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KURT Nov./Dez. 2021

KURT - Dein Magazin für Gifhorn Ausgabe Nov./Dez. 2021

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Social Media<br />

Social Media<br />

Zeigt Zivilcourage und<br />

setzt Euch für Betroffene ein<br />

Polizistin Liane Jäger erklärt im Interview, was man gegen Cyber-Mobbing tun kann<br />

Wenn Plattformen wie Instagram und Co durch falsche Nutzung<br />

zum Ort von Straftaten werden: Die Präventionsbeauftragte Liane<br />

Jäger der Polizeiinspektion Gifhorn spricht im Interview mit <strong>KURT</strong>-<br />

Praktikantin Hannah Matea Buchwald über Cyber-Mobbing, ihre<br />

Präventionskurse und Strategien für Betroffene.<br />

Frau Jäger, fangen wir vielleicht<br />

ganz vorne an: Was ist eigentlich<br />

der Unterschied zwischen Mobbing<br />

und Cyber-Mobbing?<br />

Das „einfache“ Mobbing begegnet<br />

einem im Alltag, beispielsweise<br />

in der Schule, Face<br />

to Face. Beim Cyber-Mobbing<br />

weiß man dagegen nicht mehr,<br />

wer dahinter steckt. Alles geschieht<br />

über das Internet, dort,<br />

wo Fake-Accounts registriert<br />

werden und praktisch die ganze<br />

Welt mitlesen kann.<br />

Liane Jäger ist Präventionsbeauftragte der Polizeiinspektion Gifhorn.<br />

Regelmäßig gibt sie Kurse an Schulen in Stadt und Kreis. Archivfoto: Çağla Canıdar<br />

Gibt es Auffälligkeiten, wenn wir<br />

über Cyber-Mobbing in Gifhorn<br />

sprechen?<br />

Bundesweit stellen wir fest,<br />

dass immer jüngere Kinder betroffen<br />

sind. Auch religiös motiviertes<br />

Mobbing und Sexting<br />

kommt bundesweit, aber auch<br />

in Gifhorn immer häufiger vor.<br />

Frau Jäger, Sie sind Präventionsbeauftragte<br />

und geben regelmäßig<br />

Kurse in Gifhorns Schulen.<br />

Was lehren Sie die Schülerinnen<br />

und Schüler?<br />

In meinen Präventionsvorträgen<br />

stelle ich immer den<br />

Mobbingfall eines 15-jährigen<br />

Mädchens vor, den ich selber<br />

bearbeitet habe. Das Mädchen<br />

wurde so sehr von seinen<br />

Mitschülern gemobbt, dass<br />

es Suizidgedanken bekam.<br />

Nachdem sie sich mir anvertraut<br />

hat, haben wir auf ihrem<br />

Handy nach Beweisen für die<br />

Anschuldigungen gesucht und<br />

drei IP-Adressen gefunden, die<br />

den Handys der verdächtigten<br />

Mitschüler zuzuordnen waren.<br />

Wir haben die Täter morgens<br />

um 6 Uhr gleichzeitig<br />

mit einem Durchsuchungsbeschluss<br />

auf der Suche nach den<br />

Mobiltelefonen überrascht.<br />

Das Mädchen forderte<br />

Schadensersatz, also Schmerzensgeld,<br />

und hat die Schule<br />

gewechselt. Die drei Täter<br />

bekamen vier Konsequenzen:<br />

Zum einen mussten sie Sozialstunden<br />

ableisten, dazu erfolgte<br />

der Verweis von ihrer Schule.<br />

Zudem gab es Ärger von den<br />

Eltern. Und schließlich wurden<br />

So nah und doch so fern: Täglich verbringen Kinder und Jugendliche durchschnittlich mehrere Stunden im<br />

digitalen Raum. Parallel dazu wächst die Kurve des Cyber-Mobbings an. Die auf diesem Foto gezeigte Runde<br />

um <strong>KURT</strong>-Praktikantin Hannah Matea Buchwald tauschte sich über Gefahren und Risiken aus.<br />

Foto: Michael Uhmeyer<br />

ihre Smartphones als Tatmittel<br />

eingezogen und vernichtet.<br />

Warum kommt Cyber-Mobbing<br />

so oft vor?<br />

Mobbing an sich ist ein typisches<br />

Phänomen überall da,<br />

wo Zwangsgemeinschaften<br />

leben, sprich im Beruf oder in<br />

der Schule. Wenn man anders<br />

als die anderen ist, steht man<br />

gleich im Fokus.<br />

Mobbing ist ein Ventil, was<br />

die Täter verwenden, um beispielsweise<br />

Rache zu nehmen<br />

für ein Erlebnis, das ihnen<br />

selbst widerfahren ist.<br />

Studien zeigen, dass Cyber-<br />

Mobbing Jahr für Jahr zunimmt.<br />

Sie selber sagen, dass auch immer<br />

jüngere Kinder betroffen sind.<br />

Was, denken Sie, macht das mit<br />

einer Generation, die mit solchen<br />

Problemen im digitalen Raum<br />

aufwächst?<br />

Ich finde, dass es Misstrauen<br />

in Menschen schürt. Die<br />

Handynutzung generell und<br />

das Kommunizieren darüber<br />

hat Auswirkungen auf die<br />

Sprache und die Wortwahl:<br />

Sie verrohen. Deswegen wird<br />

man unsensibel dem anderen<br />

gegenüber und nimmt die<br />

Zwischenmenschlichkeit nicht<br />

mehr wahr.<br />

Bleibt eine Frage: Was kann ich<br />

selbst, was können wir alle tun, um<br />

Betroffenen von Cyber-Mobbing<br />

in unserem Umfeld zu helfen?<br />

Man sollte definitiv Zivilcourage<br />

aufbringen und sich mutig<br />

und uneigennützig für Betroffene<br />

einsetzen. Denn Mobbing<br />

hat nur Platz, wenn es Menschen<br />

gibt, die wegschauen.<br />

Deswegen appelliere ich<br />

auch immer, eine starke Gemeinschaft<br />

mit einem guten<br />

Zusammenhalt zu bilden –<br />

denn ein Opfer kommt aus<br />

dem Cyber-Mobbing nicht<br />

mehr alleine raus.<br />

Kontakt<br />

Liane Jäger<br />

Präventionsbeauftragte der<br />

Polizeiinspektion Gifhorn<br />

Tel. 05371-980108<br />

E-Mail: liane.jaeger@<br />

polizei.niedersachsen.de<br />

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