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ISSN 1563-2881 // VKP: € 9,50<br />
45. JAHRGANG // OKTOBER <strong>2021</strong><br />
BRÄUCHE // EINBLICKE // MENSCHEN // TANZ // MUSIK //<br />
AUS DEM INHALT<br />
Klein, fein, bodenst@ndig // Neuer Landeskommandant für<br />
Salzburger Schützen // Fortbildungen und Wettbewerbe
we
te.<br />
Menschen, die ihre<br />
Werte gemeinsam leben,<br />
beziehen daraus<br />
die Kraft der<br />
Verbundenheit.
„Neue <strong>Volks</strong>musik,<br />
neue Energie mit<br />
Bodenhaftung – es<br />
muss immer der<br />
Boden spürbar sein.“<br />
Manfred Baumann<br />
künstlerischer Leiter<br />
Festival Bodenst@ndig<br />
Coverbild: Albert Moser<br />
Rückseitenbild: Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong><br />
IMPRESSUM:<br />
Redaktion: Berta Wagner, Hieronymus Bitschnau,<br />
Adolf Freudl, Wolfgang Dreier-Andres<br />
Satz, Gestaltung und Konzept: Die fliegenden Fische<br />
Werbeagentur GmbH, www.diefliegendenfische.at<br />
Lektorat: Johanna Weber<br />
Textnachdruck in Zeitungen und Zeitschriften ausschließlich<br />
mit Genehmigung des Autors und Quellenangabe<br />
(Zeitschrift der Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong>).<br />
Je nach Vorgabe der Autorinnen und Autoren werden<br />
geschlechtsspezifische Formulierungen verwendet.<br />
Wo dies nicht der Fall ist, ist es der Textökonomie<br />
geschuldet.<br />
Herausgeber und für den Inhalt, Abbildungsbeschriftungen<br />
und Fotonachweise verantwortlich:<br />
Forum Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong>. Irrtümer, Änderungen und<br />
Druckfehler vorbehalten. Die Zeitschrift der Salzburger<br />
<strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> erscheint zweimal jährlich.<br />
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Zweimal jährlich Zeitschrift der Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong><br />
und Weiterbildungskalender (Sie finden wichtige<br />
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reich bebilderten Wandkalender)<br />
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BESTELLUNG:<br />
Forum Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong>, Postfach 527,<br />
5010 Salzburg<br />
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5010 Salzburg<br />
+43 (0) 662 8042-3062, volks<strong>kultur</strong>@salzburg.gv.at<br />
www.salzburgervolks<strong>kultur</strong>.at<br />
4
Liebe Freunde der<br />
Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong>!<br />
TEXT Berta Wagner // FOTO Christian Haggenmüller<br />
Als ich am Hohen Weg vom Salzburger<br />
Nonntal, vorbei am Kloster Nonnberg in Richtung<br />
Salzburger Altstadt unterwegs war, wurde mir<br />
wieder bewusst, in welchem besonderen Kulturland<br />
wir leben dürfen. Am Hohen Weg entlang<br />
bot sich ein einzigartiger Ausblick: zu rechter<br />
Hand die Festung Hohensalzburg, links der Blick<br />
über die Dächer der Salzburger Altstadt mit den<br />
imposanten Kirchtürmen bis hin zum Kapuzinerkloster<br />
und zum Museum der Moderne auf dem<br />
Mönchsberg und alles verpackt in das Grün der<br />
Salzburger Stadtberge.<br />
Aus der Kirche erklangen Orgeltöne, vom<br />
Kajetanerplatz herauf waren Jazzklänge zu hören,<br />
am Domplatz sangen zwei junge Studentinnen<br />
Opernarien und am Residenzplatz spielten mit<br />
Begeisterung die Straßenmusiker des Salzburger<br />
<strong>Volks</strong>liedwerkes zur Freude der Zuhörer.<br />
Salzburg ist ein Kulturland der besonderen<br />
Art und Vielfalt, und das nicht nur in der Stadt,<br />
sondern vor allem auch in den Bezirken. Dort<br />
ist der <strong>kultur</strong>elle Reichtum geprägt durch die<br />
verschiedenen Baustile der Häuser, Unterschiede<br />
in Sprache, Tracht, Musik, Lied, Tanz, Bräuchen,<br />
Traditionen, Museen und Arbeitswelten. Neben<br />
dem <strong>kultur</strong>ellen Erbe sind es aber vor allem die<br />
Menschen, die das Land so sympathisch machen.<br />
In einer Zeit, in der <strong>kultur</strong>elle Veranstaltungen<br />
nicht möglich waren, wurde uns bewusst, wie sehr<br />
uns Kultur fehlt, wieviel Energie und Freude von<br />
ihr ausgeht. Und eines muss uns auch bewusst<br />
sein: Kultur und vor allem <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> lebt durch<br />
die Menschen, die ehrenamtlich viel Zeit, Geld,<br />
Begeisterung, Empathie und Können investieren.<br />
Wie heißt es so schön: „ohne Geld koa Musi“.<br />
Ich glaube, da dürfen wir uns in Salzburg auch<br />
nicht beklagen, die öffentliche Hand und die<br />
Salzburger Landesregierung fördert und unterstützt<br />
unsere Kultur sehr großzügig – es könnte<br />
natürlich immer noch mehr sein, aber ich glaube,<br />
das liegt in der Natur der Sache. Danke an das<br />
Land Salzburg und an die Gemeinden für die<br />
Mitfinanzierung unserer Kulturschätze und<br />
volks<strong>kultur</strong>ellen Aktivitäten. Gemeinsam mit<br />
den Ehrenamtlichen in den Vereinen, den Kulturschaffenden<br />
und den Geldgebern können wir<br />
unsere Kultur im Land Salzburg bewahren,<br />
leben und weiterentwickeln – danke dafür!<br />
5
Überblick<br />
54<br />
23<br />
Vorwort ____________________ 5<br />
Einblicke<br />
Zukunftsprozess – Forum Salzburger<br />
<strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> Phase 1 _______________ 10<br />
Vom Reichsverband<br />
zum Landesverband ______________ 12<br />
Festival für neue <strong>Volks</strong>musik –<br />
Bodenst@ndig <strong>2021</strong> _______________ 20<br />
Vom Wunder der Geburt ___________ 23<br />
Dieser Mann brennt für die<br />
<strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> – und für Gott _________ 27<br />
Der „Pongauer Hahn“<br />
kräht wieder ______________________ 28<br />
Das pfeift! Die Orgeln von Bad<br />
Dürrnberg, SchüttdorfZell am See,<br />
Maria Alm und Saalfelden _________ 31<br />
Das Vereinswesen in den Niederlanden<br />
des 16. / 17. Jahrhunderts __________ 36<br />
Vor 500 Jahren:<br />
Drei Geschwister starben 1521 _____ 44<br />
Johannes Nepomuk –<br />
Salzburgs FünfSternePatron _____ 48<br />
Die Sammlung neu sehen – Das<br />
Fotoarchiv des Freilichtmuseums<br />
im Wandel des Blicks ______________ 54<br />
Zwischen Mozartkugeln, Dirndln<br />
und Salzburger Bräuchen _________ 61<br />
BEURLE – Das Haus für Trachten ___ 69<br />
Salzburger Marionettentheater ____ 70<br />
Konzerte, Fortbildungen,<br />
Ausstellungen ____________________ 78<br />
Kulturverbände<br />
Blasmusik<br />
Universitätslehrgang<br />
Blasorchesterleitung ______________ 82<br />
Junge Blasmusiktalente auf der Bühne<br />
mit den Wiener Philharmonikern __ 84<br />
Chöre<br />
1. Sing und Dirigierwoche<br />
Salzburg _________________________ 86<br />
Festkonzert<br />
„Salzburg bist du großer Töne“ ____ 88<br />
Petition: Musik braucht eine<br />
Stimme im Bildungswesen ________ 90<br />
Heimatvereine<br />
Musizierwoche für Kinder und<br />
Jugendliche in Eben <strong>2021</strong> __________ 94<br />
Musizierwoche Mauterndorf <strong>2021</strong> __ 95<br />
Kalligrafie – Die Kunst des<br />
schönen Schreibens _______________ 96<br />
Aus Krisen entsteht Neues _________ 98<br />
Lungauer Fibel für Tracht,<br />
Mundart und <strong>Volks</strong>lieder _________ 101<br />
<strong>Volks</strong>tanz<br />
ARGE <strong>Volks</strong>tanz unter dem<br />
Dach des Landesverbandes<br />
der Heimatvereine _______________ 103<br />
6
106 135<br />
Museen<br />
70. Geburtstag –<br />
DDr. Bernhard Iglhauser __________ 105<br />
Museumsfest Altenmarkt<br />
„50 + 1 Jahre Hoamathaus<br />
Altenmarkt“ _____________________ 106<br />
MONUMENTO SALZBURG 2022 –<br />
Die Messe für unser Kulturerbe ___ 109<br />
Nationalsozialismus in St. Gilgen:<br />
Strukturen – Täter – Opfer ________ 112<br />
Landespreis <strong>2021</strong> „Junge<br />
Landesforschung – Salzburg“ _____ 118<br />
Schützen<br />
Franz Meißl – 23 Jahre<br />
Landeskommandant und<br />
Schützenobrist Salzburg _________ 122<br />
Neuer Landeskommandant<br />
für über 6.000 Salzburger<br />
Schützen: Josef Braunwieser ______ 125<br />
62. AntonWallnerGedenkfeier<br />
in St. Johann im Pongau __________ 129<br />
<strong>Volks</strong>LiedWerk<br />
Archivbetrieb <strong>2021</strong> – zwischen<br />
Digitalisierung, Katalogisierung<br />
und zwei neuen Nachlässen ______ 131<br />
Das Archiv im <strong>Volks</strong>liedwerk<br />
ist lebendig! _____________________ 135<br />
Junge Preisträger beim „Salzburger<br />
<strong>Volks</strong>musikpreis <strong>2021</strong>“ ___________ 137<br />
60 Jahre Bischofshofener<br />
Amselsingen ____________________ 139<br />
Kulturmenschen<br />
Nachrufe<br />
Nachruf<br />
Roswitha Meikl (1954–<strong>2021</strong>) ______ 144<br />
Trauer um Heidi Gräfin<br />
zu CastellCastell ________________ 149<br />
Mediatheke<br />
Kartoffelschaukochen, illegale<br />
Kämpferinnen und Krieg. Frauen im<br />
nationalsozialistischen Salzburg _ 150<br />
Autorinnen und Autoren _________ 152<br />
70<br />
7
8<br />
fok
us.<br />
Neues kennenlernen,<br />
den Fokus ändern,<br />
hinter Kulissen schauen:<br />
Es ist die Vielfalt,<br />
die Freude schafft.<br />
9
Vom Reichsverband<br />
zum Landesverband<br />
EIN WERKSTATTBERICHT<br />
TEXT Hieronymus Bitschnau // FOTOS Salzburg Museum,<br />
Bund der Österr. Trachten- und Heimatverbände, Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong><br />
Das Projekt zur Erforschung der Geschichte der<br />
Institution Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> ist im letzten<br />
halben Jahr wieder um einige Fakten, Details und<br />
Bilder bereichert worden und weitere 750 Seiten<br />
Kurrentschrift sind transkribiert. Aktueller Stand<br />
ist die vollständige Transkription der Protokollbücher<br />
des Österreichischen Reichsverbandes für Alpine,<br />
<strong>Volks</strong> und Gebirgstrachtenvereine, die sich<br />
im Archiv des Hauses befinden. Neue Funde brachten<br />
neue Erkenntnisse und es sind bereits Korrekturen<br />
zum ersten Werkstattbericht notwendig.<br />
Eine weitere Korrektur soll gleich zu Beginn<br />
erwähnt werden. Durch den Fund eines Fotos des<br />
Reichsverbandsausschusses von 1925 mit sämtlichen<br />
Namen im Salzburg Museum, welches bis<br />
auf eine Position dem von 1921 gleicht, konnten<br />
mehr Personen als bisher identifiziert werden. So<br />
ist nicht der Obmann der Alpinia, August Neubauer,<br />
1921 abgebildet, sondern der Sekretär Erich<br />
Schmuck. August Neubauer taucht dann aber zweifelsfrei<br />
auf dem Foto von 1932 auf, dazu im Laufe<br />
des Werkstattberichtes mehr.<br />
Bei der ersten Sichtung der bisher unbekannten<br />
Bestände war ein Protokollbuch nur mit den<br />
Jahren „1932 – 33“ gekennzeichnet und reihte sich<br />
so in die Reihe der Protokollbücher des Reichsverbandes<br />
ein. Erst kürzlich stellte sich heraus, dass<br />
dieses Protokollbuch nicht dem Reichsverband<br />
zuzuordnen ist, sondern dem Bund der<br />
ArbeitertrachtenErhaltungsvereine.<br />
Die Anfänge der Protokolle gleichen<br />
denen des Reichsverbandes, weswegen<br />
das Buch falsch zugeordnet wurde. Niemand<br />
kann sich erklären, wie dieses<br />
Protokollbuch in den Besitz unseres<br />
Hauses gekommen ist. Es ist aber ein<br />
interessanter Fund, denn viele Vereine<br />
traten immer wieder aus dem Reichsverband<br />
aus, um nach kurzer Zeit wieder<br />
beizutreten oder ganz aus den Protokollen<br />
zu verschwinden. Möglich wäre,<br />
dass einige Vereine beim „Konkurrenzverband“<br />
auftauchen. Die Transkription<br />
steht noch aus, aber die erste Sichtung<br />
ergab, dass die Sitzungen hauptsächlich<br />
in Wien im 12. Gemeindebezirk<br />
im „Gasthof Türk“ stattfanden. Selbige<br />
wurden dann mit dem Ruf „Freundschaft“<br />
beendet.<br />
Wiederaufnahme der<br />
Tätigkeit 1919<br />
Die vorerst letzte Sitzung des Reichsverbandes<br />
zur Zeit der Donaumonarchie fand am 13. Februar<br />
1915 statt. Am 10. Mai 1919 setzte der Ausschuss<br />
Abb. 1: Postkarte 1921, Reihe sitzend v. l. n. r.:<br />
Erich Schmuck, Ehrenobmann Hans Tiator, Obmann Anton Prodinger,<br />
Schriftleiter und 2. Obmann Franz Obereder und Hans Schorn<br />
12
seine Tätigkeit in der „Republik DeutschÖsterreich“<br />
fort und traf sich wieder im Verbandsheim<br />
Gasthof zum Mohren, welches immer noch Franz<br />
Obereder gehörte. 16 Personen fanden sich ein und<br />
im Wesentlichen blieb der Vorstand gleich, was darauf<br />
schließen lässt, dass alle den Ersten Weltkrieg<br />
überstanden haben. Mehrfach wurde jedoch der<br />
Gefallenen gedacht und in den folgenden Jahren<br />
auch der Schwund an Vereinsmitgliedern beklagt.<br />
Ganz dürften die Vereinstätigkeiten nie geruht haben,<br />
denn gleich in der ersten Sitzung wurde beschlossen,<br />
dass sich kein neuer Verein ohne Wissen<br />
und Gutachten des Reichsverbandes gründen dürfe.<br />
Ebenfalls sehr spannend ist die erste Beschwerde<br />
eines Vorstandsmitgliedes:<br />
„Josef Hagenauer besprach das überhand<br />
nehmende übermütige Benehmen der<br />
Kniehösler in den Vereinen und dingt (sic!)<br />
darauf hin, dass sich die ‚Machtigen‘<br />
anständig und in estätischer Hinsicht<br />
einwandfrei benehmen. Die ‚Machtigen‘<br />
dürfen nicht etwa glauben, weil sie in<br />
Kniehose oder kurzem Kittel stecken, sich<br />
nach ihrer Lust benehmen können und<br />
empfiehlt Redner den Vereins-Ausschüssen<br />
bei Aufnahme sehr vorsichtig zu sein, da<br />
ein schamloses oder rüpelhaftes Verhalten<br />
den Vereinen selbst und somit auch dem<br />
Verband in Ansehen schaden könnte.“<br />
In den folgenden Sitzungen traten einige bereits<br />
bekannte Vereine dem Reichsverband wieder<br />
bei und am 24. August 1919 wurde der siebte<br />
Verbandstag abgehalten, zu dem auch Gäste aus<br />
Bayern anreisten. „Nach der üblichen Wartestunde“<br />
eröffnete Obmann Anton Prodinger, der später<br />
noch zum Ehrenobmann ernannt wurde, den Tag<br />
mit „TrachtenHeil“. Der Vertreter aus Wien berichtete<br />
über Streitereien im Wiener Verband und trotz<br />
Zuwächsen wurden im Protokoll nur 27 Mitgliedsvereine<br />
vermerkt. Diese Zahl wurde in den nächsten<br />
Jahren größer, aber bis 1925 fehlt in sämtlichen<br />
Protokollen eine genaue Auflistung der Mitgliedsvereine.<br />
Die Verbandstätigkeit nahm wieder mehr Fahrt<br />
auf und nach dem Verbandstag wurde das Amt des<br />
„VerbandsVorplattlers“ (Josef Hagenauer) eingeführt,<br />
welches die erste Fachkraft seitens des Verbandes<br />
darstellte. Die nächsten Monate glichen aber<br />
der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg: Vereine traten<br />
dem Verband bei und andere aus, Vereine stritten<br />
untereinander und der Reichsverband musste<br />
schlichten, aber auch der Vorstand zerstritt sich. Sekretär<br />
Schmuck gründete einen eigenen Verein und<br />
ist für ein Jahr Persona non grata; einen ähnlichen<br />
Status hatte der Verein „Alpinia“, der immer wieder<br />
kritisiert wurde, weil der Verein bei Festen von<br />
Reichsverbandsvereinen nicht teilnehmen wollte.<br />
Das Leben in der jungen Republik spiegelte<br />
sich aber auch in den Protokollen wider. So ist von<br />
Protestkundgebungen zu lesen und dass Trachtenartikel<br />
sehr teuer geworden seien. Trotzdem wurden<br />
wieder erste Feste gefeiert und die Gründung<br />
von Gauverbänden angeregt, weil man zum Beispiel<br />
Vereine im Lungau nicht erreichte.<br />
Stürmische 1920er<br />
Im Juli 1920 sollte der Gauverband Pongau<br />
ins Leben gerufen werden und dazu reiste der II.<br />
Obmann und spätere Kassier Obereder nach Bischofshofen<br />
zur Jahreshauptversammlung des<br />
Vereins „Hochgründecker“. Dieses Erlebnis schilderte<br />
Obereder sehr ausführlich es dürfte ihn<br />
insgesamt etwas schockiert haben. Man ließ den II.<br />
Obmann lange in einem Nebenzimmer des Wirtshauses<br />
warten und erst nach erteilter Erlaubnis<br />
in den Hauptraum eintreten. Obereder hatte „den<br />
Eindruck dass es eine sehr stürmische Mona Versammlung<br />
war und im Verein nicht alles so ganz in<br />
Ordnung sei wie es nach aussen hin den Anschein<br />
habe.“ Obereder wurde gleich mit Vorwürfen<br />
bombardiert und dürfte kaum einen Zugang zur<br />
Versammlung gefunden haben. Man einigte sich<br />
dennoch auf eine Zusammenarbeit zwischen dem<br />
geplanten Gauverband Pongau und dem Reichsverband.<br />
Auf die Frage, ob Pongauer Vereine der bevorstehenden<br />
Wiener Gauverbandsgründung beiwohnen<br />
wollten, meinte die Versammlung:<br />
„[…] mit die Wiener wollen wir nichts gemein<br />
haben das sind Plattenbrüder u. keine Trachtler<br />
[…] wenn die Wiener schuhplatteln sehen wollen<br />
sollen sie nach Behofn zu die Hochgründecker<br />
kommen.“<br />
Obmann Prodinger nahm den Bericht gelassen<br />
zur Kenntnis. Ihm war wichtig, dass der Gauverband<br />
in Planung war, er verließ aber selbst kurz<br />
darauf wegen einer anderen Sache vorzeitig die<br />
Sitzung.<br />
13
Wenn auch die 1920erJahre stürmisch anfingen,<br />
machte der Reichsverband doch Fortschritte:<br />
Die Gauverbände Oberösterreich und Steiermark<br />
wurden bereits in den Protokollen von 1920 erwähnt;<br />
die Jugendarbeit wurde mehrmals diskutiert<br />
und aktives Werben beschlossen. 1920 (nicht<br />
erst 1922) konnte der <strong>Volks</strong>dichter Michael Dengg<br />
als Mitarbeiter für die Trachtenzeitung gewonnen<br />
werden, welche mit Jänner 1921 wieder erscheinen<br />
sollte. 1921 wurden dann bereits 102 Mitgliedsvereine<br />
beim Reichsverband gezählt und auch die<br />
Zahl der Landesverbände stieg an: Tirol, Salzkammergut,<br />
Donaugau und Pinzgau.<br />
Die allgemeinen wirtschaftlichen Schwierigkeiten<br />
der Republik machten allerdings auch nicht<br />
vor dem Reichsverband Halt. So stiegen die Druckkosten<br />
für die Zeitung und es wurde die Empfehlung<br />
an die Vereine ausgegeben, keine „Kirtabuschen“<br />
o. Ä. zu kaufen, sondern das Geld für Trachten<br />
zu sparen – es sollte ein einheitliches<br />
Bild bei den Vereinen entstehen.<br />
Im Juli 1922 wurde beschlossen, einen Salzburger<br />
und einen oberösterreichischen Landesverband<br />
zu gründen. Letzterer wurde bereits 1923 gegründet,<br />
für den Salzburger Landesverband wurde<br />
ein Ausschuss mit zehn Mitgliedern unter der Leitung<br />
von Karl Adrian gebildet. Neben Diskussionen,<br />
wie der Landesverband aussehen sollte, plante<br />
dieser Ausschuss die Einführung einer Salzburger<br />
Landestracht. Als Vorbild sollte die alte Henndorfer<br />
Tracht dienen. Die Diskussion und Suche nach<br />
einer gemeinsamen Salzburger Tracht war auch<br />
nach dem Ersten Weltkrieg und lange vor der ersten<br />
Trachtenmappe von 1935 sehr wichtig.<br />
1923 kam es dann zur Gründung des Bundes<br />
der ArbeitertrachtenErhaltungsvereine. Besonders<br />
in der Steiermark dürften einige Vereine<br />
zu diesem abgewandert sein. Deswegen könnten<br />
die Inhalte des oben genannten Protokollbuchs,<br />
auch wenn es nur zwei Jahre abbildet, noch sehr<br />
Fahne und Tracht<br />
Von 3. bis 5. Juni 1922 fand in Salzburg<br />
das Fahnenweihefest des Reichsverbandes<br />
statt. Der Reichsverband hatte<br />
es geschafft, ein Zeichen für sich zu<br />
schaffen, welches sich bis heute erhalten<br />
