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Insolvenzeröffnungsgründe, Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung

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Prof. Dr. Volker Römermann, CSP

Vorstand der Römermann Rechtsanwälte AG

Fachanwalt für Insolvenzrecht

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Direktor des Forschungsinstituts für Anwaltsrecht der Humboldt-Universität zu Berlin

Vorsitzender des Vorstands des Instituts für Insolvenzrecht e. V.

Präsident des Bundesverbandes Deutscher Mittelstand – BM

Past President der German Speakers Association e. V. (GSA)


Insolvenzeröffnungsgründe

• Zahlungsunfähigkeit

• drohende Zahlungsunfähigkeit

• Überschuldung


Zahlungsunfähigkeit

§ 17 Abs. 2 InsO

„Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der

Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.

Zahlungsfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der

Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.“

Satz 1: Internum

Satz 2: Außenwirkung

und Indiztatsache („in der Regel“)


Zahlungsunfähigkeit

Voraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit

• Nach objektiven Umständen zu beurteilen. Subjektive

Elemente, insbesondere fehlender oder vorhandener

Zahlungswille, sind irrelevant

• Zahlungspflichten: Keine sonstigen,

z.B. Liefer- oder Leistungspflichten.

• Fälligkeit: Es kommt nicht darauf an, ob die Gläubiger

bereits drängen

!

„Schonfristen“ z.B. im Steuerrecht heben die

Fälligkeit nicht auf

• Keine Geringfügigkeit, keine bloße „Zahlungsstockung“


Zahlungsunfähigkeit

Abgrenzung zur Zahlungsstockung

(BGH, Urteil vom 24.5.2005 – IX ZR 123/04)

• Zahlungsstockung maximal 3 Wochen

(= der Zeitraum, den eine kreditwürdige Person

benötigt, sich die erforderlichen Mittel zu leihen)


Zahlungsunfähigkeit

• Falls Liquiditätslücke innerhalb der 3 Wochen

unter 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten:

In der Regel Zahlungsfähigkeit; Ausnahme, wenn

schon absehbar ist, dass die Lücke demnächst

mehr als 3 % erreichen wird.

10 % oder mehr der fälligen Gesamtverbindlichkeiten:

In der Regel Zahlungsunfähigkeit; Ausnahme: Lücke

kann „mit an Sicherheit grenzender

Wahrscheinlichkeit“ demnächst vollständig oder fast

vollständig beseitigt werden und (!) den Gläubigern ist

ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des

Einzellfalls zumutbar.


§ 18 Abs. 2 InsO

Drohende Zahlungsunfähigkeit

„Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er

voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden

Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. In aller

Regel ist ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu

legen.“

!

!

Insolvenzgrund nur bei Eigenantrag des

Schuldners

Ggfs. interessantes

Sanierungsinstrument, nicht zuletzt im

Zusammenhang mit Insolvenzplan

und/oder Eigenverwaltung


Überschuldung

§ 19 Abs. 2 InsO

„Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des

Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr

deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in

den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen

überwiegend wahrscheinlich. ...“


Überschuldung – eine Dauerbaustelle

!

Neuer Überschuldungsbegriff durch

• Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur

Stabilisierung des Finanzmarktes

(Finanzmarktstabilisierungsgesetz – FMStG) seit 18.10.2008

• Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts

und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) seit 1.11.2008

• Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts

(SanInsFoG) seit 1.01.2021


Überschuldung

!

!

Insolvenzgrund der Überschuldung gilt

nur für juristische Personen

In der Praxis wird Insolvenzantrag in

der Regel eher auf Zahlungsunfähigkeit

gestützt (der Gläubiger kann

Überschuldung in der Regel nicht

feststellen)

Unter 5 % der Insolvenzanträge,

praktisch nur von gut beratenen

Großunternehmen.


Beseitigung der Insolvenzgründe

!

Maßnahmen zur Beseitigung von Insolvenzgründen

sind für Gläubiger Alarmsignale

Insolvenzgründe können insbesondere in folgenden

Fällen nachträglich wegfallen:

• Rangrücktrittserklärung, § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO

• Stundung durch Gläubiger

• Aufnahme weiterer Kredite (Sanierungskredit)

• Patronatserklärung durch Gesellschafter

• Verkauf von Aktiva

• Sale and lease back


Insolvenzantragspflicht

Grundsatz in § 15 a Abs. 1 Satz 1 InsO (seit 1.01.2021):

„Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder

überschuldet, haben die Mitglieder des

Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne

schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu

stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach

Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen

nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. …“

!

„spätestens“: Die Frist darf nur

ausgenutzt werden, wenn ernsthafte

Sanierungsversuche unternommen

werden


Krisenerkennung

Unterbilanz

Verlust der Hälfte

des Stammkapitals

Überschuldung

Zahlungsunfähigkeit

Krise im rechtlichen Sinne

nicht eindeutig definiert!

drohende

Zahlungsunfähigkeit

Kreditunwürdigkeit

... und im Jahre 2008

teilweise abgeschafft

(MoMiG: Abschaffung der

früheren Eigenkapitalersatzregeln)


Exogene Krise

Markt, Finanzen,

Recht

Ursprung

Endogene Krise

Management

existenzbedrohend

Stadium

Krise im betriebswirtschaftlichen

Sinne

Art

Erfolg

Strategie

existenzvernichtend

Liquidität

Rentabilität


Insbesondere:

Erfassung der Krise

auch eine Pflicht des Steuerberaters!

StB ist auch mit der Erstellung des Lageberichts beauftragt

(nicht erforderlich bei kleinen Kapitalgesellschaften,

§§ 267 Abs. 1, 264 Abs. 1 Satz 1 HGB)

• Lagebericht, § 289 Abs. 1 HGB

• entsprechende Anwendung bei Konzern-Lagebericht,

§ 315 Abs. 1 HGB


Erfassung der Krise

auch eine Pflicht des Steuerberaters!

