Pause 2021
Das ist das Lehrlingsmagazin der Mathilde Escher Stiftung - Ausgabe 2021
Das ist das Lehrlingsmagazin der Mathilde Escher Stiftung - Ausgabe 2021
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N0 11 — <strong>2021</strong><br />
Nach<br />
vorne<br />
schauen<br />
Mit positiver<br />
Einstellung meistert<br />
Martin seinen<br />
Schicksalsschlag.<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
STOLPERSTEIN<br />
Auf den<br />
Rollstuhl<br />
reduziert<br />
1
— EDITORIAL —<br />
Wir steigern Mobilität.<br />
Unsere Spezialisten erarbeiten individuelle Versorgungskonzepte, um unseren<br />
Patientinnen und Patienten ein Höchstmass an Selbstbestimmung zu ermöglichen.<br />
Ihr verlässlicher Ansprechpartner in Sachen<br />
• Rollstuhlversorgung (manuelle und Elektrorollstühle)<br />
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Mobil sein bedeutet Lebensqualität.<br />
Unsere Reha-Spezialisten nehmen sich gerne Zeit für Sie.<br />
IMPRESSUM<br />
Florian Müller,<br />
Praktiker Mediamatik<br />
2. Ausbildungsjahr<br />
PAUSE — das Ausbildungsmagazin<br />
der Mathilde Escher Stiftung<br />
Ausgabe Nr. 11, <strong>2021</strong><br />
Herausgeberin:<br />
Mathilde Escher Stiftung<br />
Lengghalde 1, 8008 Zürich<br />
Telefon 044 389 62 00<br />
Fotos: Benjamin Allemann, Simon<br />
Bruderer, Michael Groer, Frank<br />
Grüninger, Niklaus Spoerri<br />
Akzeptieren<br />
und gestalten<br />
In dieser Ausgabe finden Sie Themen, die uns alle beschäftigen.<br />
So schreiben unsere Autorinnen und Autoren<br />
beispielsweise über Arbeit, Wohnen und Freizeit.<br />
Luca gibt uns in seinem Artikel einen Einblick in die<br />
Grafikwerkstatt der Mathilde Escher Stiftung. Dort<br />
findet er ein Arbeitsumfeld, wo er seine Talente einbringen<br />
und seine Möglichkeiten ausschöpfen kann. Neben<br />
der Arbeit spielt Sport für viele Menschen eine wichtige<br />
Rolle. So auch für Menschen, die einen Rollstuhl<br />
nutzen. Bei Pascals Reportage zum Thema Powerchair<br />
Hockey wurde mir deutlich, mit welchem Engagement<br />
sich Menschen mit ihrer Freiwilligenarbeit für diesen<br />
Sport einsetzen und ihn dadurch erst möglich machen.<br />
Für Menschen mit Einschränkungen bleiben die eigenen<br />
vier Wände oft ein unerfüllter Traum. Im Interview<br />
erzählten mir Alex und Niklas, was alles notwendig<br />
war, damit sie ihr Grossprojekt «Selbstständig Wohnen»<br />
auf die Beine stellen konnten. Das Leben wird gestaltet,<br />
die Zukunft geplant… Doch, wie John Lennon anmerkte:<br />
«Leben ist das, was passiert, während du eifrig<br />
dabei bist, andere Pläne zu machen». Ein Hirnschlag<br />
veränderte Martins Leben von einem Moment auf den<br />
anderen. Sein Text zeigt, wie wichtig es ist, das Leben zu<br />
akzeptieren, wie es ist. In diesem Sinne: Lassen Sie es<br />
uns annehmen und nach vorne blicken.<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
Konzeption: grüninger grafik,<br />
Atelier für visuelle Kommunikation<br />
Lektorat: Sprache und<br />
Kommunikation – Iris Vettiger<br />
Lithografie: b+b repro AG<br />
Druck: Druckerei Albisrieden AG<br />
Auflage: 2‘800 Exemplare<br />
Erscheint: 1 x pro Jahr<br />
Gedruckt auf 100% Recyclingpapier<br />
3
Inhalt<br />
– 30 –<br />
Tierisch was los<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
8<br />
création handicap<br />
Die Gafikwerkstatt der Mathilde Escher Stiftung<br />
bietet Raum für kreative Ideen. Luca hat dort<br />
sein Praktikum absolviert und sich mit dem Leiter<br />
der Grafikwerkstatt unterhalten.<br />
«Am Anfang<br />
wars ein<br />
Blindflug»<br />
22<br />
32<br />
Mit Strategie<br />
zum Ziel<br />
Die Weltmeisterschaft im Powerchair<br />
Hockey steht vor der Tür. Zeit, um<br />
mit dem Trainer der Iron-Cats über<br />
diesen Sport zu sprechen.<br />
– 7 –<br />
Schoggi<br />
statt Gelato<br />
Nayen lebt seit drei Jahren in der Schweiz.<br />
Die Zeit nach dem Umzug von Italien hierher<br />
war für sie nicht immer einfach. In ihrem<br />
Tagebuch erzählt sie über ihre Sehnsüchte<br />
und Erinnerungen.<br />
– 13 –<br />
Zahlen<br />
aus der Stiftung<br />
Was haben 3677 Cordons Bleus mit den<br />
Be woh nerinnen und Bewohnern der Mathilde<br />
Escher Stiftung zu tun? Und warum muss der<br />
Burj Khalifas für den WC-Papierverbrauch<br />
herhalten? In unserer neuen Kolumne finden<br />
Sie die Antworten.<br />
– 15 –<br />
Neustart<br />
Ein Hirnschlag veränderte Martins Leben<br />
von einem Tag auf den andern. Mit beeindruckender<br />
Nüchernheit erzählt er, wie<br />
es ist, einfachste Handlungen wieder erlernen<br />
zu müssen und sich in einem neuen Alltag<br />
Wie ist es, als Kater in einem Haushalt mit<br />
vielen anderen Tieren zu leben? Kater Titan<br />
von Familie Affolter packt aus und erzählt aus<br />
seinem Leben als Vierbeiner.<br />
– 38 –<br />
«Hier fand ich<br />
wieder den Rank»<br />
Rosella arbeitet in der Mathilde Escher<br />
Stiftung in der Hotellerie und sorgt dafür,<br />
dass sich alle, die hier wohnen, arbeiten und<br />
lernen, wohl fühlen. Doch sie kennt auch<br />
ein anderes Leben.<br />
Kurz & bündig<br />
12<br />
20<br />
28<br />
29<br />
Stolperstein<br />
«Brauchen Sie Tipps beim<br />
Einparken?»<br />
Das Redaktionsteam<br />
Fotostory<br />
Familiengeheimnisse<br />
Wussten Sie, dass …<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
Alex und Niklas haben sich ihren<br />
grossen Traum von den eigenen<br />
zurechtzufinden.<br />
37<br />
10 Fragen an …<br />
vier Wänden erfüllt. Im Interview<br />
Manuel Weibel<br />
ziehen sie Bilanz nach einem Jahr<br />
selbstständig Wohnen.<br />
4 5
— PERSÖNLICH —<br />
Du hast einen<br />
Praktikumsplatz!<br />
Schoggi<br />
statt Gelato<br />
Nayen ist in Italien aufgewachsen. Seit drei Jahren<br />
lebt sie in Zürich und absolviert in der Mathilde<br />
Escher Stiftung ihre Ausbildung. Oft sehnt sie sich<br />
nach ihrem Leben in Italien zurück. In ihrem Tagebuch<br />
gibt sie einen Einblick in ihre Welt.<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
Liebes Tagebuch...<br />
Heute war ein langer Tag in der<br />
Ausbildung, jetzt sitze ich etwas erschöpft<br />
auf dem Sofa. Es ist wieder<br />
mal niemand zu Hause. In Italien<br />
war ich fast nie allein zu Hause. Ach,<br />
wie ich mein Leben in Italien vermisse…<br />
Ich erinnere mich noch ganz<br />
genau, wie wir in Italien alle gemeinsam<br />
nach Hause kamen und etwas<br />
zusammen unternahmen. Hier bin<br />
ich am Abend meist allein. Es macht<br />
Von Nayen Bahadur<br />
doch Bologna, mit seiner Architektur,<br />
den wunderschönen Giardini<br />
Margherita und meiner Lieblings-<br />
Gelateria vermisse… Gelato al<br />
cioccolato, was würde ich gerade<br />
für so ein Eis geben.<br />
Und was ist mit mir?<br />
Als Papa starb, kam alles anders.<br />
Seither ist nichts mehr, wie es ein -<br />
mal war. Ich weiss noch, wie ich<br />
erfahren habe, dass wir in die<br />
Schweiz ziehen. Ich war geschockt!<br />
Logopädie und zur Ergo-, Physiound<br />
Hypotherapie. In der Ergotherapie<br />
habe ich z.B. gelernt, meine rechte<br />
Hand zu nutzen. Das ist echt cool,<br />
mich traurig, dass meine Mutter bis<br />
Ich konnte ja verstehen, dass sich<br />
da ich mich nun mit beiden Händen<br />
spät in die Nacht arbeitet und meine<br />
meine Mutter in Italien allein fühlte<br />
anziehen kann und so weniger Hilfe<br />
Schwester den Abend mit Freun-<br />
und sie hier meinen Onkel hat, aber<br />
brauche. Ich glaube auch nicht, dass<br />
dinnen verbringt. Ich mag es nicht,<br />
ich hatte Angst… Die Vorstellung,<br />
ich in Italien eine Ausbildung hätte<br />
so oft alleine zu sein, weil ich dann<br />
an einem fremden Ort zu leben und<br />
machen können oder eine Arbeit ge-<br />
sehnsüchtig an mein Leben in Italien<br />
eine andere Sprache zu sprechen,<br />
funden hätte. Aber hier habe ich eine<br />
Möchten Sie für den nächsten<br />
Freudensprung sorgen?<br />
denken muss. Ich vermisse unsere<br />
grosse Wohnung in Bologna und vor<br />
allem mein eigenes Zimmer.<br />
Ihr fehlt mir<br />
machte mir Angst. Ich musste von<br />
null auf hundert Deutsch lernen. Das<br />
war ganz schön schwierig.<br />
Wie die Zeit vergeht<br />
Chance! Ich bin echt froh darüber,<br />
dass ich in der Mathilde Escher Stiftung<br />