hat. Die Fahne hängt heute noch im<br />
Lainerhof in Salzburg. Der Vorstand war<br />
sehr stolz darauf und die Fahne wurde<br />
gerne zur Schau gestellt – anscheinend<br />
sehr oft, denn bereits 1926 musste sie<br />
renoviert werden. Beim Verbandsfest<br />
wurde die „Fahnengattin Kuni Obereder“<br />
zum (ersten weiblichen) Ehrenmitglied<br />
ernannt. Für die Fahne und<br />
das Fest gaben die beiden Vorstandsmitglieder<br />
Hagenauer und Obereder<br />
dem Verband aus eigener Tasche einen<br />
Vorschuss. Trotzdem hatte der Reichsverband<br />
nach dem Fest ein Defizit von<br />
600.000 Kronen, was teilweise durch<br />
Spenden ausgeglichen werden konnte.<br />
Die Fahne des Reichsverbands<br />
im Lainerhof, Salzburg<br />
14
Abb. 3: Der Ausschuss<br />
des Reichsverbandes<br />
1925 / Salzburg<br />
Museum<br />
spannend sein. Der Vorstand des Reichsverbandes<br />
gab 1923 die Empfehlung, Feste von „Trutzvereinen“<br />
nicht zu besuchen. Besonders 1927 scheinen<br />
viele Vereine abgewandert zu sein und in den Protokollen<br />
ist von einer Gründung eines ArbeitertrachtenGauverbandes<br />
in Salzburg zu lesen.<br />
Das Jahr 1925<br />
Das Jahr 1925 brachte die Währungsreform<br />
und offenbar Probleme durch Arbeitslosigkeit mit<br />
sich. Einige Vereine wurden laut Protokollen deswegen<br />
auch ruhend gestellt oder aufgelöst. Viele<br />
Vereine waren mit den Mitgliedsbeiträgen wie auch<br />
Mitgliederlisten im Rückstand. Die Sterbekassa zur<br />
Unterstützung der Familien wurde ausgebaut und<br />
als eigenes Konto geführt. Regelmäßig fanden daraus<br />
Auszahlungen statt und die Regelungen dafür<br />
wurden immer wieder angepasst. Der Reichsverband<br />
bemühte sich, die Zusammenarbeit mit<br />
Heimatschutz und <strong>Volks</strong>kunde zu intensivieren,<br />
und organisierte Vortragsabende zu verschiedenen<br />
Themen. Zudem sollte dem <strong>Volks</strong>lied und den<br />
Instrumenten Schwegelpfeife und Hackbrett mehr<br />
Beachtung geschenkt werden. Die Vereinsnamen<br />
sollten auch etwas professioneller wirken – Adjektive<br />
wie „die lustigen“ oder „die gmiatlichen“<br />
sollten aus den Vereinsnamen verschwinden. Die<br />
Gründung des Verbandsgaues Pongau wurde wegen<br />
der geplanten Gründung des Salzburger Landesverbandes<br />
einstweilen verschoben und der Verein<br />
„D´Hohen Salzburger“ entschied sich die Salzburger<br />
Einheitstracht zu tragen – wie diese aussah,<br />
kann leider derzeit noch nicht gesagt werden.<br />
Noch wichtiger für die Aufarbeitung sind aber<br />
das Vorstandsfoto mit Namen von 1925 und eine<br />
erste Auflistung von Mitgliedsvereinen des Reichsverbandes.<br />
Bisher konnte über Zahl und Namen<br />
nichts gesagt werden.<br />
Das Foto von 1925 ist bis auf eine Position mit<br />
dem von 1921 ident. Es muss vor April 1925 entstanden<br />
sein, da Sekretär Schmuck im April 1925<br />
starb. Im Folgenden sind alle Namen, wie auf der<br />
Rückseite, mit Ergänzungen aus den Protokollen<br />
aufgelistet. Die Ergänzungen am Original dürften<br />
später dazugekommen sein, da Hermann Wackerle<br />
dort als 1. Obmann gelistet wurde, eine Position,<br />
die er aber erst ab 1930 innehatte.<br />
15
Festival für neue <strong>Volks</strong>musik –<br />
Bodenst@ndig <strong>2021</strong><br />
TEXT Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> // FOTOS Susi Berger, Albert Moser und Michael Moser<br />
Nach einem Jahr Pause konnte bei<br />
bestem Wetter das Festival Bodenst@ndig<br />
am 10. und 11. September <strong>2021</strong> wieder<br />
stattfinden.<br />
Der Petersbrunnhof lud bei angenehmen<br />
Temperaturen ein, die Seele<br />
baumeln zu lassen und umrahmt von<br />
Haus der <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong>en, Orchesterund<br />
Schauspielhaus und mit Blick auf<br />
die Festung neue <strong>Volks</strong>musik zu genießen.<br />
Die zahlreichen Besucher dankten<br />
die Vorbereitungen mit ihrem Besuch<br />
und wurden nicht nur kulinarisch<br />
bestens bewirtet. Das Trio „Diatonische<br />
Expeditionen“ um Alexander „Xandl“<br />
Maurer eröffnete das Festival im<br />
Orchesterhaus des Mozarteums mit<br />
Klängen von der „Diatonischen“ und<br />
Harfe. Die steirische Gruppe „Spafudla“<br />
feierte anschließend ihr 20 Jahre Jubiläum<br />
unter anderem mit der Uraufführung<br />
der „Nomadenjodlers“. Die<br />
Gruppe „Federspiel“, Brassband mit<br />
Junge Blasmusiker beim „bodenst@ndig<br />
Podium“ (oben) und „Federspiel“ (rechts)<br />
auf der bodenst@ndig-Bühne<br />
20
„Diatonische Expeditionen“<br />
Klarinette, begeisterte mit perfektem<br />
Spiel und Gesang und der Freitagabend<br />
endete bei lauen Temperaturen für<br />
viele mit einem Glas in der Hand im<br />
Petersbrunnhof.<br />
Der Samstagabend wurde von<br />
Harfentrio von Andrea Stöger, Blechbläserensemble<br />
von Gerhard Füssel<br />
eröffnet und die beiden Gruppen nutzen<br />
ihre Chance beim bodenst@ndig<br />
Podium auftreten zu können exzellent.<br />
Das Trio „Zeidlang“ verzauberte im<br />
Anschluss die Zuhörerinnen und<br />
Zuhörer mit zarten Klängen und<br />
folgte darauf die Gruppe „Alpkan“<br />
mit rasanten Klängen und ihrem Mix<br />
aus <strong>Volks</strong>musik und Balkan Brass.<br />
„Alpkan“ setzte mit einem ruhigen<br />
Stück im Petersbrunnhof den Schlusspunkt<br />
und das Festival Bodenst@ndig<br />
endete nahezu romantisch. Die Zuhörerinnen<br />
und Zuhörer spendeten<br />
viel Applaus und wir bedanken uns<br />
bei den zahlreichen Gästen für ihr<br />
Kommen und hoffen, einen gelungen<br />
Abend geboten zu haben.<br />
In der Mitte künstlerischer Leiter Manfred Baumann,<br />
flankiert von Eva Veichtlbauer, LH.-Stv. Heinrich Schellhorn,<br />
Berta Wagner und der Gruppe „Spafudla“<br />
Familie Gyger vom<br />
Hotel Schütterhof<br />
Schladming<br />
sponserte<br />
Wellnesswochenenden<br />
in ihrem<br />
Haus, die unter<br />
den Zuhörerinnen<br />
und Zuhörern<br />
verlost wurden<br />
21
75<br />
<strong>2021</strong><br />
JAHRE<br />
Salzburger<br />
(1946 - <strong>2021</strong>)<br />
Adventsingen<br />
IM GROSSEN FESTSPIELHAUS ZU SALZBURG<br />
1. Adventwochenende<br />
Fr 26. 11. 19.30 Premiere<br />
Sa 27. 11. 14.00/17.00<br />
So 28. 11. 14.00<br />
2. Adventwochenende<br />
Fr 3. 12. 19.30<br />
Sa 4. 12. 14.00/17.00<br />
So 5. 12. 14.00/17.00<br />
Mi 8. 12. 14.00<br />
3. Adventwochenende<br />
Fr 10. 12. 19.30<br />
Sa 11. 12. 14.00/17.00<br />
So 12. 12. 14.00/17.00<br />
„Fürchte dich nicht!“<br />
Tickets: salzburgeradventsingen.at<br />
+43(0)662/84 31 82 · sbg.adventsingen@heimatwerk.at
Vom Wunder der Geburt<br />
EIN GEDANKLICHER STREIFZUG ZUM JUBILÄUM<br />
„75 JAHRE SALZBURGER ADVENTSINGEN”<br />
IM GROSSEN FESTSPIELHAUS<br />
TEXT Hans Köhl // FOTOS Salzburger Adventsingen<br />
Ist es nicht ein besonderes Phänomen,<br />
dass ausgerechnet in der von<br />
Kirche, Macht und Glaube geistig wie<br />
architektonisch geprägten Stadt Salzburg<br />
alljährlich zwei Mysterienspiele<br />
beachtliche Erfolge feiern? Zum einen<br />
seit 100 Jahren der sommerliche „Salzburger<br />
Jedermann“ als Highlight der<br />
Salzburger Festspiele mit dem Mysterium<br />
des Todes und zum anderen seit<br />
nunmehr 75 Jahren sein winterliches<br />
Pendant, das „Salzburger Adventsingen“<br />
im Großen Festspielhaus mit dem<br />
Mysterium vom Wunder der Geburt.<br />
Beide Salzburger „Originale“ erfreuen<br />
alljährlich beinahe gleich viele Besucherinnen<br />
und Besucher und könnten<br />
auf den ersten Blick wohl unterschiedlicher<br />
nicht sein.<br />
Bei sommerlichen Temperaturen<br />
setzen sich beim „Jedermann“ am Domplatz<br />
weltberühmte Schauspielerinnen<br />
und Schauspieler für ein internationales<br />
Festivalpublikum in Szene, wenn sie<br />
nicht gerade der Salzburger Schnürlregen<br />
ins Festspielhaus zwingt. Auf<br />
der Bühne feiern der „Jedermann“ und<br />
seine Buhlschaft im Kreise der Reichen<br />
und Schönen – und beim winterlichen<br />
„Adventsingen“ im Festspielhaus? Da<br />
begeben sich die hochschwangere<br />
Maria und ihr Josef als einfache Leute<br />
auf Herbergssuche und werden abgewiesen.<br />
Zwei völlig unterschiedliche<br />
Welten möchte man meinen, die in<br />
ihrem Kern aber dennoch durch die<br />
beiden Grundfragen der Menschheit<br />
verbunden sind. Woher kommen wir –<br />
und wohin gehen wir?<br />
Obwohl wir beim Erarbeiten der<br />
Werke nie an Besucher oder Rentabilitätszahlen<br />
denken – das wäre bei der<br />
schöpferischen Tätigkeit unmöglich<br />
–, ist das nachfolgende Zahlenspiel<br />
doch ziemlich beeindruckend. So hält<br />
Peter Simonischek als „Jedermann“<br />
einen Aufführungsrekord mit 91 Vorstellungen.<br />
Der aktuelle „Josef“ beim<br />
Salzburger Adventsingen, Bernhard<br />
Teufl, hat hingegen bereits über 200<br />
Vorstellungen auf der Festspielhausbühne<br />
gegeben. In den 100 Jahren des<br />
„Jedermann“ gab es bereits über 730<br />
Aufführungen.<br />
Der Rabbi Jakob mit<br />
drei Hirten auf der<br />
Loferer-Alm<br />
23
„Wo sonst kann man so aus dem Vollen<br />
schöpfen? Bei so viel stilistischer Vielfalt ist<br />
es eine wahre Freude für Komponist und<br />
Dirigent, für das Adventsingen zu arbeiten!“<br />
Hans Köhl<br />
24
Das „Adventsingen“ hingegen wird<br />
im kommenden Jahr mit der Vorpremiere<br />
bereits die eintausendste Aufführung<br />
auf die Bühne gebracht haben.<br />
Eine ähnlich fiktive Schallmauer wie<br />
2019, als ich am 6. Dezember Nicola<br />
Layenberger aus Rosenheim als zweimillionsten<br />
Gast der Adventsingen<br />
Geschichte begrüßen durfte. Jährlich<br />
kommen rund 36.000 Adventsingen<br />
Gäste aus allen Bevölkerungsschichten,<br />
vorwiegend aus Österreich und<br />
Deutschland, aber mittlerweile auch<br />
aus über 48 Ländern aller Welt. Nach<br />
einer aktuellen empirischen Untersuchung<br />
der Wirtschaftskammer Salzburg<br />
bewerten rund 98 % der Gäste das<br />
Salzburger Adventsingen überwiegend<br />
als sehr gut bzw. gut und 97 % kündigen<br />
an: Wir kommen wieder! Das freut<br />
uns natürlich sehr und ist eine schöne<br />
Bestätigung für unsere Arbeit.<br />
Dabei hat alles ganz klein und bescheiden<br />
mit einer schlichten Gedenkfeier<br />
unter schwierigen Bedingungen<br />
begonnen. Ähnlich wie beim „Jedermann“:<br />
auch nach einem schrecklichen<br />
Weltkrieg. Doch Tobi Reiser, der<br />
Gründer des Adventsingens, berührte<br />
mit seinen adventlichen Liedern und<br />
Weisen, mit alten Adventbräuchen, guten<br />
Gedanken und der Hinwendung zur<br />
Geburt des Kindes offenbar die Herzen<br />
der Zuhörer. So wuchs die Schar der<br />
Gäste von Jahr zu Jahr und man wechselte<br />
in immer größere Räumlichkeiten.<br />
Die Hirtenkinder gehören seither<br />
zu einem unverzichtbaren Teil des<br />
Geschehens und Karl Heinrich Waggerl<br />
wurde 20 Jahre lang das charakteristische<br />
literarische Synonym der Traditionsveranstaltung.<br />
Wo wären wir heute, wenn es<br />
Tobi Reiser (1907–1974) nicht gegeben<br />
hätte? Gäbe es überhaupt diese<br />
Form des Adventsingens? Es war wohl<br />
eine glückliche Fügung, sein Mut und<br />
seine Weitsicht, die dazu führten, dass<br />
man 1960 in das neu erbaute Große<br />
Festspielhaus übersiedelte. Ich bin<br />
unendlich dankbar, dass wir bis heute<br />
in dieser weltberühmten Kulturstätte<br />
stets willkommen sind. Mit dem<br />
Komponisten Wilhelm Keller fand Tobi<br />
Reiser einen kongenialen Partner, der<br />
dem aus der Tradition gewachsenen<br />
Adventsingen mit seinen Kantaten zu<br />
einer neuen klanglichen Dimension<br />
verhalf. Mit Keller an der Seite war es<br />
für Tobias Reiser (1946–1999) sicherlich<br />
leichter, nach dem plötzlichen Tod des<br />
Vaters das Erbe, das eine große Verantwortung<br />
mit sich brachte, zu übernehmen<br />
und mit dem Adventsingen zu<br />
neuen Ufern aufzubrechen. Es begann<br />
eine sehr fruchtbare und kreative Zusammenarbeit,<br />
die 1996 im szenischen<br />
Oratorium „Es ward der Engel Gabriel“<br />
ihren künstlerischen Höhepunkt<br />
finden sollte.<br />
In Tobias Reisers Ära entwickelte<br />
sich das Salzburger Adventsingen von<br />
einer beliebten und weitum bekannten<br />
Brauchtumsveranstaltung zu einem<br />
szenischmusikalischen Oratorium<br />
neuer Dimension mit Bühnenbild,<br />
Kostümbildern, Schauspiel und<br />
Lichtregie. Die einzeln darbietenden<br />
volksmusikalischen Ensembles fügte<br />
er zu einem Kammerorchester und<br />
ein szenisches Spiel bildete fortan<br />
einen dramaturgischen Bogen bei den<br />
Inszenierungen. Durch diese Form der<br />
Darbietung, die wir im Wesentlichen<br />
bis heute leben, hat das Salzburger<br />
Adventsingen seine Einzigartigkeit<br />
erlangt.<br />
Seit über 20 Jahren verbindet<br />
mich bei der Erarbeitung der Werke<br />
eine fruchtbare schöpferische Zusammenarbeit<br />
mit den Komponisten<br />
Klemens Vereno und Shane Woodborne.<br />
Ich bin auch unendlich dankbar für<br />
das großartige Können und Miteinander<br />
aller Mitwirkenden. Die Musikerinnen<br />
und Musiker spielen <strong>Volks</strong>musik vom<br />
25
Die Hirten auf der<br />
Suche nach dem<br />
Stern in Begleitung<br />
des Engels<br />
Feinsten, gemeinsam und in<br />
unterschiedlichen Ensembles<br />
wie Saitenmusik, Blechbläser,<br />
Blattbläser oder Geigenmusik,<br />
die Vokalensembles<br />
singen kräftige Jodler ebenso<br />
authentisch wie klassischen<br />
Gesang oder zeitgenössische<br />
Kompositionen, zwei,<br />
drei, vier und sechsstimmig<br />
oder wie der doppelchörige<br />
Salzburger <strong>Volks</strong>liedchor<br />
bis zu 16stimmig. Wo sonst<br />
kann man so aus dem Vollen<br />
schöpfen? Bei so viel stilistischer<br />
Vielfalt ist es eine<br />
wahre Freude für Komponist<br />
und Dirigent, für das Adventsingen<br />
zu arbeiten!<br />
Den Solistinnen und Solisten bereitet<br />
eine anspruchsvolle Arie ebenso<br />
viel Freude wie ein schlichtes <strong>Volks</strong>lied.<br />
Die Schauspielerinnen und Schauspieler<br />
genießen wie alle auf der Bühne die<br />
manchmal fast unheimlich energiegeladene<br />
Aura, die sich zwischen rund<br />
2.000 Gästen und den Darbietenden<br />
entwickelt. Und die Hirtenkinder, die<br />
heimlichen Lieblinge des Publikums?<br />
Die kennen in ihrer jugendlichen<br />
Unbeschwertheit kein Lampenfieber<br />
und genießen das Miteinander vor und<br />
besonders auch hinter der Bühne.<br />
Wir können in der Adventsingen<br />
Geschichte auf eine unwahrscheinlich<br />
vielfältige Form der Darbietungen<br />
zurückblicken. Dabei ist die vorweihnachtliche<br />
Begebenheit, die nur spärlich<br />
überliefert ist, stets im Zentrum<br />
des Geschehens. Diese dürftige Überlieferung<br />
ermöglicht uns viele Gestaltungsmöglichkeiten<br />
und immer wieder<br />
neue Denkansätze. Bei unserem letzten<br />
Adventsingen „Der Sterngucker“ haben<br />
wir uns mit dem universell Göttlichen<br />
auseinandergesetzt. Heuer wiederum<br />
wird unter dem Titel „Fürchte dich<br />
nicht!“ die Geschichte um Maria und<br />
Josef mit einem Rabbi aus jüdischer<br />
Perspektive erlebbar. So unterschiedlich<br />
alle Werke sind, zum Ende hin laufen<br />
sie alle auf die Ergriffenheit über<br />
das Wunder der Geburt eines Kindes<br />
hinaus. Im christlichen Glauben an die<br />
Geburt des Erlösers, der Eintracht und<br />
Frieden in diese Welt bringen soll. Noch<br />
hat sich diese Erwartung nicht erfüllt,<br />
aber allein die Kraft der Hoffnung lässt<br />
uns alljährlich über dieses Wunder<br />
der Geburt staunen und als krönenden<br />
Abschluss andächtig den gemeinsamen<br />
Jodler anstimmen.<br />
SAS Hirtentage<br />
Loferer Alm Special<br />
26
Dieser Mann brennt für die<br />
<strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> – und für Gott<br />
„AKADEMISCHES WIRTSHAUS“<br />
ZU EHREN ARNO WATTECKS<br />
TEXT Christine Schweinöster // FOTO Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong><br />
„Ab dem Jahr 1960 bemühte ich mich um das Verständnis<br />
für den Wert und die Schönheit alter Bauobjekte, Möbel<br />
und Gebrauchsgegenstände im Lungau, um sie in den<br />
radikalen Bau- und Modernisierungsjahren von etwa<br />
1960 bis 1985 vor der drohenden Vernichtung oder ihrer<br />
be denkenlosen Verschleuderung an Altwarenhändler<br />
zu erretten.“<br />
Der „Schöpfungseffekt“, den ein Handwerker<br />
mit seinem Tun auslöst, der faszinierte den Salzburger<br />
Arno Watteck schon als Kind. Später stürzte<br />
er sich dann leidenschaftlich auf die Rettung alter<br />
Kulturgüter, wie die wunderschönen „Lungauer<br />
Troadkästen“. So wurde er immer mehr zum umtriebigen<br />
Motor für die <strong>Volks</strong>kunde, die Heimatforschung<br />
und den Denkmalschutz.<br />
In einer illustren Runde ließ der Professor,<br />
Hofrat und Diplomingenieur seine Arbeit und sein<br />
Leben dieser Tage Revue passieren: Ihm zu Ehren<br />
hatten der Verein TAURISKA und die Salzburger<br />
<strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> zu einem „Akademischen Wirtshaus“<br />
ins Haus der <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong>en geladen. Dort plauderten<br />
Alfred Winter und der Filmemacher Simon<br />
Tasek mit dem 95Jährigen, der die Besucherinnen<br />
und Besucher mit seinen Erzählungen fesselte.<br />
„Arnos bunte Welt“ wurde auch in Filmausschnitten<br />
präsent. Allerdings war diese nicht immer so<br />
bunt: In der NSZeit war der erst 19Jährige an der<br />
russischen Front eingekesselt worden und schwor<br />
sich: „Komme ich aus diesem Inferno heraus, will<br />
ich mein Leben lang die Wahrheit suchen.“ Er überlebte<br />
und forscht bis heute über den „tief innerlich<br />
verborgenen Sinn des Daseins“.<br />
Beruflich hatte es ihn als Bezirksforstinspektor<br />
nach Tamsweg<br />
verschlagen. Dort realisierte er<br />
auch seine „Herzensprojekte“: Er<br />
gründete 1961 den Lungauer Museumsverein;<br />
errichtete mit drei<br />
Mitarbeitern nach intensiver Sammeltätigkeit<br />
das Tamsweger Heimatmuseum;<br />
wurde Mitinitiator<br />
Arno Watteck des Lungauer Landschaftsmuseums;<br />
leistete wichtige Beiträge zur<br />
Gründung des Hochofenmuseums<br />
in Bundschuh; gehörte jahrzehntelang der Ortsbildschutzkommission<br />
für den Lungau an; wurde<br />
Ehrenkonservator des Bundesdenkmalamtes;<br />
war ehrenamtlicher Leiter des Arbeitskreises der<br />
Salzburger Orts, Regional und Fachmuseen; und,<br />
und, und … Der Träger des BundesEhrenzeichens<br />
für Verdienste um die Republik Österreich ist indes<br />
bescheiden geblieben. Und einer, der ganz zu Gott<br />
gefunden hat.<br />
v. l. n. r. : Susanna Vötter, Alfred Winter, Berta Wagner,<br />
LH-Stellv. Heinrich Schellhorn, Prof. Arno Watteck, Christian<br />
Vötter, Lucia Luidold, Simon Tasek, Bgm. Heinrich Perner<br />
27
Johannes Nepomuk –<br />
Salzburgs Fünf-Sterne-Patron<br />
ZUM 300-JAHR-JUBILÄUM<br />
SEINER SELIGSPRECHUNG<br />
TEXT Reinhard Gratz // FOTOS Dommuseum Salzburg, J. Kral<br />
Am 31. Mai 1721, 328 Jahre nach seinem Tod, wurde<br />
Johannes Nepomuk seliggesprochen. Die kirchliche<br />
Anerkennung seines Kults war überfällig geworden,<br />
nachdem er längst – auch in Salzburg – wie<br />
