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Kaddisch für einen Freund

Meine Freundschaft mit Peter hatte ungewöhnlich tiefe Wurzeln. Beide waren wir Kinder von jüdischen Kommunisten, die aus Hitler-Deutschland nach Belgien geflohen waren. In kommunistischen Kreisen in Antwerpen haben sich unsere Eltern kennengelernt. Nach dem Krieg beschlossen sie, sich am Aufbau des Sozialismus zu beteiligen, Peters Eltern in der DDR, meine Eltern in Polen. Doch 1957 übersiedelte unsere Familie in die DDR. Mein Vater nahm Kontakt zu seinen alten Freunden aus Antwerpen auf. Ich lernte Peter kennen und freundete mich mit ihm an. Beide waren wir atheistisch orientiert und in jüdischen religiösen Riten völlig unbewandert. Und doch hatten wir ein tief empfundenes Zugehörigkeitsgefühl zum jüdischen Volk. Ich ging 1977 in den Westen den Peter erst kurz vor dem Fall der Mauer. Wir blieben bis zu seinem Tod einander freundschaftlich verbunden. Er hatte nicht als Jude gelebt, wurde aber als als Jude bestattet. Ich sprach für ihn das Kaddisch.

Meine Freundschaft mit Peter hatte ungewöhnlich tiefe Wurzeln. Beide waren wir Kinder von jüdischen Kommunisten, die aus Hitler-Deutschland nach Belgien geflohen waren. In kommunistischen Kreisen in Antwerpen haben sich unsere Eltern kennengelernt. Nach dem Krieg beschlossen sie, sich am Aufbau des Sozialismus zu beteiligen, Peters Eltern in der DDR, meine Eltern in Polen. Doch 1957 übersiedelte unsere Familie in die DDR. Mein Vater nahm Kontakt zu seinen alten Freunden aus Antwerpen auf. Ich lernte Peter kennen und freundete mich mit ihm an. Beide waren wir atheistisch orientiert und in jüdischen religiösen Riten völlig unbewandert. Und doch hatten wir ein
tief empfundenes Zugehörigkeitsgefühl zum jüdischen Volk. Ich ging 1977 in den Westen den Peter erst kurz vor dem Fall der Mauer. Wir blieben bis zu seinem Tod einander freundschaftlich verbunden. Er hatte nicht als Jude gelebt, wurde aber als als Jude bestattet. Ich sprach für ihn das Kaddisch.

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unserer Familie großzügig Asyl. So kam ich also 1957

dreizehnjährig nach Leipzig.

In der DDR suchte mein Vater alte Genossen. Er fand

einige Kommunisten aus seiner „guten alten Zeit“ vor

1933 in Berlin. Und er fand Esther und Israel Schreier,

seine alten Freunde aus Antwerpen. Sie lebten in der

idyllischen sächsischen Kleinstadt Meißen und wurden

zu unserer ersten Anlaufstelle in der DDR. Gleich

freundete ich mich mit deren Sohn Peter an, der ein

Jahr jünger war als ich, während mir sein vier Jahre

jüngerer Bruder Martin als Spielkamerad damals als

zu jung erschien. Die Eltern der beiden Jungen hatten

sich in Meißen bestens etabliert. Isi, so wurde der Vater

Israel in seiner Familie gerufen, war Dozent für Marxismus-Leninismus

an der Landwirtschaftshochschule,

Esther im Kreis Meißen verantwortlich für Handel und

Versorgung und in der Stadt bekannt wie ein bunter

Hund. Denn sie sprach nicht das in der Region übliche

breite sächsisch, vielmehr ihren eigenen Dialekt, ein

Gemisch aus Deutsch und Jiddisch. Sie war sehr resolut

und sehr laut. Peter hatte ohne Frage die Stimmgewalt

von seiner Mutter geerbt, im Gegensatz zu ihr sprach

er aber ein reines sächsisch, das auch später in Berlin

sein Markenzeichen bleiben sollte.

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