Mensa 75th anniversary special issue
An special issue to Mensa's 75th anniversary produced by MinD-Mag, the magazine of Mensa in Deutschland
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weitreichendes Urteil. Er stellt fest, dass individuelle<br />
IQ-Tests, die Schülerinnen und<br />
Schüler als geistig zurückgeblieben, aber<br />
grundsätzlich bildungsfähig (educable<br />
mentally retarded) klassifizieren, voreingenommen<br />
gegen Schwarze Menschen sind.<br />
Solche Tests dürfen fortan nicht mehr verwendet<br />
werden, um Individuen gesonderten<br />
Klassen zuzuweisen. An der Überrepräsentation<br />
von Minderheiten in Klassen mit<br />
sonderpädagogischem Förderbedarf hat<br />
sich dadurch leider kaum etwas geändert.<br />
1982<br />
Einen Meilenstein der Intelligenzstruktur<br />
erreicht der Berliner Psychologieprofessor<br />
Adolf Otto Jäger, dem es gelingt, das komplexe<br />
Konstrukt Intelligenz in ein ausreichend<br />
differenziertes, aber nicht übermäßig<br />
kompliziertes und empirisch fundiertes<br />
Modell zu fassen: das Berliner Intelligenz-<br />
Strukturmodell, kurz BIS. Das Modell unterscheidet<br />
drei Inhaltsmodalitäten (sprachliche,<br />
numerische und figurale) und vier Operationsmodalitäten<br />
(das, was man mit den<br />
Inhalten macht – Merkfähigkeit, Kreativität,<br />
Kapazität und Geschwindigkeit), aus denen<br />
sich zwölf Teilfähigkeiten ergeben, die einzeln<br />
abgeprüft werden können. Aus der Gesamtheit<br />
aller Teilfähigkeiten ergibt sich<br />
die allgemeine Intelligenz (der g-Faktor),<br />
die als IQ dargestellt werden kann.<br />
1983<br />
Mit seiner Theorie der „multiplen Intelligenzen“<br />
versucht der Erziehungswissenschaftler<br />
Howard Gardner, dem IQ ein breiteres<br />
Modell menschlicher Fähigkeiten entgegenzusetzen.<br />
In der Intelligenzforschung<br />
stößt sein Modell überwiegend auf Kritik.<br />
Zum einen ignoriere Gardner die Erkenntnisse<br />
der Intelligenzforschung; bereits 1938<br />
hat Louis Leon Thurstone mit seinen „Primärfaktoren“<br />
ein ähnliches, aber empirisch<br />
besser fundiertes Modell vorgeschlagen.<br />
Zum anderen wird kritisiert, dass jegliche<br />
Fähigkeit gleich eine „Intelligenz“ sein<br />
müsse – unter anderem von Detlef Rost,<br />
dem Initiator des Marburger Hochbegabtenprojekts.<br />
Insgesamt genügt das Modell den von<br />
Gardner selbst aufgestellten Kriterien nicht<br />
und gilt als empirisch unzureichend nachgewiesen,<br />
was seiner Popularität insbesondere<br />
in pädagogischen Kreisen jedoch keinen<br />
Abbruch tun konnte.<br />
„Precocity unavoidably complicates the<br />
problem of social adjustment. The child of<br />
eight years with a mentality of twelve or<br />
fourteen is faced with a situation almost<br />
inconceivably difficult. In order to adjust<br />
normally such a child has to have an<br />
exceptionally well-balanced personality and<br />
to be well nigh a social genius. The higher<br />
the IQ, the more acute the problem.“<br />
Lewis Madison Terman, The gifted child.<br />
In: C. Murchison (Hrsg.), A handbook of child<br />
psychology (1931), Zitat: S. 579.<br />
1984<br />
Der neuseeländische Politologe James R.<br />
Flynn (1934–2020) beschreibt als erster,<br />
dass Menschen in mehreren Industrienationen<br />
bessere Ergebnisse in IQ-Tests erzielen<br />
als die Generationen vor ihnen – mit der<br />
Folge, dass der mittlere Intelligenzquotient<br />
über die Jahrzehnte kontinuierlich ansteigt.<br />
Das bedeutet aber nicht notwendigerweise,<br />
dass die Menschen tatsächlich intelligenter<br />
werden, sondern vielmehr, dass sie heute<br />
besser in der Lage sind, IQ-Tests zu lösen.<br />
36 | mind magazin sonderheft 75 jahre mensa | oktober 2021