die Ausbildung zur Praktikerin<br />
PrA Mediamatik machen darf. Ich<br />
hoffe auch, dass ich nach der Ausbil-<br />
Wir sind auf der Suche nach Praktikumsplätzen<br />
für jeweils einen Tag pro Woche während eines Jahres.<br />
Michael Groer freut sich auf Ihren Kontakt:<br />
044 389 62 56 oder m.groer@mathilde-escher.ch<br />
Ach, wie ich mich nach den Zeiten<br />
sehne, als ich mich mit Federica,<br />
Sofia und Petra auf der Piazza<br />
Maggiore traf und wir stundenlang<br />
redeten. Ich wünschte, ich hätte hier<br />
auch so gute Freundinnen. Wie ich<br />
Nun bin ich schon drei Jahre in der<br />
Schweiz. Eigentlich ist es gar nicht<br />
mal so schlecht hier. Ich konnte<br />
ja auch viel profitieren. Ich glaube,<br />
dass ich in Italien nicht so gefördert<br />
worden wäre wie hier. Ich kann zur<br />
dung eine Stelle finde und mein gelerntes<br />
Wissen anwenden kann. Und<br />
obwohl ich Italien, meine Freunde<br />
dort und meinen Vater wirklich vermisse,<br />
denke ich, dass der Umzug in<br />
die Schweiz doch gut war.<br />
6 7
— ARBEIT —<br />
In der Grafikwerkstatt «création handi cap»<br />
der Mathilde Escher Stiftung arbeiten<br />
Menschen mit Körperbehinde rung im Bereich<br />
Grafik und Webdesign. Das Angebot reicht<br />
von Gruss- und Glückwunschkarten über<br />
Werbegeschenke und Websites bis zur Gestaltung<br />
von Flyern und Broschüren.<br />
Von Luca Affolter<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
création<br />
handicap<br />
creationhandicap.ch<br />
Die grossen Schiebetüren öffnen sich mit einem leichten<br />
Knacken. Ein leicht holziger Geruch mit Noten von<br />
Kaffee, Parfüm und Körpergeruch liegt in der Luft. Man<br />
spürt förmlich die Ruhe und Konzentration der Mitar<br />
beitenden der Grafikwerkstatt. Wenn man aus dem<br />
Fenster schaut, sieht man viel Grün und derzeit auch<br />
bunte Baukräne. Seit August 2020 absolviere ich an zwei<br />
halben Tagen pro Woche mein Praktikum bei création<br />
handicap. Marie und Dario sind auch schon da. Sie helfen<br />
allen, sich an ihrem Arbeitsplatz einzurichten. Ich bitte<br />
Marie, mir die Maus auf den Rollstuhltisch zu legen.<br />
Nach und nach treffen immer mehr Mitarbeitende ein.<br />
Mein Computer ist bereits eingeschaltet, ich muss mich<br />
nur noch anmelden. Wie immer checke ich zuerst die<br />
Mails, dann schaue ich, welche Arbeiten diese Woche<br />
anstehen. Heute starte ich mit Karten stempeln, d. h.<br />
ich gestalte Post- und Grusskarten mit Photoshop. Die<br />
Karten einer Serie sind jeweils sehr ähnlich, aber jede<br />
ist ein Unikat. Mir gefällt das Design der Motive und<br />
der Hintergründe. Es ist eine schöne Arbeit, nach einer<br />
gewissen Zeit wird sie bei der Menge an Karten, die wir<br />
produzieren, aber etwas eintönig. Zur Abwechslung<br />
schreibe ich dann Texte für Geburtstagskarten.<br />
In der Werkstatt werden auch Flyer, Notizbücher und<br />
vieles mehr gestaltet. Ein Team erstellt und pflegt<br />
Websites. Direkt neben meinem Arbeitsplatz befindet<br />
sich die Telefonzentrale der Stiftung. Dort nehmen Mitarbeitende<br />
mit Behinderung Anrufe entgegen und leiten<br />
sie weiter. Ferner bewirtschaften die Mitarbeitenden<br />
der Grafikwerkstatt auch den Online-Shop und wickeln<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
9
— ARBEIT —<br />
die Bestellungen ab. Da fallen bei Versand-<br />
gibt aber auch Zeiten, in denen wir nicht voll<br />
aufträgen auch manuelle Tätigkeiten wie das<br />
ausgelastet sind. Dann strecken Klien tinnen<br />
Verpacken von Karten und anderen Produkten<br />
und Klienten ihr Arbeitspensum über die<br />
an. Seit kurzem werden auch Beiträge für<br />
ganze Woche, obwohl sie schon am Dienstag<br />
Social Media, vor allem für Instagram, erstellt<br />
damit fertig sein könnten.» Während des Ge-<br />
und Videos bearbeitet, meist um Untertitel<br />
sprächs werden wir von Markus unterbrochen.<br />
einzufügen.<br />
Es geht um eine Videoaufnahme für Social<br />
Mit viel Herzblut und Energie<br />
Media. Markus fragt, wie es mit dem Abspann<br />
aussieht. Wohl eine Aufgabe des Kommuni-<br />
In der <strong>Pause</strong> treffe ich Lukas Fischer, den Leiter<br />
kationsbereichs, den Lukas ebenfalls leitet.<br />
der Grafikwerkstatt. Lukas führt seinen Job<br />
Nach dieser Unterbrechung wendet Lukas<br />
mit viel Herzblut und Energie aus. Ich nutze<br />
sich wieder mir zu. «Ich freue mich sehr, dass<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
die Gelegenheit, um ihn zu fragen, was ihm an<br />
seiner Arbeit gefällt: «Ich arbeite gerne direkt<br />
mit den Mitarbeitenden zusammen und bin<br />
froh darüber, nicht im Home Office, sondern<br />
vor Ort zu sein», sagt Lukas. «Der Fokus bei<br />
der Arbeit liegt darauf, die Fähigkeit jedes einzelnen<br />
Mitarbeitenden zu nutzen.» Wichtig<br />
ist ihm auch, dass die Grafikwerkstatt für<br />
Kundinnen und Kunden arbeiten kann und<br />
positive Feedbacks bekommt.<br />
«Der Aspekt, dass es dabei um reale Kundenaufträge<br />
und nicht um Beschäftigung geht,<br />
liegt mir am Herzen. Die Kundinnen und Kunden<br />
sollen nicht aus Mitleid Produkte kaufen<br />
oder Webseiten in Auftrag geben, sondern weil<br />
sie von der Qualität unserer Arbeit überzeugt<br />
sind.» Um das Angebot attraktiv zu halten,<br />
werden ständig neue Produkte entwickelt. Zu-<br />
statt gelingt, einen grossen Auftrag an Land<br />
zu ziehen. Bereits zweimal konnte création<br />
handicap für eine der weltweit grössten Anwaltskanzleien<br />
gegen 7'000 Weihnachtskarten<br />
produzieren. Coole Projekte gibt es aber auch<br />
im Web-Bereich. Ausserdem führt die Werkstatt<br />
auch interne Aufträge aus wie das Entwickeln<br />
und Umsetzen der Website der Stiftung.<br />
Am Puls der Zeit<br />
Lukas erzählt, dass es in der Grafikwerkstatt<br />
immer wieder Herausforderungen zu meistern<br />
gibt. «Bei einzelnen Aufträgen geraten wir<br />
ins Schwitzen, weil wir unter Termindruck<br />
die Karten der Grafikwerkstatt wieder mehr<br />
gefragt sind. Wenn man vor einigen Jahren<br />
Kundinnen und Kunden angefragt hat, sagten<br />
diese oft, dass sie keine Weihnachtskarten<br />
mehr brauchen.» Entgegen aller digitaler<br />
Trends ist heute also eine Art «Gegenbewegung»<br />
auszumachen, bei der man nicht mehr<br />
alles per E-Mail verschicken will. Eine von<br />
Hand geschriebene Karte aus Papier wird<br />
wieder als hochwertiger wahrgenommen und<br />
von den Empfängerinnen und Empfängern<br />
geschätzt. «Es ist sehr wichtig, dass sich die<br />
Grafikwerkstatt den Veränderungen anpasst<br />
und auch bereit ist, Neues zu wagen. Eine<br />
Chance besteht z.B. im Bereich Videoschnitt,<br />
wo der Bedarf wächst. Die Veränderungen<br />
betreffen aber nicht nur das Angebot, sondern<br />
auch die Arbeitsstrukturen.» Damit spricht<br />
arbeiten. Man hört Türen auf- und zugehen,<br />
Rollstühle rein- und rausfahren. Die Stimmung<br />
ist ruhig, bis auf das eine oder andere Lachen<br />
von Klientinnen und Klienten sowie Mitarbeitenden.<br />
Um 12 Uhr verlasse ich die Grafikwerkstatt<br />
mit einem guten Gefühl und bin zufrieden<br />
mit meiner Arbeit. Ich denke an meine Zukunft<br />
bei création handicap. Ich werde nach meiner<br />
praktischen Ausbildung in Mediamatik an vier<br />
Nachmittagen in der Werkstatt arbeiten und<br />
Aufgaben wie Karten stempeln, Geburtstagstexte<br />
und Infoprotokolle schreiben übernehmen.<br />
Ich hoffe, dass ich auch Websites warten<br />
oder bearbeiten kann, weil mir das grossen<br />
Spass bereitet.<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
frieden macht Lukas auch, wenn es der Werk-<br />
stehen oder etwas zum ersten Mal machen. Es<br />
Lukas ein wichtiges Thema an, das in der<br />
Gesellschaft leider noch nicht angekommen<br />
ist, obwohl alle davon sprechen: Inklusion.<br />
«Meine Vision ist, dass mehr Personen mit<br />
«Der Fokus bei<br />
der Arbeit liegt darauf,<br />
die Fähigkeit jedes<br />
einzelnen Mitarbeitenden<br />
zu nutzen.»<br />
Be hinderungen ausserhalb der Grafikwerkstatt<br />
in Betrieben arbeiten und dabei von der<br />
Mathilde Escher Stiftung unterstützt werden»,<br />
erklärt Lukas.<br />
Für mich eine gute Perspektive<br />
