27.10.2021 Aufrufe

Bikester Magazin CH/AT Winter 2021

Wer hätte gedacht, dass der 2020 begonnene Velo-Boom einfach nicht aufhören möchte? Und wie traurig wäre es, diesen Schwung jetzt zu verlieren, nur weil die Sonne nicht mehr so viel scheint? „Einfach weiterfahren“ ist die Devise – vielleicht mit einer etwas dickeren Jacke, aber immer noch fitter, besser gelaunt und flexibler als mit jedem anderen Verkehrsmittel. Unser Bikester Magazin zeigt, wie es funktioniert!

Wer hätte gedacht, dass der 2020 begonnene Velo-Boom einfach nicht aufhören möchte? Und wie traurig wäre es, diesen Schwung jetzt zu verlieren, nur weil die Sonne nicht mehr so viel scheint? „Einfach weiterfahren“ ist die Devise – vielleicht mit einer etwas dickeren Jacke, aber immer noch fitter, besser gelaunt und flexibler als mit jedem anderen Verkehrsmittel. Unser Bikester Magazin zeigt, wie es funktioniert!

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HERBST / WINTER <strong>2021</strong>


KENNST DU<br />

DAS KNEIFEN?<br />

Wir haben was dagegen.<br />

Auch an kalten Tagen:<br />

Radhosen von GONSO<br />

GONSO.<br />

SITZT.<br />

PERFEKT.<br />

WWW.GONSO.DE/RADHOSENEXPERTE


LIEBE LESERIN, LIEBER LESER!<br />

Wer hätte gedacht, dass der 2020 begonnene Velo-Boom einfach<br />

nicht aufhören möchte? Immer noch entdecken mehr und mehr<br />

Menschen das Velo als grossartige Alternative zu Auto, Bus und Bahn<br />

– und zwar auf alltäglichen Wegen, Wochenendtouren und der grossen<br />

Urlaubsreise. Auch auf den Strassen wird diese Entwicklung sichtbarer:<br />

Mit Pollern geschützte Velowege sind keine exotische Ausnahme mehr<br />

und zunehmend werden Fahrradstrassen eingerichtet. Passend dazu<br />

gibt es immer mehr Angebote wie Trailcenter oder den Gravel Fondo,<br />

einen schönen Tag auf dem Rad zu verbringen, ohne Rennen zu fahren.<br />

Wie traurig wäre es, diesen Schwung jetzt zu verlieren, nur weil die<br />

Sonne nicht mehr so viel scheint? Wie du in der ersten Story nachlesen<br />

kannst, brauchst du weder eine teure Ausrüstung noch unmenschliche<br />

Willenskraft, um in der kalten Jahreszeit aufs Velo zu steigen. „Einfach<br />

weiterfahren“ ist die Devise – vielleicht mit einer etwas dickeren Jacke,<br />

aber immer noch fitter, besser gelaunt und flexibler als mit jedem<br />

anderen Verkehrsmittel.<br />

© VAUDE, <strong>CH</strong>RISTOPH LAUE<br />

Dein <strong>Bikester</strong> -Team<br />

3


INH<br />

ALT.<br />

05<br />

DRAUFGEHALTEN<br />

Hier gibt’s was auf die Augen<br />

08<br />

EINFA<strong>CH</strong> WEITERFAHREN<br />

Wärmstens empfohlen: Radfahren in der kalten Jahreszeit<br />

16<br />

SI<strong>CH</strong>ER IST SI<strong>CH</strong>ER<br />

Velosicherung leicht gemacht<br />

18<br />

DIE FAHRRADSTRASSE<br />

Der Vorschein einer besseren Verkehrsordnung<br />

22<br />

HIGH FIVE<br />

So kommst du sicher durch die Stadt<br />

26<br />

EINFA<strong>CH</strong> MOUNTAINBIKEN – FÜR ALLE<br />

Schottische Trailcenter zeigen, wie leicht es geht<br />

34<br />

N + 1?<br />

Wie viele Velos brauchst du, um glücklich zu sein?<br />

36<br />

FÜNF JAHRE GRAVEL FONDO<br />

Die besten Ideen entstehen an der Kaffeemaschine<br />

44<br />

RANDONNEUR REVIVAL<br />

Von Brevets, Nabendynamos und Windbeuteln<br />

COVER-FOTO: © GORE® WEAR<br />

BIKESTER


© FIXIE INC., CARLOS MEYER<br />

MORE FUN TOGETHER<br />

5


© P<strong>AT</strong>AGONIA, RYAN CREARY<br />

BIKESTER


7BLURRING BOUNDARIES


© PROTECTIVE<br />

Text: Felix Böhlken<br />

EINFA<strong>CH</strong><br />

WEITERFAHREN<br />

WÄRMSTENS EMPFOHLEN: RADFAHREN IN DER KALTEN JAHRESZEIT<br />

Wenn die Temperaturen fallen und die Tage grau und nass werden, ist für viele die Rad-Saison vorbei.<br />

Aber warum eigentlich? Wir haben mit Menschen gesprochen, die einfach weiterfahren.<br />

