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Volks.kultur 2/2021

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ISSN 1563-2881 // VKP: € 9,50<br />

45. JAHRGANG // OKTOBER <strong>2021</strong><br />

BRÄUCHE // EINBLICKE // MENSCHEN // TANZ // MUSIK //<br />

AUS DEM INHALT<br />

Klein, fein, bodenst@ndig // Neuer Landeskommandant für<br />

Salzburger Schützen // Fortbildungen und Wettbewerbe


we


te.<br />

Menschen, die ihre<br />

Werte gemeinsam leben,<br />

beziehen daraus<br />

die Kraft der<br />

Verbundenheit.


„Neue <strong>Volks</strong>musik,<br />

neue Energie mit<br />

Bodenhaftung – es<br />

muss immer der<br />

Boden spürbar sein.“<br />

Manfred Baumann<br />

künstlerischer Leiter<br />

Festival Bodenst@ndig<br />

Coverbild: Albert Moser<br />

Rückseitenbild: Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong><br />

IMPRESSUM:<br />

Redaktion: Berta Wagner, Hieronymus Bitschnau,<br />

Adolf Freudl, Wolfgang Dreier-Andres<br />

Satz, Gestaltung und Konzept: Die fliegenden Fische<br />

Werbeagentur GmbH, www.diefliegendenfische.at<br />

Lektorat: Johanna Weber<br />

Textnachdruck in Zeitungen und Zeitschriften ausschließlich<br />

mit Genehmigung des Autors und Quellenangabe<br />

(Zeitschrift der Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong>).<br />

Je nach Vorgabe der Autorinnen und Autoren werden<br />

geschlechtsspezifische Formulierungen verwendet.<br />

Wo dies nicht der Fall ist, ist es der Textökonomie<br />

geschuldet.<br />

Herausgeber und für den Inhalt, Abbildungsbeschriftungen<br />

und Fotonachweise verantwortlich:<br />

Forum Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong>. Irrtümer, Änderungen und<br />

Druckfehler vorbehalten. Die Zeitschrift der Salzburger<br />

<strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> erscheint zweimal jährlich.<br />

BEZUGSPREIS:<br />

Einzelheft: € 9,50 (ohne Versandkosten)<br />

JahresAbo Inland: € 19,– (inkl. Versandkosten)<br />

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oder<br />

<strong>kultur</strong>.paket der Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong><br />

Zweimal jährlich Zeitschrift der Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong><br />

und Weiterbildungskalender (Sie finden wichtige<br />

Weiter bildungstermine und Veranstaltungen in einem<br />

reich bebilderten Wandkalender)<br />

JahresAbo Inland: € 23,– (inkl. Versandkosten)<br />

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BESTELLUNG:<br />

Forum Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong>, Postfach 527,<br />

5010 Salzburg<br />

redaktion@salzburgervolks<strong>kultur</strong>.at oder über<br />

die Website www.salzburgervolks<strong>kultur</strong>.at<br />

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Forum Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong>, Postfach 527,<br />

5010 Salzburg<br />

+43 (0) 662 8042-3062, volks<strong>kultur</strong>@salzburg.gv.at<br />

www.salzburgervolks<strong>kultur</strong>.at<br />

4


Liebe Freunde der<br />

Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong>!<br />

TEXT Berta Wagner // FOTO Christian Haggenmüller<br />

Als ich am Hohen Weg vom Salzburger<br />

Nonntal, vorbei am Kloster Nonnberg in Richtung<br />

Salzburger Altstadt unterwegs war, wurde mir<br />

wieder bewusst, in welchem besonderen Kulturland<br />

wir leben dürfen. Am Hohen Weg entlang<br />

bot sich ein einzigartiger Ausblick: zu rechter<br />

Hand die Festung Hohensalzburg, links der Blick<br />

über die Dächer der Salzburger Altstadt mit den<br />

imposanten Kirchtürmen bis hin zum Kapuzinerkloster<br />

und zum Museum der Moderne auf dem<br />

Mönchsberg und alles verpackt in das Grün der<br />

Salzburger Stadtberge.<br />

Aus der Kirche erklangen Orgeltöne, vom<br />

Kajetanerplatz herauf waren Jazzklänge zu hören,<br />

am Domplatz sangen zwei junge Studentinnen<br />

Opernarien und am Residenzplatz spielten mit<br />

Begeisterung die Straßenmusiker des Salzburger<br />

<strong>Volks</strong>liedwerkes zur Freude der Zuhörer.<br />

Salzburg ist ein Kulturland der besonderen<br />

Art und Vielfalt, und das nicht nur in der Stadt,<br />

sondern vor allem auch in den Bezirken. Dort<br />

ist der <strong>kultur</strong>elle Reichtum geprägt durch die<br />

verschiedenen Baustile der Häuser, Unterschiede<br />

in Sprache, Tracht, Musik, Lied, Tanz, Bräuchen,<br />

Traditionen, Museen und Arbeitswelten. Neben<br />

dem <strong>kultur</strong>ellen Erbe sind es aber vor allem die<br />

Menschen, die das Land so sympathisch machen.<br />

In einer Zeit, in der <strong>kultur</strong>elle Veranstaltungen<br />

nicht möglich waren, wurde uns bewusst, wie sehr<br />

uns Kultur fehlt, wieviel Energie und Freude von<br />

ihr ausgeht. Und eines muss uns auch bewusst<br />

sein: Kultur und vor allem <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> lebt durch<br />

die Menschen, die ehrenamtlich viel Zeit, Geld,<br />

Begeisterung, Empathie und Können investieren.<br />

Wie heißt es so schön: „ohne Geld koa Musi“.<br />

Ich glaube, da dürfen wir uns in Salzburg auch<br />

nicht beklagen, die öffentliche Hand und die<br />

Salzburger Landesregierung fördert und unterstützt<br />

unsere Kultur sehr großzügig – es könnte<br />

natürlich immer noch mehr sein, aber ich glaube,<br />

das liegt in der Natur der Sache. Danke an das<br />

Land Salzburg und an die Gemeinden für die<br />

Mitfinanzierung unserer Kulturschätze und<br />

volks<strong>kultur</strong>ellen Aktivitäten. Gemeinsam mit<br />

den Ehrenamtlichen in den Vereinen, den Kulturschaffenden<br />

und den Geldgebern können wir<br />

unsere Kultur im Land Salzburg bewahren,<br />

leben und weiterentwickeln – danke dafür!<br />

5


Überblick<br />

54<br />

23<br />

Vorwort ____________________ 5<br />

Einblicke<br />

Zukunftsprozess – Forum Salzburger<br />

<strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> Phase 1 _______________ 10<br />

Vom Reichsverband<br />

zum Landesverband ______________ 12<br />

Festival für neue <strong>Volks</strong>musik –<br />

Bodenst@ndig <strong>2021</strong> _______________ 20<br />

Vom Wunder der Geburt ___________ 23<br />

Dieser Mann brennt für die<br />

<strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> – und für Gott _________ 27<br />

Der „Pongauer Hahn“<br />

kräht wieder ______________________ 28<br />

Das pfeift! Die Orgeln von Bad<br />

Dürrnberg, Schüttdorf­Zell am See,<br />

Maria Alm und Saalfelden _________ 31<br />

Das Vereinswesen in den Niederlanden<br />

des 16. / 17. Jahrhunderts __________ 36<br />

Vor 500 Jahren:<br />

Drei Geschwister starben 1521 _____ 44<br />

Johannes Nepomuk –<br />

Salzburgs Fünf­Sterne­Patron _____ 48<br />

Die Sammlung neu sehen – Das<br />

Fotoarchiv des Freilichtmuseums<br />

im Wandel des Blicks ______________ 54<br />

Zwischen Mozartkugeln, Dirndln<br />

und Salzburger Bräuchen _________ 61<br />

BEURLE – Das Haus für Trachten ___ 69<br />

Salzburger Marionettentheater ____ 70<br />

Konzerte, Fortbildungen,<br />

Ausstellungen ____________________ 78<br />

Kulturverbände<br />

Blasmusik<br />

Universitätslehrgang<br />

Blasorchesterleitung ______________ 82<br />

Junge Blasmusiktalente auf der Bühne<br />

mit den Wiener Philharmonikern __ 84<br />

Chöre<br />

1. Sing­ und Dirigierwoche<br />

Salzburg _________________________ 86<br />

Festkonzert<br />

„Salzburg bist du großer Töne“ ____ 88<br />

Petition: Musik braucht eine<br />

Stimme im Bildungswesen ________ 90<br />

Heimatvereine<br />

Musizierwoche für Kinder und<br />

Jugendliche in Eben <strong>2021</strong> __________ 94<br />

Musizierwoche Mauterndorf <strong>2021</strong> __ 95<br />

Kalligrafie – Die Kunst des<br />

schönen Schreibens _______________ 96<br />

Aus Krisen entsteht Neues _________ 98<br />

Lungauer Fibel für Tracht,<br />

Mundart und <strong>Volks</strong>lieder _________ 101<br />

<strong>Volks</strong>tanz<br />

ARGE <strong>Volks</strong>tanz unter dem<br />

Dach des Landesverbandes<br />

der Heimatvereine _______________ 103<br />

6


106 135<br />

Museen<br />

70. Geburtstag –<br />

DDr. Bernhard Iglhauser __________ 105<br />

Museumsfest Altenmarkt<br />

„50 + 1 Jahre Hoamathaus<br />

Altenmarkt“ _____________________ 106<br />

MONUMENTO SALZBURG 2022 –<br />

Die Messe für unser Kulturerbe ___ 109<br />

Nationalsozialismus in St. Gilgen:<br />

Strukturen – Täter – Opfer ________ 112<br />

Landespreis <strong>2021</strong> „Junge<br />

Landesforschung – Salzburg“ _____ 118<br />

Schützen<br />

Franz Meißl – 23 Jahre<br />

Landeskommandant und<br />

Schützenobrist Salzburg _________ 122<br />

Neuer Landeskommandant<br />

für über 6.000 Salzburger<br />

Schützen: Josef Braunwieser ______ 125<br />

62. Anton­Wallner­Gedenkfeier<br />

in St. Johann im Pongau __________ 129<br />

<strong>Volks</strong>LiedWerk<br />

Archivbetrieb <strong>2021</strong> – zwischen<br />

Digitalisierung, Katalogisierung<br />

und zwei neuen Nachlässen ______ 131<br />

Das Archiv im <strong>Volks</strong>liedwerk<br />

ist lebendig! _____________________ 135<br />

Junge Preisträger beim „Salzburger<br />

<strong>Volks</strong>musikpreis <strong>2021</strong>“ ___________ 137<br />

60 Jahre Bischofshofener<br />

Amselsingen ____________________ 139<br />

Kulturmenschen<br />

Nachrufe<br />

Nachruf<br />

Roswitha Meikl (1954–<strong>2021</strong>) ______ 144<br />

Trauer um Heidi Gräfin<br />

zu Castell­Castell ________________ 149<br />

Mediatheke<br />

Kartoffelschaukochen, illegale<br />

Kämpferinnen und Krieg. Frauen im<br />

nationalsozialistischen Salzburg _ 150<br />

Autorinnen und Autoren _________ 152<br />

70<br />

7


8<br />

fok


us.<br />

Neues kennenlernen,<br />

den Fokus ändern,<br />

hinter Kulissen schauen:<br />

Es ist die Vielfalt,<br />

die Freude schafft.<br />

9


Vom Reichsverband<br />

zum Landesverband<br />

EIN WERKSTATTBERICHT<br />

TEXT Hieronymus Bitschnau // FOTOS Salzburg Museum,<br />

Bund der Österr. Trachten- und Heimatverbände, Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong><br />

Das Projekt zur Erforschung der Geschichte der<br />

Institution Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> ist im letzten<br />

