LE-5-2021
LOGISTIK express Zeitschrift ePaper App | Ausgabe 5/2021
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haber Alexandr Lukaschenko, Russlands<br />
Präsident Wladimir Putin und der Ungarische<br />
Ministerpräsident Viktor Orban. Sie unterhalten<br />
sich köstlich über ihre Auslegung der<br />
Menschenrechte und wie sie von der EU bekommen,<br />
was sie sich wünschen. Besonders<br />
perfide das Vorgehen Lukaschenkos: Flüchtlinge<br />
aus Krisenregionen wie dem Irak, aus Syrien<br />
und Afghanistan werden mit touristischen<br />
Visa nach Belarus geholt und dann an die<br />
polnische Grenze gebracht, um Druck auszuüben.<br />
Als Reaktion darauf wurde in Polen<br />
flugs ein Grenzzaun errichtet, mehr als 15.000<br />
Sicherheitskräfte patrouillieren. Mit Wasserwerfern<br />
und Tränengas (deja vue?) werden<br />
die Menschen zurückgedrängt, zu Tausenden<br />
verharren sie in bewachten Notlagern<br />
an der Grenze.<br />
Die EU erkennt Lukaschenkos Wahlsieg 2020<br />
nicht an und verhängte aufgrund des Vorgehens<br />
gegen Demonstranten, Medienvertreter<br />
und die Opposition sowie für die<br />
Wahlfälschung Sanktionen, die immer wieder<br />
verstärkt wurden. Dazu zählen ein Reiseverbot<br />
und das Einfrieren von Vermögenswerten von<br />
inzwischen insgesamt 166 Personen und 15 Organisationen,<br />
darunter etliche Mitglieder belarussischer<br />
Behörden und der Diktator selbst.<br />
Die erzwungene Landung eines Ryanair-Jets<br />
in Minsk zur Festnahme des regimekritischen<br />
Journalisten Raman Protasewitsch und seiner<br />
Lebensgefährtin Sofia Sapega sorgte international<br />
für Aufsehen – und natürlich für weitere<br />
Sanktionen wie den Ausschluss belarussischer<br />
Fluglinien aus dem gesamten EU-Luftraum.<br />
Was für ein freundlicher Zeitgenosse er ist,<br />
bewies Lukaschenko mit seiner Begründung<br />
für die Schließung von 270 NGOs während<br />
eines BBC Interviews: „Wir werden all den Abschaum<br />
massakrieren, den ihr, der Westen,<br />
finanziert habt." Der Westen sei nur frustriert,<br />
weil „wir jetzt all eure Strukturen zerstört haben<br />
– eure NGOs und all jene, die ihr bezahlt.“ Gegen<br />
Verfolgungswahn gibt es übrigens Medikamente,<br />
im Idealfall teilt er die dann mit den<br />
anderen Teilnehmern beim oben erwähnten<br />
Kaffeekränzchen. Jedenfalls sind die Sanktionen<br />
natürlich unangenehm, daher das Spiel<br />
mit den Flüchtlingen. Und wie sieht die Strategie<br />
der EU abgesehen von Sanktionen aus?<br />
Sie verspricht ein drei Milliarden Euro schweres<br />
Investitions- und Wirtschaftspaket für Belarus,<br />
sobald das Land demokratisch wird. Und<br />
was macht Lukaschenko? Der freut sich über<br />
eine Milliarde Dollar Sonderziehungsrechte,<br />
die ihm der IWF zur Überwindung der Corona-Pandemie<br />
gewährte und damit im vergangenen<br />
August die Währungsreserven des<br />
Regimes auf einen Schlag um fast zwölf Prozent<br />
erhöhte. Und wenn das nicht reicht, holt<br />
er sich einfach neue Kredite bei seinem guten<br />
Freund Putin. Und lacht über den Westen.<br />
Derweil wird in Litauen der Ausnahmezustand<br />
verhängt, weil die importierten Migranten aus<br />
Belarus nicht nur nach Polen stürmen, sondern<br />
in ihrer Verzweiflung auch in die andere<br />
Richtung ausweichen – wo sie von Soldaten<br />
mit Wasserwerfern empfangen werden (wie<br />
gut, dass es an allen Grenzen einen ausreichenden<br />
Vorrat davon gibt).<br />
Bis dato hat es die EU nicht geschafft, die die<br />
gemeinsame Asylpolitik zu reformieren und so<br />
Migration und Flucht nach Europa dauerhaft<br />
und nachhaltig zu regeln. Der Knackpunkt:<br />
die Umverteilung ankommender Asylwerber<br />
zwischen den Staaten, da einige Länder die<br />
Aufnahme strikt verweigern. Solidarität? Ist<br />
wohl im Mittelmeer ertrunken. Gleichzeitig<br />
werden Konflikte weiter befeuert und Waffenproduzenten<br />
können munter weiter exportieren<br />
und sich am Leid bereichern. Demokratie<br />
und Menschenrechte werden mit<br />
Füßen getreten, aber wir kuschen und lassen<br />
uns erpressen. Wir müssen gemeinsam eine<br />
Pandemie bekämpfen, Terror verhindern, die<br />
Kluft zwischen Arm und Reich verringern und<br />
die Klimaerwärmung stoppen, aber die EU<br />
zerbricht an der Flüchtlingsverteilungsfrage.<br />
Rosige Aussichten… (AG)