ein Heiliger verehrt wurde. Sogar das Kaiserhaus<br />
hatte sich beim Papst für die Seligsprechung eingesetzt.<br />
Nach relativ kurzer Zeit wurde er am Josefstag<br />
1729 auch heiliggesprochen und in Salzburg<br />
1736 zum zweiten Diözesanpatron (nach Rupert<br />
und Virgil) erhoben.<br />
Seine außerordentliche Beliebtheit in der Barockzeit<br />
hat in allen Kunstgattungen reichen Niederschlag<br />
gefunden. Das Dommuseum Salzburg<br />
zeigt bis 14. November eine kleine Auswahl von<br />
Werken aus eigenem Bestand, kirchlichem und<br />
privatem Besitz. Bei all diesen Gegenständen aus<br />
einer vergangenen Blütezeit des Kults stellt sich<br />
die Frage, inwieweit uns der böhmische Märtyrer<br />
heute noch etwas zu sagen hat.<br />
heiliger. An oder auf der Brücke stehend, zieht gewöhnlich<br />
viel Leben an ihm vorbei – Menschen, die<br />
auf die Brücke täglich angewiesen sind. Nepomuk<br />
ist mit ihrem Alltag verbunden. Von jeher sollte er<br />
sie beim Überqueren der Brücke beschützen und<br />
auch jene Menschen, die das Wasser darunter nutzten<br />
– die Schiffer, Flößer und Müller. Wasser ist in<br />
vieler Hinsicht Lebensgrundlage, kann aber auch<br />
rasch zur Lebensgefahr werden, wovon so mancher<br />
Nepomuk auf seiner Brücke einiges zu erzählen<br />
wüsste.<br />
Abb.1: Hl. Johannes Nepomuk,<br />
19. Jh., Holz, gefasst, Hallein,<br />
Brücke über den Kothbach<br />
Der Brückenheilige<br />
Karl Heinrich Waggerl schildert in seiner Erzählung<br />
„Die Pfingstreise“ seine Begegnung mit<br />
einem „Bekannten auf der Brücke, einem alten<br />
Freund seiner Kindheit, Nepomuk mit Namen“. Die<br />
Wahrscheinlichkeit, einer Nepomukstatue zu begegnen,<br />
ist nach wie vor nicht gering, wenn auch<br />
bei weitem nicht so groß wie einst in Prag, wenn<br />
man den oft zitierten Versen Rainer Maria Rilkes<br />
folgen möchte: „Von des Torgangs Lucken gucken<br />
und auf allen Brucken spucken lauter, lauter Nepomucken!“<br />
Auf Salzburger Boden ist weder der<br />
Landespatron Rupert noch eine andere Heiligenfigur,<br />
von der Jungfrau Maria vielleicht abgesehen,<br />
im öffentlichen Raum ähnlich präsent. Populär<br />
wurde Johannes Nepomuk vor allem als Brücken<br />
Abb. 2: Brückensturz,<br />
1724/1725, Johann Andreas<br />
Pfeffel, Kupferstich,<br />
Dommuseum Salzburg,<br />
Inv.-Nr. JN 373<br />
48
Die Anfänge der Verehrung<br />
Wasser löschte sein eigenes Leben aus: In den<br />
Fluten der Moldau wurde er auf Befehl des böhmischen<br />
Königs Wenzel IV. ertränkt. Der König hatte<br />
sich sehr zum Missfallen des Prager Erzbischofs<br />
Johann von Jenstein zunehmend in die Kirchenpolitik<br />
eingemischt. Als der Erzbischof die Pläne des<br />
Königs, mit den Besitztümern des Benediktinerklosters<br />
Kladrau ein eigenes Bistum zu gründen<br />
und einen seiner Günstlinge als Bischof einzusetzen,<br />
geschickt durchkreuzte, geriet Wenzel darüber<br />
in Rage. Seine Wut ließ er am Stellvertreter<br />
des Erzbischofs, Generalvikar Nepomuk, aus, der<br />
seinem Vorgesetzten im Fall Kladrau assistiert hatte.<br />
Nach peinlicher Befragung, bei der sich Wenzel<br />
persönlich mit brennender Fackel besonders<br />
hervortat, ließ er den Schwerverletzten am Abend<br />
des 20. März 1393 über die Moldaubrücke stürzen.<br />
Wenzel hielt die Sache damit für erledigt. Aber die<br />
Moldau gab den Leichnam frei, der schließlich im<br />
Veitsdom bestattet wurde, wie es einem Domkapitular<br />
gebührte.<br />
Sophie führte eine kinderlose unglückliche Ehe mit<br />
dem häufig betrunkenen und jähzornigen Wenzel.<br />
Vielleicht hatte sie ja Nepomuk hin und wieder aufgesucht,<br />
zu Beratungen etwa – womöglich auch<br />
über das Thema Scheidung, womöglich alles unter<br />
dem Deckmantel der Beichte? Das ist nicht völlig<br />
auszuschließen, auch wenn Johannes Nepomuk nie<br />
offizieller Beichtvater der Königin war. Dass er sich<br />
geweigert habe, das Beichtgeheimnis der Königin<br />
preiszugeben, und deswegen sterben musste, ist<br />
jene Erzählung, die sich durchgesetzt hat. Der Wiener<br />
Theologe und Historiker Thomas Ebendorfer<br />
von Haselbach lernte diese Geschichte wohl spätestens<br />
bei seinem Pragbesuch 1433 kennen und<br />
berichtete sie 1449/1450 in seiner „Kaiserchronik“.<br />
Seit dem 15. Jahrhundert wurde Johannes Nepomuk<br />
als „Märtyrer des Beichtgeheimnisses“ an seinem<br />
Grab verehrt und als solcher schließlich seligund<br />
heiliggesprochen.<br />
Die Verehrung riss nie ab, aber erst nach dem<br />
Dreißigjährigen Krieg kam es zu einem phänomenalen<br />
Interesse an seinem Kult. Während der Rekatholisierung<br />
Böhmens förderten die<br />
Jesuiten die Heiligenverehrung und den<br />
Sakramentenempfang und rückten den<br />
noch nicht kanonisierten einheimischen<br />
Märtyrer des Bußsakraments in den<br />
Vordergrund. Der Adel griff den Kult auf<br />
und trug ihn über die Grenzen Böhmens<br />
hinaus.<br />
Die erste Nepomukstatue<br />
Abb.3: Johannes Nepomuk, aufgebahrt,<br />
Mitte 18. Jh., Wachs, Textilien, Klosterarbeit,<br />
Dommuseum Salzburg, Inv.-Nr. JN 172<br />
Schon Erzbischof Jenstein hatte ihn als „bereits<br />
heiligen Märtyrer“ bezeichnet, weil er für<br />
die Rechte der Kirche gestorben war. Der Öffentlichkeit<br />
erschien das kirchenpolitische Problem<br />
Kladrau als Grund für die ungeheuerliche Tat<br />
nebensächlich. Was Wenzel von Nepomuk unter<br />
der Folter erpressen wollte, musste schon etwas<br />
sehr Persönliches sein. Die bayerische Prinzessin<br />
Die allererste Nepomukstatue wurde<br />
1683 am Ort des Martyriums, auf<br />
der Karlsbrücke in Prag errichtet, zum<br />
vermeintlich 300. Todestag. Der Prager<br />
Geistliche Johannes Ignatius Dlouhowesky<br />
hatte in seiner Schrift 1668 den<br />
Todestag ein Jahrzehnt zu früh, am 16.<br />
Mai 1383, angenommen. Nachfolgende<br />
Autoren übernahmen diesen Irrtum.<br />
Matthias Rauchmiller in Wien entwarf die<br />
Bronzestatue im Auftrag von Baron Matthias Gottfried<br />
von Wunschitz, der sie als Dank für den Beistand<br />
Johannes Nepomuks in Todesgefahr stiftete.<br />
Mit dieser Votivstatue war der Prototyp aller weiteren<br />
Nepomukfiguren geschaffen. Gekleidet als<br />
Domherr mit Soutane, Chorhemd, Schulterumhang<br />
49
Abb. 4: Johannes Nepomuk<br />
in Kreuzvision, 1723,<br />
Jacob Zanusi, Salzburg,<br />
Franziskanerkirche<br />
Abb. 5: Nepomuk-Zunge, um 1740,<br />
Silber, Gouache auf Pergament,<br />
Glas, Dommuseum Salzburg,<br />
Inv.-Nr. KKK 213<br />
Das Zungenwunder<br />
und Birett hält Nepomuk ein Kruzifix und die Märtyrerpalme<br />
in Händen. Die später hinzugefügten<br />
fünf Sterne um sein Haupt erinnern an jene Lichter,<br />
die angeblich zur Auffindung des Leichnams<br />
in der Moldau geführt hatten. Den Sternen wurden<br />
die fünf Buchstaben des Wortes „tacui“ (= ich habe<br />
geschwiegen) zugeordnet. Vor der Kanonisierung<br />
bildeten die Sterne einen Ersatz für den Nimbus,<br />
blieben aber dann auf Dauer das Exklusivmerkmal<br />
dieses Heiligen. Denn außer Nepomuk trägt<br />
nur Maria einen Sternenkranz. Aus diesem sollen<br />
auch die Sterne Nepomuks stammen, der als großer<br />
Marienverehrer überliefert ist. Wichtigstes Attribut<br />
ist aber das Kruzifix, das für den Kern der<br />
christlichen Lehre steht und Johannes Nepomuk<br />
als „Träger“ dieser Botschaft darstellt. In vielen Variationen<br />
hält er das Kruzifix vor sich und richtet<br />
gelegentlich seinen Blick darauf.<br />
Johannes Nepomuk in Kreuzbetrachtung wurde<br />
ein beliebtes Thema der Malerei ebenso wie sein<br />
Gebet vor der Madonna von Altbunzlau. Diese Szenen<br />
haben ihren Ursprung in seiner Vita, als der<br />
von Todesahnung Geplagte sich vertrauensvoll<br />
an Christus und Maria wendet. Für den Seligsprechungsprozess<br />
ausschlaggebend wurde die erstmals<br />
1680 veröffentlichte Lebensbeschreibung<br />
aus der Feder des Jesuiten Bohuslav Balbín. Nach<br />
der Seligsprechung erschien die Vita ab 1724 mit<br />
Kupferillustrationen von Johann Andreas Pfeffel,<br />
deren Ikonografie künftige Darstellungsweisen beeinflusste.<br />
Am 15. April 1719 ließ<br />
der Prager Erzbischof Kuenburg<br />
das Grab im Veitsdom<br />
öffnen, um die sterblichen<br />
Überreste nachzuweisen,<br />
wie es der Seligsprechungsprozess<br />
erforderte. Die Ärzte<br />
fanden im Schädel organisches<br />
Gewebe, das<br />
sie zweifelsfrei für die<br />
unverweste Zunge hielten.<br />
Durch einen an der<br />
Zungenspitze gesetzten<br />
Einschnitt überzeugten<br />
sie sich von der natürlichen<br />
Konsistenz. Das Wunder der unversehrten Zunge,<br />
die geschwiegen und das Beichtgeheimnis gehütet<br />
hatte, beschleunigte den Seligsprechungsprozess.<br />
Bei einer weiteren Untersuchung 1725 in Vorbereitung<br />
der Heiligsprechung schwoll die Zunge auf<br />
wundersame Weise an und nahm angeblich das<br />
Rot einer lebenden Zunge an. Erst 1972 identifizierten<br />
Wissenschaftler der ČSSR die „Zunge“ als<br />
eingetrocknetes Hirngewebe.<br />
Das Zungenwunder brachte Johannes Nepomuk<br />
ein neues aussagekräftiges Attribut. Die „heilige“<br />
Zunge schützte vor bösen Zungen und übler<br />
Nachrede. Sogenannte „NepomukZungen“ aus<br />
Wachs oder Metall waren aber nicht nur als Abwehrmittel<br />
gegen böse Zungen gedacht, sondern<br />
dienten auch der Ermahnung, die eigene Zunge<br />
im Zaum zu halten sowie auf die regelmäßige und<br />
gründliche Beichte nicht zu vergessen.<br />
Die Verehrung in Salzburg<br />
Lange vor der Selig und Heiligsprechung gewährte<br />
bereits Erzbischof Johann Ernst von Thun<br />
dem böhmischen Märtyrer Einlass in Kirchenräume.<br />
Aufgrund seiner engen Beziehungen zu<br />
Böhmen musste ihm Johannes Nepomuk schon<br />
früh ein Begriff gewesen sein. Sein Bruder Maximilian<br />
von Thun, Inhaber der nordböhmischen<br />
Herrschaft Tetschen, engagierte 1696 für die Ausmalung<br />
des Festsaals seines Palais auf der Prager<br />
Kleinseite Johann Michael Rottmayr, der spätestens<br />
damals NepomukDarstellungen kennenlernte. Ein<br />
50
Jahr später war Rottmayr wieder in Salzburg und<br />
begann das Kuppelfresko der Dreifaltigkeitskirche<br />
des Priesterseminars, wo er Johannes Nepomuk<br />
unter die Heiligen versetzte – fast ein Vierteljahrhundert<br />
vor der Seligsprechung! Der Bewahrer des<br />
Beichtgeheimnisses galt wie seine Nachbarn im<br />
Fresko, die Heiligen Karl Borromäus, Phillip Neri<br />
und Kajetan als vorbildlicher Priester – ein Vorbild<br />
gerade für die Studierenden des Priesterseminars!<br />
Während offenbar nicht einmal Bischöfe ein<br />
Problem in der immer noch ausständigen Kanonisierung<br />
sahen, musste Rom auf die offiziellen<br />
Bestimmungen pochen. Einen um 1702 in der<br />
Schlosskapelle von Burghausen geplanten Nepomukaltar<br />
lehnte Rom auf Anfrage des Salzburger<br />
Konsistoriums ab. Außerhalb Böhmens, wo es immerhin<br />
eine lange Verehrungstradition gebe, seien<br />
weder Altäre noch Statuen in Kirchen erlaubt. Weil<br />
man inzwischen von der Entwicklung überholt<br />
wurde, schränkte Salzburg schließlich das Verbot<br />
auf Altäre ein. Die Wallfahrtskirche Maria Plain<br />
erhielt bereits 1704<br />
eine hölzerne Nepomukstatue,<br />
1705/1706<br />
die Pfarrkirche Bergheim.<br />
Thuns Nachfolger<br />
Franz Anton von<br />
Harrach wurde unter<br />
den Salzburger<br />
Erzbischöfen der bedeutendste<br />
Anhänger<br />
und Förderer der<br />
NepomukVerehrung.<br />
Seit 1714 stand eine<br />
lebensgroße Marmorstatue<br />
an der Stadtbrücke<br />
in Salzburg,<br />
wo angeblich Tag<br />
und Nacht Öllichter<br />
brannten und zahlreiche<br />
Votivgaben an<br />
Gebetserhörungen<br />
erinnerten. Als Prag<br />
1715 im Hinblick auf<br />
den Seligsprechungsprozess<br />
eine Umfrage<br />
startete, inwieweit der<br />
Nepomukkult auch<br />
außerhalb Böhmens Fuß gefasst habe, meldete<br />
Salzburg, dass es in fast allen Kirchen der Stadt Bilder<br />
gebe, die unter dem Schein der Heiligkeit verehrt<br />
würden. Kurz vor der Seligsprechung schuf Josef<br />
Anton Pfaffinger 1720 in Harrachs Auftrag ein<br />
Marmordenkmal im damals zu Laufen gehörigen<br />
Oberndorf.<br />
Am 12. Mai 1726 weihte Harrach die Kapelle<br />
von Schloss Mirabell zu Ehren des inzwischen Seliggesprochenen.<br />
Zum Gedenktag am 16. Mai erklang<br />
dort Antonio Caldaras Nepomukoratorium,<br />
eine im Auftrag Harrachs entstandene Komposition.<br />
In dieser Kapelle liegt auch Harrachs Herz bestattet.<br />
Erzbischof Leopold Anton von Firmian erhielt<br />
1730 vom Prager Erzbischof Kuenburg eine bedeutende<br />
Reliquie, einen Halswirbel in einer goldenen<br />
ovalen Kapsel, für die er ein Schaugefäß anfertigen<br />
ließ. Laut Beglaubigungsurkunde war die Reliquie<br />
für eine Johannes Nepomuk geweihte Kirche oder<br />
Kapelle bestimmt. Firmian übertrug<br />
das Reliquiar am 16. Mai 1731<br />
in einer feierlichen Prozession vom<br />
Dom in die Nepomukkapelle von<br />
Schloss Mirabell. 1736 wurde die<br />
Nepomukstatue an der Stadtbrücke<br />
durch ein neues Denkmal von<br />
Josef Anton Pfaffinger ersetzt, das<br />
um 1860 wegen Uferregulierungen<br />
an den FranzJosefKai nach Mülln<br />
übersiedelt wurde. (Foto 7: Nepomuk<br />
an Stadtbrücke, Pezolt 1839)<br />
Eine Reihe weiterer Statuen erweisen<br />
Pfaffinger als Spezialisten<br />
für marmorne Nepomukfiguren.<br />
Im selben Jahr 1736 erhob Firmian<br />
den hl. Nepomuk zum zweiten<br />
Diözesanpatron (nach Rupert und<br />
Virgil). Als solcher geriet er im 20.<br />
Jahrhundert leider in Vergessenheit<br />
bzw. wurde er zum dritten<br />
Stadtpatron „degradiert“. Neuerdings<br />
soll er wieder in seiner alten<br />
Funktion bestätigt werden.<br />
Abb. 6: Johannes Nepomuk, um 1704,<br />
Sim(e)on Fries, Holz, gefasst,<br />
Wallfahrtsbasilika Maria Plain<br />
51
Die Reliquien Johannes Nepomuks<br />
in Salzburg 1866<br />
Johannes Nepomuk ist am Dom fast spurlos<br />
vorübergegangen – kein Gemälde, keine Skulptur,<br />
nur eine Inschrift erinnert an ihn: Erzbischof Harrach<br />
wird an seinem Epitaph als „größter Verehrer<br />
des hl. Johannes Nepomuk“ bezeichnet. Doch welcher<br />
Kirchenraum außerhalb Prags könnte für sich<br />
in Anspruch nehmen, das Kostbarste des Heiligen,<br />
seine sterblichen Überreste, wenn auch nur für<br />
drei Tage, beherbergt zu haben?<br />
Nach der verlorenen Schlacht von Königgrätz<br />
(3. Juli 1866) rückten preußische Truppen gegen<br />
Prag vor. Erzbischof Kardinal von Schwarzenberg<br />
fürchtete um das Silbergrabmal im Veitsdom und<br />
entschied, den gläsernen Sarg und das Zungenreliquiar<br />
zu seinem Freund und Nachfolger in Salzburg,<br />
Erzbischof Kardinal von Tarnóczy, zu schicken.<br />
Die silberne Hülle des Grabmals ließ er nach<br />
Krumau evakuieren. Am 24. Juli kamen die Reliquien<br />
in Salzburg an und verschwanden für die nächsten<br />
Monate im fürsterzbischöflichen Palais. Als die<br />
Gefahr endgültig vorüber war, wurden die Reliquien<br />
die letzten drei Tage vor der Rückreise, von 11.<br />
bis 13. Oktober, im Dom ausgestellt – der gläserne<br />
Sarg unter der Kuppel, das Zungenreliquiar am<br />
MariaSchneeAltar und schließlich auf dem Sarg.<br />
Die Leute strömten in Scharen herbei, der Dom war<br />
zeitweise überfüllt, berichtet die Salzburger Chronik.<br />
Zuletzt brachte Erzbischof Tarnóczy in Begleitung<br />
zweier Domherrn aus Prag den Sarg und das<br />
Zungenreliquiar in einer Prozession zur Nepomukkapelle<br />
im Schloss Mirabell, wo die Reliquien noch<br />
einmal ausgesetzt wurden, ehe sie für die Rückreise<br />
nach Prag per Bahn verpackt wurden.<br />
Das sternförmige Zungenreliquiar von 1726<br />
durfte noch ein weiteres Mal nach Salzburg reisen<br />
und einen Höhepunkt der Ausstellung „250 Jahre<br />
hl. Johannes von Nepomuk“ im Dommuseum 1979<br />
bilden.<br />
Universaler Nothelfer<br />
Von allen sozialen Schichten verehrt, galt der<br />
Sternenbekrönte als Nothelfer in allen Lebenslagen,<br />
ob gegen böse Zungen und üble Nachrede, gegen<br />
Wassergefahren, Krankheit und Pest oder als<br />
Abb. 7 Johannes-<br />
Nepomuk-Denkmal<br />
an der Stadtbrücke,<br />
1839, Josef Stießberger<br />
nach Georg Pezolt,<br />
Lithographie, Dommuseum<br />
Salzburg,<br />
Inv.-Nr. D 457<br />
52
Patron der Flößer, Schiffer und Müller,<br />
der Priester und Beichtväter, der Armen<br />
und für eine selige Sterbestunde.<br />
Wie keine andere Heiligengestalt war<br />
er beinahe allgegenwärtig – an Gewässern<br />
und Häuserfassaden, in Flurdenkmälern<br />
und Kirchenräumen, und so gut<br />
wie in jedem Haushalt erinnerte eine Figur,<br />
ein Bild, eine Nepomukzunge oder<br />
ein Gebetszettel an ihn. Auch die Familie<br />
Mozart vertraute zu Hause in der Getreidegasse<br />
auf ein Nepomukbild.<br />
In der Gunst der Gläubigen erwuchs<br />
den alteingesessenen, traditionell<br />
verehrten Heiligen ein ernsthafter<br />
Konkurrent, der als Fürsprecher für<br />
fast alle Bereiche menschlicher Krisen<br />
kompetent erschien. Die Halleiner Salzachschiffer<br />
zum Beispiel, die sich bislang<br />
an den hl. Nikolaus gewandt hatten,<br />
stellten sich nun vor allem unter<br />
den Schutz Johannes Nepomuks. Die Begeisterung<br />
für den neuen Schutzpatron<br />
löste aber keinen Bauboom neuer Kirchen<br />
und Kapellen aus und hatte auch<br />
Abb. 8 Votivbild, 1770, Öl auf Holz,<br />
nicht die Änderung von Patrozinien zur<br />
Dommuseum Salzburg, Inv.-Nr. JN 39<br />
Folge. Als Kirchenpatron findet man ihn<br />
im Land Salzburg außer in der Mirabellkapelle<br />
nur noch als zweiten Patron<br />
in der Pfarrkirche Unternberg. Bilder und Figuren<br />
hingegen hielten in die meisten Kirchen Einzug, zu<br />
den Ausnahmen gehört der Dom.<br />
Wenngleich das Interesse an Johannes Nepomuk<br />
im Allgemeinen verblasst ist und wir Zeugnisse<br />
seines Kults aus der historischen Distanz<br />
betrachten, so ragt er doch mit seiner Haltung in<br />
unsere Zeit herein und könnte auch heute noch<br />
Orientierung bieten. Anliegen, die an ihn in der<br />
Vergangenheit herangetragen wurden, haben sich<br />
wenig geändert. Manche könnten aktualisiert und<br />
ähnliche hinzufügt werden. Nach wie vor große Bedeutung<br />
würde wohl dem Patron gegen böse Zungen,<br />
üble Nachrede und Verleumdung zukommen.<br />
Hetze in sozialen Medien, Shitstorm, Fake News<br />
und Mobbing würden wohl eindeutig in seinen<br />
Zuständigkeitsbereich fallen.<br />
Literaturauswahl:<br />
Reinhard Gratz/Barbara Depauli (Hg.): Johannes<br />
Nepomuk – Salzburgs Fünf-Sterne-Patron. Zum<br />
300-Jahr-Jubiläum seiner Seligsprechung, Ausst. Kat.<br />
Salzburg, Dommuseum Salzburg, 15.5.–25.10.<strong>2021</strong>,<br />
Salzburg <strong>2021</strong>.<br />
Brigitte Faszbinder-Brückler/Theodor Brückler: Johannes<br />
von Nepomuk. Seine Zeit – Sein Leben – Sein Kult, Ausst.<br />
Kat. Hollabrunn, Stadtmuseum Alte Hofmühle, 2001,<br />
(Forschungen aus dem Stadtmuseum Alte Hofmühle<br />
Hollabrunn/Sonderband), Hollabrunn 2001.<br />
Reinhold Baumstark/Johanna von Herzogenberg/<br />
Peter Volk (Hg.): Johannes von Nepomuk 1393*1993,<br />
Ausst. Kat. Prag, Kloster Strahov, 17.5–15.8.1993 /<br />