halben Jahr wieder um einige Fakten, Details und<br />

Bilder bereichert worden und weitere 750 Seiten<br />

Kurrentschrift sind transkribiert. Aktueller Stand<br />

ist die vollständige Transkription der Protokollbücher<br />

des Österreichischen Reichsverbandes für Alpine,<br />

<strong>Volks</strong>­ und Gebirgstrachtenvereine, die sich<br />

im Archiv des Hauses befinden. Neue Funde brachten<br />

neue Erkenntnisse und es sind bereits Korrekturen<br />

zum ersten Werkstattbericht notwendig.<br />

Eine weitere Korrektur soll gleich zu Beginn<br />

erwähnt werden. Durch den Fund eines Fotos des<br />

Reichsverbandsausschusses von 1925 mit sämtlichen<br />

Namen im Salzburg Museum, welches bis<br />

auf eine Position dem von 1921 gleicht, konnten<br />

mehr Personen als bisher identifiziert werden. So<br />

ist nicht der Obmann der Alpinia, August Neubauer,<br />

1921 abgebildet, sondern der Sekretär Erich<br />

Schmuck. August Neubauer taucht dann aber zweifelsfrei<br />

auf dem Foto von 1932 auf, dazu im Laufe<br />

des Werkstattberichtes mehr.<br />

Bei der ersten Sichtung der bisher unbekannten<br />

Bestände war ein Protokollbuch nur mit den<br />

Jahren „1932 – 33“ gekennzeichnet und reihte sich<br />

so in die Reihe der Protokollbücher des Reichsverbandes<br />

ein. Erst kürzlich stellte sich heraus, dass<br />

dieses Protokollbuch nicht dem Reichsverband<br />

zuzuordnen ist, sondern dem Bund der<br />

Arbeitertrachten­Erhaltungsvereine.<br />

Die Anfänge der Protokolle gleichen<br />

denen des Reichsverbandes, weswegen<br />

das Buch falsch zugeordnet wurde. Niemand<br />

kann sich erklären, wie dieses<br />

Protokollbuch in den Besitz unseres<br />

Hauses gekommen ist. Es ist aber ein<br />

interessanter Fund, denn viele Vereine<br />

traten immer wieder aus dem Reichsverband<br />

aus, um nach kurzer Zeit wieder<br />

beizutreten oder ganz aus den Protokollen<br />

zu verschwinden. Möglich wäre,<br />

dass einige Vereine beim „Konkurrenzverband“<br />

auftauchen. Die Transkription<br />

steht noch aus, aber die erste Sichtung<br />

ergab, dass die Sitzungen hauptsächlich<br />

in Wien im 12. Gemeindebezirk<br />

im „Gasthof Türk“ stattfanden. Selbige<br />

wurden dann mit dem Ruf „Freundschaft“<br />

beendet.<br />

Wiederaufnahme der<br />

Tätigkeit 1919<br />

Die vorerst letzte Sitzung des Reichsverbandes<br />

zur Zeit der Donaumonarchie fand am 13. Februar<br />

1915 statt. Am 10. Mai 1919 setzte der Ausschuss<br />

Abb. 1: Postkarte 1921, Reihe sitzend v. l. n. r.:<br />

Erich Schmuck, Ehrenobmann Hans Tiator, Obmann Anton Prodinger,<br />

Schriftleiter und 2. Obmann Franz Obereder und Hans Schorn<br />

12


seine Tätigkeit in der „Republik Deutsch­Österreich“<br />

fort und traf sich wieder im Verbandsheim<br />

Gasthof zum Mohren, welches immer noch Franz<br />

Obereder gehörte. 16 Personen fanden sich ein und<br />

im Wesentlichen blieb der Vorstand gleich, was darauf<br />

schließen lässt, dass alle den Ersten Weltkrieg<br />

überstanden haben. Mehrfach wurde jedoch der<br />

Gefallenen gedacht und in den folgenden Jahren<br />

auch der Schwund an Vereinsmitgliedern beklagt.<br />

Ganz dürften die Vereinstätigkeiten nie geruht haben,<br />

denn gleich in der ersten Sitzung wurde beschlossen,<br />

dass sich kein neuer Verein ohne Wissen<br />

und Gutachten des Reichsverbandes gründen dürfe.<br />

Ebenfalls sehr spannend ist die erste Beschwerde<br />

eines Vorstandsmitgliedes:<br />

„Josef Hagenauer besprach das überhand<br />

nehmende übermütige Benehmen der<br />

Kniehösler in den Vereinen und dingt (sic!)<br />

darauf hin, dass sich die ‚Machtigen‘<br />

anständig und in estätischer Hinsicht<br />

einwandfrei benehmen. Die ‚Machtigen‘<br />

dürfen nicht etwa glauben, weil sie in<br />

Kniehose oder kurzem Kittel stecken, sich<br />

nach ihrer Lust benehmen können und<br />

empfiehlt Redner den Vereins-Ausschüssen<br />

bei Aufnahme sehr vorsichtig zu sein, da<br />

ein schamloses oder rüpelhaftes Verhalten<br />

den Vereinen selbst und somit auch dem<br />

Verband in Ansehen schaden könnte.“<br />

In den folgenden Sitzungen traten einige bereits<br />

bekannte Vereine dem Reichsverband wieder<br />

bei und am 24. August 1919 wurde der siebte<br />

Verbandstag abgehalten, zu dem auch Gäste aus<br />

Bayern anreisten. „Nach der üblichen Wartestunde“<br />

eröffnete Obmann Anton Prodinger, der später<br />

noch zum Ehrenobmann ernannt wurde, den Tag<br />

mit „Trachten­Heil“. Der Vertreter aus Wien berichtete<br />

über Streitereien im Wiener Verband und trotz<br />

Zuwächsen wurden im Protokoll nur 27 Mitgliedsvereine<br />

vermerkt. Diese Zahl wurde in den nächsten<br />

Jahren größer, aber bis 1925 fehlt in sämtlichen<br />

Protokollen eine genaue Auflistung der Mitgliedsvereine.<br />

Die Verbandstätigkeit nahm wieder mehr Fahrt<br />

auf und nach dem Verbandstag wurde das Amt des<br />

„Verbands­Vorplattlers“ (Josef Hagenauer) eingeführt,<br />

welches die erste Fachkraft seitens des Verbandes<br />

darstellte. Die nächsten Monate glichen aber<br />

der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg: Vereine traten<br />

dem Verband bei und andere aus, Vereine stritten<br />

untereinander und der Reichsverband musste<br />

schlichten, aber auch der Vorstand zerstritt sich. Sekretär<br />

Schmuck gründete einen eigenen Verein und<br />

ist für ein Jahr Persona non grata; einen ähnlichen<br />

Status hatte der Verein „Alpinia“, der immer wieder<br />

kritisiert wurde, weil der Verein bei Festen von<br />

Reichsverbandsvereinen nicht teilnehmen wollte.<br />

Das Leben in der jungen Republik spiegelte<br />

sich aber auch in den Protokollen wider. So ist von<br />

Protestkundgebungen zu lesen und dass Trachtenartikel<br />

sehr teuer geworden seien. Trotzdem wurden<br />

wieder erste Feste gefeiert und die Gründung<br />

von Gauverbänden angeregt, weil man zum Beispiel<br />

Vereine im Lungau nicht erreichte.<br />

Stürmische 1920er<br />

Im Juli 1920 sollte der Gauverband Pongau<br />

ins Leben gerufen werden und dazu reiste der II.<br />

Obmann und spätere Kassier Obereder nach Bischofshofen<br />

zur Jahreshauptversammlung des<br />

Vereins „Hochgründecker“. Dieses Erlebnis schilderte<br />

Obereder sehr ausführlich ­ es dürfte ihn<br />

insgesamt etwas schockiert haben. Man ließ den II.<br />

Obmann lange in einem Nebenzimmer des Wirtshauses<br />

warten und erst nach erteilter Erlaubnis<br />

in den Hauptraum eintreten. Obereder hatte „den<br />

Eindruck dass es eine sehr stürmische Mona Versammlung<br />

war und im Verein nicht alles so ganz in<br />

Ordnung sei wie es nach aussen hin den Anschein<br />

habe.“ Obereder wurde gleich mit Vorwürfen<br />

bombardiert und dürfte kaum einen Zugang zur<br />

Versammlung gefunden haben. Man einigte sich<br />

dennoch auf eine Zusammenarbeit zwischen dem<br />

geplanten Gauverband Pongau und dem Reichsverband.<br />

Auf die Frage, ob Pongauer Vereine der bevorstehenden<br />

Wiener Gauverbandsgründung beiwohnen<br />

wollten, meinte die Versammlung:<br />

„[…] mit die Wiener wollen wir nichts gemein<br />

haben das sind Plattenbrüder u. keine Trachtler<br />

[…] wenn die Wiener schuhplatteln sehen wollen<br />

sollen sie nach Behofn zu die Hochgründecker<br />

kommen.“<br />

Obmann Prodinger nahm den Bericht gelassen<br />

zur Kenntnis. Ihm war wichtig, dass der Gauverband<br />

in Planung war, er verließ aber selbst kurz<br />

darauf wegen einer anderen Sache vorzeitig die<br />

Sitzung.<br />

13


Wenn auch die 1920er­Jahre stürmisch anfingen,<br />

machte der Reichsverband doch Fortschritte:<br />

Die Gauverbände Oberösterreich und Steiermark<br />

wurden bereits in den Protokollen von 1920 erwähnt;<br />

die Jugendarbeit wurde mehrmals diskutiert<br />

und aktives Werben beschlossen. 1920 (nicht<br />

erst 1922) konnte der <strong>Volks</strong>dichter Michael Dengg<br />

als Mitarbeiter für die Trachtenzeitung gewonnen<br />

werden, welche mit Jänner 1921 wieder erscheinen<br />

sollte. 1921 wurden dann bereits 102 Mitgliedsvereine<br />

beim Reichsverband gezählt und auch die<br />

Zahl der Landesverbände stieg an: Tirol, Salzkammergut,<br />

Donaugau und Pinzgau.<br />

Die allgemeinen wirtschaftlichen Schwierigkeiten<br />

der Republik machten allerdings auch nicht<br />

vor dem Reichsverband Halt. So stiegen die Druckkosten<br />

für die Zeitung und es wurde die Empfehlung<br />

an die Vereine ausgegeben, keine „Kirtabuschen“<br />

o. Ä. zu kaufen, sondern das Geld für Trachten<br />

zu sparen – es sollte ein einheitliches<br />

Bild bei den Vereinen entstehen.<br />

Im Juli 1922 wurde beschlossen, einen Salzburger<br />

und einen oberösterreichischen Landesverband<br />

zu gründen. Letzterer wurde bereits 1923 gegründet,<br />

für den Salzburger Landesverband wurde<br />

ein Ausschuss mit zehn Mitgliedern unter der Leitung<br />

von Karl Adrian gebildet. Neben Diskussionen,<br />

wie der Landesverband aussehen sollte, plante<br />

dieser Ausschuss die Einführung einer Salzburger<br />

Landestracht. Als Vorbild sollte die alte Henndorfer<br />

Tracht dienen. Die Diskussion und Suche nach<br />

einer gemeinsamen Salzburger Tracht war auch<br />

nach dem Ersten Weltkrieg und lange vor der ersten<br />

Trachtenmappe von 1935 sehr wichtig.<br />

1923 kam es dann zur Gründung des Bundes<br />

der Arbeitertrachten­Erhaltungsvereine. Besonders<br />

in der Steiermark dürften einige Vereine<br />

zu diesem abgewandert sein. Deswegen könnten<br />

die Inhalte des oben genannten Protokollbuchs,<br />

auch wenn es nur zwei Jahre abbildet, noch sehr<br />

Fahne und Tracht<br />

Von 3. bis 5. Juni 1922 fand in Salzburg<br />

das Fahnenweihefest des Reichsverbandes<br />

statt. Der Reichsverband hatte<br />

es geschafft, ein Zeichen für sich zu<br />

schaffen, welches sich bis heute erhalten<br />

hat. Die Fahne hängt heute noch im<br />

Lainerhof in Salzburg. Der Vorstand war<br />

sehr stolz darauf und die Fahne wurde<br />

gerne zur Schau gestellt – anscheinend<br />

sehr oft, denn bereits 1926 musste sie<br />

renoviert werden. Beim Verbandsfest<br />

wurde die „Fahnengattin Kuni Obereder“<br />

zum (ersten weiblichen) Ehrenmitglied<br />

ernannt. Für die Fahne und<br />

das Fest gaben die beiden Vorstandsmitglieder<br />

Hagenauer und Obereder<br />

dem Verband aus eigener Tasche einen<br />

Vorschuss. Trotzdem hatte der Reichsverband<br />

nach dem Fest ein Defizit von<br />

600.000 Kronen, was teilweise durch<br />

Spenden ausgeglichen werden konnte.<br />

Die Fahne des Reichsverbands<br />

im Lainerhof, Salzburg<br />

14


Abb. 3: Der Ausschuss<br />

des Reichsverbandes<br />

1925 / Salzburg<br />

Museum<br />

spannend sein. Der Vorstand des Reichsverbandes<br />

gab 1923 die Empfehlung, Feste von „Trutzvereinen“<br />

nicht zu besuchen. Besonders 1927 scheinen<br />

viele Vereine abgewandert zu sein und in den Protokollen<br />

ist von einer Gründung eines Arbeitertrachten­Gauverbandes<br />

in Salzburg zu lesen.<br />

Das Jahr 1925<br />

Das Jahr 1925 brachte die Währungsreform<br />

und offenbar Probleme durch Arbeitslosigkeit mit<br />

sich. Einige Vereine wurden laut Protokollen deswegen<br />

auch ruhend gestellt oder aufgelöst. Viele<br />

Vereine waren mit den Mitgliedsbeiträgen wie auch<br />

Mitgliederlisten im Rückstand. Die Sterbekassa zur<br />

Unterstützung der Familien wurde ausgebaut und<br />

als eigenes Konto geführt. Regelmäßig fanden daraus<br />

Auszahlungen statt und die Regelungen dafür<br />

wurden immer wieder angepasst. Der Reichsverband<br />

bemühte sich, die Zusammenarbeit mit<br />

Heimatschutz und <strong>Volks</strong>kunde zu intensivieren,<br />

und organisierte Vortragsabende zu verschiedenen<br />

Themen. Zudem sollte dem <strong>Volks</strong>lied und den<br />

Instrumenten Schwegelpfeife und Hackbrett mehr<br />

Beachtung geschenkt werden. Die Vereinsnamen<br />

sollten auch etwas professioneller wirken – Adjektive<br />

wie „die lustigen“ oder „die gmiatlichen“<br />

sollten aus den Vereinsnamen verschwinden. Die<br />

Gründung des Verbandsgaues Pongau wurde wegen<br />

der geplanten Gründung des Salzburger Landesverbandes<br />

einstweilen verschoben und der Verein<br />

„D´Hohen Salzburger“ entschied sich die Salzburger<br />

Einheitstracht zu tragen – wie diese aussah,<br />

kann leider derzeit noch nicht gesagt werden.<br />

Noch wichtiger für die Aufarbeitung sind aber<br />

das Vorstandsfoto mit Namen von 1925 und eine<br />

erste Auflistung von Mitgliedsvereinen des Reichsverbandes.<br />

Bisher konnte über Zahl und Namen<br />

nichts gesagt werden.<br />

Das Foto von 1925 ist bis auf eine Position mit<br />

dem von 1921 ident. Es muss vor April 1925 entstanden<br />

sein, da Sekretär Schmuck im April 1925<br />

starb. Im Folgenden sind alle Namen, wie auf der<br />

Rückseite, mit Ergänzungen aus den Protokollen<br />

aufgelistet. Die Ergänzungen am Original dürften<br />

später dazugekommen sein, da Hermann Wackerle<br />

dort als 1. Obmann gelistet wurde, eine Position,<br />

die er aber erst ab 1930 innehatte.<br />

15


Festival für neue <strong>Volks</strong>musik –<br />

Bodenst@ndig <strong>2021</strong><br />

TEXT Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> // FOTOS Susi Berger, Albert Moser und Michael Moser<br />

Nach einem Jahr Pause konnte bei<br />

bestem Wetter das Festival Bodenst@ndig<br />

am 10. und 11. September <strong>2021</strong> wieder<br />

stattfinden.<br />

Der Petersbrunnhof lud bei angenehmen<br />

Temperaturen ein, die Seele<br />

baumeln zu lassen und umrahmt von<br />

Haus der <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong>en, Orchesterund<br />

Schauspielhaus und mit Blick auf<br />

die Festung neue <strong>Volks</strong>musik zu genießen.<br />

Die zahlreichen Besucher dankten<br />

die Vorbereitungen mit ihrem Besuch<br />

und wurden nicht nur kulinarisch<br />

bestens bewirtet. Das Trio „Diatonische<br />

Expeditionen“ um Alexander „Xandl“<br />

Maurer eröffnete das Festival im<br />

Orchesterhaus des Mozarteums mit<br />

Klängen von der „Diatonischen“ und<br />

Harfe. Die steirische Gruppe „Spafudla“<br />

feierte anschließend ihr 20 Jahre Jubiläum<br />

unter anderem mit der Uraufführung<br />

der „Nomadenjodlers“. Die<br />

Gruppe „Federspiel“, Brassband mit<br />

Junge Blasmusiker beim „bodenst@ndig<br />

Podium“ (oben) und „Federspiel“ (rechts)<br />

auf der bodenst@ndig-Bühne<br />

20


„Diatonische Expeditionen“<br />

Klarinette, begeisterte mit perfektem<br />

Spiel und Gesang und der Freitagabend<br />

endete bei lauen Temperaturen für<br />

viele mit einem Glas in der Hand im<br />

Petersbrunnhof.<br />

Der Samstagabend wurde von<br />

Harfentrio von Andrea Stöger, Blechbläserensemble<br />

von Gerhard Füssel<br />

eröffnet und die beiden Gruppen nutzen<br />

ihre Chance beim bodenst@ndig<br />

Podium auftreten zu können exzellent.<br />

Das Trio „Zeidlang“ verzauberte im<br />

Anschluss die Zuhörerinnen und<br />

Zuhörer mit zarten Klängen und<br />

folgte darauf die Gruppe „Alpkan“<br />

mit rasanten Klängen und ihrem Mix<br />

aus <strong>Volks</strong>musik und Balkan Brass.<br />

„Alpkan“ setzte mit einem ruhigen<br />

Stück im Petersbrunnhof den Schlusspunkt<br />

und das Festival Bodenst@ndig<br />

endete nahezu romantisch. Die Zuhörerinnen<br />

und Zuhörer spendeten<br />

viel Applaus und wir bedanken uns<br />

bei den zahlreichen Gästen für ihr<br />

Kommen und hoffen, einen gelungen<br />

Abend geboten zu haben.<br />

In der Mitte künstlerischer Leiter Manfred Baumann,<br />

flankiert von Eva Veichtlbauer, LH.-Stv. Heinrich Schellhorn,<br />

Berta Wagner und der Gruppe „Spafudla“<br />

Familie Gyger vom<br />

Hotel Schütterhof<br />

Schladming<br />

sponserte<br />

Wellnesswochenenden<br />

in ihrem<br />

Haus, die unter<br />

den Zuhörerinnen<br />

und Zuhörern<br />

verlost wurden<br />

21


75<br />

<strong>2021</strong><br />

JAHRE<br />

Salzburger<br />

(1946 - <strong>2021</strong>)<br />

Adventsingen<br />

IM GROSSEN FESTSPIELHAUS ZU SALZBURG<br />

1. Adventwochenende<br />

Fr 26. 11. 19.30 Premiere<br />

Sa 27. 11. 14.00/17.00<br />

So 28. 11. 14.00<br />

2. Adventwochenende<br />

Fr 3. 12. 19.30<br />

Sa 4. 12. 14.00/17.00<br />

So 5. 12. 14.00/17.00<br />

Mi 8. 12. 14.00<br />

3. Adventwochenende<br />

Fr 10. 12. 19.30<br />

Sa 11. 12. 14.00/17.00<br />

So 12. 12. 14.00/17.00<br />

„Fürchte dich nicht!“<br />

Tickets: salzburgeradventsingen.at<br />

+43(0)662/84 31 82 · sbg.adventsingen@heimatwerk.at


Vom Wunder der Geburt<br />

EIN GEDANKLICHER STREIFZUG ZUM JUBILÄUM<br />

„75 JAHRE SALZBURGER ADVENTSINGEN”<br />

IM GROSSEN FESTSPIELHAUS<br />

TEXT Hans Köhl // FOTOS Salzburger Adventsingen<br />

Ist es nicht ein besonderes Phänomen,<br />

dass ausgerechnet in der von<br />

Kirche, Macht und Glaube geistig wie<br />

architektonisch geprägten Stadt Salzburg<br />

alljährlich zwei Mysterienspiele<br />

beachtliche Erfolge feiern? Zum einen<br />

seit 100 Jahren der sommerliche „Salzburger<br />

Jedermann“ als Highlight der<br />

Salzburger Festspiele mit dem Mysterium<br />

des Todes und zum anderen seit<br />

nunmehr 75 Jahren sein winterliches<br />

Pendant, das „Salzburger Adventsingen“<br />

im Großen Festspielhaus mit dem<br />

Mysterium vom Wunder der Geburt.<br />

Beide Salzburger „Originale“ erfreuen<br />

alljährlich beinahe gleich viele Besucherinnen<br />

und Besucher und könnten<br />

auf den ersten Blick wohl unterschiedlicher<br />

nicht sein.<br />

Bei sommerlichen Temperaturen<br />

setzen sich beim „Jedermann“ am Domplatz<br />

weltberühmte Schauspielerinnen<br />

und Schauspieler für ein internationales<br />

Festivalpublikum in Szene, wenn sie<br />

nicht gerade der Salzburger Schnürlregen<br />

ins Festspielhaus zwingt. Auf<br />

der Bühne feiern der „Jedermann“ und<br />

seine Buhlschaft im Kreise der Reichen<br />

und Schönen – und beim winterlichen<br />

„Adventsingen“ im Festspielhaus? Da<br />

begeben sich die hochschwangere<br />

Maria und ihr Josef als einfache Leute<br />

auf Herbergssuche und werden abgewiesen.<br />

Zwei völlig unterschiedliche<br />

Welten möchte man meinen, die in<br />

ihrem Kern aber dennoch durch die<br />

beiden Grundfragen der Menschheit<br />

verbunden sind. Woher kommen wir –<br />

und wohin gehen wir?<br />

Obwohl wir beim Erarbeiten der<br />

Werke nie an Besucher­ oder Rentabilitätszahlen<br />

denken – das wäre bei der<br />

schöpferischen Tätigkeit unmöglich<br />

–, ist das nachfolgende Zahlenspiel<br />

doch ziemlich beeindruckend. So hält<br />

Peter Simonischek als „Jedermann“<br />

einen Aufführungsrekord mit 91 Vorstellungen.<br />

Der aktuelle „Josef“ beim<br />

Salzburger Adventsingen, Bernhard<br />

Teufl, hat hingegen bereits über 200<br />

Vorstellungen auf der Festspielhausbühne<br />

gegeben. In den 100 Jahren des<br />

„Jedermann“ gab es bereits über 730<br />

Aufführungen.<br />

Der Rabbi Jakob mit<br />

drei Hirten auf der<br />

Loferer-Alm<br />

23


„Wo sonst kann man so aus dem Vollen<br />

schöpfen? Bei so viel stilistischer Vielfalt ist<br />

es eine wahre Freude für Komponist und<br />

Dirigent, für das Adventsingen zu arbeiten!“<br />

Hans Köhl<br />

24


Das „Adventsingen“ hingegen wird<br />

im kommenden Jahr mit der Vorpremiere<br />

bereits die eintausendste Aufführung<br />

auf die Bühne gebracht haben.<br />

Eine ähnlich fiktive Schallmauer wie<br />

2019, als ich am 6. Dezember Nicola<br />

Layenberger aus Rosenheim als zweimillionsten<br />

Gast der Adventsingen­<br />

Geschichte begrüßen durfte. Jährlich<br />

kommen rund 36.000 Adventsingen­<br />

Gäste aus allen Bevölkerungsschichten,<br />

vorwiegend aus Österreich und<br />

Deutschland, aber mittlerweile auch<br />

aus über 48 Ländern aller Welt. Nach<br />

einer aktuellen empirischen Untersuchung<br />

der Wirtschaftskammer Salzburg<br />

bewerten rund 98 % der Gäste das<br />

Salzburger Adventsingen überwiegend<br />

als sehr gut bzw. gut und 97 % kündigen<br />

an: Wir kommen wieder! Das freut<br />

uns natürlich sehr und ist eine schöne<br />

Bestätigung für unsere Arbeit.<br />

Dabei hat alles ganz klein und bescheiden<br />

mit einer schlichten Gedenkfeier<br />

unter schwierigen Bedingungen<br />

begonnen. Ähnlich wie beim „Jedermann“:<br />

auch nach einem schrecklichen<br />

Weltkrieg. Doch Tobi Reiser, der<br />

Gründer des Adventsingens, berührte<br />

mit seinen adventlichen Liedern und<br />

Weisen, mit alten Adventbräuchen, guten<br />

Gedanken und der Hinwendung zur<br />

Geburt des Kindes offenbar die Herzen<br />

der Zuhörer. So wuchs die Schar der<br />

Gäste von Jahr zu Jahr und man wechselte<br />

in immer größere Räumlichkeiten.<br />

Die Hirtenkinder gehören seither<br />

zu einem unverzichtbaren Teil des<br />

Geschehens und Karl Heinrich Waggerl<br />

wurde 20 Jahre lang das charakteristische<br />

literarische Synonym der Traditionsveranstaltung.<br />

Wo wären wir heute, wenn es<br />

Tobi Reiser (1907–1974) nicht gegeben<br />

hätte? Gäbe es überhaupt diese<br />

Form des Adventsingens? Es war wohl<br />

eine glückliche Fügung, sein Mut und<br />

seine Weitsicht, die dazu führten, dass<br />

man 1960 in das neu erbaute Große<br />

Festspielhaus übersiedelte. Ich bin<br />

unendlich dankbar, dass wir bis heute<br />

in dieser weltberühmten Kulturstätte<br />

stets willkommen sind. Mit dem<br />

Komponisten Wilhelm Keller fand Tobi<br />

Reiser einen kongenialen Partner, der<br />

dem aus der Tradition gewachsenen<br />

Adventsingen mit seinen Kantaten zu<br />

einer neuen klanglichen Dimension<br />

verhalf. Mit Keller an der Seite war es<br />

für Tobias Reiser (1946–1999) sicherlich<br />

leichter, nach dem plötzlichen Tod des<br />

Vaters das Erbe, das eine große Verantwortung<br />

mit sich brachte, zu übernehmen<br />

und mit dem Adventsingen zu<br />

neuen Ufern aufzubrechen. Es begann<br />

eine sehr fruchtbare und kreative Zusammenarbeit,<br />

die 1996 im szenischen<br />

Oratorium „Es ward der Engel Gabriel“<br />

ihren künstlerischen Höhepunkt<br />

finden sollte.<br />

In Tobias Reisers Ära entwickelte<br />

sich das Salzburger Adventsingen von<br />

einer beliebten und weitum bekannten<br />

Brauchtumsveranstaltung zu einem<br />

szenisch­musikalischen Oratorium<br />

neuer Dimension mit Bühnenbild,<br />

Kostümbildern, Schauspiel­ und<br />

Lichtregie. Die einzeln darbietenden<br />

volksmusikalischen Ensembles fügte<br />

er zu einem Kammerorchester und<br />

ein szenisches Spiel bildete fortan<br />

einen dramaturgischen Bogen bei den<br />

Inszenierungen. Durch diese Form der<br />

Darbietung, die wir im Wesentlichen<br />

bis heute leben, hat das Salzburger<br />

Adventsingen seine Einzigartigkeit<br />

erlangt.<br />

Seit über 20 Jahren verbindet<br />

mich bei der Erarbeitung der Werke<br />

eine fruchtbare schöpferische Zusammenarbeit<br />

mit den Komponisten<br />

Klemens Vereno und Shane Woodborne.<br />

Ich bin auch unendlich dankbar für<br />

das großartige Können und Miteinander<br />

aller Mitwirkenden. Die Musikerinnen<br />

und Musiker spielen <strong>Volks</strong>musik vom<br />

25


Die Hirten auf der<br />

Suche nach dem<br />

Stern in Begleitung<br />

des Engels<br />

Feinsten, gemeinsam und in<br />

unterschiedlichen Ensembles<br />

wie Saitenmusik, Blechbläser,<br />

Blattbläser oder Geigenmusik,<br />

die Vokalensembles<br />

singen kräftige Jodler ebenso<br />

authentisch wie klassischen<br />

Gesang oder zeitgenössische<br />

Kompositionen, zwei­,<br />

drei­, vier­ und sechsstimmig<br />

oder wie der doppelchörige<br />

Salzburger <strong>Volks</strong>liedchor<br />

bis zu 16­stimmig. Wo sonst<br />

kann man so aus dem Vollen<br />

schöpfen? Bei so viel stilistischer<br />

Vielfalt ist es eine<br />

wahre Freude für Komponist<br />

und Dirigent, für das Adventsingen<br />

zu arbeiten!<br />

Den Solistinnen und Solisten bereitet<br />

eine anspruchsvolle Arie ebenso<br />

viel Freude wie ein schlichtes <strong>Volks</strong>lied.<br />

Die Schauspielerinnen und Schauspieler<br />

genießen wie alle auf der Bühne die<br />

manchmal fast unheimlich energiegeladene<br />

Aura, die sich zwischen rund<br />

2.000 Gästen und den Darbietenden<br />

entwickelt. Und die Hirtenkinder, die<br />

heimlichen Lieblinge des Publikums?<br />

Die kennen in ihrer jugendlichen<br />

Unbeschwertheit kein Lampenfieber<br />

und genießen das Miteinander vor und<br />

besonders auch hinter der Bühne.<br />

Wir können in der Adventsingen­<br />

Geschichte auf eine unwahrscheinlich<br />

vielfältige Form der Darbietungen<br />

zurückblicken. Dabei ist die vorweihnachtliche<br />

Begebenheit, die nur spärlich<br />

überliefert ist, stets im Zentrum<br />

des Geschehens. Diese dürftige Überlieferung<br />

ermöglicht uns viele Gestaltungsmöglichkeiten<br />

und immer wieder<br />

neue Denkansätze. Bei unserem letzten<br />

Adventsingen „Der Sterngucker“ haben<br />

wir uns mit dem universell Göttlichen<br />

auseinandergesetzt. Heuer wiederum<br />

wird unter dem Titel „Fürchte dich<br />

nicht!“ die Geschichte um Maria und<br />

Josef mit einem Rabbi aus jüdischer<br />

Perspektive erlebbar. So unterschiedlich<br />

alle Werke sind, zum Ende hin laufen<br />

sie alle auf die Ergriffenheit über<br />

das Wunder der Geburt eines Kindes<br />

hinaus. Im christlichen Glauben an die<br />

Geburt des Erlösers, der Eintracht und<br />

Frieden in diese Welt bringen soll. Noch<br />

hat sich diese Erwartung nicht erfüllt,<br />

aber allein die Kraft der Hoffnung lässt<br />

uns alljährlich über dieses Wunder<br />

der Geburt staunen und als krönenden<br />

Abschluss andächtig den gemeinsamen<br />

Jodler anstimmen.<br />

SAS Hirtentage<br />

Loferer Alm Special<br />

26


Dieser Mann brennt für die<br />

<strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> – und für Gott<br />

„AKADEMISCHES WIRTSHAUS“<br />

ZU EHREN ARNO WATTECKS<br />

TEXT Christine Schweinöster // FOTO Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong><br />

„Ab dem Jahr 1960 bemühte ich mich um das Verständnis<br />

für den Wert und die Schönheit alter Bauobjekte, Möbel<br />

und Gebrauchsgegenstände im Lungau, um sie in den<br />

radikalen Bau- und Modernisierungsjahren von etwa<br />

1960 bis 1985 vor der drohenden Vernichtung oder ihrer<br />

be denkenlosen Verschleuderung an Altwarenhändler<br />

zu erretten.“<br />

Der „Schöpfungseffekt“, den ein Handwerker<br />

mit seinem Tun auslöst, der faszinierte den Salzburger<br />

Arno Watteck schon als Kind. Später stürzte<br />

er sich dann leidenschaftlich auf die Rettung alter<br />

Kulturgüter, wie die wunderschönen „Lungauer<br />

Troadkästen“. So wurde er immer mehr zum umtriebigen<br />

Motor für die <strong>Volks</strong>kunde, die Heimatforschung<br />

und den Denkmalschutz.<br />

In einer illustren Runde ließ der Professor,<br />

Hofrat und Diplomingenieur seine Arbeit und sein<br />

Leben dieser Tage Revue passieren: Ihm zu Ehren<br />

hatten der Verein TAURISKA und die Salzburger<br />

<strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> zu einem „Akademischen Wirtshaus“<br />

ins Haus der <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong>en geladen. Dort plauderten<br />