BIKESTER


9


Der Sommer ist der Freund des Velos. Die<br />

Velowege sind voller Ausflügler*innen und<br />

Berufspendler*innen, in den Innenstädten<br />

radeln die Menschen beschwingt zum Einkauf,<br />

zur Schule, zur nächsten Verabredung,<br />

Mountainbikes und Rennvelos überall. Aber<br />

wenn die Tage spürbar kürzer und kühler<br />

werden, dann lässt auch die Velobegeisterung<br />

deutlich nach. Dunkelheit, Nässe und Kälte<br />

sind die natürlichen Feinde des Velos. Aber<br />

muss das so sein?<br />

© BJÖRN HÄNSSLER<br />

Wir haben drei Menschen getroffen, die im<br />

Herbst einfach weiterfahren und selbst im<br />

tiefsten <strong>Winter</strong> nicht vom Rad absteigen<br />

wollen. Aus Überzeugung, aus Pragmatismus,<br />

aus Freude am Radfahren. In ihrem Alltag ist<br />

das Velo ganz einfach ihr Fortbewegungsmittel<br />

für den Weg zur Arbeit, für Erledigungen in<br />

der Stadt mit den Kindern, für die Freizeit.<br />

Sie erzählen über ihren Antrieb und ihre<br />

Motivation, verraten ihre kleinen Tricks,<br />

mit denen sie gut geschützt und sicher<br />

durch Herbst und <strong>Winter</strong> radeln und dabei<br />

offensichtlich sogar Spass haben. Wenn man<br />

ihnen so zuhört, dann fragt man sich schnell,<br />

ob die ganzen Gründe, warum mit dem<br />

Herbst die VelosSaison endet, nicht bloss<br />

Ausreden sind: zu kalt, zu nass, zu dunkel …<br />

Für die drei, die das ganze Jahr durchfahren,<br />

sind das keine Argumente, über die sie auch<br />

nur eine Sekunde nachdenken würden. Für sie<br />

stellt sich einfach nicht die Frage: Nehm’ ich<br />

das Velo, oder fahre ich mit dem Auto.<br />

Wenn man ihren Erfahrungen und<br />

Erlebnissen zuhört, dann wird schnell klar: Es<br />

ist alles eine Frage der Einstellung. Es kommt<br />

darauf an, ob man das Velo nur als eine<br />

Möglichkeit von vielen betrachtet oder ob<br />

es ganz selbstverständlich die erste, vielleicht<br />

sogar die einzige Wahl ist. Und es beschleicht<br />

einen der Verdacht, ob man nicht vielleicht<br />

sogar so einiges verpasst, wenn man das Velo<br />

über den <strong>Winter</strong> einmottet. Ob es nicht eine<br />

gute Idee wäre, einfach weiterzufahren.<br />

STEFFENS<br />

S<strong>CH</strong>LE<strong>CH</strong>TWETTER-TRICKS:<br />

Trocken bleiben: Ein Regen-Latz schützt nicht nur<br />

vor Nässe, sondern auch vor eisigem Fahrtwind.<br />

Vielseitig: Wasserdichte Outdoor-Sneaker und<br />

warme Socken – diese Kombi funktioniert nicht<br />

nur auf dem Velo, sondern den ganzen Tag über.<br />

Es werde Licht: Eine sehr helle, besser noch zwei<br />

Lampen am Lenker nehmen der Dunkelheit die<br />

Macht.<br />

BIKESTER


STEFFEN – DER FREIZEIT-<br />

VERLÄNGERER<br />

«Ich fahr’ doch gar nicht das ganze Jahr<br />

durch!», schränkt Steffen ein. «Wenn es glatt<br />

ist, dann steige ich nicht aufs Velo!» So viel zur<br />

Frage, ob ihn schlechtes Wetter nicht davon<br />

abschreckt, auch bei Nässe und Kälte mit<br />

seinem E-Bike zur Arbeit zu fahren? Ganz im<br />

Gegenteil – ihm fehlt etwas, wenn er seinen<br />

täglichen Weg von und zur Arbeit, insgesamt<br />

rund 50 Kilometer pro Tag, nicht mit dem<br />

Velo machen kann. Warum? Weil diese Wege<br />

durch das Velo zur Freizeit werden. «Als ich<br />

noch mit dem Auto zur Arbeit gefahren bin,<br />

war die Zeit im Auto gefühlt Arbeitszeit –<br />

und nach einem stressigen Arbeitstag hat der<br />

Stau auf dem Heimweg die Sache nicht besser<br />

gemacht», erinnert er sich. Klingt aus seinem<br />

Mund nach einer längst vergangenen Episode<br />

aus seinem Leben. Irgendwann im Sommer<br />

2014 ist Steffen aus einer Laune heraus mal<br />

mit dem neuen E-Bike zur Arbeit geradelt,<br />

und er machte eine erstaunliche Erfahrung:<br />

«Die Zeit auf dem Velo hab ich nicht als Stress<br />

empfunden, sondern als Freizeit, ich konnte<br />

den Kopf durchlüften und bin entspannt<br />

daheim angekommen.» Damit war die Sache<br />

für ihn schnell entschieden: Seit sechs Jahren<br />

pendelt er mit dem E-Bike, statt ins Auto<br />

zu steigen. Aber funktioniert das auch bei<br />

schlechtem Wetter?<br />

«Na klar. Auf dieses gute Gefühl, das ich nach<br />

einem Arbeitsweg mit dem Bike habe, wollte<br />

ich auf gar keinen Fall mehr verzichten!» Er<br />

ist einfach weiter aufs Bike gestiegen, als der<br />

Herbst kam. Und hat so schrittweise seine<br />

Erfahrungen mit Nässe und Kälte gesammelt.<br />

«Es ist ganz einfach: Wenn es nass ist, müssen<br />

die Klamotten wasserdicht sein, und wenn<br />

es kalt wird, ziehe ich was Warmes darunter.<br />

Dann ist das alles überhaupt kein Problem.»<br />

So spricht einer, der von einer Sache überzeugt<br />

ist. Gab es also nichts, was ihn abgeschreckt<br />

hat, keine schlechten Erfahrungen? «Das<br />

Wetter war nie ein Thema für mich, aber ich<br />

muss zugeben, das erste Mal bei Dunkelheit<br />

auf dem Veloweg durch den Wald zu fahren,<br />

das war schon etwas spooky. Man hat den<br />

Eindruck, von überall starren einen Augen<br />

an», erinnert er sich an seine ersten Erlebnisse<br />

an die dunklen Tage. Gegen dieses Morgen-<br />

Grauen hat Steffen eine überzeugende<br />

Lösung: «Ich habe mir eine wirklich sehr helle<br />

Lampe gekauft, und daneben hab ich gleich<br />

noch mal eine montiert. Damit war das Thema<br />

erledigt.» Wir sehen: Mit Pragmatismus wird<br />

jedes vermeintliche Problem unbedeutend –<br />

zumindest fast. Denn bei Glätte verkürzt sich<br />

seine tägliche Freizeit dramatisch, sobald er<br />

morgens ins Auto steigt.<br />

11


SVENJA –<br />

DIE UMSTEIGERIN<br />

«Ich bin schon als Jugendliche immer zur<br />

Schule geradelt, so konnte ich mir das<br />

Busticket sparen und durfte das Geld<br />

behalten.» Für Svenja war das Velo schon<br />

immer das Fortbewegungsmittel Nummer<br />

Eins. Später wurde es dann auch ihr<br />

Sportgerät Nummer eins: Als Triathletin<br />

startete Svenja bei den Olympischen Spielen<br />

in London und kam bei Ironmans unter<br />

die Top 10 – das bedeutet 180 Wettkampf-<br />

Kilometer auf dem Velo und unzählige mehr<br />

im Training. Seitdem Svenja ihre mittlerweile<br />

drei Kinder hat, ist sie unterwegs wie viele<br />

andere Eltern auch: auf einem E-Bike mit<br />

Kinderanhänger und Kindersitz. So sind Joah,<br />

Maila und Nelio immer dabei, wenn Svenja<br />

im Alltag unterwegs ist. Klar, bei schönem<br />

Wetter finden das sicher alle Kinder lustig, im<br />

Anhänger oder auf dem Kindersitz mit dem<br />

E-Bike durch die Gegend zu düsen. Aber gibt<br />

es keinen Protest, wenn es nass und kalt wird?<br />

«Meine Kinder kennen das gar nicht anders,<br />

darum ist das auch überhaupt kein Thema»,<br />

winkt Svenja entspannt ab. Im Gegenteil:<br />

«Wir sind eine Draussen-Familie, die Kids<br />

sind im Wald-Kindergarten, die denken da<br />

gar nicht drüber nach, wenn es mal schmutzig<br />

oder nass wird.» So einfach ist das – einfach<br />

nicht drüber nachdenken?<br />

Natürlich müssen die Voraussetzungen<br />

stimmen. Die richtige Kleidung ist wichtig,<br />

damit die Kids warm und trocken bleiben,<br />

logo. «Aber Regenkleidung und einen warmen<br />

Schneeanzug haben wir ja sowieso, das ziehen<br />

die Kinder dann auch auf dem Velo an.»<br />

Und Svenja hat noch ein paar kleine Tricks<br />

parat, mit denen die kalte Jahreszeit für ihre<br />

Beifahrer auf dem Velo gar nicht mehr so<br />

ungemütlich ist: «Für den Hänger haben wir<br />

eine Regenschutzhülle, mit der kommt kein<br />

Fahrtwind durch, da drin ist es dann gar kein<br />

Problem. Und wenn es richtig kalt ist, wird<br />

es mit einer Decke und einer Wärmflasche<br />

richtig gemütlich im Hänger oder auf dem<br />

Kindersitz.»<br />

Stellt sich also nie die Frage, ob man nicht<br />

doch lieber mit dem Auto fahren sollte? «Wir<br />

haben nur ein Auto, mit dem ist häufig mein<br />

Mann unterwegs, und ich will auch einfach<br />

nicht auf ein Auto angewiesen sein», winkt<br />

Svenja ab. Der einzige Grund, die Kinder<br />

mal nicht aufs Velo zu packen: «Wenn es im<br />

<strong>Winter</strong> mal glatt wird, dann finde ich es auf<br />

dem Velo mit den Kindern zu riskant.»<br />

Und woher kommt Svenjas Motivation,<br />

so selbstverständlich immer das Rad statt<br />

das Auto zu wählen: Wichtig ist ihr der<br />

ökologische Aspekt – und dass sie mit dem<br />

Velo immer auch etwas Bewegung hat. Der<br />

Umstieg aufs E-Bike war für Svenja ein voller<br />

Erfolg: «So bin ich mit den Kids immer<br />

unterwegs – egal, bei welchem Wetter.»<br />

BIKESTER


SVENJAS<br />

S<strong>CH</strong>LE<strong>CH</strong>TWETTER-TRICKS<br />

© BJÖRN HÄNSSLER<br />

Dichtmachen: Mit einer Regenschutzhülle für<br />

den Kinder-Anhänger bleiben die Kids nicht nur<br />

trocken, sie sind auch komplett geschützt vor<br />

kaltem Fahrtwind.<br />

Einpacken: Mit einer Decke und einer<br />

Wärmflasche bleibt es auch im <strong>Winter</strong> richtig<br />

kuschelig im Hänger.<br />

Gut verpackt: Regenkleidung und ein warmer<br />

Kopf, dann bleibt auch schlechtes Wetter gut<br />

erträglich.<br />

13


DON<strong>AT</strong>O –<br />

DER VIELFAHRER<br />

«Kälte? Macht mir überhaupt nix!» Donato,<br />

seine Freunde nennen ihn Don, ist ein<br />

Mann klarer Worte. Und ein Mensch klarer<br />

Taten. So überrascht es kaum, dass er die<br />

Sache mit dem Radfahren auch ziemlich<br />

konsequent durchzieht, seit er sich 2014 ein<br />

Mountainbike gekauft hat. «Ich wollte was<br />

für die Figur machen», erinnert er sich –<br />

man wird ja nicht jünger. Aber statt nur ein<br />

paar entspannte Runden am Wochenende<br />

zu drehen, wurde Dons Beziehung zum<br />

Radfahren recht schnell recht seriös. «Ein<br />

guter Freund hat mich gleich mal auf<br />

anspruchsvolle Touren mitgenommen, da<br />

war schnell klar: Entweder ich mach’ das jetzt<br />

richtig, oder ich lass es gleich wieder sein.»<br />

Don macht es seitdem richtig – umso mehr,<br />

seitdem er 2017 aufs Gravelbike umgestiegen<br />

ist. 10.000 Kilometer im Jahr sind für ihn<br />

das Mindeste, weniger wäre für ihn eine<br />

persönliche Enttäuschung. Um dieses Ziel zu<br />

erreichen, muss einem das Wetter egal sein.<br />

Als zusätzliche Motivation hilft Don, dass er<br />

ein Faible für Challenges hat: «Ich hab mir<br />

letztes Jahr mit einem Kumpel zum Beispiel<br />

vorgenommen, dass wir ein Temperatur-Delta<br />

von 50 Grad erreichen wollen, also mindesten<br />

50 Grad Differenz zwischen unserem<br />

kältesten und heissesten Tag auf dem Bike.»<br />

Den Tiefpunkt setzte er gleich im <strong>Winter</strong>:<br />

minus 13 Grad. Und wie überwindet er sich,<br />

bei dieser Kälte aufs Rad zu steigen?<br />

«Für mich ist das keine Überwindung. Ein<br />

klirrend kalter Tag mit klarer Luft, was gibt<br />

es denn Besseres?» Schlechtes Wetter ist für<br />

Don einfach kein Argument, mit dem er sich<br />

beschäftigt. «Mit den richtigen Klamotten ist<br />

das doch kein Problem! Ich habe eine warme<br />

Hose und eine Jacke, die hält so warm, die<br />

kann ich in der Wohnung wirklich erst in<br />

den letzten 30 Sekunden, bevor ich aufs Bike<br />

steige, anziehen.» Hat er einen Geheimtipp?<br />

«Ein Schluck aus der Thermo-Flasche ist<br />

an richtig kalten Tagen schon super!» Der<br />

Fokus auf das Wesentliche, die Freude an<br />

ganz einfachen Dingen – vermutlich sind es<br />

diese Dinge, die Don motivieren, einfach<br />

immer aufs Velo zu steigen. Und: sich von den<br />

Umständen nicht abschrecken zu lassen, die<br />

Herausforderungen pragmatisch anzugehen.<br />

Eine Einschränkung macht er dann aber doch,<br />

quasi einen kleinen Motivationsdämpfer:<br />

«Bei Regen nervt mich nur, dass meine Brille<br />

dauernd beschlägt!» Aber das ist ja eigentlich<br />

nur eine weitere Herausforderung, die es zu<br />

meistern gilt.<br />

© BJÖRN HÄNSSLER<br />

BIKESTER


DONS S<strong>CH</strong>LE<strong>CH</strong>TWETTER-<br />

TRICKS<br />

Wärmflasche: In der Thermo-Trinkflasche bleibt<br />

warmer Tee auch im tiefen <strong>Winter</strong> eine Weile lang<br />

angenehm temperiert.<br />

Gut investiert: <strong>Winter</strong>schuhe sind nicht ganz<br />

billig, doch es ist eine der besten Investitionen,<br />

um gut durch die kalte Jahreszeit zu kommen.<br />

Gesehen werden: An grauen Tagen ist das<br />

Rücklicht immer angeschaltet – schadet ja nicht,<br />

auf der Strasse gut gesehen zu werden.<br />

15


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SI<strong>CH</strong>ER IST SI<strong>CH</strong>ER<br />

VELOSI<strong>CH</strong>ERUNG LEI<strong>CH</strong>T GEMA<strong>CH</strong>T<br />