Lukas muss weiter. Ich nutze die verbleibende<br />
Zeit und trinke meinen Tee, entspanne mich<br />
noch ein paar Minuten und mache mich wieder<br />
an die Arbeit. Im Hintergrund hört man, wie<br />
die Teamleitenden diskutieren und die Drucker<br />
LUCA AFFOLTER<br />
Während seines Praktikums in der<br />
Grafikwerkstatt der Mathilde Escher<br />
Stiftung sprach Luca Affolter mit<br />
dem Leiter Lukas Fischer.<br />
10 11
STOLPERSTEIN<br />
Zahlen<br />
aus der Stiftung<br />
COVID<br />
EDITION<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
«Brauchen Sie Tipps<br />
beim Einparken?»<br />
Ja, mein Rollstuhl ist auch so ein<br />
Thema. Ist es überhaupt mein Rollstuhl?<br />
Meist werden ich und mein<br />
Rollstuhl von der Aussenwelt als<br />
Einheit wahrgenommen. Sie wissen<br />
noch nicht, worauf ich hinauswill?<br />
Sie im Schuh, Sie Schuhlaufende…<br />
klingelts? Klar werden auch andere<br />
Verkehrsteilnehmende mit Fahrrad<br />
oder Auto auf ihre Fortbewegungsmittel<br />
reduziert, aber eben nicht<br />
nur. Wenn sie ab- oder aussteigen,<br />
sind sie wieder Menschen oder<br />
nehmen eine andere Rolle ein. Als<br />
Rollstuhlfahrender oder Mensch im<br />
Rollstuhl bleibe ich in dieser Rolle.<br />
Sie denken sich vielleicht, was solls.<br />
Dann frage ich Sie, ob es bei Ihnen<br />
beim Einsteigen in ein Tram auch<br />
schon mal hiess: «Der Turnschuh<br />
muss auch noch rein!» Ginge es nur<br />
um Kommunikation, wäre das vielleicht<br />
gar nicht so schlimm. Ein -<br />
schneidender ist aber das Verhalten<br />
mancher Mitmenschen mir als<br />
Rollstuhlfahrender gegenüber. Die<br />
einen weichen mir aus, als wäre ich<br />
Von Pascal Niffeler<br />
von der Pest gebeutelt, indem sie<br />
mir eine Rettungsgasse bahnen. Die<br />
anderen geben mir mitleidsvolle,<br />
fast grossmütterliche Blicke. Wer<br />
möchte mit 18 schon solche Reaktionen<br />
bei Gleichaltrigen auslösen?<br />
Aber auch die allzu entspannten Mitmenschen<br />
sind nicht ohne Risiken<br />
und Nebenwirkungen für mich<br />
als «Rolli». Jetzt fange ich, wie Sie<br />
bemerken, auch schon damit an.<br />
Obwohl ich mich gerade noch über<br />
jene echauffiert habe, die mir etwas<br />
übermotiviert, aber wohlwollend<br />
eine Gasse bilden, sieht es für mich<br />
in Menschenmengen im wahrsten<br />
Sinne des Wortes nicht gut aus.<br />
Sie blicken anderen Menschen ins<br />
Gesicht, ich muss mit Gesäss und<br />
Rumpf vorliebnehmen. Um mir in<br />
solchen Situationen einen Durchgang<br />
zu bahnen, wünschte ich mir gelegentlich<br />
ein Nebelhorn. Das Leben<br />
im Rollstuhl ist auch in anderen<br />
Momenten spannend. Manchmal<br />
bekomme ich sogar Fahrempfehlungen.<br />
Gehts noch? Helfe ich Ihnen<br />
beim Gehen, gebe ich Ihnen Tipps<br />
beim Einparken? Nein, wenn ich<br />
Hilfe brauche, sage ich es. Richtig gefährlich<br />
sind die superhilfsbe reiten<br />
Mitmenschen. Da greift mir doch<br />
tatsächlich jemand unbeschwert<br />
in die Steuerung, in der Hoffnung<br />
mir einen Gefallen zu tun. Greift<br />
diese Person als Beifahrende auch<br />
ins Steuer? Mein Rollstuhl hat 150 kg<br />
Leergewicht und genug Power, um<br />
mit mir bergauf zu fahren. Wenn<br />
er ausser Kontrolle gerät, kann es<br />
auch für zu Fuss Gehende gefährlich<br />
werden. Da sind Quetschungen<br />
noch die angenehmsten Nebenwirkungen!<br />
Ja, so ein «Rolli» wird schnell<br />
falsch eingeschätzt. Am Flughafen<br />
hingegen nimmt man mich oder<br />
meinen Rollstuhl so richtig ernst.<br />
Wie kann ich es nur wagen, mit dieser<br />
rollenden Bombe unterwegs zu sein.<br />
Hier sieht man in mir nicht nur den<br />
Rollstuhlfahrenden, sondern einen<br />
potenziellen Terroristen. Endlich bin<br />
ich jemand, der Rollenwechsel ist<br />
vollzogen!<br />
3'677<br />
Cordons<br />
Bleus<br />
Corona hatte — seis gedankt — für niemanden<br />
in der Mathilde Escher Stiftung ernsthafte<br />
Folgen. Dafür machte es sich aber<br />
beim leiblichen Wohl der Bewohnerinnen<br />
und Bewohner bemerkbar. So haben sie<br />
während der Pandemie im Durchschnitt<br />
3.8 kg zugelegt. Das sind total 1'345'960<br />
Kalorien, oder umgerechnet in Cordons<br />
Bleus: 3'677 Stück! Also für jede Person rund<br />
60 Stück — supplément, versteht sich.<br />
1 Tonne<br />
Lebensmittel<br />
Während des Lockdowns musste das Küchenteam<br />
der Mathilde Escher Stiftung rund eine Tonne mehr<br />
Lebensmittel zubereiten, da die Restaurants geschlossen<br />
waren. Das entspricht in etwa dem Leergewicht<br />
eines Fiat Punto.<br />
1'782<br />
Meter WC-Papier<br />
Zwei Mal die Höhe des Burj Khalifas,<br />
des höchsten Gebäudes der Welt.<br />
Das entspricht der Länge von 1'782<br />
Meter ausgerolltem WC-Papier,<br />
welches in der Stiftung im Jahr 2020<br />
mehr verbraucht wurde.<br />
12'900<br />
Kilometer<br />
Die CO 2-Bilanz hat sich im 2020<br />
auch in der Mathilde Escher Stiftung<br />
positiv verändert. So wurden mit den<br />
drei Transportbussen 12'900 Kilometer<br />
weniger zurückgelegt als im<br />
Jahr davor. Das entspricht der Strecke<br />
zwischen Zürich und Kapstadt.<br />
8'550<br />
Stangen Bier<br />
Diese Menge an Bier entspricht dem<br />
Mehrverbrauch an Desinfektionsmittel<br />
in der Stiftung während der<br />
Pandemie, vergleicht man nur den<br />
reinen Alkoholgehalt. Für Bierliebhaber<br />
schon fast eine Verschwendung.<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
12 13
— PERSÖNLICH —<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
Neustart<br />
Tanzen war mein Leben. Ich habe leidenschaftlich<br />
Musik gemacht, viel mit Freunden unternommen<br />
und war nach dem Abschluss meiner Schneiderlehre<br />
dabei, meine Matura zu machen. Es war ein spannendes<br />
Leben. Alles lief rund, bis zu dem einen Tag,<br />
der mein Leben für immer veränderte.<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
Von Martin Kupper<br />
14 15
— PERSÖNLICH —<br />
Ich hatte bereits den ganzen Tag Kopfschmerzen<br />
und dachte, ich hätte wie so<br />
oft zu wenig getrunken. Dafür hatte ich beim<br />
Tanztraining einfach keine Zeit. Meine Partnerin<br />
und ich übten Samba. Plötzlich wurde<br />
mir schwindlig, dann kippte ich um. Alle<br />
waren sehr geschockt, meine Tanzpartnerin<br />
begann zu weinen. Fünf Minuten später kam<br />
«Neben mir lag mein<br />
Handy, doch ich<br />
hatte keine Ahnung,<br />
was das ist.»<br />
Russisch zu lernen. Nebenbei arbeitete ich<br />
im Jack & Jones als Springer. Ich ging fünf- bis<br />
sechsmal pro Woche tanzen und traf auch<br />
Freundinnen und Freunde. Ich machte Musik,<br />
spielte Saxophon, Querflöte und Horn. Mein<br />
Leben war toll, Musik hatte eine sehr grosse<br />
Bedeutung. Ich bin mit meinem Musikverein<br />
bis heute in Kontakt. Dieser finanzierte sogar<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
bereits der Krankenwagen, doch das habe<br />
ich schon nicht mehr mitbekommen.<br />
Wo bin ich?<br />
Ich lag zehn Tage im Koma und hatte schlimme<br />
Albträume. Sie waren so intensiv, dass ich<br />
sie für real hielt. Als ich wieder aufwachte,<br />
verstand ich nicht, wo ich war. Was war passiert?<br />
Mein Arm und mein Fuss fühlten sich<br />
merkwürdig an. Mama und Papa kamen ins<br />
Zimmer und weinten. Meine Mutter versuchte,<br />
mir zu erklären, dass ich einen Hirnschlag<br />
und zusätzlich eine Blutung gehabt hatte. Ich<br />
verstand nur teilweise, was sie mir erklärte.<br />
Neben mir lag mein Handy, ich hatte keine<br />
Ahnung mehr, was das ist. Ich hatte es einfach<br />
vergessen. Auf dem Nachttisch lagen Karten<br />
mit Genesungswünschen, die ich nicht lesen<br />
Tanzen war Martins früheres Leben: Er trainierte fünfmal<br />
pro Woche und nahm an ettlichen Tanzwettbewerben teil.<br />
Rollstuhl angewiesen. Ich übte auch immer<br />
Nach etwa zwei Jahren sprach mich der Chef<br />
der Klinik auf die Institution Andante an.<br />
Er meinte, ich müsse nach vorne schauen. Die<br />
Stiftung Andante bietet Menschen mit einer<br />
Hirnverletzung oder anderen Einschränkungen<br />
eine Tagestruktur.<br />
Bei der ersten Besichtigung gefiel mir das<br />
Tageszentrum der Stiftung Andante nicht.<br />
Ich dachte, ich werde einfach aufs Abstellgleis<br />
geschoben. Nach einem halben Jahr unternahmen<br />