Alfred Winter und der Filmemacher Simon<br />

Tasek mit dem 95­Jährigen, der die Besucherinnen<br />

und Besucher mit seinen Erzählungen fesselte.<br />

„Arnos bunte Welt“ wurde auch in Filmausschnitten<br />

präsent. Allerdings war diese nicht immer so<br />

bunt: In der NS­Zeit war der erst 19­Jährige an der<br />

russischen Front eingekesselt worden und schwor<br />

sich: „Komme ich aus diesem Inferno heraus, will<br />

ich mein Leben lang die Wahrheit suchen.“ Er überlebte<br />

und forscht bis heute über den „tief innerlich<br />

verborgenen Sinn des Daseins“.<br />

Beruflich hatte es ihn als Bezirksforstinspektor<br />

nach Tamsweg<br />

verschlagen. Dort realisierte er<br />

auch seine „Herzensprojekte“: Er<br />

gründete 1961 den Lungauer Museumsverein;<br />

errichtete mit drei<br />

Mitarbeitern nach intensiver Sammeltätigkeit<br />

das Tamsweger Heimatmuseum;<br />

wurde Mitinitiator<br />

Arno Watteck des Lungauer Landschaftsmuseums;<br />

leistete wichtige Beiträge zur<br />

Gründung des Hochofenmuseums<br />

in Bundschuh; gehörte jahrzehntelang der Ortsbildschutzkommission<br />

für den Lungau an; wurde<br />

Ehrenkonservator des Bundesdenkmalamtes;<br />

war ehrenamtlicher Leiter des Arbeitskreises der<br />

Salzburger Orts­, Regional­ und Fachmuseen; und,<br />

und, und … Der Träger des Bundes­Ehrenzeichens<br />

für Verdienste um die Republik Österreich ist indes<br />

bescheiden geblieben. Und einer, der ganz zu Gott<br />

gefunden hat.<br />

v. l. n. r. : Susanna Vötter, Alfred Winter, Berta Wagner,<br />

LH-Stellv. Heinrich Schellhorn, Prof. Arno Watteck, Christian<br />

Vötter, Lucia Luidold, Simon Tasek, Bgm. Heinrich Perner<br />

27


Johannes Nepomuk –<br />

Salzburgs Fünf-Sterne-Patron<br />

ZUM 300-JAHR-JUBILÄUM<br />

SEINER SELIGSPRECHUNG<br />

TEXT Reinhard Gratz // FOTOS Dommuseum Salzburg, J. Kral<br />

Am 31. Mai 1721, 328 Jahre nach seinem Tod, wurde<br />

Johannes Nepomuk seliggesprochen. Die kirchliche<br />

Anerkennung seines Kults war überfällig geworden,<br />

nachdem er längst – auch in Salzburg – wie<br />

ein Heiliger verehrt wurde. Sogar das Kaiserhaus<br />

hatte sich beim Papst für die Seligsprechung eingesetzt.<br />

Nach relativ kurzer Zeit wurde er am Josefstag<br />

1729 auch heiliggesprochen und in Salzburg<br />

1736 zum zweiten Diözesanpatron (nach Rupert<br />

und Virgil) erhoben.<br />

Seine außerordentliche Beliebtheit in der Barockzeit<br />

hat in allen Kunstgattungen reichen Niederschlag<br />

gefunden. Das Dommuseum Salzburg<br />

zeigt bis 14. November eine kleine Auswahl von<br />

Werken aus eigenem Bestand, kirchlichem und<br />

privatem Besitz. Bei all diesen Gegenständen aus<br />

einer vergangenen Blütezeit des Kults stellt sich<br />

die Frage, inwieweit uns der böhmische Märtyrer<br />

heute noch etwas zu sagen hat.<br />

heiliger. An oder auf der Brücke stehend, zieht gewöhnlich<br />

viel Leben an ihm vorbei – Menschen, die<br />

auf die Brücke täglich angewiesen sind. Nepomuk<br />

ist mit ihrem Alltag verbunden. Von jeher sollte er<br />

sie beim Überqueren der Brücke beschützen und<br />

auch jene Menschen, die das Wasser darunter nutzten<br />

– die Schiffer, Flößer und Müller. Wasser ist in<br />

vieler Hinsicht Lebensgrundlage, kann aber auch<br />

rasch zur Lebensgefahr werden, wovon so mancher<br />

Nepomuk auf seiner Brücke einiges zu erzählen<br />

wüsste.<br />

Abb.1: Hl. Johannes Nepomuk,<br />

19. Jh., Holz, gefasst, Hallein,<br />

Brücke über den Kothbach<br />

Der Brückenheilige<br />

Karl Heinrich Waggerl schildert in seiner Erzählung<br />

„Die Pfingstreise“ seine Begegnung mit<br />

einem „Bekannten auf der Brücke, einem alten<br />

Freund seiner Kindheit, Nepomuk mit Namen“. Die<br />

Wahrscheinlichkeit, einer Nepomukstatue zu begegnen,<br />

ist nach wie vor nicht gering, wenn auch<br />

bei weitem nicht so groß wie einst in Prag, wenn<br />

man den oft zitierten Versen Rainer Maria Rilkes<br />

folgen möchte: „Von des Torgangs Lucken gucken<br />

und auf allen Brucken spucken lauter, lauter Nepomucken!“<br />

Auf Salzburger Boden ist weder der<br />

Landespatron Rupert noch eine andere Heiligenfigur,<br />

von der Jungfrau Maria vielleicht abgesehen,<br />

im öffentlichen Raum ähnlich präsent. Populär<br />

wurde Johannes Nepomuk vor allem als Brücken­<br />

Abb. 2: Brückensturz,<br />

1724/1725, Johann Andreas<br />

Pfeffel, Kupferstich,<br />

Dommuseum Salzburg,<br />

Inv.-Nr. JN 373<br />

48


Die Anfänge der Verehrung<br />

Wasser löschte sein eigenes Leben aus: In den<br />

Fluten der Moldau wurde er auf Befehl des böhmischen<br />

Königs Wenzel IV. ertränkt. Der König hatte<br />

sich sehr zum Missfallen des Prager Erzbischofs<br />

Johann von Jenstein zunehmend in die Kirchenpolitik<br />

eingemischt. Als der Erzbischof die Pläne des<br />

Königs, mit den Besitztümern des Benediktinerklosters<br />

Kladrau ein eigenes Bistum zu gründen<br />

und einen seiner Günstlinge als Bischof einzusetzen,<br />

geschickt durchkreuzte, geriet Wenzel darüber<br />

in Rage. Seine Wut ließ er am Stellvertreter<br />

des Erzbischofs, Generalvikar Nepomuk, aus, der<br />

seinem Vorgesetzten im Fall Kladrau assistiert hatte.<br />

Nach peinlicher Befragung, bei der sich Wenzel<br />

persönlich mit brennender Fackel besonders<br />

hervortat, ließ er den Schwerverletzten am Abend<br />

des 20. März 1393 über die Moldaubrücke stürzen.<br />

Wenzel hielt die Sache damit für erledigt. Aber die<br />

Moldau gab den Leichnam frei, der schließlich im<br />

Veitsdom bestattet wurde, wie es einem Domkapitular<br />

gebührte.<br />

Sophie führte eine kinderlose unglückliche Ehe mit<br />

dem häufig betrunkenen und jähzornigen Wenzel.<br />

Vielleicht hatte sie ja Nepomuk hin und wieder aufgesucht,<br />

zu Beratungen etwa – womöglich auch<br />

über das Thema Scheidung, womöglich alles unter<br />

dem Deckmantel der Beichte? Das ist nicht völlig<br />

auszuschließen, auch wenn Johannes Nepomuk nie<br />

offizieller Beichtvater der Königin war. Dass er sich<br />

geweigert habe, das Beichtgeheimnis der Königin<br />

preiszugeben, und deswegen sterben musste, ist<br />

jene Erzählung, die sich durchgesetzt hat. Der Wiener<br />

Theologe und Historiker Thomas Ebendorfer<br />

von Haselbach lernte diese Geschichte wohl spätestens<br />

bei seinem Pragbesuch 1433 kennen und<br />

berichtete sie 1449/1450 in seiner „Kaiserchronik“.<br />

Seit dem 15. Jahrhundert wurde Johannes Nepomuk<br />

als „Märtyrer des Beichtgeheimnisses“ an seinem<br />

Grab verehrt und als solcher schließlich seligund<br />

heiliggesprochen.<br />

Die Verehrung riss nie ab, aber erst nach dem<br />

Dreißigjährigen Krieg kam es zu einem phänomenalen<br />

Interesse an seinem Kult. Während der Rekatholisierung<br />

Böhmens förderten die<br />

Jesuiten die Heiligenverehrung und den<br />

Sakramentenempfang und rückten den<br />

noch nicht kanonisierten einheimischen<br />

Märtyrer des Bußsakraments in den<br />

Vordergrund. Der Adel griff den Kult auf<br />

und trug ihn über die Grenzen Böhmens<br />

hinaus.<br />

Die erste Nepomukstatue<br />

Abb.3: Johannes Nepomuk, aufgebahrt,<br />

Mitte 18. Jh., Wachs, Textilien, Klosterarbeit,<br />

Dommuseum Salzburg, Inv.-Nr. JN 172<br />

Schon Erzbischof Jenstein hatte ihn als „bereits<br />

heiligen Märtyrer“ bezeichnet, weil er für<br />

die Rechte der Kirche gestorben war. Der Öffentlichkeit<br />

erschien das kirchenpolitische Problem<br />

Kladrau als Grund für die ungeheuerliche Tat<br />

nebensächlich. Was Wenzel von Nepomuk unter<br />

der Folter erpressen wollte, musste schon etwas<br />

sehr Persönliches sein. Die bayerische Prinzessin<br />

Die allererste Nepomukstatue wurde<br />

1683 am Ort des Martyriums, auf<br />

der Karlsbrücke in Prag errichtet, zum<br />

vermeintlich 300. Todestag. Der Prager<br />

Geistliche Johannes Ignatius Dlouhowesky<br />

hatte in seiner Schrift 1668 den<br />

Todestag ein Jahrzehnt zu früh, am 16.<br />

Mai 1383, angenommen. Nachfolgende<br />

Autoren übernahmen diesen Irrtum.<br />

Matthias Rauchmiller in Wien entwarf die<br />

Bronzestatue im Auftrag von Baron Matthias Gottfried<br />

von Wunschitz, der sie als Dank für den Beistand<br />

Johannes Nepomuks in Todesgefahr stiftete.<br />

Mit dieser Votivstatue war der Prototyp aller weiteren<br />

Nepomukfiguren geschaffen. Gekleidet als<br />

Domherr mit Soutane, Chorhemd, Schulterumhang<br />

49


Abb. 4: Johannes Nepomuk<br />

in Kreuzvision, 1723,<br />

Jacob Zanusi, Salzburg,<br />

Franziskanerkirche<br />

Abb. 5: Nepomuk-Zunge, um 1740,<br />

Silber, Gouache auf Pergament,<br />

Glas, Dommuseum Salzburg,<br />

Inv.-Nr. KKK 213<br />

Das Zungenwunder<br />

und Birett hält Nepomuk ein Kruzifix und die Märtyrerpalme<br />

in Händen. Die später hinzugefügten<br />

fünf Sterne um sein Haupt erinnern an jene Lichter,<br />

die angeblich zur Auffindung des Leichnams<br />

in der Moldau geführt hatten. Den Sternen wurden<br />

die fünf Buchstaben des Wortes „tacui“ (= ich habe<br />

geschwiegen) zugeordnet. Vor der Kanonisierung<br />

bildeten die Sterne einen Ersatz für den Nimbus,<br />

blieben aber dann auf Dauer das Exklusivmerkmal<br />

dieses Heiligen. Denn außer Nepomuk trägt<br />

nur Maria einen Sternenkranz. Aus diesem sollen<br />

auch die Sterne Nepomuks stammen, der als großer<br />

Marienverehrer überliefert ist. Wichtigstes Attribut<br />

ist aber das Kruzifix, das für den Kern der<br />

christlichen Lehre steht und Johannes Nepomuk<br />

als „Träger“ dieser Botschaft darstellt. In vielen Variationen<br />

hält er das Kruzifix vor sich und richtet<br />

gelegentlich seinen Blick darauf.<br />

Johannes Nepomuk in Kreuzbetrachtung wurde<br />

ein beliebtes Thema der Malerei ebenso wie sein<br />

Gebet vor der Madonna von Altbunzlau. Diese Szenen<br />

haben ihren Ursprung in seiner Vita, als der<br />

von Todesahnung Geplagte sich vertrauensvoll<br />

an Christus und Maria wendet. Für den Seligsprechungsprozess<br />

ausschlaggebend wurde die erstmals<br />

1680 veröffentlichte Lebensbeschreibung<br />

aus der Feder des Jesuiten Bohuslav Balbín. Nach<br />

der Seligsprechung erschien die Vita ab 1724 mit<br />

Kupferillustrationen von Johann Andreas Pfeffel,<br />

deren Ikonografie künftige Darstellungsweisen beeinflusste.<br />

Am 15. April 1719 ließ<br />

der Prager Erzbischof Kuenburg<br />

das Grab im Veitsdom<br />

öffnen, um die sterblichen<br />

Überreste nachzuweisen,<br />

wie es der Seligsprechungsprozess<br />

erforderte. Die Ärzte<br />

fanden im Schädel organisches<br />

Gewebe, das<br />

sie zweifelsfrei für die<br />

unverweste Zunge hielten.<br />

Durch einen an der<br />

Zungenspitze gesetzten<br />

Einschnitt überzeugten<br />

sie sich von der natürlichen<br />

Konsistenz. Das Wunder der unversehrten Zunge,<br />

die geschwiegen und das Beichtgeheimnis gehütet<br />

hatte, beschleunigte den Seligsprechungsprozess.<br />

Bei einer weiteren Untersuchung 1725 in Vorbereitung<br />

der Heiligsprechung schwoll die Zunge auf<br />

wundersame Weise an und nahm angeblich das<br />

Rot einer lebenden Zunge an. Erst 1972 identifizierten<br />

Wissenschaftler der ČSSR die „Zunge“ als<br />

eingetrocknetes Hirngewebe.<br />

Das Zungenwunder brachte Johannes Nepomuk<br />

ein neues aussagekräftiges Attribut. Die „heilige“<br />

Zunge schützte vor bösen Zungen und übler<br />

Nachrede. Sogenannte „Nepomuk­Zungen“ aus<br />

Wachs oder Metall waren aber nicht nur als Abwehrmittel<br />

gegen böse Zungen gedacht, sondern<br />

dienten auch der Ermahnung, die eigene Zunge<br />

im Zaum zu halten sowie auf die regelmäßige und<br />

gründliche Beichte nicht zu vergessen.<br />

Die Verehrung in Salzburg<br />

Lange vor der Selig­ und Heiligsprechung gewährte<br />

bereits Erzbischof Johann Ernst von Thun<br />

dem böhmischen Märtyrer Einlass in Kirchenräume.<br />

Aufgrund seiner engen Beziehungen zu<br />

Böhmen musste ihm Johannes Nepomuk schon<br />

früh ein Begriff gewesen sein. Sein Bruder Maximilian<br />

von Thun, Inhaber der nordböhmischen<br />

Herrschaft Tetschen, engagierte 1696 für die Ausmalung<br />

des Festsaals seines Palais auf der Prager<br />

Kleinseite Johann Michael Rottmayr, der spätestens<br />

damals Nepomuk­Darstellungen kennenlernte. Ein<br />

50


Jahr später war Rottmayr wieder in Salzburg und<br />

begann das Kuppelfresko der Dreifaltigkeitskirche<br />

des Priesterseminars, wo er Johannes Nepomuk<br />

unter die Heiligen versetzte – fast ein Vierteljahrhundert<br />

vor der Seligsprechung! Der Bewahrer des<br />

Beichtgeheimnisses galt wie seine Nachbarn im<br />

Fresko, die Heiligen Karl Borromäus, Phillip Neri<br />

und Kajetan als vorbildlicher Priester – ein Vorbild<br />

gerade für die Studierenden des Priesterseminars!<br />

Während offenbar nicht einmal Bischöfe ein<br />

Problem in der immer noch ausständigen Kanonisierung<br />

sahen, musste Rom auf die offiziellen<br />

Bestimmungen pochen. Einen um 1702 in der<br />

Schlosskapelle von Burghausen geplanten Nepomukaltar<br />

lehnte Rom auf Anfrage des Salzburger<br />

Konsistoriums ab. Außerhalb Böhmens, wo es immerhin<br />

eine lange Verehrungstradition gebe, seien<br />

weder Altäre noch Statuen in Kirchen erlaubt. Weil<br />

man inzwischen von der Entwicklung überholt<br />

wurde, schränkte Salzburg schließlich das Verbot<br />

auf Altäre ein. Die Wallfahrtskirche Maria Plain<br />

erhielt bereits 1704<br />

eine hölzerne Nepomukstatue,<br />

1705/1706<br />

die Pfarrkirche Bergheim.<br />

Thuns Nachfolger<br />

Franz Anton von<br />

Harrach wurde unter<br />

den Salzburger<br />

Erzbischöfen der bedeutendste<br />

Anhänger<br />

und Förderer der<br />

Nepomuk­Verehrung.<br />

Seit 1714 stand eine<br />

lebensgroße Marmorstatue<br />

an der Stadtbrücke<br />

in Salzburg,<br />

wo angeblich Tag<br />

und Nacht Öllichter<br />

brannten und zahlreiche<br />

Votivgaben an<br />

Gebetserhörungen<br />

erinnerten. Als Prag<br />

1715 im Hinblick auf<br />

den Seligsprechungsprozess<br />

eine Umfrage<br />

startete, inwieweit der<br />

Nepomukkult auch<br />

außerhalb Böhmens Fuß gefasst habe, meldete<br />

Salzburg, dass es in fast allen Kirchen der Stadt Bilder<br />

gebe, die unter dem Schein der Heiligkeit verehrt<br />

würden. Kurz vor der Seligsprechung schuf Josef<br />

Anton Pfaffinger 1720 in Harrachs Auftrag ein<br />

Marmordenkmal im damals zu Laufen gehörigen<br />

Oberndorf.<br />

Am 12. Mai 1726 weihte Harrach die Kapelle<br />

von Schloss Mirabell zu Ehren des inzwischen Seliggesprochenen.<br />

Zum Gedenktag am 16. Mai erklang<br />

dort Antonio Caldaras Nepomukoratorium,<br />

eine im Auftrag Harrachs entstandene Komposition.<br />

In dieser Kapelle liegt auch Harrachs Herz bestattet.<br />

Erzbischof Leopold Anton von Firmian erhielt<br />

1730 vom Prager Erzbischof Kuenburg eine bedeutende<br />

Reliquie, einen Halswirbel in einer goldenen<br />

ovalen Kapsel, für die er ein Schaugefäß anfertigen<br />

ließ. Laut Beglaubigungsurkunde war die Reliquie<br />

für eine Johannes Nepomuk geweihte Kirche oder<br />

Kapelle bestimmt. Firmian übertrug<br />

das Reliquiar am 16. Mai 1731<br />

in einer feierlichen Prozession vom<br />

Dom in die Nepomukkapelle von<br />

Schloss Mirabell. 1736 wurde die<br />

Nepomukstatue an der Stadtbrücke<br />

durch ein neues Denkmal von<br />

Josef Anton Pfaffinger ersetzt, das<br />

um 1860 wegen Uferregulierungen<br />

an den Franz­Josef­Kai nach Mülln<br />

übersiedelt wurde. (Foto 7: Nepomuk<br />

an Stadtbrücke, Pezolt 1839)<br />

Eine Reihe weiterer Statuen erweisen<br />

Pfaffinger als Spezialisten<br />

für marmorne Nepomukfiguren.<br />

Im selben Jahr 1736 erhob Firmian<br />

den hl. Nepomuk zum zweiten<br />

Diözesanpatron (nach Rupert und<br />

Virgil). Als solcher geriet er im 20.<br />

Jahrhundert leider in Vergessenheit<br />

bzw. wurde er zum dritten<br />

Stadtpatron „degradiert“. Neuerdings<br />

soll er wieder in seiner alten<br />

Funktion bestätigt werden.<br />

Abb. 6: Johannes Nepomuk, um 1704,<br />

Sim(e)on Fries, Holz, gefasst,<br />

Wallfahrtsbasilika Maria Plain<br />

51


Die Reliquien Johannes Nepomuks<br />

in Salzburg 1866<br />

Johannes Nepomuk ist am Dom fast spurlos<br />

vorübergegangen – kein Gemälde, keine Skulptur,<br />

nur eine Inschrift erinnert an ihn: Erzbischof Harrach<br />

wird an seinem Epitaph als „größter Verehrer<br />

des hl. Johannes Nepomuk“ bezeichnet. Doch welcher<br />

Kirchenraum außerhalb Prags könnte für sich<br />

in Anspruch nehmen, das Kostbarste des Heiligen,<br />

seine sterblichen Überreste, wenn auch nur für<br />

drei Tage, beherbergt zu haben?<br />

Nach der verlorenen Schlacht von Königgrätz<br />

(3. Juli 1866) rückten preußische Truppen gegen<br />

Prag vor. Erzbischof Kardinal von Schwarzenberg<br />

fürchtete um das Silbergrabmal im Veitsdom und<br />

entschied, den gläsernen Sarg und das Zungenreliquiar<br />

zu seinem Freund und Nachfolger in Salzburg,<br />

Erzbischof Kardinal von Tarnóczy, zu schicken.<br />

Die silberne Hülle des Grabmals ließ er nach<br />

Krumau evakuieren. Am 24. Juli kamen die Reliquien<br />

in Salzburg an und verschwanden für die nächsten<br />

Monate im fürsterzbischöflichen Palais. Als die<br />

Gefahr endgültig vorüber war, wurden die Reliquien<br />

die letzten drei Tage vor der Rückreise, von 11.<br />

bis 13. Oktober, im Dom ausgestellt – der gläserne<br />

Sarg unter der Kuppel, das Zungenreliquiar am<br />

Maria­Schnee­Altar und schließlich auf dem Sarg.<br />

Die Leute strömten in Scharen herbei, der Dom war<br />

zeitweise überfüllt, berichtet die Salzburger Chronik.<br />

Zuletzt brachte Erzbischof Tarnóczy in Begleitung<br />

zweier Domherrn aus Prag den Sarg und das<br />

Zungenreliquiar in einer Prozession zur Nepomukkapelle<br />

im Schloss Mirabell, wo die Reliquien noch<br />

einmal ausgesetzt wurden, ehe sie für die Rückreise<br />

nach Prag per Bahn verpackt wurden.<br />

Das sternförmige Zungenreliquiar von 1726<br />

durfte noch ein weiteres Mal nach Salzburg reisen<br />

und einen Höhepunkt der Ausstellung „250 Jahre<br />

hl. Johannes von Nepomuk“ im Dommuseum 1979<br />

bilden.<br />

Universaler Nothelfer<br />

Von allen sozialen Schichten verehrt, galt der<br />

Sternenbekrönte als Nothelfer in allen Lebenslagen,<br />

ob gegen böse Zungen und üble Nachrede, gegen<br />

Wassergefahren, Krankheit und Pest oder als<br />

Abb. 7 Johannes-<br />

Nepomuk-Denkmal<br />

an der Stadtbrücke,<br />

1839, Josef Stießberger<br />

nach Georg Pezolt,<br />

Lithographie, Dommuseum<br />

Salzburg,<br />

Inv.-Nr. D 457<br />

52


Patron der Flößer, Schiffer und Müller,<br />

der Priester und Beichtväter, der Armen<br />

und für eine selige Sterbestunde.<br />

Wie keine andere Heiligengestalt war<br />

er beinahe allgegenwärtig – an Gewässern<br />

und Häuserfassaden, in Flurdenkmälern<br />

und Kirchenräumen, und so gut<br />

wie in jedem Haushalt erinnerte eine Figur,<br />

ein Bild, eine Nepomukzunge oder<br />

ein Gebetszettel an ihn. Auch die Familie<br />

Mozart vertraute zu Hause in der Getreidegasse<br />

auf ein Nepomukbild.<br />

In der Gunst der Gläubigen erwuchs<br />

den alteingesessenen, traditionell<br />

verehrten Heiligen ein ernsthafter<br />

Konkurrent, der als Fürsprecher für<br />

fast alle Bereiche menschlicher Krisen<br />

kompetent erschien. Die Halleiner Salzachschiffer<br />

zum Beispiel, die sich bislang<br />

an den hl. Nikolaus gewandt hatten,<br />

stellten sich nun vor allem unter<br />

den Schutz Johannes Nepomuks. Die Begeisterung<br />

für den neuen Schutzpatron<br />