Im verstaubten Kellerabteil, im überfüllten<br />

Velokeller oder am Laternenpfahl an<br />

der Strasse: Überall dort findet man<br />

Velos; mal mehr, mal weniger sicher<br />

abgeschlossen. Doch so richtig optimal<br />

ist keine dieser Lösungen — weder für<br />

das Velo noch für deine Nerven. Damit<br />

deine Velos nicht zu den zehntausenden<br />

Exemplaren gehören, die pro Jahr<br />

gestohlen werden, haben wir gemeinsam<br />

mit der britischen Firma Hiplok vier Tipps<br />

rund um Velosicherung & -aufbewahrung<br />

gesammelt.<br />

BIKESTER


S<strong>CH</strong>LIESSE DEIN VELO IMMER<br />

UND ÜBERALL AB<br />

Innen ist nicht zwingend sicherer, auch<br />

ein Garagentor oder Kellerabteil kann<br />

aufgebrochen werden. Darum sollten<br />

Velos immer mit einem Schloss befestigt<br />

werden. Am sichersten sind hochwertige<br />

Schlösser mit einer unabhängigen Bewertung<br />

wie beispielsweise von Sold Secure. Ein<br />

Kettenschloss wie das Hiplok HOMIE<br />

verfügt über maximale Sicherheit und ist<br />

mit 150 Zentimetern Länge ideal, um direkt<br />

mehrere Velos gleichzeitig zu sichern.<br />

FINDE EINEN SI<strong>CH</strong>EREN<br />

BEFESTIGUNGSPUNKT<br />

Überlege dir zu Beginn, welches Rad du sichern<br />

möchtest, welches Schloss sich dafür am besten<br />

eignet und wo du das Velo anschliessen kannst.<br />

Der Hiplok ANKR ist ein revolutionärer<br />

Boden- und Wandanker mit einer «Diamond»-<br />

Bewertung von Sold Secure und somit ideal<br />

für teure und schwere Räder wie E-Bikes.<br />

Das einzigartige dreiteilige Design bietet<br />

maximale Sicherheit bei Verwendung mit<br />

einem Ketten- oder Bügelschloss, kann aber<br />

bei Nichtgebrauch leicht an einem anderen<br />

Ort angebracht werden.<br />

STILVOLL IN DER WOHNUNG<br />

Wenn du keinen eigenen Abstellraum hast,<br />

kannst du dich für eine Wandaufhängung<br />

entscheiden und diese am besten mit<br />

einem integrierten Schloss wie dem Hiplok<br />

AIRLOK kombinieren. Das AIRLOK ist der<br />

weltweit einzige Velo-Wandhalter mit Schloss<br />

und Gold-Bewertung von Sold Secure. Durch<br />

seine dreieckige Form eignet er sich für eine<br />

Vielzahl an Velos.<br />

PRAKTIS<strong>CH</strong>E MODULARE<br />

LÖSUNGEN<br />

Schöne Touren beginnen mit einem einfachen<br />

Zugang zu den Velos. Der kompakte Halter<br />

JAW verstaut das Velo vertikal, sodass<br />

mehrere Velos auf kleinem Raum Platz finden<br />

und du leicht darauf zugreifen kannst. Der<br />

JAW ist ein One-Size-Fits-All-Halter für alle<br />

gängigen Reifengrössen. Für zusätzlichen<br />

Schutz bietet sich die Kombination mit<br />

dem ANKR + EDX an oder die zusätzliche<br />

Sicherung der Laufräder mit dem Z LOK<br />

COMBO.<br />

Mit den Tipps von Hiplok findet<br />

sich für jedes Velo, jeden Stauraum<br />

und jeden Zweck die richtige<br />

Aufbewahrungslösung, die nicht nur<br />

den höchsten Sicherheitsstandards<br />

entspricht, sondern auch stilvoll und<br />

praktisch ist – und damit dein tägliches<br />

Leben verschönert!<br />

17


BIKESTER


Text: Martin Ohliger, Fotos: Verena Gorny<br />

DIE<br />

FAHRRADSTRASSE<br />

DER VORS<strong>CH</strong>EIN EINER BESSEREN VERKEHRSORDNUNG<br />

Stell dir eine Strasse vor, auf der nicht nur ein schmaler Streifen am rechten Rand<br />

für dich vorgesehen ist. Eine Strasse, auf der du ohne Angst Velo fahren kannst. Wo<br />

Nebeneinanderfahren ausdrücklich erlaubt ist, wo du keine rasanten Überholmanöver<br />

befürchten musst und die Luft deutlich besser ist als im Rest der Stadt. Diese Strasse<br />