meine Eltern einen zweiten Anlauf.<br />
Sie meinten, dass ich nur noch faulenze und<br />
nichts mehr mache. Zähneknirschend stimmte<br />
den Umbau meiner Querflöte mit, damit ich<br />
sie einhändig spielen konnte. Leider bekam<br />
ich vom Spielen Kopfschmerzen und musste<br />
schweren Herzens damit aufhören.<br />
Die andere grosse Leidenschaft in meinem<br />
Leben war der Tanz. Ich nahm mit meiner Tanz-<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
konnte. Ich konnte überhaupt nicht mehr<br />
wieder allein und bin dabei oft gestürzt. Das<br />
ich zu, es mit der Arbeit im Tageszentrum der<br />
lesen. Ich fühlte mich wie ein grosses Baby.<br />
Sprechen fiel mir weiterhin sehr schwer. Meist<br />
Stiftung Andante zu versuchen. Die ersten drei<br />
verstanden nur meine Eltern, was ich meinte.<br />
Monate schlief ich am Abend nach der Arbeit<br />
Man setzte mich in einen Rollstuhl. Ich<br />
Dass ich in der Logopädie keine Fortschritte<br />
schon um 19 Uhr ein, so kaputt war ich. Die<br />
dachte, das sei nicht nötig. Als ich zum Bett<br />
machte, war sehr frustrierend. Ich wollte zu-<br />
Tagesstruktur war für mich gut, ich hatte wie-<br />
gehen wollte, kippte ich um. Ich konnte nicht<br />
rück nach Hause, ich hatte auch genug von den<br />
der eine Aufgabe, was mir Mut machte. Ich<br />
mehr gehen. Nach zwei Wochen wurde ich in<br />
Bergen.<br />
war insgesamt fünf Jahre dort.<br />
die Reha-Klinik Valens verlegt. Dort gab es<br />
andere Menschen, die mein Schicksal teilten.<br />
Wieder daheim bei meinen Eltern ging ich<br />
Eine coole Zeit<br />
Schweiss, Tränen und harte Arbeit<br />
täglich in eine Klinik in Winterthur zur Ergotherapie,<br />
Physiotherapie und Logopädie. Meine<br />
Mein Leben vor dem Hirnschlag war rasant.<br />
Meine vielen Termine gaben mir Struktur. Ich<br />
Nach mehreren Wochen Therapie konnte ich<br />
wieder kurze Strecken mit einem Stock gehen.<br />
Es war harte Arbeit, ich machte aber gute<br />
Fortschritte und war bald nicht mehr auf den<br />
Logopädin war nur etwas älter als ich, die<br />
Chemie stimmte. Ich hatte das Gefühl, dass<br />
sie mich nicht aufgegeben hatte. Das war sehr<br />
motivierend und ich machte gute Fortschritte.<br />
war fast nie zu Hause. Ich hatte meine Schneiderlehre<br />
abgeschlossen und besuchte noch<br />
die KME, die Kantonale Maturitätsschule für<br />
Erwachsene. Ich liebe Sprachen und hatte vor,<br />
Der Hirnschlag und die darauf folgende<br />
Blutung verursachten eine schwere<br />
Schädigung, sodass ein operativer Eingriff<br />
unumgänglich wurde.<br />
16 17
— PERSÖNLICH —<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
partnerin sieben Jahre lang an vielen Wettkämpfen<br />
teil. Das Feeling war unbeschreiblich,<br />
der Kick grossartig. Das Adrenalin, die anderen<br />
Tänzerinnen und Tänzer, das Fiebern vor<br />
einem Wettkampf, alles war toll. Ich trainierte<br />
mindestens fünf Tage pro Woche. Nach dem<br />
Hirnschlag brachen viele den Kontakt zu mir<br />
ab. Ich war traurig und wütend. Es war eine<br />
schlimme Zeit für mich, denn ich hatte erwartet,<br />
dass sie mich unterstützen. Mein Freundeskreis<br />
ist rapide geschrumpft. Heute weiss ich,<br />
auf wen ich mich verlassen kann.<br />
Nicht unterkriegen lassen<br />
Heute weiss ich, wohin ich will: in einer grossen<br />
Firma als Mediamatiker arbeiten und<br />
nach vorne schauen. Nie mehr zurückschauen!<br />
Klar ist das nicht so leicht, aber ich schaffe es.<br />
Ich habe mich mit meiner Krankheit abgefunden<br />
und das ist auch gut so. Ich habe grosse<br />
Pläne und möchte nächstes Jahr nach meinem<br />
Ausbildungsabschluss eine längere Reise<br />
nach Japan machen. Ich schaue gerne Anime,<br />
das sind japanische Zeichentrickfilme, und<br />
diese Kultur fasziniert mich. Ich muss noch<br />
5'000 Franken auftreiben und dann geht es<br />
los. Seit Juni lerne ich Japanisch in der Migros<br />
Klubschule und übe die Sprache zusätzlich mit<br />
einer japanischen Kollegin. Reisen bedeutet<br />
Abenteuer, es gibt so viel zu entdecken. Ich<br />
freue mich auf die Zukunft.<br />
«Ich habe mich<br />
mit meiner Krankheit<br />
abgefunden und<br />
das ist auch gut so.»<br />
Hirnschlag<br />
In der Schweiz erleiden jährlich etwa<br />
16'000 Personen einen Schlaganfall<br />
(Hirnschlag). Ursachen hierfür können<br />
schwere Kopfverletzungen, eine Störung<br />
der Blutgerinnung oder eine Schädigung<br />
der Blutgefässe im Gehirn sein. In<br />
ca. 20% der Fälle ist eine Hirnblutung<br />
ursächlich. Mögliche Symptome für<br />
einen Schlaganfall sind eine einseitige<br />
Lähmung oder ein Taubheitsgefühl, Seh-<br />
oder Sprechstörungen und Schwindel.<br />
Oft verursacht ein Schlaganfall keine<br />
Schmerzen. Lediglich bei einer Gehirnblutung<br />
treten starke Kopfschmerzen<br />
auf. Bei der Behandlung von Schlaganfällen<br />
zählt jede Minute, daher ist es<br />
wichtig, die Symptome schnell zu erkennen<br />
und den Notruf 144 zu alarmieren.<br />
Je schneller eine Behandlung erfolgt,<br />
umso grösser sind die Überlebenschancen.<br />
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escher<br />
stiftung<br />
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PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
18 19
Das <strong>Pause</strong>-Magazin ist ein Ausbildungsprojekt<br />
der Mathilde<br />
Escher Stiftung. Die Lernenden<br />
erarbeiten die Inhalte und<br />
gestalten das <strong>Pause</strong>-Magazin<br />
im Rahmen ihrer Praktischen<br />
Ausbildung nach INSOS (Praktikerinnen<br />
und Praktiker PrA<br />
Mediamatik) mit der Unterstützung<br />
ihrer Ausbildner und<br />
Ausbildnerinnen.<br />
Sehen Sie das<br />
Making-of!<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
6<br />
5<br />
7<br />
8<br />
9 10<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
11 1 Nayen Bahadur<br />
2 Frank Grüninger<br />
3 Pascal Niffeler<br />
4 Michael Groer<br />
5 Luca Affolter<br />
6 Peter Gruber<br />
7 Laura Dominguez<br />
8 Florian Müller<br />
9 Steven Deblander<br />
10 Martin Kupper<br />
11 Matthias Peter<br />
20 21
— SELBSTSTÄNDIG WOHNEN —<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
«Am Anfang<br />
wars ein<br />
Blindflug»<br />
Alex und Niklas haben sich<br />
den Traum einer eigenen<br />
Wohnung erfüllt. Das bedeutet<br />
raus aus der Institution,<br />
weniger Regeln, dafür Partys,<br />
Beziehungsleben, Freiheit.<br />
Aber Ausziehen heisst auch<br />
Verantwortung übernehmen,<br />
Rechnungen zahlen, Wäsche<br />
waschen. Kurz, sie müssen<br />
sich nun selbst um alles<br />
kümmern.<br />
Niklas (links) und Alex kennen sich aus der<br />
Mathilde Escher Stiftung, wo sie gemeinsam<br />
ihre Ausbildung absolviert haben.<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
Von Florian Müller<br />
23
— SELBSTSTÄNDIG WOHNEN —<br />
Wenn man am Bahnhof Stettbach ankommt,<br />
folgt man zunächst einem Weg mit viel Grün<br />
entlang der Bahn linie. Nach wenigen Gehminuten erscheint<br />
die «Zwicky», eine grosse Siedlung, die auf einem<br />
ehemaligen Spinnerei- Areal errichtet wurde. Alex und<br />
Niklas haben hier vor rund einem Jahr eine 4-Zimmer-<br />
Wohnung bezogen. Die Wohnung wirkt auf den ersten<br />
Blick etwas dunkel, durch den Sichtbeton aber sehr<br />
modern. Am Esstisch sitzt Betreuerin Rahel, die gerade<br />
ein Kreuzworträtsel löst. Sie übernimmt wöchentlich<br />
einen zwölfstündigen Dienst. Alex und Niklas kennen<br />
Gab es Momente, in denen ihr eure Entscheidung<br />
bereut habt?<br />
Alex: Auf jeden Fall, vor allem am Anfang, als es<br />
wegen der Abklärungen stressig wurde. Da gab es schon<br />
Momente, in denen wir uns fragten: Wieso machen<br />
wir das eigentlich? Das ist doch nur Stress für nichts.<br />
Wie ist eure Wohnungssuche verlaufen?<br />
Niklas: Ultra stressig. Wir haben im Vorfeld viel mit<br />
der IV diskutiert. Da ging es vor allem ums Finanzielle,<br />
weil uns niemand wirklich sagen konnte, mit wie viel<br />
kann. Niklas kann das manuell. Und der Lift muss noch<br />
umgebaut werden, damit ich ihn auch bedienen kann.<br />
Und wer hat das alles finanziert?<br />
Alex: Die IV.<br />
Das Assistenzwohnen braucht wohl eine Menge<br />
Kenntnis, was das Finanzielle anbelangt.<br />
