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WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG klarer Kriterien fest; hierfür gibt es auch Richtlinien. Rein qualitative Untersuchungen werden beispielsweise nicht berücksichtigt, schlichtweg, weil sie die notwendigen statistischen Angaben zur Größe von Effekten nicht erfassen. Auch muss berichtet werden, welche Datenbanken und welche Suchbegriffe und gegebenenfalls welche weiteren Quellen zum Auffinden der Originalstudien verwendet werden. Ferner werden Interventionen, die keine Wirkung hatten, seltener veröffentlicht – auch diesen sogenannten „Publikationsbias“ muss man also berücksichtigen. Was untersucht wurde Die Diskrepanz zwischen Potenzial und Leistung ist zwingendes Definitionskriterium von Underachievement. Einfach nur geringe Leistungen genügen also nicht. In dieser Studie untersuchten die Forschenden Underachievement über das gesamte Fähigkeitsspektrum – denn bekanntlich können nicht nur Hochbegabte unter ihren Möglichkeiten bleiben. Möglicherweise unterscheiden sich zwar die Faktoren, die bei Hoch- und durchschnittlich Begabten zu Underachievement beitragen; an systematischen Untersuchungen, die die beiden Gruppen direkt verglichen haben, mangelt es jedoch noch. Einbezogen wurden Studien, die die Auswirkungen von Underachievement-Interventionen auf die Leistung und/oder auf sozioemotionale Variablen untersucht und eine Kontroll- Dass die Wirkung unabhängig vom Begabungsniveau der Teilnehmenden ist, könnte man auf den ersten Blick so interpretieren, dass Hochbegabte keine „Extrawurst“ brauchen. gruppe implementiert (oder zumindest einen Vorher-Nachher- Vergleich vorgenommen) hatten. In diesem Fall kamen von ursprünglich 3.302 Zitationen 331 Untersuchungen in die engere Wahl, von denen nach Anwendung aller Auswahlkriterien 42 Studien übrig blieben, die zwischen 1960 und 2016 veröffentlicht worden waren. Das klingt auf den ersten Blick nach einem ziemlichen Schwund, ist aber völlig im Rahmen. Was kam heraus? Wirken Interventionen gegen Underachievement? Ja! Die 38 Studien, die sich mit den Auswirkungen auf Leistungen befassten, fanden 73 positive, 18 negative und acht Nulleffekte. Im Durchschnitt verbesserte sich die Leistung um 0,45 Standardabweichungen. Bei den 33 Studien, die sich Einflüsse auf psychosoziale Variablen anschauten (in 29 Untersuchungen wurde beides berücksichtigt), fanden sich 182 positive und 108 negative Effekte, im Mittel eine Verbesserung von 0,35 Standardabweichungen – und das alles, obwohl die Stichproben äußerst heterogen waren. Was fanden die Forscher noch heraus? Je früher man interveniert, desto besser die Wirkung; das passt zu früheren Befunden, dass sich Underachievement mit dem Ende der Grundschulzeit zu stabilisieren scheint. Ob jemand hochbegabt ist oder nicht, hat hingegen keine Auswirkungen. Auch der Fokus der Intervention – Aufholen der Lerndefizite versus psychosoziale Beratung – macht keinen statistisch signifikanten Unterschied. Einen kleinen Effekt hatte außerdem, wie Underachievement operationalisiert wurde – ein Hinweis darauf, wie wichtig es ist, sich über die Begrifflichkeiten im Klaren zu sein. Interessant war außerdem, dass das Entstehungsjahr einen leichten Einfluss auf die Leistungsgewinne hatte: Jüngere Studien zeigten eher größere Effekte, was zeigt, dass sich die Qualität der Interventionen langsam, aber stetig verbessert. Ein kleiner Wermutstropfen: Es gab Hinweise auf einen Publikationsbias insofern, als kleinere Studien mit negativen Effekten gar nicht erst berücksichtigt wurden. Veröffentlicht werden also eher Programme mit ausreichender Datengrundlage, die funktionieren. Was bedeutet das praktisch? Dass Interventionen im Sekundar- und Tertiärbereich nicht mehr so gut wirken, heißt nicht, dass Bemühungen in diese Richtung völlig umsonst wä- 22 | mind magazin <strong>145</strong>/dezember 2021
en. Möglicherweise passen die vorhandenen Interventionen einfach besser zum Entwicklungsstand jüngerer Kinder, sodass man für Ältere eventuell spezialisiertere Programme entwickeln müsste. Dass die Wirkung unabhängig vom Begabungsniveau der Teilnehmenden ist, könnte man auf den ersten Blick so interpretieren, dass Hochbegabte keine „Extrawurst“ brauchen. Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass die einzelnen Studien möglicherweise auch ihre Intervention genau auf die Zielgruppe abgestimmt haben könnten (was nicht Teil der Analysen war); und bekanntlich ist ja die Wirkung bei optimaler Passung maximal und möglicherweise eben auch über die Gruppen ähnlich, wenn jede schlicht das bekommt, was sie braucht. Vor dem Hintergrund, dass Underachiever extrem heterogen sind, erscheint ein solches differenzierteres Vorgehen nur sinnvoll. Hier müssen wir wohl einfach warten, was zukünftige, systematischere Forschung bringt; dass diese nötig ist, ist ein Fazit, das auch die Autoren ziehen. Dass jüngere Studien Leistungsdefizite tendenziell wirksamer abbauen können, ist jedenfalls ermutigend – und zukünftige Praxisinterventionen tun gut daran, aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu nutzen, um bestmögliche Wirkungen zu erzielen. Denn letztlich geht es um das Wohlergehen von Menschen. Quelle der Studie: Snyder, K. E., Fong, C. J., Painter, J., Pittard, C., Barr, S. & Patall, E. A. (2019). Interventions for academically underachieving students: A systematic review and meta-analysis. Educational Research Review, 28, Article 100294. Meine Kernkompetenz und Antwort auf den Null-Zins: Der gut gemanagte Investmentfonds zum langfristigen Vermögensaufbau, zur Altersvorsorge und als Entnahmemodell als Alternative zur Rentenversicherung. Als Mensaner erhaltet Ihr 20 % Rabatt auf alle Fonds-Dienstleistungen. Tanja Gabriele Baudson leitet bei Mensa das Ressort Wissenschaft und Forschung. Sie ist Professorin für Differentielle Psychologie und psychologische Begabungsforschung an der Hochschule Fresenius Heidelberg. mind magazin <strong>145</strong>/dezember 2021 | 23 Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. Michael Schulte, Finanzwirt (CoB) Telefon: 0221 92428460 ms@vermoegen-besser-planen.de www.vermoegen-besser-planen.de Lindenstr. 14 · 50674 Köln
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