gibt es tatsächlich immer öfter in ganz Europa: Es ist die Fahrradstrasse.<br />

DAS SIND DIE REGELN<br />

Hier hat der Radverkehr grundsätzlich<br />

Vorrang. Das bedeutet natürlich nicht, dass<br />

du tun und lassen kannst, was du möchtest.<br />

Aber hier rücken die Bedürfnisse von<br />

Autofahrer*innen in den Hintergrund. Auf der<br />

Reinform der Fahrradstrasse, die allerdings<br />

praktisch nie zum Einsatz kommt, dürfen<br />

Autos tatsächlich überhaupt nicht fahren. So<br />

gut wie immer wird ihnen aber per Zusatzschild<br />

die Einfahrt gestattet. In jedem Fall gilt: Der<br />

Radverkehr ist auf der Fahrradstrasse das<br />

Mass der Dinge, was sich nicht zuletzt in der<br />

zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30<br />

Stundenkilometern (für alle) niederschlägt.<br />

WARUM AUSGERE<strong>CH</strong>NET<br />

FAHRRADSTRASSEN?<br />

Der unmittelbare Nutzen einer Fahrradstrasse<br />

liegt auf der Hand: Sicherheit, Ruhe, bessere<br />

Luft. Aber was kann sie als Baustein einer neu<br />

gedachten Infrastruktur leisten, um unsere<br />

Städte lebenswerter zu machen? Harald<br />

Schuster kann einiges darüber erzählen,<br />

denn er hat als Teil des Kölner Vereins<br />

RADKOMM die Volksinitiative «Aufbruch<br />

Fahrrad» angeschoben. Sie sorgte dafür,<br />

dass das deutsche Bundesland Nordrhein-<br />

Westfalen ein eigenes Fahrradgesetz<br />

bekommen wird. Fahrradstrassen tauchen in<br />

den Forderungen der Initiative prominent<br />

auf. Warum? «Wenn wir viel Radverkehr<br />

insbesondere in die Städte kriegen wollen,<br />

müssen wir Fläche umwidmen. Wir wollen<br />

ja keine Wiesen in Radwege umwandeln,<br />

sondern Strassen radfahrer*innentauglich<br />

machen. Fahrradstrassen kosten fast nichts,<br />

du brauchst einen Eimer Farbe und ein Schild.<br />

Schau dir mal an, was im Vergleich dazu ein<br />

Autobahnkilometer kostet. Der Raum ist<br />

schon da, er wird einfach nur klüger genutzt.»<br />

19


UMLERNEN BRAU<strong>CH</strong>T ZEIT<br />

Obwohl es also eigentlich recht einfach<br />

ist, Fahrradstrassen einzurichten, kommt<br />

die Umsetzung nur langsam voran. Die<br />

Fahrradstrasse existiert zwar schon seit<br />

langer Zeit in Gesetzen und Verordnungen<br />

in ganz Europa, wird aber erst seit einigen<br />

Jahren ausserhalb der Vorreiter in Sachen<br />

Radinfrastruktur Niederlande und Dänemark<br />

genutzt. Dementsprechend unbekannt sind<br />

die dort geltenden Regeln – und bis die<br />

sich herumgesprochen haben, braucht es<br />

viel Zeit, wie Harald (der hauptberuflich als<br />

Sozialpsychologe zu Verhalten im Verkehr<br />

forscht) weiss: «Der gesamte Verkehr ist<br />

seit 60 Jahren aufs Auto ausgerichtet. Für<br />

Autofahrer*innen ist eine Fahrradstrasse ein<br />

komplett neues Ding, die fahren da einfach<br />

rein, parken in zweiter Reihe und verhalten<br />

sich wie immer. Das kann man den einzelnen<br />

Menschen nicht vorwerfen, die machen<br />

einfach, was sie schon immer gemacht haben<br />

und was sie bei anderen sehen. Das muss man<br />

umlernen und dafür braucht man viel Zeit<br />

und auch Aufklärung.»<br />

SO GEHT AUFKLÄRUNG<br />

Eine charmante Idee, die Grundidee der<br />

Fahrradstrasse zu vermitteln, findet sich –<br />

wo auch sonst – in den Niederlanden, wo an<br />

der Einfahrt in Fahrradstrassen ein Schild<br />

mit der Aufschrift «Autos zu Gast» steht.<br />

Neben Schildern, Plakatkampagnen und<br />

medial aufbereiteten Schwerpunktkontrollen<br />

können auch bauliche Massnahmen handfeste<br />

Aufklärungsarbeit leisten. Bremsschwellen,<br />

Diagonalsperren oder versenkbare Poller,<br />

die beispielsweise nur für die Müllabfuhr<br />

oder Rettungsfahrzeuge den Weg freigeben,<br />

machen unmissverständlich klar: Hier gelten<br />

andere Regeln. Selbst wer möchte, kann hier<br />

nicht rasen.<br />

LUFT NA<strong>CH</strong> OBEN<br />

Die Fahrradstrasse ist ein grossartiges Mittel,<br />

um bereits vorhandenen nicht-motorisierten<br />

Verkehr zu schützen und sicherer zu führen.<br />

Trotzdem ist sie noch nicht das Ende der<br />

Fahnenstange, denn um den letzten Schritt zu<br />

einer menschenorientierten Stadt zu gehen,<br />

steht dort noch eine Menge Blech herum.<br />

Harald Schuster würde sich wünschen, dass<br />

es in Fahrradstrassen weder fahrende noch<br />

parkende Autos gäbe: «Eine Fahrradstrasse<br />

ohne parkende Autos ist eigentlich eine<br />

weiterentwickelte Fussgänger*innenzone.<br />

Menschen sind sichtbar, Nachbar*innen<br />

können sich Hallo sagen, Menschen<br />

können die Strasse überqueren, ohne sich<br />

zwischen Autos durchkämpfen zu müssen …<br />

Ein Miteinander ist dadurch möglich, und<br />

deswegen ist die Fahrradstrasse so eine<br />

coole Konstruktion, wenn sie ein bisschen<br />

mutiger gestaltet würde. Dann ist die Stadt<br />

genau da, wo sie mal angefangen hat, nämlich<br />

als Raum für Begegnung von Menschen.<br />

Die Strasse wird dadurch an die Menschen<br />

zurückgeschenkt.»<br />

BIKESTER


Alles zu unseren<br />

Faltschlössern kurz<br />

und knapp in einem<br />

Video erklärt.<br />

TRELOCK FALTS<strong>CH</strong>LÖSSER<br />

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@trelockgmbh


Text: Martin Ohliger, Illustration: Carolin Sauder<br />

HIGH FIVE<br />

SO KOMMST DU SI<strong>CH</strong>ER DUR<strong>CH</strong> DIE STADT<br />

Auf lange Sicht führt kein Weg daran<br />

vorbei, unsere Städte von Grund auf neu<br />

zu denken und dem nicht motorisierten<br />

Verkehr mehr Platz einzuräumen. Bis die<br />

Stadt der Zukunft fertig gebaut ist, gibt<br />

es allerdings schon ein paar Ratschläge,<br />

die dir helfen, hier und jetzt auf dem Velo<br />

sicherer unterwegs zu sein. Das Beste:<br />

Sie sind alle kostenlos!<br />

ZEIG SELBSTBEWUSSTSEIN<br />

Der Platz, den du für sicheres<br />

Vorwärtskommen brauchst, steht dir vom<br />

Gesetz her zu – also nimm ihn dir! Wenn<br />

der Strassenrand frei ist, dann sind rund<br />

70 Zentimeter (gemessen vom rechten<br />

Lenkerende bis zum Bordstein) Seitenabstand<br />

das Minimum. Stehen dort parkende Autos,<br />

geht nichts unter einem Meter, um aus der<br />

Reichweite von achtlos geöffneten Türen zu<br />

bleiben. Es fühlt sich am Anfang ungewohnt<br />

an, fast in der Mitte der Spur zu fahren, aber<br />

denk immer daran: Du behinderst nicht den<br />

Verkehr, du bist Teil des Verkehrs.<br />

HAB IMMER EINEN FINGER AN<br />

DER BREMSE<br />

Im Recht zu sein, vergrössert leider deine<br />

Knautschzone nicht. Willst du es wirklich<br />

darauf ankommen lassen, deine Vorfahrt<br />

gegen ein Gefährt durchzusetzen, das<br />

zwanzig Mal schwerer und deutlich härter<br />

ist als du? Im Strassenverkehr verhalten sich<br />

leider nicht alle Leute mustergültig und da<br />

dich auf dem Velo keine 1,5 Tonnen Stahl<br />

schützen, solltest du im richtigen Moment<br />

auch mal zurückstecken können.<br />

BIKESTER


NUTZE VELOWEGE WEISE<br />

Entscheide bewusst, an welcher Stelle du<br />

lieber auf die Strasse wechselst oder wo es<br />

für dich die sicherere Variante ist, auf dem<br />

Veloweg zu bleiben. Entgegen landläufiger<br />

Meinung musst du in der Schweiz Radwege<br />

nur dann nutzen, wenn sie mit einem Schild<br />

als solche ausgewiesen sind. Wenn ein Fussweg<br />

mit dem Zusatzschild «Radfahrer gestattet»,<br />

gilt keine Benutzungspflicht. In Österreich<br />

hingegen müssen vorhandene Velowege<br />

immer benutzt werden. Nur wenn du für eine<br />

Trainingsfahrt auf deinem Rennvelos sitzt,<br />

darfst du die Strasse nutzen.<br />

MA<strong>CH</strong> EINEN BOGEN UM<br />

ABBIEGENDE LKW<br />

Rechtsabbiegende Lkw verursachen sehr<br />

häufig schwere Zusammenstösse. Deswegen<br />

solltest du rund um Lkw und Lieferwagen<br />

besondere Vorsicht walten lassen. Verlass dich<br />

nicht auf die Blinker – wer schlampig abbiegt,<br />

vergisst auch, den Blinker zu setzen. Höchste<br />

Alarmstufe gilt auf parallel zur Strasse<br />

verlaufenden Velowegen, auf denen du hinter<br />

einer Reihe parkender Autos oft nur schlecht<br />

sichtbar bist.<br />

BLEIB AUF DEINER SEITE<br />

Geisterfahrten sind die Hauptursache, wenn<br />

Radfahrende an Zusammenstössen schuld<br />

sind. Deine Tour ist natürlich unnötig<br />

anstrengend, wenn die Infrastruktur rund um<br />

die Bedürfnisse von Autos gebaut wurde, aber<br />

benutze Radwege (und Strassen!) trotzdem<br />

immer nur in die vorgesehene Richtung. Der<br />

Umweg ist in der Regel nur kurz und lohnt<br />

sich eigentlich immer.<br />

23


Fixie Inc. Backspin<br />

Urban E-Bike<br />

WORAUF WIR<br />

ABFAHREN<br />

LISA — FIXIE INC. BACKSPIN<br />

© CARLOS MEYER<br />

Wer bist du und was machst du bei<br />

<strong>Bikester</strong>?<br />

Welches Velo fährst du und warum?<br />

Ich bin Lisa, 33 Jahre alt und komme aus<br />

dem Münsterland. Seitdem ich vor gut fünf<br />

Jahren angefangen habe, in der Velobranche<br />

zu arbeiten, fahre ich viel Rennvelo. Ich<br />

fresse aber nicht Kilometer, ich will dabei<br />

abschalten, die Natur sehen und auch mal für<br />

ein Eis oder einen Cappuccino anhalten. In<br />

der Stadt mache ich sowieso alles mit dem<br />

Rad. Im Februar <strong>2021</strong> habe ich als Brand<br />

Managerin für Fixie Inc., Vermont, Ortler<br />

und Serious angefangen. Ich kümmere mich<br />

um die Inszenierung der Marken und wie<br />

die sich auf allen unseren Kanälen anfühlen<br />

und aussehen. Ganz konkret organisiere ich<br />

beispielsweise Foto- und Videoproduktionen<br />

oder gestalte Kampagnen für unsere Velos.<br />

Bei einem Foto- und Videoshooting hatte ich<br />

das erste Mal die Ehre, ein Velo einer «meiner»<br />

Marken zu fahren: das Backspin. Ich hatte das<br />

Shooting vorbereitet und dann ist das Model<br />

ausgefallen. Da ich privat auch viel Velo fahre,<br />

das Sample in meiner Grösse war und ich so<br />

etwas früher auch schon gemacht hatte, bin<br />

ich eingesprungen.<br />

Das Wetter war super und wir sind von<br />

einer Location zur nächsten durch die City<br />

gecruist. Dabei konnte ich das Velo wirklich<br />

auf Herz und Nieren testen. Besonders gut<br />

fand ich, dass man schnell von A nach B<br />

kommt und der Motor superleise ist. Es gibt<br />

auch nur einen Gang, deswegen kannst du<br />

einfach mit dem Verkehr mitschwimmen<br />

und musst nicht immer daran denken, zu<br />

schalten. Und sobald du antrittst, setzt der<br />

Motor ein und du kriegst einen sanften<br />

Schubs. Das war für mich der erste Tag, an<br />

dem ich ein E-Bike unter dem Hintern hatte,<br />

und das Backspin ist dann direkt mit zu mir<br />

nach Hause gekommen.<br />

BIKESTER


PENDELN IN DER GROSSSTADT<br />

K O M M E N<br />

SIE GUT AN<br />

Mit Stil, auf zwei Rädern, das echte Cityleben entdecken.<br />

abus.com


© FINLAY ANDERSON<br />

BIKESTER


Text: Bastian Steinecker<br />

EINFA<strong>CH</strong><br />

MOUNTAINBIKEN –<br />

FÜR ALLE<br />

S<strong>CH</strong>OTTIS<strong>CH</strong>E TRAILCENTER ZEIGEN,<br />

WIE LEI<strong>CH</strong>T ES GEHT<br />

Unser Kollege Bastian ist seit Jugendtagen auf dem Mountainbike unterwegs.<br />

Neueinsteiger*innen führten ihm erst wieder vor Augen, wie viele kleine organisatorische,<br />

sportliche und auch soziale Stolpersteine in der richtigen Routenwahl, Fitness,<br />

Fahrtechnik oder der Suche nach Gleichgesinnten lauern. Sein Blick auf die schottischen<br />

7stanes Trailcenter zeigt, wie einladend und niedrigschwellig Mountainbiken an vielen<br />

Orten sein könnte. Er fragt nach bei Graeme McLean, dem Projektleiter von Developing<br />

Mountainbiking in Scotland, wie Einstiegsbarrieren niedrig gehalten werden und warum<br />