löste aber keinen Bauboom neuer Kirchen<br />

und Kapellen aus und hatte auch<br />

Abb. 8 Votivbild, 1770, Öl auf Holz,<br />

nicht die Änderung von Patrozinien zur<br />

Dommuseum Salzburg, Inv.-Nr. JN 39<br />

Folge. Als Kirchenpatron findet man ihn<br />

im Land Salzburg außer in der Mirabellkapelle<br />

nur noch als zweiten Patron<br />

in der Pfarrkirche Unternberg. Bilder und Figuren<br />

hingegen hielten in die meisten Kirchen Einzug, zu<br />

den Ausnahmen gehört der Dom.<br />

Wenngleich das Interesse an Johannes Nepomuk<br />

im Allgemeinen verblasst ist und wir Zeugnisse<br />

seines Kults aus der historischen Distanz<br />

betrachten, so ragt er doch mit seiner Haltung in<br />

unsere Zeit herein und könnte auch heute noch<br />

Orientierung bieten. Anliegen, die an ihn in der<br />

Vergangenheit herangetragen wurden, haben sich<br />

wenig geändert. Manche könnten aktualisiert und<br />

ähnliche hinzufügt werden. Nach wie vor große Bedeutung<br />

würde wohl dem Patron gegen böse Zungen,<br />

üble Nachrede und Verleumdung zukommen.<br />

Hetze in sozialen Medien, Shitstorm, Fake News<br />

und Mobbing würden wohl eindeutig in seinen<br />

Zuständigkeitsbereich fallen.<br />

Literaturauswahl:<br />

Reinhard Gratz/Barbara Depauli (Hg.): Johannes<br />

Nepomuk – Salzburgs Fünf-Sterne-Patron. Zum<br />

300-Jahr-Jubiläum seiner Seligsprechung, Ausst. Kat.<br />

Salzburg, Dommuseum Salzburg, 15.5.–25.10.<strong>2021</strong>,<br />

Salzburg <strong>2021</strong>.<br />

Brigitte Faszbinder-Brückler/Theodor Brückler: Johannes<br />

von Nepomuk. Seine Zeit – Sein Leben – Sein Kult, Ausst.<br />

Kat. Hollabrunn, Stadtmuseum Alte Hofmühle, 2001,<br />

(Forschungen aus dem Stadtmuseum Alte Hofmühle<br />

Hollabrunn/Sonderband), Hollabrunn 2001.<br />

Reinhold Baumstark/Johanna von Herzogenberg/<br />

Peter Volk (Hg.): Johannes von Nepomuk 1393*1993,<br />

Ausst. Kat. Prag, Kloster Strahov, 17.5–15.8.1993 /<br />

München, Bayerisches Nationalmuseum, 17.9–14.11.1993,<br />

München 1993.<br />

Johannes Neuhardt (Hg.): 250 Jahre hl. Johannes<br />

von Nepomuk, Ausst. Kat. Salzburg, Dommuseum<br />

zu Salzburg, 11.5.–15.10.1979, Salzburg 1979.<br />

53


Die Sammlung neu sehen<br />

DAS FOTOARCHIV DES FREILICHTMUSEUMS<br />

IM WANDEL DES BLICKS<br />

TEXT Michael Weese // FOTOS Salzburger Freilichtmuseum<br />

„Jede Photographie ist ein möglicher Beitrag zur Geschichte<br />

und jede Photographie kann verwendet werden, um das<br />

Monopol zu brechen, das die Geschichte heute an der Zeit hat.“<br />

John Berger, Eine andere Art zu erzählen<br />

Inventarnummer 00001. Titel: Entwässerung,<br />

Bagger. Objektfertiger:<br />

Conrad, Kurt. So nüchtern beschreibt<br />

ein Eintrag ins Inventarverzeichnis des<br />

Fotoarchivs im Salzburger Freilichtmuseum<br />

die erste verzeichnete Aufnahme.<br />

Man würde für eine erste Inventarnummer<br />

vielleicht etwas Besonderes, Außergewöhnliches<br />

erwarten, etwas, das bereits<br />

die Bedeutung dieser Sammlung<br />

zum Ausdruck bringt. Aber so ist es<br />

nicht. Katalogisiert ist hier ein deutlich<br />

unterbelichtetes Dia aus dem Jahr 1979,<br />

das nur sehr wenig erkennen lässt. Und<br />

doch löst gerade dieses „erste“ Bild sogleich<br />

ein Nachdenken über zwei einander<br />

widersprechende Überlegungen<br />

aus, die uns nach der immanenten<br />

Logik unseres Archivs fragen lassen:<br />

Als um die Jahrtausendwende zum 21.<br />

Jahrhundert das Sprechen über Sammlungen<br />

und Archive von einer berechtigten<br />

Sorge um den Fortbestand unserer<br />

<strong>kultur</strong>ellen Archive geleitet war,<br />

verwies Medienphilosoph und Kulturtheoretiker<br />

Boris Groys darauf, dass die<br />

„Logik der Archivierung“ von uns fordere, „vor<br />

allem das aufzunehmen, was uns ungewöhnlich<br />

zu sein scheint“. Und Groys folgerte: „Es ist das<br />

Salzburger Freilichtmuseum, Inv.Nr. 00001.<br />

Entwässerung, Bagger, Kurt Conrad 1979<br />

54


Banale, das dem Archiv entgeht.“ 1 Eine andere<br />

Denkfigur skizzierte demgegenüber der oben<br />

genannte Fotograf, Initiator und Gründer des<br />

Salzburger Freilichtmuseums, Kurt Conrad. Er<br />

sah den Aufbau der Sammlung dieses Museums<br />

als „eine Andacht zum Unbedeutenden“. 2 Eine<br />

Andacht zum Unbedeutenden – das schloss den<br />

Bewahrungswillen dieses Gelehrten mit ein, der<br />

entschlossen war, auch scheinbar belanglose Dinge<br />

der Vergangenheit in eine von einem zunehmenden<br />

Traditionsverlust bedroht empfundene<br />

Gegenwart hinüberzuretten.<br />

Bei aller Anerkennung der unterschiedlichen<br />

Positionen beider Autoren ist ihnen doch eines gemein:<br />

eine Sorge darum, was in den Archiven und<br />

Sammlungen unserer europäischen <strong>kultur</strong>ellen<br />

Tradition zu kurz gekommen ist. Ihre Sorge gilt<br />

nicht nur dem Fortbestand der Archive, sondern<br />

auch deren Erweiterung. Sie geht davon aus, dass<br />

solche Sammlungen für uns nützlich und wichtig<br />

sind und dass wir diejenigen sind, die eine Verantwortung<br />

für sie tragen und wir uns dieser Verantwortung<br />

auch stellen sollen. Und bedeuten so besehen<br />

nicht die beiden oppositionellen Feststellungen<br />

– dass einerseits dem Archiv das Banale entginge<br />

und dass es andererseits eine Aufmerksamkeit für<br />

das Unbedeutende in sich berge – geradezu eine<br />

Verpflichtung, alle Möglichkeiten auszuloten, um<br />

die Sammlung neu zu lesen, die Möglichkeiten wie<br />

auch die Grenzen des Archivierten neu zu definieren<br />

und sie neu zu beschreiben?<br />

Kleiner Exkurs: Kunst und <strong>Volks</strong>kunde<br />

Wenn wir Grenzen und Möglichkeiten des Archivierten<br />

neu vermessen wollen, könnte dann vielleicht<br />

der Kunst eine vermittelnde und produktive<br />

Rolle zukommen? Antwort auf diese Frage hat das<br />

Salzburger Freilichtmuseum in den letzten Jahren<br />

immer wieder zu geben versucht: Künstlerische<br />

Konzepte können Selbstverständlichkeiten in Frage<br />

stellen. Kunst kann auch wichtige Bestandteile einer<br />

zeitgeschichtlichen Erinnerungs<strong>kultur</strong> bereitstellen<br />

und sich in ein zukünftiges kollektives Gedächtnis<br />

einschreiben. Das interessiert uns! So hat das<br />

Freilichtmuseum in den letzten Jahren etwa unter<br />

dem Titel „Literatur ab Hof“ mit einer Mischung aus<br />

Stationentheater und literarischen Spaziergängen<br />

durchs Museum geführt. Es hat mit einer Theaterpädagogin<br />

und mit Schauspielerinnen und Schauspielern<br />

Dramaturgien für Schatten-Szenografien<br />

entwickelt, die auf der Grundlage historischer Überlieferungen<br />

in vergangene Lebenswelten eintauchen<br />

lassen. Und es hat in Zusammenarbeit mit der<br />

Galerie im Traklhaus und dem Fotohof Fotografinnen<br />

und Fotografen zu einem „Stand. Ort. Wechsel“<br />

eingeladen und sie jene Orte aufsuchen lassen,<br />

an denen einst die Höfe standen, die heute im<br />

Salzburger Freilichtmuseum ihren Platz gefunden<br />

haben, um dort mit dem Medium der Fotografie zu<br />

erforschen, was an die (Leer-)Stelle dessen getreten<br />

ist, was einst abgesiedelt und abgetragen wurde.<br />

Dieses Zusammenspiel von Kunst und <strong>Volks</strong>kunde,<br />

von künstlerischem und ethnografischem Forschen,<br />

ist übrigens keineswegs neu. Es reicht weit zurück,<br />

bedenkt man, dass lange bevor die <strong>Volks</strong>kunde und<br />

Ethnografie als wissenschaftliche Disziplinen etabliert<br />

waren, bereits Künstlerinnen und Künstler,<br />

Literatinnen und Literaten Beschreibungen, Aufzeichnungen<br />

und Bilder vom Alltagsleben der Menschen<br />

schufen. Und es war Wilhelm Heinrich Riehl –<br />

der Vordenker und Begründer der wissenschaftlichen<br />

<strong>Volks</strong>kunde –, der in seinem 1858 gehaltenen<br />

Vortrag „<strong>Volks</strong>kunde als Wissenschaft“ bereits von<br />

der „gestaltenden Kunst der <strong>Volks</strong>kunde“ 3 sprach.<br />

Erinnert sei auch an die Hinwendung der Kunst zur<br />

<strong>Volks</strong>kunst am Beginn der Moderne: Avantgarden<br />

wandten sich der russischen <strong>Volks</strong>kunst zu, August<br />

Macke und Pablo Picasso begeisterten sich für<br />

afrikanische Masken, Wassily Kandinsky und Gabriele<br />

Münter für oberbayerische Hinterglasbilder,<br />

Votivbilder, Heiligen- und Spielzeugfiguren.<br />

Dass auch in gegenwärtigen Kunstprojekten ein<br />

„ethnograhic turn“ abzulesen ist, hat zuletzt das<br />

Museum der Moderne Salzburg in seinen Sonderausstellungen<br />

eindrucksvoll gezeigt. Und schon vor<br />

mehr als fünfundzwanzig Jahren knüpfte Hal Foster<br />

in seinem Aufsatz „The Artist as Ethnographer“ 4 an<br />

einer Neuorientierung ethnografischer Feldforschungen<br />

an: Diese ging davon aus, dass menschliche<br />

Lebenswelten nicht unmittelbar erforschbar<br />

seien, sondern dass sie immer einer interpretativen<br />

Betrachtung unterliegen. Es war gerade dieser<br />

Ansatz, der neuerlich ein großes Interesse der Kunst<br />

auf die Ethnografie und die <strong>Volks</strong>kunde gezogen hat.<br />

Also: nicht objektive Repräsentation, sondern<br />

Mut zur Interpretation! In diesem Sinne hält das<br />

Salzburger Freilichtmuseum nicht an einer einzigen,<br />

vermeintlich objektiven Darstellung von Geschichte<br />

fest, sondern es lässt mehrere unterschiedliche Zugänge<br />

und Erzählweisen zu, forciert sie noch mehr.<br />

Und es öffnet sein Fotoarchiv für einen vielschichtigen<br />

und vielsichtigen Blick, bringt es solcherart<br />

zum Leben.<br />

55


Archivierte Bilder, neu besehen<br />

„Entwässerung, Bagger“. Das Banale und das<br />

Unbedeutende machen diese Fotografie paradigmatisch.<br />

Sie verweist auf eine Ambivalenz, die vielen<br />

archivierten Bildern innewohnt. Sie sind fragwürdig<br />

und uneindeutig, sie verlangen danach,<br />

gedeutet, neu besehen und neu gelesen zu werden.<br />

Mit dem Projekt „SalzburgBilder“ hat das Salzburger<br />

Freilichtmuseum in Kooperation mit dem Fotohof<br />

den Versuch unternommen, genau dies zu tun.<br />

Es hat fünfzehn Fotografinnen und Fotografen aus<br />

dem <strong>kultur</strong>ellen Milieu des Fotohofs eingeladen,<br />

eine solche Lesung vorzunehmen. 5 Ausgehend von<br />

den Fotobeständen unseres Archivs, spüren sie<br />

Verbindungen zwischen den bei uns gespeicherten<br />

und ihren eigenen Bildern auf. Indem sie auf das<br />

Ausgangsmaterial unserer Sammlung reagieren,<br />

legen sie neue Beziehungen frei, decken Bedeutungszusammenhänge<br />

auf, die ebenso erhellend<br />

wie undurchschaubar erscheinen.<br />

Die fotografische Sammlung des Salzburger<br />

Freilichtmuseums erfuhr von den Eingeladenen zuvor<br />

keine Rezeption. Wiewohl kaum bekannt, weist<br />

sie doch einen beachtlichen und beachtenswerten<br />

Bestand auf. Sie umfasst etwa 33.000 Datensätze<br />

und bewahrt das, was den Alltag der Menschen ausmacht<br />

oder ausmachte – ihre Behausung, ihre Arbeit,<br />

ihr Leben. Sie dokumentiert gleichwohl auch<br />

das, was den beruflichen Alltag im Freilichtmuseum<br />

selbst charakterisiert – die Translozierung<br />

unserer Häuser, unsere handwerkliche Arbeit, Momentaufnahmen<br />

unserer Aktivitäten. Die jüngeren<br />

in den Sammlungsbestand eingegangenen Bilder<br />

widmen sich individuellen Eindrücken von Umgestaltungen<br />

infolge der Corona­Pandemie, die ältesten<br />

fotografischen Zeugnisse den Veränderungen<br />

der bäuerlichen Kultur im Land Salzburg. Vor allem<br />

zwei Fotografen bestimmen mit ihren Bildkonvoluten<br />

wesentlich den Bestand dieser Sammlung:<br />

Kurt Conrad und Bruno Kerschner. Etwa 8.000<br />

Aufnahmen lassen sich Conrad zuschreiben, etwa<br />

3.400 sind für Kerschner verzeichnet. Von Bruno<br />

Kerschners Biografie ist nicht allzu viel bekannt.<br />

Obgleich sein umfangreiches fotografisches Werk<br />

neben dem Fotoarchiv des Salzburger Freilichtmuseums<br />

auch in den Sammlungen des Salzburg­<br />

Museums, des Stadtarchivs und des Salzburger<br />

Landesinstituts für <strong>Volks</strong>kunde inventarisiert ist,<br />

Salzburger Freilichtmuseum,<br />

Inv.Nr.38153 Bruno Kerschner<br />

sucht man ihn in einer Geschichte der Fotografie<br />

in Österreich 6 bislang vergeblich. Der 1897 geborene<br />

Kerschner folgte nicht dem von seinem Vater für<br />

ihn vorgesehenen Weg einer militärischen Berufslaufbahn,<br />

sondern machte sich noch in jungen Jahren<br />

als „Lichtbildner für Landschaft, Gewerbe und<br />

Industrie“ im Salzburger Andräviertel mit der Herausgabe<br />

von Postkarten mit Salzburger Motiven<br />

selbstständig. Die Fotosammlung des Salzburger<br />

Freilichtmuseums belegt Kerschners Interesse an<br />

Salzburger Landschaften, an Naturaufnahmen, an<br />

Motiven des ländlichen Alltags, an der vorindustriellen<br />

Welt der Bergbauernhöfe, an Viehmärkten,<br />

Brauchtum und Traditionen. In den 1930er­Jahren<br />

ist eine Nähe zur Bildsprache des „Ständestaates“<br />

in einigen seiner Arbeiten unübersehbar, dennoch<br />

ist sein Werk nur unzureichend beschrieben, wollte<br />

man es ausschließlich an ländlichen Motiven<br />

und idyllischen Genredarstellungen messen. Seine<br />

Aufnahmen entziehen sich weitgehend der völkischen<br />

Bildideologie und bleiben sachlich. Und dennoch<br />

verdeutlichen die meisten seiner Bilder eine<br />

Idee. Es ist die Idee, eine Beziehung herzustellen zu<br />

einer Welt, die zu verschwinden drohte.<br />

56


Es gibt jedoch noch ein anderes Bild, das uns<br />

Kerschner hinterlassen hat. Es sind dies Aufnahmen<br />

einer fortschreitenden Industrialisierung und<br />

Modernisierung Salzburgs. Diese sind wohl im Auftrag<br />

entstanden und dokumentieren Produktionsstätten<br />

und Menschen im Aluminiumwerk Lend, in<br />

der Marmeladenfabrik Haring, beim Flughafenbau<br />

in Salzburg­Maxglan.<br />

Im Gegensatz zu Bruno Kerschner war Kurt<br />

Conrad kein Fotograf. Dennoch war das Bild seine<br />

Messlatte, die Fotografie sein Medium des Ausmessens<br />

und des Dokumentierens. Stets führte<br />

Conrad bei seinen Erkundungen eine Kartentasche,<br />

ein oranges Notizheft und zwei Kameras<br />

mit sich – eine Agfa Silette für Diafilme und eine<br />

Asahi Pentax für Schwarz­Weiß­Aufnahmen. Ein<br />

Prismenfernglas ergänzte sein Arsenal des „bewaffneten<br />

Auges“ 7 . Eine jener seltenen Fotografien,<br />

auf denen er selbst abgebildet ist, dokumentiert<br />

auch, wie er derart ausgestattet eine Exkursion in<br />

den Salzburger Bergen begleitete.<br />

Conrads Auge war gut geschult.<br />

Gelernt hatte er aber nicht von der<br />

Fotografie, sondern wohl eher von<br />

der Ethnologie. Und weil er sich die<br />

Aufgabe stellte, die Haus­ und Siedlungsformen<br />

Salzburgs möglichst<br />

exakt in Lage, Orientierung, Typus<br />

und Größe zu bestimmen, drängt<br />

sich für ihn, den volkskundlichen<br />

Hausforscher, noch ergänzend der<br />

Begriff des Feldforschers auf. Lange<br />

Brennweiten waren seine Sache<br />

nicht, er ging auf die Menschen zu,<br />

suchte ihre Nähe und ihre Lebensräume.<br />

Sein forschendes Auge galt<br />

den Salzburger Hauslandschaften,<br />

dem Siedeln, Bauen und Wohnen<br />

der Menschen. Im Haus sah Conrad<br />

eine der Keimzellen von Kultur.<br />

Ganz den Paradigmen seines Faches<br />

verpflichtet, wandte er sich in<br />

seinen fotografischen Aufnahmen<br />

zunächst der Landschaftsgebundenheit<br />

einzelner Haus­ und Hoftypen<br />

zu. Mehr und mehr wurden sie<br />

ihm aber nicht länger zeitlose Typen,<br />

sondern historische Quellen.<br />

Vielfach nutzte er seine Fotografien<br />

als Informationsvorlage, um später die abgetragenen<br />

Häuser im Freilichtmuseum möglichst genau<br />

rekonstruieren zu können. Damit mochte sich auch<br />

seine Betrachtungsweise verändert haben, die nun<br />

die Veränderungen von Wohnhäusern als Indikator<br />

wirtschaftlicher Verhältnisse und sozialer wie <strong>kultur</strong>eller<br />

Beziehungen auffasste. Dies erklärt vielleicht<br />

auch sein wachsendes fotografisches Interesse<br />

am Wohnungsbau der späten 1960er­ und 70er­<br />

Jahre. „Seine Gedanken“, notierte Oskar Moser<br />

einmal über Conrad, „kreisten stets um Probleme<br />

des behausten Menschen, vor allem um den seiner<br />

Heimat, angefangen vom Bergbauernhof und verkehrsfernen<br />

Söllhäusl bis zum modernen Wüstenrot­Heim,<br />

zum Arbeiterhaus und zur neuentstandenen<br />

Fabrikssiedlung“ 8 . Conrads Auge versuchte<br />

all die im Wandel befindlichen Lebensräume wahrzunehmen.<br />

Sein Interesse fokussierte auf die Wechselwirkung<br />

zwischen Landschaft und Bauen und<br />

lässt sich aus gegenwärtiger Sicht auch als Zeichen<br />

seines Krisenbewusstseins verstehen. Einige seiner<br />

Kurt Conrad mit<br />

„bewaffnetem Auge“,<br />

ausgerüstet mit zwei<br />

Kameras und einem<br />

Fernglas, Privat<br />

1970er-Jahre<br />

57


„Sammlung bedeutet all das – das<br />

Geordnete und das Ungeordnete,<br />

das Nebeneinander, Miteinander und<br />

mitunter auch Durcheinander<br />

von unterschiedlichen Bildern und<br />

Vorstellungen an einem Ort.“<br />

Michael Weese<br />

58


Lebendige Sammlungen<br />

sind offen, unabgeschlossen,<br />

unabschließbar<br />

Salzburger Freilichtmuseum Inv.Nr. 31930<br />

Ranggeln am Hundsstein, Kurt Conrad 1978;<br />

eines der ausgewählten Referenzbilder von Anna Aicher<br />

Vorträge und Aufsätze sind bis heute beredtes<br />

Zeugnis dieses Bewusstseins geblieben und waren<br />

damals ihrer Zeit wohl weit voraus – ein Vortrag<br />

aus dem Jahr 1965 galt bereits dem „Naturschutz in<br />

moderner Sicht“, und seine 1972 an der Universität<br />

Salzburg gehaltene Vorlesung „Naturschutzprobleme“<br />

war die erste dieser Art an diesem Haus. Konsequenterweise<br />

führten seine Arbeiten um „Kulturlandschaftspflege<br />

als europäische Verpflichtung“<br />

und „Bäuerliche Kultur als landschaftsbildendes<br />

Element“ zur Errichtung des Salzburger<br />

Freilichtmuseums. Diesem hat er<br />

auch sein fotografisches Vermächtnis<br />

hinterlassen.<br />

Sammlung bedeutet all<br />

das – das Geordnete und das<br />

Ungeordnete, das Nebeneinander,<br />

Miteinander und mitunter<br />

auch Durcheinander<br />

von unterschiedlichen Bildern<br />

und Vorstellungen an einem<br />

Ort. „Sammlung ist die Möglichkeit<br />

des Heterogenen im<br />

Homogenen“ 9 , hat Boris Groys<br />

einmal notiert. Will man diesem<br />

Gedanken folgen, dann<br />

erscheinen Sammlungen und<br />

Archive, ungeachtet ihrer Unvollständigkeit,<br />

als einzige verbliebene Option,<br />

eine Gesamtheit zu präsentieren, die gleichzeitig<br />

eine Vielheit ist.<br />

Für unsere Initiative, das Fotoarchiv des Salzburger<br />

Freilichtmuseums für einen vielschichtigen<br />

und vielsichtigen Blick zu öffnen, hat sich die Kooperation<br />

mit dem Fotohof als besonderer Glücksfall<br />

erwiesen. Rainer Iglar und Michael Mauracher<br />

haben nach eingehenden Sichtungen unseres<br />

Kurt Kaindl – Wo die Bilder wohnen<br />

Manchmal gewinnt der Sammeltrieb<br />

die Oberhand über den Archivierungsprozess.<br />

Die systematische<br />

Gliederung dieses Vermächtnisses in<br />

Sachgruppen und Stichworten, die Registrierung<br />

und Klassifizierung, die<br />

Verwaltung und Bewahrung dieses<br />

umfangreichen Sammlungsbestandes<br />

konnte Conrad nicht mehr selbst realisieren.<br />

Diese haben später Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter des Salzburger<br />