Inhalt des Lageberichts:

• Gesamtwirtschaftliche und branchentypische

Rahmenbedingungen

• Situation im Bereich Beschaffung

• Produktionsbereich, inkl. Auslastung

• Absatzbereich, inkl. Auftragsbestand/-eingang

• Finanzierung und Investitionen

• Personal

In allen Bereichen sind die Risiken zu

!

berücksichtigen und darzustellen


Typische Krisenmerkmale beziehen sich auf

• betriebswirtschaftliche Leistungen des Unternehmens

• personelle Veränderungen

• gesellschaftsrechtliche Strukturen

• Verhalten im Geschäftsverkehr


Krisenmerkmal

Betriebswirtschaftliche Kennzahlen

• Rückläufige Ergebnisse, Jahresfehlbeträge,

steigender Zinsaufwand

Besonderes Warnsignal: Verlust der

Hälfte des Stammkapitals

Informationsquelle:

Jahresabschluss

Auskunfteien

• Realisierung stiller Reserven, um außerordentliche

Erträge zu realisieren und dadurch ein schlechtes

Betriebsergebnis zu kaschieren


Krisenmerkmal

Personelle Veränderungen

• Wechsel der Geschäftsführung

Mögliches Indiz für:

Streitigkeiten unter Gesellschaftern

Amtsniederlegung durch bisherigen Geschäftsführer

(z.B. Insolvenz droht)

Besonderes Warnsignal, wenn

Neuer Geschäftsführer branchenfremd, ohne

kaufmännische Erfahrung, erkennbar

„Strohmann“/“Strohfrau“.

Mehrfacher, kurzfristiger Wechsel

Informationsquellen:

Unternehmensregister, Geschäftspapier,

Information des betroffenen Unternehmens


Krisenmerkmal

Personelle Veränderungen

• Wechsel der Gesellschafter

Mögliches Indiz für:

Streitigkeiten unter Gesellschaftern

Wille des Altgesellschafters, sich zurückzuziehen,

z.B. aufgrund Kenntnis der Risiken

Besonderes Warnsignal, wenn

Wechsel durch Einziehung der Anteile veranlasst

Informationsquellen:

Unternehmensregister (Liste der

Gesellschafter)


Krisenmerkmal

Gesellschaftsrechtliche Struktur

• Verlegung des Gesellschaftssitzes

Mögliches Indiz für Firmenbestattungsabsicht

Informationsquellen:

Unternehmensregister

Geschäftspapier

Information des Unternehmens

!

Seit 1.11.2008 (Änderung des GmbH-Gesetzes)

muss nur noch der satzungsmäßige, nicht

unbedingt mit dem Verwaltungssitz identische

Sitz im Register eingetragen werden.

Aussagekraft des Registers begrenzt!


Krisenmerkmal

Gesellschaftsrechtliche Struktur

Besonderes Warnsignal, wenn

keine aktive Information der Geschäftspartner

durch das Unternehmen

Lage/Räumlichkeiten schlechter als bislang


Krisenmerkmal

Verhalten im Geschäftsverkehr

• Aushandlung neuer Zahlungsmodalitäten

Mögliches Indiz für Liquiditätsengpass:

Bitte um Stundung, Teilzahlung

Neue Vertragsbedingungen mit verlängerten

Zahlungszielen


Krisenmerkmal

Verhalten im Geschäftsverkehr

• Neues Zahlungsverhalten

Mögliches Indiz für Liquiditätsengpass:

Kein Ausnutzen von Skonto mehr (abweichend

von der früheren Handhabung)

Mehrfaches Überschreiten von Zahlungszielen

Besonderes Warnsignal, wenn

Nichtzahlung trotz Mahnung

„geplatzter“ Scheck

nicht ausgeführte Lastschrift


Krisenmerkmal

Verhalten im Geschäftsverkehr

• Mangelhafte Erreichbarkeit

Mögliches Indiz für eine Krise:

Geschäftsführer ist telefonisch nicht

mehr erreichbar (abweichend von der

bisherigen Handhabung)


Krisenmerkmal

Verhalten im Geschäftsverkehr

• Nichterfüllung/Verzug bezüglich Nebenleistungspflichten

Mögliches Indiz für eine Krise:

Verletzung von Informationspflichten

(d.h. sinkende Transparenz)

Schwierigkeiten bei ggfs. erforderlicher

Nachbesicherung

• Gewährleistung

Mögliches Indiz für Zahlungsprobleme:

Offensichtlich schlecht begründetes

Geltendmachen von Gewährleistung,

um die Bezahlung hinauszuzögern


Krisenmerkmal

Verhalten im Geschäftsverkehr

• Erhebliche Veränderung des Leistungsangebots

Mögliches Indiz für eine Krise:

Erhebliche Angebotsveränderung ohne

Expansion deutet auf Schwierigkeiten

beim Absatz des bisherigen Angebots

• Qualitative Verschlechterung

Mögliches Indiz für eine Krise:

Sinkender Qualitätsstandard,

z.B. aufgrund Verwendung schlechter

Materialien


Insolvenzrechtsreformen - Ausländische Vorbilder

Chapter 11

USA:


Insolvenzrechtsreformen

• InsO 1999 – Sanierung

• ESUG 2012 – mehr Einfluss des Schuldners

• SanInsFoG 2021 – breitere Palette insolvenzrechtlicher Instrumente

… und wenn nichts mehr zu helfen scheint:


Inkasso Team Moskau

hilft!

Quelle:

Kalender ITM


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