das wichtig ist.<br />

27


© FROG BIKES<br />

Es regnete, als wir im Trailcenter Glentress<br />

ankamen. Eigentlich regnete es immer,<br />

wenn wir die Räder aus dem vollgepackten<br />

kleinen Auto schälten. Mittlerweile wussten<br />

wir, es würde sich trotzdem lohnen. Manche<br />

Klischees über Schottland sind offensichtlich<br />

wahr. Dazu gehört glücklicherweise auch<br />

die Sache mit den erstklassigen Biketrails.<br />

Wir hatten die beeindruckenden Berghänge<br />

der Highlands längst hinter uns gelassen.<br />

Das Tweed Valley mutete mit seiner<br />

Hügellandschaft gemütlich an, dennoch<br />

stellte sich der grösste der 7-Stanes<br />

Trailcenter, etwa eine Autostunde südlich von<br />

Glasgow, als Highlight unseres Schottland-<br />

Trips heraus. Nie zuvor hatte uns jemand den<br />

Spass im Gelände und alles drum herum so<br />

komfortabel auf dem Silbertablett serviert.<br />

Was war so einladend?<br />

Bevor es losging, nahmen wir Platz im<br />

Glentress Peel Café, einem hellen Gebäude<br />

aus heimischem Holz und viel Glas, das auch<br />

in einer Grossstadt gut aufgehoben wäre.<br />

Bei Kaffee und Scrambled Eggs studierten<br />

wir die Streckenkarte, Schwierigkeitsgrade<br />

und Fahrzeiten. Noch ahnten wir nicht, dass<br />

die gute Beschilderung unterwegs eine Karte<br />

vollkommen entbehrlich machen würde. Für<br />

unseren gemütlichen Start wurden wir belohnt.<br />

Langsam brach die Sonne durch die Glasfront.<br />

Mit ihr tauchten mehr und mehr Menschen<br />

auf. Bemerkenswert war die bunte Mischung<br />

an bikenden Gästen. Durchgestylte Enduro-<br />

Pilot*innen, Classic-Bike-Fans, Gruppen auf<br />

E-Bikes und Cross-Country-Feilen – wirklich<br />

jedes Mountainbike-Genre war vertreten;<br />

darunter auffällig viele Frauen und jede Menge<br />

Kinder.<br />

Diesen Eindruck bestätigt auch Graeme<br />

McLean, Projektleiter von Developing<br />

Mountainbiking in Scotland – sowohl mit<br />

konkreten Zahlen als auch aus persönlicher<br />

Beobachtung. Das Büro der staatlichen<br />

Initiative zur Koordinierung und Förderung<br />

des Mountainbike-Sports in Schottland liegt<br />

keine 200 Meter vom Café entfernt. Übers<br />

Jahr zählt Glentress etwa 310.000 bikende<br />

Gäste, Tendenz steigend. Es ist damit das<br />

bestbesuchte Trailcenter in Schottland und<br />

vermutlich ganz Grossbritanniens. Der<br />

Erfolg ist kein Zufall, sondern Teil einer<br />

komplexen Strategie, wie Graeme erklärt.<br />

«Das ganze Trailcenter-Konzept dreht sich<br />

darum, Barrieren abzubauen für einen<br />

leichteren Zugang zum Biken. Du hast kein<br />

Bike? Leih dir eins vor Ort. Du hast kaum<br />

Erfahrung im Kartenlesen? Alle Trails sind<br />

markiert. Du befürchtest, die Wege könnten<br />

zu schwer für dich sein? Für alle Trails sind<br />

Schwierigkeitsgrade ausgewiesen.»<br />

BIKESTER


ERSTKLASSIGE TRAILS – EINFA<strong>CH</strong>ER ZUGANG<br />

Zum Erfolgskonzept gehört schon die Lage<br />

der 7stanes Trailcenter im dichter besiedelten<br />

Südschottland. Vielen Menschen in den<br />

Grossstädten ein attraktives Trail-Angebot in<br />

gut vertretbarer Tagesausflugs-Reichweite zu<br />

machen, sei ein entscheidendes Kriterium –<br />

ganz besonders für Familien. Aber, so Graeme:<br />

«Der wichtigste Aspekt sind zweifelsohne<br />

die Trails selbst. Ohne eine gewisse Vielfalt,<br />

Qualität und Länge an Trails wird es schwer<br />

genug Aktive anzuziehen, um eine Szene am<br />

Center zu etablieren.» Er ergänzt: «Standorte,<br />

wo wir uns explizit an Einsteiger*innen<br />

und Familien richten, sind lange nicht so<br />

gut besucht wie Trailcenter, wo wir neben<br />

einfachen Strecken auch rote und schwarze<br />

Optionen für Fortgeschrittene haben. Ich<br />

denke, man braucht die ambitionierten<br />

Fahrer, um einem Trailcenter nicht die<br />

Glaubwürdigkeit zu nehmen.» Nicht zuletzt<br />

lädt diese Varianz dazu ein, wiederzukommen<br />

und an Herausforderungen zu wachsen.<br />

Unabhängig vom Schwierigkeitsgrad ist<br />

es aber die Qualität der Strecken, die<br />

Mountainbiker*innen schwärmen lässt. Dazu<br />

gehören in Schottland neben der verlässlichen<br />

Beschilderung auch weitgehend wetterfest<br />

gebaute Trails, die auch dann einen verlässlich<br />

guten Tag auf dem Rad verheissen, wenn sich<br />

andere Strecken in Matsch verwandelt haben.<br />

Frisch gestärkt und motiviert durchs bessere<br />

Wetter starteten wir auf die rote Schleife. 19<br />

Kilometer mit 75 Prozent Singletrack-Anteil<br />

erwarteten uns. Dafür sollten wir uns zwischen<br />

anderthalb bis drei Stunden Zeit nehmen,<br />

so die Legende. Anfangs noch verhalten,<br />

gewohnt Schilder suchen zu müssen, bald aber<br />

mit Vertrauen in die intuitive Wegführung<br />

und klare Beschilderung wanden wir uns<br />

in unzähligen Kurven auf und ab, folgten<br />

einfach dem Flow des schmalen Bandes.<br />

Ohne den Wegfluss zu stören, luden immer<br />

wieder Stein- oder Holzkonstruktionen am<br />

Rand dazu ein, sich den Trail optional etwas<br />

kniffliger zu machen; eine clevere Umkehr der<br />

sonst üblichen Umfahrungen von Schlüsselstellen<br />

für weniger versierte Fahrer*innen.<br />

Spätestens in Trail-Abschnitten mit Namen<br />

wie Spooky Woods, Super-G oder Britney<br />

Spears wurde klar: Wir waren unterwegs auf<br />

einem penibel gepflegten Abenteuerspielplatz<br />

mit sorgsam kuratierten Elementen für kleine<br />

und grosse Kinder. Diese Strecken brachten<br />

gleichermassen Neulinge zum Grinsen wie<br />

Ambitionierte zum Schwitzen. Ein paar<br />

kürzere Trails später waren wir rechtschaffen<br />

erschöpft, dreckig von oben bis unten und<br />

rundum glücklich. Vor der Weiterfahrt wurde<br />

es Zeit, auch die warmen Duschen noch<br />

ausgiebig zu testen.<br />

© FROG BIKES<br />

29


KOMFORT DARF SEIN<br />

Warme Duschen? Und ob! Toll angelegte<br />

Trails mögen der Hauptgrund eines<br />

7stanes-Besuches für ambitionierte<br />

Mountainbiker*innen mit Appetit auf Action,<br />

Neueinsteiger*innen oder ganze Familien sein.<br />

Besonders wird der Tag im Trailcenter aber<br />

durch die komfortablen Rahmenbedingungen<br />

und deren freundliche Darreichung. Das<br />

beginnt damit, dass sich der offizielle<br />

«Eintritt» auf den Parkschein beschränkt.<br />

Ein Bikeshop mit Werkstatt, Ersatzteilen<br />

und Verleih von Rad, Helm & Co. gehört<br />

so selbstverständlich zur Grundausstattung<br />

wie der Waschplatz für die Räder nach<br />

der Tour. Beheizte Umkleideräume mit<br />

Spinden für Wert- und Wechselsachen,<br />

warmen Duschen und das grosse Café und<br />

Informationszentrum dürften bei einem Bike-<br />

Ausflug aber in der Regel schon als Luxus<br />

gelten. Graeme kennt die Perspektive. «Einer<br />

Menge ambitionierter Biker ist der gebotene<br />

Komfort möglicherweise nicht so wichtig.<br />

Sie wären vermutlich ebenso glücklich mit<br />

einem Parkplatz für den Van», gibt er zu,<br />

betont aber: «Verbesserte Anlagen (Toiletten<br />

und Umkleideräume), eine freundliche<br />

Atmosphäre, Bikeshops und Cafés sind sehr<br />

hilfreich, um neue Leute für den Sport zu<br />

gewinnen, auch Frauen und Familien. All diese<br />

Details tragen dazu bei, dass Neulinge wie<br />

Erfahrene Mountainbiken einfach geniessen<br />

können, eine tolle Erfahrung machen und<br />

gern zurückkommen.» Nicht nur, aber auch<br />

angesichts schottischer Wetterkapriolen<br />

kann dies wohl als Abbau potenzieller<br />

Frustfaktoren verstanden werden – mit viel<br />

Bewusstsein dafür, dass Besucher*innen einen<br />

Alltag haben, in dem das Rad nicht immer<br />

im Mittelpunkt steht, oder etwa am Montag<br />

wieder ein sauberes Auto benötigt wird.<br />

KONTAKTE KNÜPFEN<br />

ERWÜNS<strong>CH</strong>T<br />

Wer nur die Tour und das komfortable<br />

Drumherum sieht, springt aber zu kurz.<br />

Hinter dem Bestreben um eine garantiert<br />

positive Erfahrung steckt ein weiterer<br />

Gedanke. Mountainbiken mag ein<br />

Individualsport sein, doch die Begeisterung<br />

und persönliche Lernkurve steigen rasant,<br />

wenn der neu entdeckte Spass mit anderen<br />

geteilt wird. Bei Developing Mountainbiking<br />

in Scotland versteht man die Trailcenter<br />

auch als eine Art Brutstätte für Bike<br />

Communities. Seit dem Beginn der 7stanes<br />

ist das Café ein wesentlicher Baustein<br />

des Erfolgsrezepts und laut Graeme als<br />

sozialer Katalysator unglaublich wichtig.<br />

«Dort entstand überhaupt erst so etwas wie<br />

eine öffentliche Bikekultur. Auch etliche<br />

regionale Bikeclubs nahmen dort ihren<br />

Anfang.» Fernab von Clubgründungen kann<br />

fast jeder sicher sein, dort am Ende der<br />

Runde in entspannter Atmosphäre bei gutem<br />

Kaffee und britisch-zuckersüssem Kuchen<br />

zwanglos mit Gleichgesinnten ins Gespräch<br />

zu kommen, Erfahrungen auszutauschen oder<br />

Verabredungen für einen nächsten Trailcenter-<br />

Besuch zu treffen. Es fällt nicht schwer, sich<br />

vorzustellen, wie hier über Generationen und<br />

Wohnorte hinweg Freundschaften entstehen,<br />

die bei einer gemeinsam behobenen Panne<br />

begannen und auf dem Trail gepflegt werden.<br />

FOKUS AUF DIE BIKENDE<br />

BASIS<br />

Naturgemäss sind Gruppen ambitionierter und<br />

