ZAS MAGAZIN, 309. Ausgabe, Dezember 2021
Der Mann kann Kanzler: Olaf Scholz führt eine Ampel-Koalition an, die es noch nie zuvor gab.
Der Mann kann Kanzler: Olaf Scholz führt eine Ampel-Koalition an, die es noch nie zuvor gab.
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Wider besseren
Wissens, wieder mal
Warum eigentlich reagiert die Politik immer zu spät und zu halbherzig, wenn es um die Bekämpfung
der Corona-Pandemie geht? Es ist ein Versagen aus niedrigen Beweggründen. Von Michael Zäh
Wie kommt es eigentlich, dass die Politik
immer zu spät und zu halbherzig dran ist,
wenn es um die Bekämpfung der Corona- Pandemie
geht? Wir erleben in der nun schon vierten
Welle erneut katastrophale Szenarien, vor allem
in den Kliniken, wo Ärzte und Pfleger nonstop
über ihre Grenzen gehen müssen. Gibt es dafür
einen Grund? Ja! Und ist das ein vernünftiger
Grund? Nein! Es ist ein politisches Versagen aus
niedrigen Beweggründen.
Eines gleich vorneweg: Es ist eine schamlose
Lüge und ein absichtlicher Täuschungsversuch,
wenn Politiker davon reden, dass die
„neue Entwicklung“ (sprich: höchste Notlage
ever) ja nun „gar nicht vorauszusehen war.“
Solch einen Quatsch hat FDP-Generalsekretär
Marco Buschmann („die Lage hat sich verändert“)
ins Feld geführt, ebenso wie bayerische
Gesundheitsminister Klaus Holotscheck (CSU),
der meinte, die Entwicklung sei nicht vorauszusehen
gewesen.
Der Beweis des Gegenteils ist ganz leicht
zu erbringen. Braucht man sich nämlich nur in
der Mediathek des Deutschlandfunks eine Interview
anhören, das
der Virologe Christian
Drosten am 2. September
(!) dort gab und in
dem er mit mathematischer
Präzision all das
vorher gesagt hat, was derzeit als Katastrophe
über Deutschland hinweg fegt.
Also nochmal: Wie kommt es eigentlich,
dass die Politik immer zu spät und zu halbherzig
reagiert? Wir dürfen hier wohl ausschließen,
dass die Warnungen des Chef-Virologen der
Charité aus Versehen überhört wurden. Der
Mann wurde außerdem wie inzwischen üblich
im Netz mit einer Hohn- und Hassrede aus dem
Lager der Corona-Leugner überzogen. Sprich:
Alle haben es vernommen, was Drosten am
2. September sagte. Seine Gegner und auch
die Politiker, die nebenan in Berlin wohnen.
Drosten sagte, dass man „mit dieser Impfquote
nicht in den Herbst gehen“ könne, und dass es
„im November weitere Kontaktbeschränkungen
brauche, angesichts der erwartbaren Lage in den
Krankenhäusern.“ Und er sagte, dass es eher
noch schlimmer kommen werde.
So kam es. Welcher Politiker, selbst mit durchschnittlichem
Verstand, will uns heute also
verkaufen wollen, dass man da nix habe machen
können, weil es so plötzlich und ganz und gar
unvorhersehbar über das Land herein brach?
Die Wahrheit liegt auf der Hand. Im
Spätsommer wollte die deutsche Öffentlichkeit
endlich das Gefühl haben, dass man Corona
endlich mal vergessen könne. Und das ist jetzt
natürlich interessant, dass die Politiker sich
eher nach solchen Stimmungen richten als nach
beunruhigenden Fakten. Den Drosten wollte
damals keiner im Land hören. Und die Politik
war dieser Stimmung hörig, anstatt das Land
für den Herbst zu rüsten. Man darf sagen: Wider
besseren Wissens! Es war ja Bundestagswahl.
Das Motto der Politiker: Niemals gegen die
Stimmung im Wahlvolk etwas tun, auch wenn
das später zu Katastrophen in Krankenhäusern
führt. Ergo: Statt zum Wohle der Bevölkerung
rechtzeitig zu lenken, wartete man schleimig ab.
Wieder mal. Und was jetzt? Die Ampel hat schon
lange genug gezögert und gezaudert. Warum?
Weil sie auf die Stimmung im Wahlvolk und
jener untereinander (FDP!) Rücksicht nimmt.
10 Politik und Gesellschaft
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