Unterstützt euch jemand dabei?<br />
Alex: Wir haben bei der «Pro Infirmis» einen Berater,<br />
der uns beim Finanziellen geholfen hat. Er hat uns<br />
«Eine grosse<br />
Heraus forderung war<br />
das Einarbeiten<br />
von unerfahrenem<br />
Personal. Das hat viel<br />
Nerven gekostet.»<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
sich von der Mathilde Escher Stiftung und haben dort<br />
auch gemeinsam die Ausbildung absolviert. Den Wunsch,<br />
aus der Stiftung auszuziehen und unabhängig in den<br />
eigenen vier Wänden zu wohnen, hatten beide schon<br />
länger gehegt. Wir haben sie besucht und wollten wissen,<br />
wie es sich nach einem Jahr WG- Leben anfühlt.<br />
Warum seid ihr aus der Mathilde Escher Stiftung<br />
ausgezogen? Musstet ihr euch etwas beweisen?<br />
Die Stiftung bietet doch alles, was man braucht.<br />
Alex: Ich wollte schon immer eine eigene Wohnung<br />
haben und selbstbestimmt mein Leben gestalten.<br />
In Wohnheimen ist vieles geregelt, da alles koordiniert<br />
werden muss. Das Assistenzwohnen ist ein sehr guter<br />
Schritt in Richtung Selbstständigkeit. In der Mathilde<br />
Escher Stiftung war sicher einiges einfacher, weil<br />
man viel an die Betreuungspersonen abgeben konnte.<br />
Jetzt müssen wir alles selbst regeln.<br />
Niklas: Vielleicht wollten wir uns auch etwas beweisen:<br />
Durchhaltevermögen. Gerade mit der IV und den meisten<br />
Behörden braucht man einen langen Atem. Und den hatte<br />
ich, weil ich selbstständig leben wollte. Das Leben in<br />
der Stiftung hat mir schon auch gut gefallen — es war auf<br />
jeden Fall ein guter Zwischenschritt. Aber es war nicht<br />
Geld wir tatsächlich rechnen können. Und wenn man<br />
kein Budget für eine Wohnung hat, weiss man auch<br />
nicht, was man sich leisten kann. Vor allem am Anfang<br />
war das ein ziemlicher Blindflug. Wir haben uns durch<br />
viel Recherche die nötigen Informationen besorgt. Erst<br />
dann konnten wir uns darauf fokussieren, was und<br />
wohin wir eigentlich wollten. Mir war immer wichtig,<br />
dass ich schnell in Zürich bin, weil ich diese Stadt<br />
einfach mega cool finde.<br />
Konntet ihr die Wohnung so übernehmen, wie sie<br />
war? Oder musstet ihr besondere Anpassungen<br />
vornehmen?<br />
Alex: Ja, einiges! Unser Bad musste komplett umgebaut<br />
werden, weil eine Badewanne drin war. Die haben sie<br />
rausgerissen. Wir wollten eine rollstuhlgängige Dusche,<br />
in die man mit dem Duschrollstuhl gut reinkommt. Auch<br />
ein «Closomat» musste eingebaut werden. Die Wohnungstür<br />
wurde mit einem elektrischen Türöffner versehen,<br />
den wir mit einer Fernbedienung bedienen können.<br />
Bald werden noch die Lichtschalter ausge wechselt, damit<br />
ich mit meinem Handy die Lampen ein- und ausschalten<br />
gezeigt, welche Gelder wir wo beantragen können.<br />
Niklas: Den Rest regeln wir selbst.<br />
Alex: Wir informieren uns selbst darüber, wie was gemacht<br />
werden muss. Und wir haben zwei Kollegen, die<br />
auch aus der Stiftung ausgezogen sind und uns ziemlich<br />
viel geholfen haben.<br />
Niklas: Bei vielem sagen einem auch die Behörden<br />
direkt, wie man es handhaben muss, damit man am<br />
Ende des Jahres keine Probleme hat.<br />
Auch organisatorisch ist das Assistenzwohnen<br />
wahrscheinlich eine Herausforderung. Wie<br />
organisiert ihr euch euer Personal?<br />
Alex: Wir haben es so geregelt, dass wir zwei Dienste pro<br />
Tag haben. Ein Dienst dauert normalerweise 12, in Ausnahmefällen<br />
auch mal 24 Stunden. Wir haben Leute, die<br />
fix an einem Tag pro Woche arbeiten. Zusätzlich haben<br />
wir Aushilfen, mit denen wir Engpässe abdecken.<br />
Niklas: Und wenn es spezielle Ausfälle gibt, dann haben<br />
wir auch einen Gruppenchat auf WhatsApp, wo wir<br />
die fix Angestellten anschreiben können. Vieles wird<br />
darüber geregelt, auch wenn jemand Ferien machen<br />
möchte. Leute mit einem Aushilfsvertrag schreiben wir<br />
separat an, weil wir sonst zu viele Leute im Gruppenchat<br />
Ist das Verhältnis zu Assistenzpersonen anders<br />
als zu Betreuungspersonen in der Stiftung?<br />
Niklas: Ich habe das Gefühl, dass das Verhältnis zu<br />
den Assistenzpersonen im Allgemeinen kollegialer ist.<br />
Wir haben jetzt nicht mehr die Auflagen, die es in der<br />
Stiftung gibt. Ich finde das recht schön, weil ich eigentlich<br />
gar kein klassisches Vorgesetzten-Ange stellten-<br />
Verhältnis, sondern eher ein Miteinander wollte. Unsere<br />
Betreuungspersonen dürfen beim Thema Essen durchaus<br />
mitbestimmen. Es gab auch schon sehr lustige<br />
Diskussionen bezüglich Wohnungseinrichtung. Zum<br />
Beispiel haben Alex und ich uns bis jetzt geweigert,<br />
Pflanzen zu kaufen. Gestern hatten wir eigentlich vor,<br />
in den Pflanzenmarkt zu gehen. Das hat dann aber doch<br />
nicht geklappt, weil mein Akku aus unerfindlichen<br />
Gründen nicht vollgeladen war (lacht).<br />
Eine Wohngemeinschaft verlangt sicher auch<br />
ein solidarisches Aufteilen von Pflichten.<br />
Wie macht ihr das?<br />
Niklas: Alex hat personaltechnisch das Schriftliche<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
das, was mir längerfristig für mein Leben vorschwebte.<br />
Das Assistenzwohnen erfüllt meine Erwartungen.<br />
Warum habt ihr eine WG gegründet? Wäre es<br />
nicht einfacher, allein zu wohnen?<br />
Alex: Finanziell macht es keinen Sinn, allein zu wohnen.<br />
Wir brauchen 24 Stunden Betreuung — zumindest ich,<br />
weil ich wirklich für alles Hilfe benötige. Und finanziell<br />
wäre es gar nicht möglich, weil die IV nicht so viele Betreuungsstunden<br />
bezahlt.<br />
Niklas: Und für mich war es noch nie ein Thema, allein<br />
zu wohnen, weil ich sowieso lieber unter Leuten bin<br />
und mit Alex in der Stiftung den idealen Mitbewohner<br />
kennengelernt habe.<br />
«Es gab Momente,<br />
in denen wir uns<br />
fragten: Wieso machen<br />
wir das eigentlich?<br />
Das ist doch nur Stress<br />
für nichts.»<br />
haben und die Übersicht verlieren.<br />
Gibts auch Schwierigkeiten?<br />
Alex: Eine grosse Herausforderung war und ist das Einarbeiten<br />
von unerfahrenem Personal — sowohl pflegerisch<br />
als auch sonst. Ich muss zugeben, das hat mich viel<br />
Nerven gekostet.<br />
Niklas: Anfangs befürchtete ich, dass ich eher so als<br />
Chef auftreten muss, obwohl ich das eigentlich gar nicht<br />
will. Es stellte sich dann aber heraus, dass das fast nie<br />
notwendig ist. Ich bin wirklich überrascht, wie gut es<br />
gelaufen ist und immer noch läuft. Wir mussten aber<br />
auch schon Angestellten kündigen. Das war alles andere<br />
als lustig für uns.<br />
übernommen, weil ich nicht so gut darin bin.<br />
Alex: Ja, ich mache ziemlich viel, was Assistenzpersonen<br />
angeht. Es müssen immer Leute zur Verfügung stehen.<br />
Zum ganzen Schriftkram gehören selbstverständlich<br />
auch die Verträge und die Monatsabrechnung. Niklas<br />
kümmert sich um alles, was die Wohnung betrifft.<br />
Niklas: Bei den anderen Aufgaben, die das WG-Leben<br />
betreffen, machen wir beide genau gleich viel.<br />
Nun wohnt ihr seit einem Jahr hier. Hat sich<br />
euer Leben seither verändert?<br />
Niklas: Wir können viel spontaner sein und müssen<br />
uns nur noch zu zweit absprechen und nicht mehr wie<br />
früher mit einer ganzen Bewohnergruppe.<br />
24 25
— SELBSTSTÄNDIG WOHNEN —<br />
Alex: Wir können jetzt auch viel selbstständiger etwas<br />
unternehmen. Wenn wir Bock haben rauszugehen,<br />
gehen wir einfach raus. Und auch Besuch können wir<br />
empfangen, wann wir wollen.<br />
Das neue Leben scheint euch zu gefallen.<br />
Könnt ihr euch vorstellen, wieder in die Stiftung<br />
zurückzukehren?<br />
Alex: Ganz ehrlich, im Moment hätte ich gar keine Lust<br />
Wie ist euer Tagesablauf?<br />
Alex: Wir schlafen jeweils so bis 10 Uhr. Dann gibt es<br />
darauf, wieder in der Stiftung zu wohnen. Ich könnte<br />
mir das erst vorstellen, wenn meine Situation pflegetechnisch<br />
viel aufwendiger wäre und ich geschulte Leute<br />
Kaffee und Frühstück.<br />
Niklas: Dann schauen wir, was im Tagesablauf und im<br />
um mich haben müsste.<br />
Niklas: Im Moment habe ich ganz ehrlich keinen einzi-<br />
Haushalt ansteht.<br />
Alex: Und wir bestimmen, wer einkaufen geht. Wir<br />