Freilichtmuseums in jahrelanger Arbeit<br />

übernommen. Von seiner Familie ist<br />

überliefert, dass es Kurt Conrads Ordnungssinn<br />

viele Jahre genügte, dass seine<br />

Söhne ihm immer wieder aufs Neue<br />

mit hölzernen, selbstgezimmerten Diakästen<br />

Freude bereiteten.<br />

59


Fotoarchivs etwa 400 Bilder ausgewählt und damit<br />

ein repräsentatives Konzentrat der Arbeiten Kurt<br />

Conrads und Bruno Kerschners geschaffen. Dieses<br />

Substrat diente dann allen teilnehmenden Fotografinnen<br />

und Fotografen als Inspirationsquelle<br />

und Ausgangslage zur Entwicklung ihrer eigenen<br />

künstlerischen Projekte. Von Einzelgesprächen<br />

und Workshops begleitet, entstanden so zwischen<br />

Sommer 2020 und Frühjahr <strong>2021</strong> die einzelnen<br />

Werkgruppen. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit<br />

mündete in zwei Ausstellungen im Fotohof und<br />

in der Stadtgalerie Salzburg 10 , in einem Buch, das<br />

die einzelnen Arbeiten umfassend dokumentiert 11<br />

und schließlich in einer Mappe, die alle von den<br />

Fotografinnen und Fotografen hergestellten Werke<br />

nun vereint. Diese Mappe wird in den Bestand<br />

des Fotoarchives des Salzburger Freilichtmuseums<br />

Eingang finden. So schließt sich gewissermaßen<br />

der Kreis.<br />

Für das Freilichtmuseum bedeutet diese Erweiterung<br />

seiner Sammlung auch Mut zum Experiment.<br />

Es bedeutet, sich auf einen „Blick von außen“<br />

einzulassen und das gespeicherte Wissen für eine<br />

völlig neue Rezeption aufzumachen. Die Kooperation<br />

mit dem Fotohof hat darüber hinaus auch<br />

klar verdeutlicht, wie sehr Sammeln, Bewahren<br />

und Erforschen zusammengehören: Gesammeltes,<br />

gespeichertes Wissen und Zukunftsfähigkeit<br />

bedingen einander – ein Aspekt, der für das Salzburger<br />

Freilichtmuseum besonderes Gewicht hat:<br />

Lebendige Sammlungen sind offen, unabgeschlossen,<br />

unabschließbar. Die Auseinandersetzung der<br />

Fotografinnen und Fotografen mit unserem Archiv<br />

hat gezeigt, dass sie nicht das Besondere gesucht,<br />

sondern das Banale ausgewählt haben, das durch<br />

ihre Bearbeitung besonders wird. Es ist eine höchst<br />

anregende Aufgabe, nun nachzuvollziehen, welch<br />

subjektive Bedeutungszusammenhänge sie aus<br />

den historischen Fotografien ableiten. Ihre Arbeiten<br />

verdeutlichen, dass unser Archiv nicht nur einen<br />

historischen Wandel dokumentiert, sondern<br />

selbst auch ständig im Wandel ist und damit ein<br />

neues Bildgedächtnis anzulegen vermag. Oder, um<br />

es mit dem schon eingangs zitierten John Berger zu<br />

sagen: „Jede Photographie ist ein möglicher Beitrag<br />

zur Geschichte und jede Photographie kann verwendet<br />

werden, um das Monopol zu brechen, das<br />

die Geschichte heute an der Zeit hat.“ 12<br />

Literatur<br />

1) Groys, Boris: Vortrag bei den Wiener Kolloquien<br />

Kulturwissenschaften am 12. Dezember 1996 in Wien.<br />

2) Direktion des Salzburg Museum (Hg.): Führer durch<br />

das Salzburger Freilichtmuseum. Mit einem botanischen<br />

Anhang von Walter Strobl, 4. erw. Edition, Salzburg 1994.<br />

3) Riehl, Wilhelm Heinrich: Kulturstudien aus<br />

drei Jahrhunderten, Stuttgart/Berlin 1910.<br />

4) Foster, Hal: The Artist as Ethnographer, in: Marcus,<br />

Georg E./ Myers, Fred R., (Hg.): The traffc in culture.<br />

Refiguring art and anthropology. Berkley 1995.<br />

5) Mit den Bildarchiven auseinandergesetzt haben sich:<br />

Anna Aicher, Sebastian Albert, Motahar Amiri, Valentin<br />

Backhaus, Katrin Froschauer, Mitzi Gugg, Kurt Kaindl,<br />

Reinhart Mlineritsch, Andrew Phelps, Stefanie Pirker,<br />

Birgit Sattlecker, Peter Schreiner, Herman Seidl, Nadine<br />

Weixler, Elisabeth Wörndl.<br />

6) Hochreiter, Otto/Starl, Timm (Hg.): Geschichte der<br />

Fotografie in Österreich. Herausgegeben im Auftrag des<br />

Vereins zur Erarbeitung der Geschichte der Fotografie<br />

in Österreich. Band 1 und 2. Bad Ischl 1983. Frank, Hans:<br />

Die alten Salzburger Photographen. In: Mitteilungen der<br />

Gesellschaft für Salzburger Landeskunde Band 105, 1965.<br />

Holzer, Anton: Fotografie in Österreich: Geschichte.<br />

Entwicklungen, Protagonisten, 1890 – 1955, Wien 2013.<br />

7) Der Terminus des „bewaffneten Auges“ wurde<br />

im 18. und 19. Jahrhundert für die Zuhilfenahme von<br />

Sehhilfen verwendet: So erläutert ein Leitfaden für<br />

den Unterricht in der Physik aus dem Jahre 1845:<br />

„Beim Sehen mit bewaffneten (sic!) Auge bedient man<br />

sich der optischen Instrumente (…) Unter jenen versteht<br />

man Instrumente, mit welchen der Mensch entweder<br />

zu optischen Täuschungen oder zu nützlichen Zwecken<br />

sein Auge bewaffnet“. Leitfaden für den Unterricht in der<br />

Physik aus dem Jahre, Bunzlau 1845, S. 60f.<br />

8) Hederer, Kerstin/Lackner, Felix/Reiche, Oswald (Red.):<br />

Die Landschaft als Spiegelbild der <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong>. Hausforschung<br />

