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Gedenkschrift zur siebenten Stolpersteinverlegung in Bruchsal am 8. Juni 2021

In dieser Gedenkschrift sind Opferbiographien der folgenden Bruchsaler Familien enthalten: Schloßberger, Katz, Straus, Baer, Hahn, Tuteur und Kann.

In dieser Gedenkschrift sind Opferbiographien der folgenden Bruchsaler Familien enthalten: Schloßberger, Katz, Straus, Baer, Hahn, Tuteur und Kann.

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ausbrach.“ Am folgenden Tag erhielt Elisabeth Kann daraufhin durch den Metzgermeister

im Keller Schläge ins Gesicht, „bis ich zusammenbrach. Währenddessen stand seine Frau

mit gespreizten Füßen am Kellerausgang und wollte mich nicht herauslassen.“ Für mehrere

Tage war Elisabeth Kann bettlägerig und in der Folge gallenkrank, was eine Operation

und einen vierwöchigen Aufenthalt im Bruchsaler Krankenhaus nach sich zog. Zeitlebens

hatte Elisabeth Kann von diesem Überfall enorme Einschränkungen der Sehfähigkeit des

linken Auges. Siegbert Kann hatte am Tag nach seiner Rückkehr Anzeige gegen den Metzgermeister

erstattet. Beim Gerichtsverfahren sagte der junge Gerichtsassessor, sie müsse

die Klage zurückziehen, „andernfalls bestellten sie 100 SS- und SA-Männer.“

Auf Anraten ihres Arztes Dr. Mai

zog die Familie im folgenden Jahr,

1937, in die Bismarckstraße 3, in

das Haus des Fabrikanten Julius

Weil. Da Siegbert Kann inzwischen

arbeitslos geworden war, wurden

zwei der fünf Zimmer an jüdische

Mitbürger vermietet, zum Beispiel

die Lehrerin der Judenklasse. Durch

Flick- und Näharbeiten und andere

Hausarbeiten konnte Elisabeth

Elisabeth Kann (re.) mit Tochter Gisela. Foto: M. Carrancejie.

Kann viel zur Ernährung ihrer Familie

beitragen. Da eine Auswanderung

nicht so schnell möglich war, flüchtete ihr Mann im Juli 1939 nach Brüssel, und sie

folgte mit den Kindern nach. In Brüssel fanden sie eine möblierte, aber feuchte Wohnung.

Da Siegbert und Elisabeth Kann als illegale Einwanderer keine Arbeitserlaubnis erhielten,

schlugen sie sich mit Gelegenheitsarbeiten durch und überlebten mit Unterstützung

des jüdischen Hilfskomitees und Päckchen von Elisabeths Verwandten aus Deutschland.

Nach der plötzlichen Verhaftung ihres Mannes und einer eintägigen Internierung von

sich und den Kindern flüchtete Elisabeth mit den drei Kleinen für sechs Wochen quer

durch Nordfrankreich. Schließlich mussten sie nach Brüssel zurückkehren. Als Putz- und

Waschfrau verdiente sie den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder. Auf dem deutschen

Konsulat fand sie schließlich unerwartet Hilfe vor drohenden Deportationen in den Osten:

Man stellte ihr illegal einen Pass ohne „J“ aus und organisierte ihre Rückkehr nach

Deutschland. Am 30. November 1941 konnte sie daher mit dem Zug in ihren Heimatort

Diedesheim zurückkehren und wurde von ihrem Vater und ihren Geschwistern aufgenommen.

„Abgemagert und krank wie ich war, schlugen Bekannte vor Schreck die Hände

zusammen, als sie mich wieder sahen.“ Im August 1942 wurde ihr ein kleines Häuschen

in Diedesheim vermietet, in das sie zusammen mit ihren Kindern und ihrem Vater gegen

den Widerstand der politischen Leiter einzog. Da sie keine Lebensmittelmarken bekamen,

musste Elisabeth bis Kriegsende hart auf Bauernhöfen und in einer Konservenfabrik

arbeiten. Am Kriegsende, aber auch immer wieder im Laufe der Jahre seit 1936, war

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