München, Bayerisches Nationalmuseum, 17.9–14.11.1993,<br />
München 1993.<br />
Johannes Neuhardt (Hg.): 250 Jahre hl. Johannes<br />
von Nepomuk, Ausst. Kat. Salzburg, Dommuseum<br />
zu Salzburg, 11.5.–15.10.1979, Salzburg 1979.<br />
53
Die Sammlung neu sehen<br />
DAS FOTOARCHIV DES FREILICHTMUSEUMS<br />
IM WANDEL DES BLICKS<br />
TEXT Michael Weese // FOTOS Salzburger Freilichtmuseum<br />
„Jede Photographie ist ein möglicher Beitrag zur Geschichte<br />
und jede Photographie kann verwendet werden, um das<br />
Monopol zu brechen, das die Geschichte heute an der Zeit hat.“<br />
John Berger, Eine andere Art zu erzählen<br />
Inventarnummer 00001. Titel: Entwässerung,<br />
Bagger. Objektfertiger:<br />
Conrad, Kurt. So nüchtern beschreibt<br />
ein Eintrag ins Inventarverzeichnis des<br />
Fotoarchivs im Salzburger Freilichtmuseum<br />
die erste verzeichnete Aufnahme.<br />
Man würde für eine erste Inventarnummer<br />
vielleicht etwas Besonderes, Außergewöhnliches<br />
erwarten, etwas, das bereits<br />
die Bedeutung dieser Sammlung<br />
zum Ausdruck bringt. Aber so ist es<br />
nicht. Katalogisiert ist hier ein deutlich<br />
unterbelichtetes Dia aus dem Jahr 1979,<br />
das nur sehr wenig erkennen lässt. Und<br />
doch löst gerade dieses „erste“ Bild sogleich<br />
ein Nachdenken über zwei einander<br />
widersprechende Überlegungen<br />
aus, die uns nach der immanenten<br />
Logik unseres Archivs fragen lassen:<br />
Als um die Jahrtausendwende zum 21.<br />
Jahrhundert das Sprechen über Sammlungen<br />
und Archive von einer berechtigten<br />
Sorge um den Fortbestand unserer<br />
<strong>kultur</strong>ellen Archive geleitet war,<br />
verwies Medienphilosoph und Kulturtheoretiker<br />
Boris Groys darauf, dass die<br />
„Logik der Archivierung“ von uns fordere, „vor<br />
allem das aufzunehmen, was uns ungewöhnlich<br />
zu sein scheint“. Und Groys folgerte: „Es ist das<br />
Salzburger Freilichtmuseum, Inv.Nr. 00001.<br />
Entwässerung, Bagger, Kurt Conrad 1979<br />
54
Banale, das dem Archiv entgeht.“ 1 Eine andere<br />
Denkfigur skizzierte demgegenüber der oben<br />
genannte Fotograf, Initiator und Gründer des<br />
Salzburger Freilichtmuseums, Kurt Conrad. Er<br />
sah den Aufbau der Sammlung dieses Museums<br />
als „eine Andacht zum Unbedeutenden“. 2 Eine<br />
Andacht zum Unbedeutenden – das schloss den<br />
Bewahrungswillen dieses Gelehrten mit ein, der<br />
entschlossen war, auch scheinbar belanglose Dinge<br />
der Vergangenheit in eine von einem zunehmenden<br />
Traditionsverlust bedroht empfundene<br />
Gegenwart hinüberzuretten.<br />
Bei aller Anerkennung der unterschiedlichen<br />
Positionen beider Autoren ist ihnen doch eines gemein:<br />
eine Sorge darum, was in den Archiven und<br />
Sammlungen unserer europäischen <strong>kultur</strong>ellen<br />
Tradition zu kurz gekommen ist. Ihre Sorge gilt<br />
nicht nur dem Fortbestand der Archive, sondern<br />
auch deren Erweiterung. Sie geht davon aus, dass<br />
solche Sammlungen für uns nützlich und wichtig<br />
sind und dass wir diejenigen sind, die eine Verantwortung<br />
für sie tragen und wir uns dieser Verantwortung<br />
auch stellen sollen. Und bedeuten so besehen<br />
nicht die beiden oppositionellen Feststellungen<br />
– dass einerseits dem Archiv das Banale entginge<br />
und dass es andererseits eine Aufmerksamkeit für<br />
das Unbedeutende in sich berge – geradezu eine<br />
Verpflichtung, alle Möglichkeiten auszuloten, um<br />
die Sammlung neu zu lesen, die Möglichkeiten wie<br />
auch die Grenzen des Archivierten neu zu definieren<br />
und sie neu zu beschreiben?<br />
Kleiner Exkurs: Kunst und <strong>Volks</strong>kunde<br />
Wenn wir Grenzen und Möglichkeiten des Archivierten<br />
neu vermessen wollen, könnte dann vielleicht<br />
der Kunst eine vermittelnde und produktive<br />
Rolle zukommen? Antwort auf diese Frage hat das<br />
Salzburger Freilichtmuseum in den letzten Jahren<br />
immer wieder zu geben versucht: Künstlerische<br />
Konzepte können Selbstverständlichkeiten in Frage<br />
stellen. Kunst kann auch wichtige Bestandteile einer<br />
zeitgeschichtlichen Erinnerungs<strong>kultur</strong> bereitstellen<br />
und sich in ein zukünftiges kollektives Gedächtnis<br />
einschreiben. Das interessiert uns! So hat das<br />
Freilichtmuseum in den letzten Jahren etwa unter<br />
dem Titel „Literatur ab Hof“ mit einer Mischung aus<br />
Stationentheater und literarischen Spaziergängen<br />
durchs Museum geführt. Es hat mit einer Theaterpädagogin<br />
und mit Schauspielerinnen und Schauspielern<br />
Dramaturgien für Schatten-Szenografien<br />
entwickelt, die auf der Grundlage historischer Überlieferungen<br />
in vergangene Lebenswelten eintauchen<br />
lassen. Und es hat in Zusammenarbeit mit der<br />
Galerie im Traklhaus und dem Fotohof Fotografinnen<br />
und Fotografen zu einem „Stand. Ort. Wechsel“<br />
eingeladen und sie jene Orte aufsuchen lassen,<br />
an denen einst die Höfe standen, die heute im<br />
Salzburger Freilichtmuseum ihren Platz gefunden<br />
haben, um dort mit dem Medium der Fotografie zu<br />
erforschen, was an die (Leer-)Stelle dessen getreten<br />
ist, was einst abgesiedelt und abgetragen wurde.<br />
Dieses Zusammenspiel von Kunst und <strong>Volks</strong>kunde,<br />
von künstlerischem und ethnografischem Forschen,<br />
ist übrigens keineswegs neu. Es reicht weit zurück,<br />
bedenkt man, dass lange bevor die <strong>Volks</strong>kunde und<br />
Ethnografie als wissenschaftliche Disziplinen etabliert<br />
waren, bereits Künstlerinnen und Künstler,<br />
Literatinnen und Literaten Beschreibungen, Aufzeichnungen<br />
und Bilder vom Alltagsleben der Menschen<br />
schufen. Und es war Wilhelm Heinrich Riehl –<br />
der Vordenker und Begründer der wissenschaftlichen<br />
<strong>Volks</strong>kunde –, der in seinem 1858 gehaltenen<br />
Vortrag „<strong>Volks</strong>kunde als Wissenschaft“ bereits von<br />
der „gestaltenden Kunst der <strong>Volks</strong>kunde“ 3 sprach.<br />
Erinnert sei auch an die Hinwendung der Kunst zur<br />
<strong>Volks</strong>kunst am Beginn der Moderne: Avantgarden<br />
wandten sich der russischen <strong>Volks</strong>kunst zu, August<br />
Macke und Pablo Picasso begeisterten sich für<br />
afrikanische Masken, Wassily Kandinsky und Gabriele<br />
Münter für oberbayerische Hinterglasbilder,<br />
Votivbilder, Heiligen- und Spielzeugfiguren.<br />
Dass auch in gegenwärtigen Kunstprojekten ein<br />
„ethnograhic turn“ abzulesen ist, hat zuletzt das<br />
Museum der Moderne Salzburg in seinen Sonderausstellungen<br />
eindrucksvoll gezeigt. Und schon vor<br />
mehr als fünfundzwanzig Jahren knüpfte Hal Foster<br />
in seinem Aufsatz „The Artist as Ethnographer“ 4 an<br />
einer Neuorientierung ethnografischer Feldforschungen<br />
an: Diese ging davon aus, dass menschliche<br />
Lebenswelten nicht unmittelbar erforschbar<br />
seien, sondern dass sie immer einer interpretativen<br />
Betrachtung unterliegen. Es war gerade dieser<br />
Ansatz, der neuerlich ein großes Interesse der Kunst<br />
auf die Ethnografie und die <strong>Volks</strong>kunde gezogen hat.<br />
Also: nicht objektive Repräsentation, sondern<br />
Mut zur Interpretation! In diesem Sinne hält das<br />
Salzburger Freilichtmuseum nicht an einer einzigen,<br />
vermeintlich objektiven Darstellung von Geschichte<br />
fest, sondern es lässt mehrere unterschiedliche Zugänge<br />
und Erzählweisen zu, forciert sie noch mehr.<br />
Und es öffnet sein Fotoarchiv für einen vielschichtigen<br />
und vielsichtigen Blick, bringt es solcherart<br />
zum Leben.<br />
55
Archivierte Bilder, neu besehen<br />
„Entwässerung, Bagger“. Das Banale und das<br />
Unbedeutende machen diese Fotografie paradigmatisch.<br />
Sie verweist auf eine Ambivalenz, die vielen<br />
archivierten Bildern innewohnt. Sie sind fragwürdig<br />
und uneindeutig, sie verlangen danach,<br />
gedeutet, neu besehen und neu gelesen zu werden.<br />
Mit dem Projekt „SalzburgBilder“ hat das Salzburger<br />
Freilichtmuseum in Kooperation mit dem Fotohof<br />
den Versuch unternommen, genau dies zu tun.<br />
Es hat fünfzehn Fotografinnen und Fotografen aus<br />
dem <strong>kultur</strong>ellen Milieu des Fotohofs eingeladen,<br />
eine solche Lesung vorzunehmen. 5 Ausgehend von<br />
den Fotobeständen unseres Archivs, spüren sie<br />
Verbindungen zwischen den bei uns gespeicherten<br />
und ihren eigenen Bildern auf. Indem sie auf das<br />
Ausgangsmaterial unserer Sammlung reagieren,<br />
legen sie neue Beziehungen frei, decken Bedeutungszusammenhänge<br />
auf, die ebenso erhellend<br />
wie undurchschaubar erscheinen.<br />
Die fotografische Sammlung des Salzburger<br />
Freilichtmuseums erfuhr von den Eingeladenen zuvor<br />
keine Rezeption. Wiewohl kaum bekannt, weist<br />
sie doch einen beachtlichen und beachtenswerten<br />
Bestand auf. Sie umfasst etwa 33.000 Datensätze<br />
und bewahrt das, was den Alltag der Menschen ausmacht<br />
oder ausmachte – ihre Behausung, ihre Arbeit,<br />
ihr Leben. Sie dokumentiert gleichwohl auch<br />
das, was den beruflichen Alltag im Freilichtmuseum<br />
selbst charakterisiert – die Translozierung<br />
unserer Häuser, unsere handwerkliche Arbeit, Momentaufnahmen<br />
unserer Aktivitäten. Die jüngeren<br />
in den Sammlungsbestand eingegangenen Bilder<br />
widmen sich individuellen Eindrücken von Umgestaltungen<br />
infolge der CoronaPandemie, die ältesten<br />
fotografischen Zeugnisse den Veränderungen<br />
der bäuerlichen Kultur im Land Salzburg. Vor allem<br />
zwei Fotografen bestimmen mit ihren Bildkonvoluten<br />
wesentlich den Bestand dieser Sammlung:<br />
Kurt Conrad und Bruno Kerschner. Etwa 8.000<br />
Aufnahmen lassen sich Conrad zuschreiben, etwa<br />
3.400 sind für Kerschner verzeichnet. Von Bruno<br />
Kerschners Biografie ist nicht allzu viel bekannt.<br />
Obgleich sein umfangreiches fotografisches Werk<br />
neben dem Fotoarchiv des Salzburger Freilichtmuseums<br />
auch in den Sammlungen des Salzburg<br />
Museums, des Stadtarchivs und des Salzburger<br />
Landesinstituts für <strong>Volks</strong>kunde inventarisiert ist,<br />
Salzburger Freilichtmuseum,<br />
Inv.Nr.38153 Bruno Kerschner<br />
sucht man ihn in einer Geschichte der Fotografie<br />
in Österreich 6 bislang vergeblich. Der 1897 geborene<br />
Kerschner folgte nicht dem von seinem Vater für<br />
ihn vorgesehenen Weg einer militärischen Berufslaufbahn,<br />
sondern machte sich noch in jungen Jahren<br />
als „Lichtbildner für Landschaft, Gewerbe und<br />
Industrie“ im Salzburger Andräviertel mit der Herausgabe<br />
von Postkarten mit Salzburger Motiven<br />
selbstständig. Die Fotosammlung des Salzburger<br />
Freilichtmuseums belegt Kerschners Interesse an<br />
Salzburger Landschaften, an Naturaufnahmen, an<br />
Motiven des ländlichen Alltags, an der vorindustriellen<br />
Welt der Bergbauernhöfe, an Viehmärkten,<br />
Brauchtum und Traditionen. In den 1930erJahren<br />
ist eine Nähe zur Bildsprache des „Ständestaates“<br />
in einigen seiner Arbeiten unübersehbar, dennoch<br />
ist sein Werk nur unzureichend beschrieben, wollte<br />
man es ausschließlich an ländlichen Motiven<br />
und idyllischen Genredarstellungen messen. Seine<br />
Aufnahmen entziehen sich weitgehend der völkischen<br />
Bildideologie und bleiben sachlich. Und dennoch<br />
verdeutlichen die meisten seiner Bilder eine<br />
Idee. Es ist die Idee, eine Beziehung herzustellen zu<br />
einer Welt, die zu verschwinden drohte.<br />
56
Es gibt jedoch noch ein anderes Bild, das uns<br />
Kerschner hinterlassen hat. Es sind dies Aufnahmen<br />
einer fortschreitenden Industrialisierung und<br />
Modernisierung Salzburgs. Diese sind wohl im Auftrag<br />
entstanden und dokumentieren Produktionsstätten<br />
und Menschen im Aluminiumwerk Lend, in<br />
der Marmeladenfabrik Haring, beim Flughafenbau<br />
in SalzburgMaxglan.<br />
Im Gegensatz zu Bruno Kerschner war Kurt<br />
Conrad kein Fotograf. Dennoch war das Bild seine<br />
Messlatte, die Fotografie sein Medium des Ausmessens<br />
und des Dokumentierens. Stets führte<br />
Conrad bei seinen Erkundungen eine Kartentasche,<br />
ein oranges Notizheft und zwei Kameras<br />
mit sich – eine Agfa Silette für Diafilme und eine<br />
Asahi Pentax für SchwarzWeißAufnahmen. Ein<br />
Prismenfernglas ergänzte sein Arsenal des „bewaffneten<br />
Auges“ 7 . Eine jener seltenen Fotografien,<br />
auf denen er selbst abgebildet ist, dokumentiert<br />
auch, wie er derart ausgestattet eine Exkursion in<br />
den Salzburger Bergen begleitete.<br />
Conrads Auge war gut geschult.<br />
Gelernt hatte er aber nicht von der<br />
Fotografie, sondern wohl eher von<br />
der Ethnologie. Und weil er sich die<br />
Aufgabe stellte, die Haus und Siedlungsformen<br />
Salzburgs möglichst<br />
exakt in Lage, Orientierung, Typus<br />
und Größe zu bestimmen, drängt<br />
sich für ihn, den volkskundlichen<br />
Hausforscher, noch ergänzend der<br />
Begriff des Feldforschers auf. Lange<br />
Brennweiten waren seine Sache<br />
nicht, er ging auf die Menschen zu,<br />
suchte ihre Nähe und ihre Lebensräume.<br />
Sein forschendes Auge galt<br />
den Salzburger Hauslandschaften,<br />
dem Siedeln, Bauen und Wohnen<br />
der Menschen. Im Haus sah Conrad<br />
eine der Keimzellen von Kultur.<br />
Ganz den Paradigmen seines Faches<br />
verpflichtet, wandte er sich in<br />
seinen fotografischen Aufnahmen<br />
zunächst der Landschaftsgebundenheit<br />
einzelner Haus und Hoftypen<br />
zu. Mehr und mehr wurden sie<br />
ihm aber nicht länger zeitlose Typen,<br />
sondern historische Quellen.<br />
Vielfach nutzte er seine Fotografien<br />
als Informationsvorlage, um später die abgetragenen<br />
Häuser im Freilichtmuseum möglichst genau<br />
rekonstruieren zu können. Damit mochte sich auch<br />
seine Betrachtungsweise verändert haben, die nun<br />
die Veränderungen von Wohnhäusern als Indikator<br />
wirtschaftlicher Verhältnisse und sozialer wie <strong>kultur</strong>eller<br />
Beziehungen auffasste. Dies erklärt vielleicht<br />
auch sein wachsendes fotografisches Interesse<br />
am Wohnungsbau der späten 1960er und 70er<br />
Jahre. „Seine Gedanken“, notierte Oskar Moser<br />
einmal über Conrad, „kreisten stets um Probleme<br />
des behausten Menschen, vor allem um den seiner<br />
Heimat, angefangen vom Bergbauernhof und verkehrsfernen<br />
Söllhäusl bis zum modernen WüstenrotHeim,<br />
zum Arbeiterhaus und zur neuentstandenen<br />
Fabrikssiedlung“ 8 . Conrads Auge versuchte<br />
all die im Wandel befindlichen Lebensräume wahrzunehmen.<br />
Sein Interesse fokussierte auf die Wechselwirkung<br />
zwischen Landschaft und Bauen und<br />
lässt sich aus gegenwärtiger Sicht auch als Zeichen<br />
seines Krisenbewusstseins verstehen. Einige seiner<br />
Kurt Conrad mit<br />
„bewaffnetem Auge“,<br />
ausgerüstet mit zwei<br />
Kameras und einem<br />
Fernglas, Privat<br />
1970er-Jahre<br />
57
„Sammlung bedeutet all das – das<br />
Geordnete und das Ungeordnete,<br />
das Nebeneinander, Miteinander und<br />
mitunter auch Durcheinander<br />
von unterschiedlichen Bildern und<br />
Vorstellungen an einem Ort.“<br />
Michael Weese<br />
58
Lebendige Sammlungen<br />
sind offen, unabgeschlossen,<br />
unabschließbar<br />
Salzburger Freilichtmuseum Inv.Nr. 31930<br />
Ranggeln am Hundsstein, Kurt Conrad 1978;<br />
eines der ausgewählten Referenzbilder von Anna Aicher<br />
Vorträge und Aufsätze sind bis heute beredtes<br />
Zeugnis dieses Bewusstseins geblieben und waren<br />
damals ihrer Zeit wohl weit voraus – ein Vortrag<br />
aus dem Jahr 1965 galt bereits dem „Naturschutz in<br />
moderner Sicht“, und seine 1972 an der Universität<br />
Salzburg gehaltene Vorlesung „Naturschutzprobleme“<br />
war die erste dieser Art an diesem Haus. Konsequenterweise<br />
führten seine Arbeiten um „Kulturlandschaftspflege<br />
als europäische Verpflichtung“<br />
und „Bäuerliche Kultur als landschaftsbildendes<br />
Element“ zur Errichtung des Salzburger<br />
Freilichtmuseums. Diesem hat er<br />
auch sein fotografisches Vermächtnis<br />
hinterlassen.<br />
Sammlung bedeutet all<br />
das – das Geordnete und das<br />
Ungeordnete, das Nebeneinander,<br />
Miteinander und mitunter<br />
auch Durcheinander<br />
von unterschiedlichen Bildern<br />
und Vorstellungen an einem<br />
Ort. „Sammlung ist die Möglichkeit<br />
des Heterogenen im<br />
Homogenen“ 9 , hat Boris Groys<br />
einmal notiert. Will man diesem<br />
Gedanken folgen, dann<br />
erscheinen Sammlungen und<br />
Archive, ungeachtet ihrer Unvollständigkeit,<br />
als einzige verbliebene Option,<br />
eine Gesamtheit zu präsentieren, die gleichzeitig<br />
eine Vielheit ist.<br />
Für unsere Initiative, das Fotoarchiv des Salzburger<br />
Freilichtmuseums für einen vielschichtigen<br />
und vielsichtigen Blick zu öffnen, hat sich die Kooperation<br />
mit dem Fotohof als besonderer Glücksfall<br />
erwiesen. Rainer Iglar und Michael Mauracher<br />
haben nach eingehenden Sichtungen unseres<br />
Kurt Kaindl – Wo die Bilder wohnen<br />
Manchmal gewinnt der Sammeltrieb<br />
die Oberhand über den Archivierungsprozess.<br />
Die systematische<br />
Gliederung dieses Vermächtnisses in<br />
Sachgruppen und Stichworten, die Registrierung<br />
und Klassifizierung, die<br />
Verwaltung und Bewahrung dieses<br />
umfangreichen Sammlungsbestandes<br />
konnte Conrad nicht mehr selbst realisieren.<br />
Diese haben später Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter des Salzburger<br />
Freilichtmuseums in jahrelanger Arbeit<br />
übernommen. Von seiner Familie ist<br />
überliefert, dass es Kurt Conrads Ordnungssinn<br />
viele Jahre genügte, dass seine<br />
Söhne ihm immer wieder aufs Neue<br />
mit hölzernen, selbstgezimmerten Diakästen<br />
Freude bereiteten.<br />
59
Fotoarchivs etwa 400 Bilder ausgewählt und damit<br />
ein repräsentatives Konzentrat der Arbeiten Kurt<br />
Conrads und Bruno Kerschners geschaffen. Dieses<br />
Substrat diente dann allen teilnehmenden Fotografinnen<br />
und Fotografen als Inspirationsquelle<br />
und Ausgangslage zur Entwicklung ihrer eigenen<br />
künstlerischen Projekte. Von Einzelgesprächen<br />
und Workshops begleitet, entstanden so zwischen<br />
Sommer 2020 und Frühjahr <strong>2021</strong> die einzelnen<br />
Werkgruppen. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit<br />
mündete in zwei Ausstellungen im Fotohof und<br />
in der Stadtgalerie Salzburg 10 , in einem Buch, das<br />
die einzelnen Arbeiten umfassend dokumentiert 11<br />
und schließlich in einer Mappe, die alle von den<br />
Fotografinnen und Fotografen hergestellten Werke<br />
nun vereint. Diese Mappe wird in den Bestand<br />
des Fotoarchives des Salzburger Freilichtmuseums<br />
Eingang finden. So schließt sich gewissermaßen<br />
der Kreis.<br />
Für das Freilichtmuseum bedeutet diese Erweiterung<br />
seiner Sammlung auch Mut zum Experiment.<br />
Es bedeutet, sich auf einen „Blick von außen“<br />
einzulassen und das gespeicherte Wissen für eine<br />
völlig neue Rezeption aufzumachen. Die Kooperation<br />
mit dem Fotohof hat darüber hinaus auch<br />
klar verdeutlicht, wie sehr Sammeln, Bewahren<br />
und Erforschen zusammengehören: Gesammeltes,<br />
gespeichertes Wissen und Zukunftsfähigkeit<br />
