Schicksale aus Dorsten Halloween in Dorsten Wie ... - Lokallust

6 Dorstener Geschichten
sie fragte nach. Seine Antwort: „Damit
du besser sehen kannst. Mama
hat doch blinde Augen.“
Im Frühjahr fing alles an. Der
vierjährige Paul musste zum Augenarzt.
Da hat sich Jennifer mit
untersuchen lassen. Über die Diagnose
kann sie heute ganz ruhig
sprechen. Damals hat sie geweint.
Ihren Anruf wird Frank Schneider
wohl nie vergessen. „Sie wird blind,
hat sie gesagt. Und ich hab gesagt:
Das gibt es doch heute gar nicht
mehr.“ Und dabei wirkt der kräftige
Mann einfach nur hilflos. Erinnert er
sich heute an die ersten Minuten
und Stunden danach, dann kommen
die Tränen. Zeigen tut er das
nicht gerne, geht lieber in die Küche
noch Kaffee holen.
Überhaupt scheinen alle Freunde
und Bekannten mehr zu leiden,
als Jennifer Schneider. Begleitet
man sie durch die Stadt, ist immer
sie es, die die anderen tröstet, hat
Paul, Chantal, Fritz, Jennifer, Lea, Emil und Frank:
Das ist die Familie Schneider.
Wissenswertes
Die Bezeichnung Retinopathia
pigmentosa oder Retinitis pigmentosa
(RP) beschreibt eine
durch Vererbung oder spontane
Mutation entstehende Netzhautdegeneration,
bei der die Photorezeptoren
zerstört werden.
Man spricht von Pseudo-Retinitis
pigmentosa (oder Phänokopie),
wenn nicht erbliche Erkrankungen
Symptome der RP zeigen,
z. B. toxisch bedingt (z. B. durch
Phenothiazine, Chloroquin).
man den Eindruck. Wie lange sie
noch etwas sehen kann, weiß niemand.
Ihre Oma war in ihrem Alter
vermutlich wegen der Erbkrankheit
bereits blind. Eine Untersuchung
in der Essener Uniklinik haben die
Ärzte vor ein paar Wochen abgebrochen.
Die Krankheit sei bereits
so weit fortgeschritten, dass sie
außer im mittleren Pupillenbereich
gar nichts mehr messen könnten.
Vor kurzem hat Jennifer Schneider
die offiziellen runden, gelben
Sticker mit den drei schwarzen
Punkten bekommen. Die trägt sie
bereits. Die Armbinde will sie sich
aber noch nicht anlegen.
Und trotzdem geht für sie das Leben
weiter. Ihre Reaktion auf die
Krankheit: Jennifer Schneider hat
eine Liste gemacht, was sie in ihrem
Leben noch alles sehen will.
Und auch, wenn sie später nichts
mehr sehen kann steht eins für sie
fest: Erleben will die 32jährige noch
ganz viel in ihrem Leben.
Der Name Retinitis pigmentosa
wurde von dem Holländer Franz
Donders im Jahr 1855 geprägt.
Da es sich bei RP nicht primär um
eine Entzündung handelt, wurde
die Krankheit in Retinopathia
pigmentosa umbenannt. Die
ursprüngliche Benennung wird
allerdings immer noch synonym
und sogar häufiger verwendet
als die neue Bezeichnung.