Der BREXIT und seine Folgen für die deutsche Arzneimittelindustrie
Die Broschüre informiert über die Auswirkungen des Brexit auf die deutsche Arzneimittelindustrie. Die Problematik der Arzneimittel-Zulassungen wird ebenso beleuchtet wie Komplikationen im Bereich der Pharmakovigilanz.
Die Broschüre informiert über die Auswirkungen des Brexit auf die deutsche Arzneimittelindustrie. Die Problematik der Arzneimittel-Zulassungen wird ebenso beleuchtet wie Komplikationen im Bereich der Pharmakovigilanz.
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I. Einleitung<br />
Zusammenfassung<br />
dem dezentralen Verfahren oder dem gegenseitigen<br />
Anerkennungsverfahren (MRP/DCP) handelt es sich<br />
letztlich um national erteilte Zulassungen, <strong>die</strong> weiterhin<br />
Bestand haben, sowohl in Großbritannien als auch<br />
in der EU 27. Aufgr<strong>und</strong> der speziellen Regelungen <strong>für</strong><br />
Nordirland verbleibt <strong>die</strong>ses als Teil des europäischen<br />
(MR- oder DC-)Verfahrens <strong>und</strong> <strong>die</strong> bestehenden Zulassungen<br />
wurden entsprechend aufgesplittet (UK(GB)<br />
<strong>und</strong> UK(NI)). Sofern Großbritannien als verfahrensführendes<br />
Land (Rapporteur bzw. RMS) an der Zulassung<br />
beteiligt war, wurde <strong>die</strong>se Aufgabe auf ein anderes Land<br />
übertragen. Die Medicines and Healthcare Products<br />
Regulatory Agency (MHRA) hat in Bezug auf laufende<br />
bzw. sich noch in der nationalen Phase befindliche<br />
EU-Verfahren, an denen das Vereinigte Königreich als<br />
Concerned Member State (CMS) beteiligt war, auf ihrer<br />
Webseite spezifische Handlungsempfehlungen veröffentlicht.<br />
Diese berücksichtigen auch <strong>die</strong> spezielle<br />
Situation von Nordirland.<br />
Komplikationen werden auch im Bereich der Pharmakovigilanz<br />
entstehen. So müssen pharmazeutische<br />
Unternehmen eine in Großbritannien oder in der EU<br />
ansässige Qualified Person responsible for Pharmacovigilance<br />
(UK-QPPV) nachweisen. Wird eine in der<br />
EU ansässige QPPV beauftragt, muss bis Ende 2021<br />
zusätzlich eine nationale Kontaktperson benannt werden,<br />
<strong>die</strong> als Ansprechpartner gegenüber der MHRA<br />
zu Verfügung steht. Qualifizierte Personen <strong>für</strong> beide<br />
Funktionen dürften schwierig zu finden sein. Außerdem<br />
sind künftig Meldepflichten <strong>und</strong> Datenbanken in<br />
Großbritannien zusätzlich zu den von der EMA betriebenen<br />
EU 27-Tools umzusetzen. Weitere Schwierigkeiten<br />
entstehen durch spezifische Regelungen in Bezug auf<br />
Produkte, <strong>die</strong> auch in Nordirland vermarktet werden, da<br />
<strong>die</strong>se zwar einer britischen Zulassung unterliegen, bei<br />
den Pharmakovigilanz-Verpflichtungen aber teilweise<br />
europäische Regeln angewandt werden müssen. Die<br />
erwartbaren Probleme können vermutlich erst in der<br />
Praxis geklärt werden.<br />
Zudem sind Auswirkungen des <strong>BREXIT</strong> auf diverse<br />
weitere Bereiche, u.a. bei Medizinprodukten <strong>und</strong> im<br />
Fälschungsschutz, zu erwarten; <strong>die</strong>se werden nachfolgend<br />
ebenfalls erläutert.<br />
Am 23. Juni 2016 votierte eine knappe Mehrheit der<br />
Bevölkerung im Vereinigten Königreich Großbritannien<br />
<strong>und</strong> Nordirland (United Kingdom – kurz UK) <strong>für</strong> einen<br />
Austritt aus der Europäischen Union. Die Verhandlungen<br />
über <strong>die</strong>sen Austritt des Vereinigten Königreiches<br />
begannen auf Basis völker- <strong>und</strong> europarechtlicher Verträge<br />
offiziell am 19. Juni 2017. Am 19. März 2018<br />
einigten sich <strong>die</strong> britische Regierung unter Premierministerin<br />
Theresa May <strong>und</strong> <strong>die</strong> EU-Kommission auf einen<br />
Austrittsvertrag, der allerdings in der Folge mehrmals<br />
im britischen Unterhaus bei Abstimmungen durchfiel<br />
<strong>und</strong> schließlich verworfen wurde. In <strong>die</strong>sem Zusammenhang<br />
wurde auf Bitten der britischen Seite der<br />
Austrittstermin mehrfach verschoben. Nach weiteren<br />
zähen Verhandlungen unter dem neuen Premierminister<br />
Boris Johnson wurde schließlich der Austritt des<br />
Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union<br />
nach Artikel 50 des Vertrages über <strong>die</strong> Arbeitsweise<br />
der Europäischen Union (AEUV) am 1. Februar 2020<br />