- Heimatpflege - Naturschutz - <strong>Volks</strong>kunde in<br />

Salzburg. Ausgewählte Aufsätze und Vorträge von Kurt<br />

Conrad mit einem Vorwort von Oskar Moser. Festschrift<br />

für Kurt Conrad zum 70. Geburtstag (= Mitteilungen der<br />

Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Ergänzungsband<br />

13), Salzburg 1990.<br />

9) Groys, Boris: Logik der Sammlung: Am Ende des<br />

musealen Zeitalters, München 1997.<br />

10) „SalzburgBilder - Fotoarchive des Salzburger<br />

Freilichtmuseums als Quelle zeitgenössischer Fotokunst“,<br />

29. Juni bis 7. August <strong>2021</strong>.<br />

11) Iglar, Rainer/Mauracher, Michael/Weese, Michael<br />

(Hg.): SalzburgBilder. Fotoarchive als Quelle für<br />

zeitgenössische Fotografie, Salzburg <strong>2021</strong>.<br />

12) Berger, John/Mohr, Jean: Eine andere Art zu erzählen,<br />

München 1984.<br />

60


Zwischen Mozartkugeln, Dirndln<br />

und Salzburger Bräuchen<br />

WICHTIGE ARBEITSFELDER DES SALZBURGER<br />

LANDESINSTITUTES FÜR VOLKSKUNDE (SLIVK)<br />

TEXT Michael J. Greger und Vivienne Marquart //<br />

FOTOS Karl-Günter Baumgartner, Michael Greger, Georg Steinitz<br />

Im ersten Artikel unserer Serie im<br />

Frühjahr konnten wir im Überblick<br />

wichtige Tätigkeitsfelder des SLIVK<br />

präsentieren. Da erscheint es nun<br />

sinnvoll, diese Bereiche genauer<br />

vorzustellen, um zu zeigen, warum<br />

und auf welche Art und Weise unsere<br />

Vorgängerinnen und Vorgänger und<br />

wir bestimmte Themen mittlerweile<br />

seit fast vier Jahrzehnten bearbeiten<br />

und welche Erkenntnisse dies gebracht<br />

hat. Die Ergebnisse der Studien sind<br />

einerseits in den Bänden unserer Institutsreihe<br />

„Salzburger Beiträge zur<br />

<strong>Volks</strong>kunde“ nachzulesen, andererseits<br />

vielen Artikeln und Beiträgen in Sammelbänden<br />

und wissenschaftlichen<br />

Zeitschriften zu entnehmen. Dabei<br />

möchten wir besonders auf die über<br />

130 Stichworte aus dem Bereich „<strong>Volks</strong>und<br />

Alltags<strong>kultur</strong>en“ hinweisen, die in<br />

der neuesten Fassung des „Salzburger<br />

Kulturlexikons“ abgedruckt sind bzw.<br />

seit Kurzem online nachgelesen werden<br />

können. 1<br />

1984 veröffentlichte Rotraut Acker­<br />

Sutter, Institutsleiterin bis 1987, die<br />

Festschrift zum 65. Geburtstag von<br />

Freilichtmuseums­Gründer Kurt Conrad.<br />

Darin ist nicht nur ein Artikel von<br />

Helmut Eberhart 2 zur Geschichte der<br />

Versuche einer Institutionalisierung der<br />

<strong>Volks</strong>kunde an der Salzburger Universität<br />

zu finden, sondern mehrere Beiträge<br />

sind dem Kapitel „Brauchtum, Spiel und<br />

Lied“ zugeordnet; einige davon mit –<br />

40 Jahre zurückgeblickt – freilich sehr<br />

zeitgebundenen Interpretationen.<br />

Brauch­ und Ritualforschung<br />

Mit der Bestellung von Ulrike<br />

Kammerhofer­Aggermann zur Institutsleiterin<br />

(1987) wurde der Weg<br />

zu zukunftsweisenden Brauch­ und<br />

Ritualstudien auf historisch­archivalischer<br />

Grundlage und dem gegenwärtigen<br />

Stand der Forschung geebnet.<br />

Die Forscherin widmete in den letzten<br />

Jahrzehnten viele Artikel und Bücher<br />

verschiedenen Salzburger Bräuchen<br />

und deren Geschichte. Dabei konnte sie<br />

zeigen, dass Bräuche Kulturgebärden<br />

unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher<br />

Verbreitung, „gemeinschaftsbezogene<br />

sowie gemeinschaftsbildende,<br />

ritualisierte Handlungen<br />

von großer Signalwirkung“ 3 sind. Sie<br />

betonte den Wandel, der jedem Brauch<br />

innewohnt, denn der Begriff „Brauch“<br />

ist mit dem Verb „brauchen“ wortgeschichtlich<br />

verwandt. 4 Was wir offensichtlich<br />

nicht mehr „brauchen“ (z. B.<br />

Schnitter­ und Dienstbotenbräuche<br />

oder manche „Heischebräuche“, bei denen<br />

Gaben rituell erheischt (verlangt,<br />

gefordert) werden, kommt ab und gerät<br />

in Vergessenheit. Dafür entsteht aber<br />

Neues, Unerwartetes, das wir, je nach<br />

Bedarf, in unsere Alltags­ und Fest<strong>kultur</strong><br />

einbauen.<br />

61


Abb. 2: Der Samson<br />

von Mariapfarr<br />

Sehr einprägsam ist Kammerhofer­<br />

Aggermanns Definition von Bräuchen,<br />

die „Zeit erlebbar und messbar“ 5<br />

machen: Bräuche sind Zäsuren im<br />

Jahres­ und Lebenslauf, die Pausen und<br />

Haltepunkte, an denen wir nachdenken<br />

und feststellen, dass eine bestimmte<br />

Zeitspanne vergangen ist; dass diese<br />

Jahreszeit oder jene Lebensphase<br />

angebrochen oder verstrichen ist. Nur<br />

durch diese Unterbrechungen wie Festund<br />

Feiertage kann der Begriff „Zeit“<br />

eigentlich bewusst gemacht werden.<br />

Auf die Bindungskraft von Ritualen,<br />

die den Konsens einer Gruppe darstellen,<br />

wies Kammerhofer­Aggermann<br />

ebenso hin. Damit fordern sie deren<br />

Konformität ein und schließen gleichzeitig<br />

anders sozialisierte Personen<br />

aus. Bräuche sind damit Menschenwerk<br />

und keineswegs „vom Himmel gefallen“<br />

oder gar aus Bodennebeln eines sogenannten<br />

„<strong>Volks</strong>geistes“ entstanden.<br />

Als eine besondere Form hat Michael<br />

Greger sich den Funktionen von<br />

„Schwellen“­, Passagen­ oder Übergangsriten<br />

gewidmet. Diese ermöglichen<br />

es dem sozialen Umfeld, Menschen,<br />

die vor einer<br />

für sie ungewohnten<br />

Lebenssituation<br />

stehen (z. B. beim<br />

Schuleintritt, bei<br />

einer Hochzeit 6 , bei<br />

einer Freisprechung<br />

als Handwerksgeselle,<br />

bei der Matura<br />

oder Lehrabschlussprüfung,<br />

vor dem<br />

Einrücken zum und<br />

nach dem Abrüsten<br />

vom Bundesheer<br />

etc.), entsprechend zu<br />

begleiten. Aber auch<br />

Abschiede von geliebten<br />

Menschen oder<br />

die Aufnahmen in Religionsgemeinschaften<br />

werden auf diese<br />

Weise eingerahmt.<br />

Abb. 1: Der Samson von St. Michael<br />

(hier am Katschberg) am 15. August 2019<br />

Grundsätzlich konnten die Institutsmitarbeiterinnen<br />

und ­mitarbeiter<br />

allerlei Zuschreibungen bezüglich<br />

des Alters und der Herkunft mancher<br />

Bräuche kritisch prüfen und zeigen,<br />

dass ein angebliches Fortdauern<br />

(Kontinuität) von Brauch­Phänomenen<br />

von den Germanen oder Kelten herauf<br />

bis in unsere Zeit nicht belegbar ist.<br />

Die Reform­Hirtenbriefe des<br />

Fürsterzbischofs der Aufklärung, Hieronymus<br />

Colloredo (1775–1782), sind<br />

eine bedeutende Quelle für damalige<br />

Brauchpraxis. Sie stellen aber auch<br />

eine einschneidende Unterbrechung<br />

dar, nach welcher Vieles verschwand,<br />

Manches sich neu weiterentwickelte. 7<br />

Manches wurde erst im 19. Jahrhundert<br />

im Zuge der gesellschaftlichen Umwälzungen,<br />

etwa durch das erstarkende<br />

Bürgertum oder die Industrialisierung<br />

neu formiert und inszeniert.<br />

Viele Bräuche sind Einführungen<br />

oder besser Adaptierungen mächtiger<br />

und zum Teil europäisch vernetzter<br />

Gruppierungen (Adels­ und Herrscherfamilien,<br />

Zünfte, reiche Bürger …),<br />

die in den Handels­Zentren wie<br />

62


Venedig, Augsburg oder Brügge oder<br />

in Welthauptstädten früherer Jahrhunderte<br />

wie Rom oder Konstantinopel<br />

Neues mitnahmen und an Ort und<br />

Stelle überformten. Kammerhofer­<br />

Aggermann konnte hier zeigen, dass<br />

sich gewisse Bräuche nicht umsonst an<br />

Fernhandelsrouten und bei Passverbindungen<br />

zeigen, wo für Jahrhunderte<br />

die Säumer nicht nur für Waren­, sondern<br />

auch für Kulturtransfer sorgten.<br />

Diese neu eingeführten Bräuche, wie<br />

z. B. bestimmte Formen des Faschings,<br />

wurden nach den örtlichen Bedürfnissen<br />

umgeformt und für Salzburger<br />

Verhältnisse „brauchbar“ gemacht. 8 Die<br />

Transformation von örtlichen Brauch­<br />

Erhebungen in die Fachliteratur konnte<br />

Michael Greger in einem Text zur<br />

Arbeit des Bezirksschulinspektors und<br />

Lehrers an der Landwirtschaftlichen<br />

Fachschule Bruck/Glocknerstraße,<br />

Richard Treuer (1903­1982), zeigen. 9<br />

Einen Arbeits­Höhepunkt stellte<br />

zweifellos die Mit­Konzeption, ­Organisation<br />

sowie die vielen und wichtigen<br />

inhaltlichen Beiträge für die CD­ROM­<br />

Serie „Bräuche im Salzburger Land“<br />

dar. Hierzu wurden für die Analyse vieler<br />

Salzburger Bräuche DIE europäischethnologischen<br />

Fachexpertinnen und<br />

­experten im deutschsprachigen Raum<br />

zu spannenden Beiträgen gebeten.<br />

Die umfang­ und detailreichen Artikel<br />

von Ulrike Kammerhofer­Aggermann,<br />

besonders zu den religiösen wie<br />

weltlichen Festen und deren Ritualen,<br />

zur <strong>Volks</strong>frömmigkeit im 18. Jh., zur<br />

Identitätsstiftung und Indikatorfunktion<br />

etc., sind heute noch viel zitierte<br />

Informationsquellen, wenn es um das<br />

Verständnis der Salzburger Brauchlandschaft<br />

geht.<br />

Ein weiteres Forschungsfeld,<br />

das ständig wächst und daher auch<br />

im Blickpunkt des Landesinstitutes<br />

steht, ist das seit 2010 von der UNESCO<br />

bewertete „Immaterielle Kulturerbe“<br />

in Österreich sowie im Bundesland<br />

Salzburg. Hierzu entstand 2020 ein<br />

Band, der reich bebildert über jene für<br />

Salzburg ausgezeichneten Traditionen<br />

informiert. 10 Die erst jüngst aufgenommene,<br />

auch in Salzburg beheimatete<br />

Federkielstickerei sowie die v. a. jahrhundertelang<br />

im Seenland praktizierte<br />

Spitzenklöppelei (2013 für Salzburg<br />

gelistet) sind beides Handwerkstechniken,<br />

die sich am Trachtensektor<br />

steigender Beliebtheit erfreuen.<br />

Trachten­ und Kleidungsforschung<br />

Die Tracht und ihre modischen<br />

Varianten bilden bis heute ein dynamisches<br />

Forschungsfeld, siehe z. B. die<br />

Modeschau „Metier d’Art“ des Modehauses<br />

„Chanel“ von Karl Lagerfeld<br />

mit Trachten­Elementen in Schloss<br />

Leopoldskron 11 2014 oder das Design<br />

von Lena Hoschek für eine Jägerjacke 12<br />

im Jahr <strong>2021</strong>. In der Trachten­ und<br />

Kleidungsforschung liegt daher ein<br />

weiterer Arbeitsschwerpunkt des<br />

SLIVK. Schon die dritte Folge der Institutsreihe<br />

„Tracht. Überliefert – getragen<br />

– modernisiert“ 13 war daher dem<br />

Thema gewidmet. Salzburg betreffend<br />

ist mit den Blättern der „Kuenburg­<br />

Sammlung“ (über 200 aquarellierte<br />

Gouachen, entstanden in der Mitte des<br />

18. Jahrhunderts) eine einmalige Quelle<br />

ständisch geregelter Kleidungsstile<br />

vorhanden. 14<br />

Mit dem gewichtigen Band „Trachten<br />

nicht für jedermann? Heimatideologie<br />

und Festspieltourismus […]“ 15 konnten<br />

Ulrike Kammerhofer­Aggermann<br />

und die Mitautorinnen Alma Scope<br />

und Monika (Brunner­) Gaurek, mit<br />

viel Bildmaterial belegt, Aspekte des<br />

Funktionswandels (zwischen der Verkörperung<br />

ungezwungener Leichtigkeit,<br />

Intimität und Liberalität und dem<br />

Ausdruck von Heimatliebe, Landesbewusstsein<br />

und Vereinstreue) und der<br />

Indienstnahme von Trachten zwischen<br />

bürgerlicher Sommerfrische und völkischem<br />

„Vätererbe“ beleuchten.<br />

Abb. 3: Buchcover<br />

„Michael J. Greger:<br />

Salzburgs<br />

Immaterielles<br />

Kulturerbe“<br />

(= Salzburger<br />

Beiträge zur<br />

<strong>Volks</strong>kunde 27).<br />

63


Dabei konnte Kammerhofer­<br />

Aggermann zuallererst zeigen, dass<br />

einerseits die (groß­)bürgerliche<br />

Sommerfrische, die vor 1938 auch<br />

eine jüdisch­bürgerliche Sommerfrische<br />

war, andererseits die Tendenzen<br />

von Historismus und Heimatschutz<br />

sowie jene des Landesausschusses<br />

„betreffend Förderung und Hebung der<br />

Salzburger Eigenart in Tracht, Sitten<br />

und Gebräuchen“ (gegründet 1910)<br />

sich unterschiedlich auf das Trachtenverständnis<br />

auswirkten. Die Beiträge<br />

fokussieren auf die Arbeit der Landeskommission<br />

und den „Landesanzug“,<br />

auf das „Henndorfer Dirndl“ und den<br />

Maler und Kostümbildner Carl Mayr<br />

(1875–1942), auf die Geschichte des<br />

„Sporthauses Lanz“, auf die Bedeutung<br />

der Festspiele für die Verbreitung von<br />

Trachtenmode sowie das Medien­Echo<br />

auf die Festspiele und ihre jüdischen<br />

und nicht­jüdischen Protagonistinnen<br />

und Protagonisten vor 1938. 16<br />

Gerade die Brüche, manifesten Widersprüche<br />

und Inszenierungen wurden<br />

von den Autorinnen und Autoren<br />

beleuchtet; 17 Etwa der Wandel der Sichtweisen,<br />

die romantisch­bürgerliche<br />

Sehnsucht nach einfacher Ländlichkeit,<br />

die gedachten „Wurzeln“ nationaler<br />

Kultur sowie die später von einer normierenden<br />

Pflege in Trachtenmappen<br />

festgeschriebenen „Landestrachten“.<br />

Die Sehnsucht nach Authentizität<br />

von Seiten jener Trachtenvereins­Mitglieder,<br />

die mittels des Identifikators<br />

„echte Tracht“ die unbefriedigende gesellschaftliche<br />

Position kompensierten,<br />

wird treffend analysiert. Der Repräsentationsbedarf<br />

des Herrscherhauses<br />

trug ebenso zur Stilisierung und<br />

Überformung von Trachtenelementen<br />

bei, etwa mit den beiden großen Wiener<br />

Festzügen (1879 zur Silberhochzeit und<br />

1908 zum sechzigsten Jubiläum der<br />

Thronbesteigung von Kaiser Franz­<br />

Joseph I.). 1879 wurde der „Lamberghut“<br />

(benannt nach Landeshauptmann<br />

Hugo Raimund Lamberg, 1833–1884)<br />

populär. Dabei kommt auch die Rolle<br />

des Tourismus zur Sprache, der in<br />

Salzburg mittels der 1920 gegründeten<br />

Festspiele einer sich rasant entwickelnden<br />

Trachtenmode­Szene Vorschub<br />

leistete.<br />

Abb. 4: Goldhaubenfrauenund<br />

mädchen beim<br />

Erntedank gottesdienst<br />

2018 in Anthering<br />

64


„Die Stadt Salzburg bot dabei vielen Sehnsüchten einen<br />

Erfüllungsort: romantischen Vorstellungen von Ritterleben<br />

(Festung) und Naturschönheiten; architektonischer<br />

Liebhaberei für ‚italienischen‘ Barock nördlich der Alpen<br />

oder der ‚Neuentdeckung‘ Mozarts ab den 1840er-Jahren.“<br />

Touristen zwischen Mozartkugeln<br />

und „Sound of Music“ – die verschiedenen<br />

Lesarten Salzburgs<br />

Salzburg gilt – und das betrifft,<br />

mit unterschiedlichen Schwerpunkten,<br />

die Stadt und das Bundesland – schon<br />

seit mindestens dem Ende des 18. Jahrhunderts<br />

als touristisches Zielgebiet.<br />

Dabei vereinigen sich (teils angeeignete)<br />

Fremdbilder und (diesen entgegnende)<br />

Selbstbilder zu einem dichten<br />

Gemenge.<br />

Pilgerinnen und Pilgern und an<br />

Heilquellen wie in Bad Gastein Linderung<br />

Suchenden folgten an der Wende<br />

zum 19. Jahrhundert erste Reisende der<br />

Spätaufklärung mit einem ethnografischen<br />

wie romantisierenden Blick. Die<br />

Stadt Salzburg bot dabei vielen Sehnsüchten<br />

einen Erfüllungsort: romantischen<br />

Vorstellungen von Ritterleben<br />

(Festung) und Naturschönheiten;<br />

architektonischer Liebhaberei für „italienischen“<br />

Barock nördlich der Alpen<br />

oder der „Neuentdeckung“ Mozarts ab<br />

den 1840er­Jahren.<br />

Im (vergriffenen) Band „Kulturstereotype<br />

und Unbekannte Kulturlandschaften<br />

“18 beschäftigten sich die<br />

Forscherinnen und Forscher mit den<br />

wechselseitigen Vorurteilen und dem<br />

(Nicht­)Wahrnehmen von Realitäten<br />

und Wunschbildern, konkret zwischen<br />

Europa (fokussiert immer wieder auch<br />

auf Salzburg) und den USA. Fremdbilder<br />

(Heterostereotype) begleiten<br />

uns im Alltag als Filter (auch Scheuklappen)<br />

für Vorbewertungen, als<br />

Kon struktionen der Wahrnehmung,<br />

und bestimmen häufig den Kontakt mit<br />

fremden Lebenswelten. Gleichzeitig<br />

sind sie eine bedeutende Quelle von<br />

Rassismus, Vorurteilen und Missverständnissen.<br />

Selbstbilder (Autostereotype)<br />

sind für die Ausbildung unserer<br />

vorgestellten Identität von Bedeutung<br />

und werden nicht zuletzt im Zusammenspiel<br />

mit Zuschreibungen geprägt.<br />

Der Begriff „Unbekannte Kulturlandschaften“<br />

beschreibt die (teilweise)<br />

Ausblendung von <strong>kultur</strong>ellen Realitäten<br />

in fremden Kulturen oder Milieus.<br />

Gerade die erst spät einsetzende<br />

Industrialisierung, die Verunsicherungen<br />

nach dem Ende des Erzstiftes<br />

sowie die politische Neuordnung als<br />

Teil Oberösterreichs (bis 1849) beförderten<br />

die touristische Orientierung<br />

vieler Salzburgerinnen und Salzburger<br />

als eine ökonomische Notwendigkeit.<br />

Dabei half das „Kapital“ der pittoresken<br />

Naturlandschaft.<br />

Vom Alpinismus samt den zugehörigen<br />

Vereinen über die, vom Bahnausbau<br />

stark beförderte, bürgerliche<br />

Sommerfrische und die Belle­Epoque­<br />

Hotels bis hin zum spätmodernen Kongress­<br />

und Massentourismus: Jede Phase<br />

spielt(e) mit eigenen Klischees und<br />

Wunschbildern, die in einer mediatisierten<br />

Gesellschaft international verbreitet<br />

werden. Gerade für die Stadt Salzburg<br />

waren dabei die Festspiele ein Motor des<br />

Kulturtourismus, insbesondere der Begegnung<br />

mit zahlungskräftigen Touristinnen<br />

und Touristen, v.a. auch aus dem<br />

anglo­amerikanischen Raum.<br />

65


Erwartungen und mitunter auch<br />

Zwänge im Tourismus zwischen ritualisierter<br />

Gastlichkeit und „Overtourism“<br />

behandelte der Institutsband „»Herzlich<br />

willkommen!« Rituale der Gastlichkeit“<br />

aus 1997, der eine Ausstellung in<br />

Goldegg begleitete. Dabei wurden die<br />

Funktionen von Ritualen der Gastlichkeit<br />

im Alltag, im Tourismus sowie in<br />

der Politik ausgeleuchtet.<br />

Mit der Geschichte der Mozartkugel,<br />

einer Erfindung, die sich von<br />

der lokalen Spezialität zum nationalen<br />

Exportschlager und Werbeträger<br />

ent wickelte, beschäftigte sich Ulrike<br />

Kammerhofer­Aggermann mehrfach. 19<br />

Aber auch kulinarische Erfindungen<br />

wie die „Salzburger Nockerln“, die sich<br />

technischer Neuerungen wie des Sparherdes<br />

samt Backrohr bedienten und<br />

mit den „Nocke(rl)n“ historischer Kochbücher<br />

nur den Namen gemein haben,<br />

standen im Fokus der Institutsarbeit.<br />

Dass touristische Sehnsüchte auch<br />

„gerahmt“, in Form von Ansichtskarten,<br />

materialisiert und dann kommuniziert<br />

werden können, zeigten Institutsarbeiten<br />

auf: einmal für das Mozartjahr<br />

2006 am Beispiel des Mirabellgartens<br />

und einmal für das Salzkammergut als<br />

historische Sommerfrische. 20<br />

Eine einzigartige Wegmarke in der<br />

Geschichte des Salzburg­Tourismus<br />

stellte der Musik­Film „The Sound of<br />

Music“ von 1965 dar (mit Julie Andrews<br />

und Christopher Plummer, Regie:<br />

Robert Wise. dt.: „Meine Lieder – meine<br />

Träume“; basierend auf dem Musical<br />

von Rodgers/Hammerstein, 1959). Die<br />

Hollywood­gemäße Verfilmung des<br />

Schicksals der singenden Familie des<br />

Korvettenkapitäns Georg Trapp und<br />

seiner zweiten Frau Maria Augusta<br />

prägte für Jahrzehnte den Blick von<br />

US­Touristinnen und ­Touristen auf<br />

Salzburg.<br />

Abb. 5: Buchcover<br />

„The Sound of Music<br />

zwischen Mythos<br />

und Marketing“<br />

(Salzburger Beiträge<br />

zur <strong>Volks</strong>kunde 11).<br />

Im Band „The Sound of Music<br />

zwischen Mythos und Marketing“ 21<br />

werden nicht nur die historisch­biografischen<br />

Details der Familie Trapp<br />

beleuchtet und Mythen von Realitäten<br />

sorgsam getrennt. Auch bis dato kaum<br />

erforschte Details wie das Liedrepertoire<br />

der „Trapp­Family­Singers“ oder<br />

die Biografie des Chorleiters Prälat<br />

Franz Wasner wurden dargestellt. Im<br />

Weiteren kamen die autobiografischen<br />

Quellen von Musical und Film samt<br />

Gattungstypologie und eine Analyse<br />

des Weges zum Welterfolg sowie die<br />

Frage der Involvierung des „Salzburger<br />

Flairs“ in diese Musical­ und Film­Welt<br />

zur Sprache. Im Schlusskapitel sind<br />

Beiträge zu den Hintergründen des US­<br />

Tourismus in Salzburg sowie zur Bedeutung<br />

von Musical und Film für die<br />

US­Kultur zu finden. Insgesamt ist ein<br />

materialreicher Sammelband entstanden,<br />

der heute noch einen Meilenstein<br />

der Erforschung dieses Kulturphänomens<br />

bildet.<br />

Damit sind nur die wichtigsten<br />

Forschungsfelder genannt, mit denen<br />

sich die Leiterinnen und Leiter und<br />

(freien) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

am SLIVK in den letzten Jahrzehnten<br />

beschäftigt haben. Vielleicht ist<br />

das ja eine Anregung, den einen oder<br />

anderen Band der Institutsreihe wieder<br />

einmal zur Hand zu nehmen oder zu<br />

erwerben? Bei Etlichen ist das nämlich<br />

noch möglich!<br />

66


Literatur<br />

1) Vgl. Mittermayr, Peter; Spängler, Heinrich (Hg.): Salzburger Kulturlexikon.<br />

Erweiterte und verbesserte Neuauflage. Salzburg-Wien: Jung und<br />

Jung 2019; seit einigen Monaten ist das Kulturlexikon unter der Adresse<br />

www.salzburger-<strong>kultur</strong>lexikon.net [zuletzt: 4. August <strong>2021</strong>] auch online<br />

abrufbar.<br />

2) Eberhart, Helmut: Die <strong>Volks</strong>kunde an der Universität Salzburg. Ein<br />

Beitrag zur Institutionengeschichte. In: Acker-Sutter, Rotraut: Heimat<br />

als Erbe und Auftrag. Beiträge zur <strong>Volks</strong>kunde und Kulturgeschichte.<br />

Festschrift für Kurt Conrad […] zum 65. Geburtstag. Salzburg: Otto<br />

Müller 1984, S. 99–119.<br />

3) Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: Bräuche In: [Dieselbe]; Luidold,<br />

Lucia (Hg.): Bräuche im Salzburger Land. Aufgelistet und erklärt.<br />

Begleitheft zur [gleichnamigen] CD-ROM-Reihe (2002-2005).<br />

Zusammenstellung der alphabetisch aufgelisteten zentralen Begriffe:<br />

Ulrike Kammerhofer-Aggermann und Melanie [Wiener]-Lanterdinger.<br />

Salzburg 2005 (= Salzburger Beiträge zur <strong>Volks</strong>kunde 16), S. 26. Wichtiger<br />

Hinweis: Die CD-ROMs sind nur bis zum Betriebssystem Windows-XP<br />

abspielbar. Die CD-ROM 1: Im Winter und zur Weihnachtszeit ist bereits<br />

im Internet unter www.brauch.at [zuletzt: 9. September <strong>2021</strong>) verfügbar.<br />

4) Vgl. z. B. Pfeifer, Wolfgang: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen.<br />

München: dtv 5 2000 (= dtv 32511), S. 165, Lemma „brauchen“.<br />

5) Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: Bräuche, S. 27.<br />

6) Vgl. Greger, Michael Josef: Traditionelle Hochzeitsbräuche. Salzburg:<br />

Servus by Benevento-Publishing (= Das große kleine Buch. No. 022).<br />

7) Vgl. Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: „<strong>Volks</strong>frömmigkeit“ als Ausdruck<br />

des Zeitgeistes. Kirchliche Reformen im Geiste des aufgeklärten<br />

Absolutismus in Salzburg als Quellen und Indikatoren der populären<br />

Glaubenspraxis. In: Loose, Rainer (Red.): Kirche, religiöse Bewegungen,<br />

<strong>Volks</strong>frömmigkeit im Mittleren Alpenraum. Historikertagung in Sigmaringen<br />

11.–13. Mai 2000. (= Schriftenreihe d. AG Alpenländer Abhandlungsband,<br />

Historikertagung Sigmaringen 2000). Stuttgart: „Landesarchivdir.<br />

Baden-Württemberg“ 2004, S. 131–169.<br />

8) Vgl. Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: Karneval unter Markus Sittikus<br />

– ein Gesamtkunstwerk. In: Kampl, Sibylle; Kühberger, Christoph (Hg.):<br />

Schaulust – die unerwartete Welt des Markus Sittikus. Salzburg: Magistrat<br />

Salzburg, Schlossverwaltung Hellbrunn 2016, S. 164–177.; Kammerhofer-<br />

Aggermann, Ulrike: Salzburger „Maschkeraläufer“ im 17. und 18. Jahrhundert.<br />

Alpine Formen des Karnevals an den Fernhandelsrouten. In: Ammerer,<br />

Gerhard; Hannesschläger, Ingonda; Hochradner, Thomas (Hg.):<br />

Von Venedig nach Salzburg. Spurenlese eines vielschichtigen Transfers.<br />

Wien: Hollitzer 2015, S. 137–183.<br />

9) Greger, Michael Josef: Zwischen Sammlung, Pflege und Transfer.<br />

Richard Treuer als mehrdimensionaler Vermittler „volkskundlicher“<br />

Inhalte. In: Bauer, Katrin; Hänel, Dagmar; Leßmann, Thomas (Hg.):<br />

Alltag sammeln. Perspektiven und Potentiale volkskundlicher<br />

Sammlungsbestände. Münster-New York: Waxmann 2019, S. 15–37.<br />

10) Greger, Michael Josef: Salzburgs Immaterielles Kulturerbe.<br />

Traditionen aus dem österr. Verzeichnis des IKE der UNESCO.<br />

Salzburg: Salzburger Landesinstitut für <strong>Volks</strong>kunde 2020.<br />

(= Salzburger Beiträge zur <strong>Volks</strong>kunde 27).<br />

11) Vgl. z. B. den Artikel im Magazin „Salzburgerland“ von Daniela Jäger:<br />

https://www.salzburgerland.com/de/magazin/karl-lagerfeld-in-salzburg/<br />

[zuletzt: 29. Juli <strong>2021</strong>].<br />

12) Vgl. SN-Artikel „Lena Hoschek kleidet Jägerinnen ein“ im „Chronik“-<br />

Teil samt Foto von Andreas Kolarik vom 15.07.<strong>2021</strong>.<br />

13) Vgl. Brandner, Susanne; Froschauer, Irmtraut; Kammerhofer, Ulrike<br />

(Hg.): Tracht. Überliefert – getragen – modernisiert. Eine Bibliographie<br />

zu Salzburger Kleid und Tracht von Susanne Brandner. Festschrift für<br />

Friederike Prodinger zum 75. Geburtstag. Salzburg: Salzburger Landesinstitut<br />

für <strong>Volks</strong>kunde 1988. (= Salzburger Beiträge zur <strong>Volks</strong>kunde 3).<br />

14) Vgl. Prodinger, Friederike; Heinisch, Reinhard Rudolf: Gewand und<br />

Stand. Kostüm- und Trachtenbilder der Kuenburg-Sammlung. Salzburg:<br />

Residenz 1983.<br />

15) Vgl. Kammerhofer-Aggermann, Ulrike; Scope, Alma; Haas, Walburga<br />

(Hg.): Trachten nicht für jedermann? Heimatideologie und Festspieltourismus<br />

dargestellt am Kleidungsverhalten in Salzburg zwischen<br />

1920 und 1938. Salzburg: Salzburger Landesinstitut für <strong>Volks</strong>kunde 1993.<br />

(= Salzburger Beiträge zur <strong>Volks</strong>kunde 6).<br />

16) Vgl. insbesondere zur jüdischen Sommerfrische und deren Bedeutung<br />

für die Entdeckung und Nutzung von trachtlichen Elementen als Versatzstücke<br />

von sommerlichem Lebensgefühl, Freiheit von großbürgerlichstädtischer<br />

Kleidungsetikette und pittoresker Freude z. B. Kammerhofer-<br />

Aggermann, Ulrike: Dirndl, Lederhose und Sommerfrischenidylle. In:<br />

Kriechbaumer, Robert (Hg.): Der Geschmack der Vergänglichkeit.<br />

Jüdische Sommerfrische in Salzburg. Wien-Köln-Weimar: Böhlau 2002<br />

(= Schriftenreihe des Forschungsinstitutes für Politisch-Historische<br />

Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Salzburg 14), S. 317–334;<br />

[Dieselbe]: Salzburger Trachten – ein Kampf zwischen städtischer Mode<br />

und völkischer Ideologie. In: Loewy, Hanno; Milchram, Gerhard (Hg.):<br />

„Hast du meine Alpen gesehen?“ Eine jüdische Beziehungsgeschichte.<br />

Hohenems: Bucher 2009, S. 180–205.<br />

17) Vgl. Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: „eine reiche Auswahl der<br />

herrlichsten <strong>Volks</strong>kostüme und der schönsten Menschentypen“ Etappen<br />

der Entstehung unseres gegenwärtigen Begriffs von Tracht. In: Justnik,<br />

Herbert (Hg.): Gestellt. Fotografie als Werkzeug in der Habsburgermonarchie.<br />

Wien: Löcker-Verlag 2014 (= Kataloge des Österreichischen<br />

Museums für <strong>Volks</strong>kunde 100), S. 57–70.<br />

18) Brügge, Joachim; Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: Kulturstereotype<br />

und Unbekannte Kulturlandschaften am Beispiel von Amerika und Europa.<br />

Anif-Salzburg: Verlag Mueller-Speiser 2007 (= Wort und Musik. Bd. 66,<br />

zugleich Salzburger Beiträge zur <strong>Volks</strong>kunde 17). Darin besonders:<br />

Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: Kulturstereotype. Zur Einleitung,<br />

S. 5–14 sowie Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: Salzburg als mediales<br />

Misreading: Touristische Salzburg-Klischees im Wandel, S. 61–92.<br />

19) Vgl. Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: Salzburger Nockerl –<br />

Mozartkugel – Schmaustheater. Kulinarisches zum Salzburger-Tourismus.<br />

In: Kramer, Dieter; Lutz, Ronald: Tourismus – Kultur. Kultur – Tourismus.<br />

Münster-Hamburg: LIT 1993, S. 79-112. Vgl. Kammerhofer-Aggermann,<br />

Ulrike: Die Mozartkugel. Von der lokalen Spezialität zum nationalen<br />

Symbol Österreichs. In: Luidold, Lucia; Kammerhofer-Aggermann, Ulrike<br />

(Hg.): Bräuche im Salzburger Land. Zeitgeist – Lebenskonzepte – Rituale<br />

– Trends – Alternativen. [3 CD-ROMs mit Begleitheft im Schuber].<br />

Salzburg: Salzburger Landesinstitut für <strong>Volks</strong>kunde. 2002-2005<br />

(= Salzburger Beiträge zur <strong>Volks</strong>kunde 13-16). Hier: CD-ROM 2:<br />

Vom Frühling bis zum Herbst.<br />

20) Vgl. Kammerhofer-Aggermann, Ulrike; Wiener-Lanterdinger, Melanie;<br />

Maier, Cornelia: Gerahmte Sehnsucht: inszeniert, demoliert. In: Salzburg-<br />

Archiv 33. Schriften des Vereines Freunde der Salzburger Geschichte.<br />

Salzburg 2008, S. 417–438; Greger, Michael J.: „Gruß aus…“! Die Ansichtskarte<br />

aus dem Salzkammergut. In: Luger, Kurt; Rest, Franz (Hg.):<br />

Alpenreisen. Erlebnis. Raumtransformation. Imagination. Innsbruck-<br />

Wien-Bozen: Studien-Verlag 2017, S. 562–591.<br />

21) Kammerhofer-Aggermann, Ulrike; Keul, Alexander G. (Hg.):<br />

The Sound of Music zwischen Mythos und Marketing. Salzburg:<br />

Salzburger Landesinstitut für <strong>Volks</strong>kunde 2000. (= Salzburger<br />

Beiträge zur <strong>Volks</strong>kunde 11).<br />

67


Konzerte, Fortbildungen,<br />

Ausstellungen<br />

WAS IST LOS IN DER<br />

SALZBURGER VOLKSKULTUR?<br />

TEXT Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> // FOTOS Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong><br />

So vielfältig wie das Leben in Salzburg, so bunt<br />

ist auch der Veranstaltungskalender der Salzburger<br />

<strong>Volks</strong><strong>kultur</strong>. Ein Streifzug zeigt die Fülle an Veranstaltungen,<br />

die aktuell in allen Regionen stattfinden:<br />

Von Musik­Seminaren über Dirndl­Nähkurse<br />

bis hin zu <strong>Volks</strong>tanzkursen gibt es eine bunte Auswahl.<br />

Für Familien und Kinder gibt es einen speziellen<br />

Kinder­ und Jugendkalender, spannende Sonderausstellungen<br />

und Tipps für hörenswerte Konzerte.<br />

Umfangreiche Weiterbildungsangebote der<br />

Salzburger Landesverbände laden ein, <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong><br />

hautnah zu entdecken und selbst mitzuwirken.<br />

Eigene Veranstaltungen können jederzeit auf der Homepage<br />

der Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> eingereicht werden. Im Reiter<br />

Termine findet sich rechts oben der Button „Termin einreichen“.<br />

Über 1.000 Vereine sind in ganz Salzburg aktiv,<br />

viele organisieren Feste, Konzerte, Kurse, Ausstellungen.<br />

Wenn auch Sie eine Veranstaltung organisieren<br />

und bewerben möchten, steigen Sie ein<br />

unter www.salzburgervolks<strong>kultur</strong>.at. Der Terminkalender<br />

steht kostenfrei allen Vereinen und volks<strong>kultur</strong>ellen<br />

Veranstaltern zur Verfügung.<br />

Egal, ob noch <strong>2021</strong> oder 2022 und<br />

darüber hinaus – tragen Sie Ihre<br />

Veranstaltungen unbedingt ein!<br />

Links:<br />

Alle Termine<br />

https://www.salzburgervolks<strong>kultur</strong>.at/termine<br />

Kinder- und Jugendprogramm<br />

https://www.salzburgervolks<strong>kultur</strong>.at/<br />

termine/kinder-und-jugendprogramm<br />

Groß und Klein profitiert vom Kinder- und<br />

Jugendprogramm, auch Sonderausstellungen<br />

und Weiterbildungen werden angezeigt.<br />

Termin einreichen<br />

https://www.salzburgervolks<strong>kultur</strong>.at/<br />

termine/termin-einreichen<br />

78


Eigentums-, Miet- und Mietkaufwohnungen,<br />

die man sich leisten kann!<br />

Bürmoos, Mietwohnungen<br />

St. Johann, Eigentumswohnungen<br />

Für Aktuelles zum Unternehmen<br />

oder Immobiliensuche<br />

bitte QR-Code scannen:<br />

Leogang, Mietkauf- und Eigentumswohnungen<br />

www.salzburg-wohnbau.at


80<br />

kul


tur.<br />

Gemeinsames Tun ist<br />

unsere Kultur. Im Fehlen<br />

wird uns das bewusst.<br />

Freuen wir uns, wenn<br />

dies möglich ist.<br />

81


Universitätslehrgang<br />

Blasorchesterleitung –<br />

VOLLES HAUS BEIM ERSTEN<br />

ABSCHLUSSKONZERT<br />

TEXT Romana Stücklschweiger // FOTO Romana Stücklschweiger<br />

Neben dem höchst erfolgreichen<br />

Masterstudium Blasorchesterleitung<br />

startete die Universität Mozarteum<br />

als kompetenter Partner des Salzburger<br />

Blasmusikverbandes im März<br />

2019 erstmals den berufsbegleitenden<br />

Universitätslehrgang für Blasorchesterleitung,<br />

finanziert vom Land<br />

Salzburg. Durch die hervorragende<br />

Vermittlung der musikalischen und<br />

instrumentenspezifischen Grundlagen<br />

an den musikalischen Bildungsstätten<br />

im Land Salzburg und durch das<br />

stetig steigende Niveau in den rund 150<br />

Salzburger Blasmusikkapellen werden<br />

auch die Anforderungen an die Kapellmeisterinnen<br />

und Kapellmeister des<br />

Salzburger Blasmusikverbandes immer<br />

größer. Der einzigartige, zweijährige<br />

Universitätslehrgang bildet vor diesem<br />

Hintergrund einen wichtigen neuen<br />

Baustein im Weiterbildungsangebot<br />

des Blasorchesterleitung­Bereichs in<br />

Salzburg. Im vierten Semester wird<br />

die jeweils letzte Orchesterübung als<br />

interne Prüfung angelegt, nach positivem<br />

Abschluss erfolgt die Zulassung<br />

zur externen Abschlussprüfung: der<br />

Leitung eines Blasorchesterwerks im<br />

öffentlichen Abschlusskonzert.<br />

Das ausverkaufte Abschlusskonzert<br />

im Juli <strong>2021</strong> bildete das große<br />

Finale des ersten Universitätslehrgangs<br />

Blasorchesterleitung und fand<br />

als fulminante Premiere statt: Günther<br />

Binggl, Stefan Eder, Ingrid Harrer­Hoffmann,<br />

Daniel Laganda, Hyuenmin Lee,<br />

Roland Mair­Gruber, Johann Schernthanner<br />

und Martin Schwab leiteten<br />

als die ersten acht Absolventinnen und<br />

Absolventen des Universitätslehrgangs<br />

die Militärmusik Salzburg (verstärkt<br />

durch Studierende der Universität<br />

Mozarteum) im voll besetzten Max­<br />

Schlereth­Saal. Das Konzert, das<br />

pandemiebedingt von Ende Jänner auf<br />

Juli verschoben worden war, konnte zur<br />

großen Freude aller Beteiligten unter<br />

fast normalen Bedingungen stattfinden.<br />

Der Universitätslehrgang wurde<br />

mit einem vielfältigen Programm<br />

und Werken von Franz Schubert und<br />

Antonín Dvořák über Julius Fučík und<br />

Pietro Mascagni bis hin zu James Barnes<br />

und Andreas Ziegelbäck mehr als<br />

würdig abgeschlossen. Wir gratulieren<br />

allen Absolventinnen und Absolventen<br />

herzlich!<br />

82


Im Zentrum des neuen Universitätslehrgangs<br />

Blasorchesterleitung<br />

(Lehrgangsleitung: Martin Fuchsberger)<br />

steht die Vermittlung von<br />

Fachwissen gleichermaßen wie die<br />

praktische Übung und Anleitung<br />

im Hinblick auf die erforderlichen<br />

Kenntnisse der Blasorchesterleitung,<br />

ebenso Lehrinhalte rund um die<br />

Führungsrolle als Kapellmeister. Ein<br />

weiterer Fokus liegt auf den Themen<br />

Arrangement und Transkription, Repertoire<br />

und Analyse sowie Methodik<br />

und Didaktik der Blasorchesterleitung<br />

(Andrzej Kucharski), kombiniert mit<br />

Übungen zu Harmonielehre, Tonsatz<br />

und Gehörbildung. Den Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmern steht ein großes<br />