bedingen einander – ein Aspekt, der für das Salzburger<br />
Freilichtmuseum besonderes Gewicht hat:<br />
Lebendige Sammlungen sind offen, unabgeschlossen,<br />
unabschließbar. Die Auseinandersetzung der<br />
Fotografinnen und Fotografen mit unserem Archiv<br />
hat gezeigt, dass sie nicht das Besondere gesucht,<br />
sondern das Banale ausgewählt haben, das durch<br />
ihre Bearbeitung besonders wird. Es ist eine höchst<br />
anregende Aufgabe, nun nachzuvollziehen, welch<br />
subjektive Bedeutungszusammenhänge sie aus<br />
den historischen Fotografien ableiten. Ihre Arbeiten<br />
verdeutlichen, dass unser Archiv nicht nur einen<br />
historischen Wandel dokumentiert, sondern<br />
selbst auch ständig im Wandel ist und damit ein<br />
neues Bildgedächtnis anzulegen vermag. Oder, um<br />
es mit dem schon eingangs zitierten John Berger zu<br />
sagen: „Jede Photographie ist ein möglicher Beitrag<br />
zur Geschichte und jede Photographie kann verwendet<br />
werden, um das Monopol zu brechen, das<br />
die Geschichte heute an der Zeit hat.“ 12<br />
Literatur<br />
1) Groys, Boris: Vortrag bei den Wiener Kolloquien<br />
Kulturwissenschaften am 12. Dezember 1996 in Wien.<br />
2) Direktion des Salzburg Museum (Hg.): Führer durch<br />
das Salzburger Freilichtmuseum. Mit einem botanischen<br />
Anhang von Walter Strobl, 4. erw. Edition, Salzburg 1994.<br />
3) Riehl, Wilhelm Heinrich: Kulturstudien aus<br />
drei Jahrhunderten, Stuttgart/Berlin 1910.<br />
4) Foster, Hal: The Artist as Ethnographer, in: Marcus,<br />
Georg E./ Myers, Fred R., (Hg.): The traffc in culture.<br />
Refiguring art and anthropology. Berkley 1995.<br />
5) Mit den Bildarchiven auseinandergesetzt haben sich:<br />
Anna Aicher, Sebastian Albert, Motahar Amiri, Valentin<br />
Backhaus, Katrin Froschauer, Mitzi Gugg, Kurt Kaindl,<br />
Reinhart Mlineritsch, Andrew Phelps, Stefanie Pirker,<br />
Birgit Sattlecker, Peter Schreiner, Herman Seidl, Nadine<br />
Weixler, Elisabeth Wörndl.<br />
6) Hochreiter, Otto/Starl, Timm (Hg.): Geschichte der<br />
Fotografie in Österreich. Herausgegeben im Auftrag des<br />
Vereins zur Erarbeitung der Geschichte der Fotografie<br />
in Österreich. Band 1 und 2. Bad Ischl 1983. Frank, Hans:<br />
Die alten Salzburger Photographen. In: Mitteilungen der<br />
Gesellschaft für Salzburger Landeskunde Band 105, 1965.<br />
Holzer, Anton: Fotografie in Österreich: Geschichte.<br />
Entwicklungen, Protagonisten, 1890 – 1955, Wien 2013.<br />
7) Der Terminus des „bewaffneten Auges“ wurde<br />
im 18. und 19. Jahrhundert für die Zuhilfenahme von<br />
Sehhilfen verwendet: So erläutert ein Leitfaden für<br />
den Unterricht in der Physik aus dem Jahre 1845:<br />
„Beim Sehen mit bewaffneten (sic!) Auge bedient man<br />
sich der optischen Instrumente (…) Unter jenen versteht<br />
man Instrumente, mit welchen der Mensch entweder<br />
zu optischen Täuschungen oder zu nützlichen Zwecken<br />
sein Auge bewaffnet“. Leitfaden für den Unterricht in der<br />
Physik aus dem Jahre, Bunzlau 1845, S. 60f.<br />
8) Hederer, Kerstin/Lackner, Felix/Reiche, Oswald (Red.):<br />
Die Landschaft als Spiegelbild der <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong>. Hausforschung<br />
- Heimatpflege - Naturschutz - <strong>Volks</strong>kunde in<br />
Salzburg. Ausgewählte Aufsätze und Vorträge von Kurt<br />
Conrad mit einem Vorwort von Oskar Moser. Festschrift<br />
für Kurt Conrad zum 70. Geburtstag (= Mitteilungen der<br />
Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Ergänzungsband<br />
13), Salzburg 1990.<br />
9) Groys, Boris: Logik der Sammlung: Am Ende des<br />
musealen Zeitalters, München 1997.<br />
10) „SalzburgBilder - Fotoarchive des Salzburger<br />
Freilichtmuseums als Quelle zeitgenössischer Fotokunst“,<br />
29. Juni bis 7. August <strong>2021</strong>.<br />
11) Iglar, Rainer/Mauracher, Michael/Weese, Michael<br />
(Hg.): SalzburgBilder. Fotoarchive als Quelle für<br />
zeitgenössische Fotografie, Salzburg <strong>2021</strong>.<br />
12) Berger, John/Mohr, Jean: Eine andere Art zu erzählen,<br />
München 1984.<br />
60
Zwischen Mozartkugeln, Dirndln<br />
und Salzburger Bräuchen<br />
WICHTIGE ARBEITSFELDER DES SALZBURGER<br />
LANDESINSTITUTES FÜR VOLKSKUNDE (SLIVK)<br />
TEXT Michael J. Greger und Vivienne Marquart //<br />
FOTOS Karl-Günter Baumgartner, Michael Greger, Georg Steinitz<br />
Im ersten Artikel unserer Serie im<br />
Frühjahr konnten wir im Überblick<br />
wichtige Tätigkeitsfelder des SLIVK<br />
präsentieren. Da erscheint es nun<br />
sinnvoll, diese Bereiche genauer<br />
vorzustellen, um zu zeigen, warum<br />
und auf welche Art und Weise unsere<br />
Vorgängerinnen und Vorgänger und<br />
wir bestimmte Themen mittlerweile<br />
seit fast vier Jahrzehnten bearbeiten<br />
und welche Erkenntnisse dies gebracht<br />
hat. Die Ergebnisse der Studien sind<br />
einerseits in den Bänden unserer Institutsreihe<br />
„Salzburger Beiträge zur<br />
<strong>Volks</strong>kunde“ nachzulesen, andererseits<br />
vielen Artikeln und Beiträgen in Sammelbänden<br />
und wissenschaftlichen<br />
Zeitschriften zu entnehmen. Dabei<br />
möchten wir besonders auf die über<br />
130 Stichworte aus dem Bereich „<strong>Volks</strong>und<br />
Alltags<strong>kultur</strong>en“ hinweisen, die in<br />
der neuesten Fassung des „Salzburger<br />
Kulturlexikons“ abgedruckt sind bzw.<br />
seit Kurzem online nachgelesen werden<br />
können. 1<br />
1984 veröffentlichte Rotraut Acker<br />
Sutter, Institutsleiterin bis 1987, die<br />
Festschrift zum 65. Geburtstag von<br />
FreilichtmuseumsGründer Kurt Conrad.<br />
Darin ist nicht nur ein Artikel von<br />
Helmut Eberhart 2 zur Geschichte der<br />
Versuche einer Institutionalisierung der<br />
<strong>Volks</strong>kunde an der Salzburger Universität<br />
zu finden, sondern mehrere Beiträge<br />
sind dem Kapitel „Brauchtum, Spiel und<br />
Lied“ zugeordnet; einige davon mit –<br />
40 Jahre zurückgeblickt – freilich sehr<br />
zeitgebundenen Interpretationen.<br />
Brauch und Ritualforschung<br />
Mit der Bestellung von Ulrike<br />
KammerhoferAggermann zur Institutsleiterin<br />
(1987) wurde der Weg<br />
zu zukunftsweisenden Brauch und<br />
Ritualstudien auf historischarchivalischer<br />
Grundlage und dem gegenwärtigen<br />
Stand der Forschung geebnet.<br />
Die Forscherin widmete in den letzten<br />
Jahrzehnten viele Artikel und Bücher<br />
verschiedenen Salzburger Bräuchen<br />
und deren Geschichte. Dabei konnte sie<br />
zeigen, dass Bräuche Kulturgebärden<br />
unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher<br />
Verbreitung, „gemeinschaftsbezogene<br />
sowie gemeinschaftsbildende,<br />
ritualisierte Handlungen<br />
von großer Signalwirkung“ 3 sind. Sie<br />
betonte den Wandel, der jedem Brauch<br />
innewohnt, denn der Begriff „Brauch“<br />
ist mit dem Verb „brauchen“ wortgeschichtlich<br />
verwandt. 4 Was wir offensichtlich<br />
nicht mehr „brauchen“ (z. B.<br />
Schnitter und Dienstbotenbräuche<br />
oder manche „Heischebräuche“, bei denen<br />
Gaben rituell erheischt (verlangt,<br />
gefordert) werden, kommt ab und gerät<br />
in Vergessenheit. Dafür entsteht aber<br />
Neues, Unerwartetes, das wir, je nach<br />
Bedarf, in unsere Alltags und Fest<strong>kultur</strong><br />
einbauen.<br />
61
Abb. 2: Der Samson<br />
von Mariapfarr<br />
Sehr einprägsam ist Kammerhofer<br />
Aggermanns Definition von Bräuchen,<br />
die „Zeit erlebbar und messbar“ 5<br />
machen: Bräuche sind Zäsuren im<br />
Jahres und Lebenslauf, die Pausen und<br />
Haltepunkte, an denen wir nachdenken<br />
und feststellen, dass eine bestimmte<br />
Zeitspanne vergangen ist; dass diese<br />
Jahreszeit oder jene Lebensphase<br />
angebrochen oder verstrichen ist. Nur<br />
durch diese Unterbrechungen wie Festund<br />
Feiertage kann der Begriff „Zeit“<br />
eigentlich bewusst gemacht werden.<br />
Auf die Bindungskraft von Ritualen,<br />
die den Konsens einer Gruppe darstellen,<br />
wies KammerhoferAggermann<br />
ebenso hin. Damit fordern sie deren<br />
Konformität ein und schließen gleichzeitig<br />
anders sozialisierte Personen<br />
aus. Bräuche sind damit Menschenwerk<br />
und keineswegs „vom Himmel gefallen“<br />
oder gar aus Bodennebeln eines sogenannten<br />
„<strong>Volks</strong>geistes“ entstanden.<br />
Als eine besondere Form hat Michael<br />
Greger sich den Funktionen von<br />
„Schwellen“, Passagen oder Übergangsriten<br />
gewidmet. Diese ermöglichen<br />
es dem sozialen Umfeld, Menschen,<br />
die vor einer<br />
für sie ungewohnten<br />
Lebenssituation<br />
stehen (z. B. beim<br />
Schuleintritt, bei<br />
einer Hochzeit 6 , bei<br />
einer Freisprechung<br />
als Handwerksgeselle,<br />
bei der Matura<br />
oder Lehrabschlussprüfung,<br />
vor dem<br />
Einrücken zum und<br />
nach dem Abrüsten<br />
vom Bundesheer<br />
etc.), entsprechend zu<br />
begleiten. Aber auch<br />
Abschiede von geliebten<br />
Menschen oder<br />
die Aufnahmen in Religionsgemeinschaften<br />
werden auf diese<br />
Weise eingerahmt.<br />
Abb. 1: Der Samson von St. Michael<br />
(hier am Katschberg) am 15. August 2019<br />
Grundsätzlich konnten die Institutsmitarbeiterinnen<br />
und mitarbeiter<br />
allerlei Zuschreibungen bezüglich<br />
des Alters und der Herkunft mancher<br />
Bräuche kritisch prüfen und zeigen,<br />
dass ein angebliches Fortdauern<br />
(Kontinuität) von BrauchPhänomenen<br />
von den Germanen oder Kelten herauf<br />
bis in unsere Zeit nicht belegbar ist.<br />
Die ReformHirtenbriefe des<br />
Fürsterzbischofs der Aufklärung, Hieronymus<br />
Colloredo (1775–1782), sind<br />
eine bedeutende Quelle für damalige<br />
Brauchpraxis. Sie stellen aber auch<br />
eine einschneidende Unterbrechung<br />
dar, nach welcher Vieles verschwand,<br />
Manches sich neu weiterentwickelte. 7<br />
Manches wurde erst im 19. Jahrhundert<br />
im Zuge der gesellschaftlichen Umwälzungen,<br />
etwa durch das erstarkende<br />
Bürgertum oder die Industrialisierung<br />
neu formiert und inszeniert.<br />
Viele Bräuche sind Einführungen<br />
oder besser Adaptierungen mächtiger<br />
und zum Teil europäisch vernetzter<br />
Gruppierungen (Adels und Herrscherfamilien,<br />
Zünfte, reiche Bürger …),<br />
die in den HandelsZentren wie<br />
62
Venedig, Augsburg oder Brügge oder<br />
in Welthauptstädten früherer Jahrhunderte<br />
wie Rom oder Konstantinopel<br />
Neues mitnahmen und an Ort und<br />
Stelle überformten. Kammerhofer<br />
Aggermann konnte hier zeigen, dass<br />
sich gewisse Bräuche nicht umsonst an<br />
Fernhandelsrouten und bei Passverbindungen<br />
zeigen, wo für Jahrhunderte<br />
die Säumer nicht nur für Waren, sondern<br />
auch für Kulturtransfer sorgten.<br />
Diese neu eingeführten Bräuche, wie<br />
z. B. bestimmte Formen des Faschings,<br />
wurden nach den örtlichen Bedürfnissen<br />
umgeformt und für Salzburger<br />
Verhältnisse „brauchbar“ gemacht. 8 Die<br />
Transformation von örtlichen Brauch<br />
Erhebungen in die Fachliteratur konnte<br />
Michael Greger in einem Text zur<br />
Arbeit des Bezirksschulinspektors und<br />
Lehrers an der Landwirtschaftlichen<br />
Fachschule Bruck/Glocknerstraße,<br />
Richard Treuer (19031982), zeigen. 9<br />
Einen ArbeitsHöhepunkt stellte<br />
zweifellos die MitKonzeption, Organisation<br />
sowie die vielen und wichtigen<br />
inhaltlichen Beiträge für die CDROM<br />
Serie „Bräuche im Salzburger Land“<br />
dar. Hierzu wurden für die Analyse vieler<br />
Salzburger Bräuche DIE europäischethnologischen<br />
Fachexpertinnen und<br />
experten im deutschsprachigen Raum<br />
zu spannenden Beiträgen gebeten.<br />
Die umfang und detailreichen Artikel<br />
von Ulrike KammerhoferAggermann,<br />
besonders zu den religiösen wie<br />
weltlichen Festen und deren Ritualen,<br />
zur <strong>Volks</strong>frömmigkeit im 18. Jh., zur<br />
Identitätsstiftung und Indikatorfunktion<br />
etc., sind heute noch viel zitierte<br />
Informationsquellen, wenn es um das<br />
Verständnis der Salzburger Brauchlandschaft<br />
geht.<br />
Ein weiteres Forschungsfeld,<br />
das ständig wächst und daher auch<br />
im Blickpunkt des Landesinstitutes<br />
steht, ist das seit 2010 von der UNESCO<br />
bewertete „Immaterielle Kulturerbe“<br />
in Österreich sowie im Bundesland<br />
Salzburg. Hierzu entstand 2020 ein<br />
Band, der reich bebildert über jene für<br />
Salzburg ausgezeichneten Traditionen<br />
informiert. 10 Die erst jüngst aufgenommene,<br />
auch in Salzburg beheimatete<br />
Federkielstickerei sowie die v. a. jahrhundertelang<br />
im Seenland praktizierte<br />
Spitzenklöppelei (2013 für Salzburg<br />
gelistet) sind beides Handwerkstechniken,<br />
die sich am Trachtensektor<br />
steigender Beliebtheit erfreuen.<br />
Trachten und Kleidungsforschung<br />
Die Tracht und ihre modischen<br />
Varianten bilden bis heute ein dynamisches<br />
Forschungsfeld, siehe z. B. die<br />
Modeschau „Metier d’Art“ des Modehauses<br />
„Chanel“ von Karl Lagerfeld<br />
mit TrachtenElementen in Schloss<br />
Leopoldskron 11 2014 oder das Design<br />
von Lena Hoschek für eine Jägerjacke 12<br />
im Jahr <strong>2021</strong>. In der Trachten und<br />
Kleidungsforschung liegt daher ein<br />
weiterer Arbeitsschwerpunkt des<br />
SLIVK. Schon die dritte Folge der Institutsreihe<br />
„Tracht. Überliefert – getragen<br />
– modernisiert“ 13 war daher dem<br />
Thema gewidmet. Salzburg betreffend<br />
ist mit den Blättern der „Kuenburg<br />
Sammlung“ (über 200 aquarellierte<br />
Gouachen, entstanden in der Mitte des<br />
18. Jahrhunderts) eine einmalige Quelle<br />
ständisch geregelter Kleidungsstile<br />
vorhanden. 14<br />
Mit dem gewichtigen Band „Trachten<br />
nicht für jedermann? Heimatideologie<br />
und Festspieltourismus […]“ 15 konnten<br />
Ulrike KammerhoferAggermann<br />
und die Mitautorinnen Alma Scope<br />
und Monika (Brunner) Gaurek, mit<br />
viel Bildmaterial belegt, Aspekte des<br />
Funktionswandels (zwischen der Verkörperung<br />
ungezwungener Leichtigkeit,<br />
Intimität und Liberalität und dem<br />
Ausdruck von Heimatliebe, Landesbewusstsein<br />
und Vereinstreue) und der<br />
Indienstnahme von Trachten zwischen<br />
bürgerlicher Sommerfrische und völkischem<br />
„Vätererbe“ beleuchten.<br />
Abb. 3: Buchcover<br />
„Michael J. Greger:<br />
Salzburgs<br />
Immaterielles<br />
Kulturerbe“<br />
(= Salzburger<br />
Beiträge zur<br />
<strong>Volks</strong>kunde 27).<br />
63
Dabei konnte Kammerhofer<br />
Aggermann zuallererst zeigen, dass<br />
einerseits die (groß)bürgerliche<br />
Sommerfrische, die vor 1938 auch<br />
eine jüdischbürgerliche Sommerfrische<br />
war, andererseits die Tendenzen<br />
von Historismus und Heimatschutz<br />
sowie jene des Landesausschusses<br />
„betreffend Förderung und Hebung der<br />
Salzburger Eigenart in Tracht, Sitten<br />
und Gebräuchen“ (gegründet 1910)<br />
sich unterschiedlich auf das Trachtenverständnis<br />
auswirkten. Die Beiträge<br />
fokussieren auf die Arbeit der Landeskommission<br />
und den „Landesanzug“,<br />
auf das „Henndorfer Dirndl“ und den<br />
Maler und Kostümbildner Carl Mayr<br />
(1875–1942), auf die Geschichte des<br />
„Sporthauses Lanz“, auf die Bedeutung<br />
der Festspiele für die Verbreitung von<br />
Trachtenmode sowie das MedienEcho<br />
auf die Festspiele und ihre jüdischen<br />
und nichtjüdischen Protagonistinnen<br />
und Protagonisten vor 1938. 16<br />
Gerade die Brüche, manifesten Widersprüche<br />
und Inszenierungen wurden<br />
von den Autorinnen und Autoren<br />
beleuchtet; 17 Etwa der Wandel der Sichtweisen,<br />
die romantischbürgerliche<br />
Sehnsucht nach einfacher Ländlichkeit,<br />
die gedachten „Wurzeln“ nationaler<br />
Kultur sowie die später von einer normierenden<br />
Pflege in Trachtenmappen<br />
festgeschriebenen „Landestrachten“.<br />
Die Sehnsucht nach Authentizität<br />
von Seiten jener TrachtenvereinsMitglieder,<br />
die mittels des Identifikators<br />
„echte Tracht“ die unbefriedigende gesellschaftliche<br />
Position kompensierten,<br />
wird treffend analysiert. Der Repräsentationsbedarf<br />
des Herrscherhauses<br />
trug ebenso zur Stilisierung und<br />
Überformung von Trachtenelementen<br />
bei, etwa mit den beiden großen Wiener<br />
Festzügen (1879 zur Silberhochzeit und<br />
1908 zum sechzigsten Jubiläum der<br />
Thronbesteigung von Kaiser Franz<br />
Joseph I.). 1879 wurde der „Lamberghut“<br />
(benannt nach Landeshauptmann<br />
Hugo Raimund Lamberg, 1833–1884)<br />
populär. Dabei kommt auch die Rolle<br />
des Tourismus zur Sprache, der in<br />
Salzburg mittels der 1920 gegründeten<br />
Festspiele einer sich rasant entwickelnden<br />
TrachtenmodeSzene Vorschub<br />
leistete.<br />
Abb. 4: Goldhaubenfrauenund<br />
mädchen beim<br />
Erntedank gottesdienst<br />
2018 in Anthering<br />
64
„Die Stadt Salzburg bot dabei vielen Sehnsüchten einen<br />
Erfüllungsort: romantischen Vorstellungen von Ritterleben<br />
(Festung) und Naturschönheiten; architektonischer<br />
Liebhaberei für ‚italienischen‘ Barock nördlich der Alpen<br />
oder der ‚Neuentdeckung‘ Mozarts ab den 1840er-Jahren.“<br />
Touristen zwischen Mozartkugeln<br />
und „Sound of Music“ – die verschiedenen<br />
Lesarten Salzburgs<br />
Salzburg gilt – und das betrifft,<br />
mit unterschiedlichen Schwerpunkten,<br />
die Stadt und das Bundesland – schon<br />
seit mindestens dem Ende des 18. Jahrhunderts<br />
als touristisches Zielgebiet.<br />
Dabei vereinigen sich (teils angeeignete)<br />
Fremdbilder und (diesen entgegnende)<br />
Selbstbilder zu einem dichten<br />
Gemenge.<br />
Pilgerinnen und Pilgern und an<br />
Heilquellen wie in Bad Gastein Linderung<br />
Suchenden folgten an der Wende<br />
zum 19. Jahrhundert erste Reisende der<br />
Spätaufklärung mit einem ethnografischen<br />
wie romantisierenden Blick. Die<br />
Stadt Salzburg bot dabei vielen Sehnsüchten<br />
einen Erfüllungsort: romantischen<br />
Vorstellungen von Ritterleben<br />
(Festung) und Naturschönheiten;<br />
architektonischer Liebhaberei für „italienischen“<br />
Barock nördlich der Alpen<br />
oder der „Neuentdeckung“ Mozarts ab<br />
den 1840erJahren.<br />
Im (vergriffenen) Band „Kulturstereotype<br />
und Unbekannte Kulturlandschaften<br />
“18 beschäftigten sich die<br />
Forscherinnen und Forscher mit den<br />
wechselseitigen Vorurteilen und dem<br />
(Nicht)Wahrnehmen von Realitäten<br />
und Wunschbildern, konkret zwischen<br />
Europa (fokussiert immer wieder auch<br />
auf Salzburg) und den USA. Fremdbilder<br />
(Heterostereotype) begleiten<br />
uns im Alltag als Filter (auch Scheuklappen)<br />
für Vorbewertungen, als<br />
Kon struktionen der Wahrnehmung,<br />
und bestimmen häufig den Kontakt mit<br />
fremden Lebenswelten. Gleichzeitig<br />
sind sie eine bedeutende Quelle von<br />
Rassismus, Vorurteilen und Missverständnissen.<br />
Selbstbilder (Autostereotype)<br />
sind für die Ausbildung unserer<br />
vorgestellten Identität von Bedeutung<br />
und werden nicht zuletzt im Zusammenspiel<br />
mit Zuschreibungen geprägt.<br />
Der Begriff „Unbekannte Kulturlandschaften“<br />
beschreibt die (teilweise)<br />
Ausblendung von <strong>kultur</strong>ellen Realitäten<br />
in fremden Kulturen oder Milieus.<br />
Gerade die erst spät einsetzende<br />
Industrialisierung, die Verunsicherungen<br />