bereits organisierter Mountainbiker*innen oft<br />

am besten darin, eigenen Ansprüchen Gehör<br />

zu verschaffen. Man muss dieser erfahrenen<br />

Zielgruppe deshalb aber nicht die höchste<br />

Aufmerksamkeit und Förderung zukommen<br />

lassen. Für die staatliche Koordinierungsstelle<br />

Developing Mountainbiking in Scotland<br />

weist die Rolle der Trailcenter in eine andere,<br />

inklusivere Richtung. «Trailcenter helfen uns,<br />

mehr Menschen fürs Biken zu begeistern,<br />

bieten uns Orte und Attraktionen, um den<br />

Bike-Tourismus für Schottland anzukurbeln<br />

und unsere Athlet*innen, auch der amtierende<br />

Downhill-Weltmeister Reece Wilson,<br />

beginnen alle in unseren Trailcentern»,<br />

führt Graeme aus. Als wichtiger Teil eines<br />

koordinierten Mountainbike-Masterplans<br />

für Schottland stellen die 7stanes eine bunte<br />

bikende Basis in den Mittelpunkt. Die steht<br />

zum Teil noch am Beginn ihrer Bike-Biografie,<br />

könnte deshalb eigene Ansprüche noch gar<br />

nicht formulieren, aber man ist überzeugt;<br />

mit der richtigen Infrastruktur wird sie<br />

auch die Stars und Vorbilder von morgen<br />

hervorbringen.<br />

BIKESTER


© ROSS BELL PHOTOGRAPHY<br />

31


Haibike SDURO Fullnine 8.0<br />

E-MTB<br />

WORAUF WIR<br />

ABFAHREN<br />

HOLGER — HAIBIKE SDURO FULLNINE 8.0<br />

© HOLGER ROTHE<br />

Wer bist du und was machst du bei<br />

<strong>Bikester</strong>?<br />

Ich bin Holger, seit fünf Jahren bei <strong>Bikester</strong><br />

im Product Content Management tätig.<br />

Als Product Content Manager sorge<br />

ich in meinem Team dafür, dass unser<br />

Produktsortiment im Onlineshop für die<br />

Kunden ansprechend dargestellt wird. Hierzu<br />

zählt auch sicherzustellen, dass uns die<br />

Lieferanten sämtliche Produktinformationen<br />

in Form von Texten und Bildern zur<br />

Verfügung stellen. Draussen in der Natur<br />

unterwegs zu sein, vor allem wandernd, hat<br />

mich schon immer begeistert. Bei <strong>Bikester</strong><br />

habe ich dann zusätzlich die Faszination des<br />

E-Bikens für mich entdeckt und mir zunächst<br />

ein E-Crossbike zugelegt, um damit auch<br />

längere Touren abseits der viel frequentierten<br />

Velowege zu geniessen. Das hat mir bald<br />

nicht mehr gereicht und für anspruchsvollere<br />

Touren mit Trails musste zusätzlich ein<br />

eigenes Mountainbike mit elektrischer<br />

Unterstützung für maximalen Fahrspass her.<br />

Welches Velo fährst du und warum?<br />

Meine Wahl beim E-Mountainbike fiel<br />

auf das SDURO FullNine 8.0 von Haibike<br />

aus dem Jahr 2020, ein Fully, welches sich<br />

dank grossem, integriertem Akku, stabilen<br />

29"-Laufrädern sowie dem neuesten Bosch-<br />

Mittelmotor perfekt für lange Touren eignet<br />

und dank seinem vollgefederten Rahmen<br />

auch in rauem Gelände viel Komfort und<br />

Sicherheit bietet.<br />

Sowohl das E-MTB wie auch das<br />

E-Crossbike lassen mich die Natur jederzeit<br />

sportlich aktiv und voller Power erleben,<br />

auch wenn es mal ein tagesformbedingtes<br />

Leistungstief gibt. Früher habe ich mit einem<br />

unmotorisierten Bike dann öfters mal auf<br />

die ein oder andere schöne Tour verzichtet.<br />

Dank elektrischer Unterstützung gibt es nun<br />

aber keine Ausrede mehr!<br />

BIKESTER


OUTERWEAR<br />

Damit uns nichts davon abhält, bei Regen oder windigem<br />

Wetter aufs Fahrrad zu steigen, müssen wir unsere<br />

Fahrradbekleidung ganz einfach mit den notwendigen<br />

Elementen für nasses Wetter ausstatten. Jedes unserer<br />

Produkte vereint jahrelange Erfahrung mit den neuesten<br />

Innovationen. Uns ist es wichtig, dass es für jedes<br />

Budget und jede Art von Wetterbedingung das passende<br />

Produkt gibt: Von trendigen, modernen Outfits über<br />

leistungsstarke, atmungsaktive Regenbekleidung bis hin<br />

zu klassischen Regenkombis findet hier jeder Radfahrer<br />

etwas, das seinen individuellen Bedürfnissen entspricht.<br />

33


WIE VIELE VELOS<br />

JANA<br />

© SEBASTIAN BEILMANN<br />

ZU VIELE VELOS FÜR GELDBEUTEL UND GARAGE<br />

Ich führe eine mentale Liste über alle<br />

Dinge, die ich besitze, weil ich gerne den<br />

Überblick behalte. Worüber ich aber noch<br />

eine Liste führe: Velos, die ich noch haben<br />

möchte. Denn wenn es um Velos geht, fliegt<br />

jegliche Selbstdisziplin einfach aus dem<br />

Fenster. Genauer gesagt sind es sogar zwei<br />

Listen. Es gibt eine realistische Liste, die ich<br />

irgendwann verwirklichen möchte, und eine<br />

absolut verrückte «Was-wäre-wenn»-Liste<br />

mit jedem Velo, von dem ich schon immer<br />

geträumt habe. Ich könnte wahrscheinlich<br />

den Rest dieser Seite mit dieser Liste füllen<br />

und das ist für mich das Schöne an Velos: Es<br />

gibt so, so viele verschiedene davon. Alles<br />

macht irgendwie anders Spass, sodass man<br />

den Genuss des Zweirads immer wieder auf<br />

eine neue Art und Weise entdecken kann.<br />

Es gibt für jeden Geschmack mindestens ein<br />

Velo und so kann jede*r den Radsport für sich<br />

entdecken. Und klar gibt es Dinge, die mehr<br />

Spass machen als andere. Mit Rennvelos kann<br />

ich mich beispielsweise immer noch nicht<br />

anfreunden. Stattdessen habe ich mir aber<br />

ein Gravelbike in die Garage gestellt, weil<br />

ich die Geschwindigkeit, die man mit einem<br />

Rennvelo erreichen kann, zu schätzen weiss –<br />

aber Forststrasse lieber mag als Asphalt. Doch<br />

wenn es nach meiner Liste gehen würde,<br />

hätte ich gerne noch – zusätzlich zu meinem<br />

Freerider, dem Dirtbike und dem E-Trailbike<br />

– ein Trekkingbike, ein Citybike, einen<br />

Randonneur und trotzdem noch ein schickes<br />

Rennvelo, einfach so. Und je beliebter Velo<br />

werden, desto spezifischer werden auch die<br />

Modelle, was meiner Sammelleidenschaft<br />

natürlich voll in die Hände spielt. Die<br />

minimalistische, umweltbewusste Seite in<br />

mir muss zwar jedes Mal fluchen, wenn meine<br />

Liste schon wieder um ein Velo gewachsen<br />

ist, aber ich finde, man sollte mit den eigenen<br />

Schwächen liebevoll umgehen. Und meine ist<br />

definitiv, dass ich mehr Velo haben möchte,<br />

als mein Geldbeutel und meine Garage jemals<br />

zulassen werden.<br />

BIKESTER


FÜR DEIN GLÜCK?<br />

AMELIE<br />

© JANA ZORICIC<br />

EINE FRAGE DER GENÜGSAMKEIT<br />

Was die Bike-Industrie so bewirbt,<br />

wird auch gerne so gekauft. Angebot<br />

bestimmt Nachfrage. Oder vielleicht doch<br />

andersherum? Mittlerweile soll es ja für jeden<br />

Einsatzbereich ein spezielles Bike sein, das<br />

den grösstmöglichen Nutzen und Freude<br />

bereitet. Ein leichteres, nur vorne gefedertes<br />

Bike für lange Touren und effizientes<br />

Hochpedalieren, ein potentes Endurobike<br />

für Abenteuer in Europas berühmtesten<br />

Trailgefilden und natürlich einen Downhiller<br />

für ruppige Bikeparktage. Welches Rad<br />

nehme ich denn heute? Die Frage nach der<br />

entscheidenden Radwahl muss ich mir nie<br />

stellen. Denn ich habe nur eins und bin<br />

sehr froh darüber. Mit dem Besitz meines<br />

Superenduros gehen so einige Vorteile einher.<br />

Zum einen deckt mein Rad einen sehr breiten<br />

Einsatzbereich ab. Auf meinen flowigen<br />

Hometrails in Freiburg und Umgebung<br />

fühlt es sich ebenso wohl wie auf härteren<br />

Bikeparkstrecken oder alpinem Gelände.<br />

Auch längere Touren sind problemlos drin,<br />

denn fit wird man mit einem 15 Kilogramm<br />

schweren Bike irgendwann so oder so. Dabei<br />

sind die 180 Millimeter Federweg, vorne wie<br />

hinten, weder über- noch unterdimensioniert<br />

und für mich das perfekte Mittelmass. Zudem<br />

muss ich mich nicht jedes Mal auf ein anderes<br />

Bike einstellen, sondern bin mit dem Set-up<br />

und dem Fahrgefühl sehr vertraut.Ein weiterer<br />

entscheidender Punkt betrifft die Wartung.<br />

Ich spare mit einem Rad nicht nur Zeit, die<br />

ich mit Reparaturen und Instandhaltung<br />

verschwende, sondern vor allem auch<br />

Geld. Auch die Anschaffungskosten spielen<br />

natürlich eine Rolle. Manche Mountainbikes<br />

haben mittlerweile Preise, die sich auf<br />

einem ähnlichen Niveau wie ein gebrauchter<br />

Kleinwagen bewegen. Und Bike-Leidenschaft<br />

hin oder her: Solche Anschaffungen wollen<br />

in finanzieller Hinsicht gut überlegt sein. Zu<br />

guter Letzt ist es für mich auch eine Frage<br />

der Genügsamkeit. Ich bin sehr glücklich und<br />

dankbar darüber, mir ein solch grossartiges<br />

Hobby leisten zu können. Insofern übe ich<br />

mich gerne in Bescheidenheit und erfreue<br />

mich tagtäglich über mein eines, tolles Bike.<br />

35


Text: Martin Ohliger<br />

FÜNF JAHRE<br />

GRAVEL FONDO<br />

DIE BESTEN IDEEN ENTSTEHEN AN DER KAFFEEMAS<strong>CH</strong>INE<br />

BIKESTER


© STEFAN HAEHNEL<br />

Als die Idee des Gravel Fondos Ende 2015 das erste Mal aufkam, waren<br />

Gravelbikes in Europa noch rar. Selbst Eingeweihte und Fachmedien<br />

wussten mit den neuartigen Rädern eher wenig anzufangen, so selten<br />

waren die Rennvelos mit den dicken Reifen noch. Vom Boom dieser<br />

Gattung waren wir sowieso noch weit entfernt – trotzdem lag schon ein<br />

Vorgeschmack in der Luft, dass sich unsere Vorstellungen davon, was wir mit<br />