Angebot von Hospitationen im<br />

Instrumentalunterricht aller Instrumente<br />

der Blasorchester­Besetzung<br />

an der Universität Mozarteum Salzburg<br />

zur Verfügung, auch werden<br />

Lehrproben bei Blasmusikkapellen<br />

sowie Übungsdirigate bei der Militärmusik<br />

Salzburg abgehalten. Dieser<br />

praktische Bereich beinhaltet eine<br />

enge Zusammenarbeit mit dem<br />

Salzburger Blasmusikverband.<br />

Der Universitätslehrgang Blasorchesterleitung<br />

steht nach positiv<br />

absolviertem Aufnahmegespräch allen<br />

offen, die bereits Kapellmeister sind<br />

oder vergleichbare Vorkenntnisse<br />

nachweisen können.<br />

83


Festkonzert<br />

„Salzburg bist du großer Töne“<br />

TEXT Chorverband Salzburg //<br />

FOTO Albert Moser<br />

Zweimal hieß es „Konzert verschoben“, beim<br />

dritten Anlauf soll es nun klappen: Das von langer<br />

Hand geplante Großkonzert im Salzburger Festspielhaus<br />

wird im Mai 2022 über die Bühne gehen.<br />

Zusammen mit dem Orchester der Salzburger Kulturvereinigung<br />

und Salzburger Chören erwartet<br />

die Besucher ein Festabend der besonderen Art.<br />

Ein Galakonzert im Großen Festkonzert, damit<br />

wollte sich der Chorverband bereits 2020 selbst<br />

beschenken. Ein großes Fest für alle Salzburger<br />

Chöre, Wegbegleiter und Freunde zum 20­jährigen<br />

Jubiläum hätte es werden sollen. Pandemiebedingt<br />

wurde aus diesem Traum vorerst nichts.<br />

Nun soll das Projekt im dritten Anlauf endlich<br />

glücken. Der 25. Mai 2022 steht ganz im Zeichen<br />

des Chorgesangs. Bereits um 18 Uhr findet unter<br />

dem Motto „Salzburg bist du großer<br />

Töne“ das Galakonzert für alle Salzburger<br />

Chöre statt. Landeschorleiter Helmut<br />

Zeilner wird mit dem Orchester der<br />

Salzburger Kulturvereinigung und ausgewählten<br />

Chören zu hören sein. Noch<br />

einmal soll auf 20 Jahre gelebte Tradition<br />

und Verbundenheit im gemeinsamen<br />

Singen feierlich­musikalisch angestoßen<br />

werden. Das Festprogramm wird<br />

unter anderem Beethovens „Ode an die<br />

Freude“ zu Gehör bringen.<br />

erklingen, sondern im Anschluss an das Konzert<br />

die ganze Altstadt zur Chorbühne werden. Eine<br />

bunte Mischung aus Chorsängerinnen und Sängern,<br />

neugierigem Auditorium und Festgästen soll<br />

die Stadt besingen und im Stil der Langen Nacht ein<br />

starkes Zeichen der Salzburger Chor szene setzen.<br />

Karten für das Galakonzert sind über die<br />

Salzburger Kulturvereinigung erhältlich. Für<br />

Mitglieds chöre im Chorverband Salzburg gibt es<br />

eine tolle Gruppenermäßigung! Die Anmeldung<br />

zur Langen Nacht der Chöre wird ab Oktober über<br />

die Homepage des Chorverband Salzburg möglich<br />

sein.<br />

Weitere Infos unter:<br />

www.chorverbandsalzburg.at<br />

Eine glückliche Fügung spielt bei<br />

diesem dritten Anlauf noch mit: der<br />

25. Mai ist der Mittwoch vor Christi<br />

Himmelfahrt und damit traditionell<br />

der Tag an dem die Lange Nacht der<br />

Chöre in Salzburg über die Bühne geht.<br />

Somit soll nicht nur das Festspielhaus<br />

Die Salzburger Altstadt wird zur Chorbühne. Nach dem Galakonzert<br />

haben alle Salzburger Chöre die Gelegenheit, bei der Langen Nacht zu<br />

singen und die stimmliche Vielfalt unserer Chorszene zu präsentieren.<br />

88


Mi, 25. Mai 2022 | 18.00 Uhr (verschoben aus <strong>2021</strong>)<br />

GALAKONZERT im Großen Festspielhaus<br />

© Chorverband Salzburg, A. Moser<br />

Salzburg bist du<br />

großer Töne!<br />

ORCHESTER DER SALZBURGER KULTURVEREINIGUNG<br />

SALZBURGER CHÖRE<br />

HELMUT ZEILNER Dirigent<br />

GERHILD ZEILNER Sopran | CHRISTA RATZENBÖCK Alt<br />

PETER SONN Tenor | MANFRED MITTERBAUER Bass Einzelkarten: € 48<br />

In Kooperation mit dem<br />

Chorverband Salzburg<br />

Waagplatz 1a (Innenhof Traklhaus) | 5020 Salzburg<br />

+43 (0)662 845346<br />

info@<strong>kultur</strong>vereinigung.com<br />

www.<strong>kultur</strong>vereinigung.com


Kalligrafie<br />

DIE KUNST DES SCHÖNEN SCHREIBENS<br />

TEXT Salzburger Heimatvereine // FOTOS Brigitte Greisberger<br />

Brigitte Greisberger aus Elixhausen hat vor zehn<br />

Jahren ihr Hobby zum Beruf gemacht und mit der<br />

„Handschrift“ den Schritt in die Selbstständigkeit<br />

gewagt.<br />

„Es herrscht Stille im Atelier. Ruhe begleitet mein Tun.<br />

Langsam führe ich meine Feder. Die Spitze kratzt leise<br />

über’s Papier. Achtsam entstehen Buchstaben. Daraus<br />

werden Wörter. Sie schreiben Geschichten.“<br />

– so erlebt und beschreibt Brigitte Greisberger<br />

ihre tägliche Arbeit.<br />

Alles begann 2005 bei einer Reise nach Venedig.<br />

Sie stolperte zufällig in ein einfaches Schreibwarengeschäft<br />

und fühlte sich auf Anhieb „angekommen“.<br />

Die Ruhe des kleinen Ladens, die ausgewählten,<br />

in Leder gebundenen Bücher und die<br />

einzigartigen Federhalter samt Federn,<br />

Tinte und Siegel zogen die gelernte<br />

Bürokauffrau in ihren Bann.<br />

Sie kaufte sich ein Starterset, das sie<br />

in Packpapier und Spagat gewickelt<br />

wie einen Schatz nach Hause trug.<br />

Da sie von Schriften und dem Umgang<br />

mit altertümlichen Schreibgeräten<br />

keine Ahnung hatte, machte<br />

sie sich auf die Suche nach Kursen<br />

und wurde fündig. Bald darauf<br />

saß sie in einem Schreibworkshop<br />

für „Englische Schreibschrift“.<br />

und einfachen Strichübungen, bevor die ersten,<br />

noch wackeligen Buchstaben entstanden. Doch es<br />

machte sich eine innere Ruhe breit, ließ sie Zeit und<br />

Raum vergessen – sie wurde eins mit dieser kreativen<br />

Art des Schaffens. Es folgten viele<br />

Stunden des Übens und Ausprobierens.<br />

Sie besuchte weitere Kurse in Österreich,<br />

Deutschland und der Schweiz, wo<br />

sie unterschiedliche Schriften lernte.<br />

Mittlerweile gehören Englische Schreibschrift,<br />

Unziale, Humanistische Kursive,<br />

Jugendstil, Fraktur, Blockschrift<br />

und Humanistische Antiqua zu ihren<br />

Lieblingsschriften. Geschrieben wird mit Breit­,<br />

Spitz­ und Redisfeder sowie mit selbstgemachten<br />

Bambusfedern, Balsaholz, Furnier, Pinsel und<br />

manch anderen Alternativen. Selbst die Untergründe<br />

sind unterschiedlich. Ob auf Papier, Pergament,<br />

Holz, Rinde, Ton, Stein, Marmor, Granit,<br />

Spanschachteln, Glaskugeln, Wänden – es bleibt<br />

immer spannend.<br />

Sie fühlte sich in die erste Klasse<br />

zurückversetzt. Es begann mit<br />

dem Kennenlernen des Materials<br />

So bunt wie das Leben sind die Farben und Schreibgeräte<br />

die Brigitte bei ihrer täglichen Arbeit verwendet.<br />

96


Darum ist die Erstellung von Ehrenurkunden<br />

stets eine Freude für sie. Mit großer Hingabe gestaltet<br />

sie die individuellen Auszeichnungen und<br />

versucht den Charakter des Vereines/der Gemeinschaft<br />

in Farbe, Form und Schrift hervorzuheben.<br />

Mit Wappen, Logo, hinterlegter Bleistiftzeichnung<br />

oder Prägung ist jede Urkunde ein Unikat. „Ein von<br />

Hand geschriebener Dank bringt die Wertschätzung<br />

außergewöhnlicher Verdienste und Leistungen<br />

besonders zum Ausdruck“, ist Brigitte Greisberger<br />

überzeugt.<br />

Im eigenen<br />

Atelier<br />

ent stehen die<br />

von Hand<br />

geschriebenen<br />

Unikate.<br />

Für ihre Auftraggeber, das sind Privatpersonen,<br />

Firmen, Vereine, Gemeinden, Pfarren, Hotels<br />

und Restaurants, kreiert sie Einladungen, Glückwunschkarten,<br />

Tisch­ und Menükarten, Urkunden,<br />

Familienchroniken, Stammbäume, Schriftenrollen,<br />

Schriftbilder, Geschenke, Gutscheine, handgebundene<br />

Bücher, Firmenlogos, Schriftzüge u. v. m.<br />

„Von der Geburt bis zur Grabtafelbeschriftung darf<br />

ich durch das ganze Leben begleiten. Es ist eine<br />

große Ehre für mich, die vielen persönlichen Momente<br />

der Menschen handgeschrieben mitzugestalten“,<br />

sagt Greisberger.<br />

Besonders am Herzen liegen ihr die Vereine.<br />

Brigitte Greisberger, geb. Forsthuber wuchs in<br />

Koppl in einer traditionellen „Vereinsfamilie” auf.<br />

Jedes Familienmitglied war bei einem Verein engagiert<br />

und an den Festtagen wurde mit den Schützen,<br />

den Goldhauben­ und Trachtenfrauen und<br />

den Trachtlern ausgerückt. So war es für Brigitte<br />

selbstverständlich, in der Jugend Mitglied und in<br />

weiterer Folge Schriftführerin des Trachtenvereines<br />

„d’Poschenstoana“ zu werden. „In dieser Zeit<br />

lernte ich, wie wichtig Zusammenhalt in und außerhalb<br />

der Familie ist. Eine Gemeinschaft wird<br />

von jedem Einzelnen getragen. Das Ehrenamt ist<br />

ein wichtiger Teil des Miteinanders in einem Ort.“<br />

In den Kalligrafie­Workshops können Interessierte<br />

selbst in die Kunst des Schönschreibens eintauchen.<br />

Anfänger und Fortgeschrittene lernen mit<br />

unterschiedlichen Materialien diverse Schriften<br />

kennen. Dabei entstehen wunderbare Billetts oder<br />

Geschenkideen. Durch das gemeinsame kreative<br />

Arbeiten in angenehmer Atmosphäre genießt man<br />

entspannende Auszeiten für die Seele. Seit einigen<br />

Jahren werden auch im Haus der <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong>en in<br />

Salzburg Kurse angeboten. Die Termine finden Sie<br />

auf www.heimatvereine.at/weiterbildungen.<br />

Wer sich persönlich von der Vielfalt der<br />

Kalligrafie verzaubern lassen möchte, hat<br />

bei diversen Ausstellungen Gelegenheit<br />

dazu und ist in Greisbergers Atelier<br />

(nach Terminvereinbarung) sehr herzlich<br />

willkommen.<br />

Kontakt:<br />

Brigitte Greisberger<br />

0664/73 35 38 60<br />

www.handschrift.co.at<br />

Brigitte schreibt auch Gedichte, die sie in kalligrafischen<br />

Werken – wie in diesem „Danke”-Billett – verewigt.<br />

97


Landespreis <strong>2021</strong><br />

„Junge Landesforschung – Salzburg“<br />

TEXT Andrea Dillinger //<br />

FOTOS Matthias Heitzmann<br />

Die Vorwissenschaftliche Arbeit (VWA) gehört<br />

zu den drei Säulen der Reifeprüfung. Neben der<br />

schriftlichen und mündlichen Prüfung haben die<br />

Kandidatinnen und Kandidaten in der Vorwissenschaftlichen<br />

Arbeit die Möglichkeit, sich intensiver<br />

mit einem Thema, das sie interessiert und das<br />

sie vertiefen wollen, auseinanderzusetzen. Der<br />

Landespreis „Junge Landesforschung – Salzburg“<br />

wird in den zwei Kategorien „Demokratiepolitische<br />

Bildung. Salzburger Gegenwarts­ und Zukunftsfragen“<br />

sowie „Geschichte und Landeskunde“<br />

vergeben.<br />

Die Kriterien für die Kategorie „Geschichte<br />

und Landeskunde“ sind ein verpflichtender Salzburgbezug<br />

in der Themenstellung und die Einbindung<br />

eines Archivs, eines Museums oder einer<br />

privaten oder öffentlichen Sammlung. Dabei wird<br />

auf die selbstständige Recherche Wert gelegt. Die<br />

drei Preisträger dieses Jahres haben eine Arbeit<br />

weit über das Geforderte hinaus verfasst, ihre Mühen<br />

werden mit dieser Auszeichnung gewürdigt.<br />

Den 3. Preis errang Moritz Buchegger mit seiner<br />

Arbeit über die historischen Bergbaustandorte im<br />

Pongau. Platz zwei ging an Mark Schmidt, der sich<br />

das „Braunkehlchen ­ ein Wiesenbrüter in Not“<br />

zum Thema nahm. Den ersten Preis gewann Matthias<br />

Heitzmann mit seiner VWA „Vier Schicksale.<br />

Meine Urgroßväter im Zweiten Weltkrieg“. Als Begründung<br />

für den ersten Preis schrieb der Juror in<br />

seinem Gutachten: Die von Matthias Heitzmann im<br />

Fach Geschichte (Betreuer: Prof. Mag. Arnold Pritz)<br />

im Schuljahr <strong>2021</strong> am Bundesgymnasium Tamsweg<br />

eingereichte Vorwissenschaftliche Arbeit widmet<br />

sich der Rekonstruktion der titelgebenden „vier<br />

Schicksale“ der Urgroßväter des Autors. […] Matthias<br />

Heitzmanns Recherche nach Primärquellen und<br />

seine quellenkritische Auseinandersetzung damit<br />

sind als überdurchschnittlich zu bewerten. Darüber<br />

hinaus versteht der Autor es, die individuellen<br />

Erlebnisse und Erfahrungen seiner Urgroßväter<br />

anhand der Sekundärliteratur in einen größeren<br />

Kontext zu stellen und entgeht damit der Gefahr,<br />

Einzelbiografien „nachzuerzählen“ und so in der<br />

Deskription zu verbleiben. Die von Heitzmann zitierte<br />

Literatur und herangezogenen Internetquellen<br />

können als grundlegende wissenschaftliche<br />

Werke bzw. Referenzen angesehen werden.<br />

Lieber Matthias, wie kam es dazu, dass du<br />

dich so intensiv mit der Geschichte deiner<br />

Urgroßväter auseinandergesetzt hast?<br />

Ich habe mich aus zwei Gründen dafür entschieden,<br />

meine Vorwissenschaftliche Arbeit zum<br />

Thema „Vier Schicksale. Meine Urgroßväter im<br />

Zweiten Weltkrieg“ zu verfassen. Zum einen wollte<br />

ich mehr über meine Familiengeschichte herausfinden,<br />

zum anderen interessiere ich mich für die<br />

Thematik des Zweiten Weltkriegs. Ich fragte mich<br />

daher, was meine vier Urgroßväter im Krieg und<br />

beim Kriegsende erlebten und wie ihre Kriegserlebnisse<br />

in die allgemeine Geschichte des Zweiten<br />

Weltkrieges einzuordnen sind. Josef Heitzmann<br />

aus Bischofshofen, Franz Hoffmann aus Altenmarkt,<br />

Alois Weilharter aus Kendlbruck bei Ramingstein<br />

und Dr. Hermann Quanditsch aus Mureck/Graz<br />

– diese vier Männer verbinden, obwohl<br />

sie unterschiedliche Dinge erlebten, die Erfahrungen,<br />

die sie in den Kriegsjahren machten und die<br />

ihr weiteres Leben maßgeblich beeinflusst haben<br />

dürften.<br />

118


Moritz Buchegger, Matthias Heitzmann, Andrea Dillinger,<br />

Thomas Mitterecker, Mark Schmidt<br />

Wie bist du an dein Vorhaben herangegangen<br />

und wie sahen die ersten Ergebnisse aus?<br />

Zur Beantwortung dieser Fragen interviewte<br />

ich meine Großväter, arbeitete Dokumente und<br />

Soldbücher aus den Familiennachlässen auf und<br />

stellte einen Kontext zur Fachliteratur her. Zudem<br />

habe ich einige Archive kontaktiert, unter anderem<br />

das Stadtarchiv Bischofshofen. Zunächst galt es den<br />

zeitlichen und örtlichen Rahmen abzustecken. Der<br />

Kriegseinsatz meiner Urgroßväter beginnt im Jahr<br />

1941, als Alois Weilharter und Josef Heitzmann eingezogen<br />

wurden. Geographisch gesehen erstreckten<br />

sich die Einsatzorte von der Ostukraine über<br />

den Balkan bis nach Südfrankreich. Während Josef<br />

Heitzmann vor allem in Frankreich stationiert war,<br />

wurden Alois Weilharter und Franz Hoffmann häufig<br />

verlegt. Alois Weilharter war in Frankreich und<br />

an der Ostfront. Gegen Kriegsende absolvierte er<br />

eine Ausbildung in der Nähe von Berlin und kam<br />

wieder nach Frankreich, wo er schließlich in Kriegsgefangenschaft<br />

geriet. Auch kam er im Rahmen<br />

seines Kriegseinsatzes bis zum Schwarzen Meer.<br />

Von August 1943 bis Mai 1945 konnte ich 17 Aufenthaltsorte<br />

lokalisieren und habe diese kartographiert,<br />

um einen besseren Überblick zu gewinnen.<br />

Erfährt man etwas über die<br />

Fronteinsätze der Urgroßväter?<br />

Über Fronteinsätze schweigt Franz Hoffmann<br />

in seinen Briefen und macht dazu keine Ortsangaben.<br />

Auch die Soldbücher von Alois Weilharter und<br />

Franz Hoffmann geben keine Auskünfte über die<br />

Fronteinsätze. Lediglich Lazarettaufenthalte nach<br />

einer Verwundung sind nachvollziehbar. Bei Alois<br />

Weilharter sind der Einsatz in Russland wie auch<br />

seine neuerliche Verlegung und Gefangenschaft<br />

nach bzw. in Frankreich nur durch die mündliche<br />

Überlieferung belegt. Bei Franz Hoffmann können<br />

aufgrund des umfangreichen Quellenmaterials ungefähre<br />

Angaben über die Dauer seiner Fronteinsätze<br />

gemacht werden. Aus seinen Briefen lässt sich<br />

erschließen, dass er von den 622 Tagen rund 70 Tage<br />

im Kampfeinsatz verbracht hat. 100 weitere Tage war<br />

er infolge von Verwundungen kampfuntauglich.<br />

119


Kriegszeit von Franz Hoffmann<br />

25.8.1943 – 8.5.1945 (622 Tage)<br />

Welche Erkenntnisse bleiben für<br />

dich nach Abschluss der VWA?<br />

34 T, 5 %<br />

70 T, 11 %<br />

70 T, 11 %<br />

415 T, 67 %<br />

■ Ausbildung Kaserne etc. ■ Einsatz<br />

■ Lazarett Verwundung ■ Urlaub<br />

Wie erlebten die Urgroßväter<br />

die Nachkriegszeit?<br />

Zwei meiner Urgroßväter kamen gegen Kriegsende<br />

in Gefangenschaft. Alois Weilharter in Frankreich<br />

und Josef Heitzmann in den Niederlanden.<br />

Beide wurden noch im Jahr 1945 entlassen. Franz<br />

Hoffmann wurde mit einem nicht ausgeheilten<br />

Bauchschuss aus dem Lazarett in Olbernhau nach<br />

Hause geschickt. Mehrfach musste er den Verband<br />

abnehmen, um anderen deutschen Einheiten und<br />

der Feldpolizei zu beweisen, dass er wirklich verwundet<br />

war. Noch im Herbst des Jahres 1945 wurde<br />

ein Projektil aus seinem Bein entfernt. Alois Weilharter<br />

war dann wieder bei seiner Familie und<br />

knüpfte an sein Leben vor dem Krieg als Krämer<br />

mit einer kleinen Landwirtschaft und später als<br />

Gastwirt an. Hermann Quanditsch, der vor dem<br />

Krieg im Ständestaat als Regierungskommissär die<br />

Agenden eines Bürgermeisters in Mureck ausgeübt<br />

hatte und nach dem Anschluss aus der Anwaltskammer<br />

ausgeschlossen worden war, wurde nach<br />

dem Krieg politisch voll rehabilitiert. Er blieb mit<br />

seiner Familie in Graz, wurde Richter und in weiterer<br />

Folge stellvertretender Präsident des steiermärkischen<br />

Landesgerichts. Franz Hoffmann übersiedelte<br />

von Altenmarkt nach Tamsweg und gründete<br />

eine Familie. Josef Heitzmann arbeitete wieder als<br />

Maler in Bischofshofen.<br />

Ich habe durch die Arbeit an<br />

dieser VWA zwei wichtige Erkenntnisse<br />

gewonnen. Einerseits begann<br />

ich die Geschichte des Zweiten<br />

Weltkrieges aus einer völlig neuen<br />

Perspektive zu betrachten. Vier<br />

unterschiedliche Biographien von<br />

vier Menschen, die miteinander<br />

wenig zu tun haben, fügten sich<br />

zu einem Gesamtbild zusammen.<br />

Die Bearbeitung individueller Einzelschicksale<br />

lässt mich erahnen,<br />

was der Krieg mit einer ganzen Generation<br />

angerichtet hat. Andererseits<br />

habe ich einen Bereich meiner<br />

Familiengeschichte erforscht und<br />

bin Menschen nähergekommen,<br />

die mit mir verwandt sind, die ich<br />

aber selbst nie kennenlernen konnte. Das trifft<br />

vor allem auf Franz Hoffmann zu. Als ich mit der<br />

VWA begann, war ich 17 Jahre alt. In diesem Alter<br />

leistete er seinen Reichsarbeitsdienst in Saarburg<br />

ab. Am Ende der VWA wäre ich altersmäßig unterwegs<br />

nach Skofja Loka zu meiner ersten Einheit unterwegs<br />

gewesen und erste „Partisaneneinsätze“<br />

wären unmittelbar bevorgestanden.<br />

Urgroßvater Alois Weilharter<br />

120


Soldbuch von<br />

Franz Hoffmann<br />

Die vier Urgroßväter von Matthias Heitzmann:<br />

Josef Heitzmann, Alois Weilharter, Franz Hoffmann<br />

und Hermann Quanditsch<br />

Josef Heitzmann<br />

in Frankreich<br />

121


Franz Meißl –<br />

23 Jahre Landeskommandant<br />

und Schützenobrist Salzburg<br />

EIN VORBILD IM EHRENAMT TRITT ZURÜCK<br />

TEXT Landesverband Salzburger Schützen //<br />

FOTOS Landesverband Salzburger Schützen<br />

Franz Meißl übergab <strong>2021</strong> nach 23<br />

Jahren seine Funktion als Landeskommandant<br />

und Schützenobrist Salzburgs<br />

in neue Hände. Das erscheint kaum<br />

vorstellbar, denn Franz Meißl gehört<br />

nicht nur für seine Schützen mittlerweile<br />

zum gewohnten Bild, sondern er<br />

ist auch für weite Teile der Bevölkerung<br />

kein Unbekannter mehr. Ganz gleich,<br />

ob bei Umzug, Sitzung, Festakt, Anton­<br />

Wallner­Gedenkfeier oder anderen Anlässen<br />

– das stattliche Erscheinungsbild<br />

von Franz Meißl ließ auch für Außenstehende<br />

keine Zweifel aufkommen: „Das<br />

MUSS der Kommandant sein.“<br />

23 Jahre sind eine lange Zeit, können<br />

aber doch wie im Flug vergehen,<br />

gerade, wenn die gestellten Aufgaben<br />

Freude bereiten und nicht zur Pflicht<br />

werden. So wirkte es jedenfalls bei<br />

Franz Meißl, denn man hatte nie das<br />

Gefühl, dass ihm die Aufgabe des<br />

Landeskommandanten keine Freude<br />

bereiten würde. Diese Freude und das<br />

Engagement dürften sich ganz offensichtlich<br />

auch auf die Mitglieder übertragen<br />

haben, denn in der Amtszeit<br />

von Franz Meißl vermehrten sich die<br />

Salzburger Schützen um elf Kompanien.<br />

Von den Vorstandskolleginnen und<br />

­kollegen des Landesvorstandes wurde<br />

er besonders für seine Umsichtigkeit<br />

und die Fähigkeit, bei unterschiedlichen<br />

Meinungen einen gemeinsamen<br />

Nenner zu finden, geschätzt. Gerne<br />

hätte er sein Amt bei einem Landesjahrtag<br />

übergeben, aber das war leider<br />

<strong>2021</strong> nicht möglich. Mit 18. Juni <strong>2021</strong><br />

übernimmt nun sein bisheriger Stellvertreter<br />

Josef Braunwieser das Amt<br />

des Landeskommandanten.<br />

Aber alles von Anfang an erzählt:<br />

Beim Jahrtag am 28. März 1998 übernahm<br />

Franz Meißl die Verantwortung<br />

für die Geschicke des Landesverbandes<br />

der Salzburger Schützen und war auch<br />

als Beirat im Forum Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong><br />

