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Melange No20

Melange No20 - das Magazin im Süden Bayerns

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ZUAGROAST<br />

Heute, genau ein Jahr nach unserem<br />

Umzug nach Murnau, haben<br />

wir sie fast durch, die fünf Frühphasen<br />

der Zuagroasten. Speziell die<br />

derer, die aus München herkommen,<br />

der bayerischen Asche-aufmein-Hauptstadt.<br />

Denn in Phase 1 waren wir noch mit dem schwarzem<br />

M auf unserem Auto unterwegs. Wenn man mit dieser Markierung<br />

am Froschsee parkt, darf man sich über abfällige Blicke<br />

nicht wundern. Oder dass der Wagen später hoffnungslos zugeparkt<br />

ist. Entsprechend schnell wird ein Ausflug nach Farchant geplant, um<br />

aus dem verräterischen Familienwagen einen identitären Tarnkappenbomber<br />

zu machen. GAP drauf, M drin. Und immer freundlich<br />

Dank winken, wenn dir jemand in der Schwaigangerstraße Vorrang<br />

gewährt.<br />

Kaum sitzt man in seinem troianischen Vehikel, rast man schon in<br />

Phase 2, in der man jedem mitteilt, dass man gerade hergezogen<br />

ist. Als würde man darauf spekulieren, von irgendwem zu erfahren,<br />

wo der wackelige Tapeziertisch mit den Willkommenscocktails<br />

steht wie im 3-Sterne-Hotel am Gardasee. Merkt man dann, dass<br />

man nicht als Erlöser gefeiert wird, werden die Beweggründe für<br />

die Umsiedlung in den Raum geworfen. #Corona. Vor allem, wenn<br />

man beruflich keine weiße Weste hat, sprich, nicht im Klinikum<br />

dafür sorgt, dass die mit dem Hubschrauber eingeflogenen anderen<br />

Münchner abreisen können, bevor sie entdecken, wie schön<br />

es hier ist.<br />

Dazu paart sich gerne Phase 3, wobei ich zugeben muss, dass nur<br />

ich sie in unserer Familie durchgemacht habe: die anbiedernden<br />

sprachlichen Assimilationsversuche. Um ehrlich zu sein, fällt es mir<br />

auch schwer, das abzulegen. Denn immer, wenn ich mit Murnauern<br />

spreche, verfalle ich ins Zugroastenbayerisch, einem Dialektkauderwelsch,<br />

für das mir mein Gegenüber im Grunde sofort eine watschen<br />

müsste. Vielleicht ist das die einzig wirksame Therapie – und, ja,<br />

fotzen Sie mir bitte eine, sollte ich Ihnen gegenüber ins Bayerisch-<br />

Babylonische verfallen.<br />

Die meisten sehen früher oder später ein, dass sie mit Hochdeutsch<br />

deutlich unauffälliger durch den Alltag kommen. Und so geht es<br />

mit großem Selbstvertrauen in Phase 4, der Identitas präcox, einer<br />

deutlich verfrühten Überidentifizierung mit dem neuen Murnauer<br />

Ego. Ich wette, dass es ein Großstadtemigrant war, der im letzten<br />

Sommer in Garmisch ein Auto mit Münchner Kennzeichen angespuckt<br />

hat. Schon radelt man durch „unser“ Moos, trinkt „unser“<br />

Grießbräu aus einem Kargglas, parkt Münchner an „unserem“<br />

Froschsee zu und erwägt Mitgliedschaften im Trachten- und Schützenverein.<br />

Hilfreich ist hier ein Wochenende in der Großstadt, eine<br />

Erinnerung an das Leben, das man so unbedingt abstreiten möchte.<br />

Mit etwas Glück realisiert man, dass man noch lange nicht angekommen<br />

ist, und stürzt sich mit großem Eifer in Phase 5, die sich<br />

ausschließlich im eigenen Garten abspielt. Denn der Sprung vom<br />

Großstadtbalkon ans eigene Beet gleicht dem eines Beckenschwimmers<br />

ins Meer. Es wird gesät, gejätet und gepflanzt, während man<br />

sich wundert, warum die Heimgärtnerei der meisten Nachbarn in<br />

Hochbeeten stattfindet. Bis man begreift, dass man als Neudepp<br />

einfach nur Premium-Bio-Schneckenfutter gezüchtet hat.<br />

Wie gesagt, wir sind fast durch. Aber ich werde weiterhin beobachten,<br />

welche Fettnäpfchen und Fauxpas noch auf uns Marktfrischlinge<br />

warten. Wobei ... wir sind jetzt Jungschweine!<br />

TATORT<br />

finken. Für meinen Artikel kann ich diese Information natürlich<br />

nicht brauchen. Ein Buchfinkenfeind (und auch noch Katzenfreund)<br />

würde beim Leser nicht gut ankommen. Auch wenn seine<br />

Katzen, das versichert mir Murmel, es nicht einmal schaffen, auf<br />

Bäume zu klettern, und daher keine Gefahr für Vögel darstellen.<br />

Murmel hat ein freundliches Gemüt. Das merkt man daran, wie<br />

er Menschen begegnet. Er nimmt sich und das, was er macht,<br />

auch nicht so überaus wichtig. Darum erklärte er der Bedienung<br />

als allererstes, dass ein Interview mit ihm gemacht werde. Klar,<br />

dass wir bevorzugt behandelt werden. Als ich ihm dann auch<br />

noch versichere, dass Franz von der <strong>Melange</strong> unsere Zeche als<br />

Betriebskosten übernehmen wird, ist zwischen uns alles klar.<br />

Wie wird man eigentlich<br />

Drehbuchautor<br />

In der Schule, erzählt Murmel, sei er (einmal) in Rollschuhen<br />

als Nikolaus durch die Klassen gefegt und habe spontan Gedichte<br />

für jeden Schüler improvisiert. Aber ein Dichter ist er nicht geworden.<br />

Seine Lyrik, die dem verschollenen Frühwerk zuzurechnen<br />

ist, war auf jeden Fall lustiger Natur. Aber er versichert,<br />

dass er mit Humor auch bei Frauen landen konnte. In der elften<br />

Klasse hat er ein Jahr in Amerika verbracht. Die wichtigste Erfahrung<br />

dort machte er zu Halloween, als er sich als Schlumpf<br />

verkleidete. Das war wohl kein ganz großer Erfolg, da die meisten<br />

anderen Schüler nicht verkleidet waren. Und den ersten Preis<br />

für sein Kostüm habe ein Kleinwüchsiger bekommen, der nur<br />

mit einer Windel bekleidet war. Klar, das hat er erfunden – oder<br />

nicht? Ich bin mir nicht ganz sicher. Jedenfalls hat er diese Geschichte<br />

dann, etliche Jahre später, bei einer Lesung in Berlin<br />

vorgetragen. Einer Lesung, die seine frühere Freundin organisiert<br />

hatte. Und dabei hat Murmel seine Frau kennengelernt,<br />

die im Publikum saß. Am nächsten Tag wurde er von Christoph<br />

Schlingensief versetzt und ist mit seiner späteren Frau Caren<br />

ins Kino gegangen. Anschließend sind sie dann bis um fünf Uhr<br />

nachts um die Häuser gezogen. Der Stoff, aus dem die Träume<br />

sind. „Wenn‘s stimmt, stimmt’s“, meint Murmel.<br />

Jetzt mal im Ernst ...<br />

..., versuche ich Murmel zum Gespräch zurückzuführen. Doch in<br />

dem Moment fliegen zwei Libellen vorbei. „Bumsende Libellen!“,<br />

CLAUSEN MURMEL

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