Rennlenkern alles machen können, sehr bald dramatisch ändern würden.<br />

37


© FALK WENZEL<br />

In dieser Stimmung trafen sich Stephan<br />

Geiß, der damals für VOTEC arbeitete und<br />

den man getrost als Vater der Gravel Fondos<br />

bezeichnen kann, mit seinem Kollegen Basti<br />

Steinecker im Büro an der Kaffeemaschine.<br />

Der hatte wiederum 2011 schon das Critical<br />

Dirt organisiert, das erste Rennvelo-<br />

Langstreckenrennen über Schotterpisten in<br />

Deutschland. Aus dem nur wenige Minuten<br />

dauernden Gespräch ging Stephan mit einem<br />

Konzept für eine Veranstaltung heraus: «Sich<br />

auf einer langen Strecke herauszufordern<br />

wie in einem Wettkampf, aber auch mal<br />

auszuruhen und einen Kaffee zu trinken und<br />

ein Brot zu essen. Du powerst dich aus, das<br />

Segment ist vorbei und zwei Ecken weiter<br />

steht dann ein Kaffeemobil mit Liegestühlen<br />

und einer grandiosen Aussicht über den<br />

Schwarzwald.» Auf den Namen «Gravel<br />

Fondo» kamen die beiden auch noch, bevor<br />

der Kaffee kalt wurde.<br />

PREMIERE AM FELDBERG<br />

So steckte Stephan bald mittendrin im<br />

Vorbereitungstrubel. Er verbrachte immer<br />

mehr Wochenenden damit, Schotterstrassen<br />

im Schwarzwald zu erkunden und danach<br />

an einem extra dafür angeschafften 27-Zoll-<br />

Bildschirm die perfekte Schotterroute<br />

zusammenzubasteln. An einem Oktoberwochenende<br />

im Jahr 2016 war es dann so<br />

weit und rund 100 Leute trafen sich an der<br />

Sportkaserne in Freiburg für den allerersten<br />

Gravel Fondo. Sogar das Wetter war milde<br />

gestimmt und belohnte die Teilnehmer*innen<br />

für ihren Einsatz am Anstieg auf den<br />

Feldberg mit grandiosem Sommerwetter. Die<br />

minutiöse Vorbereitung hatte sich für Stephan<br />

mehr als ausgezahlt: «Am Sonntagnachmittag<br />

war es so, wie ich es mir kaum in meinen<br />

Träumen erhofft hatte. Alle sassen auf dem<br />

Gelände, hatten ein Bier oder einen Kaffee in<br />

der Hand, ein Stück Kuchen vor sich stehen<br />

und wollten wissen, ob sie noch einen Tag<br />

länger bleiben können. Das ist echt das beste<br />

Kompliment, weil bei ganz vielen anderen<br />

Rennveranstaltungen die Leute ihr Rennen<br />

fahren, so schnell wie möglich duschen und<br />

dann heimgehen.»<br />

FÜR IMMER FERIENCAMP<br />

Infolgedessen war schnell klar, dass es mit<br />

dem Gravel Fondo weitergehen musste. Die<br />

beiden Jahre danach suchte sich Stephan<br />

frische Locations im Schwarzwald heraus,<br />

bevor es 2019 in den Pfälzer Wald ging. Dort<br />

stiess die Veranstaltung auch an ihre Grenzen<br />

– aber ein Massenevent sollte der Gravel<br />

Fondo sowieso nie werden: «Wir sind keine<br />

Maschine, die nur Teilnehmerzahlen will,<br />

wir wollen ein tolles Erlebnis für alle. Dazu<br />

gehört die Wahl der Location, die Unterkunft,<br />

das Essen und wie wir mit der Natur um<br />

uns herum umgehen. Je mehr Leute du<br />

unterbringen willst, desto unsexier werden die<br />

Locations und wir wollten unbedingt diesen<br />

Feriencamp-Vibe erhalten. Beim ersten Event<br />

waren es so hundert Leute, 2019 in der Pfalz<br />

waren rund 270 Leute gemeldet. Mehr können<br />

wir nicht verkraften, wenn wir die Qualität<br />

und die Liebe zum Detail halten wollen.»<br />

BIKESTER


© DAVID S<strong>CH</strong>ULTHEIß<br />

© STEFAN HAEHNEL<br />

39


© FALK WENZEL<br />

VIRTUELLER S<strong>CH</strong>OTTER<br />

Zu viele Anmeldungen waren in den letzten<br />

beiden Jahren leider die geringste aller<br />

Sorgen. Die Corona-Pandemie streute<br />

ordentlich Salz in die Suppe, ein Event für<br />

250 Leute mit Übernachtung war praktisch<br />

unplanbar geworden. Um trotzdem Gravel<br />

ein bisschen zu zelebrieren, fanden kleinere<br />

Gravel Fondo Rides statt. Das Format<br />

existierte bereits seit 2017, um schon vor dem<br />

Hauptevent im Herbst die Vorfreude etwas<br />

anzuheizen und den Geist des Gravelns etwas<br />

näher an die Städte heranzutragen. Dort<br />

wurde morgens ein Kaffee gereicht, dann<br />

fuhren kleinere Grüppchen eine Strecke ab<br />

und abends gab es noch mal einen Snack.<br />

Das war unter Pandemiebedingungen noch<br />

das einzig halbwegs plan- und durchführbare<br />

Format und brachte zumindest einen Teil des<br />

Charmes des Gravel Fondos mit sich. Alex<br />

Bethge, der in den letzten Jahren zusammen<br />

mit Stephan die Organisation gestemmt hatte,<br />

war aber über jeden gefahrenen Kilometer<br />

froh: «Natürlich war es bitter, das Hauptevent<br />

absagen zu müssen, aber die kleineren Rides<br />

und auch die digitalen Events waren trotzdem<br />

Highlights. So haben wir Ecken entdeckt, die<br />

man sonst nie auf dem Schirm gehabt hätte,<br />

und wir konnten trotzdem ein bisschen<br />

den Gravel Spirit hochhalten.» Der bleibt<br />

trotzdem quasi zwangsläufig ein bisschen auf<br />

der Strecke, weil nicht wie normalerweise<br />

die unterschiedlichsten Menschen abends<br />

am Lagerfeuer zusammensitzen konnten.<br />

Dementsprechend wird auch in Zukunft ein<br />

komplettes Wochenende im Mittelpunkt der<br />

Planungen stehen.<br />

BITTE KEIN RUMPELBIKEN<br />

Es ist auch der Pionierarbeit des Gravel Fondos<br />

zu verdanken, dass Gravelbikes inzwischen<br />

ganz selbstverständlich geworden sind.<br />

Gleichzeitig haben sie sich weiterentwickelt<br />

und sind noch vielseitiger und auch<br />

geländetauglicher geworden. Breitere Reifen,<br />

weiterentwickelte Rahmenformen und<br />

teilweise sogar Federungen sorgen für noch<br />

vor fünf Jahren ungeahnte Vielseitigkeit.<br />

Das ist aber eine Entwicklung, die der<br />

Gravel Fondo nicht mitgehen muss, denn<br />

in den Vorstellungen von Stephan sind<br />

Gravelbikes immer noch Rennräder mit einer<br />

gewissen Strassentauglichkeit: «Auch wenn<br />

sich Gravelbikes weiterentwickelt haben,<br />

werden wir das grundlegende Konzept nicht<br />

antasten und aus dem Gravel Fondo einen<br />

MTB-Marathon machen. Man kann auch<br />

eine Downhillstrecke mit einem Gravelbike<br />

runterfahren, das macht halt nur keinen<br />

Spass. Kurze, flowige Singletrails haben schon<br />

immer zum Gravel Fondo dazugehört, aber<br />

das Hauptelement sind Schotterstrassen<br />

und versteckte Asphaltsträsschen durch den<br />

Wald. Wir wollen nicht mit 10 km/h über<br />

einen Wurzelteppich rollen – dafür gibt es<br />

Mountainbikes.»<br />

Wie genau der Gravel Fondo 2022 aussehen<br />

wird, steht aus vielen Gründen noch in<br />

den Sternen. Ausserhalb Deutschlands<br />

existieren jedenfalls auch eine Menge schöne<br />

Schotterstrassen und man munkelt, dass<br />

es vor allem in Schweden und Frankreich<br />

ganz besonders hübsche Exemplare gibt.<br />

Wir können uns sicher sein, dass die<br />

Kaffeemaschine im Büro schon heiss läuft und<br />

uns noch die ein oder andere überraschende<br />

Neuerung bescheren wird.<br />

BIKESTER


We take<br />

you<br />

outdoors!<br />

© COLUMBIA


Rondo Mutt ST<br />

Gravelbike<br />

WORAUF WIR<br />

ABFAHREN<br />

BRAMM — RONDO MUTT ST<br />

© MARTIN OHLIGER<br />

Wer bist du und was machst du bei<br />

<strong>Bikester</strong>?<br />

Hi, ich bin Bramm und habe im Customer<br />

Service angefangen, wo ich vor allem technische<br />

Beratung gemacht habe. Inzwischen arbeite<br />

ich schon seit ein paar Jahren im Team Text,<br />

mit dem wir für alle Texte auf der <strong>Bikester</strong>-<br />

Webseite verantwortlich sind. Unser Job ist es,<br />

dass unsere Kund*innen alle Informationen<br />

finden, die sie suchen, und dafür zu sorgen,<br />

dass alles gut zusammenpasst. Ich habe<br />

schon immer viel Zeit draussen verbracht,<br />

angefangen vom Camping im Garten, als ich<br />

mein erstes Zelt bekommen habe, bis hin zu<br />

Wildwasser-Kajak und Skifahren in Kanada.<br />

Ich bin auch schon alles vom BMX bis hin<br />

zum Rennvelo gefahren – in den letzten Jahren<br />

auch viel Gravelbike.<br />

Welches Velo fährst du und warum?<br />

Ich fahre ein wunderschönes, türkises<br />

Rondo Mutt ST. Das hat eine Menge Ösen,<br />

exzellente Reifenfreiheit und mit dem Flip<br />

Chip in der tiefen Position fährt es sich fast<br />

wie ein Rennvelo. Das passt sehr gut zu den<br />

Graveltouren, die ich normalerweise fahre.<br />

Für 90 Prozent meiner Touren brauche ich<br />

keinen Monstertruck, aber mit dem Rondo<br />

habe ich immer die Option, die Geometrie<br />

umzustellen, um auch mit etwas gröberem<br />

Gelände fertig zu werden. Ich habe schon ein<br />

paar Bikepacking-Trips geplant, auf denen das<br />

Rad richtig glänzen kann. Gravelbikes sind<br />

für flotte Touren mit wenig Gepäck perfekt<br />

– sie sind komfortabel und haben jede Menge<br />

Platz für Gepäck und Taschen, machen aber<br />

viel mehr Spass als ein Trekkingvelo.<br />

BIKESTER


Face<br />

the night<br />

with<br />

confidence.<br />

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2<br />

3<br />

#UpliftingMinds


Text: Jana Zoricic<br />

RANDONNEUR<br />

REVIVAL<br />

VON BREVETS, NABENDYNAMOS UND WINDBEUTELN<br />

© VERENA GORNY<br />

BIKESTER


Wenn man es genau nimmt, ist ein<br />

Randonneur eigentlich eine Person<br />

und kein Gegenstand. Eine Person, die<br />

das Rennvelo als schnelles Gefährt auf<br />

Asphalt zu schätzen weiss, diesen Genuss<br />

aber so lange wie möglich ausdehnen<br />

will. Statt um Schnelligkeit und Siege<br />

geht es auf dem Randonneur darum,<br />

lange Fahrten zu unternehmen und dabei<br />