tätig. Keine leichte Aufgabe, denn<br />

die Landschaft der Salzburger Schützen<br />

ist so wie ihr Erscheinungsbild sehr<br />

bunt. Zudem war sein Terminkalender<br />

mit seinen Funktionen als Bürgermeister<br />

der Marktgemeinde Werfen und als<br />

Hauptmann des Struberschützenkorps<br />

bereits dicht gefüllt. Für den umtriebigen<br />

und engagierten Franz Meißl war<br />

dies aber kein Hindernis, Meilensteine<br />

für die Zukunft zu setzen.<br />

Seit 1999 werden Sicherheitskurse<br />

für Prangerstutzen­ und Gewehrschützen<br />

durchgeführt. Sie sind mittlerweile<br />

Standard bei den Salzburger Schützen<br />

und jedes Jahr gut besucht. Fachkundige<br />

Expertinnen und Experten referieren<br />

über rechtliche Angelegenheiten,<br />

Gehörschutz, Schützenbrauch und<br />

natürlich vor allem über die sichere<br />

Handhabung von Stutzen, Gewehren<br />

und Schwarzpulver. Ebenso zukunftsweisend<br />

war bei diesem Themenbereich<br />

das Engagement Franz Meißls<br />

hinsichtlich der Verschärfung des Waffengesetzes<br />

2017/2018. Laut dem Gesetz<br />

122


Franz Meißl 2018<br />

am Heldenplatz<br />

wäre das Abfeuern von Salutschüssen<br />

mit Salutgewehren nicht mehr möglich<br />

gewesen. Es konnte mit Unterstützung<br />

des Landes erreicht werden, dass die<br />

Salutgewehre nicht unter das neue Waffengesetz<br />

fallen, wenn diese bei den<br />

Bezirksbehörden gemeldet sind. Somit<br />

steht auch weiterhin dem Salutschießen<br />

nichts im Wege.<br />

Im September 2003 wurde das Bild<br />

des Landesverbandes um eine Facette<br />

bunter, denn im Dom zu Salzburg<br />

wurde die neue Landesfahne geweiht.<br />

Nachdem mit Unterstützung des Landes<br />

die Finanzierung sichergestellt werden<br />

konnte, erfolgte gemeinsam mit<br />

Schützensuperior Hans Paarhammer,<br />

Hofrätin Friederike Zaisberger und<br />

Referatsleiterin der Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong><br />

Lucia Luidold die Gestaltung der<br />

Fahne. Der Festakt am Residenzplatz<br />

mit ca. 1.200 Schützen war Anlass für<br />

die Schaffung von Bezirksfahnen, die es<br />

mittlerweile in jedem Bezirk gibt.<br />

Hans Paarhammer spielte in der<br />

gesamten Amtszeit eine wichtige Rolle<br />

und bildete eine Säule des Schützenwesens.<br />

2012 wurde er zum Landesschützendekan<br />

und ihm zu Ehren wurde 2015<br />

eine Medaille benannt. Bereits 2014 gab<br />

es Überlegungen, eine neue Medaille zur<br />

Verleihung für besondere Verdienste um<br />

das Schützenwesen zu kreieren. Es war<br />

schnell klar, dass diese bereits zu Lebzeiten<br />

des Namensträgers erstellt werden<br />

sollte. Nach eingehenden Beratungen<br />

und Rücksprachen konnte der stolze<br />

Landeskommandant Meißl die höchste<br />

Auszeichnung Hans Paarhammer selbst<br />

bei der Anton­Wallner­Gedenkfeier in<br />

Eben im Pongau verleihen.<br />

Als Landeskommandant war Franz<br />

Meißl bei unzähligen Ehrungen, Festakten<br />

und Festen mit dabei. Besonders<br />

in Erinnerung dürfte das Landesschützenfest<br />

2009 in Pass Lueg – Stegenwald<br />

geblieben sein. Zum Jubiläum „100<br />

Jahre Struberschützenkorps Werfen“<br />

fand unter dem Kommando von Franz<br />

Meißl ein großes Landesfest statt, zu<br />

welchem neben Schützenkompanien<br />

und Musikkapellen des Landes auch<br />

Kompanien aus Südtirol und den anderen<br />

Bundesländern Österreichs kamen.<br />

Im Festzelt fanden 6.000 Personen<br />

123


Platz und ein besonderes Ereignis war<br />

die Kampfnachstellung am Pass Lueg.<br />

Beim Fest mit eingebunden waren auch<br />

noch andere Projekte wie das Buch<br />

„Frieden – Schützen“, welches die Franzosenkriege<br />

im Dreiländereck Bayern<br />

– Salzburg – Tirol von 1792 bis 1816<br />

beschreibt, und eine Schützenausstellung<br />

auf der Burg Werfen.<br />

Ebenso wie bei Festen gehörte<br />

Franz Meißl auch bei der Anton­<br />

Wallner­Gedenkfeier mit ins gewohnte<br />

Bild. Diese wird jedes Jahr in einer<br />

anderen Gemeinde abgehalten, was für<br />

die örtliche Schützenkompanie wie für<br />

die gesamte Gemeinde eine Ehre ist.<br />

Eine besondere Feier war die im Jahr<br />

2016 in der Landeshauptstadt Salzburg.<br />

Anlässlich der Feierlichkeiten „200<br />

Jahre Salzburg bei Österreich“ boten<br />

Schützenkompanien und Musikkapellen<br />

aus Salzburg, Tirol, Südtirol und<br />

Bayern ein imposantes Bild. Für alle<br />

Teilnehmenden fand der Festakt am<br />

Residenzplatz einen würdigen<br />

Abschluss in der Residenz selbst.<br />

Zwei Jahre später wurde es allerdings<br />

noch imposanter. Nach kurzer<br />

Vorbereitungszeit fanden sich am 21.<br />

Oktober 2018 4.300 Schützen, Musikerinnen<br />

und Musiker des Bundeslandes<br />

Salzburg und Abordnungen aus ganz<br />

„Viele Stunden flossen in diese ehrenamtliche<br />

Aufgabe und die kurze Rückschau<br />

kann den Wert, die Stunden und<br />

Bemühungen nicht wiedergeben.“<br />

Österreich und Südtirol in Wien am<br />

Heldenplatz ein und setzten zum Jubiläum<br />

„100 Jahre Republik Österreich“<br />

ein besonderes Zeichen. Dem Vorbereitungsteam<br />

(Gabi Beran, Heinz Hufler,<br />

Franz Meißl) war es gelungen, alles<br />

vorzubereiten, die Schützenkompanien<br />

zu motivieren und den „Marsch auf<br />

Wien“ perfekt zu organisieren. Für alle<br />

teilnehmenden Vereine und Besucher<br />

war der farbenprächtige Aufmarsch<br />

ein besonderes Erlebnis und für Franz<br />

Meißl der Höhepunkt seiner bisherigen<br />

Laufbahn als Landeskommandant. Ein<br />

Jahr später folgte gleich ein weiterer mit<br />

der Kranzniederlegung und Gedenktafelenthüllung<br />

in Villa Lagarina (Italien)<br />

anlässlich des 400. Wahljubiläums<br />

von Fürsterzbischof Paris Graf Lodron.<br />

Franz Meißl war in seiner gesamten<br />

Laufbahn der Zusammenhalt der<br />

Schützen, die Zusammenarbeit mit Bezirks­,<br />

Landesvorständen und den<br />

Vertretern der Landesregierung<br />

wichtig. Gerade der Zusammenhalt,<br />

also die Stärkung des Fundamentes<br />

war ihm vor der Übergabe<br />

des Amtes eine Herzensangelegenheit.<br />

Viele Stunden flossen in<br />

diese ehrenamtliche Aufgabe und<br />

die kurze Rückschau kann den<br />

Wert, die Stunden und Bemühungen<br />

nicht wiedergeben.<br />

Lieber Franz, Danke für dein<br />

Wirken als Landeskommandant, als<br />

Vorbild, als Zuhörer, als Vordenker und<br />

als Umsetzer von Ideen.<br />

124


Neuer Landeskommandant<br />

für über 6.000 Salzburger<br />

Schützen: Josef Braunwieser<br />

TEXT Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> // FOTOS Salzburger Landesschützenverband<br />

Mit Josef „Sepp“ Braunwieser hat der Salzburger<br />

Landesschützenverband einen neuen Landesobmann<br />

bzw. Landeskommandanten bekommen. Mit<br />

seinen Stellvertretern Albert Planitzer und Anton<br />

Kaufmann übernahm er offiziell bei der Anton­<br />

Wallner­Feier am 5. September das Ehrenamt. Josef<br />

Braunwieser ist bei den Salzburger Schützen kein<br />

Unbekannter. Wir wollten dennoch mehr über den<br />

neuen Landeskommandanten erfahren und haben<br />

ihn für ein Interview besucht. Lernen Sie mit uns<br />

den neuen Landeskommandanten etwas besser<br />

kennen.<br />

Lieber Josef, lieber Sepp, vielen Dank für deine<br />

Zeit und für die Einladung. Viele Menschen kennen<br />

dich bereits, aber für die, die dich noch nicht so<br />

gut kennen: Was genau macht Josef Braunwieser,<br />

wenn er keine Uniform trägt?<br />

Ich bin Vollerwerbslandwirt in Bergheim, das<br />

heißt, ich bin den ganzen Tag entweder bei den Tieren<br />

im Stall oder mit dem Traktor auf der Wiese.<br />

Mit 90 Stück Vieh gibt es genug Arbeit und auch<br />

Wiesen und Felder benötigen gerade in der Erntezeit<br />

sehr viel Pflege. Aber ich bin mit Leib und Seele<br />

Bauer und einen anderen Beruf könnte ich mir<br />

nicht vorstellen.<br />

Arbeitet die Familie ebenfalls am Hof mit?<br />

Ich hatte das Glück „die Richtige“ zu finden.<br />

Meine Frau arbeitet wie auch meine Kinder am Hof<br />

mit. Ohne die Hilfe wäre es gar nicht möglich, die<br />

Funktion des Landeskommandanten zu übernehmen.<br />

Den Betrieb habe ich 1992 von meinem Vater<br />

übernommen, ständig erweitert und weiter aufgebaut<br />

und ich hoffe, dass der Hof noch lange weitergeführt<br />

wird.<br />

Wie bist du zu den Schützen gekommen?<br />

Das wurde mir in die Wiege gelegt. Mein Großvater<br />

war Schützenhauptmann in Bergheim und<br />

auch der andere Großvater war mit Leib und Seele<br />

bei den Schützen dabei. Ich bin 1985 zu den Prangerschützen<br />

gekommen, 1990 wurde ich Fähnrich,<br />

1993 Hauptmannstellvertreter und von 1998 bis<br />

2020 war ich Schützenhauptmann in Bergheim.<br />

125


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60 Jahre Bischofshofener<br />

Amselsingen<br />

TEXT Martina Mayr und Klaus Vinatzer //<br />

FOTOS Susanne Reisenberger, Sbg. Saitenensemble, Michaela Complojer, Alpenlandler<br />

Das Bischofshofener Amselsingen<br />

ist eine der traditionsreichsten<br />

<strong>Volks</strong><strong>kultur</strong>veranstaltungen<br />

im Alpenraum und<br />

findet stets am 2. Samstag<br />

im Oktober in der Hermann­<br />

Wielandner­Halle in Bischofshofen<br />

statt.<br />

Die seit 1950 jährlich in<br />

Bischofshofen abgehaltenen<br />

Ostersingen wurden 1960<br />

auf Initiative von Cassio Castelpietra<br />

und Bürgermeister<br />

Hermann Wielandner mit<br />

dem <strong>Volks</strong>musikpreis um die<br />

„Bischofshofener Amsel“ weitergeführt.<br />

Ab 1971 wurde<br />

der Bewerb in ein und Sänger­<br />

und Musikantentreffen<br />

umgewandelt. Dem Ziel, „das<br />

bodenständige, echte <strong>Volks</strong>lied<br />

und die echte <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> zu<br />

erhalten“, blieb das Amselsingen<br />

bis heute treu.<br />

Mit dabei sind herausragende<br />

Gruppen aus Österreich,<br />

Bayern und Südtirol, die jeweils von der<br />

künstlerischen Leitung ausgewählt und von der<br />

Stadtgemeinde eingeladen werden. Die Mitwirkenden<br />

bringen in unverwechselbarer Musizier­ und<br />

Singweise die Vielfalt der <strong>Volks</strong>musik zum Erklingen.<br />

Traditionell sind immer auch heimische Gruppen<br />

ver treten.<br />

Veranstalter des Bischofs hofener Amselsingens<br />

sind die Stadtgemeinde Bischofshofen, der Verein<br />

Die Alpenlandler Musikanten, aus allen Regionen des<br />

alpenländischen Raumes kommend, fanden sich 2012 in<br />

Wals/Salzburg bei einem Auftritt zusammen.<br />

„D’Hochgründecker“ und das Salzburger <strong>Volks</strong>liedwerk.<br />

Die Organisation erfolgt in Zusammenarbeit<br />

mit einem Team der Stadtgemeinde, seit 2019<br />

unter der Leitung von Theresia Saller. Ihre Vorgänger<br />

waren Josef Auer und Hans Pokorny mit Jakob<br />

Rohrmoser.<br />

Drei fachkundige Persönlichkeiten zeichnen<br />

seit 2015 für die musikalische Leitung des Bischofshofener<br />

Amselsingens verantwortlich.<br />

139


SALZBURGER VOLKSLIEDWERK<br />

ORF­Moderatorin Caroline Koller führt seit<br />

2011 charmant durch das Amselsingen. In fachkundiger<br />

und liebenswerter Weise versteht sie es<br />

wie keine andere, die Vielfalt der <strong>Volks</strong>musik zu<br />

vermitteln.<br />

„Auf das 60-Jahr-Jubiläum des Amselsingens<br />

freue ich mich ganz besonders, weil es einmal mehr<br />

zeigen wird, wie sehr die <strong>Volks</strong>lieder und die Musik<br />

aus den jeweiligen Regionen ganze Generationen miteinander<br />

verbindet.“<br />

Martina Mayr, ehemalige <strong>Volks</strong>schullehrerin<br />

und als solche beispielgebend in der Musikerziehung<br />

tätig, ist im Chorwesen tief verwurzelt.<br />

„Das Amselsingen ist so wie ich in Bischofshofen<br />

geboren und seitdem hier beheimatet. Uns beiden<br />

gemeinsam ist die Liebe zum Singen. Singen als ursprünglichste<br />

musikalische Ausdrucksform ist die<br />

Sprache der Seele und eine alles verbindende Herzensangelegenheit.“<br />

Das Frauenquartett De cater stammt<br />

aus dem Grödnertal in Südtirol. Seit<br />

1998 singen sie zu viert a-cappella,<br />

in ladinischer und deutscher Sprache.<br />

Klaus Vinatzer, Direktor im Musikum und<br />

führend im Blasorchesterwesen, bringt sich mit<br />

seinem Fachwissen auch im organisatorischen Bereich<br />

des Amselsingens ein.<br />

„Meine musikalische Wurzel ist die <strong>Volks</strong>musik.<br />

In Verbindung mit Professionalität und persönlichem<br />

Dem Kirchenchor Bischofshofen ist neben seinen liturgischen Aufgaben die Pflege der a-cappella-Literatur<br />

des 17.-21. Jahrhunderts und vor allem die Pflege des <strong>Volks</strong>liedes ein großes Anliegen.<br />

140


SALZBURGER VOLKSLIEDWERK<br />

Die Mitglieder des Salzburger Saitenensembles. Sie verbindet die Freude am<br />

gemeinsamen Musizieren und die freundschaftliche Verbindung zueinander.<br />

Engagement soll das Amselsingen als wunderschöner<br />

Akkord in der vielfältigen Musiklandschaft erklingen.“<br />

Von 1972 an leitete Harald Dengg, viele Jahre<br />

auch gemeinsam mit Josef Wimmer, das Amselsingen.<br />

Ab 1990 war Hans Pokorny, unterstützt von<br />

Jakob Rohrmoser und anfänglich auch von Philipp<br />

Meikl, dafür verantwortlich. Ab 2011 setzte Alexander<br />

Maurer neue Maßstäbe für die Veranstaltung.<br />

Die Moderatoren des ORF­Landesstudios Salzburg<br />

Fritz Schwärz, Bertl Göttl und Caroline Koller<br />

waren und sind Garanten für spannende und kurzweilige<br />

Festabende.<br />

Von 1973 bis 1989 führte Fritz Schwärz in kompetenter<br />

und liebenswürdiger Art und Weise durch<br />

das Amselsingen. 1990 übernahm Bertl Göttl die<br />

Moderation und drückte der Veranstaltung seinen<br />

unvergleichlichen Stempel auf. Seit 2011 freut sich<br />

das Publikum auf die seit Jahrzehnten in Radio und<br />

Fernsehen bekannte und beliebte Caroline Koller.<br />

Ab 1997 war jährlich auch der Sieger des SN­<br />

Preises beim Festabend dabei. Dieser Preis der<br />

Vössing­Stiftung wurde ab 2006 im Zweijahresrhythmus<br />

vergeben. Er wird nun als „Salzburger<br />

<strong>Volks</strong>musikpreis” weitergeführt und vom Salzburger<br />

<strong>Volks</strong>liedwerk und der Vössing­Stiftung veranstaltet.<br />

Sieger des „Salzburger <strong>Volks</strong>musikpreises<br />

<strong>2021</strong>“ ist die Familienmusik Eßl mit der siebenjährigen<br />

Rosa auf der Geige, dem neunjährigen Andreas<br />

auf der diatonischen Harmonika und ihrem<br />

Vater Andreas, der sie auf der Gitarre begleitet.<br />

Das Salzburger <strong>Volks</strong>liedwerk ist seit 1972, damals<br />

noch unter dem Namen Salzburger Heimatpflege,<br />

Partner des Amselsingens, ebenso wie das ORF­<br />

Landesstudio Salzburg.<br />

Folgende Gruppen gestalteten das Bischofshofener<br />

Amselsingen am Samstag, 9. Oktober <strong>2021</strong>,<br />

20 Uhr, in der Hermann­Wielandner­Halle:<br />

// Alpenlandler Musikanten<br />

// de cater<br />

// Diatonische Expeditionen<br />

// Familienmusik Eßl<br />

// Geigenmusi Kiesenhofer<br />

// Kirchenchor Bischofshofen<br />

// Perlseer<br />

// Pongauer Bläser<br />

// Salzburger Saitenensemble<br />

141


SALZBURGER VOLKSLIEDWERK<br />

„60 Jahre Bischofshofener Amselsingen, ein musikalisches<br />

Klangerlebnis mit einer sehr bewegten<br />

Geschichte. Trotz des Wandels der Zeit blieb das Amselsingen<br />

seinem Anspruch immer treu. Das Ziel liegt<br />

in der wertschätzenden und liebevollen Überlieferung<br />

traditioneller <strong>Volks</strong>musik. Dabei wurde seit jeher Wert<br />

darauf gelegt, sich keineswegs dem Neuen zu verschließen,<br />

trotzdem vordergründig das Traditionelle<br />

in seinem Ursprung zu erhalten. Als Bürgermeister<br />

möchte ich mich bei allen ganz herzlich bedanken, die<br />

über Jahrzehnte hinweg die wertvollen Beiträge dafür<br />

geleistet haben, dass das Amselsingen in dieser unverwechselbaren<br />

Form erhalten bleibt.“ Bürgermeister<br />

Hansjörg Obinger<br />

Die Familienmusik Eßl ging aufgrund ihres natürlichen,<br />

aber unglaublich musikantischen Spiels als Sieger des<br />

Salzburger <strong>Volks</strong>musikpreises <strong>2021</strong> hervor.<br />

ZUR BIOGRAFIE<br />

DES AMSELSINGEN-<br />

MITBEGRÜNDERS<br />

Cassio Castelpietra<br />

* Lofer 19.08.1898,<br />

† Bischofshofen 25.05.1967<br />

TEXT Wolfgang Dreier-Andres<br />

Vorbemerkung: Eine mehr zufalls- als<br />

absichtsgeleitete Online-Recherche ergab<br />

Hinweise auf Castelpietras Vergangenheit<br />

als Mitglied der Waffen­SS. Da<br />

ich in der deutschsprachigen Literatur<br />

bisher keine Hinweise darauf gefunden<br />

habe, habe ich im Hinblick auf<br />

Veröffentlichungen zur anstehenden<br />

Jubiläumsveranstaltung dem Organisationsteam<br />

des Amselsingens meine<br />

Rechercheergebnisse mitgeteilt und<br />

wurde daraufhin gebeten, untenstehenden<br />

biografischen Abriss zu erarbeiten.<br />

Zwar hat Castelpietras Karriere<br />

bei der Waffen­SS nichts mit seinen<br />

Verdiensten um das Amselsingen zu<br />

tun, jedoch ist man sich einig, dass dieser<br />

Aspekt nicht verschwiegen werden<br />

sollte – allein schon, um transparent<br />

zu machen, dass die heutige Veranstaltung<br />

nichts mit dem politischen<br />

und weltanschaulichen Denken und<br />

Handeln Castelpietras zu tun hat. Die<br />

bisher vorliegenden Fakten sind Ergebnisse<br />

erster Recherchen und erheben<br />

keinen Anspruch auf Vollständigkeit<br />

– sie sind vielmehr als Arbeitssammlung<br />

zu sehen, auf der weiter aufgebaut<br />

werden kann.<br />

In Salzburg vor allem als Mitbegründer<br />

des Amselsingens bekannt,<br />

kam der studierte Arzt Dr. Cassio<br />

Castelpietra eigentlich aus der Trachtenvereinsszene:<br />

Das Medizinstudium<br />

in Innsbruck schloss er 1925 mit der<br />

Promotion ab – bereits zu dieser Zeit<br />

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