gen Gedanken daran verschwendet. Ich würde nicht<br />
freiwillig zurückgehen. Ausser wenn, wie Alex gesagt<br />
überlegen, worauf wir spontan Bock haben und was wir<br />
hat, sich etwas mit meiner gesundheitlichen Situation<br />
einkaufen. Der ALDI ist ganz in der Nähe. In ein bis zwei<br />
verändern würde. Ich würde aber auf jeden Fall auch<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
Minuten sind wir dort.<br />
Niklas: Bei schönem Wetter gehen wir auch mal nach<br />
draussen spazieren. Zudem gehen wir zweimal wöchentlich<br />
in die Physio.<br />
Alex: Oder wir bleiben hier und arbeiten in unserem<br />
Büro.<br />
Niklas: Oder diskutieren mit der IV. Das mache ich noch<br />
recht gerne. Am Abend sehen wir fern oder schauen<br />
Filme, kochen zusammen und machen, worauf wir Lust<br />
haben. Da ist eher Spassprogramm angesagt.<br />
Und arbeitet ihr auch noch?<br />
Alex: Ich habe nach der Ausbildung noch ein Jahr in<br />
der Grafikwerkstatt der Mathilde Escher Stiftung gearbeitet.<br />
Dann habe ich gekündigt, weil ich die dafür<br />
notwendige Zeit ins Projekt «Selbstständig wohnen»<br />
investieren wollte. Mit einem geschützten Arbeitsplatz<br />
in einer Institution würde mir zudem der Assistenzbeitrag<br />
gekürzt. Damit ich nicht in finanzielle Nöte ge-<br />
dann noch andere Möglichkeiten prüfen.<br />
Was würdet ihr anderen Personen, die sich fürs<br />
Assistenzwohnen interessieren, mit auf den Weg<br />
geben?<br />
Alex: Wenn jemand wirklich Bock hat, das zu machen,<br />
dann soll er oder sie es tun. Es lohnt sich trotz allem<br />
Aufwand!<br />
Nachtrag<br />
Alex ist am 1. Oktober <strong>2021</strong> im Alter von<br />
20 Jahren wenige Monate nach dem<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
rate, musste ich mich also zwischen der Arbeit und<br />
Interview verstorben. Er lebte von August<br />
dem selbstständigen Wohnen entscheiden. Das ist schon<br />
2017 bis November 2020 in der Mathilde<br />
sehr doof!<br />
Niklas: Ich bin mir am Überlegen, ob ich eine Teilzeit-<br />
Escher Stiftung und absolvierte hier<br />
seine Ausbildung. Wir durften Alex als<br />
stelle im ersten Arbeitsmarkt suchen soll. Das ist aber<br />
lebensfrohen, abenteuerlustigen, charis-<br />
überhaupt noch nicht spruchreif. Ich habe während<br />
matischen und humorvollen Menschen<br />
der Ausbildung mein Praktikum an der ZHAW gemacht<br />
kennenlernen, der sein Leben aktiv ge-<br />
und war im Marketing tätig. Ich habe dort Videos ge-<br />
staltete und seine Ziele mit viel Energie<br />
schnitten und würde das gerne wieder machen. Videos<br />
verfolgte. Trotz seines frühen Todes<br />
schneiden ist so ziemlich das Spassigste, was man im<br />
konnte er sich einige seiner grossen<br />
Büro machen kann.<br />
Alex: Ich würde gerne irgendetwas mit Grafik machen,<br />
Träume verwirklichen. Den Hinterbliebenen<br />
sprechen wir unser tiefempfun-<br />
selbstständig oder so. Halt das, was ich in der Ausbildung<br />
denes Mitgefühl aus.<br />
gelernt habe. Aber ich habe mir noch nicht gross Gedanken<br />
darüber gemacht.<br />
Mit Hilfe von Assistenzpersonen können Alex und Niklas in ihrer gemeinsamen Wohnung in einem hohen Grad selbstbestimmt<br />
leben und ihren Alltag gestalten.<br />
27
— FOTOSTORY —<br />
— IN KÜRZE —<br />
Familiengeheimnisse<br />
Von Luca Affolter<br />
Neulich beim<br />
Abendessen<br />
Schaut, was ich heute<br />
gekauft habe, einen<br />
Lügendetektor!<br />
So ein Quatsch!<br />
Das gibts doch nicht.<br />
Meinst du? Schauen<br />
wir mal… Wo warst<br />
du denn heute?<br />
In der Schule<br />
natürlich<br />
Wussten Sie, dass …<br />
… ein Auto mit<br />
Gedanken gesteuert<br />
werden<br />
kann?<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
Na, seht ihr?<br />
Funktioniert!<br />
Töööhhh!<br />
Töööhhh!<br />
?<br />
Ok! Es war ein<br />
Erotik-Film.<br />
HAHAHAHAHA.<br />
Er ist halt ganz<br />
dein Sohn!<br />
Ok! Ich war bei<br />
Pascal einen<br />
Film schauen.<br />
Aha! Und was<br />
für einen?<br />
Was!? Als ich in deinem Alter<br />
war, wusste ich gar nicht,<br />
was ein Erotik-Film ist.<br />
Kung-Fu Panda<br />
Töööhhh!<br />
???<br />
???<br />
Töööhhh!<br />
… viele Onlineshops<br />
nicht barrierefrei sind?<br />
Beim Onlineshopping haben 20%<br />
der Bevölkerung keinen gleichberechtigten<br />
Zugang. Die Stiftung<br />
«Zugang für alle» lancierte eine<br />
Accessibility-Studie und untersuchte<br />
verschiedenste Schweizer Onlineshops.<br />
Nur 10 der 41 untersuchten<br />
Shops erhielten 3 bis 5 Punkte.<br />
Der Shop für Besucherparkkarten<br />
der Stadt Bern erreichte als einziger<br />
die maximale Bewertung von<br />
5 Punkten. Barrieren können für<br />
Menschen mit einer Beeinträchtigung<br />
unterschiedlich aussehen.<br />
Für sehbehinderte Menschen ist<br />
es z.B. wichtig, dass die Websiten<br />
für Screenreader geeignet sind, also<br />
für Programme, die den Monitorinhalt<br />
vorlesen können. Hierfür<br />
müssten die Seiten grundlegende<br />
Voraussetzungen erfüllen. Oftmals<br />
sind nur Teile nicht barrierefrei,<br />
was jedoch zu grossen Einschränkungen<br />
in der Bedienung führen<br />
kann. Beispielsweise kann der Kauf<br />
nicht abgeschlossen werden, da<br />
die Abfrage eines Bilderrätsels nicht<br />
mit Screenreadern gelöst werden<br />
kann. Für Sehbehinderte sind Eingabefelder<br />
oft schwer zu erkennen.<br />
Für Nutzer, welche keine Maus<br />
bedienen können und daher auf<br />
die Tastatur angewiesen sind, sind<br />
Auswahloptionen wie «Versand»<br />
oder «Zahlungsmethode» nicht<br />
bedienbar. Auch animierte Inhalte<br />
erschweren oder verhindern Menschen<br />
mit kognitiver Einschränkung<br />
oder Aufmerksamkeitsdefizit<br />
oft den Einkauf.<br />
Wenn auch noch nicht in der Realität,<br />
so ist es zumindest schon virtuell<br />
möglich: Sensoren auf dem Kopf<br />
messen die Hirnsignale und setzen<br />
diese in Fahrbefehle um. Stellt man<br />
sich also gedanklich vor, mit der<br />
linken Hand eine Faust zu machen,<br />
macht man eine Linkskurve. Stellt<br />
man sich das Gleiche mit der rechten<br />
Hand vor, macht man eine Rechtskurve.<br />
Und um geradeaus zu fahren?<br />
Einfach entspannen.<br />
cybathlon.ethz.ch<br />
… zwei Filme aus<br />
der Mathlide Escher<br />
Stiftung bei Festivals<br />
nominiert wurden?<br />
Der Film «Anders sein ist auch<br />
normal», den die Schülerinnen und<br />
Schüler gedreht haben, wurde für<br />
das Filmfestival REC Berlin for Kids<br />
nominiert. Beim Jugend-Filmfestival<br />
Movie Day staubten sie sogar den<br />
2. Preis ab. Der Film der Ausbildung<br />
«Der Preis ist heiss» wurde beim<br />
media literacy award in Wien gezeigt.<br />
Er war unter den besten 45 Projekten<br />
mit von der Partie.<br />
film.mathilde-escher.ch<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
28 29
— PERSPEKTIVENWECHSEL —<br />
gegangen bin. Aber eigentlich hat er Angst vor<br />
zu melden. Ramses und Kronos bekommen<br />
mir, weil ich ihn gekratzt habe. Seither be-<br />
trotzdem immer wieder Frischfleisch, wäh-<br />
zeichnet er mich als hinterlistiges, gefähr-<br />
rend ich leer ausgehe. Meistens verpasse ich<br />
liches Raubtier, das nur an seine Beute denkt.<br />
diese Happy Hour wegen meiner unzähligen<br />
Die Abneigung beruht also auf Gegenseitigkeit.<br />
Mandate in meinem Herrschaftsgebiet. Ich<br />
Manchmal vergessen die Affolters das Floh-<br />
bekomme dann Trockenfutter und bringe mein<br />
mittel. Tröstend dabei ist, dass die Quälgeister<br />
Unverständnis darüber natürlich zum Aus-<br />
dann nicht nur mich nerven, sondern auch<br />
druck. Doch keiner in der Familie macht sich<br />
die Familienmitglieder. Vielleicht lernen sie ja<br />
die Mühe, meine Sprache zu verstehen.<br />
etwas daraus!<br />
Göttlicher Zuwachs<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
Tierisch was los<br />
Familie Affolter hat jede Menge Haustiere, man könnte sagen<br />
einen ganzen Zoo. Kater Titan, der schon lange bei der Familie lebt,<br />
hat nicht nur einen göttlichen Namen, sondern auch seine<br />
eigene Meinung über die Familie und seine tierischen Mitbewohner.<br />
Um die Göttermacht besser zu verteilen, kaufte<br />
Familie Affolter vor 14 Jahren auch noch mei -<br />