nach dem Ende des Erzstiftes<br />
sowie die politische Neuordnung als<br />
Teil Oberösterreichs (bis 1849) beförderten<br />
die touristische Orientierung<br />
vieler Salzburgerinnen und Salzburger<br />
als eine ökonomische Notwendigkeit.<br />
Dabei half das „Kapital“ der pittoresken<br />
Naturlandschaft.<br />
Vom Alpinismus samt den zugehörigen<br />
Vereinen über die, vom Bahnausbau<br />
stark beförderte, bürgerliche<br />
Sommerfrische und die BelleEpoque<br />
Hotels bis hin zum spätmodernen Kongress<br />
und Massentourismus: Jede Phase<br />
spielt(e) mit eigenen Klischees und<br />
Wunschbildern, die in einer mediatisierten<br />
Gesellschaft international verbreitet<br />
werden. Gerade für die Stadt Salzburg<br />
waren dabei die Festspiele ein Motor des<br />
Kulturtourismus, insbesondere der Begegnung<br />
mit zahlungskräftigen Touristinnen<br />
und Touristen, v.a. auch aus dem<br />
angloamerikanischen Raum.<br />
65
Erwartungen und mitunter auch<br />
Zwänge im Tourismus zwischen ritualisierter<br />
Gastlichkeit und „Overtourism“<br />
behandelte der Institutsband „»Herzlich<br />
willkommen!« Rituale der Gastlichkeit“<br />
aus 1997, der eine Ausstellung in<br />
Goldegg begleitete. Dabei wurden die<br />
Funktionen von Ritualen der Gastlichkeit<br />
im Alltag, im Tourismus sowie in<br />
der Politik ausgeleuchtet.<br />
Mit der Geschichte der Mozartkugel,<br />
einer Erfindung, die sich von<br />
der lokalen Spezialität zum nationalen<br />
Exportschlager und Werbeträger<br />
ent wickelte, beschäftigte sich Ulrike<br />
KammerhoferAggermann mehrfach. 19<br />
Aber auch kulinarische Erfindungen<br />
wie die „Salzburger Nockerln“, die sich<br />
technischer Neuerungen wie des Sparherdes<br />
samt Backrohr bedienten und<br />
mit den „Nocke(rl)n“ historischer Kochbücher<br />
nur den Namen gemein haben,<br />
standen im Fokus der Institutsarbeit.<br />
Dass touristische Sehnsüchte auch<br />
„gerahmt“, in Form von Ansichtskarten,<br />
materialisiert und dann kommuniziert<br />
werden können, zeigten Institutsarbeiten<br />
auf: einmal für das Mozartjahr<br />
2006 am Beispiel des Mirabellgartens<br />
und einmal für das Salzkammergut als<br />
historische Sommerfrische. 20<br />
Eine einzigartige Wegmarke in der<br />
Geschichte des SalzburgTourismus<br />
stellte der MusikFilm „The Sound of<br />
Music“ von 1965 dar (mit Julie Andrews<br />
und Christopher Plummer, Regie:<br />
Robert Wise. dt.: „Meine Lieder – meine<br />
Träume“; basierend auf dem Musical<br />
von Rodgers/Hammerstein, 1959). Die<br />
Hollywoodgemäße Verfilmung des<br />
Schicksals der singenden Familie des<br />
Korvettenkapitäns Georg Trapp und<br />
seiner zweiten Frau Maria Augusta<br />
prägte für Jahrzehnte den Blick von<br />
USTouristinnen und Touristen auf<br />
Salzburg.<br />
Abb. 5: Buchcover<br />
„The Sound of Music<br />
zwischen Mythos<br />
und Marketing“<br />
(Salzburger Beiträge<br />
zur <strong>Volks</strong>kunde 11).<br />
Im Band „The Sound of Music<br />
zwischen Mythos und Marketing“ 21<br />
werden nicht nur die historischbiografischen<br />
Details der Familie Trapp<br />
beleuchtet und Mythen von Realitäten<br />
sorgsam getrennt. Auch bis dato kaum<br />
erforschte Details wie das Liedrepertoire<br />
der „TrappFamilySingers“ oder<br />
die Biografie des Chorleiters Prälat<br />
Franz Wasner wurden dargestellt. Im<br />
Weiteren kamen die autobiografischen<br />
Quellen von Musical und Film samt<br />
Gattungstypologie und eine Analyse<br />
des Weges zum Welterfolg sowie die<br />
Frage der Involvierung des „Salzburger<br />
Flairs“ in diese Musical und FilmWelt<br />
zur Sprache. Im Schlusskapitel sind<br />
Beiträge zu den Hintergründen des US<br />
Tourismus in Salzburg sowie zur Bedeutung<br />
von Musical und Film für die<br />
USKultur zu finden. Insgesamt ist ein<br />
materialreicher Sammelband entstanden,<br />
der heute noch einen Meilenstein<br />
der Erforschung dieses Kulturphänomens<br />
bildet.<br />
Damit sind nur die wichtigsten<br />
Forschungsfelder genannt, mit denen<br />
sich die Leiterinnen und Leiter und<br />
(freien) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
am SLIVK in den letzten Jahrzehnten<br />
beschäftigt haben. Vielleicht ist<br />
das ja eine Anregung, den einen oder<br />
anderen Band der Institutsreihe wieder<br />
einmal zur Hand zu nehmen oder zu<br />
erwerben? Bei Etlichen ist das nämlich<br />
noch möglich!<br />
66
Literatur<br />
1) Vgl. Mittermayr, Peter; Spängler, Heinrich (Hg.): Salzburger Kulturlexikon.<br />
Erweiterte und verbesserte Neuauflage. Salzburg-Wien: Jung und<br />
Jung 2019; seit einigen Monaten ist das Kulturlexikon unter der Adresse<br />
www.salzburger-<strong>kultur</strong>lexikon.net [zuletzt: 4. August <strong>2021</strong>] auch online<br />
abrufbar.<br />
2) Eberhart, Helmut: Die <strong>Volks</strong>kunde an der Universität Salzburg. Ein<br />
Beitrag zur Institutionengeschichte. In: Acker-Sutter, Rotraut: Heimat<br />
als Erbe und Auftrag. Beiträge zur <strong>Volks</strong>kunde und Kulturgeschichte.<br />
Festschrift für Kurt Conrad […] zum 65. Geburtstag. Salzburg: Otto<br />
Müller 1984, S. 99–119.<br />
3) Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: Bräuche In: [Dieselbe]; Luidold,<br />
Lucia (Hg.): Bräuche im Salzburger Land. Aufgelistet und erklärt.<br />
Begleitheft zur [gleichnamigen] CD-ROM-Reihe (2002-2005).<br />
Zusammenstellung der alphabetisch aufgelisteten zentralen Begriffe:<br />
Ulrike Kammerhofer-Aggermann und Melanie [Wiener]-Lanterdinger.<br />
Salzburg 2005 (= Salzburger Beiträge zur <strong>Volks</strong>kunde 16), S. 26. Wichtiger<br />
Hinweis: Die CD-ROMs sind nur bis zum Betriebssystem Windows-XP<br />
abspielbar. Die CD-ROM 1: Im Winter und zur Weihnachtszeit ist bereits<br />
im Internet unter www.brauch.at [zuletzt: 9. September <strong>2021</strong>) verfügbar.<br />
4) Vgl. z. B. Pfeifer, Wolfgang: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen.<br />
München: dtv 5 2000 (= dtv 32511), S. 165, Lemma „brauchen“.<br />
5) Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: Bräuche, S. 27.<br />
6) Vgl. Greger, Michael Josef: Traditionelle Hochzeitsbräuche. Salzburg:<br />
Servus by Benevento-Publishing (= Das große kleine Buch. No. 022).<br />
7) Vgl. Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: „<strong>Volks</strong>frömmigkeit“ als Ausdruck<br />
des Zeitgeistes. Kirchliche Reformen im Geiste des aufgeklärten<br />
Absolutismus in Salzburg als Quellen und Indikatoren der populären<br />
Glaubenspraxis. In: Loose, Rainer (Red.): Kirche, religiöse Bewegungen,<br />
<strong>Volks</strong>frömmigkeit im Mittleren Alpenraum. Historikertagung in Sigmaringen<br />
11.–13. Mai 2000. (= Schriftenreihe d. AG Alpenländer Abhandlungsband,<br />
Historikertagung Sigmaringen 2000). Stuttgart: „Landesarchivdir.<br />
Baden-Württemberg“ 2004, S. 131–169.<br />
8) Vgl. Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: Karneval unter Markus Sittikus<br />
– ein Gesamtkunstwerk. In: Kampl, Sibylle; Kühberger, Christoph (Hg.):<br />
Schaulust – die unerwartete Welt des Markus Sittikus. Salzburg: Magistrat<br />
Salzburg, Schlossverwaltung Hellbrunn 2016, S. 164–177.; Kammerhofer-<br />
Aggermann, Ulrike: Salzburger „Maschkeraläufer“ im 17. und 18. Jahrhundert.<br />
Alpine Formen des Karnevals an den Fernhandelsrouten. In: Ammerer,<br />
Gerhard; Hannesschläger, Ingonda; Hochradner, Thomas (Hg.):<br />
Von Venedig nach Salzburg. Spurenlese eines vielschichtigen Transfers.<br />
Wien: Hollitzer 2015, S. 137–183.<br />
9) Greger, Michael Josef: Zwischen Sammlung, Pflege und Transfer.<br />
Richard Treuer als mehrdimensionaler Vermittler „volkskundlicher“<br />
Inhalte. In: Bauer, Katrin; Hänel, Dagmar; Leßmann, Thomas (Hg.):<br />
Alltag sammeln. Perspektiven und Potentiale volkskundlicher<br />
Sammlungsbestände. Münster-New York: Waxmann 2019, S. 15–37.<br />
10) Greger, Michael Josef: Salzburgs Immaterielles Kulturerbe.<br />
Traditionen aus dem österr. Verzeichnis des IKE der UNESCO.<br />
Salzburg: Salzburger Landesinstitut für <strong>Volks</strong>kunde 2020.<br />
(= Salzburger Beiträge zur <strong>Volks</strong>kunde 27).<br />
11) Vgl. z. B. den Artikel im Magazin „Salzburgerland“ von Daniela Jäger:<br />
https://www.salzburgerland.com/de/magazin/karl-lagerfeld-in-salzburg/<br />
[zuletzt: 29. Juli <strong>2021</strong>].<br />
12) Vgl. SN-Artikel „Lena Hoschek kleidet Jägerinnen ein“ im „Chronik“-<br />
Teil samt Foto von Andreas Kolarik vom 15.07.<strong>2021</strong>.<br />
13) Vgl. Brandner, Susanne; Froschauer, Irmtraut; Kammerhofer, Ulrike<br />
(Hg.): Tracht. Überliefert – getragen – modernisiert. Eine Bibliographie<br />
zu Salzburger Kleid und Tracht von Susanne Brandner. Festschrift für<br />
Friederike Prodinger zum 75. Geburtstag. Salzburg: Salzburger Landesinstitut<br />
für <strong>Volks</strong>kunde 1988. (= Salzburger Beiträge zur <strong>Volks</strong>kunde 3).<br />
14) Vgl. Prodinger, Friederike; Heinisch, Reinhard Rudolf: Gewand und<br />
Stand. Kostüm- und Trachtenbilder der Kuenburg-Sammlung. Salzburg:<br />
Residenz 1983.<br />
15) Vgl. Kammerhofer-Aggermann, Ulrike; Scope, Alma; Haas, Walburga<br />
(Hg.): Trachten nicht für jedermann? Heimatideologie und Festspieltourismus<br />
dargestellt am Kleidungsverhalten in Salzburg zwischen<br />
1920 und 1938. Salzburg: Salzburger Landesinstitut für <strong>Volks</strong>kunde 1993.<br />
(= Salzburger Beiträge zur <strong>Volks</strong>kunde 6).<br />
16) Vgl. insbesondere zur jüdischen Sommerfrische und deren Bedeutung<br />
für die Entdeckung und Nutzung von trachtlichen Elementen als Versatzstücke<br />
von sommerlichem Lebensgefühl, Freiheit von großbürgerlichstädtischer<br />
Kleidungsetikette und pittoresker Freude z. B. Kammerhofer-<br />
Aggermann, Ulrike: Dirndl, Lederhose und Sommerfrischenidylle. In:<br />
Kriechbaumer, Robert (Hg.): Der Geschmack der Vergänglichkeit.<br />
Jüdische Sommerfrische in Salzburg. Wien-Köln-Weimar: Böhlau 2002<br />
(= Schriftenreihe des Forschungsinstitutes für Politisch-Historische<br />
Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Salzburg 14), S. 317–334;<br />
[Dieselbe]: Salzburger Trachten – ein Kampf zwischen städtischer Mode<br />
und völkischer Ideologie. In: Loewy, Hanno; Milchram, Gerhard (Hg.):<br />
„Hast du meine Alpen gesehen?“ Eine jüdische Beziehungsgeschichte.<br />
Hohenems: Bucher 2009, S. 180–205.<br />
17) Vgl. Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: „eine reiche Auswahl der<br />
herrlichsten <strong>Volks</strong>kostüme und der schönsten Menschentypen“ Etappen<br />
der Entstehung unseres gegenwärtigen Begriffs von Tracht. In: Justnik,<br />
Herbert (Hg.): Gestellt. Fotografie als Werkzeug in der Habsburgermonarchie.<br />
Wien: Löcker-Verlag 2014 (= Kataloge des Österreichischen<br />
Museums für <strong>Volks</strong>kunde 100), S. 57–70.<br />
18) Brügge, Joachim; Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: Kulturstereotype<br />
und Unbekannte Kulturlandschaften am Beispiel von Amerika und Europa.<br />
Anif-Salzburg: Verlag Mueller-Speiser 2007 (= Wort und Musik. Bd. 66,<br />
zugleich Salzburger Beiträge zur <strong>Volks</strong>kunde 17). Darin besonders:<br />
Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: Kulturstereotype. Zur Einleitung,<br />
S. 5–14 sowie Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: Salzburg als mediales<br />
Misreading: Touristische Salzburg-Klischees im Wandel, S. 61–92.<br />
19) Vgl. Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: Salzburger Nockerl –<br />
Mozartkugel – Schmaustheater. Kulinarisches zum Salzburger-Tourismus.<br />
In: Kramer, Dieter; Lutz, Ronald: Tourismus – Kultur. Kultur – Tourismus.<br />
Münster-Hamburg: LIT 1993, S. 79-112. Vgl. Kammerhofer-Aggermann,<br />
Ulrike: Die Mozartkugel. Von der lokalen Spezialität zum nationalen<br />
Symbol Österreichs. In: Luidold, Lucia; Kammerhofer-Aggermann, Ulrike<br />
(Hg.): Bräuche im Salzburger Land. Zeitgeist – Lebenskonzepte – Rituale<br />
– Trends – Alternativen. [3 CD-ROMs mit Begleitheft im Schuber].<br />
Salzburg: Salzburger Landesinstitut für <strong>Volks</strong>kunde. 2002-2005<br />
(= Salzburger Beiträge zur <strong>Volks</strong>kunde 13-16). Hier: CD-ROM 2:<br />
Vom Frühling bis zum Herbst.<br />
20) Vgl. Kammerhofer-Aggermann, Ulrike; Wiener-Lanterdinger, Melanie;<br />
Maier, Cornelia: Gerahmte Sehnsucht: inszeniert, demoliert. In: Salzburg-<br />
Archiv 33. Schriften des Vereines Freunde der Salzburger Geschichte.<br />
Salzburg 2008, S. 417–438; Greger, Michael J.: „Gruß aus…“! Die Ansichtskarte<br />
aus dem Salzkammergut. In: Luger, Kurt; Rest, Franz (Hg.):<br />
Alpenreisen. Erlebnis. Raumtransformation. Imagination. Innsbruck-<br />
Wien-Bozen: Studien-Verlag 2017, S. 562–591.<br />
21) Kammerhofer-Aggermann, Ulrike; Keul, Alexander G. (Hg.):<br />
The Sound of Music zwischen Mythos und Marketing. Salzburg:<br />
Salzburger Landesinstitut für <strong>Volks</strong>kunde 2000. (= Salzburger<br />
Beiträge zur <strong>Volks</strong>kunde 11).<br />
67
Konzerte, Fortbildungen,<br />
Ausstellungen<br />
WAS IST LOS IN DER<br />
SALZBURGER VOLKSKULTUR?<br />
TEXT Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> // FOTOS Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong><br />
So vielfältig wie das Leben in Salzburg, so bunt<br />
ist auch der Veranstaltungskalender der Salzburger<br />
<strong>Volks</strong><strong>kultur</strong>. Ein Streifzug zeigt die Fülle an Veranstaltungen,<br />
die aktuell in allen Regionen stattfinden:<br />
Von MusikSeminaren über DirndlNähkurse<br />
bis hin zu <strong>Volks</strong>tanzkursen gibt es eine bunte Auswahl.<br />
Für Familien und Kinder gibt es einen speziellen<br />
Kinder und Jugendkalender, spannende Sonderausstellungen<br />
und Tipps für hörenswerte Konzerte.<br />
Umfangreiche Weiterbildungsangebote der<br />
Salzburger Landesverbände laden ein, <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong><br />
hautnah zu entdecken und selbst mitzuwirken.<br />
Eigene Veranstaltungen können jederzeit auf der Homepage<br />
der Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> eingereicht werden. Im Reiter<br />
Termine findet sich rechts oben der Button „Termin einreichen“.<br />
Über 1.000 Vereine sind in ganz Salzburg aktiv,<br />
viele organisieren Feste, Konzerte, Kurse, Ausstellungen.<br />
Wenn auch Sie eine Veranstaltung organisieren<br />
und bewerben möchten, steigen Sie ein<br />
unter www.salzburgervolks<strong>kultur</strong>.at. Der Terminkalender<br />
steht kostenfrei allen Vereinen und volks<strong>kultur</strong>ellen<br />
Veranstaltern zur Verfügung.<br />
Egal, ob noch <strong>2021</strong> oder 2022 und<br />
darüber hinaus – tragen Sie Ihre<br />
Veranstaltungen unbedingt ein!<br />
Links:<br />
Alle Termine<br />
https://www.salzburgervolks<strong>kultur</strong>.at/termine<br />
Kinder- und Jugendprogramm<br />
https://www.salzburgervolks<strong>kultur</strong>.at/<br />
termine/kinder-und-jugendprogramm<br />
Groß und Klein profitiert vom Kinder- und<br />
Jugendprogramm, auch Sonderausstellungen<br />
und Weiterbildungen werden angezeigt.<br />
Termin einreichen<br />
https://www.salzburgervolks<strong>kultur</strong>.at/<br />
termine/termin-einreichen<br />
78
Eigentums-, Miet- und Mietkaufwohnungen,<br />
die man sich leisten kann!<br />
Bürmoos, Mietwohnungen<br />
St. Johann, Eigentumswohnungen<br />
Für Aktuelles zum Unternehmen<br />
oder Immobiliensuche<br />
bitte QR-Code scannen:<br />
Leogang, Mietkauf- und Eigentumswohnungen<br />
www.salzburg-wohnbau.at
80<br />
kul
tur.<br />
Gemeinsames Tun ist<br />
unsere Kultur. Im Fehlen<br />
wird uns das bewusst.<br />
Freuen wir uns, wenn<br />
dies möglich ist.<br />
81
Universitätslehrgang<br />
Blasorchesterleitung –<br />
VOLLES HAUS BEIM ERSTEN<br />
ABSCHLUSSKONZERT<br />
TEXT Romana Stücklschweiger // FOTO Romana Stücklschweiger<br />
Neben dem höchst erfolgreichen<br />
Masterstudium Blasorchesterleitung<br />
startete die Universität Mozarteum<br />
als kompetenter Partner des Salzburger<br />
Blasmusikverbandes im März<br />
2019 erstmals den berufsbegleitenden<br />
Universitätslehrgang für Blasorchesterleitung,<br />
finanziert vom Land<br />
Salzburg. Durch die hervorragende<br />
Vermittlung der musikalischen und<br />
instrumentenspezifischen Grundlagen<br />
an den musikalischen Bildungsstätten<br />
im Land Salzburg und durch das<br />
stetig steigende Niveau in den rund 150<br />
Salzburger Blasmusikkapellen werden<br />
auch die Anforderungen an die Kapellmeisterinnen<br />
und Kapellmeister des<br />
Salzburger Blasmusikverbandes immer<br />
größer. Der einzigartige, zweijährige<br />
Universitätslehrgang bildet vor diesem<br />
Hintergrund einen wichtigen neuen<br />
Baustein im Weiterbildungsangebot<br />
des BlasorchesterleitungBereichs in<br />
Salzburg. Im vierten Semester wird<br />
die jeweils letzte Orchesterübung als<br />
interne Prüfung angelegt, nach positivem<br />
Abschluss erfolgt die Zulassung<br />
zur externen Abschlussprüfung: der<br />
Leitung eines Blasorchesterwerks im<br />
öffentlichen Abschlusskonzert.<br />
Das ausverkaufte Abschlusskonzert<br />
im Juli <strong>2021</strong> bildete das große<br />
Finale des ersten Universitätslehrgangs<br />
Blasorchesterleitung und fand<br />
als fulminante Premiere statt: Günther<br />
Binggl, Stefan Eder, Ingrid HarrerHoffmann,<br />
Daniel Laganda, Hyuenmin Lee,<br />
Roland MairGruber, Johann Schernthanner<br />
und Martin Schwab leiteten<br />
als die ersten acht Absolventinnen und<br />
Absolventen des Universitätslehrgangs<br />
die Militärmusik Salzburg (verstärkt<br />
durch Studierende der Universität<br />
Mozarteum) im voll besetzten Max<br />
SchlerethSaal. Das Konzert, das<br />
pandemiebedingt von Ende Jänner auf<br />
Juli verschoben worden war, konnte zur<br />
großen Freude aller Beteiligten unter<br />
fast normalen Bedingungen stattfinden.<br />
Der Universitätslehrgang wurde<br />
mit einem vielfältigen Programm<br />
und Werken von Franz Schubert und<br />
Antonín Dvořák über Julius Fučík und<br />
Pietro Mascagni bis hin zu James Barnes<br />
und Andreas Ziegelbäck mehr als<br />
würdig abgeschlossen. Wir gratulieren<br />
allen Absolventinnen und Absolventen<br />
herzlich!<br />
82
Im Zentrum des neuen Universitätslehrgangs<br />
Blasorchesterleitung<br />
(Lehrgangsleitung: Martin Fuchsberger)<br />
steht die Vermittlung von<br />
Fachwissen gleichermaßen wie die<br />
praktische Übung und Anleitung<br />
im Hinblick auf die erforderlichen<br />
Kenntnisse der Blasorchesterleitung,<br />
ebenso Lehrinhalte rund um die<br />
Führungsrolle als Kapellmeister. Ein<br />
weiterer Fokus liegt auf den Themen<br />
Arrangement und Transkription, Repertoire<br />
und Analyse sowie Methodik<br />
und Didaktik der Blasorchesterleitung<br />
(Andrzej Kucharski), kombiniert mit<br />
Übungen zu Harmonielehre, Tonsatz<br />
und Gehörbildung. Den Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmern steht ein großes<br />
Angebot von Hospitationen im<br />
Instrumentalunterricht aller Instrumente<br />
der BlasorchesterBesetzung<br />
an der Universität Mozarteum Salzburg<br />
zur Verfügung, auch werden<br />
Lehrproben bei Blasmusikkapellen<br />
sowie Übungsdirigate bei der Militärmusik<br />
