HEIMATLIEBE-BIGGESEE Augabe 14 Winter 2021
Die Ausgabe für die Region Biggesee - Heimatliebe – Dein Magazin, Deine Region, Deine Geschichten.
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Empfindliche Funde wie hier bei Ausgrabungen am Rathausvorplatz/Franziskanerkloster<br />
bergen Sebastian Luke (r.) und sein Kollege Steffen Bohm als Block. Sie werden später unter<br />
Laborbedingungen freigelegt. Bei diesem Relikt handelt es sich um die Perlen eines Rosenkranzes,<br />
der sich zwischen den gefalteten Händen eines Bestatteten fand.<br />
(Foto: Archäologie am Hellweg eG)<br />
Sebastian Luke bringt Attendorns verborgene Schätze ans Licht<br />
Attendorn ist eine Stadt mit wechselvoller Vergangenheit. Wer durch die<br />
Innenstadt schlendert, stößt an vielen Ecken und Orten auf Zeitzeugen aus<br />
längst vergessenen Tagen – das ist ganz offensichtlich. Viel weniger offensichtlich<br />
ist dagegen das, was sich tief unter der Stadt verbirgt: Infrastruktur aus<br />
fast 800 Jahren Stadtgeschichte. „Altes Pflaster, Kanalschächte, Latrinen,<br />
Brunnen, Mauerzüge, Münzen, Keramik und sogar Skelette – all das und noch<br />
viel mehr haben wir zutage gefördert, seit im Jahr 2015 mit der Sanierung der<br />
Innenstadt begonnen wurde“, berichtet Sebastian Luke, der die Bauarbeiten als<br />
Archäologe begleitet.<br />
as große Jubiläum wirft seine<br />
Schatten voraus: Im Jahr<br />
2022 feiert die Hansestadt<br />
Attendorn ihr 800-jähriges Bestehen.<br />
Die lange Geschichte spiegelt sich auch<br />
in den zahlreichen Befunden und<br />
Funden wider, die im Rahmen der<br />
großangelegten Sanierungsarbeiten ans<br />
Tageslicht kamen. Schon in der Planungsphase<br />
waren die zuständigen<br />
Behörden zu dem Ergebnis gekommen,<br />
dass bei den Tiefbauarbeiten<br />
durchaus historisch Relevantes auftauchen<br />
könnte – und zwar mit Recht,<br />
wie sich schon sehr bald zeigen sollte.<br />
Mit der archäologischen Begleitung<br />
der Bauarbeiten wurde das Team der<br />
Genossenschaft „Archäologie am Hellweg“<br />
mit Sitz in Dortmund und<br />
Münster betraut, zu dessen Mitgliedern<br />
auch der gebürtige Attendorner<br />
Sebastian Luke gehört. „Dass ausgerechnet<br />
ich für diesen Auftrag in<br />
meine Heimatstadt gehen durfte, war<br />
ein schöner Zufall“, erinnert sich der<br />
Archäologe, der sich unter anderem<br />
auch mit praktischer Baudenkmalpflege<br />
beschäftigt. Gemeinsam mit<br />
einigen Kollegen war er bei allen großen<br />
Baggerarbeiten vor Ort, um<br />
immer dann einzuschreiten, wenn es<br />
danach aussah, als sei man auf wertvolle<br />
Relikte gestoßen. „Am Neumarkt<br />
haben wir etwa Reste der alten Mädchenschule<br />
freigelegt“, erinnert sich<br />
der 40-Jährige. „Das Gebäude ist im<br />
19. Jahrhundert errichtet und nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg wieder abgerissen<br />
worden“, weiß der Archäologe,<br />
dessen wissenschaftlicher Fokus auf<br />
den Bereichen Mittelalter- und Neuzeitarchäologie,<br />
Archäometallurgie<br />
und Industriearchäologie liegt. „Da,<br />
wo sich jetzt der neue Rathausvorplatz<br />
befindet, haben wir zudem Teile der<br />
alten Klosterkirche gefunden. Bei den<br />
Grabungsarbeiten dort und an der<br />
Pfarrkirche sind wir auf unzählige<br />
Skelette gestoßen.“ Wie anthropologische<br />
Untersuchungen zeigen, stammen<br />
die Bestattungen in der Kirche des<br />
Franziskanerklosters aus der Zeit nach<br />
dem Dreißigjährigen Krieg, diejenigen<br />
vom Friedhof der Pfarrkirche aus der<br />
Zeit etwa zwischen Kirchengründung<br />
und 1810. „Die Zusammenarbeit mit<br />
anderen Wissenschaftlern wie etwa<br />
Anthropologen ist sehr wichtig. Nur<br />
so können wir zu unseren Funden<br />
schlussendlich eine abgeschlossene<br />
Geschichte erzählen“, hebt Sebastian<br />
Luke hervor.<br />
Die Tatsache, dass man als Archäologe<br />
nie weiß, was genau einen an einer<br />
Ausgrabungsstätte erwartet, gehört<br />
naturgemäß zum Berufsbild dazu.<br />
„Man muss prinzipiell mit allem rechnen.<br />
Alles, was Menschen gebaut,<br />
gebraucht, verloren oder weggeworfen<br />
haben, kann bei den Untersuchungen<br />
zutage treten“, so Luke. Bei den<br />
Ausgrabungen ist vor allen Dingen<br />
Handarbeit gefragt: Die Profis rücken<br />
mit Spitzhacke, Schüppe, Stuckateureisen,<br />
Pinsel und mitunter sogar mit<br />
Straßenbesen an, um Funde und<br />
Nahe des Westportals der Kirche<br />
haben die Archäologen eine<br />
steinerne Bauspolie gefunden.<br />
Sie diente als Träger für eine<br />
Bauinschrift in lateinischer Sprache,<br />
die in eine kleine Bleiplatte<br />
eingeprägt worden war, weiß<br />
Sebastian Luke. (Foto: Silke Clemens)<br />
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