ein zuverlässiges Gefährt zu haben, das<br />

stabil und langlebig genug für diese Art<br />

von Veloreise ist. Dementsprechend<br />

hat sich der Begriff für Rennvelos mit<br />

Gepäckträgern, Schutzblechen und Licht<br />

schnell eingebürgert – auch wenn er in<br />

Zeiten von Commutern, Gravelbikes und<br />

Allroad-Bikes gerne in Vergessenheit<br />

gerät. Zeit also für eine kleine Reise in die<br />

Welt der Randonneure und Brevets. Wir<br />

werfen einen Blick in die Vergangenheit<br />

der Randonneur-Kultur, was einen<br />

Randonneur eigentlich ausmacht und<br />

wie man sich das eigene Reiserad<br />

zurechtbasteln kann, ohne sich gleich ein<br />

neues Velo kaufen zu müssen.<br />

45


WER RANDONNEUR SAGT,<br />

MUSS AU<strong>CH</strong> PARIS-BREST-<br />

PARIS SAGEN<br />

© CARLOS MEYER<br />

Wenn man sich den Ursprung des Begriffs<br />

«Randonneur» genauer anschaut, ist die<br />

Geschichte eigentlich schnell erzählt:<br />

«randonnée à vélo» bedeutet schlicht und<br />

ergreifend «Wanderung mit dem Velo». Doch<br />

diese Bezeichnung für Radreisen beschreibt<br />

einen Meilenstein der Radgeschichte. Um<br />

zu verstehen, warum, müssen wir 130 Jahre<br />

in die Vergangenheit reisen, zum ältesten<br />

Radrennen der Geschichte: Paris-Brest.<br />

Paris-Brest war gegen Ende des 19.<br />

Jahrhunderts nicht nur eines der ersten<br />

Langstrecken-Radrennen, sondern auch das<br />

härteste. Wie der Name schon verrät, verlief<br />

die 600 Kilometer lange Strecke von Paris bis<br />

nach Brest an der Atlantikküste Frankreichs.<br />

Im Jahre 1891 wurde das Rennen kurzerhand<br />

verdoppelt: 1.200 Kilometer nach Brest und<br />

wieder zurück nach Paris. Das Rennen war so<br />

anspruchsvoll für Mensch und Material, dass<br />

es danach zehn Jahre nicht mehr stattfand.<br />

Als es 1901 wieder ausgetragen werden sollte,<br />

wurde es von keinem Geringeren als dem<br />

Gründer der Tour de France organisiert.<br />

Doch schon damals sollten Langstreckenrennen<br />

der Elite vorbehalten sein: In der<br />

dritten Ausgabe von Paris-Brest-Paris wurde<br />

die Amateurklasse von der Versorgung<br />

entlang der Strecke ausgeschlossen. Die<br />

Empörung war so gross, dass der Audax Club<br />

Parisien (ACP), der schon damals hobbyorientierte<br />

Langstreckenfahrten (sogenannte<br />

Brevets) ausrichtete, sich einmischte.<br />

Der Club überlegte sich eine pfiffige<br />

Protestaktion: Er veranstaltete ein Brevet<br />

mit exakt derselben Strecke, exakt am selben<br />

Tag. Mit dem Unterschied, dass es «nur» ein<br />

Zeitlimit von 96 Stunden gab, man sich selbst<br />

versorgen musste und alle daran teilnehmen<br />

konnten. Die einzige Teilnahmebedingung<br />

war, zuvor schon ein 300 Kilometer langes<br />

Brevet abgeschlossen zu haben. Knapp<br />

60 Fahrer*innen nahmen teil – und der<br />

Grundstein für die moderne Randonneur-<br />

Kultur war gelegt.<br />

BREVETS<br />

Diese Langstreckenfahrten gibt es bis heute<br />

und erfreuen sich auch weiterhin grosser<br />

Beliebtheit. Das grösste Brevet ist dabei<br />

immer noch Paris-Brest-Paris, das nur alle<br />

vier Jahre stattfindet. Heute kämpfen bis zu<br />

6.000 Teilnehmer*innen mit einem Zeitlimit<br />

von 90 Stunden, um die 1.200 Kilometer<br />

lange Strecke zu absolvieren.<br />

Auch daran, dass man sich vorher mit der<br />

Teilnahme an weiteren Brevets qualifizieren<br />

muss, hat sich bis heute nichts geändert.<br />

Paris-Brest-Paris ist also – ganz nach<br />

Randonneur-Kultur – eine lange Reise, die<br />

sich nicht um das Rennenfahren, sondern um<br />

die persönliche Herausforderung dreht.<br />

In Frankreich ist dieser Ansatz fest im<br />

Radsport verankert und es gibt jedes Jahr<br />

viele Veranstaltungen für Langstrecken-<br />

Begeisterte in vielen verschiedenen Formaten<br />

und Varianten. Ganz nach französischer Art<br />

wurde sogar ein Gebäck nach dem Rennen<br />

benannt, das Paris Brest. Wer auf Pralinen,<br />

Buttercreme und Windbeutel steht, wird es<br />

lieben.<br />

BIKESTER


WAS MA<strong>CH</strong>T EINEN RANDONNEUR AUS?<br />

Organisierte Langstreckenfahrten waren<br />

damals schon keine Neuheit – doch Paris-<br />

Brest-Paris sorgte dafür, dass diese Art von<br />

Radfahren auch bei der breiten Masse an<br />

Beliebtheit gewann. Dementsprechend wurden<br />

Velos weiterentwickelt und angepasst, um<br />

Fernreisen mit dem Rad noch komfortabler zu<br />

machen. Man brauchte Platz für Gepäck sowie<br />

Licht, um so lange wie möglich weiterfahren zu<br />

können, und so viel Schutz wie möglich gegen<br />

schlechtes Wetter zu haben. Also wurden<br />

die Randonneure (diesmal das Velo) mit fest<br />

montierten Gepäckträgern, Schutzblechen<br />

und Licht ausgestattet.<br />

Daran hat sich ebenfalls bis heute nicht viel<br />

geändert. Klassische Randonneure haben<br />

Rahmen aus Stahl, weil das Material langlebig<br />

und haltbar ist. Es gibt mittlerweile aber<br />

auch viele Rahmen aus Alu und Carbon, die<br />

ebenfalls viel Gepäcklast aushalten können.<br />

Da der Fokus eines Randonneurs darauf<br />

liegt, lange Strecken zurückzulegen, sitzt man<br />

etwas komfortabler und weniger gestreckt<br />

als auf einem normalen Rennvelo. Das Licht<br />

ist meist fest verbaut und wird mit einem<br />

Nabendynamo betrieben. Dasselbe gilt für<br />

Schutzbleche, diese sind dauerhaft montiert<br />

und jederzeit einsatzbereit.<br />

© ILLUSTR<strong>AT</strong>ION: JONAS <strong>CH</strong>RISTOPH<br />

47


BIKESTER


© CARLOS MEYER<br />

RANDONNEUR SELBST<br />

GEMA<strong>CH</strong>T<br />

Es gibt Weiterentwicklungen, die sich<br />

auch Stück für Stück im Rennvelobereich<br />

durchsetzen, wie breitere Reifen und<br />

Scheibenbremsen. Du musst dir aber nicht<br />

direkt ein neues Bike kaufen, auch das<br />

verstaubte Rennvelo im Keller kann man im<br />

Handumdrehen reisetauglich machen.<br />

Am schnellsten sind die Schutzbleche<br />

erledigt: Bevor du über das Nachrüsten von<br />

festen Schutzblechen nachdenkst, kannst du<br />

dir Mudguards an das Vorder- und Hinterrad<br />

montieren, die speziell an die Masse eines<br />

Rennvelos angepasst sind. Der Vorteil daran<br />

ist, dass sie sehr leicht sind und optisch kaum<br />

auffallen. Bei starkem Regen und Dreck<br />

können sie aber sehr schnell an ihre Grenzen<br />

kommen.<br />

Das Thema Beleuchtung ist ein wenig<br />

komplexer: Nabendynamos und ein festes<br />

Licht sind zwar zuverlässig, müssen aber<br />

aufwendig umgebaut werden. Für den Anfang<br />

reicht auch eine Akkuleuchte, die eine recht<br />

lange Laufzeit hat.<br />

Heutzutage brauchst du nicht mal mehr einen<br />

Gepäckträger, wenn du Gepäck auf dem Rad<br />

transportieren möchtest. Es gibt zahlreiche<br />

Taschen, die man ins Rahmendreieck,<br />

hinter den Sattel oder vorne auf den Lenker<br />

schnallen kann. Dort muss man auch nicht<br />

gleich das ganze Camping-Equipment<br />

verstauen und auf Abenteuerreise gehen –<br />

schon ein bisschen Platz für Proviant und<br />

ein Wechselshirt reichen aus für deine erste<br />

kleine Radreise.<br />

IST DAS GRAVELBIKE DER<br />

NEUE RANDONNEUR?<br />

Moment mal, ein Velo, mit dem du schnell<br />

vorwärtskommen, aber auch die Landschaft<br />

erkunden kannst? Das klingt doch schwer<br />

nach den Gravelbikes, die seit ein paar Jahren<br />

aus der Bikewelt nicht mehr wegzudenken<br />

sind. Nicht ganz – der Randonneur<br />

bewegt sich, anders als das Gravelbike –<br />

hauptsächlich auf Asphalt. Doch es gibt<br />

mittlerweile viele Gravelbikes, die mit fester<br />

Lichtanlage, zahlreichen Möglichkeiten<br />

zur Gepäckbefestigung und teilweise sogar<br />

Schutzblechen langstreckentauglich gemacht<br />

werden – der moderne Randonneur quasi.<br />

VOM STAHLROSS ZUM<br />

REISERENNER<br />

Aber was heisst denn «modern»? Waschechte<br />

Randonneure mit Stahlrahmen, Gepäckgerüst<br />

und schmalen Rennradreifen sind<br />

heute jedenfalls zu einer echten Seltenheit<br />

geworden. Reisen mit dem Rennvelo<br />

hingegen ist so beliebt wie noch nie. Doch der<br />

Untergrund, auf dem sich Rennvelos heute<br />

bewegen, ist deutlich abwechslungsreicher<br />

geworden – und dementsprechend haben sich<br />

die Velos weiterentwickelt.<br />

Aluminium und Carbon sind leichter als<br />

Stahl, aber genauso stabil. Gepäckträger<br />

werden seltener gebraucht. Reifen werden<br />

breiter und bekommen mehr Profil. Alles<br />

Weiterentwicklungen, die wir zweifellos auch<br />

den Randonneuren und Brevets der letzten<br />

100 Jahre zu verdanken haben. Und auch in<br />

Zukunft wird das Rennvelo weiterhin als<br />

Reisegefährt geschätzt und geliebt werden,<br />

nur eben auf andere Art und Weise. Ein<br />

Grund mehr, zwischendurch mal an den<br />

Randonneur zu denken.<br />

49


© GONSO<br />

IMP<br />

RES<br />

SUM.<br />

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Bastian Steinecker, Jana Zoricic, Martin Ohliger<br />

Grafik:<br />

Jonas Christoph<br />

Mitarbeit an dieser Ausgabe:<br />

Amelie Fritz, Bramm Clitherow, Felix Böhlken, Holger Rothe,<br />

Lisa-Marie-Möllmann<br />

Fotos:<br />

Björn Hänssler, Carlos Meyer, David Schultheiß, Falk Wenzel, Finlay<br />

Anderson, Holger Rothe, Jana Zoricic, Martin Ohliger, Stephan<br />

Haehnel, Verena Gorny<br />

Lektorat:<br />

Herwig Frenzel<br />

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Redaktioneller Stand: 29. September <strong>2021</strong><br />

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