Salzburg abgehalten. Dieser<br />
praktische Bereich beinhaltet eine<br />
enge Zusammenarbeit mit dem<br />
Salzburger Blasmusikverband.<br />
Der Universitätslehrgang Blasorchesterleitung<br />
steht nach positiv<br />
absolviertem Aufnahmegespräch allen<br />
offen, die bereits Kapellmeister sind<br />
oder vergleichbare Vorkenntnisse<br />
nachweisen können.<br />
83
Festkonzert<br />
„Salzburg bist du großer Töne“<br />
TEXT Chorverband Salzburg //<br />
FOTO Albert Moser<br />
Zweimal hieß es „Konzert verschoben“, beim<br />
dritten Anlauf soll es nun klappen: Das von langer<br />
Hand geplante Großkonzert im Salzburger Festspielhaus<br />
wird im Mai 2022 über die Bühne gehen.<br />
Zusammen mit dem Orchester der Salzburger Kulturvereinigung<br />
und Salzburger Chören erwartet<br />
die Besucher ein Festabend der besonderen Art.<br />
Ein Galakonzert im Großen Festkonzert, damit<br />
wollte sich der Chorverband bereits 2020 selbst<br />
beschenken. Ein großes Fest für alle Salzburger<br />
Chöre, Wegbegleiter und Freunde zum 20jährigen<br />
Jubiläum hätte es werden sollen. Pandemiebedingt<br />
wurde aus diesem Traum vorerst nichts.<br />
Nun soll das Projekt im dritten Anlauf endlich<br />
glücken. Der 25. Mai 2022 steht ganz im Zeichen<br />
des Chorgesangs. Bereits um 18 Uhr findet unter<br />
dem Motto „Salzburg bist du großer<br />
Töne“ das Galakonzert für alle Salzburger<br />
Chöre statt. Landeschorleiter Helmut<br />
Zeilner wird mit dem Orchester der<br />
Salzburger Kulturvereinigung und ausgewählten<br />
Chören zu hören sein. Noch<br />
einmal soll auf 20 Jahre gelebte Tradition<br />
und Verbundenheit im gemeinsamen<br />
Singen feierlichmusikalisch angestoßen<br />
werden. Das Festprogramm wird<br />
unter anderem Beethovens „Ode an die<br />
Freude“ zu Gehör bringen.<br />
erklingen, sondern im Anschluss an das Konzert<br />
die ganze Altstadt zur Chorbühne werden. Eine<br />
bunte Mischung aus Chorsängerinnen und Sängern,<br />
neugierigem Auditorium und Festgästen soll<br />
die Stadt besingen und im Stil der Langen Nacht ein<br />
starkes Zeichen der Salzburger Chor szene setzen.<br />
Karten für das Galakonzert sind über die<br />
Salzburger Kulturvereinigung erhältlich. Für<br />
Mitglieds chöre im Chorverband Salzburg gibt es<br />
eine tolle Gruppenermäßigung! Die Anmeldung<br />
zur Langen Nacht der Chöre wird ab Oktober über<br />
die Homepage des Chorverband Salzburg möglich<br />
sein.<br />
Weitere Infos unter:<br />
www.chorverbandsalzburg.at<br />
Eine glückliche Fügung spielt bei<br />
diesem dritten Anlauf noch mit: der<br />
25. Mai ist der Mittwoch vor Christi<br />
Himmelfahrt und damit traditionell<br />
der Tag an dem die Lange Nacht der<br />
Chöre in Salzburg über die Bühne geht.<br />
Somit soll nicht nur das Festspielhaus<br />
Die Salzburger Altstadt wird zur Chorbühne. Nach dem Galakonzert<br />
haben alle Salzburger Chöre die Gelegenheit, bei der Langen Nacht zu<br />
singen und die stimmliche Vielfalt unserer Chorszene zu präsentieren.<br />
88
Mi, 25. Mai 2022 | 18.00 Uhr (verschoben aus <strong>2021</strong>)<br />
GALAKONZERT im Großen Festspielhaus<br />
© Chorverband Salzburg, A. Moser<br />
Salzburg bist du<br />
großer Töne!<br />
ORCHESTER DER SALZBURGER KULTURVEREINIGUNG<br />
SALZBURGER CHÖRE<br />
HELMUT ZEILNER Dirigent<br />
GERHILD ZEILNER Sopran | CHRISTA RATZENBÖCK Alt<br />
PETER SONN Tenor | MANFRED MITTERBAUER Bass Einzelkarten: € 48<br />
In Kooperation mit dem<br />
Chorverband Salzburg<br />
Waagplatz 1a (Innenhof Traklhaus) | 5020 Salzburg<br />
+43 (0)662 845346<br />
info@<strong>kultur</strong>vereinigung.com<br />
www.<strong>kultur</strong>vereinigung.com
Kalligrafie<br />
DIE KUNST DES SCHÖNEN SCHREIBENS<br />
TEXT Salzburger Heimatvereine // FOTOS Brigitte Greisberger<br />
Brigitte Greisberger aus Elixhausen hat vor zehn<br />
Jahren ihr Hobby zum Beruf gemacht und mit der<br />
„Handschrift“ den Schritt in die Selbstständigkeit<br />
gewagt.<br />
„Es herrscht Stille im Atelier. Ruhe begleitet mein Tun.<br />
Langsam führe ich meine Feder. Die Spitze kratzt leise<br />
über’s Papier. Achtsam entstehen Buchstaben. Daraus<br />
werden Wörter. Sie schreiben Geschichten.“<br />
– so erlebt und beschreibt Brigitte Greisberger<br />
ihre tägliche Arbeit.<br />
Alles begann 2005 bei einer Reise nach Venedig.<br />
Sie stolperte zufällig in ein einfaches Schreibwarengeschäft<br />
und fühlte sich auf Anhieb „angekommen“.<br />
Die Ruhe des kleinen Ladens, die ausgewählten,<br />
in Leder gebundenen Bücher und die<br />
einzigartigen Federhalter samt Federn,<br />
Tinte und Siegel zogen die gelernte<br />
Bürokauffrau in ihren Bann.<br />
Sie kaufte sich ein Starterset, das sie<br />
in Packpapier und Spagat gewickelt<br />
wie einen Schatz nach Hause trug.<br />
Da sie von Schriften und dem Umgang<br />
mit altertümlichen Schreibgeräten<br />
keine Ahnung hatte, machte<br />
sie sich auf die Suche nach Kursen<br />
und wurde fündig. Bald darauf<br />
saß sie in einem Schreibworkshop<br />
für „Englische Schreibschrift“.<br />
und einfachen Strichübungen, bevor die ersten,<br />
noch wackeligen Buchstaben entstanden. Doch es<br />
machte sich eine innere Ruhe breit, ließ sie Zeit und<br />
Raum vergessen – sie wurde eins mit dieser kreativen<br />
Art des Schaffens. Es folgten viele<br />
Stunden des Übens und Ausprobierens.<br />
Sie besuchte weitere Kurse in Österreich,<br />
Deutschland und der Schweiz, wo<br />
sie unterschiedliche Schriften lernte.<br />
Mittlerweile gehören Englische Schreibschrift,<br />
Unziale, Humanistische Kursive,<br />
Jugendstil, Fraktur, Blockschrift<br />
und Humanistische Antiqua zu ihren<br />
Lieblingsschriften. Geschrieben wird mit Breit,<br />
Spitz und Redisfeder sowie mit selbstgemachten<br />
Bambusfedern, Balsaholz, Furnier, Pinsel und<br />
manch anderen Alternativen. Selbst die Untergründe<br />
sind unterschiedlich. Ob auf Papier, Pergament,<br />
Holz, Rinde, Ton, Stein, Marmor, Granit,<br />
Spanschachteln, Glaskugeln, Wänden – es bleibt<br />
immer spannend.<br />
Sie fühlte sich in die erste Klasse<br />
zurückversetzt. Es begann mit<br />
dem Kennenlernen des Materials<br />
So bunt wie das Leben sind die Farben und Schreibgeräte<br />
die Brigitte bei ihrer täglichen Arbeit verwendet.<br />
96
Darum ist die Erstellung von Ehrenurkunden<br />
stets eine Freude für sie. Mit großer Hingabe gestaltet<br />
sie die individuellen Auszeichnungen und<br />
versucht den Charakter des Vereines/der Gemeinschaft<br />
in Farbe, Form und Schrift hervorzuheben.<br />
Mit Wappen, Logo, hinterlegter Bleistiftzeichnung<br />
oder Prägung ist jede Urkunde ein Unikat. „Ein von<br />
Hand geschriebener Dank bringt die Wertschätzung<br />
außergewöhnlicher Verdienste und Leistungen<br />
besonders zum Ausdruck“, ist Brigitte Greisberger<br />
überzeugt.<br />
Im eigenen<br />
Atelier<br />
ent stehen die<br />
von Hand<br />
geschriebenen<br />
Unikate.<br />
Für ihre Auftraggeber, das sind Privatpersonen,<br />
Firmen, Vereine, Gemeinden, Pfarren, Hotels<br />
und Restaurants, kreiert sie Einladungen, Glückwunschkarten,<br />
Tisch und Menükarten, Urkunden,<br />
Familienchroniken, Stammbäume, Schriftenrollen,<br />
Schriftbilder, Geschenke, Gutscheine, handgebundene<br />
Bücher, Firmenlogos, Schriftzüge u. v. m.<br />
„Von der Geburt bis zur Grabtafelbeschriftung darf<br />
ich durch das ganze Leben begleiten. Es ist eine<br />
große Ehre für mich, die vielen persönlichen Momente<br />
der Menschen handgeschrieben mitzugestalten“,<br />
sagt Greisberger.<br />
Besonders am Herzen liegen ihr die Vereine.<br />
Brigitte Greisberger, geb. Forsthuber wuchs in<br />
Koppl in einer traditionellen „Vereinsfamilie” auf.<br />
Jedes Familienmitglied war bei einem Verein engagiert<br />
und an den Festtagen wurde mit den Schützen,<br />
den Goldhauben und Trachtenfrauen und<br />
den Trachtlern ausgerückt. So war es für Brigitte<br />
selbstverständlich, in der Jugend Mitglied und in<br />
weiterer Folge Schriftführerin des Trachtenvereines<br />
„d’Poschenstoana“ zu werden. „In dieser Zeit<br />
lernte ich, wie wichtig Zusammenhalt in und außerhalb<br />
der Familie ist. Eine Gemeinschaft wird<br />
von jedem Einzelnen getragen. Das Ehrenamt ist<br />
ein wichtiger Teil des Miteinanders in einem Ort.“<br />
In den KalligrafieWorkshops können Interessierte<br />
selbst in die Kunst des Schönschreibens eintauchen.<br />
Anfänger und Fortgeschrittene lernen mit<br />
unterschiedlichen Materialien diverse Schriften<br />
kennen. Dabei entstehen wunderbare Billetts oder<br />
Geschenkideen. Durch das gemeinsame kreative<br />
Arbeiten in angenehmer Atmosphäre genießt man<br />
entspannende Auszeiten für die Seele. Seit einigen<br />
Jahren werden auch im Haus der <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong>en in<br />
Salzburg Kurse angeboten. Die Termine finden Sie<br />
auf www.heimatvereine.at/weiterbildungen.<br />
Wer sich persönlich von der Vielfalt der<br />
Kalligrafie verzaubern lassen möchte, hat<br />
bei diversen Ausstellungen Gelegenheit<br />
dazu und ist in Greisbergers Atelier<br />
(nach Terminvereinbarung) sehr herzlich<br />
willkommen.<br />
Kontakt:<br />
Brigitte Greisberger<br />
0664/73 35 38 60<br />
www.handschrift.co.at<br />
Brigitte schreibt auch Gedichte, die sie in kalligrafischen<br />
Werken – wie in diesem „Danke”-Billett – verewigt.<br />
97
Landespreis <strong>2021</strong><br />
„Junge Landesforschung – Salzburg“<br />
TEXT Andrea Dillinger //<br />
FOTOS Matthias Heitzmann<br />
Die Vorwissenschaftliche Arbeit (VWA) gehört<br />
zu den drei Säulen der Reifeprüfung. Neben der<br />
schriftlichen und mündlichen Prüfung haben die<br />
Kandidatinnen und Kandidaten in der Vorwissenschaftlichen<br />
Arbeit die Möglichkeit, sich intensiver<br />
mit einem Thema, das sie interessiert und das<br />
sie vertiefen wollen, auseinanderzusetzen. Der<br />
Landespreis „Junge Landesforschung – Salzburg“<br />
wird in den zwei Kategorien „Demokratiepolitische<br />
Bildung. Salzburger Gegenwarts und Zukunftsfragen“<br />
sowie „Geschichte und Landeskunde“<br />
vergeben.<br />
Die Kriterien für die Kategorie „Geschichte<br />
und Landeskunde“ sind ein verpflichtender Salzburgbezug<br />
in der Themenstellung und die Einbindung<br />
eines Archivs, eines Museums oder einer<br />
privaten oder öffentlichen Sammlung. Dabei wird<br />
auf die selbstständige Recherche Wert gelegt. Die<br />
drei Preisträger dieses Jahres haben eine Arbeit<br />
weit über das Geforderte hinaus verfasst, ihre Mühen<br />
werden mit dieser Auszeichnung gewürdigt.<br />
Den 3. Preis errang Moritz Buchegger mit seiner<br />
Arbeit über die historischen Bergbaustandorte im<br />
Pongau. Platz zwei ging an Mark Schmidt, der sich<br />
das „Braunkehlchen ein Wiesenbrüter in Not“<br />
zum Thema nahm. Den ersten Preis gewann Matthias<br />
Heitzmann mit seiner VWA „Vier Schicksale.<br />
Meine Urgroßväter im Zweiten Weltkrieg“. Als Begründung<br />
für den ersten Preis schrieb der Juror in<br />
seinem Gutachten: Die von Matthias Heitzmann im<br />
Fach Geschichte (Betreuer: Prof. Mag. Arnold Pritz)<br />
im Schuljahr <strong>2021</strong> am Bundesgymnasium Tamsweg<br />
eingereichte Vorwissenschaftliche Arbeit widmet<br />
sich der Rekonstruktion der titelgebenden „vier<br />
Schicksale“ der Urgroßväter des Autors. […] Matthias<br />
Heitzmanns Recherche nach Primärquellen und<br />
seine quellenkritische Auseinandersetzung damit<br />
sind als überdurchschnittlich zu bewerten. Darüber<br />
hinaus versteht der Autor es, die individuellen<br />
Erlebnisse und Erfahrungen seiner Urgroßväter<br />
anhand der Sekundärliteratur in einen größeren<br />
Kontext zu stellen und entgeht damit der Gefahr,<br />
Einzelbiografien „nachzuerzählen“ und so in der<br />
Deskription zu verbleiben. Die von Heitzmann zitierte<br />
Literatur und herangezogenen Internetquellen<br />
können als grundlegende wissenschaftliche<br />
Werke bzw. Referenzen angesehen werden.<br />
Lieber Matthias, wie kam es dazu, dass du<br />
dich so intensiv mit der Geschichte deiner<br />
Urgroßväter auseinandergesetzt hast?<br />
Ich habe mich aus zwei Gründen dafür entschieden,<br />
meine Vorwissenschaftliche Arbeit zum<br />
Thema „Vier Schicksale. Meine Urgroßväter im<br />
Zweiten Weltkrieg“ zu verfassen. Zum einen wollte<br />
ich mehr über meine Familiengeschichte herausfinden,<br />
zum anderen interessiere ich mich für die<br />
Thematik des Zweiten Weltkriegs. Ich fragte mich<br />
daher, was meine vier Urgroßväter im Krieg und<br />
beim Kriegsende erlebten und wie ihre Kriegserlebnisse<br />
in die allgemeine Geschichte des Zweiten<br />
Weltkrieges einzuordnen sind. Josef Heitzmann<br />
aus Bischofshofen, Franz Hoffmann aus Altenmarkt,<br />
Alois Weilharter aus Kendlbruck bei Ramingstein<br />
und Dr. Hermann Quanditsch aus Mureck/Graz<br />
– diese vier Männer verbinden, obwohl<br />
sie unterschiedliche Dinge erlebten, die Erfahrungen,<br />
die sie in den Kriegsjahren machten und die<br />
ihr weiteres Leben maßgeblich beeinflusst haben<br />
dürften.<br />
118
Moritz Buchegger, Matthias Heitzmann, Andrea Dillinger,<br />
Thomas Mitterecker, Mark Schmidt<br />
Wie bist du an dein Vorhaben herangegangen<br />
und wie sahen die ersten Ergebnisse aus?<br />
Zur Beantwortung dieser Fragen interviewte<br />
ich meine Großväter, arbeitete Dokumente und<br />
Soldbücher aus den Familiennachlässen auf und<br />
stellte einen Kontext zur Fachliteratur her. Zudem<br />
habe ich einige Archive kontaktiert, unter anderem<br />
das Stadtarchiv Bischofshofen. Zunächst galt es den<br />
zeitlichen und örtlichen Rahmen abzustecken. Der<br />
Kriegseinsatz meiner Urgroßväter beginnt im Jahr<br />
1941, als Alois Weilharter und Josef Heitzmann eingezogen<br />
wurden. Geographisch gesehen erstreckten<br />
sich die Einsatzorte von der Ostukraine über<br />
den Balkan bis nach Südfrankreich. Während Josef<br />
Heitzmann vor allem in Frankreich stationiert war,<br />
wurden Alois Weilharter und Franz Hoffmann häufig<br />
verlegt. Alois Weilharter war in Frankreich und<br />
an der Ostfront. Gegen Kriegsende absolvierte er<br />
eine Ausbildung in der Nähe von Berlin und kam<br />
wieder nach Frankreich, wo er schließlich in Kriegsgefangenschaft<br />
geriet. Auch kam er im Rahmen<br />
seines Kriegseinsatzes bis zum Schwarzen Meer.<br />
Von August 1943 bis Mai 1945 konnte ich 17 Aufenthaltsorte<br />
lokalisieren und habe diese kartographiert,<br />
um einen besseren Überblick zu gewinnen.<br />
Erfährt man etwas über die<br />
Fronteinsätze der Urgroßväter?<br />
Über Fronteinsätze schweigt Franz Hoffmann<br />
in seinen Briefen und macht dazu keine Ortsangaben.<br />
Auch die Soldbücher von Alois Weilharter und<br />
Franz Hoffmann geben keine Auskünfte über die<br />
Fronteinsätze. Lediglich Lazarettaufenthalte nach<br />
einer Verwundung sind nachvollziehbar. Bei Alois<br />
Weilharter sind der Einsatz in Russland wie auch<br />
seine neuerliche Verlegung und Gefangenschaft<br />
nach bzw. in Frankreich nur durch die mündliche<br />
Überlieferung belegt. Bei Franz Hoffmann können<br />
aufgrund des umfangreichen Quellenmaterials ungefähre<br />
Angaben über die Dauer seiner Fronteinsätze<br />
gemacht werden. Aus seinen Briefen lässt sich<br />
erschließen, dass er von den 622 Tagen rund 70 Tage<br />
im Kampfeinsatz verbracht hat. 100 weitere Tage war<br />
er infolge von Verwundungen kampfuntauglich.<br />
119
Kriegszeit von Franz Hoffmann<br />
25.8.1943 – 8.5.1945 (622 Tage)<br />
Welche Erkenntnisse bleiben für<br />
dich nach Abschluss der VWA?<br />
34 T, 5 %<br />
70 T, 11 %<br />
70 T, 11 %<br />
415 T, 67 %<br />
■ Ausbildung Kaserne etc. ■ Einsatz<br />
■ Lazarett Verwundung ■ Urlaub<br />
Wie erlebten die Urgroßväter<br />
die Nachkriegszeit?<br />
Zwei meiner Urgroßväter kamen gegen Kriegsende<br />
in Gefangenschaft. Alois Weilharter in Frankreich<br />
und Josef Heitzmann in den Niederlanden.<br />
Beide wurden noch im Jahr 1945 entlassen. Franz<br />
Hoffmann wurde mit einem nicht ausgeheilten<br />
Bauchschuss aus dem Lazarett in Olbernhau nach<br />
Hause geschickt. Mehrfach musste er den Verband<br />
abnehmen, um anderen deutschen Einheiten und<br />
der Feldpolizei zu beweisen, dass er wirklich verwundet<br />
war. Noch im Herbst des Jahres 1945 wurde<br />
ein Projektil aus seinem Bein entfernt. Alois Weilharter<br />
war dann wieder bei seiner Familie und<br />
knüpfte an sein Leben vor dem Krieg als Krämer<br />
mit einer kleinen Landwirtschaft und später als<br />
Gastwirt an. Hermann Quanditsch, der vor dem<br />
Krieg im Ständestaat als Regierungskommissär die<br />
Agenden eines Bürgermeisters in Mureck ausgeübt<br />
hatte und nach dem Anschluss aus der Anwaltskammer<br />
ausgeschlossen worden war, wurde nach<br />
dem Krieg politisch voll rehabilitiert. Er blieb mit<br />
seiner Familie in Graz, wurde Richter und in weiterer<br />
Folge stellvertretender Präsident des steiermärkischen<br />
Landesgerichts. Franz Hoffmann übersiedelte<br />
von Altenmarkt nach Tamsweg und gründete<br />
eine Familie. Josef Heitzmann arbeitete wieder als<br />
Maler in Bischofshofen.<br />
Ich habe durch die Arbeit an<br />
dieser VWA zwei wichtige Erkenntnisse<br />
gewonnen. Einerseits begann<br />
ich die Geschichte des Zweiten<br />
Weltkrieges aus einer völlig neuen<br />
Perspektive zu betrachten. Vier<br />
unterschiedliche Biographien von<br />
vier Menschen, die miteinander<br />
wenig zu tun haben, fügten sich<br />
zu einem Gesamtbild zusammen.<br />
Die Bearbeitung individueller Einzelschicksale<br />
lässt mich erahnen,<br />
was der Krieg mit einer ganzen Generation<br />
angerichtet hat. Andererseits<br />
habe ich einen Bereich meiner<br />
Familiengeschichte erforscht und<br />
bin Menschen nähergekommen,<br />
die mit mir verwandt sind, die ich<br />
aber selbst nie kennenlernen konnte. Das trifft<br />
vor allem auf Franz Hoffmann zu. Als ich mit der<br />
VWA begann, war ich 17 Jahre alt. In diesem Alter<br />
leistete er seinen Reichsarbeitsdienst in Saarburg<br />
ab. Am Ende der VWA wäre ich altersmäßig unterwegs<br />
nach Skofja Loka zu meiner ersten Einheit unterwegs<br />
gewesen und erste „Partisaneneinsätze“<br />
wären unmittelbar bevorgestanden.<br />
Urgroßvater Alois Weilharter<br />
120
Soldbuch von<br />
Franz Hoffmann<br />
Die vier Urgroßväter von Matthias Heitzmann:<br />
Josef Heitzmann, Alois Weilharter, Franz Hoffmann<br />
und Hermann Quanditsch<br />
Josef Heitzmann<br />
in Frankreich<br />
121
Franz Meißl –<br />
23 Jahre Landeskommandant<br />
und Schützenobrist Salzburg<br />
EIN VORBILD IM EHRENAMT TRITT ZURÜCK<br />
TEXT Landesverband Salzburger Schützen //<br />
FOTOS Landesverband Salzburger Schützen<br />
Franz Meißl übergab <strong>2021</strong> nach 23<br />
Jahren seine Funktion als Landeskommandant<br />
und Schützenobrist Salzburgs<br />
in neue Hände. Das erscheint kaum<br />
vorstellbar, denn Franz Meißl gehört<br />
nicht nur für seine Schützen mittlerweile<br />
zum gewohnten Bild, sondern er<br />
ist auch für weite Teile der Bevölkerung<br />
kein Unbekannter mehr. Ganz gleich,<br />
ob bei Umzug, Sitzung, Festakt, Anton<br />
WallnerGedenkfeier oder anderen Anlässen<br />
– das stattliche Erscheinungsbild<br />