nen Bruder Kronos. Obwohl er der griechischen<br />
Mythologie zufolge mein Boss wäre, muss<br />
man an dieser Stelle sagen, dass er trotz guter<br />
ge netischer Ausgangslage ein kleiner Schwächling<br />
ist. Ausserdem gefällt mir sein Name<br />
nicht: Kronos, das klingt doch wie eine Firma,<br />
die Grills herstellt. Mein Territorium und mein<br />
Futter macht er mir jedenfalls nicht streitig.<br />
Ein Jahr nach mir und Kronos nahmen die<br />
Affolters Hund Ramses bei sich auf — wahrscheinlich<br />
aus Mitleid. Bei dessen Namensfindung<br />
verirrte sich die Familie nach Ägypten.<br />
Wer will schon genannt werden wie eine<br />
schrumpelige Mumie? Im Gegensatz zu Kronos<br />
konkurriert Ramses eher mit mir. Er will<br />
immer der Erste sein, bekommt viel Aufmerksamkeit<br />
und erntet Respekt. Dabei ist dieser<br />
Köter immer so verspielt und liegt allen im<br />
Weg wie ein stinkender Teppich.<br />
Fressen und gefressen werden<br />
Familie Affolter hat tierisch eins an der Waffel.<br />
Sie hielt bzw. hält Katzen, Hunde, Fische,<br />
«Fehlt nur noch ein<br />
Blauwal, dann wäre<br />
die Nahrungskette<br />
komplett.»<br />
Bescheidenheit ist eine Tugend<br />
Gaia, die Schlange, hat futtertechnisch zwar<br />
ähnliche Interessen wie ich, geniesst aber<br />
nicht die gleiche Freiheit. Während sie sich<br />
in ihrem Terrarium von Familie Affolter<br />
mit gefrorenen Küken füttern lassen muss,<br />
kann ich mir im Wald eine Maus holen. Welch<br />
ein Festessen! Bei diesem Gaumenschmaus<br />
vergesse ich sogar die Einsiedlerkrebse des<br />
Sohnemanns, um die er sich gar nicht mehr<br />
kümmert und die eigentlich eine leichte Beute<br />
wären. Abgesehen vom Trockenfutter und<br />
von der lauernden Gefahr durch das Sitzfahrzeug<br />
ist mein Leben bei Familie Affolter<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
Von Luca Affolter<br />
Wachteln, Mäuse, Schlangen und Krebse. Fehlt<br />
eigentlich nur noch ein Blauwal, dann wäre<br />
angenehm. Ich habe die Zügel in der Hand,<br />
kann machen, was ich will, und bin von leben-<br />
die Nahrungskette komplett. Nicht alle über-<br />
digem Futter umgeben, was den Verzehr des<br />
lebten dieses Chaos. Vor allem die Mäuse Max<br />
Trockenfutters erträglicher macht. Das Auge<br />
Obwohl ich es seltsam finde, dass Familie<br />
das sind Mutter Simone, Vater Markus, Tochter<br />
und Moritz liessen mir immer das Wasser im<br />
isst bekanntlich mit! Ich herrsche also in aller,<br />
Affolter ihre Tiere nach Gottheiten der Antike<br />
Chiara, Sohn Luca und Tochter Lia. Sohn Luca<br />
Mund zusammenlaufen. Heute sind sie beide<br />
wenn auch göttlicher Bescheidenheit. Eine<br />
und Königen vergangener Epochen benennt,<br />
ist seit einigen Jahren in irgend so einem<br />
tot. Ich wars nicht, aber beschuldigt werde ich<br />
Tugend, die auch den Menschen gut stehen<br />
finde ich meinen Namen Titan ziemlich<br />
Sitzfahrzeug unterwegs. Dessen grosse Räder<br />
trotzdem. Die Lebenserwartung dieser Futter-<br />
würde. Denn wie Montesquieu so schön sagte:<br />
passend: Als mächtiges Göttergeschlecht und<br />
könnten mich zerquetschen oder sogar töten.<br />
Spezies ist nun mal nicht besonders hoch —<br />
«Wer [...] das Ausserordentliche des Wesens<br />
Vorfahre von Zeus, Poseidon und Hades haben<br />
Stellt euch vor, er würde mich überfahren.<br />
ganz abgesehen vom IQ und den Namen, die<br />
nur auf äussere Eigenschaften gründet, gleicht<br />
sich die Menschen — allen voran Familie<br />
Einmal ist mir das Söhnchen über die Pfoten<br />
alles andere als göttlich waren. Ich bin der<br />
den Titanen, die sich für Götter hielten, weil<br />
Affolter — mir unterworfen. Familie Affolter,<br />
gefahren, weil ich ihm nicht aus dem Weg<br />
Chef im Haus, die anderen Tiere haben nichts<br />
sie gross gewachsen waren.»<br />
30 31
— SPORT —<br />
Mit<br />
Strategie<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
zum Ziel<br />
Bald ist es so weit. Die Powerchair Hockey Weltmeisterschaft<br />
in der Schweiz findet vom 9. — 14. August 2022<br />
in Sursee statt. Einige Spieler der Iron Cats aus der Mathilde<br />
Escher Stiftung haben es ins Kader der Schweizer Nationalmannschaft<br />
geschafft. Ich habe die Iron Cats bei ihrem<br />
Training besucht und mit ihrem Trainer gesprochen.<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
Von Pascal Niffeler<br />
33
— SPORT —<br />
R<br />
ico ist sportlich gekleidet. Seine Brille<br />
lässt ihn wie einen Philosophie-Studenten<br />
wirken. Bei einem Prakti kum auf einer<br />
Wohngruppe der Mathilde Escher Stiftung kam<br />
er 2012 zum ersten Mal mit E-Hockey in Berührung<br />
und war schnell begeistert. Er engagierte<br />
sich nach und nach mehr für den Sport und<br />
wurde schliesslich vom Assistenztrainer zum<br />
Trainer. Ein Pfeifen signalisiert die Halbzeit<br />
des Trainingsspiels. Rico entschuldigt sich, die<br />
Pflicht ruft. Die Spieler umringen den Trainer<br />
und gemeinsam analysieren sie das Spiel.<br />
jubelt, die andere blickt etwas mürrisch<br />
drein. Die Spieler drosseln langsam ihre Geschwindigkeit<br />
und atmen erstmal tief durch.<br />
Sie versammeln sich und geben einander<br />
Feedback. Ich sehe, dass Rico nur Fragen stellt.<br />
Er lässt die Spieler selbst Verbesserungsvorschläge<br />
machen. Danach wendet er sich wieder<br />
mir zu, die Spieler diskutieren weiter. Ich<br />
frage Rico, was er am Powerchair Hockey<br />
gerne verbessern würde. Er meint, er würde<br />
die Regeln so anpassen, dass auch schwächere<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
Ich spiele selbst Powerchair Hockey, schlüpfe<br />
aber auch gerne in die interessante Beobachterrolle.<br />
Ich wollte schon immer wissen, was<br />
Trainerinnen und Trainer motiviert, sich so<br />
für unseren Sport einzusetzen. Während der<br />
Halbzeitpause schaue ich mich in der Halle<br />
um. Die Fenster sind abgedunkelt, damit beim<br />
Spiel niemand geblendet wird. Auf den Fenstersimsen<br />
liegt überall Ausrüstung. Am Boden<br />
haben zahlreiche Rollstühle ihre Spuren hinterlassen.<br />
Da sieht man, wie schnell Powerchair<br />
Hockey ist. Wie beim gewöhnlichen Hockey<br />
geht es darum, einen Hockeyball ins gegnerische<br />
Tor zu schiessen. E-Hockey unterscheidet<br />
sich aber dadurch, dass alle Spieler Sportrollstühle<br />
fahren und die Tore nur 20 cm hoch<br />
sind. Besonders beeindruckend sind das hohe<br />
Tempo und die Präzision, mit der die Teams<br />
agieren.<br />
Taktisch, strategisch und gut<br />
organisiert<br />
Die <strong>Pause</strong> ist vorbei, die zweite Halbzeit<br />
beginnt. Alle Spieler sind hoch konzentriert.<br />
Ein Summen erfüllt die Halle, Hockeystöcke<br />
knallen gegen den Ball. Die Spieler rufen sich<br />
zu, während sie ständig ihre Positionen auf<br />
dem Spielfeld ändern. Das Rasseln des Netzes<br />
signalisiert einen erfolgreichen Torschuss.<br />
Ab und zu hört man den dumpfen Klang von<br />
Metall, wenn sich zwei Rollstühle berühren.<br />
Alle Spieler legen gegen Ende noch einen Zahn<br />
zu. Dann, der Abpfiff. Eine Seite des Spielfelds<br />
Rico stellt nur<br />
Fragen. Er lässt die<br />
Spieler selbst Verbesserungsvorschläge<br />
machen.<br />
Spieler wieder mehr eingesetzt werden. Auf<br />
die Frage, welche Eigenschaften eine gute Trainerin<br />
oder einen guten Trainer ausmachen,<br />
antwortet er, ein Verständnis für den Sport<br />
und Begeisterung. Rico beschreibt sich als sehr<br />
taktisch, strategisch und gut organisiert, was<br />
ihm bei seiner Arbeit helfe. Seine Motivation<br />
sei es, mit der Mannschaft Erfolge zu erzielen.<br />
Es mache ihm Freude, mit dieser auf ein Ziel<br />
hin zu arbeiten. Ausserdem liebe er es, bei<br />
jedem Training selbst mitspielen zu können.<br />
Einfach ausprobieren<br />
Nach einer <strong>Pause</strong> nimmt Rico das Training<br />
wieder auf. Er beginnt mit einer Übung, bei der<br />
die Spieler immer zu zweit durch die Halle<br />
fahren und sich gegenseitig Pässe zuspielen.<br />
Während dieser und der folgenden Übungen<br />
34<br />
Die richtige Strategie kann im Powerchair Hockey matchentscheidend sein. Rico analysiert daher wichtige Szenen des Trainingsspiels<br />
mit einzelnen Spielern oder der ganzen Mannschaft.
