche nach einer großen Eisscholle begab, sich dort einfrieren ließ und mitsamt Besatzung die „Arctic Ice Drift“, also die natürliche Bewegung des Eises in Richtung Süd- Südwest, mitmachte. In Dunkelheit und Stürmen (und ab März dann auch wieder bei Tageslicht) betreuten, hegten und pflegten die Forscher und Forscherinnen auf der Eisscholle installierte Messgeräte, ließen Sonden mit Wetterballons aufsteigen und entnahmen Wasser- und Eisproben. Dass Eisbären auf derartigen Expeditionen ein einzukalkulierendes Risiko darstellen und es gegen sie ein eigenes Schutzkonzept gibt, war eines der unerwarteten Take-aways dieses Vortrags. Erwartet waren hingegen Informationen zum Klimawandel. So zeigte Professor Rex anhand von Bildern, wie sehr sich das Packeis bei der norwegischen Inselgruppe Svalbard (Spitzbergen) in den rund dreißig Jahren seit seiner ersten Expedition zurückgezogen hat. Er berichtete von einem mittsommerlichen Sonnenuntergang nahe dem von flüssigem Meerwasser umgebenen Nordpol. Anhand einiger prägnanter Grafiken erläuterte er sodann, dass die Erwärmung der Arktis den Polarwirbel instabil werden lässt. Dies wiederum führt zu Hitze- und Flutkatastrophen sowie längeren Kälteperioden auch in unseren Breiten. Manchmal muss mensch Phänomene von einem Spitzenforscher erklärt bekommen, um ihr wahres Ausmaß zu begreifen … Eine Besonderheit der Mind- Akademie besteht darin, dass mensch auch Vorträge mitbekommt, die er oder sie nicht selbst besucht. Zumindest dann, wenn diese Vorträge faszinierend oder zumindest verstörend genug sind, dass es in den Pausen Bedarf zur Nachbereitung gibt. mind magazin <strong>145</strong>/dezember 2021 | 37
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