von Franz Meißl ließ auch für Außenstehende<br />
keine Zweifel aufkommen: „Das<br />
MUSS der Kommandant sein.“<br />
23 Jahre sind eine lange Zeit, können<br />
aber doch wie im Flug vergehen,<br />
gerade, wenn die gestellten Aufgaben<br />
Freude bereiten und nicht zur Pflicht<br />
werden. So wirkte es jedenfalls bei<br />
Franz Meißl, denn man hatte nie das<br />
Gefühl, dass ihm die Aufgabe des<br />
Landeskommandanten keine Freude<br />
bereiten würde. Diese Freude und das<br />
Engagement dürften sich ganz offensichtlich<br />
auch auf die Mitglieder übertragen<br />
haben, denn in der Amtszeit<br />
von Franz Meißl vermehrten sich die<br />
Salzburger Schützen um elf Kompanien.<br />
Von den Vorstandskolleginnen und<br />
kollegen des Landesvorstandes wurde<br />
er besonders für seine Umsichtigkeit<br />
und die Fähigkeit, bei unterschiedlichen<br />
Meinungen einen gemeinsamen<br />
Nenner zu finden, geschätzt. Gerne<br />
hätte er sein Amt bei einem Landesjahrtag<br />
übergeben, aber das war leider<br />
<strong>2021</strong> nicht möglich. Mit 18. Juni <strong>2021</strong><br />
übernimmt nun sein bisheriger Stellvertreter<br />
Josef Braunwieser das Amt<br />
des Landeskommandanten.<br />
Aber alles von Anfang an erzählt:<br />
Beim Jahrtag am 28. März 1998 übernahm<br />
Franz Meißl die Verantwortung<br />
für die Geschicke des Landesverbandes<br />
der Salzburger Schützen und war auch<br />
als Beirat im Forum Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong><br />
tätig. Keine leichte Aufgabe, denn<br />
die Landschaft der Salzburger Schützen<br />
ist so wie ihr Erscheinungsbild sehr<br />
bunt. Zudem war sein Terminkalender<br />
mit seinen Funktionen als Bürgermeister<br />
der Marktgemeinde Werfen und als<br />
Hauptmann des Struberschützenkorps<br />
bereits dicht gefüllt. Für den umtriebigen<br />
und engagierten Franz Meißl war<br />
dies aber kein Hindernis, Meilensteine<br />
für die Zukunft zu setzen.<br />
Seit 1999 werden Sicherheitskurse<br />
für Prangerstutzen und Gewehrschützen<br />
durchgeführt. Sie sind mittlerweile<br />
Standard bei den Salzburger Schützen<br />
und jedes Jahr gut besucht. Fachkundige<br />
Expertinnen und Experten referieren<br />
über rechtliche Angelegenheiten,<br />
Gehörschutz, Schützenbrauch und<br />
natürlich vor allem über die sichere<br />
Handhabung von Stutzen, Gewehren<br />
und Schwarzpulver. Ebenso zukunftsweisend<br />
war bei diesem Themenbereich<br />
das Engagement Franz Meißls<br />
hinsichtlich der Verschärfung des Waffengesetzes<br />
2017/2018. Laut dem Gesetz<br />
122
Franz Meißl 2018<br />
am Heldenplatz<br />
wäre das Abfeuern von Salutschüssen<br />
mit Salutgewehren nicht mehr möglich<br />
gewesen. Es konnte mit Unterstützung<br />
des Landes erreicht werden, dass die<br />
Salutgewehre nicht unter das neue Waffengesetz<br />
fallen, wenn diese bei den<br />
Bezirksbehörden gemeldet sind. Somit<br />
steht auch weiterhin dem Salutschießen<br />
nichts im Wege.<br />
Im September 2003 wurde das Bild<br />
des Landesverbandes um eine Facette<br />
bunter, denn im Dom zu Salzburg<br />
wurde die neue Landesfahne geweiht.<br />
Nachdem mit Unterstützung des Landes<br />
die Finanzierung sichergestellt werden<br />
konnte, erfolgte gemeinsam mit<br />
Schützensuperior Hans Paarhammer,<br />
Hofrätin Friederike Zaisberger und<br />
Referatsleiterin der Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong><br />
Lucia Luidold die Gestaltung der<br />
Fahne. Der Festakt am Residenzplatz<br />
mit ca. 1.200 Schützen war Anlass für<br />
die Schaffung von Bezirksfahnen, die es<br />
mittlerweile in jedem Bezirk gibt.<br />
Hans Paarhammer spielte in der<br />
gesamten Amtszeit eine wichtige Rolle<br />
und bildete eine Säule des Schützenwesens.<br />
2012 wurde er zum Landesschützendekan<br />
und ihm zu Ehren wurde 2015<br />
eine Medaille benannt. Bereits 2014 gab<br />
es Überlegungen, eine neue Medaille zur<br />
Verleihung für besondere Verdienste um<br />
das Schützenwesen zu kreieren. Es war<br />
schnell klar, dass diese bereits zu Lebzeiten<br />
des Namensträgers erstellt werden<br />
sollte. Nach eingehenden Beratungen<br />
und Rücksprachen konnte der stolze<br />
Landeskommandant Meißl die höchste<br />
Auszeichnung Hans Paarhammer selbst<br />
bei der AntonWallnerGedenkfeier in<br />
Eben im Pongau verleihen.<br />
Als Landeskommandant war Franz<br />
Meißl bei unzähligen Ehrungen, Festakten<br />
und Festen mit dabei. Besonders<br />
in Erinnerung dürfte das Landesschützenfest<br />
2009 in Pass Lueg – Stegenwald<br />
geblieben sein. Zum Jubiläum „100<br />
Jahre Struberschützenkorps Werfen“<br />
fand unter dem Kommando von Franz<br />
Meißl ein großes Landesfest statt, zu<br />
welchem neben Schützenkompanien<br />
und Musikkapellen des Landes auch<br />
Kompanien aus Südtirol und den anderen<br />
Bundesländern Österreichs kamen.<br />
Im Festzelt fanden 6.000 Personen<br />
123
Platz und ein besonderes Ereignis war<br />
die Kampfnachstellung am Pass Lueg.<br />
Beim Fest mit eingebunden waren auch<br />
noch andere Projekte wie das Buch<br />
„Frieden – Schützen“, welches die Franzosenkriege<br />
im Dreiländereck Bayern<br />
– Salzburg – Tirol von 1792 bis 1816<br />
beschreibt, und eine Schützenausstellung<br />
auf der Burg Werfen.<br />
Ebenso wie bei Festen gehörte<br />
Franz Meißl auch bei der Anton<br />
WallnerGedenkfeier mit ins gewohnte<br />
Bild. Diese wird jedes Jahr in einer<br />
anderen Gemeinde abgehalten, was für<br />
die örtliche Schützenkompanie wie für<br />
die gesamte Gemeinde eine Ehre ist.<br />
Eine besondere Feier war die im Jahr<br />
2016 in der Landeshauptstadt Salzburg.<br />
Anlässlich der Feierlichkeiten „200<br />
Jahre Salzburg bei Österreich“ boten<br />
Schützenkompanien und Musikkapellen<br />
aus Salzburg, Tirol, Südtirol und<br />
Bayern ein imposantes Bild. Für alle<br />
Teilnehmenden fand der Festakt am<br />
Residenzplatz einen würdigen<br />
Abschluss in der Residenz selbst.<br />
Zwei Jahre später wurde es allerdings<br />
noch imposanter. Nach kurzer<br />
Vorbereitungszeit fanden sich am 21.<br />
Oktober 2018 4.300 Schützen, Musikerinnen<br />
und Musiker des Bundeslandes<br />
Salzburg und Abordnungen aus ganz<br />
„Viele Stunden flossen in diese ehrenamtliche<br />
Aufgabe und die kurze Rückschau<br />
kann den Wert, die Stunden und<br />
Bemühungen nicht wiedergeben.“<br />
Österreich und Südtirol in Wien am<br />
Heldenplatz ein und setzten zum Jubiläum<br />
„100 Jahre Republik Österreich“<br />
ein besonderes Zeichen. Dem Vorbereitungsteam<br />
(Gabi Beran, Heinz Hufler,<br />
Franz Meißl) war es gelungen, alles<br />
vorzubereiten, die Schützenkompanien<br />
zu motivieren und den „Marsch auf<br />
Wien“ perfekt zu organisieren. Für alle<br />
teilnehmenden Vereine und Besucher<br />
war der farbenprächtige Aufmarsch<br />
ein besonderes Erlebnis und für Franz<br />
Meißl der Höhepunkt seiner bisherigen<br />
Laufbahn als Landeskommandant. Ein<br />
Jahr später folgte gleich ein weiterer mit<br />
der Kranzniederlegung und Gedenktafelenthüllung<br />
in Villa Lagarina (Italien)<br />
anlässlich des 400. Wahljubiläums<br />
von Fürsterzbischof Paris Graf Lodron.<br />
Franz Meißl war in seiner gesamten<br />
Laufbahn der Zusammenhalt der<br />
Schützen, die Zusammenarbeit mit Bezirks,<br />
Landesvorständen und den<br />
Vertretern der Landesregierung<br />
wichtig. Gerade der Zusammenhalt,<br />
also die Stärkung des Fundamentes<br />
war ihm vor der Übergabe<br />
des Amtes eine Herzensangelegenheit.<br />
Viele Stunden flossen in<br />
diese ehrenamtliche Aufgabe und<br />
die kurze Rückschau kann den<br />
Wert, die Stunden und Bemühungen<br />
nicht wiedergeben.<br />
Lieber Franz, Danke für dein<br />
Wirken als Landeskommandant, als<br />
Vorbild, als Zuhörer, als Vordenker und<br />
als Umsetzer von Ideen.<br />
124
Neuer Landeskommandant<br />
für über 6.000 Salzburger<br />
Schützen: Josef Braunwieser<br />
TEXT Salzburger <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> // FOTOS Salzburger Landesschützenverband<br />
Mit Josef „Sepp“ Braunwieser hat der Salzburger<br />
Landesschützenverband einen neuen Landesobmann<br />
bzw. Landeskommandanten bekommen. Mit<br />
seinen Stellvertretern Albert Planitzer und Anton<br />
Kaufmann übernahm er offiziell bei der Anton<br />
WallnerFeier am 5. September das Ehrenamt. Josef<br />
Braunwieser ist bei den Salzburger Schützen kein<br />
Unbekannter. Wir wollten dennoch mehr über den<br />
neuen Landeskommandanten erfahren und haben<br />
ihn für ein Interview besucht. Lernen Sie mit uns<br />
den neuen Landeskommandanten etwas besser<br />
kennen.<br />
Lieber Josef, lieber Sepp, vielen Dank für deine<br />
Zeit und für die Einladung. Viele Menschen kennen<br />
dich bereits, aber für die, die dich noch nicht so<br />
gut kennen: Was genau macht Josef Braunwieser,<br />
wenn er keine Uniform trägt?<br />
Ich bin Vollerwerbslandwirt in Bergheim, das<br />
heißt, ich bin den ganzen Tag entweder bei den Tieren<br />
im Stall oder mit dem Traktor auf der Wiese.<br />
Mit 90 Stück Vieh gibt es genug Arbeit und auch<br />
Wiesen und Felder benötigen gerade in der Erntezeit<br />
sehr viel Pflege. Aber ich bin mit Leib und Seele<br />
Bauer und einen anderen Beruf könnte ich mir<br />
nicht vorstellen.<br />
Arbeitet die Familie ebenfalls am Hof mit?<br />
Ich hatte das Glück „die Richtige“ zu finden.<br />
Meine Frau arbeitet wie auch meine Kinder am Hof<br />
mit. Ohne die Hilfe wäre es gar nicht möglich, die<br />
Funktion des Landeskommandanten zu übernehmen.<br />
Den Betrieb habe ich 1992 von meinem Vater<br />
übernommen, ständig erweitert und weiter aufgebaut<br />
und ich hoffe, dass der Hof noch lange weitergeführt<br />
wird.<br />
Wie bist du zu den Schützen gekommen?<br />
Das wurde mir in die Wiege gelegt. Mein Großvater<br />
war Schützenhauptmann in Bergheim und<br />
auch der andere Großvater war mit Leib und Seele<br />
bei den Schützen dabei. Ich bin 1985 zu den Prangerschützen<br />
gekommen, 1990 wurde ich Fähnrich,<br />
1993 Hauptmannstellvertreter und von 1998 bis<br />
2020 war ich Schützenhauptmann in Bergheim.<br />
125
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60 Jahre Bischofshofener<br />
Amselsingen<br />
TEXT Martina Mayr und Klaus Vinatzer //<br />
FOTOS Susanne Reisenberger, Sbg. Saitenensemble, Michaela Complojer, Alpenlandler<br />
Das Bischofshofener Amselsingen<br />
ist eine der traditionsreichsten<br />
<strong>Volks</strong><strong>kultur</strong>veranstaltungen<br />
im Alpenraum und<br />
findet stets am 2. Samstag<br />
im Oktober in der Hermann<br />
WielandnerHalle in Bischofshofen<br />
statt.<br />
Die seit 1950 jährlich in<br />
Bischofshofen abgehaltenen<br />
Ostersingen wurden 1960<br />
auf Initiative von Cassio Castelpietra<br />
und Bürgermeister<br />
Hermann Wielandner mit<br />
dem <strong>Volks</strong>musikpreis um die<br />
„Bischofshofener Amsel“ weitergeführt.<br />
Ab 1971 wurde<br />
der Bewerb in ein und Sänger<br />
und Musikantentreffen<br />
umgewandelt. Dem Ziel, „das<br />
bodenständige, echte <strong>Volks</strong>lied<br />
und die echte <strong>Volks</strong><strong>kultur</strong> zu<br />
erhalten“, blieb das Amselsingen<br />
bis heute treu.<br />
Mit dabei sind herausragende<br />
Gruppen aus Österreich,<br />
Bayern und Südtirol, die jeweils von der<br />
künstlerischen Leitung ausgewählt und von der<br />
Stadtgemeinde eingeladen werden. Die Mitwirkenden<br />
bringen in unverwechselbarer Musizier und<br />
Singweise die Vielfalt der <strong>Volks</strong>musik zum Erklingen.<br />
Traditionell sind immer auch heimische Gruppen<br />
ver treten.<br />
Veranstalter des Bischofs hofener Amselsingens<br />
sind die Stadtgemeinde Bischofshofen, der Verein<br />
Die Alpenlandler Musikanten, aus allen Regionen des<br />
alpenländischen Raumes kommend, fanden sich 2012 in<br />
Wals/Salzburg bei einem Auftritt zusammen.<br />
„D’Hochgründecker“ und das Salzburger <strong>Volks</strong>liedwerk.<br />
Die Organisation erfolgt in Zusammenarbeit<br />
mit einem Team der Stadtgemeinde, seit 2019<br />
unter der Leitung von Theresia Saller. Ihre Vorgänger<br />
waren Josef Auer und Hans Pokorny mit Jakob<br />
Rohrmoser.<br />
Drei fachkundige Persönlichkeiten zeichnen<br />
seit 2015 für die musikalische Leitung des Bischofshofener<br />
Amselsingens verantwortlich.<br />
139
SALZBURGER VOLKSLIEDWERK<br />
ORFModeratorin Caroline Koller führt seit<br />
2011 charmant durch das Amselsingen. In fachkundiger<br />
und liebenswerter Weise versteht sie es<br />
wie keine andere, die Vielfalt der <strong>Volks</strong>musik zu<br />
vermitteln.<br />
„Auf das 60-Jahr-Jubiläum des Amselsingens<br />
freue ich mich ganz besonders, weil es einmal mehr<br />
zeigen wird, wie sehr die <strong>Volks</strong>lieder und die Musik<br />
aus den jeweiligen Regionen ganze Generationen miteinander<br />
verbindet.“<br />
Martina Mayr, ehemalige <strong>Volks</strong>schullehrerin<br />
und als solche beispielgebend in der Musikerziehung<br />
tätig, ist im Chorwesen tief verwurzelt.<br />
„Das Amselsingen ist so wie ich in Bischofshofen<br />
geboren und seitdem hier beheimatet. Uns beiden<br />
gemeinsam ist die Liebe zum Singen. Singen als ursprünglichste<br />
musikalische Ausdrucksform ist die<br />
Sprache der Seele und eine alles verbindende Herzensangelegenheit.“<br />
Das Frauenquartett De cater stammt<br />
aus dem Grödnertal in Südtirol. Seit<br />
1998 singen sie zu viert a-cappella,<br />
in ladinischer und deutscher Sprache.<br />
Klaus Vinatzer, Direktor im Musikum und<br />
führend im Blasorchesterwesen, bringt sich mit<br />
seinem Fachwissen auch im organisatorischen Bereich<br />
des Amselsingens ein.<br />
„Meine musikalische Wurzel ist die <strong>Volks</strong>musik.<br />
In Verbindung mit Professionalität und persönlichem<br />
Dem Kirchenchor Bischofshofen ist neben seinen liturgischen Aufgaben die Pflege der a-cappella-Literatur<br />
des 17.-21. Jahrhunderts und vor allem die Pflege des <strong>Volks</strong>liedes ein großes Anliegen.<br />
140
SALZBURGER VOLKSLIEDWERK<br />
Die Mitglieder des Salzburger Saitenensembles. Sie verbindet die Freude am<br />
gemeinsamen Musizieren und die freundschaftliche Verbindung zueinander.<br />
Engagement soll das Amselsingen als wunderschöner<br />
Akkord in der vielfältigen Musiklandschaft erklingen.“<br />
Von 1972 an leitete Harald Dengg, viele Jahre<br />
auch gemeinsam mit Josef Wimmer, das Amselsingen.<br />
Ab 1990 war Hans Pokorny, unterstützt von<br />
Jakob Rohrmoser und anfänglich auch von Philipp<br />
Meikl, dafür verantwortlich. Ab 2011 setzte Alexander<br />
Maurer neue Maßstäbe für die Veranstaltung.<br />
Die Moderatoren des ORFLandesstudios Salzburg<br />
Fritz Schwärz, Bertl Göttl und Caroline Koller<br />
waren und sind Garanten für spannende und kurzweilige<br />
Festabende.<br />
Von 1973 bis 1989 führte Fritz Schwärz in kompetenter<br />
und liebenswürdiger Art und Weise durch<br />
das Amselsingen. 1990 übernahm Bertl Göttl die<br />
Moderation und drückte der Veranstaltung seinen<br />
unvergleichlichen Stempel auf. Seit 2011 freut sich<br />
das Publikum auf die seit Jahrzehnten in Radio und<br />
Fernsehen bekannte und beliebte Caroline Koller.<br />
Ab 1997 war jährlich auch der Sieger des SN<br />
Preises beim Festabend dabei. Dieser Preis der<br />
VössingStiftung wurde ab 2006 im Zweijahresrhythmus<br />
vergeben. Er wird nun als „Salzburger<br />
<strong>Volks</strong>musikpreis” weitergeführt und vom Salzburger<br />
<strong>Volks</strong>liedwerk und der VössingStiftung veranstaltet.<br />
Sieger des „Salzburger <strong>Volks</strong>musikpreises<br />
<strong>2021</strong>“ ist die Familienmusik Eßl mit der siebenjährigen<br />
Rosa auf der Geige, dem neunjährigen Andreas<br />
auf der diatonischen Harmonika und ihrem<br />
Vater Andreas, der sie auf der Gitarre begleitet.<br />
Das Salzburger <strong>Volks</strong>liedwerk ist seit 1972, damals<br />
noch unter dem Namen Salzburger Heimatpflege,<br />
Partner des Amselsingens, ebenso wie das ORF<br />
Landesstudio Salzburg.<br />
Folgende Gruppen gestalteten das Bischofshofener<br />
Amselsingen am Samstag, 9. Oktober <strong>2021</strong>,<br />
20 Uhr, in der HermannWielandnerHalle:<br />
// Alpenlandler Musikanten<br />
// de cater<br />
// Diatonische Expeditionen<br />
// Familienmusik Eßl<br />
// Geigenmusi Kiesenhofer<br />
// Kirchenchor Bischofshofen<br />
// Perlseer<br />
// Pongauer Bläser<br />
// Salzburger Saitenensemble<br />
141
SALZBURGER VOLKSLIEDWERK<br />
„60 Jahre Bischofshofener Amselsingen, ein musikalisches<br />
Klangerlebnis mit einer sehr bewegten<br />
Geschichte. Trotz des Wandels der Zeit blieb das Amselsingen<br />
seinem Anspruch immer treu. Das Ziel liegt<br />
in der wertschätzenden und liebevollen Überlieferung<br />
traditioneller <strong>Volks</strong>musik. Dabei wurde seit jeher Wert<br />
darauf gelegt, sich keineswegs dem Neuen zu verschließen,<br />
trotzdem vordergründig das Traditionelle<br />
in seinem Ursprung zu erhalten. Als Bürgermeister<br />
möchte ich mich bei allen ganz herzlich bedanken, die<br />
über Jahrzehnte hinweg die wertvollen Beiträge dafür<br />
geleistet haben, dass das Amselsingen in dieser unverwechselbaren<br />
Form erhalten bleibt.“ Bürgermeister<br />
Hansjörg Obinger<br />
Die Familienmusik Eßl ging aufgrund ihres natürlichen,<br />
aber unglaublich musikantischen Spiels als Sieger des<br />
Salzburger <strong>Volks</strong>musikpreises <strong>2021</strong> hervor.<br />
ZUR BIOGRAFIE<br />
DES AMSELSINGEN-<br />
MITBEGRÜNDERS<br />
Cassio Castelpietra<br />
* Lofer 19.08.1898,<br />
† Bischofshofen 25.05.1967<br />
TEXT Wolfgang Dreier-Andres<br />
Vorbemerkung: Eine mehr zufalls- als<br />
absichtsgeleitete Online-Recherche ergab<br />
Hinweise auf Castelpietras Vergangenheit<br />
als Mitglied der WaffenSS. Da<br />
ich in der deutschsprachigen Literatur<br />
bisher keine Hinweise darauf gefunden<br />
habe, habe ich im Hinblick auf<br />
Veröffentlichungen zur anstehenden<br />
Jubiläumsveranstaltung dem Organisationsteam<br />
des Amselsingens meine<br />
Rechercheergebnisse mitgeteilt und<br />
wurde daraufhin gebeten, untenstehenden<br />
biografischen Abriss zu erarbeiten.<br />
Zwar hat Castelpietras Karriere<br />
bei der WaffenSS nichts mit seinen<br />
Verdiensten um das Amselsingen zu<br />
tun, jedoch ist man sich einig, dass dieser<br />
Aspekt nicht verschwiegen werden<br />
sollte – allein schon, um transparent<br />
zu machen, dass die heutige Veranstaltung<br />
nichts mit dem politischen<br />
und weltanschaulichen Denken und<br />
Handeln Castelpietras zu tun hat. Die<br />
bisher vorliegenden Fakten sind Ergebnisse<br />
erster Recherchen und erheben<br />
keinen Anspruch auf Vollständigkeit<br />
– sie sind vielmehr als Arbeitssammlung<br />
zu sehen, auf der weiter aufgebaut<br />
werden kann.<br />
In Salzburg vor allem als Mitbegründer<br />
des Amselsingens bekannt,<br />
kam der studierte Arzt Dr. Cassio<br />
Castelpietra eigentlich aus der Trachtenvereinsszene:<br />
Das Medizinstudium<br />
in Innsbruck schloss er 1925 mit der<br />
Promotion ab – bereits zu dieser Zeit<br />
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