— SPORT —<br />
— IN KÜRZE —<br />
Zehn Fragen an …<br />
spielt Rico am Anfang selbst mit, dann fährt er<br />
Inzwischen hat Rico das Training beendet und<br />
Von Florian Müller<br />
an den Rand und nimmt einzelne Spieler zur<br />
Seite, um ihnen Instruktionen zu geben. Im<br />
E-Hockey haben Training und Teamwork gros-<br />
hilft der Mannschaft beim Zusammenräumen.<br />
Die Spieler verabschieden sich voneinander.<br />
Ich frage Rico, ob es schon Momente gab, in<br />
Und was würdest du gerne<br />
ändern?<br />
sen Einfluss auf die Koordination unter den<br />
denen er ans Aufhören gedacht hat. Er erzählt<br />
Mehr Inklusion wäre sehr schön.<br />
Teilnehmenden und die Geschwindigkeit eines<br />
mir, dass er 2014 tatsächlich darüber nach-<br />
Es wäre toll, wenn wir im Rollstuhl<br />
Matches. Das kann man nirgendwo besser<br />
gedacht habe — zu jener Zeit habe es viele Strei-<br />
öfter als vollwertige Teammit glieder<br />
sehen, als wenn die besten Mannschaften der<br />
tigkeiten und wenige Erfolge gegeben. Rück-<br />
im Arbeitsalltag eingebunden<br />
Welt gegeneinander antreten, zum Beispiel<br />
blickend sei er froh, sich anders entschieden<br />
würden.<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
an der Powerchair Hockey Weltmeisterschaft<br />
2022 in Sursee.<br />
Weltmeisterschaft<br />
2022 in Sursee<br />
zu haben. Sie schafften es, ihre Streitigkeiten<br />
zu klären und als Mannschaft zusammenzuwachsen.<br />
Die grössten Erfolge seither waren<br />
der Sieg im Powerchair Open Turnier 2018 in<br />
Prag und zwei ungeschlagene Saisons in der<br />
Hockey Liga A. Beim Gespräch mit Rico wurde<br />
mir wieder einmal bewusst, wie wichtig die<br />
Rolle einer Trainerin oder eines Trainers ist.<br />
Besonders beeindruckt mich daran, dass die<br />
meisten wie auch Rico ihren Einsatz freiwillig<br />
und ohne Entlöhnung leisten.<br />
Für alle, die sich für Powerchair Hockey inte -<br />
ressieren, hat Rico abschliessend noch einen<br />
Tipp: «Unbedingt anschauen und ausprobieren.<br />
Bei uns kann man jederzeit ein Probe training<br />
machen. Manchmal packt jemanden das<br />
Hockey-Fieber auch schon beim Zuschauen.»<br />
Wie würdest du dich<br />
beschreiben?<br />
Manuel Weibel<br />
Alter: 28 Jahre<br />
In der Mathilde Escher Stiftung seit: Oktober 2008<br />
Hobbies: Meditation, Technoparties, Animes schauen<br />
Besondere Kennzeichen: Rossschwanz, Markenbrille<br />
Lieblingskleider: Manchester- und Cordhosen<br />
Wie sieht dein Alltag in der<br />
Mathilde Escher Stiftung aus?<br />
Welches Erlebnis in deinem<br />
Leben ist dir besonders in<br />
Erinnerung geblieben?<br />
Vor 4 Jahren hatte ich nach einem<br />
Herzstillstand im Spital eine Nahtoderfahrung.<br />
Nach diesem Erlebnis<br />
hat sich mein «Drittes Auge» geöffnet.<br />
Was würdest du tun, wenn<br />
du unbegrenzt viel Geld zur<br />
Ver fügung hättest?<br />
Die Armut beseitigen und mir eine<br />
richtig schöne Villa bauen lassen.<br />
Was möchtest du in der<br />
Zukunft gerne noch erleben?<br />
Auf jeden Fall einmal länger weggehen.<br />
Einfach alleine unterwegs<br />
sein und viel meditieren. Ich würde<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
Vom 9. bis 14. August 2022 findet in<br />
Ich bin humorvoll und mag auch<br />
Vier Tage die Woche arbeite ich in<br />
gerne nach Japan gehen oder auch<br />
Sursee die 5. Weltmeisterschaft<br />
schwarzen Humor. Zudem bin ich<br />
der Grafikwerkstatt. Nebst dem<br />
in den Tibet.<br />
im Powerchair Hockey statt. Es ist das<br />
erste Mal, dass der alle vier Jahre stattfindende<br />
Event in der Schweiz ausgetragen<br />
wird. Es werden rund 10 Mann-<br />
ein selbstkritischer und ehrlicher<br />
Mensch. Ich würde mich als unpolitisch<br />
bezeichnen. Ich bin aber<br />
auch nicht so diplomatisch und finde<br />
Arbeiten schaue ich viele Serien —<br />
vor allem Animes. Nach der Arbeit<br />
meditiere ich gerne. Abends gehe ich<br />
sehr spät ins Bett.<br />
Wenn es eine Heilung für deine<br />
Krankheit gäbe, was würdest<br />
du tun?<br />
schaften aus 10 Ländern erwartet, u.a.<br />
aus Kanada und Australien. Die Schweiz<br />
wird mit rund 10 Spielern antreten.<br />
pchwc-switzerland-2022.com<br />
PASCAL NIFFELER<br />
Pascal spielt selbst Powerchair<br />
Hockey. Er wollte schon immer<br />
wissen, was Trainerinnen und Trainer<br />
motiviert, sich so für diesen Sport<br />
einzusetzen.<br />
oft nicht die richtigen Worte.<br />
Was kannst du besonders gut?<br />
Was fällt dir schwer?<br />
Seit der Ausbildung schreibe ich<br />
sehr gerne und kann das auch gut.<br />
Jetzt arbeite ich als Texter in der<br />
Was gefällt dir an der Mathilde<br />
Escher Stiftung besonders gut?<br />
Ich schätze die Freiheit und die<br />
Möglichkeiten, welche uns geboten<br />
werden. Sogar wenn man vom<br />
Ausgang zurückkommt, wird man<br />
Trampen. Einfach weg. Irgendwohin.<br />
Einfach mal los in Richtung Spanien.<br />
Und dann irgendwo wieder kurz<br />
arbeiten und kleine Jobs antreten.<br />
Woran kannst du dich immer<br />
wieder erfreuen?<br />
Grafikwerkstatt der Mathilde Escher<br />
betreut. Darum muss ich mich in<br />
An der Meditation. Meine Freunde<br />
Stiftung. Es fällt mir schwer, diplo-<br />
der Stiftung nicht selbst kümmern.<br />
würden sagen, dass mich hübsche<br />
matisch zu bleiben und gegen meine<br />
Beim Assistenzwohnen wäre das<br />
Frauen erfreuen. Ich gebe zu,<br />
Depressionen anzukommen.<br />
anders.<br />
dass ich da nicht nein sagen kann.<br />
36 37
— VORGESTELLT —<br />
«Hier fand ich<br />
wieder den Rank»<br />
PAUSE — Das Ausbildungsmagazin der Mathilde Escher Stiftung<br />
Früher betreute sie VIPs und<br />
Adelige. Heute sorgt sie dafür,<br />
dass es in der Mathilde Escher<br />
Stiftung immer blitzblank<br />
sauber ist. Rosella Maiullari<br />
kennt die Höhen und Tiefen des<br />
Lebens.<br />
Gastbeitrag von Regula Müller<br />
bekam. So entschied sich Rosella für die Lehre<br />
als kaufmännische Angestellte bei American<br />
Express. Da es ihr dort gut gefiel, blieb sie nach<br />
der Lehre gleich für weitere zehn Jahre. Ihre<br />
Kundinnen und Kunden waren ganz unterschiedliche<br />
Leute, darunter auch VIPs und<br />
sogar Adelige. Dieser Job war der beste ihres<br />
Lebens, es war einfach grandios. Sie hatte das<br />
beste Team «ever». Die Gruppe flog praktisch<br />
jedes Wochenende nach Nizza oder an eine<br />
andere Destination, die Koffer standen jeweils<br />
gepackt im Büro. Zusammenhalt und Team-<br />
Spirit wurden sehr grossgeschrieben. Nach<br />
einem Wechsel in der Chefetage landete das<br />
komplette Team, inklusive dem Lernenden, bei<br />
Diners Club. So konnten die wilden Zeiten noch<br />
zehn Jahre weitergehen, bis Luana das Licht<br />
der Welt erblickte. Rosella genoss nun voll und<br />
ganz das Mutterdasein. Als ihre Tochter den<br />
Kindergarten besuchte, arbeitete sie wieder<br />
halbtags. Daneben engagierte sie sich 30 Jahre<br />
lang ehrenamtlich im Suchtbereich. Ausserdem<br />
interessierte sie sich für Nail Design und<br />
POWERCHAIR<br />
HOCKEY<br />
WORLD CUP<br />
2022<br />
hatte ihre Stammkundschaft. Tragischerweise<br />
starb dann ihr geliebter Ehemann unerwartet<br />
und viel zu früh mit 51 Jahren. Dieser Schicksalsschlag<br />
änderte Rosellas Leben total. Ein<br />
Jahr lang ging gar nichts mehr, bis das RAV<br />
Rosella in die Mathilde Escher Stiftung schickte.<br />
Die Bewohner und Bewohnerinnen haben ihr<br />
unbewusst viel Kraft zum Weitermachen gege-<br />
Rosella hatte früher einmal einen Traum. Sie<br />
wollte Maskenbildnerin für Film und Fernsehen<br />
werden. Dieser währte leider nicht lange,<br />
da sie von den starken Produkten Allergien<br />
ben, so dass sie den «Rank» wieder fand. Dank<br />
vielen schönen Begegnungen und Momenten<br />
fühlt sich Rosella in der Stiftung wohl. Eines<br />
ihrer Hobbys ist das Lesen, aber ihre grosse<br />
Leidenschaft ist das Tanzen. Dabei kann<br />
Rosella ihren Emotionen freien Lauf lassen —<br />
und für ein paar Stunden alles vergessen.<br />
9. — 14. AUGUST 2022<br />
STADTHALLE SURSEE<br />
SAVE<br />
THE<br />
DATE!<br />
38<br />
pchwc-switzerland-2022.com