vollzogen. Das Vereinigte Königreich verblieb aber <strong>für</strong><br />
einen Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2020<br />
sowohl im EU-Binnenmarkt als auch in der EU-Zollunion.<br />
Diese Übergangsphase sollte dazu <strong>die</strong>nen, Anschlussregelungen<br />
zu treffen <strong>und</strong> so einen „harten“<br />
<strong>BREXIT</strong> zu vermeiden. Nach intensiven Verhandlungen<br />
einigten sich <strong>die</strong> Chefunterhändler der Europäischen<br />
Union <strong>und</strong> des Vereinigten Königreichs schließlich am<br />
24. Dezember 2020 auf ein Handels- <strong>und</strong> Kooperationsabkommen,<br />
welches am 30. Dezember von den beiden<br />
Parteien unterzeichnet wurde. Das nahezu 1.500 Seiten<br />
starke Abkommen bedarf noch der Zustimmung des<br />
Europäischen Parlaments, <strong>die</strong> <strong>für</strong> April 2021 angekündigt<br />
ist. 1 Danach wird der Rat der Europäischen Union<br />
den Beschluss über den Abschluss des Handels- <strong>und</strong><br />
Kooperationsabkommens zwischen der EU <strong>und</strong> dem<br />
Vereinigten Königreich final annehmen. Bis dahin findet<br />
das Abkommen formal nur vorläufig Anwendung.<br />
Das vereinbarte Freihandelsabkommen sieht zwar keine<br />
Zölle, Einfuhrsteuern oder Mengenbegrenzungen <strong>für</strong><br />
Waren vor, <strong>die</strong> den entsprechenden Ursprungsregeln<br />
genügen. Dennoch hat der Austritt des Vereinigten<br />
Königreiches aus der Europäischen Union erhebliche<br />
<strong>Folgen</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Hersteller von Arzneimitteln <strong>und</strong> Medizinprodukten.<br />
So ist in vielen Bereichen mit einem<br />
erhöhten bürokratischen Aufwand bei der Abwicklung<br />
des grenzüberschreitenden Handels, aber auch bei<br />
längeren Aufenthalten von Personen im jeweils anderen<br />
Rechtsbereich zu rechnen.<br />
Die BAH-Geschäftsführung hatte bereits im September<br />
2017 einen Leitfaden vorgelegt, um <strong>die</strong> Mitgliedsunternehmen<br />
des Verbandes über <strong>die</strong> absehbaren<br />
<strong>Folgen</strong> des <strong>BREXIT</strong>s <strong>und</strong> den bestehenden eigenen<br />
Handlungsbedarf zu informieren. Von Beginn an gingen<br />
<strong>die</strong> Autoren von zwei Prämissen aus, <strong>die</strong> sich im<br />
Nachhinein als richtig herausgestellt haben:<br />
1. <strong>Der</strong> <strong>BREXIT</strong> wird vollzogen werden.<br />
2. Großbritannien wird mit dem Austritt zu einem<br />
Drittstaat <strong>für</strong> <strong>die</strong> EU 27.<br />
<strong>Der</strong> BAH hat seither <strong>die</strong> Entwicklungen im Vereinigten<br />
Königreich sehr aufmerksam beobachtet <strong>und</strong> in<br />
zahlreichen Publikationen <strong>und</strong> Veranstaltungen über<br />
<strong>die</strong> Verhandlungen <strong>und</strong> deren Auswirkungen auf <strong>die</strong><br />
künftigen Beziehungen Großbritanniens zur Europäischen<br />
Union informiert. U.a. wurde der Leitfaden im<br />
März 2019 aktualisiert <strong>und</strong> erneut publiziert. Zudem<br />
hat der Verband in politischen Gesprächen auf <strong>die</strong> besondere<br />
Betroffenheit der Arzneimittel- <strong>und</strong> Medizinprodukte-industrie<br />
hingewiesen <strong>und</strong> angemessene<br />
Lösungen eingefordert.<br />
Nachdem nunmehr der Verhandlungsprozess weitgehend<br />
zum Abschluss gebracht wurde, soll mit dem<br />
vorliegenden Papier eine Analyse der getroffenen<br />
Regelungen <strong>und</strong> der daraus resultierenden Konsequenzen<br />
aus Sicht <strong>deutsche</strong>r bzw. in der EU ansässiger<br />
Unternehmen vorgenommen werden. Die derzeit<br />
geltenden Regelungen sind dabei nur eine Momentaufnahme.<br />
Es ist damit zu rechnen, dass – auch vor<br />
dem Hintergr<strong>und</strong> erwarteter Probleme – <strong>die</strong> entsprechenden<br />
Papiere von beiden Seiten weiterentwickelt<br />
werden. Ferner fehlen in einigen wichtigen Aspekten<br />
praxisgerechte Lösungen, beispielsweise zur vollen<br />
Anerkennung behördlicher Vorgänge der jeweils anderen<br />
Seite. Diese <strong>und</strong> viele weiteren Punkte könnten<br />
(<strong>und</strong> sollten) in einem künftigen Mutual Recognition<br />
Agreement (MRA) geregelt werden.<br />
Einleitung<br />
1<br />
Näheres stand bei Redaktionsschluss <strong>die</strong>ses Leitfadens noch nicht fest.<br />
4<br />
5